Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, der Kollege Dr. Riesenhuber feiert heute
Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des ganzen Hauses.
({0})
Ich vermute, Herr Kollege, dass Sie dieser Debatte mit
großem Interesse und an mancher Stelle mit Verwunderung folgen.
({1})
Jetzt hat die Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser
lauten morgendlichen Rede des Kollegen Kampeter will
ich mich bemühen, zu den haushaltspolitischen Realitäten
des Einzelplans 30 zurückzukehren.
({0})
Bildung und Wissenschaft sind die beste und wichtigste Investition in unsere Zukunft, in die Zukunft
jedes einzelnen Bürgers, in die Zukunft unserer
ganzen Gesellschaft.
Das hat Bundespräsident Johannes Rau am 14. Juli
2000 auf dem ersten Kongress des Forum Bildung in Berlin gesagt. Weil die Regierungskoalition mit dem Bundespräsidenten ausdrücklich einer Meinung ist, zählt der Einzelplan Bildung und Forschung eindeutig zu den
Gewinnern im Haushaltsaufstellungsverfahren für 2001.
({1})
Gewinner ist damit auch die deutsche Hochschul- und
Forschungslandschaft, sind die Studierenden und ist der
wissenschaftliche Nachwuchs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir legen heute einen Einzelplan vor, dessen Plafond sich auf nahezu
16 Milliarden DM beläuft. Das sind 1,38 Milliarden DM
bzw. 9,5 Prozent mehr als im laufenden Haushaltsjahr.
({2})
Bereits im Entwurf waren zusätzlich 780 Millionen DM
vorgesehen, was einem Aufwuchs von 5,3 Prozent entsprochen hätte. Dank den aus den UMTS-Versteigerungserlösen resultierenden Zinsminderausgaben stehen
für Bildung und Forschung im Rahmen des bis zum Jahre
2003 befristeten Zukunftsinvestitionsprogramms 1,8 Milliarden DM - das sind jährlich 600 Millionen DM mehr zur Verfügung.
Herr Kollege Kampeter, die Verwendung dieser aus
den Zinsminderausgaben resultierenden Mittel ist durchaus einvernehmlich zwischen dem BMBF und der Regierungskoalition festgelegt worden.
({3})
Ich will mich heute vor allen Dingen auf die neuen Akzente kaprizieren, weil ich die anderen Veränderungen bereits während der ersten Lesung angesprochen habe. Die
UMTS-Zinsersparnisse investieren wir in vier Bereiche.
Erstens heben wir die Zukunftsinitiative Hochschule
aus der Taufe, ein Projekt, das bis zum Jahr 2003 einen
Umfang von 1 Milliarden DM haben wird.
({4})
Diese Zukunftsinitiative beinhaltet vier große Themenbereiche.
Den ersten bildet das virtuelle Hochschulprojekt, das
die Qualität multimedialer Lehr- und Lernformen durch
den verstärkten Einsatz neuer Medien substanziell verbessert. Aufbauend auf diesen multimedialen Lehrangeboten wird es künftigen Studierenden möglich sein, ein
komplettes Studienangebot computergestützt und über
das Netz online wahrzunehmen. Darüber hinaus soll eine
Notebook-University ein Onlinestudium über ein lokales
Verbundnetz ermöglichen.
Ein weiterer Schritt in unseren Bemühungen, Deutschland im Bereich der Informationstechnologien in der
weltweiten Spitze zu etablieren, ist die Gründung eines
Instituts für Informationstechnologie GMD-IT in St. Augustin. Dieses Institut wird zur wachsenden Verzahnung
von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen beitragen.
Den zweiten Kern der Zukunftsinitiative Hochschule
stellt das Projekt zur Aufwertung des Wissenschaftsstandortes Deutschland dar - Brain Gain statt Brain Drain.
({5})
- Herr Kollege Kampeter, wenn Sie die semantischen
Spielchen wiederholen wollen, die Sie peinlicherweise im
Ausschuss getrieben haben, sage ich Ihnen: Wenn Sie das
nicht verstehen, haben Sie sich vielleicht den falschen
Ausschuss ausgesucht.
({6})
Internationalität ist gerade im Wissenschafts- und Forschungsbereich notwendige Voraussetzung, dabei überhaupt minimal mitzureden.
({7})
Diese Initiative soll die deutschen Wissenschaftseinrichtungen attraktiver für Spitzenforscher aus dem In- und
Ausland machen, indem sie zum Beispiel ihre Ausstattung
und ihre Mitarbeiter für Forschungsprojekte mitbringen
können. Darüber hinaus soll talentierter Nachwuchs mehr
Möglichkeiten zu eigenständiger Forschung haben, was
durch Ausbildungspartnerschaften zwischen in- und
ausländischen Hochschulen gefördert werden soll. Wir
korrigieren die Fehler, die die heutige Opposition
während ihrer wahrlich ausreichend langen Amtszeit begangen hat.
({8})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Da nützt es nichts, dass Sie sich, kaum aus der Regierungsverantwortung entlassen, als eifrige Kreuzritter zur
Rettung der deutschen Wissenschaft und Forschung exponieren. Sie haben Fehlentwicklungen zu verantworten
und wir machen sie rückgängig.
({9})
Der dritte Teil betrifft die Forschungszentren an den
Hochschulen. Wir wollen den bisherigen Wettbewerbsnachteil deutscher Forschungszentren in einen Wettbewerbsvorteil ändern, indem wir Forschungszentren an
besonders leistungsfähigen Hochschulen mit Anschubfinanzierung unterstützen und so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Spitzenforscherinnen und -forscher
demnächst wieder in unserem Land bleiben, wo sie dringend benötigt werden.
({10})
Das vierte Projekt ist ein bundesweites Netzwerk für
Patentierungen und Neugründungen. Wir schaffen so
die Möglichkeit, das vorhandene wissenschaftliche Potenzial zeitnah in ökonomischen Profit umzusetzen.
Der zweite durch UMTS-Mittel geförderte Schwerpunkt sieht die Schaffung eines nationalen Genomforschungsnetzes vor. Keine andere Forschungsrichtung hat
in den vergangenen Jahren eine solche Dynamik erfahren
wie die Genomforschung. Noch 1990 ahnte niemand,
dass die Erbanlagen des Menschen bereits zehn Jahre später nahezu vollständig entschlüsselt sein würden. Die
neuen Chancen, die diese Forschung bietet, sollen zum
Wohl unserer Bevölkerung aktiv nutzbar gemacht werden. So genannte Volks- und Erbkrankheien - Alzheimer,
Krebs, Aids, Epilepsie und Demenz - können nur durch
ein höheres Tempo bei der Funktionsanalyse bekämpft
werden. Deshalb werden wir im kommenden Jahr
100 Millionen DM und weitere 250 Millionen DM für
2002 und 2003 in den Einzelplan 30 einstellen.
({11})
Addiert man alle Mittel, einschließlich der für die Pflanzengenomforschung, stehen bereits im kommenden Jahr
244 Millionen DM für die Genomforschung in Deutschland zur Verfügung.
Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, zu erwähnen, dass wir während der Haushaltsberatungen durchgesetzt haben, den Anteil der Mittel für Forschungsprojekte
zu ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen der Genomforschung und zum Diskurs mit der Öffentlichkeit
von 3 auf 5 Prozent anzuheben.
({12})
Wir sind uns gerade auf diesem relativ neuen Forschungsgebiet der politischen Verantwortung bewusst,
die auch der Kanzler am Mittwoch dieser Woche mit seinem Vorschlag einer großen parlamentarischen Debatte
zu diesem Thema aufgegriffen hat. Die gesamte Thematik bewegt viele Menschen, nicht nur die, die auf Heilung
warten oder auf die Vermeidung schwerster Krankheiten
hoffen. Darum ist ein breiter gesellschaftlicher Dialog
nötig. Es ist begrüßenswert, dass das BMBF das Jahr 2001
als Jahr der Lebenswissenschaften initiiert hat.
({13})
Die dritte Initiative kommt den neuen Bundesländern
zugute, in denen wir innovative regionale Wachstumskerne fördern werden. Wir knüpfen hier an ein anderes
von uns initiiertes Programm, den Inno-Regio-Wettbewerb, an. Der Zuspruch in den neuen Ländern zu diesem
Projekt war enorm. Er war derart positiv, dass es angezeigt ist, hier entsprechend nachzulegen.
({14})
In den kommenden drei Jahren stehen je 50 Millionen DM für die Erschließung von Innovationspotenzialen und die Etablierung von Kompetenzzentren zur Verfügung. Dieses Projekt ist beispielhaft für die Priorität, die
die neuen Bundesländer für uns besitzen. Wir tragen dazu
bei, eine hochmoderne Forschungsstruktur zu etablieren,
die innerhalb Europas deutlich konkurrenzfähig ist.
Beim vierten UMTS-Projekt nehmen wir uns der Berufsschulen in Deutschland an. Die Situation der Berufsschulen ist Ihnen allen aus Ihren Wahlkreisen bekannt.
Meine Fraktion ist sich hier ihrer bundespolitischen Aufgabe bewusst. Wir wollen nicht auf der einen Seite ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit und
für mehr Ausbildungsplätze anschieben, ohne auf der anderen Seite gleichzeitig die mediale Infrastruktur der
Berufsschulen zu verbessern. Sobald die nötige Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ausgearbeitet sein wird, stehen in den kommenden zwei Jahren
255 Millionen DM für eine Modernisierung der Ausstattung bereit.
Der wesentliche Akzent neben diesem Zukunftsinvestitionsprogramm ist die überfällige BAföG-Reform. Herr
Kollege Kampeter und liebe Bildungspolitiker und Bildungspolitikerinnen der Opposition, da sollten Sie nicht
an unserer Reform herummäkeln und lamentieren, dass
das nicht genug sei,
({15})
sondern Sie sollten sich schlicht und ergreifend vergegenwärtigen, wie das BAföG während Ihrer 16-jährigen Regierungszeit deformiert worden ist.
({16})
1998 erhielten nur noch 340 000 Personen staatliche
Ausbildungsförderung, während es Anfang der 90er-Jahre noch 605 000 waren.
({17})
- Das werde ich Ihnen gleich erzählen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich mit dem Vorwurf des Kollegen Kampeter im gestrigen „Handelsblatt“
aufräumen, dass eine Trendwende beim BAföG bisher
nicht zu beobachten sei.
({18})
Dazu will ich Ihnen auf der rechten Seite des Hauses einmal vortragen, wie sich Ihre Mittelansätze von 1991 bis
1998 entwickelt haben: 1991 waren es 2,5 Milliarden DM, 1993 2,2 Milliarden DM, 1994 2 Milliarden DM,
1995 1,8 Milliarden DM und 1997 1,5 Milliarden DM.
({19})
- Bleiben Sie ganz ruhig; ich komme gleich darauf zu
sprechen. - Dass damit auch ein kontinuierlicher Rückgang der Empfängerzahlen verbunden ist, das versteht
sich von selbst. Auch der an gleicher Stelle kritisierte Mittelabfluss für 1999 und 2000 bewegt sich mit 96 bzw. mit
93 Prozent im langjährigen Normalmaß.
({20})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarten Sie im
Ernst, dass die Studierenden nach diesen deprimierenden
Erfahrungen jetzt plötzlich die BAföG-Ämter erstürmen?
Das wird natürlich nicht der Fall sein. Es wird einer bundesweiten Informationskampagne bedürfen, um für eine
neuerliche Akzeptanz des BAföGs zu werben.
({21})
Nun korrigieren wir diese Fehlentwicklung und stellen
den Studierenden pünktlich zum Sommersemester 2001
alles in allem 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung.
({22})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kampeter?
Ich habe dem Kollegen
Kampeter das alles in mehreren Ausschussberatungen
ausführlich erläutert, andere auch. Ich glaube, dass er an
einer Aufklärung nicht interessiert ist. Das hat auch seine
Rede heute Morgen hier bewiesen.
({0})
Unsere BAföG-Reform wird den Anteil der Förderungsempfänger an der Gesamtstudierendenzahl von
20 auf 25 Prozent erhöhen. Im Einzelnen beinhaltet die
Reform eine Reihe von nennenswerten Verbesserungen,
von denen ich nur kurz einige vortragen möchte: Die Bedarfssätze erhöhen sich um durchschnittlich 6 Prozent,
der Höchstfördersatz sogar um 7,3 Prozent von 1 030 DM
auf 1 105 DM. Das Kindergeld wird bei der Berechnung
des Anspruchs nicht mehr auf das Einkommen angerechnet. Die Förderleistungen in den alten und in den neuen
Ländern werden zehn Jahre nach der Wiedervereinigung
endlich vereinheitlicht. Wir führen eine Rückzahlungsobergrenze von 20 000 DM für die Gesamtdarlehensbelastung ein. Das Studium in Deutschland und in der EU
wird gleichbehandelt.
Neben dem BAföG stocken wir, wie versprochen, die
Mittel für den Hochschulbau auf. Denn die Infrastruktur
an den deutschen Hochschulen ist von Ihnen jahrelang
sträflich vernachlässigt worden. Ich muss Sie daran erinnern, dass wir von Ihnen 1998 im Rahmen dieses Titel einen Ansatz von 1,8 Milliarden DM geerbt haben.
({1})
Wir waren es, die die Mittel für den Hochschulbau
zunächst auf 2 Milliarden DM und jetzt auf 2,215 Milliarden DM erhöht haben. Allerdings tragen wir eine von
Ihnen verursachte Altlast ab, um die Vorleistungen der
Bundesländer auszugleichen.
({2})
Dies tun wir in jährlichen Raten. Die Rate für 2001 haben
wir noch einmal um 65 Millionen DM angehoben.
({3})
Zur Förderung der IuK-Technologien, zur Erhöhung
der institutionellen und der Projektförderung und zu der
Selbstverständlichkeit - das will ich ausdrücklich betonen -, mit der wir unseren internationalen Verpflichtungen bei der Europäischen Weltraumorganisation nachkommen, habe ich anlässlich der Einbringung des
Haushaltes das Nötige gesagt.
Der Einzelplan 30 setzt ein dickes Ausrufezeichen. Bei
anhaltender konsequenter Haushaltskonsolidierung haben wir das Feld der Zukunftsbereiche Bildung und Forschung bestens bestellt.
({4})
Daher dürfte es Ihnen eigentlich nicht schwer fallen, einem Haushalt zuzustimmen, nach dem Sie sich während
Ihrer Regierungszeit alle zehn Finger geleckt hätten. Darum bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Einzelplan 30 in der
Ausschussfassung zu.
({5})
Jetzt hat der Kollege
Steffen Kampeter das Wort zu einer Kurzintervention.
Frau Kollegin
Klemmer, Sie haben behauptet, beim BAföG sei alles besser, seitdem Sie regierten.
({0})
Ich will noch einmal kurz die Tatsachen feststellen: In den
90er-Jahren, also während der Regierungsverantwortung
der CDU/CSU, lagen die BAföG-Ausgaben immer über
rund 2 Milliarden DM. Der diesbezügliche Haushaltsansatz liegt heute bei rund 1 Milliarde DM.
({1})
Hinzu kommen einige bei der Deutschen Ausgleichsbank
ausgelagerte Mittel. Ich stelle fest, dass für das BAföG
unter der Regierungsverantwortung der CDU/CSU mehr
Geld ausgegeben worden ist, als Sie derzeit hier verausgaben.
({2})
Zweitens stelle ich fest: Sie haben im Frühjahr 1999
angekündigt, dass Sie eine große BAföG-Strukturreform durchführen wollen, um an die Höhe der Ausgaben für BAföG während der Verantwortung christdemokratischer Regierungschefs heranzukommen. Bis heute,
also Ende 2000, liegt kein entsprechender Gesetzentwurf
vor. Sie haben sich mit Ihrem Koalitionspartner nur darauf
einigen können, eine Mininovelle durchzuführen und die
strukturellen Veränderungen beim BAföG auf die nächste
Legislaturperiode zu verschieben.
({3})
Das sind die Tatsachen, über die Sie die Öffentlichkeit
falsch aufgeklärt haben und die ich deswegen gerade stellen musste.
({4})
Frau Kollegin
Klemmer, möchten Sie darauf antworten?
Nein.
Dann erteile ich jetzt
das Wort der Kollegin Ulrike Flach für die F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Herr Kampeter, Sie haben gleich die Gelegenheit, dem F.D.P.-Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir
sind auf Ihr Verhalten gespannt, es ist eine namentliche
Abstimmung.
({0})
Meine Damen und Herren, Etatberatungen nach zwei
Jahren einer Legislaturperiode haben immer einen besonderen Reiz. Sie lassen den roten Faden bildungspolitischer Entscheidungen klarer erkennen und geben Gelegenheit, Anspruch und Wirklichkeit zu vergleichen. Sie,
Frau Bulmahn, haben das auch getan. Wir haben vor wenigen Tagen Ihre Halbzeitbilanz mit dem wunderbaren Titel „2:0 für Bildung und Forschung“ übersandt bekommen.
({1})
Das ist mutig, aber deutlich mit der rosaroten Brille gesehen. Es ist Ihnen zwar ganz offensichtlich gelungen,
Treffer bei der Verteilung der Goldregensumme aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Ihre Scheune
hineinzuleiten - dazu gratuliere ich Ihnen -,
({2})
aber Sie haben nicht einmal Abstaubertore beim Thema
Reformen erzielt.
({3})
Beim Halbzeitpfiff haben Sie sich von allen großen Reformvorhaben verabschiedet: Die angekündigte BAföGStrukturreform kommt nicht. Sie reparieren statt zu
reformieren. Die Reform des Hochschuldienstrechts
bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Ihre Computeraktion im August ist bereits im Sommerloch verschwunden - Herr Kampeter hat darauf hingewiesen -,
({4})
bei der Sie jedem Schüler einen Laptop versprochen haben. Davon sind ganze sechs Modellprojekte in Hamburg
übrig geblieben.
({5})
Die Reform des Hochschulbauförderungsgesetzes
ist noch nicht einmal im Ansatz zu erkennen und - man
kann es nur immer wieder in Erinnerung rufen, schließlich haben Sie damit die Wahl 1998 gewonnen - Sie wollten in dieser Legislaturperiode die Investitionen in Bildung und Forschung verdoppeln, Frau Bulmahn. Davon
sind Sie meilenweit entfernt.
Sie haben den Haushaltsansatz des BMBF in Ihrer Regierungszeit um 12,4 Prozent gesteigert. Das ist schön,
aber, gut gebildet, wie wir alle sind, wissen wir, dass das
genau 87,6 Prozent am eigenen Anspruch vorbei ist.
({6})
Meine Damen und Herren, zur Reform des Hochschuldienstrechts schreiben Sie in Ihrer Halbzeitbilanz:
Die Zeit ist reif für Veränderungen. Der jetzt stattfindende Generationswechsel an den Hochschulen ist
eine Chance, die wir nutzen müssen.
Ja, dann nutzen Sie sie auch, Frau Bulmahn, zu einer
wirklichen Reform, wie die F.D.P. sie vorgelegt hat.
({7})] [SPD]: Man
merkt es nur nicht!)
Setzen Sie Pflöcke: Schaffen Sie das Beamtentum an den
Hochschulen ab.
({8})
Stellen Sie Universitäten und Fachhochschulen gleich,
weiten Sie die leistungsbezogenen Elemente im Gehalt
aus, führen Sie die Juniorprofessuren ein, aber ohne die
bewährte Habilitation gleich gänzlich abzuschaffen, und
lösen Sie sich von Ihrer geradezu tödlichen Fixierung auf
die Kostenneutralität. Eine wirkliche Reform, Frau
Bulmahn, kostet Geld und ist mit kosmetischen Reparaturen nicht zu schaffen.
({9})
Das weiß man natürlich auch in Ihrer Fraktion, deswegen war die Begeisterung - Frau Klemmer hat es soeben
vorgetragen - in Ihren eigenen Reihen über die Steigerung
der Mittel für den Hochschulbau nicht verwunderlich.
Sie stellen im Haushaltsjahr 2001 2,215 Milliarden DM
ein. Was heißt das aber in der Praxis? Viele Bundesländer,
besonders im Osten, können die 50-prozentige Kofinanzierung gar nicht erbringen. Entsprechend fließen die Mittel in diese Länder überhaupt nicht ab. Dies muss man vor
dem Hintergrund des vom Wissenschaftsrat ermittelten
enormen Investitionsstaus gerade in Ostdeutschland sehen.
({10})
Gewinner sind die westlichen Länder, nämlich BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern.
Wenn Sie das nicht ändern, Frau Bulmahn, zementieren
Sie einen Hochschulbau der zwei Geschwindigkeiten.
Wir haben in unserem Antrag - es ist ein schöner
F.D.P.-Antrag - ein Hochschulsonderprogramm gefordert, das die Kofinanzierung zugunsten der Länder verschiebt.
({11})
Mit diesem Sonderprogramm knüpfen wir übrigens an die
alten möllemannschen Erfolgszeiten an, Herr Tauss.
({12})
Der Bund muss sich stärker engagieren. Was haben Sie
getan? - Sie haben das abgelehnt.
({13})
Besonders enttäuscht hat mich allerdings Ihr Einknicken beim BAföG. Mit der 21. Novelle sollte doch
eine Systemumstellung hin zu einer elternunabhängigen
Förderung und zu einer Veränderung des Verhältnisses
von Zuschuss und Darlehen für Geförderte aus einkommensschwachen Familien erreicht werden. Nichts ist daraus geworden. Stattdessen haben Sie den Betrag in der
Spitze um 75 DM - das muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen - angehoben und die Freibeträge
gesenkt. Sie haben eben nicht den großen Wurf für eine
Absicherung unserer Studierenden gemacht, sondern nur
ein kleines Reparaturnovellchen auf die Schiene gebracht.
({14})
Die F.D.P. hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir wollen eine einkommensunabhängige Grundförderung von 500 DM, eine einkommensabhängige Ausbildungsbeihilfe von maximal 350 DM und ein unverzinsliches Darlehen von bis zu 750 DM. Diese Gelder sollen direkt an die Studierenden ausgezahlt werden.
({15})
Ich freue mich, dass in den Reihen der CDU in dieser
Frage offensichtlich eine leichte Lockerung entsteht. Wir
werden gleich sehen, wer wie abstimmt.
Wir behandeln die Studierenden als mündige Erwachsene, die selbst über ihren Ausbildungsgang entscheiden.
({16})
Das soll nicht nur beim BAföG so sein. Das wollen wir
auch mit unserem Bildungsscheck-Modell. Denn Studierende sind Kunden der Hochschulen. Das müssen wir, die
Politiker, organisatorisch untermauern. Jeder Abiturient
soll mit seinem Bildungsscheck an die Hochschule seiner
Wahl gehen dürfen. Dorthin sollen die Gelder fließen.
Dann müssen die Hochschulen um die Studierenden, die
Kunden, konkurrieren. Wettbewerb ist ein uraltes liberales Grundverständnis, beflügelt das Geschäft und hebt die
Qualität.
({17})
Ich bin froh, dass diese alte Händlerweisheit inzwischen auch bei der Bund-Länder-Kommission und sogar
bei einem leibhaftigen Landesminister Gehör gefunden
hat. Die Damen und Herren von der CDU werden es genauso wie ich gelesen haben: Sachsens Wissenschaftsminister spricht sich neuerdings für ein Bildungsgutscheinsystem aus. Ich hoffe, Sie unterstützen uns bei dieser
Reform.
({18})
Lassen Sie mich noch einige Aspekte zum Forschungsbereich ansprechen. In der Genomforschung und
in der Gesundheitsforschung haben Sie die Mittel erhöht,
die Projektmittel für die Genomforschung sogar um
300 Prozent. Wir begrüßen das und unterstützen Projekte
wie Bio-Chance und Bio-Profile. Wir sehen aber auch,
dass zum Beispiel bei der Gen- und Biotechnologie ein
Flaschenhals entsteht: eine erfreulich breit angelegte Forschung mit einer durch politische Willkürmaßnahmen
verengten Anwendung.
({19})
Die Minister Fischer und Trittin blockieren bei der
Gentechnik Ihre Anstrengungen, Frau Bulmahn. Während
Sie strahlend unter dem Weihnachtsbaum auf Ihre
Genommillionen schauen, rutscht Ihnen der Knecht
Ruprecht Jürgen Trittin mit einer Kampagne für gentechnikfreie Schokolade durch den Kamin.
({20})
Wir lange wollen Sie noch schweigend die Kapriolen Ihrer Kabinettskollegen mit ansehen?
({21})
Frau Kollegin, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen
Seifert.
Aber selbstverständlich.
Bitte sehr, Herr Kollege.
Sehr verehrte Frau Kollegin,
Sie reden gerade von dem Flaschenhals, den Sie bei der
Anwendung der Gentechnologie sehen. Erkennen Sie
aber nicht, dass das kein Flaschenhals, sondern einfach
Angst ist, die bei den Leuten real existiert? Denn was man
durch Gentechnologie einmal anfängt, kann man nicht
zurückholen. Sehen Sie nicht, dass diese Ängste durchaus
berechtigt sind, dass man erst einmal die ethischen Fragen
klären muss, bevor man anfangen kann, das alles umzusetzen oder etwas freizusetzen?
({0})
Selbstverständlich sehe ich
diese Ängste. Welcher Politiker würde die Angst der
Leute nicht erkennen? Selbstverständlich müssen wir, die
Politiker, darauf reagieren. Aber wir forschen in diesem
Bereich. Wenn etwas erforscht ist, müssen wir es auch anwenden können und dürfen uns nicht vor Angst irgendwo
in eine Ecke zurückziehen.
({0})
- Natürlich. Wenn etwas erforscht ist und zu einem positiven Ergebnis gekommen ist, kann ich das anwenden.
({1})
Wenn die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission dies befürwortet, dann sollte das getan und nicht aus
ideologischen Gründen unterlaufen werden.
({2})
Das gleiche Spielchen erleben wir bei der Fusionsforschung. Herr Fell plädiert für einen Ausstieg aus dem
Projekt ITER. Ich freue mich, dass unsere Nachbarländer
dieses Papier offensichtlich nicht gelesen haben, denn es
gab in Brüssel ein klares Signal für ITER; leider verbunden mit den üblichen Vorbehalten von Ihnen, Frau
Bulmahn. Ich bitte Sie sehr, an diesen Zweifeln nicht festzuhalten. Es kommt jetzt darauf an, die Fusionsforschung
auch im 6. Europäischen Forschungsrahmenprogramm zu
verankern.
({3})
Meine herzliche Bitte an Sie lautet: Grenzen Sie sich
eindeutig von grüner Forschungsverhinderung ab. Das
betrifft die Fusionsforschung genauso wie die Nuklearforschung traditioneller Prägung. Sie kann eben nicht
darin bestehen - wie Herr Fell es so schön sagt -, nur noch
„Mindestkompetenz“ zu erhalten.
({4})
Gerade von einer Regierung, die den Kernkraftausstieg
beschlossen hat, ist zu erwarten, dass sie weiterhin Fachkräfte für den Rückbau und die Lagerung radioaktiver
Materialien ausbilden lässt. Bei einer kerntechnischen
Anlage ist es nicht damit getan, den Aus-Schalter zu
betätigen. Wir brauchen Fachleute. Es ist ein beängstigendes Signal, dass an den Hochschulen immer weniger
Kerntechniker und Nuklearphysiker ausgebildet werden.
({5})
Glaubwürdigkeit in der Politik wird auch an der Einhaltung von Zusagen gemessen. Sie haben den großen
Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen hinsichtlich
ihrer Etats jährliche Steigerungsraten von 5 Prozent versprochen. Wir halten in unseren Anträgen das, was Sie
versprochen haben, Frau Bulmahn; Sie tun es nicht.
Hinzu kommt eine Entwicklung bei den Großforschungseinrichtungen, die wir mit großer Sorge betrachten. Hier möchte ich Sie als Nordrhein-Westfälin
ganz direkt ansprechen: Wie wäre es, wenn Sie Herrn
Clement einmal aufforderten, in Sankt Augustin mit nordrhein-westfälischen Mitteln einzuspringen, damit wir das
durchführen können, was Sie hier in Berlin losgetreten haben, nämlich eine Großforschungseinrichtungsfusion, die
offensichtlich ganz eifrig und schnell passiert ist, ohne der
ganzen Sache auf den Grund zu gehen und den Bereich
abzusichern, den wir als Schlüsseltechnologie für das
nächste Jahrhundert bezeichnen?
({6})
Natürlich kommt von Ihnen immer: Eure Vorschläge
kosten viel Geld. Wo wollt ihr denn sparen? Lassen Sie es
mich zum Abschied ganz klar und deutlich sagen:
({7})
Die F.D.P. will bei der Bildung nicht sparen.
({8})
Bildung ist Freiheit und wer an Bildung spart, beschneidet die Freiheit künftiger Generationen.
({9})
Wer an Bildung spart, wird später für Folgewirkungen
doppelt und dreifach bezahlen.
({10})
- Herr Poß, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass unsere
Bildungsminister nicht gespart haben.
({11})
- Ich rede von den Liberalen, nicht von den anderen.
({12})
Das, was Sie uns heute vorlegen, entspricht zwar den
Verkündigungserwartungen eines Medienkanzlers, Frau
Bulmahn, aber sicherlich nicht Ihrem eigenen Anspruch
- ich weiß, der ist hoch - und schon gar nicht dem, was
die Zukunft erfordert.
({13})
Jetzt hat der Kollege
Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
haben gerade gehört, dass die F.D.P. bei der Bildung nicht
sparen will. Liebe Frau Kollegin, was wir Ihnen nicht
durchgehen lassen, ist, so zu tun, als hätten Sie in den
16 Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung im
Bildungsbereich nicht gespart. Auch wenn Ihre Partei ausnahmsweise einmal nicht den Bildungsminister stellte,
haben Ihre Politiker sowohl das BAföG mit kaputtgemacht als auch den Bildungsetat mit abschmelzen lassen.
({0})
Hierfür tragen Sie eine Mitverantwortung, aus der wir Sie
nicht entlassen werden.
({1})
Der Kollege Kampeter hat hier eine Rede gehalten, die
relativ wenig Zahlen enthalten hat.
({2})
Ich habe viel Verständnis für Ihre Gründe. Der Kollege
Kampeter ist der dienstälteste Berichterstatter für den Bildungsbereich.
({3})
Insofern wollen wir ihn einmal daran erinnern, was
während seiner Amtszeit so alles passiert ist.
Von 1993 bis 1998 ist der Bildungsetat um 4,6 Prozent
abgeschmolzen worden. Auch ohne Haushaltssanierung
ist der Bildungsetat unter der Verantwortung von Herrn
Kampeter zurückgegangen.
({4})
Ich verstehe ja, dass Sie sich mit Ihren wegweisenden
Forderungen gegen Herrn Rüttgers nicht haben durchsetzen können, aber so viel Redlichkeit gehört dazu, das
dann hier auch anzusprechen.
({5})
Seit 1998 ist der Bildungsetat, wenn man die BAföGVeränderungen, das heißt die Umbuchungen zur Ausgleichsbank, hinzuzählt, um 15 Prozent gewachsen. Ich
danke Herrn Kampeter, dass er uns dabei geholfen hat,
dass das passiert ist. Aber das ist ein Verdienst von Frau
Bulmahn und nicht von Herrn Rüttgers; das wollen wir
klar festhalten.
({6})
Herr Kollege Austermann ist ja ein Meister darin, Zahlen etwas schief darzustellen. Natürlich sind die BAföGAusgaben in diesem Haushalt nominal niedriger als in den
früheren Haushalten. Aber der Hintergrund ist nicht etwa,
dass wir gespart hätten, sondern dass es eine strukturelle
Veränderung gab. Der Darlehensanteil des BAföG wurde
aus dem Bundeshaushalt herausgenommen und der Ausgleichsbank zugeordnet.
({7})
Wenn Sie das alles zusammenrechnen
({8})
und Ihren Referenten bitten, Sie demnächst besser zu instruieren, werden Sie feststellen, dass wir durch diese Aktion mehr Spielräume für das BAföG geschaffen und nicht
beim BAföG gespart haben.
({9})
Ich will damit sagen, dass es der rot-grünen Koalition
in den ersten zwei Jahren gelungen ist, die finanziellen
Spielräume für eine Bildungsreform zu schaffen. In den
nächsten zwei Jahren müssen wir darüber reden, diese finanziellen Spielräume zur Umsetzung der Bildungsreform auch tatsächlich zu nutzen.
({10})
Ich fange an beim Thema BAföG. Es ist völlig richtig
und es ärgert uns alle, dass viele Studierende, die eigentlich BAföG-Empfänger hätten sein können, nicht zum
BAföG-Amt gehen und BAföG nicht beantragen, obwohl
sie davon profitieren würden. Sie bekämen Zuschüsse, sie
bekämen zinsgünstige Kredite. Das heißt, sie würden,
wenn sie einen Förderantrag stellten, etwas davon haben.
Warum machen sie es nicht? Das BAföG hat an Image
verloren in dem Moment, als Herr Rüttgers begann, daran
herumzudoktern.
({11})
Seit dem Tag, an dem Herr Rüttgers seinen Gesetzentwurf
eingebracht und den Darlehensanteil auf bankübliche
Darlehen umgestellt hat, ist das BAföG im absoluten
Steilflug nach unten.
({12})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir
mit der BAföG-Reform, die wir vorgelegt haben, einen
Beitrag dazu leisten, dass es wieder attraktiver wird.
Warum?
Erstens. Es wird weniger bürokratisch. Wir sorgen
dafür, dass es leichter wird, einen BAföG-Antrag zu stellen, dass Schülerinnen und Schüler leichter nachvollziehen können, wenn sie denn studieren wollen, wie viel Anspruch sie beim BAföG haben.
Zweitens. Wir begrenzen die Darlehensbelastungen
nach oben. Das heißt, wir wollen den absoluten Schuldenberg der Studierenden an dieser Stelle reduzieren.
({13})
- Dieser Gesetzentwurf hat das Kabinett passiert, er wird
auch den Deutschen Bundestag passieren, er wird auch
Zustimmung bei den Ländern finden. Das ist ein Schritt,
der das BAföG akzeptabler macht.
({14})
- Der Kollege Kampeter kann mir gerne eine Zwischenfrage stellen, sollte aber an dieser Stelle nicht dauernd dazwischen blöken.
({15})
Nun hat hier jemand Platz genommen, zu dem ich auch
noch einen Satz sagen möchte, nämlich der Kollege
Hilsberg, der der Bildungsdebatte die ganze Zeit lauscht.
Stefan, du hast eine neue Position bekommen. Von dieser
Stelle aus wünsche ich dir alles Gute.
({16})
Da ich weiß, dass du ein Anhänger des lebenslangen Lernens bist und schon immer warst, glaube ich, dass du dich
auch in die neue Position als Staatssekretär im Verkehrsministerium einarbeiten und dort Erfolge erzielen wirst.
({17})
Ich muss es aber bedauern, dass du in der bildungspolitischen Runde nicht mehr dabei ist. Das will ich an dieser
Stelle auch einmal sagen.
Wenn ich schon beim lebenslangen Lernen bin:
({18})
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die CDU früher
bei der Bildung gespart hat, zusammen mit der F.D.P. Ich
freue mich aber darüber, lieber Herr Kollege Kampeter,
dass die CDU jetzt für das Bildungssparen ist, dass sie
einen Vorschlag unterstützt, den die Grünen in die Debatte
gebracht haben, nämlich Vorsorge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für Weiterbildung zu fördern, so
wie wir Bausparen gefördert haben.
Ich glaube, dass die rot-grüne Koalition - wenn die
CDU dabei ist, umso besser - hier ein gutes Instrument
einführen könnte, um gerade die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen, mit einem
Jahreseinkommen bei Verheirateten bis zu 70 000 DM,
besser zu fördern und um deren Anstrengungen, zum Beispiel einen Internet-Führerschein zu machen oder eine
Sprache zu lernen, zu unterstützen, weil Bildung so wichtig ist wie ein Dach über dem Kopf.
({19})
Ich wünsche mir, dass wir die zweite Hälfte der Legislaturperiode dazu nutzen, sowohl im Steuerrecht als auch
bei der Frage der Vermögensbildung dem Thema Bildung
stärker Geltung zu verschaffen,
({20})
um so zusätzliche Spielräume für das lebenslange Lernen
zu schaffen.
Meine Damen und Herren, es ist vorhin gesagt worden,
die Politik von Herrn Rüttgers sei fortgesetzt worden.
({21})
Das hat mich wirklich erschreckt und erschüttert. Wir haben beim BAföG die Politik von Herrn Rüttgers nicht
fortgesetzt, sondern das Gegenteil gemacht.
({22})
Wir haben beim Hochschulbau geplünderte Kassen vorgefunden. Deswegen haben wir die Mittel dafür jedes Jahr
aufgestockt.
Kollegin Flach, Sie haben behauptet, die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz würden
beim Hochschulbau das Geld abgreifen, das eigentlich in
die neuen Länder fließen sollte. Ich möchte Sie fragen:
Wer regiert denn da eigentlich? Wer greift das denn ab?
({23})
Die F.D.P. ist in allen drei Ländern noch in der Regierungsverantwortung. Wenn Sie zulasten des Bundes verschieben, dann werden diese Länder noch mehr Gelder
abziehen können und werden sich aus den Kassen für den
Hochschulbau bedienen, wie sie es schon unter Rüttgers
getan haben. Ich sage Ihnen ganz klar: Das machen wir
nicht mit. Wir wollen, dass die Mittel zwischen allen Ländern fair aufgeteilt werden und dass das aufhört, was Sie
eingeführt haben.
({24})
Mit seiner Personalstrukturreform ist Herr Rüttgers
beim Bundesinnenminister abgeblitzt, dass es nur so gekracht hat. Auch in diesem Bereich setzen wir die Politik
von Herrn Rüttgers nicht fort; vielmehr werden wir ein
modernes Dienstrecht für unsere Hochschulen einführen.
({25})
Wenn wir schon ein modernes Dienstrecht für die
Hochschulen einführen, dann sollten wir die Schulen dabei nicht vergessen.
({26})
Die konservative Regierung hat mit dem Bundesbesoldungsrecht über Jahre hinweg auch Schulpolitik gemacht.
({27})
Sie hat zum Beispiel Beförderungen im Grundschulund im Hauptschulbereich verhindert. Die Aufgabe dieser Koalition ist, eine vernünftige Schulpolitik zu machen
und durch ein neues Besoldungsrecht die Leistungen der
Lehrerinnen und Lehrer gerade im Grundschul- und
Hauptschulbereich mehr anzuerkennen als bisher. Das
werden wir uns vornehmen. Wenn Sie von Ankündigungen sprechen, dann sage ich Ihnen: Wir lassen uns am
Ende der Legislaturperiode messen. Ich verspreche Ihnen:
Es wird ein vernünftiges und modernes Dienstrecht für
die Hochschulen und - hoffentlich - auch für die Schulen
in Deutschland geben.
({28})
Der Kollege Rüttgers hatte noch nicht einmal einen
Computer mit E-Mail-Anschluss in seinem Büro, als er
das Bildungsministerium verlassen hat.
({29})
Insofern bin ich froh, dass das Bildungsministerium jetzt
eine neue Politik macht, mit der das Internet, das für das
zukünftige Bildungswesen wichtig sein wird, stärker gefördert wird.
Wir haben durchgesetzt, dass die Berufsschulen im ITBereich besser ausgestattet werden. Die Berufsschulen
waren die Schulen, die bisher in diesem Bereich am
schlechtesten ausgestattet waren. Jetzt kommt es auf die
Länder an. Ich bin gespannt, ob sie Geld auf unser ITFörderprogramm drauflegen, damit wir es tatsächlich
schaffen, die Schulen, die bisher am schlechtesten ausgestattet waren und am Ende des Feldes waren, an die Spitze
zu bringen. Ich glaube, dass eine vernünftige IT-Ausstattung der Berufsschulen wichtig ist und ein guter Beitrag
für eine moderne Berufsausbildung ist. Machen Sie mit
und unterstützen Sie uns dabei, anstatt das hier kleinzureden.
Ein weiteres Beispiel ist die so genannte Notebookuniversität. Es wird in Zukunft an jeder Universität Studiengänge geben, in denen die Studierenden von Anfang
an ein Notebook haben und untereinander vernetzt sind.
Diese Studiengänge werden bald genauso wichtig sein
wie zum Beispiel mehrsprachige Studiengänge. Auch das
werden wir fördern. Unter Herrn Rüttgers gab es dafür
noch nicht einmal einen Ansatz.
Wir fördern ganz massiv die Vermittlung neuer Lerninhalte durch das Internet. Ich hatte in dieser Woche Gelegenheit, mir das Projekt eines virtuellen Studiengangs
im Bereich der Chemie anzuschauen. An einem solchen
Beispiel wird deutlich, dass das Internet auch in Deutschland zur Vermittlung neuer Lerninhalte tatsächlich genutzt wird und dass Deutschland nicht hinterherläuft, sondern Spitze ist. All das sind Akzente, die wir mit unserem
Haushalt setzen. Ich meine, dass sich das lohnt und dass
die Union dem zustimmen sollte. Sie haben den Bildungsetat gekürzt. Wir erhöhen ihn und machen auch noch vernünftige Politik. Das sollten Sie sich hinter die Ohren
schreiben.
({30})
Für die PDS-Fraktion
spricht nun die Kollegin Maritta Böttcher.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, als ich
Ihre Ausführungen gehört habe, habe ich mich zum wiederholten Male in diesem Hause gefragt: Was haben Sie
in den letzten Jahren eigentlich getan? Warum haben Sie
all diese Vorschläge, die Sie heute vorlegen, nicht längst
umgesetzt, anstatt jetzt die Bundesregierung zu kritisieren?
({0})
- Nicht dass wir uns falsch verstehen, lieber Herr Tauss.
({1})
Ich will mich nun mit dem Haushalt auseinander setzen und eingangs ein sehr deutliches Wort an Sie, Frau
Ministerin, richten. Wenn wir alle ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass die Aufstockung im Einzelplan 30
keineswegs in erster Linie das Ergebnis einer Setzung politischer Prioritäten durch die Bundesregierung ist. Sie
wissen wie wir alle, dass die Versteigerung der UMTSMobilfunklizenzen im Sommer unerwartet einen Betrag
in Höhe von rund 100 Millionen DM ({2})
- Entschuldigung, 100 Milliarden DM; über Peanuts rede
ich später - in den Bundeshaushalt gespült hat. Das ist
mehr als ein Fünftel des gesamten Haushaltsvolumens.
Ihre politische Vorgabe lautet, diesen Betrag komplett zur
Schuldentilgung einzusetzen und zusätzliche politische
Vorhaben allenfalls aus den daraus resultierenden Zinsersparnissen zu finanzieren. Die PDS hat dies kritisiert;
ich will das heute nicht wiederholen.
Aber selbst von den rund 5 Milliarden DM an eingesparten Zinszahlungen kommen im Haushaltsjahr 2001
gerade einmal 600 Millionen DM, also nur ein gutes
Zehntel, im Bildungs- und Forschungsetat an. Dabei hat
noch am 21. September dieses Jahres Ihr Staatssekretär
Catenhusen erklärt, die Bundesregierung wolle über
1 Milliarde DM aus den eingesparten Zinszahlungen in
Bildung und Forschung investieren. Schon am 7. November war diese Milliarde auf 600 Millionen DM geschrumpft. Investitionen in Beton statt in Köpfe - so
scheint die haushaltspolitische Devise der Bundesregierung zu lauten.
({3})
- Denken Sie nur an die umfangreichen Straßenbauvorhaben, Frau Klemmer.
({4})
Mit der häufig beschworenen Bildungsoffensive hat das
meiner Meinung nach wenig zu tun.
Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf geht ein
großes bildungspolitisches Versäumnis einher. Diesen
Vorwurf muss sich die Bundesregierung gefallen lassen.
Sie nimmt den erweiterten finanziellen Handlungsspielraum eben nicht zum Anlass, zu einer qualitativen Erneuerung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu
kommen.
Beispiel Hochschuldienstrecht: Völlig unverständlich ist mir, warum sich Ihr Projekt einer Reform des
Hochschuldienstrechts in keiner Weise haushaltspolitisch
niederschlägt. Wir befinden uns inmitten eines umfassenden Generationswechsels in der Hochschullehrerschaft.
Die Dienstrechtsreform muss unmittelbar nach In-KraftTreten auch wirklich umgesetzt werden. Aus diesem
Grund fordert die PDS heute, ein „Sonderprogramm Juniorprofessuren“ in den Haushalt aufzunehmen.
({5})
Damit kann die flächendeckende Einführung dieser neuen
zukunftsweisenden Personalkategorie realisiert werden,
ohne dass Nachwuchswissenschaftler über viele Jahre auf
das Freiwerden der bisherigen Assistentenstellen warten
müssen. Das dazugehörige inhaltliche Konzept für eine
Reform der Personalstruktur an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen hat die PDS-Bundestagsfraktion ja bereits im Juli 2000 vorgelegt.
Beispiel BAföG-Reform: Die PDS-Fraktion hat einen
Änderungsantrag vorgelegt, in dem vor allem eines deutlich gezeigt wird: Mit einem vergleichsweise bescheidenen Mehraufwand von 700 Millionen DM ließe sich
schon im kommenden Haushaltsjahr ein Einstieg in eine
wirkliche strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförderung finanzieren. Es wäre möglich, allen Studentinnen
und Studenten bereits ab 1. April 2001 eine elternunabhängige Sockelförderung in Höhe von 500 DM monatlich
auszuzahlen, zusätzlich zu den von der Bundesregierung
geplanten Leistungsverbesserungen.
({6})
Eine solche Strukturreform haben Sie selbst, Frau Ministerin, noch Anfang des Jahres versprochen.
({7})
Es gibt gute Gründe hierfür, wie Ihnen nicht nur die PDSFraktion, sondern auch das Deutsche Studentenwerk und
die Hochschulrektorenkonferenz bestätigen können. Aber
wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg. Heute wollen
Sie davon nichts mehr wissen und versäumen die Chance
zu einem echten Quantensprung in der BAföG-Reform.
2:0 für Bildung und Forschung? Zwischen Bildung und
Forschung oder Forschung und Bildung? Forschung und
ein bisschen Bildung - so kann Ihr Programm wohl am
treffendsten charakterisiert werden. Auch hier stimmt die
Richtung nicht. Wie ist es sonst zu erklären, dass allein ein
Sechstel des Zukunftsinvestitionsprogrammes in die Genomforschung fließen soll? Dabei zeichnet sich der vorliegende Haushaltsentwurf ohnehin schon durch eine
massive Verstärkung der Förderung der Genforschung
aus; das geschieht im Rahmen von Haushaltstiteln wie
„Molekulare Medizin“ oder „Biotechnologie“. Ausgerechnet in Zeiten der Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/
Die Grünen weist die Forschungsförderung des Bundes
eine historisch einmalige Prioritätensetzung zugunsten
der Genforschung und zulasten sozial-ökologischer Forschung und, speziell in der Gesundheitsforschung, zulasten ganzheitlicher und an Prävention orientierter Forschungsansätze auf.
({8})
Auch mit Ihrer so genannten Zukunftsinitiative
Hochschule betreiben Sie, wie ich meine, einen Etikettenschwindel. Ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder
fließt nämlich gar nicht den Hochschulen zu, sondern ist
für die außeruniversitäre Forschung bestimmt. Die „Zukunftsinitiative Hochschule“ entpuppt sich als „Zukunftsinitiative Forschung“, die auch an den Hochschulen, soweit die Programmmittel dort überhaupt ankommen, eine
Schieflage zugunsten der Forschung aufweist. Gewinnung von Spitzenwissenschaftlern, Verbesserung der Forschungsinfrastruktur und Verwertungsoffensive - in all
diesen Bereichen besteht unbestreitbar Handlungsbedarf.
Doch was kommt von Ihrem Zukunftsinvestitionsprogramm am Ende in Lehre, Unterricht und Studium, also in
den Hörsälen und Klassenzimmern an? Was passiert mit
den sanierungsbedürftigen Studentenwohnheimen in Ostdeutschland, für deren Instandhaltung das Deutsche Studentenwerk ein Sonderprogramm gefordert hat? Nach der
Vision eines Laptops für jede Studentin und jeden Studenten, für jede Schülerin und jeden Schüler traue ich
mich ja schon gar nicht mehr zu fragen.
Im Ergebnis muss man wohl mit Verlaub von Peanuts
sprechen, mit denen Bildung vorlieb nehmen muss.
({9})
Dabei ist doch gerade Bildung eine der wichtigsten und
ertragreichsten Zukunftsinvestitionen, die unser Land
dringend braucht.
Meine Damen und Herren, wer sich über Peanuts beschwert, sollte von Kokosnüssen nicht schweigen. Dass
die Bildungspolitik in Ihrer Haushaltspolitik systematisch
unter die Räder kommt, ist das eine. Das andere ist das
Fass ohne Boden, mit dem Sie sich im Bereich der beruflichen Bildung bereits abgefunden haben.
Wir haben mit der solidarischen Umlagefinanzierung
seit Jahren ein Konzept im Angebot, mit dem nach Expertenschätzungen rund 2 Milliarden DM Steuergelder
gespart werden könnten. Es ist schon bemerkenswert, wie
die Bundesregierung auf der einen Seite einen harschen
Sparkurs im Bildungsbereich fährt und auf der anderen
Seite generös darauf verzichtet, jene Unternehmen angemessen an der Finanzierung der Berufsbildung zu beteiligen, die sich um ihren Beitrag zur Ausbildung drücken.
({10})
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, von einem Aufbruch für Innovation und Qualifikation, wie er in der Koalitionsvereinbarung angekündigt
worden war, sind Sie auch mehr als zwei Jahre später noch
weit entfernt. Erschwerend ist Ihnen zur Last zu legen,
dass Sie auch die günstigen finanziellen Rahmenbedingungen nicht für eine qualitative Weiterentwicklung Ihrer
Bildungs- und Wissenschaftspolitik nutzen.
Die PDS-Fraktion wird daher den vorgelegten Etat des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung ablehnen. Wir werden weiter dafür sorgen müssen, dass die
Bundesregierung den von ihrer Ministerin für Bildung
und Forschung beschworenen Mut zur Veränderung wenigstens in der zweiten Halbzeit ihrer Amtszeit aufbringt.
Abschließend noch ein Wort an die Damen und Herren
der Unionsfraktion.
({11})
Wenn Sie eine größere Aufstockung des Bundesanteils für
den Hochschulbau fordern, als sie die Bundesregierung
vorsieht, so haben Sie dafür meine Sympathie. Beantworten Sie mir aber bitte vorher zwei Fragen.
Wie steht es mit der Kofinanzierung der Länder, deren
finanzielle Leistungsfähigkeit durch die Steuerpolitik der
Regierung Kohl nachhaltig beschädigt wurde?
Fordern Sie in Ihrem Änderungsantrag nun eine Erhöhung um 235 Millionen DM auf 2,45 Milliarden DM
oder eine Erhöhung um 285 Millionen DM auf 2,5 Milliarden DM? - Beides gleichzeitig geht nämlich nicht. Darauf habe ich Sie schon im Ausschuss aufmerksam gemacht.
Die PDS-Fraktion kann derart unseriösen Haushaltsanträgen natürlich nicht zustimmen, während wir dem
Antrag der F.D.P.-Fraktion zwar mit ein paar Bauchschmerzen, aber immerhin zustimmen,
({12})
weil er genau in die Richtung geht, die auch wir einschlagen.
Danke.
({13})
Das Wort hat nun die
Ministerin für Bildung und Forschung Edelgard
Bulmahn.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Für die Bundesregierung haben Bildung und Forschung Priorität.
({0})
Ich freue mich, wenn viele Kolleginnen und Kollegen
auch aus den Oppositionsparteien dies mit unterstützen,
aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Regierungskoalition und Opposition: Wir fordern nicht nur,
sondern wir handeln.
({1})
Wir erhöhen nämlich zum dritten Mal in Folge den Etat
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung,
allein in diesem Jahr um 9,5 Prozent gegenüber dem letzten Jahr.
({2})
Kein anderes Ministerium, kein anderer Politikbereich hat
einen derartigen Zuwachs. Wir haben damit knapp
16 Milliarden DM zur Verfügung, und das heißt, dass
wir - verglichen mit dem letzten Jahr der Regierungsverantwortung der CDU, nämlich 1998 - von diesem Zeitpunkt bis heute einschließlich BAföG 2,5 Milliarden DM
zusätzlich für Bildung und Forschung zur Verfügung
stellen.
({3})
Sie - daran will ich Sie schon noch erinnern, gerade
Sie, Herr Kampeter, weil Sie damals, 1994 bis 1998, auch
für diesen Haushalt verantwortlich waren - haben es damals zugelassen, dass der Haushalt für Bildung und Forschung um 700 Millionen DM gekürzt wurde.
({4})
Das ist der große Unterschied. Wir erhöhen um 2,5 Milliarden DM, Sie haben innerhalb von vier Jahren um
700 Millionen DM gekürzt. Das ist der große Unterschied
in der Politik!
({5})
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lensing?
Ja.
Bitte sehr.
Frau Ministerin, sind
Sie bereit, der Wahrheit die Ehre zu geben,
({0})
indem Sie anerkennen, dass der unverhoffte Geldsegen,
der im Moment die Regierung erreicht, nicht zuletzt der
Politik der Minister Waigel und Bötsch insofern zu verdanken ist,
({1})
als diese beiden Herren gegen das erklärte Votum der
damaligen Landesfürsten Schröder und Eichel - zum Teil
geben sie es wohl zu - die Privatisierung im Post- und
Telekommunikationswesen durchgesetzt haben?
Vor diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass für
den Bereich Bildung und Forschung jetzt 1,1 Milliarden DM, aber im Bereich Verkehrswesen für die Infrastruktur über 3 Milliarden DM mehr fließen. Ich muss
also die Frage stellen, ob die Infrastruktur des Wissens
nicht sehr mangelhaft gefördert wird.
({2})
Herr Lensing, gerade weil wir davon
überzeugt sind, dass Wissen, Qualifikation und Ausbildung das Wichtigste sind, das ein Mensch und die Gesellschaft besitzen können, haben wir die Ausgaben für
Bildung und Forschung immens erhöht.
({0})
Dieser Haushalt stieg seit 1998 um 2,5 Milliarden DM.
Wir erhöhen den Etat in diesem Jahr um 9,5 Prozent.
({1})
Stephan Hilsberg - ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm - muss in seiner Funktion als Staatssekretär im Verkehrsministerium sagen, dass der Haushalt für
Verkehr leider nicht steigt. Mit den zusätzlichen Mitteln
wird nur erreicht, dass es keine größere Absenkung gibt
und der Plafond nur gehalten wird.
({2})
Wir setzen also mit dem Haushalt für den Bildungsbereich das Signal, dass uns Bildung und Forschung besonders wichtig sind. Im Gegensatz zur Opposition reden wir
nicht nur, sondern handeln. Das ist der entscheidende
Punkt.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich sehe durchaus Ihre Schwierigkeit, uns, wie Sie es mit
Ihren bildungspolitischen Leitsätzen versuchen, vom
führenden Platz zu vertreiben. Ich sage Ihnen klar, dass
ich Ihre Erfolgsaussichten so ähnlich einschätze wie beim
Wettrennen von Hase und Igel.
({4})
Sie haben hier wieder gefordert, die Bildungspolitik
müsse Priorität haben. Dieser Grundsatz ist bei uns, wie
ich eben erläutert habe, seit zwei Jahren praktische Politik.
({5})
Ich kann mir ein Schmunzeln wirklich nicht verkneifen: Nachdem Sie über Jahre dieses Ressort vernachlässigt und den Etat immer weiter heruntergefahren hatten,
({6})
dreht sich Ihre Politik in der Opposition - zumindest verbal - um 180 Grad. Ich kann in Anspielung auf das eben
erwähnte Wettrennen nur sagen: Wir sind schon da.
({7})
Aber auch das ist klar: Ans Ziel kommt man nicht allein durch den Einsatz großer Summen. Man muss auch
intelligente Strategien entwickeln.
({8})
Auch das lehrt uns die Geschichte von Hase und Igel. Ich
werde dazu noch einige Beispiele aus der Bildungs- und
Forschungspolitik anführen.
Unsere Erhöhung der Investitionen in Bildung und
Forschung hat insbesondere zwei Ziele:
Erstens. Wir wollen die soziale Schieflage, die Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, zu verantworten und die Sie uns vererbt haben, beseitigen.
({9})
Zentrale Punkte für die Herstellung der Chancengleichheit sind unsere BAföG-Reform, die Investitionen in
berufliche Bildung, die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West sowie die Förderung von
Frauen. Mit diesen Initiativen, die wir gestartet haben,
schaffen wir ein tragfähiges Fundament für die gesamte
Gesellschaft. Wir erreichen damit weiterhin, dass wir das
gesamte Potenzial an Begabungen, das es in unserem
Land gibt, ausschöpfen und nicht brach liegen lassen, wie
es in den vergangenen Jahren der Fall war.
({10})
Zweitens: Ich habe Schluss gemacht mit der Förderpolitik nach dem Gießkannenprinzip und einer Förderphilosophie nach dem Prinzip: „more of the same“ .
({11})
Wir setzen Schwerpunkte
({12})
und konzentrieren uns auf zentrale Zukunftsfelder, wie
zum Beispiel die Lebenswissenschaften, die Informationstechnologie, die Mikrosystemtechnik und die Nanotechnologie. Das sind die Forschungsfelder, auf die wir
uns konzentrieren müssen. Wir brauchen sie, damit unsere
Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und unsere jungen
Leute Berufsperspektiven und -chancen haben. Genau das
leisten wir.
({13})
Wir erhöhen damit unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit und schaffen leistungsfähige Wirtschafts- und
Forschungsstrukturen.
Das sind keine vagen Absichtserklärungen, sondern
das haben wir umgesetzt. Wir haben Fakten geschaffen. In
der Fabel von Hase und Igel würde der Igel sagen: Wir
sind schon da; während Sie noch darüber reden und fordern.
({14})
Zunächst zur Chancengleichheit: Allein für die
BAföG-Reform mobilisieren wir 1 Milliarde DM pro
Jahr zusätzlich, um endlich soziale Gerechtigkeit herzustellen. Frau Flach, Sie haben völlig Recht: Reformen
kosten Geld. Sie haben sie nie umgesetzt, aber wir tun das.
({15})
Zu Ihnen, Herr Kampeter, kann ich leider nur sagen:
Sie sind der lebendige Beweis für Mängel beim mathematischen Unterricht.
({16})
Denn wenn Sie sich die Haushaltszahlen anschauen, die
Sie als Haushälter kennen müssten, dann wüssten Sie,
dass für das BAföG im Jahre 1994 2,270 Milliarden DM
vorgesehen waren. 1998, im letzten Jahr Ihrer Regierung,
waren es noch 1,475 Milliarden DM. Das haben Sie mit
dem BAföG gemacht. Deshalb kann ich nur sagen: Bitte
Zahlen lesen und Zahlen verstehen!
({17})
Während Ihrer Regierungszeit haben Sie das BAföG
durch diese Kürzungen leider in Grund und Boden gewirtschaftet,
({18})
mit dem Ergebnis, dass die Zahl der BAföG-Geförderten
um sage und schreibe 44 Prozent gesunken ist.
({19})
Für Sie ist Chancengleichheit nur noch ein Wort. Mit der
Reform der Ausbildungsförderung erhöhen wir die Freibeträge und Bedarfssätze, und zwar nicht nur, Frau Flach,
um 75 DM; da bitte ich, korrekt zu sein.
({20})
Wir erhöhen sie zusätzlich um 135 DM, weil wir das
Kindergeld nicht mehr gegenrechnen, wie Sie das getan
haben.
({21})
Das heißt, nach Adam Riese handelt es sich um 210 DM.
Das ist die Realität. Ich bitte, wirklich einmal bei der
Wahrheit zu bleiben und nicht einfach falsche Dinge zu
behaupten.
({22})
- Nein, das ist Fakt. Herr Kampeter, wenn Sie noch nicht
einmal in der Lage sind, die Absenkung des BAföG von
2,270 Milliarden DM auf 1,475 Milliarden DM zuzugestehen, sondern das als Erhöhung verkaufen wollen,
kann ich nur sagen: Das ist ein Mangel an Souveränität.
({23})
Wir erhöhen die Bedarfssätze.
Frau Ministerin, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?
Ich lasse Zwischenfragen immer gern zu.
Sie lassen deswegen
die Zwischenfragen immer zu, weil Sie einige Fragen
überhaupt nicht beantworten, wie meine vorhin gestellte
Frage. Aber ich bin mutig genug, noch eine zweite Frage
zu stellen, in voller Erwartung, diesmal eine Antwort zu
erhalten.
({0})
Die Zahlen, die genannt wurden, mögen alle ihren Wert
und Sinn haben.
({1})
Aber können wir uns darauf verständigen, dass sie den
Studenten konkret überhaupt nichts nützen, weil unsere
Studenten seit über zwei Jahren darauf warten, dass sich
auch nur eine einzige Leistungsverbesserung ereignet? Im
Bereich des Meister-BAföG, auf das Sie sicher gleich
noch zu sprechen kommen, haben wir nach allem, was wir
hören, erst im Herbst nächsten Jahres eine Lösung zu erwarten, weil es keine Abstimmungsmöglichkeiten zwischen Ihrem Hause und dem des Wirtschaftsministers gibt.
({2})
Ich stimme Ihnen nicht zu, Herr Lensing,
weil die BAföG-Reform zum 1. April des nächsten Jahres
in Kraft treten wird.
({0})
Ich will nur darauf hinweisen, dass die CDU diesen
Vorschlägen im Bundesrat zugestimmt hat. Von daher ist
es ein bisschen makaber, wenn Sie hier dagegen reden.
({1})
Die CDU/CSU-geführten Länder haben im Bundesrat
zugestimmt, sodass dieses Gesetz zum 1. April in Kraft
treten wird. Durch dieses Gesetz wird den Jugendlichen
eine erheblich bessere Unterstützung und Hilfestellung
gegeben; sie werden das ganz klar und deutlich spüren.
Herr Lensing, ich sage Ihnen eines: In diesem Punkt
würde ich mich wirklich freuen, wenn wir alle gemeinsam
unsere Kraft dafür einsetzten, das BAföG wieder zu dem
zu machen, was es einmal war. Es soll von den Jugendlichen und deren Familien als Hilfestellung gesehen und
auch in Anspruch genommen werden, die ermöglichen
soll, dass Jugendliche, denen keine goldene Kreditkarte in
die Wiege gelegt wurde, studieren und eine gute Ausbildung erhalten können. Das muss unser gemeinsames Anliegen sein.
({2})
Dieses Ziel ist erreichbar, und deshalb sollten wir gemeinsam dafür werben, sollten über das BAföG informieren und deutlich machen, dass diese BAföG-Reform
tatsächlich zur Wiederherstellung der Chancengleichheit - sowohl für die finanzschwächsten Familien als auch
für Familien mit mittlerem Einkommen - beiträgt, sodass
in Zukunft jeder studieren und eine gute Ausbildung erhalten kann, und zwar auch dann, wenn die Familie über
ein geringes Einkommen verfügt oder mehrere Kinder
hat. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein und über die
Verwirklichung dieses Zieles würde ich mich freuen.
({3})
Wir werden mit der Umsetzung dieses Zieles unserer
Verantwortung gerecht, die wir hier im Parlament haben.
Da Sie in den 90er-Jahren mit Ihrer Regierung Fehler gemacht haben, erwarte ich von Ihnen zumindest, dass Sie
bei der Umsetzung unseres Reformvorhabens jetzt
gemeinsam mit uns darangehen, die Situation wieder zu
verbessern. Das würde ich mir von Ihnen wünschen.
Nun wünscht die Kollegin Flach das Wort zu einer Zwischenfrage.
Bitte schön.
Frau Ministerin, wir sind uns
alle darin einig, eine elternunabhängige Förderung erreichen zu wollen. Sind Sie aber nicht mit mir auch darin einig, dass das, was Sie und auch Herr Berninger - auch in
Wahlkämpfen - immer gefordert haben, nämlich eine
grundlegende Strukturreform mit dem Ziel einer elternunabhängigen Förderung, die auch unser Gesetzentwurf vorsieht, das ist, was Sie eigentlich wollten?
Nein, Frau Flach, in diesem Punkt bin ich
mit Ihnen nicht einer Meinung. Die von mir vorgelegten
Pläne einer BAföG-Reform wollen im Sinne einer grundlegenden Strukturreform erreichen, dass rund 80 000 Jugendliche aus Familien mit geringem oder mittlerem
Einkommen eine qualifizierte Ausbildung erhalten.
Gleichzeitig führen wir eine Internationalisierung des
BaföG ein; in Zukunft soll man ein Vollstudium im Ausland durchführen können, wenn man vorher bereits zwei
Semester in Deutschland studiert hatte.
({0})
Wir schaffen mit dieser Reform eine Angleichung der
Verhältnisse in Ost und West, damit in Zukunft die Studierenden - auch wenn sie nicht wohlhabend sind - in den
Semesterferien nicht unbedingt jobben müssen, sondern
zum Beispiel auch ein Praktikum in einer Hightech-Firma
durchführen oder im Ausland studieren können. Wir erreichen mit dieser Strukturreform, dass künftig alle Studierenden - das ist für mich ein wichtiges Ziel - beim
Start in den Beruf einen karrierefähigen und konkurrenzfähigen Lebenslauf vorlegen können, und zwar unabhängig vom Einkommen. Das zu erreichen ist eine wichtige
Aufgabe und ein wichtiges Ziel in einer Demokratie, und
erst die Umsetzung dieses Ziels schafft tatsächlich Chancengleichheit.
({1})
Auch die Misere auf dem Lehrstellenmarkt haben wir
bereits in vielen Regionen erfolgreich bekämpft. Zum ersten Mal seit vielen Jahren werden mehr Ausbildungsplätze angeboten als nachgefragt. Junge Menschen, die
lernen wollen und können, haben eine gute Chance, einen
Ausbildungsplatz zu erhalten. Unsere Jugendlichen haben
damit wieder eine berufliche und private Perspektive. Allerdings: Besonders in den neuen Bundesländern gibt es
noch immer einen Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Deshalb werde ich den Kampf um mehr betriebliche Ausbildungsplätze - gerade in den neuen Bundesländern, wo wir sie dringend brauchen - nicht aufgeben.
({2})
Ich werde auch das Ziel einer notwendigen Modernisierung der Ausbildungsberufe sowie einer Schaffung
neuer Berufe nicht aus den Augen verlieren. Wir haben inzwischen mehr als 40 Ausbildungsberufe modernisiert.
Wir haben weiterhin mit den UMTS-Zinsgewinnen einen
Modernisierungsschub in den Berufsschulen ermöglicht,
den wir gerade für die Ausbildung in zukunftsträchtigen
Berufen einsetzen.
({3})
Dann finanzieren wir den Anschluss im IT-Bereich, den
Sie verpasst haben. Dies ist, wie so vieles auf diesem Feld,
wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft,
aber auch für die Lebensperspektiven unserer Jugendlichen.
Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin kritisiert,
dass wir in der Bildung zu wenig machen. Ich halte das für
falsch. Wir haben mit unseren Vorschlägen und unseren
Programmen erreicht, dass in den Bildungseinrichtungen
neuer Schwung vorhanden ist.
({4})
Die neuen Medien werden inzwischen in erheblich
größerem Maße eingesetzt. Das ist auch ein Ergebnis des
Programms „Schulen ans Netz“. Bis einschließlich 2001
werden wir alle Schulen an das Netz anschließen. Ich habe
das Programm für die Lernsoftware im Frühjahr dieses
Jahres gestartet. Denn ohne qualifizierte Inhalte nutzt
auch die Hardware nichts. Das ist völlig klar.
({5})
Jetzt sind die Länder in der Pflicht, ihre Lehrer entsprechend zu qualifizieren und fortzubilden. Wir müssen
gemeinsam mit der Wirtschaft, weil es aus öffentlichen
Kassen nicht allein zu finanzieren ist, dieses Ziel erreichen, indem wir bis zum Jahr 2006 eine flächendeckende
Ausstattung von Schulen mit PCs und mit Laptops sicherstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt, dass die Angleichung von Ost und West ein
weiteres wichtiges Ziel für die Chancengleichheit ist. Wir
haben mit der Initiative Inno-Regio und dem Ausbildungsplatzprogramm Ost die richtigen Entscheidungen
getroffen, die richtigen Initiativen gestartet. Deshalb kann
man sagen: Auch bei dem Politikziel „Mehr Chancen für
die neuen Bundesländer“ gilt: Wir sind schon da. - So viel
zur Chancengleichheit.
Nun zu den Zukunftsfeldern in Wissenschaft und Forschung. Die Lebenswissenschaften werden der wichtigste Innovationsbereich im 21. Jahrhundert sein. Deshalb
steigern wir die Fördermittel in den Bereichen Biotechnologie, Gesundheits- und Medizinforschung, molekulare
Medizin und Genomforschung erheblich. Sie haben vorhin darauf hingewiesen. Diese Forschungsinvestitionen
sind aus zwei Gründen notwendig.
Erstens. Es sind die wichtigen Investitionen, mit denen
wir in Zukunft bessere Heilungsmöglichkeiten, bessere
Therapiemöglichkeiten für wichtige Krankheiten wie
Krebs, Alzheimer, Herz- und Kreislaufkrankheiten oder
auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, über die wir in den
letzten Tagen hier sehr viel diskutiert haben, erhalten.
Ohne Investitionen in diese Bereiche werden wir nicht das
notwendige Wissen haben und keine Therapien entwickeln. Deshalb ist das ein wichtiger Schwerpunkt.
({6})
Deshalb war es für mich ein wichtiges Ziel, dass wir die
Mittel in diesem Bereich erheblich erhöhen. Sie haben zu
Recht gesagt, dass ich im Bereich der Genomforschung
die Mittel um 300 Prozent erhöht habe, und zwar mit dem
Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und
die Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten.
Ich will einen zweiten Punkt nennen, die Informations- und Kommunikationstechnologien. Mit unserem
Programm Zukunftsinitiative Hochschule und den IuKTechnologien machen wir unsere Hochschulen zukunftsfähig. Wir investieren in Gebäude und in modernste Geräte, aber auch und vor allem in den Menschen. Allein
1,3 Milliarden DM investieren wir in die Förderung der
Nachwuchswissenschaftler. Das ist notwendig und richtig. Wir haben Programme entwickelt, mit denen die
Hochschulen Zugang zu den neuen Medien bekommen.
Wir vernetzen über die neuen Medien unsere Hochschulen stärker mit der internationalen Wissenschaftswelt. Wir
vernetzen sie auch stärker untereinander und mit der
außeruniversitären Forschung, wie Max-Planck, wie
Fraunhofer, wie Helmholtz. Wir entwickeln mit diesen
Programmen Modelle für eine virtuelle Universität. Denn
nur eine intelligente Kombination von Präsenzuniversität
und virtueller Universität wird Deutschland einen Rang
als internationalen Wissenschaftsstandort sichern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist aufgrund der langen Regierungszeit der jetzigen Opposition
noch immer ein weißer Fleck auf der längst existierenden
Hochschullandkarte des virtuellen globalen Dorfes. Wir
unterstützen unsere Hochschulen dabei, sich auf dieser
Landkarte zu positionieren, damit sie für unsere eigenen
und für ausländische Studierende attraktiv wird. Mit den
neuen Medien und der Entwicklung virtueller Hochschulprojekte, mit der Entwicklung der Internationalisierung
der Hochschule und den zahlreichen Programmen für die
Förderung der Nachwuchswissenschaftler verbessern wir
nicht nur unsere Chancen im Wettbewerb um die intelligentesten Köpfe, sondern schaffen auch modernste Möglichkeiten der arbeitsbegleitenden Weiterbildung.
Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Wir haben
Schritte vollzogen - ich erinnere an die Zusammenführung von Fraunhofer-Gesellschaft und GMD -, mit denen
wir wichtige Forschungseinrichtungen auf eine neue Basis stellen. Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage
dafür, Exzellenz in der Grundlagenforschung und Exzellenz in der angewandten Forschung zu verbinden. Ergebnisse aus diesem Bereich können somit schneller umgesetzt werden.
Mit der interdisziplinären Ausrichtung von Forschungszentren, die wir unterstützen und mit der zielorientierten Zusammenarbeit von Wissenschaft, von Wirtschaft, von Hochschulen, von Forschungsinstituten und
von ihren Partnern in der Industrie - dies spielt in unseren Förderprogrammen eine wichtige Rolle - schaffen
wir die Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik den höchsten Stellenwert
erhalten. Außerdem schaffen wir die Voraussetzung
dafür, dass die Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung zum Nutzen der Menschen, die in unserem Land
leben, schnell angewandt werden.
Ich ziehe folgendes Fazit: Während die Opposition
über Investitionen in Forschung und Bildung nur redet,
nehmen wir diese Investitionen tatsächlich vor.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat jetzt der
Kollege Dr. Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben
heute mehrfach, zuletzt von Frau Ministerin Bulmahn,
gehört, dass in den 90er-Jahren, so steht es auch in dem
Zweijahreszwischenbericht ihres Hauses, Rückschritt und
Stagnation in Deutschland herrschten. Nach dem Regierungswechsel sei ein neuer, strahlender Stern aufgetaucht
und alles sei schlagartig besser geworden. Frau Ministerin, das glauben Sie doch selbst nicht.
({0})
Am Beispiel der Bildungspolitik will ich einmal aufzeigen, was in den letzten Jahren entschieden wurde und
was zurzeit entschieden wird. Vor der Wahl haben wir gemeinsam eine Hochschulreform verabschiedet. Ihr Vorgänger, Herr Minister Rüttgers, hat mit der Modernisierung der beruflichen Bildung begonnen und die Schaffung
neuer Berufsbilder beschleunigt. Unter anderem deshalb
können Sie heute verkünden, dass 40 000 junge Menschen
in den neuen IT-Berufen ausgebildet werden.
({1})
Wir bestreiten nicht, dass Sie im Bereich der beruflichen Bildung die Maßnahmen Ihres Vorgängers fortsetzen
und gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und mit
den Gewerkschaften fortentwickeln. Wir haben aber auch
in Erinnerung, dass Sie auf diesem Gebiet - das ist Ihnen
heute schon einmal vorgetragen worden - den zentralen
Vorschlag Ihrer Oppositionszeit beerdigt haben, nämlich
eine unsinnige Umlagefinanzierung für berufliche Ausbildungsplätze in der Wirtschaft.
({2})
Beerdigt haben Sie auch einen zentralen Vorschlag Ihres Konzeptes für eine BAföG-Strukturreform, nämlich
das an die Studierenden direkt auszuzahlende Bildungsgeld. Unabhängig vom Machtwort des Kanzlers hat uns
Herr Staatssekretär Catenhusen mitgeteilt: Es ist schlicht
nicht finanzierbar. Das haben wir so schon in den Vermerken des Kollegen Rüttgers gelesen. Sie haben es nur
nicht geglaubt.
Deshalb wundert es mich nicht, Frau Ministerin, wenn
der Bundesrat Ihrer jetzigen BAföG-Reform im Großen
und Ganzen zustimmt. Sie basiert auf den Eckpunkten unserer Vorschläge. Der zentrale Punkt Ihres alten Konzeptes ist verschwunden. Aus diesem Grunde sagen wir nur
noch: Die BAföG-Reform kommt zu spät.
({3})
Der Kollege Kampeter hat mir neulich eine Unterlage
zur Verfügung gestellt, aus der hervorgeht, dass die Mittel wahrscheinlich in einer Größenordnung von 10 Prozent nicht abfließen. Das heißt, die Förderquote sinkt inzwischen wieder. Ihre Strukturreform - eine Reform „im
System“, wie wir sie immer wollten - kommt mindestens
ein halbes Jahr zu spät.
In der Zwischenbilanz lese ich, dass die jetzige Bundesregierung den entscheidenden Kurswechsel vorgenommen hat. Nach dem, was ich gerade vorgetragen habe,
kann man den Eindruck gewinnen, dass die SPD selbst in
einigen entscheidenden bildungspolitischen Punkten einen Kurswechsel vorgenommen hat. Das Gleiche stellen
wir übrigens auch auf Landesebene fest. Dort finden wir
immer weniger SPD-Politiker, die bereit sind, Gesamtschulen und Orientierungsstufen zu verteidigen. Einer Ihrer Ministerpräsidenten will die Orientierungsstufe sogar
abschaffen.
Leider können wir nicht bestätigen, dass die wichtigsten Hausaufgaben auf Bundesebene inzwischen erledigt
sind. Mein Kollege hat mit Zwischenfragen schon darauf
aufmerksam gemacht, dass wir auf eine Novelle, in der
die berufliche Aufstiegsfortbildung, das so genannte
Meister-BAföG, neu geregelt wird, dringend warten. Mit
Ihren Vorschlägen für ein neues Hochschuldienstrecht
sind Sie in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Begeistert
sind offensichtlich nur die Finanzminister der Länder. Der
Hochschulverband und der Hochschullehrerbund kritisieren viel zu niedrige Grundgehälter, die irgendwo bei der
Besoldung von Oberregierungsräten und Regierungsdirektoren angesiedelt sind.
({4})
- Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Tauss. Wir haben
hervorragende Wissenschaftler in Bayern - dazu komme
ich später noch -, aber bei den von Ihnen angebotenen
Grundgehältern laufen sie uns davon. Ich verstehe überhaupt nicht, dass man ein neues Programm finanzieren
will, um Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland nach
Deutschland zu holen, was ja richtig ist, hier aber gleichzeitig so miese Grundgehälter angeboten werden.
({5})
Frau Ministerin, es ist nicht nur so, dass ich dies nur
kritisiere, weil ich Oppositionspolitiker bin. Wir sind in
Bayern und Baden-Württemberg bereit, mehr zu finanzieren, weil wir das hohe Niveau unserer Hochschulen
aufrechterhalten wollen.
Sie haben im Rahmen der Dienstrechtsreform vorgeschlagen, die Qualifikationsphase des wissenschaftlichen
Nachwuchses zu verkürzen. Das ist ein guter Vorschlag;
denn die Qualifikation dauert zu lange, die Leute sind zu
lange abhängig, können zu spät selbstständig forschen
und lehren. Deshalb werden wir Ihren Vorschlag, die Juniorprofessur einzuführen, unterstützen.
({6})
- Ja, Bayern auch. Aber was Bayern nicht machen wird,
Herr Tauss - da wird die Ministerin scheitern -, ist, die
Habilitation abzuschaffen.
({7})
Dazu ist die Fächerkultur viel zu unterschiedlich.
({8})
Ich hatte erst in der letzten Woche eine große Veranstaltung mit den Professorinnen und Professoren meiner
eigenen Universität. Wir haben einen Weg aufgezeigt, wie
man auch über die Habilitation das Ziel erreichen kann,
Berufungen mit 35 Jahren durchzuführen.
({9})
Man muss die heute überwiegend zweckentfremdeten
Stellen der wissenschaftliche Assistenten für Habilitanden reservieren und ihnen eine größere Selbstständigkeit
gegenüber dem Lehrstuhlinhaber einräumen.
Ich komme jetzt zum Geld. Frau Ministerin, ich werde
nicht behaupten, dass Rot-Grün bei der Finanzierung von
Bildung und Forschung total versagt; denn dann würden
mich die Leute nicht ganz ernst nehmen.
({10})
Sie aber haben dieses Problem: Ihre Ankündigungen, die
Ausgaben zu verdoppeln oder -nach der Wahl wurde hier
schon deutlich reduziert - wenigstens 1 Milliarde DM
jährlich draufzulegen, werden nicht mehr ernst genommen.
({11})
Ich habe mir die Haushaltsentwicklung des Einzelplans 30 - Bildung und Forschung - noch einmal angeschaut. Danach wird der Einzelplan bis zum Jahr 2003
gegenüber dem Ist des Jahres 1998 nur um 2,6 Milliarden DM aufgestockt. Dabei wollten Sie 5 Milliarden DM
zusätzlich für Bildung ausgeben. Auch der Wirtschaftsminister hilft Ihnen nicht, die Bilanz aufzubessern. Er behandelt nämlich die Titel für Forschung und Technologie
besonders stiefmütterlich. Nach vielen Beschlüssen, jetzt
mehr in den Haushalt des Wirtschaftsministers zu geben,
beläuft sich das Plus - ich habe das nachgerechnet - gegenüber dem Stand von 1998 auf 150 Millionen DM. Das
ist wirklich jämmerlich. Es war offensichtlich ein Fehler
- da stimmen Sie mir wahrscheinlich zu -, Kompetenzen
in diesem Bereich an das Wirtschaftsministerium abzugeben.
({12})
Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Ihre Bilanz
in einigen Jahren noch schlechter ausschauen wird als die
Zahlen, die ich jetzt vorgetragen habe; denn eines Tages
werden Sie das Soll, also die geplanten Ausgaben, mit
dem Ist, den tatsächlichen Ausgaben, vergleichen müssen.
({13})
Dieses Haus war schon im ersten Jahr, nämlich 1999,
überhaupt nicht in der Lage, das zusätzliche Geld auszugeben,
({14})
und hat 236 Millionen DM an den Finanzminister zurückgegeben.
({15})
Ich habe mir den Abfluss der Mittel in diesem Jahr angeschaut. Er ist ebenfalls zum Teil miserabel. Aber warten
wir einmal das Ergebnis ab. Ich fürchte, dass auch ein Teil
der jährlich zusätzlich veranschlagten 600 Millionen DM,
die Sie aus den Zinsersparnissen erhalten, nicht abfließen
wird.
Es ist eigentlich eine ganz gute Idee, deutsche Spitzenforscher, die ins Ausland gegangen sind, zurückholen
bzw. ausländische Spitzenforscher zu uns holen zu wollen. Nun höre ich aber, die Mittel für Berufungen seien nur
auf drei Jahre befristet und die Verhandlungen seien
schwierig. Gehen Sie denn davon aus, dass die Forscher
in den USA auf ihren Koffern sitzen, um endlich nach
Deutschland berufen zu werden, um den Glanz unseres
Wissenschaftsstandortes zu erhöhen? Ich halte es für unrealistisch, wenn Sie sagen, dass dieses sinnvolle Programm schon im Jahr 2001 anlaufen kann.
Wir haben dem Bundesforschungsbericht entnommen,
dass die Dichte an Forschungs- und Entwicklungspersonal in den neuen Bundesländern etwa halb so groß ist wie
bei uns in Westdeutschland. Deshalb sind wir durchaus
dafür, Wachstumskerne in den neuen Bundesländern zu
finanzieren. Aber Sie wollen immer um jeden Preis
schnell neue Programme, um die Presse mit neuen Ideen
zu füttern. Wir gehen davon aus, dass Ihre zuständigen
Dr. Gerhard Friedrich ({16})
Mitarbeiter im Herbst nächsten Jahres im Ministerium sitzen und nach Ausschreibung, Vorlage und Prüfung von
Konzepten händeringend Leute suchen werden, die in der
Lage sind, das Geld noch im Jahr 2001 auszugeben.
Es fehlt dieser Haushaltspolitik an Kontinuität. Man
kann die Mittel nur kontinuierlich nach oben entwickeln.
Bei Ihnen treten die Finanzminister abwechselnd aufs Gas
und auf die Bremse, und die Bildungsministerin verschärft die Probleme dadurch, dass sie nicht prüft, wo
Geld schnell und wirksam ausgegeben werden kann, und
sich stattdessen nur bemüht, die Medien mit neuen Ideen
zu bedienen. Manchmal wird daraus gar nichts wie bei
den Laptops; das waren nur Schlagzeilen für einige Tage.
({17})
Der Kollege Hilsberg - dem auch ich herzlich zur Ernennung zum Staatssekretär gratuliere - hat als letzte Tat
({18})
der „tageszeitung“, einer Berliner Zeitung, ein großes Interview gegeben, in dem er mitgeteilt hat, wie diese Bundesregierung aus den Zinsersparnissen durch die UMTSMilliarden jährlich 1,2 Milliarden DM mehr ausgeben
wird. Im Ankündigen sind Sie wirklich großartig. Deshalb
jubeln wir nur begrenzt, Frau Ministerin, wenn Sie, im
Gegensatz zum - nicht sehr starken - Verkehrsminister,
nur die Hälfte Ihrer Wunschliste durchgesetzt haben.
Wir haben im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss mehrere Vorschläge gemacht. Ich habe jetzt nicht
mehr die Zeit, alle zu erläutern, aber einige Punkte will ich
kurz aufgreifen.
Erstens. Die Regierung sagt zu Recht, sie müsste die
Projektmittel schneller erhöhen als die Mittel für die institutionelle Förderung. Bei der Projektförderung werden die Mittel im Wettbewerb vergeben. Daher ist das völlig richtig; wir billigen das. Wir meinen aber, dass man,
wenn man mehr Geld zur Verfügung hat, zunächst einmal
die globale Minderausgabe streichen sollte, weil diese nur
im Bereich der Projektförderung erwirtschaftet werden
kann.
({19})
Zweiter Punkt. Wo kann man Geld schnell und sinnvoll
ausgeben? Sie haben den Ansatz für den Hochschulbau
erhöht. Das ist gut; aber hier könnte man noch wesentlich
mehr machen. Den Unterlagen des Hauses von Frau Ministerin Bulmahn entnehme ich, dass der Bund zurzeit bei
den kleineren laufenden Projekten - die Vorfinanzierung
aus Bayern erwähne ich dabei gar nicht; die größeren
Brocken kommen, glaube ich, erst im Jahr 2004 oder später als Rechnung nach Berlin - Schulden in Höhe von
etwa 1 Milliarde DM hat. Wir schlagen vor, diese Schulden schneller abzutragen.
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz hat uns
mitgeteilt, dass im Bereich der Großgeräte ein hoher
Reinvestitionsbedarf besteht. Da könnte man schnell und
sinnvoll Geld ausgeben.
Für die Genomforschung schlägt die Koalition gemeinsam mit der Ministerin eine Aufstockung der Mittel
um 100 Millionen DM vor. Wir haben bereits im letzten
Jahr 200 Millionen DM jährlich mehr beantragt, nicht
weil da unsere Fantasie mit uns durchgegangen wäre, sondern weil das dem Vorschlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft entspricht. Da sind Ihre Ansätze zu niedrig.
Ich füge hinzu: Wir wollen das zusätzliche Geld nicht
nur für die Humangenomforschung einsetzen, sondern
auch für die Pflanzengenomforschung. Es ist festzustellen, dass in einem Teil der Bundesregierung und der Koalition durchaus die Bereitschaft vorhanden ist, auch diesen Forschungsbereich zu fördern. Vielleicht wollen
unsere Bürgerinnen und Bürger das gar nicht; denn bei
uns gibt es genügend Lebensmittel. Aber für die Welternährung brauchen wir das Ganze dringend.
({20})
Deshalb wiederhole ich: Auch die Pflanzengenomforschung muss gestärkt werden.
Ich habe jetzt nur noch Zeit, auf das Märchen einzugehen, dass gemäß Ihrem Zwischenbericht CDU und CSU
- wahrscheinlich meinen Sie auch die F.D.P. - nicht in der
Lage seien, Forschung und Technologie sinnvoll voranzubringen und entsprechende Marktchancen zu nutzen. Ich
habe mir einmal den Bundesforschungsbericht 2000,
der aus Ihrem Hause stammt, angeschaut und finde dort
schöne Zahlen, die das widerlegen. Auf Seite 109 sind Angaben dahin gehend zu finden, wie groß in der Wirtschaft
der Umfang des Personals für Forschung und Entwicklung in den einzelnen deutschen Ländern ist. Dazu ist dort
zu lesen:
In den neuen und alten Ländern ergibt sich übereinstimmend eine Konzentration auf die Länder im Süden. Baden-Württemberg und Bayern vereinigen
mehr als die Hälfte des FuE-Personals der alten Länder auf sich. In den neuen Ländern arbeiten allein
45,6 Prozent der FuE-Beschäftigten in Sachsen,
- herzlichen Glückwunsch dem Kollegen Schmidt weitere 19,6 Prozent in Thüringen.
Dann habe ich mir angeschaut, wo das meiste Geld für
Forschung und Entwicklung ausgegeben wird: BadenWürttemberg hat einen Bevölkerungsanteil von 12,7 Prozent. Dort werden 23,5 Prozent aller in Deutschland für
FuE veranschlagten Mittel ausgegeben. Bayern hat einen
Bevölkerungsanteil von 14,8 Prozent. Dort werden
20 Prozent aller für FuE veranschlagten Mittel ausgegeben.
Frau Präsidentin, ich stelle deshalb abschließend fest:
Dort, wo die CDU oder die CSU regiert, fühlt sich die forschende Industrie, fühlen sich Wissenschaftler an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
besonders wohl.
Vielen Dank.
({21})
Dr. Gerhard Friedrich ({22})
Ich erteile nun das
Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kampeter, ich möchte eingangs auf das von Ihnen Erwähnte noch einmal zurückkommen.
({0})
Sie haben die angeblichen Initiativen von Herrn Rüttgers
herausgestellt. Ich will Ihnen einmal die entscheidende
Initiative von Herrn Rüttgers in Erinnerung rufen: Das
war nämlich die jährliche Kürzung der in den Haushalt für
Bildung und Forschung eingestellten Mittel.
({1})
Dies haben wir nicht fortgeführt. Ganz im Gegenteil: Unter Rot-Grün sind die Mittel von Jahr zu Jahr gestiegen.
In diesem Jahr - das möchte ich festhalten - können
wir ein wahres Weihnachtsfest feiern.
({2})
Denn zu den bereits vorgesehenen Mittelerhöhungen des
Bundesforschungsministeriums um rund 800 Millionen
DM kommen in diesem Jahr im Rahmen der UMTSZinsersparnisse noch weitere 700 Millionen DM hinzu.
Davon gehen 600 Millionen DM in das Bildungs- und
Forschungsministerium und 100 Millionen DM in das
Wirtschaftsministerium.
Aus Gründen der Zeit will ich mich auf zwei wichtige
Forschungsthemenbereiche beschränken, die im Haushalt
2001 besondere Akzente erfahren: Das ist die Energieforschung und die Gesundheitsforschung.
Zur Energieforschung: Angesichts der großen Energieprobleme wie zum Beispiel Treibhauseffekt und Ressourcenverknappung ist es ein besonders wichtiger Erfolg, dass die Mittel für die Energieforschung deutlich
angehoben werden.
({3})
100 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen werden zusätzlich für die Energieforschung bereitgestellt.
Das BMBF erhöht in seinem Zuständigkeitsbereich die
Mittel um 7 Millionen DM. Im Landwirtschaftsministerium kommt es in diesem Bereich zu weiteren Mittelerhöhungen um 15 Millionen DM.
Mit 80 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen
wird im Wirtschaftsministerium wichtigen Technologien
in diesem Bereich zum Durchbruch verholfen: der Brennstoffzelle und den Offshorewindkraftanlagen. Die weiteren 20 Millionen DM stehen dem Umweltministerium zur
Verfügung. Die Schwerpunkte liegen auf der geothermischen und der solarthermischen Stromerzeugung. Das,
Frau Flach, ist die Antwort auf Ihre Frage, ob wir uns noch
stärker in der Fusionsforschung engagieren sollten.
Sie haben uns Technikfeindlichkeit vorgeworfen. Dazu
möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Damit werfen Sie indirekt unserem großen Partner, den USA, Technikfeindlichkeit vor; denn die USA haben sich schon vor
Jahren aus dem Projekt ITER zurückgezogen. Es ist also
keine besondere Position, die wir hier vertreten. Die USA
haben - das ist ganz aktuell - die Haushaltsmittel für die
Laserfusionsforschung gestoppt, weil - man höre und
staune - die Fusion wohl keine Zukunft hat und man nicht
erwartet, dass sie in vielleicht 50 Jahren etwas zur Energieversorgung beitragen wird. Nein, wir machen es anders. Wir setzen auf Zukunftstechnologien, die keine Risiken bergen und die uns bald von den Problemen befreien
können, die mit den nuklearen Technologien verbunden
sind.
({4})
Nun gibt es den
Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Kollegin
Flach. Möchten Sie sie zulassen?
Bitte.
Bitte sehr, Frau Kollegin.
({0})
Herr Fell, wie erklären Sie sich
die Aussage Ihrer Kollegin Hustedt vom gestrigen Tag,
dass sie auf Ihre Bemerkung, die Forschung werde besonders zukunftsträchtig im Bereich Offshore und Geothermik platziert und das sei eine gute Sache, wörtlich
sagte: Wir sind doch längst viel weiter, Herr Fell. Das ist
doch wirklich nicht mehr prickelnd, was Sie da vortragen.
- Gibt es da eventuell gewisse Diskrepanzen in Ihrer eigenen Fraktion?
({0})
Eigentlich verstehe ich Ihre Frage nicht. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie bemerkt, dass ich diese Bereiche
als wichtige Forschungsbereiche herausgestellt habe, für
die wir endlich mehr Geld ausgeben konnten; denn unter
der alten Regierung sind gerade im geothermischen und
solarthermischen Bereich die Mittel ständig gekürzt worden. Wir haben sie in diesem Haushalt deutlich erhöht.
({0})
- Prickelnd ist es bei uns sowieso.
Ich komme nun zum zweiten wichtigen Forschungsbereich, über den hier schon mehrfach diskutiert wurde: die
Gesundheitsforschung. Riesenhuber und Rüttgers haben
nie ein solches Gesundheitsforschungsprogramm auf den
Weg gebracht, wie es jetzt Rot-Grün - wir haben es mit
einem hohen Mittelansatz ausgestattet - gemacht hat.
Insbesondere in den Bereichen der Genomforschung
und der Biotechnologie werden jetzt neue Akzente gesetzt. Hier sind erneut umfangreiche Mittelerhöhungen
von weit über 100 Millionen DM vorgesehen. Die Mittel
aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, die für den
Forschungsbereich vorgesehen sind, fließen der Gesundheitsforschung zu, was von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt wird, da hier große Hoffnungen vorhanden sind.
Gentechnik in der Medizin bietet sowohl Chancen als
auch Risiken. Beides gilt es zu bewerten. Das steht im Gegensatz zu dem, was Sie, Frau Flach, vorhin gesagt haben,
als Sie nur auf die Chancen hingewiesen haben. Sie scheinen die Risiken nicht zu kennen. Eine starke Gewichtung
liegt aus unserer Sicht aber genau auf der Risikoforschung.
Ebenfalls wichtig ist die Verstärkung der Erforschung
der sozialen, ethischen, rechtlichen, kulturellen, ökonomischen und technischen Folgen der Gentechnik. Hier
können wir bereits Vollzug melden: Wir werden in den
nächsten drei Jahren 5 Prozent der vorgesehenen Mittel
zur Erforschung der Risikovorsorge ausgeben. Das ist wesentlich mehr als international üblich.
Das wird auch dem Verbraucherschutz dienen; denn
genetisch verändertes Material in Lebensmitteln muss
aufgespürt werden. Es gilt herauszufinden, wie sich genetisch veränderte Lebensmittel tatsächlich auswirken. Hier
ist Vorsorge wichtig, bevor wir ein BSE-ähnliches Problem durch gentechnisch veränderte Lebensmittel bekommen. Dafür betreiben wir die nötige Vorsorge.
Aber Bündnis 90/Die Grünen beschränken sich innerhalb der Gentechnikforschung keineswegs auf die Risikobetrachtung und auf ethische Diskurse. Dies hätte den
Verzicht auf wichtige Gestaltungsmöglichkeiten zur Folge. Bei der Genomforschung sollten die Schwerpunkte
auf die Bereiche konzentriert werden, bei denen die Chancen besonders hoch und die Risiken möglichst niedrig
sind. Besondere Vorsicht ist überall dort angesagt, wo
veränderte Organismen freigesetzt werden.
Die Gentechnik bietet in der Medizin zusätzliche
Chancen. Diese liegen im Augenblick vor allem in der
Diagnostik. Langfristig sind auch Therapien denkbar.
Die Erforschung epigenetischer Prozesse kann zum Verständnis bei der Entstehung und Ausprägung von Volkskrankheiten beitragen. Die genetische Erforschung von
Mikroorganismen kann es ermöglichen, auch Antibiotikaresistenzen zu verstehen und zu beseitigen zu helfen.
Die Erhöhung der Mittel für Zukunftsinvestitionen und
die Schwerpunktsetzung auf Energie- und Gesundheitsforschung zeigen auf, dass Rot-Grün wichtige Probleme
anpacken kann und auch anpackt.
({1})
Die CDU/CSU und auch die F.D.P. ziehen es leider - zum
Schaden zukünftiger Generationen - immer vor, mit Populismus kurzfristig auf Wählerfang zu gehen.
({2})
Sollten Sie damit Erfolg haben, wäre das sicherlich zum
Nachteil für Bildung und Forschung, da der rot-grüne
Höhenflug damit beendet wäre.
({3})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Jörg Tauss.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Natürlich wünsche auch ich meinem Vorgänger, dem Kollegen Stephan Hilsberg, alles Gute. Ich biete
Ihnen allen eine gute Zusammenarbeit an. Aber - darauf
komme ich gleich noch zurück - es muss von Ihnen noch
ein bisschen mehr kommen, um eine Zusammenarbeit im
Sinne von Bildung und Forschung zu erreichen. Sonst
sind Sie kein Gesprächspartner.
({0})
Wir behandeln heute den Haushalt für Bildung und
Forschung und damit den entscheidenden Zukunftsetat.
Nach nur zwei Jahren SPD-geführter Bundesregierung
- alle Rednerinnen und Redner haben darauf hingewiesen - gibt es das wichtige und richtige Signal, dass die
dringend notwendige Trendwende in der Bildungs- und
Forschungspolitik auch mit diesem Haushalt gelungen ist
und fortgeführt wird.
Wir erfahren gegenwärtig einen gewaltigen Umbruch
der modernen Gesellschaft zur Wissens- und Informationsgesellschaft. Schon diese Bezeichnung sagt relativ
klar, dass Fragen der Aus- und Weiterbildung sowie die
der Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland in einem noch nicht absehbaren Zeitraum und Maß ständig an
Bedeutung gewinnen und entsprechend zunehmen. Wir
haben der Bildungs- und Forschungspolitik wieder einen
hohen Stellenwert eingeräumt und werden auch weiterhin
etwas dafür tun.
({1})
Ich freue mich, dass wir zur Halbzeitbilanz zwei wichtige Botschaften einer tragfähigen und zukunftsfähigen
Bildungs- und Forschungspolitik verkünden können, auf
die ich im Einzelnen eingehen werde. Mit diesem Etatentwurf werden wichtige und richtige Weichenstellungen
vorgenommen. - die Bundesministerin hat darauf verwiesen -: Erstens. Die Zukunftsinvestitionen werden in ihrem
Gesamtvolumen deutlich erhöht. Zweitens. Die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung und Forschung wird
in diesem Land wieder anerkannt - Ihnen ist vorzuwerfen,
dass das bei Ihnen nicht der Fall war -und die Handlungsspielräume für eine zukunftsfähige Bildungs- und
Forschungspolitik werden nicht eingeengt - das hat negative Folgen -, sondern geöffnet. Das ist die Botschaft, die
von diesem Haushalt ausgeht.
({2})
Zur ersten Botschaft: Die Investitionen in Bildung und
Forschung in diesem Haushalt werden trotz der unumHans-Josef Fell
gänglichen Haushaltskonsolidierung - diese war aufgrund Ihrer Schuldenpolitik notwendig; dennoch haben
wir mit Hans Eichel gemeinsam viel erreicht - erneut und
damit zum dritten Mal seit der Regierungsübernahme
deutlich erhöht. Vielen Dank für diese wegweisende Politik.
({3})
Um es noch konkreter zu sagen: Auch mithilfe des Finanzministers sind die Zeiten Ihres ständigen Raubbaus
an den Ausgaben für Bildung und Forschung vorbei. Für
diese Bundesregierung hat die Bildungs- und Forschungspolitik Priorität.
({4})
Sie haben durch den ständig sinkenden Etat für Bildung und Forschung nicht nur die ökonomische sondern
auch die wissenschaftliche Zukunft unseres Landes - das
gilt auch für die F.D.P., Frau Flach; Sie waren Mitverursacherin dieses Zustandes - leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
({5})
Dies wird durch die Tatsache belegt, dass wir heute Regelungen wie die Green Card brauchen, um IT-Fachkräfte
ins Land zu holen bzw. im Land zu halten. Das ist eine unmittelbare Folge Ihrer Politik.
({6})
Sie haben die Zukunft heranwachsender Generationen gefährdet. In Ihrer Zeit ist doch der katastrophale Ingenieurmangel entstanden, den wir heute beklagen. Sie waren
technikfeindlich. Das ist die Botschaft, die von Ihren
Haushalten und Ihrer Politik ausgegangen ist.
({7})
Wir erhöhen nun die Zukunftsinvestitionen weiter. Der
Etat für Bildung und Forschung wird im Vergleich zum
Vorjahr - Sie haben es gehört - um knapp 10 Prozent aufgestockt. Sie haben ihn abgesenkt.
({8})
- Herr Kampeter, nehmen Sie doch bitte die Zahlen zur
Kenntnis. 1993 enthielt Ihr Etat 14,9 Milliarden DM.
1998, bei der Regierungsübernahme durch uns, waren im
Etat für Bildung und Forschung etwa 700 Millionen DM
niedriger.
({9})
Wie Sie hier von einer erfolgreichen Politik in der Vergangenheit reden können, ist Ihr Geheimnis und wahrscheinlich auch das Geheimnis des im Übrigen außer von
Ihnen von niemandem vermissten Herrn Rüttgers.
({10})
Obwohl wir nach der Regierungsübernahme den Bildungsetat erst einmal aufgestockt haben, wird er nun bei
rund 16 Milliarden DM liegen. Das ist eine deutliche Steigerung. Wer diese Steigerung nicht wahrnimmt, der kann
auch sagen: Die Erde ist eine Scheibe. Er kann sagen: Eins
plus eins ist nicht zwei, sondern vier. Herr Kampeter, der
Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel, Ihr Parteifreund,
den ich sehr schätze, hat einmal gemeint:
({11})
Eins plus eins ist zwei, aber wenn Ihnen einer anbietet,
eins plus eins sei vier, dann greifen Sie zu und widersprechen nicht, denn als Nächstes kommt er möglicherweise
und sagt, eins plus eins sei acht. - Ich denke, er hat bei diesem Ausspruch an Sie gedacht. Bei Ihnen allerdings
wären es vielleicht sogar minus zehn.
({12})
Die jahrelange Abwärtsentwicklung wurde durch uns
nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt. Der Bundesministerin ist für ihren unermüdlichen Einsatz dafür zu danken.
({13})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
Sie haben auf Ihrer Homepage - ich schaue mir abends
gelegentlich die CDU-Homepage an - ein CDU-Onlinespiel gestartet. Es ist immerhin gut, dass Sie jetzt wissen,
was online bedeutet. Sie haben dort die Frage gestellt, wie
denn der Bildungsminister heiße. Wer es wisse, könne
drei CDU-Überraschungspakete gewinnen. Dieser erfolgreiche Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren,
auf den Sie offenbar so voller Neid schauen, dass Sie sogar Überraschungspakete aussetzen, ist eine Ministerin,
heißt Edelgard Bulmahn und sitzt dort auf der Regierungsbank. Ich bitte Sie jetzt, die Überraschungspakete
bei mir im Büro abzuliefern. Hoffentlich ist kein
Schwarzgeld darin!
({14})
Apropos Schwarzgeld: Wie ausgerechnet Sie in diesem
Land über Werte reden, ist schon ein Skandal an sich.
({15})
Ein Staatssekretär von Ihnen, von der CSU, wird weltweit
von Interpol gesucht, ist auf der Flucht. Ist der vielleicht
in dem Überraschungspaket?
({16})
Dies ist wohl unglaublich: Die CSU hat ihn nicht deshalb
ausgeschlossen, weil er auf der Flucht ist, sondern weil er
seinen Beitrag nicht mehr bezahlt hat. Und dann wollen
Sie den jungen Menschen in unserem Land Werte vermitteln?
({17})
Herr Merz spricht da noch von Moral. Das ist schon unglaublich!
({18})
({19})
Da ich gerade bei Herrn Merz bin: Interessant an diesem Onlinespiel ist ein Satz. Die Überschrift lautet, Frau
Präsidentin - Entschuldigung: Herr Präsident -:
({20})
Ganz Deutschland debattiert über Bildungspolitik. - Ich
wollte Ihnen das nur zeigen. Das ist wirklich in Ihrer Homepage.
Vielen
Dank. Aber sprechen Sie zu den Kollegen.
Ganz Deutschland debattiert über
Bildungspolitik. Das ist richtig.
({0})
- Lieber Herr Kollege Kampeter, wenn Sie sich einmal
die Mühe machen, im Protokoll
({1})
die im wahrsten Sinne des Wortes vorgestrige Rede Ihres
Fraktionsvorsitzenden in Replik auf den Bundeskanzler
nachzulesen, werden Sie merken: Ganz Deutschland diskutiert über Bildungspolitik, nur Ihr Fraktionsvorsitzender nicht. Obwohl der Kanzler sehr umfassend über Bildung und Forschung geredet hat,
({2})
ging Herr Merz in seiner Haushaltsrede auf das Thema
mit keinem einzigen Wort ein. Dies ist ein schöner
Schwerpunkt, den Sie, meine sehr verehrten Damen und
Herren,
({3})
bei einem Thema setzen, über das ganz Deutschland diskutiert.
Wenigstens zur Forschungspolitik nannte Herr Merz
zwei Stichworte. Das Erste betraf die Erforschung des
menschlichen Genoms; gerade im Bereich der Gesundheitsforschung ein wichtiger Teil. Das machen wir. Es ist
ein Schwerpunkt unseres Programms, das die Ministerin
vorgestellt hat.
({4})
Das Zweite betraf das Thema BSE. Das ist ein wichtiges Thema, keine Frage. Hier forderte Herr Merz die Bundesregierung auf, dass sie jede Anstrengung zur Erforschung der Zusammenhänge unternehmen solle. Dies
müssen wir jetzt etwas umfassender erklären.
Forschungspolitik ist nichts Kurzfristiges. Sie wissen
genau, dass seit Jahren für die Erforschung der Creutzfeldt-Jakob-Variante nicht nur durch die Ministerin für
Bildung und Forschung die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, sondern dass sich auch in anderen Ressorts
einiges tut. Dort werden Mittel für die Erforschung der Erreger, der Ausbreitungswege und der Inkubationszeit zur
Verfügung stehen. Die einzigen Punkte, die Ihnen eingefallen sind, sind von dieser Bundesregierung auf den Weg
gebracht und erledigt. Ich kann nur sagen: Auch dies ist
eine Bestätigung erfolgreicher Forschungspolitik.
({5})
- Es geht um Bildung, das ist prima.
Sie haben sogar einen Bildungsparteitag gemacht, lieber Kollege Austermann. Ich weiß nicht, ob Sie als
Delegierter dorthin gewählt wurden.
({6})
Die „VDI Nachrichten“ des Vereins Deutscher Ingenieure kommentierten Ihr mangelndes Interesse an diesem
Thema: Kaum war dieser Herr Meyer als Generalsekretär
gewählt, sind alle aus dem Saal gegangen und dann haben
ein paar über Bildung diskutiert.
({7})
Der Verein Deutscher Ingenieure - vielleicht noch ein
unverdächtiger Zeuge, wenn Sie schon auf uns nicht
hören - hat gesagt: Schlecht, wenn in der CDU das Thema
auf so wenig Diskussionsbereitschaft stoßen sollte wie bei
ihrem kleinen Parteitag. Ich füge hinzu: ein wahrhaft kleiner Parteitag.
({8})
Herr Merz hat gezeigt: Das CDU-Desinteresse an Bildung
ist in Ihrer Partei nicht nur auf Stuttgart begrenzt, sondern
auf ganz Deutschland übertragbar.
({9})
Auch die Grundsatzrede Ihrer Frau Merkel war dünn. Da
gab es dann noch ein bisschen 50er-Jahre, zum Beispiel
Kopfnoten als bewährtes Element der erziehenden
Schule,
({10})
aber mehr ist ihr nicht eingefallen. Sie haben Recht mit
der Feststellung: Ganz Deutschland diskutiert über Bildung, nur Ihre Stimme hört man kaum.
({11})
Konzepte sucht man erst recht vergebens.
({12})
Ein weiteres Signal, das mit diesem Haushalt einhergeht, ist, dass wir die hohe gesellschaftliche Bedeutung
von Bildung und Forschung wieder anerkennen und dass
wir mit diesen Zukunftsinvestitionen den notwendigen
Handlungsspielraum für Bildung und Forschung wieder
öffnen.
Wir könnten auch ernsthaft über wirkliche Probleme
des Bildungswesens in unserem Land diskutieren, aber
nicht so, wie Sie es heute Morgen hier oder auf Ihren kleinen Parteitagen vorgeführt haben.
Mich erfüllt das Thema der beruflichen Bildung mit
großer Sorge. Das duale System - Betrieb und Berufsschule - bildet die meisten jungen Leute aus und macht
sie über viele Jahre hinweg in ihren Berufen zu qualifizierten Fachleuten. Aber unübersehbar ist das duale System in einer tiefen Krise, es ist in einem Wandel begriffen.
Jeder dritte oder vierte Erwachsene wird nach einer
Untersuchung der Uni Rostock nach der Ausbildung
zunächst einmal arbeitslos. Die traditionelle Lehre wird
an vielen Stellen aufgeweicht, häufig durch private Akademien, die mehr Durchlässigkeit hin zu weiterführenden
Bildungssystemen versprechen. Der ZVEI, der Zentralverband der elektrotechnischen Industrie, spricht von einem Wandel hin zu einer notwendigen Akademisierung
der Berufsausbildung.
Wir wollen und dürfen das duale System aber nicht zu
einer bildungspolitischen Restgröße verkommen lassen,
dessen Zustand sich gerade im schlechten Zustand der Berufsschulen widerspiegelt. Deshalb tun wir alles, um diesen Zustand, soweit es in unserer Macht als Bund steht, zu
verbessern. Ich begrüße ausdrücklich das wichtige Zukunftsinvestitionsprogramm für die Berufsschulen, Frau
Ministerin Bulmahn.
({13})
225 Millionen DM in zwei Jahren, das ist eine tolle Initiative, genauso wie das JUMP-Programm, das Hunderttausenden junger Menschen wieder Hoffnung gegeben hat. Das wäre eine bildungspolitische Diskussion, der
Sie sich stellen sollten. Über eine halbe Million junge
Menschen wurden ohne Zukunftsperspektive in Berufsschulen geparkt, von Herrn Kohl und Ihnen allein gelassen. Viele junge Menschen haben sich sogar der Schule
zunehmend verweigert, weil sie keine gesellschaftliche
Perspektive mehr für sich sahen, weil sie das Gefühl hatten, in der Gesellschaft nicht gebraucht zu werden. Deshalb haben wir JUMP und anderes auf den Weg gebracht.
({14})
Ihr Desinteresse an den jungen Menschen wird aber
nicht nur bei den benachteiligten Gruppen deutlich, sondern auch bei den Studierenden dieses Landes. Über die
Zahlen ist geredet worden. Sie können bei allen
Zahlenspielchen, die Sie hier betreiben - eins und eins ist
minus acht -, nicht darüber hinwegtäuschen, dass der
Rückgang der Zahl der Geförderten Ihre Erblast ist und
dass wir diesen Rückgang der Zahl der über BAföG Geförderten nicht nur rückgängig gemacht haben, sondern
dass wir auch hier eine gegenteilige Entwicklung eingeleitet haben.
({15})
Sie haben mit der fahrlässigen Zinsdebatte, die Sie auf den
Weg gebracht haben, das Vertrauen in das Instrument
BAföG doch erst einmal leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Mit der Dienstrechtsreform haben wir einige Initiativen auf den Weg gebracht. Schauen Sie auf die Forschungslandschaft. Meine Damen und Herren, gehen Sie
auf die parlamentarischen Abende. Egal, zu welchem Verband Sie gehen, egal, in welchen Forschungsbereich Sie
gehen: Dort erleben Sie Aufbruchstimmung,
({16})
dort erleben Sie nicht kleinliche Kritik an dieser Regierung. Sie erleben Lob für diese Regierung. Ich schlage Ihnen vor, sich dem ein bisschen anzuschließen.
({17})
Meine Redezeit ist vorüber. Ich hole dann bei Frau
Merkel, wie angekündigt, die CDU-Überraschungspakete
ab. Eine wirkliche Überraschung wäre das CDU-Überraschungspaket erst dann, wenn auch nur ein einziger
vernünftiger und ernst zu nehmender bildungs- und forschungspolitischer Ansatz darin zu finden wäre.
Da dies aber nicht der Fall ist, empfehle ich Ihnen einfach, unserem Haushalt zuzustimmen und diese Bundesregierung auf den Plätzen und Märkten für ihr Engagement
zu loben und außerdem Ihrem Fraktionsvorsitzenden ein
bisschen von dem näher zu bringen, was Bildung und Forschung anbelangt. Da könnten Sie sich Verdienste erwerben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({18})
Ich schließe
die Aussprache.
Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.
Zunächst stimmen wir über die Änderungsanträge ab.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4790. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei
Enthaltung von F.D.P. und PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4791. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis
wie zuvor abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4830. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4831. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von F.D.P.
und PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4832. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4834. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die übrigen Stimmen des Hauses abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4824. Wer stimmt dafür? Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4825. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4826. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor
abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4827. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4828. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4833. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS
abgelehnt.
Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
von CDU/CSU, F.D.P. und PDS angenommen.
({0})
- Das Abstimmungsergebnis hing bestimmt mit der Rede
von Herrn Tauss zusammen.
({1})
Ich rufe auf:
III. 24 Haushaltsgesetz 2001
- Drucksachen 14/4522, 14/4523 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir über einen Änderungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4829 ab. Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dage-
gen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
F.D.P. und CDU/CSU bei Enthaltung der PDS abgelehnt.1)
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.2)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung „Finanzplan des
Bundes 2000 bis 2004“, Drucksachen 14/4001, 14/4301
und 14/4524. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Keine Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001
({2})
- Drucksachen 14/4000, 14/4302, 14/4501 bis
14/4520, 14/4521, 14/4522, 14/4523 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
1, 2) siehe Anlage 2
Es liegen sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, sechs Entschließungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und zwei Entschließungsanträge der Fraktion der
PDS vor. Über den Gesetzentwurf sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion der F.D.P. und einen Entschließungsantrag der Fraktion der PDS werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Adolf Roth.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der dritten Lesung des Bundeshaushaltes 2001 lassen
Sie mich zunächst in meiner Funktion als Vorsitzender des
Haushaltsausschusses die Gelegenheit wahrnehmen, all
unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschusssekretariat, in den Fraktionsarbeitsgruppen, in unseren
Büros, beim Bundesrechnungshof und in den Ministerien
ein herzliches Dankeschön für die konstruktive Zusammenarbeit unter schwierigen Bedingungen zu sagen.
({0})
Wir haben den Haushalt 2001 termingerecht in der parlamentarischen Beratungsrunde abschließen können. Den
an der Stirnseite unseres Plenarsaales anwesenden tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats möchte ich meinen besonderen Dank und
meine Anerkennung aussprechen.
({1})
Wir haben nach wochenlangen Berichterstattergesprächen und Einzelberatungen am Ende über insgesamt 1 240 parlamentarische Initiativen, Vorschläge der
Berichterstatter, Plus-Minus-Listen der Ministerien und
Ini-tiativen bis zur Bereinigungssitzung zu beraten und
abzustimmen gehabt. Wir haben es am Ende geschafft. Ich
denke, dass wir uns letztmalig den äußerst schwierigen
Arbeitsbedingungen in der Luisenstraße aussetzen mussten und nach einem, wie ich hoffe, pünktlichen Umzug ins
Paul-Löbe-Haus
({2})
wieder eine attraktivere Arbeitsatmosphäre haben werden.
Auf die Frage, wie wir das überhaupt hinbekommen
haben, kann ich nur antworten: Der Indianer kennt keinen
Schmerz.
({3})
Außerdem haben wir in der Rotstiftzone des Parlaments,
wie jeder weiß, auch eine besondere Streit- und Parlamentskultur. Wenn wir uns durch die Bereinigungssitzung
durchgekämpft haben, in der der letzte Krach beigelegt
und die letzten Auseinandersetzungen beendet werden
müssen, dann trinken wir zum Abschluss gemeinsam einen Schnaps und schauen uns auch wieder in die Augen.
So gehört es sich unter guten Haushaltspolitikern.
({4})
Meine Damen und Herren, jeder weiß, dass beim politischen Kampf um knappes Haushaltsgeld die viel beschworene Konsensdemokratie schnell an ihre Grenzen
stößt. Die Mehrheit wie die Minderheit im Haushaltsausschuss - aus wohlbegründeter Tradition von einem Oppositionspolitiker geführt - müssen die klar definierte Position des Parlaments gegenüber der Exekutive vertreten,
denn die Verfügung über die Finanzmittel unseres Staates obliegt der Bundesregierung nur im Bereich der politischen Initiative. Das Bewilligungsrecht und die Pflicht
zur Kontrolle liegen beim Parlament. Ich denke, wir haben allen Anlass, diese klare Kompetenzabgrenzung auch
zu verteidigen und sie durch niemanden aushöhlen zu lassen. Wir können uns keine Entparlamentarisierung der
Politik in Deutschland erlauben.
({5})
Für das Haushaltsjahr 2001 kann sich die Bundesregierung ganz sicher nicht über mangelnde Generosität der
Koalitionäre im Haushaltsausschuss beklagen. Denn es ist
für mich nach langjähriger Arbeit im Haushaltsbereich
eine wirklich neue Erkenntnis, dass am Ende des parlamentarischen Verfahrens alle Einzelpläne der Ministerien - also ohne Ausnahme - einen materiellen Aufwuchs
erfahren haben. Sie haben nicht nur die 5 Milliarden DM
kalkulatorische Zinsersparnis in Investitionen gelenkt,
sondern Sie haben noch deutlich mehr als 1 Milliarde DM
den Ressorts zusätzlich bewilligt. Das heißt, Sie haben
mehr bewilligt, als die Bundesregierung überhaupt beim
Parlament beantragt hatte.
({6})
Sie mögen sagen, die Sparsamkeit von Rot-Grün
drückt sich in einer besonderen Großzügigkeit bei der
Verteilung aus. Aber dann stehen Sie bitte auch dazu, statt
wie die Kraftprotze der neuen Konsolidierungsepoche
durchs Parlament zu laufen.
({7})
Das, was geschehen ist, hat mit Sparsamkeit im Detail
herzlich wenig zu tun gehabt.
Damit wende ich mich an den Bundesfinanzminister:
Herr Eichel, Ihr Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2001, den Sie im Juli im Kabinett zur Verabschiedung
gebracht haben, ist, wenn man ihn nüchtern bewertet, ein
reiner Routinehaushalt ohne neue politische Markierungen gewesen.
({8})
Er ist ein Fortschreibungshaushalt in einem engen Gefüge von Haushaltskennziffern und Entwicklungsreihen.
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
Ich glaube, Sie haben das auch selber gemerkt, denn Sie
haben am Dienstag bei der Aussprache hier im Parlament
davon gesprochen, dass die unverhoffte Milliardeneinnahme aus der Lizenzvergabe bei UMTS für Sie ein Zufallsfund gewesen sei.
Das ist eine zutreffende Beschreibung. Sie wird auch
nicht dadurch relativiert, dass der Bundeskanzler am Mittwoch in der Aussprache hier im Parlament etwas verlegen
auf diese neue Semantik reagiert hat.
Ich glaube, es hätte überhaupt keine politische Akzentuierung für das kommende Haushaltsjahr gegeben
({9})
ohne diese nach der Veräußerung der UMTS-Lizenzen zusätzlich bewilligten Milliarden.
({10})
Ich füge hinzu, Herr Minister Eichel: Sie profitieren
hier unverdientermaßen
({11})
vom Erfolg der früheren Bundesregierung,
({12})
von der Reformpolitik im Bereich von Post und Telekommunikation. Diese Politik ist mit den Namen von Christian
Schwarz-Schilling und von Wolfgang Bötsch verbunden,
aber ganz gewiss nicht mit Ihrem Namen. Deshalb kassieren Sie hier eine Dividende, die Ihnen nicht zusteht,
({13})
im Gegenteil: Mit Ihrem Namen und mit dem Namen des
Bundeskanzlers ist die politische Absage an diese Liberalisierungspolitik und deren Bekämpfung verbunden gewesen, denn Sie haben seinerzeit gegen die Privatisierung
im Bereich der Post gestimmt.
({14})
Stehen Sie dazu!
({15})
Natürlich gehört die Verwendung dieser Zinsersparnisse im investiven Bereich zu den Optionen, die sich
aus der Entwicklung ergeben haben, aber ich weise darauf hin: Die Deutsche Bundesbank und auch die Sachverständigen haben diesen Weg als den eher zweitbesten
eingestuft. Sie, Herr Eichel, haben am Dienstag dem Parlament gesagt, etwas anderes sei politisch nicht durchsetzbar gewesen, etwa eine zusätzliche Schuldentilgung,
wie sie ja selbst in Teilen der Koalition ursprünglich beabsichtigt gewesen war.
Ich glaube, Sie räumen damit ein, dass Sie die unerwarteten UMTS-Einnahmen aus der Verlegenheit befreit
haben, selbst und aus eigener politischer Initiative einen
qualitativen Umbau der Haushaltsstruktur hin zu mehr investiven und zukunftsorientierten Ausgaben vorzunehmen. Das ist die Situation gewesen.
({16})
Wenn es zutrifft, dass der Kern des Haushaltes, den wir
heute nach dem Ende der parlamentarischen Beratungen
verabschieden, auf einem Zufallsfund auf der Einnahmeseite basiert, dann kann ich nur sagen: Dieser Bundeshaushalt ist ein Zufallsprodukt der Bundesregierung und
fügt sich in den Rahmen der Beliebigkeit Ihrer übrigen
Entscheidungen ein.
({17})
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen
Punkt hinzufügen. Ich glaube, dass die Sondertilgung für
die Erblastschulden und für die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Währungsumstellung in Höhe von
100 Milliarden DM zu der Überlegung hätte führen müssen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt für eine weitere Absenkung des Solidaritätszuschlages auf etwa 4 Prozent gekommen ist. Bei den Beratungen zum Solidarpakt
1993/94, an denen Sie ja teilgenommen haben, ist der Solidaritätszuschlag dem Bund als ein befristeter Ausgleich
für
({18})
den Schuldendienst nach der Übernahme der DDR-Schuldenlast zugewiesen worden. Er hat mit dem Aufbau Ost,
wie Sie sehr wohl wissen, überhaupt nichts zu tun.
({19})
Er wird von den Steuerzahlern in Ost und West finanziert.
Das ist die Situation.
({20})
Herr Minister Eichel, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im
Amt. Nach dem für Sie überraschenden Aufgabenwechsel
haben Sie in Berlin früher vertretene Positionen deutlich
korrigieren müssen. Das wirft Ihnen niemand vor. Aber
wir müssen Sie daran erinnern, dass Sie damals in den
90er-Jahren in Ihrer Funktion als Ministerpräsident - Sie
waren sozusagen das Gegengewicht im Bundesrat - gegen die „Kaputtsparer“ in Bonn operiert haben.
({21})
Hätten Sie damals nicht so schamlos eine solche Obstruktions- und Blockadepolitik betrieben, wären wir in
Deutschland weiter, weil einige der Probleme, mit denen
auch Sie sich heute herumschlagen müssen, längst gelöst
wären.
({22})
Ich werfe Ihnen vor, dass Sie bis heute nicht zu einem
fairen Gesamturteil über die Finanzpolitik der 90er-Jahre
gekommen sind. Sie fuchteln bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Grafiken herum und argumentieren mit
endlosen Zahlenkolonnen gegen die damalige Politik. Ich
denke, das ist weder souverän noch sachgerecht. Sie werden aber damit den Stolz der CDU/CSU und den Stolz der
Deutschen in Ost und West auf den Erfolg der Aufbauarbeiten nach der glücklichen Wiedervereinigung nicht
schmälern können. Es wäre an der Zeit, dass Sie ein faires Urteil über diese Politik wenigstens ansatzweise in das
Bild der Vergangenheit einfügen könnten.
Adolf Roth ({23})
Ich sage Ihnen noch einmal - wir werden diesen Standpunkt immer wiederholen -: 1982, zum Ende der SPD-geführten Bundesregierung, betrug das staatliche Finanzierungsdefizit in Deutschland 4,4 Prozent. Das entspräche in
heutigen Kategorien des Bruttoinlandsprodukts einer
Summe von 180 Milliarden DM. Wir hatten bis zum Jahre
1989 dieses Finanzierungsdefizit in einen gesamtstaatlichen - kleinen - Überschuss verwandelt, der uns in die
Lage versetzt hat, die Lasten der Wiedervereinigung zu
meistern. Am Ende unserer Regierungszeit 1998 war das
Finanzierungsdefizit wieder auf 1,5 Prozent abgeschmolzen, also auf ein Drittel des Finanzierungsdefizits, das die
sozialdemokratische Bundesregierung 1982 hinterlassen
hat.
({24})
Wir hatten die niedrigste Ausgabenquote des Bundes
und eine sinkende Staatsquote. Außerdem hatten wir die
niedrigste Steuerquote in unserer Geschichte. Alle diese
Punkte müssen in diesem Zusammenhang erwähnt werden.
Wenn Sie heute beklagen, dass die Finanzierung des
Bundes eine Schieflage aufweist, dann muss ich sagen,
dass das zutreffend ist. Aber ich frage Sie hier erneut: Wen
wollen Sie eigentlich anklagen? Bei wem wollen Sie
Empörung hervorrufen? Sie waren doch als Koordinator
der SPD im Bundesrat höchstpersönlich maßgeblich daran beteiligt, gegen die entsprechenden Entscheidungen
anzugehen.
({25})
Sie haben also die Konsequenzen selbst zu verantworten.
({26})
Wir sind, wie die Zahlen des Haushaltes ausweisen,
längst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen. Die
Einnahmeseite hat sich kräftig verbessert. Wir haben
55 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen als 1998.
Zwischen 1998 und 2005 wird allein der Bund voraussichtlich über 100 Milliarden DM zusätzlich Steuern einnehmen. Gleichzeitig erzählen Sie den Leuten, im Jahre
2005 müssten sie 95 Milliarden DM weniger Steuern zahlen als 1998. Wie Sie aus dieser Rechenformel eine politische, qualitative Aussage machen wollen, müssen Sie
dem deutschen Volk und dem Parlament erst noch erklären.
({27})
Sie reden oft und gern von Gerechtigkeit. Ich sage Ihnen: Die Willkürlichkeit Ihrer Steuerpolitik ist die subtilste Form der Ungerechtigkeit in unserem Land. Sie räumen
den großen Kapitalgesellschaften der Industrie bessere
Steuerbedingungen ein als den arbeitenden Menschen und
den persönlich haftenden Unternehmern des Mittelstandes. Das ist ein Skandal.
({28})
Angesichts dessen können wir nicht zur Tagesordnung
übergehen. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für
sämtliche Arbeits- und Unternehmenseinkommen, unabhängig von der Rechtsform und unabhängig von Erzielung und Verwendung dieser Einkommen - diese Frage
von Recht und Gerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung
der deutschen Politik. Wir werden uns spätestens im
nächsten oder übernächsten Jahr bei dieser Diskussion
wiederfinden.
Weltweit zeichnet sich heute ein grundlegender Meinungswandel ab, den man als Abkehr vom staatlichen Aktivismus und Wiederentdeckung marktwirtschaftlicher
Erfolgsprinzipien, gerade auch im Sinne einer effizienteren Sozialordnung, beschreiben kann. Nach dem endgültigen Fehlschlag sozialistischer ökonomischer Systeme
beginnt eine neue Phase der sozialen Marktwirtschaft.
Das ist das zentrale Programm der CDU/CSU als Opposition im Deutschen Bundestag.
({29})
Herr Minister Eichel, Sie haben vor den Studenten der
Humboldt-Universität kürzlich die Ordnungsprinzipien
der sozialen Marktwirtschaft und die geistige Tradition
ihrer freiheitlichen Denker und Wegbereiter positiv hervorgehoben. Ich habe das mit Genugtuung zur Kenntnis
genommen; denn ich erinnere mich sehr wohl an den erbitterten Kampf in den 50er-Jahren gegen die Politik
Ludwig Erhards, wie er gerade von der SPD betrieben
worden ist.
Die haushaltspolitische Kurskorrektur von 1999 hätte
wahrscheinlich auch dann viele Menschen überrascht und
Aufmerksamkeit erregt, wenn sie nicht nur ein Befreiungsschlag nach dem totalen Scheitern in der Amtsführung Ihres Vorgängers, Oskar Lafontaine, gewesen
wäre. Herr Lafontaine mischt sich quasi täglich mit seiner
grollenden Kritik an Ihrer Amtsführung in die öffentliche
Diskussion ein, auch wenn er nicht einmal mehr bei seiner kleinen Saar-SPD als Gutachter akzeptiert wird.
Zumindest ehrlich war er in einem Punkt: Er hat nie
weniger Staat gewollt. Aber sofern sich nach seinem Weggang die Fassade Ihrer Politik verbessert hat, stellen sich
doch die Fragen: Haben wir heute eigentlich weniger Regulierung? Haben wir weniger Staat? Haben wir weniger
Abgaben und Steuern? Diese Fragen werden Kernpunkte
der Auseinandersetzung in der Zukunft sein. Mit Grundsatzerklärungen werden Sie diese Probleme nicht bewältigen. Sie haben einen langen, steinigen Weg vor sich;
auch im Hinblick darauf, dass Sie die von Ihnen verkündeten Grundsätze Ihrer Politik in Ihrer eigenen Fraktion
durchsetzen müssen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zeit drängt. Wir werden
mit dem Haushalt 2001 bei den grundlegenden Reformen
und insbesondere bei der Reform der Finanzverfassung in
Deutschland Chancen verspielen. Weil das so ist, können
wir dieser Politik kein politisches Vertrauen entgegenbringen. Wir lehnen diesen Bundeshaushalt 2001 in der
dritten Lesung ab.
({30})
Ich gebe
dem Kollegen Joachim Poß für die SPD-Bundestagsfraktion das Wort.
Adolf Roth ({0})
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Auch diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die
Haushaltspolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen ist solide und zukunftsweisend.
({0})
Sie ist hier im Hohen Hause ohne Alternative.
({1})
Herr Roth, wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie zugeben: Wenn Sie einen solchen Haushalt in Ihrer Verantwortung als haushaltspolitischer Sprecher in den letzten
Jahren jemals hätten vorlegen können, hätten Sie an dieser Stelle jubiliert.
({2})
Deswegen merkte man Ihrer Rede auch an, wie schwer es
Ihnen gefallen ist, Ihre Ablehnung unseres Haushalts zu
begründen. Diese Haushaltswoche hat gezeigt: Die Zwischenbilanz der Regierung Schröder ist überzeugend. In
dieser Woche ist deutlich geworden: Gewinner unserer
Politik sind vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien mit Kindern und der Mittelstand.
({3})
Meine Damen und Herren von der Opposition, wie
schon bei der ersten Lesung des Haushalts haben Sie
keine ernsthafte haushaltspolitische Debatte geführt. Das
hat zwei Gründe:
Erstens. Sie wissen, dass der Bundeshaushalt 2001 im
Rahmen der Möglichkeiten und Gegebenheiten in Wahrheit ein gelungener Etat ist und dass es deshalb keine
grundsätzlichen Einwendungen dagegen gibt. Sie wissen
auch, dass es zu unserer Haushaltspolitik, die inzwischen
zum Markenzeichen dieser Koalition geworden ist, keine
sinnvolle Alternative gibt.
Zweitens. Sie wissen, dass Sie - das gilt insbesondere
für die Union -, in Ihrer derzeitigen Verfassung weder
die konzeptionelle noch die politische Kraft haben, eine
Alternative zu entwickeln.
({4})
Sie sind dabei, Ihre jüngste Vergangenheit zu bewältigen.
({5})
Dabei sind Ihnen fast jedes Argument und jedes Mittel
recht. Der Parteienforscher Lösche sagt dazu:
Die CDU versucht - verlockt durch den Wahlsieg in
Hessen im Februar 1999 - immer noch, den bequemeren Weg zu gehen. Sie will über die Mobilisierung
von Vorurteilen Wahlen gewinnen, statt eine alternative Programmatik zur Regierung zu entwickeln. Die
Partei ist innerlich zerrissen und hat bisher keinen
Konsens gefunden.
Das ist die Situation der Union.
({6})
Die letzten drei langen Tage haben gezeigt: Die Haushaltspolitik der Koalition ist solide und verlässlich. Sie
löst die aktuellen Probleme, hat aber auch die Sicherung
der Zukunft und die Interessen der nachfolgenden
Generationen im Blick.
({7})
Was haben Sie dem entgegenzusetzen? Insbesondere die
so genannten Hauptredner von CDU/CSU und F.D.P. haben nicht viel geboten, haben sich im Wesentlichen in
Halbwahrheiten, Unwahrheiten und bisweilen sogar in
absurden Gedankengängen verloren. Zu den absurden
Äußerungen zählt vor allem Ihre Behauptung - Herr Roth
hat sie gerade wiederholt -, die Koalition habe im Haushalt 2001 zu wenig gespart. Das ist wirklich abwegig.
In den parlamentarischen Beratungen ist es gelungen,
die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Entwurf um
2,4 Milliarden DM auf 43,7 Milliarden DM zu senken.
({8})
Eine derart niedrige Nettokreditaufnahme ist Ihnen in den
90er-Jahren nur einmal, und zwar im Jahre 1992, gelungen. Mit Ihren Einwänden spekulieren Sie also auf das
kurze Gedächtnis der Menschen. Ich will nur auf die letzten drei Jahre, in denen Sie für die Nettokreditaufnahme
des Bundes verantwortlich waren, zurückblicken: 1996
haben Sie fast 80 Milliarden DM an Krediten aufgenommen, 1997 64 Milliarden DM und 1998 immer noch
über 56 Milliarden DM.
({9})
Das waren nicht nur historisch hohe Neuverschuldungen;
in den Jahren 1996 und 1997, Herr Austermann, lag die
Nettokreditaufnahme zudem weit über der Höhe der
Investitionsausgaben. Sie haben damit die Kreditobergrenze des Art. 115 Grundgesetz in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht eingehalten.
({10})
Und auch im Jahre 1998 haben Sie mit der Neuverschuldung lediglich um 690 Millionen DM unter den Investitionen gelegen.
({11})
Das heißt: Als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben - das ist die historische Wahrheit -, mussten wir zunächst die Verfassungsmäßigkeit der Haushaltsaufstellung sicherstellen.
({12})
Das ist uns gelungen. Ab dem Jahre 1999 liegt, wie das
Grundgesetz es vorschreibt, die jährliche Kreditaufnahme
des Bundes erheblich unter den Investitionsausgaben. Da
wir die Nettokreditaufnahme kontinuierlich senken werden, die Investitionen jedoch ihr Niveau behalten sollen,
wird diese Differenz immer größer werden. Das heißt, der
Art. 115 des Grundgesetzes ist unter unserer Regierung
kein Thema mehr. Damit verantworten wir eine Finanzpolitik, die eine ganz andere Qualität hat als Ihre Finanzpolitik, meine Damen und Herren.
({13})
Das bringt mich zu einer anderen Behauptung, die Sie
wiederholt gemacht haben. Sie haben behauptet, Herr
Eichel und die Koalition insgesamt stünden nur deshalb
haushaltspolitisch so gut dar, weil sie von glücklichen
Umständen auf der Einnahmenseite, insbesondere bei den
Privatisierungserlösen profitierten.
({14})
- Ich rede nicht über UMTS, sondern über Ihre Behauptung, die Sie zu den Privatisierungserlösen gemacht haben.
Bezeichnend für die Art und Weise, wie zum Beispiel
der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr
Austermann, mit Fakten umgeht, ist seine Behauptung:
Kein Finanzminister in Deutschland habe je mehr Privatisierungserlöse erzielt als Bundesfinanzminister Eichel.
({15})
- Sie sagen jetzt noch: „Richtig!“ Herr Austermann,
1998 - in der Regierungszeit der Herren Kohl und Waigel;
also in Ihrer Regierungszeit, auch wenn Sie nicht regiert
haben, sondern im Parlament gestaltend mitgewirkt haben - gab es Einnahmen aufgrund von Beteiligungsveräußerungen und von Rückflüssen von Kapitaleinlagen,
also Privatisierungserlösen, von 22,6 Milliarden DM.
Dem gegenüber betragen die Privatisierungserlöse 2001
nur 15,6 Milliarden DM. Dies ist, wie es Ihre Art ist, Herr
Austermann, wieder einmal eine Falschaussage.
({16})
Mit diesen Privatisierungserlösen finanzieren wir das
Vorziehen der dritten Stufe des Steuerentlastungsgesetzes
von 2002 auf 2001. Das ist im Interesse von den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen und auch solide,
weil ein einmaliger Vorgang. Auch das unterscheidet uns
im Übrigen: Wir tun etwas zur steuerlichen Entlastung
und finanzieren diese Entlastung solide. Sie haben in den
90er-Jahren nicht ein Steuerkonzept vorgelegt, das auch
nur annähernd solide finanziert war. Das unterscheidet
uns wesentlich.
({17})
Wenn einige von Ihnen behaupten, die Regierungskoalition habe nicht gespart, dann zeigen Sie nur, dass Sie
ein kurzes Gedächtnis haben. Es ist gerade ein Jahr her,
dass fast jeder Berufsstand - auch jene, die vorher noch
nichts mit Demonstrationen zu tun hatten - vor dem Brandenburger Tor gestanden und gegen die umfangreichen
Sparpläne von Koalition und Regierung protestiert hat.
Wer von uns erinnert sich nicht an die manchmal bitterbösen Briefe, die wir bekommen haben, weil wir quer
über den gesamten Bundeshaushalt und quer über alle Politikbereiche finanzielle Mittel eingespart und abgebaut
haben? Sie wissen das doch noch. Sie haben doch bei einigen Demonstrationen - ich werfe Ihnen das gar nicht
vor - kräftig mitgemacht. Auch für einige von Ihnen war
das ein neues Erlebnis.
Wer uns vor diesem Hintergrund mangelndes Sparen
und mangelndes Konsolidieren vorwirft, bastelt sich die
Welt so, wie er sie haben will und wie er es politisch für
opportun hält. Herr Austermann, Herr Merz, aber auch
Herr Rauen: In dieser Hinsicht unterscheiden Sie sich in
nichts von Ihrem früheren Bundeskanzler Dr. Helmut
Kohl, dessen Realitätsverständnis man letzthin wieder
einmal bei der Vorstellung seines Tagebuches staunend
zur Kenntnis nehmen konnte.
({18})
- Ja, das war sehr höflich formuliert. Ich habe mir extra
vorgenommen, heute Morgen besonders höflich zu sein.
Ihre Kritik, wir würden zu wenig sparen, wird völlig
unglaubwürdig, wenn man sich Ihr Abstimmungsverhalten in den Beratungen des Haushaltsausschusses und hier
im Plenum - zu den Änderungsanträgen, über die wir abgestimmt haben - ansieht. Wenn man sich die Forderungen Ihrer Fachpolitiker anschaut, so stellt man fest, dass
es kaum einen Bereich gibt, in dem Sie nicht opportunistisch draufsatteln wollen: mehr Geld für die Bauern, mehr
Geld für die Beamten, mehr Geld für den Straßenbau,
mehr Geld für die Bundeswehr. Man kann diese Reihe beliebig fortsetzen. Nur: Solange Sie keinen sinnvollen
Finanzierungsvorschlag machen - bisher haben Sie das
nicht -, sind solche Forderungen wohlfeil. Sie überzeugen
noch nicht einmal diejenigen, die von Ihrer Politik begünstigt werden sollen.
Eine allgemeine Aussage machen Sie - Sie werden sie
sicherlich gleich wiederholen -, indem Sie behaupten,
man müsse bei den konsumtiven Ausgaben mehr sparen
und dafür die Investitionen erhöhen. Doch was sind
- auch manche Wissenschaftler benutzen diesen Begriff
leichthin - „konsumtive Ausgaben“? Was sind konsumtive Ausgaben im Bundeshaushalt? Da ist das Erziehungsgeld, da ist das Wohngeld: Wollen Sie das abschaffen? - Da ist das BaföG: Noch heute Morgen haben Sie
eine weitere Erhöhung gefordert, obwohl wir in dieser
Hinsicht schon eine Menge gemacht haben.
({19})
Das sind konsumtive Ausgaben. - Oder Arbeitslosengeld
oder die Arbeitslosenhilfe: Wollen Sie die abschaffen?
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, an diese Leistungen herangehen wollen, dann sagen
Sie das den Bürgerinnen und Bürgern, damit sie wissen,
woran sie bei Ihnen wirklich sind. Wer mehr sparen will,
der muss genau sagen, wo er sparen will.
({20})
Allgemeine Floskeln helfen nicht weiter. Die Wahrheit ist
immer konkret.
Konsumtiv ist auch der gesamte Bereich der Alterssicherungsleistungen aus dem Bundeshaushalt, also
nicht nur die Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger, sondern zum Beispiel auch die Ausgaben für die Alterssicherung der Landwirte und die Versorgungsleistungen für Beamte, die beim Bund beschäftigt sind. Wenn Sie
an diesen Stellen abbauen wollen, dann sagen Sie das
doch bitte den Rentnern, den Landwirten und den Beamten. Aber auf der einen Seite sozusagen eine neue soziale
Melodie anzustimmen und uns - wie gestern - eine unsoziale Politik vorzuwerfen
({21})
und auf der anderen Seite den Abbau von konsumtiven
Leistungen zu fordern, das geht nicht auf und das lassen
wir Ihnen nicht durchgehen.
({22})
Was Sie hier zum Thema Rente von sich geben, zeigt
Ihre vollkommene Konzeptionslosigkeit und auch eine
mangelnde Abstimmung in der Union. Walter Riester hat
sich monatelang bemüht, Ihnen entgegenzukommen.
({23})
Wie ist Ihre Reaktion? Zunächst waren Sie bereit, die
schwierige, aber dennoch unabdingbare Reform der Alterssicherung mit uns zusammen anzugehen. Herr Merz
bekundet verbal noch immer, dass er dazu bereit ist. In
Wirklichkeit aber wollen Sie aus rein taktischen Erwägungen zusammen mit uns keine Lösung mehr finden,
egal, was Herr Merz uns hier weismachen will.
Interessant ist auch die Art und Weise Ihrer Argumentation. Sie sagen, wir berücksichtigten in der Rentenfrage
zu wenig die Interessen der jungen Generation,
({24})
bei uns stiegen die Beiträge zu stark und die späteren Rentenleistungen für die heutigen jungen Leute seien zu niedrig. Was wollen Sie nun? Wollen Sie noch niedrigere
Beiträge für die Generation der derzeitigen Beitragszahler als von uns vorgesehen? Wenn das Ihre Absicht ist,
dann müssten Sie aufgrund der daraus folgenden geringeren Beitragseinnahmen in den Rentenkassen den heutigen
Rentnern weniger Geld auszahlen. Wenn Sie das wollen,
dann sagen Sie den Rentnern, dass das die Konsequenz
ist. Oder wollen Sie zur Kompensation einen höheren
Bundeszuschuss?
({25})
Nur, wie würde sich das mit der von Ihnen eingeforderten
stärkeren Haushaltskonsolidierung vertragen? Außerdem
wären damit mehr konsumtive Ausgaben verbunden;
diese aber wollen Sie senken.
Des Weiteren werfen Sie uns vor, dass wir das Rentenniveau zu stark absenken. Ein höheres Rentenniveau
verlangt aber logischerweise mehr Einnahmen in den
Rentenkassen. Also sind auch in diesem Fall höhere
Beiträge oder ein höherer Bundeszuschuss notwendig,
was Sie wiederum ablehnen. Man sieht also: Auch in dieser Argumentation steckt nichts als Konzeptionslosigkeit
und Widersprüchlichkeit.
({26})
Das bisher Gesagte beweist: Sie versuchen bei jeder
Gelegenheit, die wahren Sachverhalte zu verschleiern.
Vor allem CDU und CSU setzen so darauf, dass es ihnen
gelingt, von ihrer konzeptionellen, aber auch personellen
Schwäche abzulenken. Den Grad an Realitätsferne, den
Sie mittlerweile erreicht haben, zeigt übrigens auch die
Tatsache, dass Sie gegen die grundlegende Wahrnehmung
der Bürgerinnen und Bürger anreden. Gerade der Bundesfinanzminister Hans Eichel steht bei den Bürgerinnen
und Bürgern, und zwar zu Recht, für den Erfolg der Bundesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Unsere Haushalts- und Finanzpolitik steht für Solidität,
für Verlässlichkeit und für Zukunftsorientierung.
({27})
Wir konsolidieren den Haushalt Schritt für Schritt und
Jahr für Jahr. Aber gleichzeitig lassen wir die Menschen
nicht allein. Wir verbessern die soziale Situation für viele.
Wir haben in den letzten beiden Jahren viel zur Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland
getan, meine Damen und Herren. Vielleicht haben wir einen Fehler gemacht: Wir haben zu wenig darüber geredet.
Aber diesen Fehler werden wir noch korrigieren.
({28})
- Etwas für die soziale Gerechtigkeit zu tun ist etwas anderes als die Sozialdemagogie, die von der PDS kommt um das zur Unterscheidung auch einmal klarzumachen.
({29})
Wir müssen in diesem Parlament einmal für programmatische und inhaltliche Schärfe sorgen, damit den Bürgern
die Unterschiede wirklich klar werden zwischen verantwortungsbewusster Politik, die gleichzeitig sozialgerecht
ist, und hemmungslosem Populismus, wie wir ihn hier
von rechts und von links erleben.
({30})
Deswegen sagen wir, dass konsumtive Ausgaben im
Haushalt nach wie vor ihre Berechtigung haben. Außerdem sind wir sehr wohl der Meinung, dass gerade in Zeiten, in denen dauerhafte Arbeitsplätze immer seltener
werden und berufliche Perspektiven für jeden Einzelnen
immer schwieriger zu planen sind, eine verlässliche finanzielle Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit
unbedingt vonnöten ist. Arbeitsmarktausgaben, seien sie
passiv oder aktiv, müssen - das ist die Grundaussage auch weiterhin auf hohem Niveau erhalten bleiben,
({31})
auch wenn, so füge ich hinzu, beständig überlegt werden
muss - und das machen wir -, ob man ihren Einsatz nicht
effizienter und zielführender gestalten kann. Aber beides
steht nicht im Gegensatz zueinander.
({32})
Es ist natürlich richtig, dass die Struktur des Bundeshaushalts noch mehr in Richtung Zukunftsgestaltung verbessert werden muss. Aber auch das geht ja seriöserweise
nur schrittweise; denn der entscheidende Zusammenhang
heißt hier:
({33})
mit den Zinsausgaben herunter, mit den Investitionen
herauf! So haben wir es mit den UMTS-Versteigerungserlösen gemacht: 5 Milliarden DM Zinsersparnisse aufgrund von Schuldentilgung haben wir zu 5 Milliarden DM
zusätzlichen Zukunftsinvestitionen gemacht. Das ist unser Konzept auch für die zukünftige Haushaltspolitik.
({34})
Herr Rauen sprach am Dienstag von einem gewaltigen
Investitionsstau in Deutschland. Wer hat denn hier
16 Jahre lang regiert? Wer hat denn die offensichtlichen
Infrastrukturprobleme - nicht nur bei der Bahn - zu verantworten? Verkehrswege, Bauten und Kanäle verfallen
doch nicht von heute auf morgen; sie können allerdings
auch nicht von heute auf morgen wieder saniert bzw. aufgebaut werden.
({35})
Für diese Bewältigung der Erbschaft brauchen wir leider
noch mehrere Legislaturperioden. Das ist die Wahrheit,
meine Damen und Herren, und das werden wir den Bürgern auch in aller Deutlichkeit vermitteln. Was Ihre Erbschaft wirklich bedeutet und dass das nicht über Nacht bewältigt werden kann, ist eigentlich noch gar nicht ins
Bewusstsein gedrungen.
Eine weitere Behauptung, die genauso falsch ist, ist
in dieser Woche wiederholt worden: Wir würden die Bürger in Wirklichkeit steuerlich gar nicht entlasten. Aber
selbst Herr Rauen musste zugeben, dass, wenn jemand
5 500 DM brutto verdient, er im nächsten Jahr um
1 026 DM entlastet wird. Dann sagt Herr Rauen - das geht
nun wirklich nicht -: Die Menschen haben von diesen
Entlastungen nichts, weil das Geld durch die Folgen des
Energiepreisanstiegs aufgezehrt werde.
({36})
Es ist möglich, dass es diese Fälle gibt. Aber geht der Energiepreisanstieg auf politische Maßnahmen zurück? Der
Energiepreisanstieg geht doch - entgegen den Behauptungen bei der Bauern- und Dummenfängerei, die Sie betreiben - zum allergrößten Teil auf die Erdölproduzenten
und Erdölhändler zurück. Inzwischen wissen die Bürgerinnen und Bürger das auch - trotz der Kampagne, die Sie
heute wieder gestartet haben. Deswegen werden Ihre Antiökosteuerkampagnen Sie keinen Schritt weiterbringen;
denn trotz Ökosteuer wird sich die Abgaben- und Steuerquote in den nächsten Jahren verringern. Gleiches gilt
auch für die Staatsquote.
({37})
Das gilt im Übrigen gerade für den Mittelstand, denn von
den über 90 Milliarden DM Steuerentlastung profitiert der
Mittelstand mit 30 Milliarden DM. Die Großunternehmen
werden mit 2 Milliarden DM sogar leicht belastet. Wir haben etwas geändert, was die Bürger über Jahre geärgert
hat und was Sie, insbesondere die F.D.P., durch Klientelpolitik herbeigeführt haben, nämlich dass sich Millionäre
arm rechnen konnten. Jetzt können sie das nicht mehr.
({38})
Auch mit dieser groben Ungerechtigkeit haben wir
Schluss gemacht.
Im Übrigen muss man sich von der Vorstellung lösen,
ein Mittelständler unterliege in der Regel dem Einkommensteuerspitzensatz. Alle empirischen Untersuchungen
zeigen, dass sich der Mittelstand überwiegend nicht aus
überdurchschnittlichen Verdienern zusammensetzt. Von
den rund 3 Millionen Unternehmen in diesem Lande weisen rund 1,7 Millionen Unternehmen einen Gewinn von
unter 50 000 DM aus. Das heißt, insbesondere sie profitieren von unserer Erhöhung des Grundfreibetrages um
2 000 DM und von der Senkung des Eingangssteuersatzes
um 10 Prozent. Diejenigen, die oberhalb dieses Bereichs
liegen, profitieren von der pauschalierten Anrechnung der
Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld. Damit
haben wir etwas gemacht, was vom gewerblichen Mittelstand seit Jahrzehnten gefordert wurde.
Deswegen kann ich hier zum Abschluss voller Überzeugung sagen: Wir verantworten eine Politik, von der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien mit Kindern und der Mittelstand wirklich profitiert haben.
({39})
Im nächsten Jahr wird das noch sichtbarer werden als in
der Vergangenheit.
Danke schön.
({40})
Für die
F.D.P.-Fraktion spricht der Kollege Dr. Günter Rexrodt.
({0})
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist guter Brauch, zu Beginn der
Schlussrunde zunächst einmal den Mitarbeitern des
Haushaltsausschusses sowie den Mitarbeitern der Abgeordneten, der Ministerien und des Bundesrechnungshofs
für die Arbeit, die sie in den letzten Wochen geleistet haben, zu danken.
({0})
Ich bin immer fasziniert, was insbesondere im Haushaltsausschuss geleistet wird. Ich ersticke oft in der Fülle
des Papiers. Ich komme damit nicht klar und beneide immer den Ausschussvorsitzenden, der die Papiere so wohl
geordnet hat. Ich bin da fast immer im Chaos, aber das ist
Ihnen zu verdanken.
({1})
Herr Poß, Sie haben eben vorgetragen, Sie wollten, um
den Bürgern die Dinge einmal vor Augen zu führen, ein
Stück Schärfe in die Diskussion bringen. Ich frage mich,
nachdem ich Ihren Beitrag gehört habe, ob die Schärfe im
Tonfall in Übereinstimmung mit der Schärfe des Arguments steht.
({2})
Darüber lasse ich die Bürger draußen ihr Urteil fällen,
Herr Poß.
In der Schlussrunde möchte ich feststellen: Der Kurs
der Schuldenabbaupolitik ist richtig.
({3})
Deutschland befindet sich damit im Geleitzug der großen
Industriestaaten. Es ist dem Finanzminister zugute zu halten, dass er die enormen Einnahmezuwächse - Herr Poß,
dazu gehören natürlich auch die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Linzenzen - nicht benutzt, um die Begehrlichkeiten der Ressorts zu bedienen, sondern dass damit die Schulden abgebaut werden.
({4})
Das ist eine Politik, die wir unterstützen.
Allerdings halte ich es für neben der Sache liegend,
diesen Haushalt 2001 als einen Sparhaushalt zu bezeichnen. Die Ausgabenseite wurde nicht konsolidiert. Herr
Lafontaine hatte im Jahre 1999 den Haushalt gegenüber
dem des Vorjahres um 20 Milliarden DM aufgeblasen.
Nun davon einige wenige Milliarden zurückzuführen, um
dann ab 2002 wieder kräftig draufzusatteln, hat mit einem
Sparkurs nichts zu tun. Sie haben Ihre Schularbeiten nicht
gemacht.
({5})
Die rot-grüne Koalition hat sich in dieser Haushaltsdebatte bemüht, sich das Mäntelchen des Reformers umzuhängen. Ich kann das aus verschiedenen Gründen nicht
akzeptieren.
Zunächst einmal hat es Herr Eichel in dieser Debatte
- ich erinnere mich an seine Rede am Dienstag - fertig gebracht, die Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts im
Deutschland der 90er-Jahre den heutigen Wachstumsraten
gegenüberzustellen. Er hat das auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt getan: Die positiven Abweichungen, die es da
gebe, seien natürlich ein Verdienst der rot-grünen Koalition gewesen.
Faktum ist - das sollten die Menschen wissen -, dass
die Konjunkturdaten in den 90er-Jahren in allen europäischen Ländern schlechter waren als heute. Über die
Gründe dafür haben wir oft genug diskutiert. Die konjunkturelle Wende, die zu deutlichen Wachstumssteigerungen und zu positiven Folgen in Bezug auf das Bruttosozialprodukt geführt hat, und die Wende auf dem
Arbeitsmarkt wurden 1998 herbeigeführt. Das hat Kollege Eichel einfach unterschlagen.
({6})
Faktum ist, dass Deutschland heute im Hinblick auf
den Wachstumsprozess, obwohl die Wachstumsraten, absolut gesehen, höher sind, im europäischen Vergleich zusammen mit Italien das Schlusslicht in Europa darstellt.
({7})
Auch das wurde einfach vergessen. Das sollten die Menschen aber wissen. Man kann in diesem Zusammenhang
nicht mit absoluten Zahlen arbeiten; das ist irreführend
und unredlich.
({8})
Meine Damen und Herren, die Koalition spricht von einer Auflösung des Reformstaus. Tatsache ist, dass RotGrün damals in der Oppositionsrolle alle wichtigen Reformen bekämpft und die wichtigste von ihnen, die
Reform des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts, verhindert hat. Ich gestehe Ihnen ausdrücklich
zu - denn ich will eine faire Rede halten -, dass es nunmehr bei den direkten Steuern zu einer Reform gekommen ist. Die ist zwar weniger mittelstandsfreundlich als
notwendig und geht am Ziel der Steuervereinfachung vorbei. Aber sie führt zu einer Entlastung und gibt der Wirtschaft Impulse. Dort wird sie auch positiv aufgenommen.
Das ist Ihr Verdienst; das sage ich hier ganz klar.
({9})
Wenn ich mir Ihre anderen Reformvorhaben ansehe
- Herr Poß, meine Damen und Herren von der Koalition,
Sie sagen doch, Sie hätten den Reformstau aufgelöst -,
stelle ich bei den Steuern als dem ersten Bereich fest: Die
von Ihnen eingeführte unselige Ökosteuer ist vom Ansatz
her verfehlt. Dies hat verheerende Folgen gerade für die
Bezieher kleiner Einkommen und für den Mittelstand.
Das wird Ihr Waterloo werden; das habe ich hier schon
einmal gesagt; ich wiederhole das.
Die Rentenreform - das ist der zweite Bereich - ist
zum Dauerärgernis geworden. Begonnen hatten Sie damit, eine Komponente der Leistungskorrektur abzuschaffen, die Sie jetzt mit einer anderen Überschrift wieder einführen müssen. Ihr Reformentwurf ist noch immer zu
kompliziert und an vielen entscheidenden Stellen unzulänglich, insbesondere dann, wenn es darum geht, die
private Altersvorsorge zu fördern. Ganz wichtige Bereiche werden aus der Förderung herausgenommen. Diese
Reform ist im Ansatz verfehlt.
Der dritte Bereich ist die Gesundheitsreform. So wie
es aussieht, wird sie gegen die Wand gefahren. Das Konzept stimmt nicht; alle Beteiligten verweigern sich.
Im vierten Bereich, im Arbeitsrecht, einem der großen
Reformbereiche, gibt es eine Kette von Ungereimtheiten
und Ärgernissen. Das beginnt mit dem 630-Mark-Gesetz
sowie mit dem verunglückten Gesetz zur Scheinselbstständigkeit und endet beim Gesetz zur Teilzeitarbeit und
zu befristeten Arbeitsverhältnissen.
({10})
Teilzeit wird dadurch eher verhindert. Denn Ihr diesbezügliches Gesetz ist kompliziert, ellenlang, kaum verständlich sowie mit Ausnahmeregelungen und unbestimmten Rechtsbegriffen gespickt, wie das für
überhaupt alles gilt, was aus dem Bereich Riester kommt.
Es ist kaum lesbar, kaum verständlich und kaum anwendbar. Fragen Sie doch einmal die Arbeitsrichter, wie sie
dieses Vorhaben beurteilen.
Ein weiterer Bereich ist die Energiepolitik - dabei
lasse ich die 30-jährige Garantie für den Betrieb von
Kernkraftwerken außen vor -: Durch falsche Fördersysteme und falsche Fördersätze bei den erneuerbaren Energien sowie beim ungebremsten Ausbau der Kraft-WärmeKopplung werden sage und schreibe 40 Prozent des
gerade einmal liberalisierten Marktes rereguliert, also
wieder in die Regulierung zurückgeführt. Die Kraftwerkswirtschaft fasst sich an den Kopf. Die Verbraucher
werden das bezahlen müssen.
({11})
Ist das eine gelungene Reformpolitik, meine Damen und
Herren? - Das ist das Gegenteil!
Ich möchte auch auf das Justizministerium, das ansonsten gar nicht so sehr im Mittelpunkt steht, zu sprechen
kommen: Die Justizministerin will das Mietrecht am
Markt vorbei reformieren. Sie verfolgt die Reform des
Zivilprozessrechts in einer Weise, dass die beteiligten
Kreise das überhaupt nicht mehr nachvollziehen können.
({12})
Es hat noch nie so viel Ärger über ein Justizressort
gegeben, wie das gegenwärtig der Fall ist, und zwar aus
unterschiedlichen Gründen.
({13})
Frau Däubler-Gmelin geht in einer fast sektiererischen
Weise vor. Unsere schwäbischen Mitbürger haben ja viele
gute Eigenschaften aber man sagt ihnen nach, es gebe
unter ihnen zuweilen ein Sektierertum. Was die Justizministerin tut, ist sektiererisch.
({14})
Ich will jetzt nicht auf die Bundeswehr eingehen, bei
der Notoperationen gesucht werden, um die Reform
durchzuführen, die wir alle wollen, und vieles andere
mehr. Stattdessen will ich noch ein paar Bemerkungen zu
einigen Kuriositäten der Etatpolitik im Detail machen.
Ich beginne mit der Subventionierung der Steinkohle.
Sie, Herr Kollege Wagner, haben uns jahrelang den Vorwurf gemacht, wir würden bestehende Verträge nicht einhalten. Dabei war gar nichts anderes passiert, als dass wir
die Modalitäten der Zahlungen von öffentlicher Seite an
die Unternehmen mit deren Liquiditätsbedarf in Einklang
gebracht haben, und zwar immer im Einvernehmen mit
den Unternehmen.
Damals wurde gesagt, das sei Wortbruch. Der Kollege
Wagner ist, wenn er darüber gesprochen hat, immer nahezu kollabiert, und der Kollege Urbaniak hat regelmäßig
Tränen vor Rührung und Entsetzen in den Augen gehabt.
({15})
Heute machen Sie nichts anderes - frank, fröhlich, frei -,
aber heute ist das die hohe Kunst der Finanzpolitik. Es ist
nichts anderes als bei uns. Was haben wir hier für Debatten geführt!
({16})
Jetzt möchte ich, allerdings nur kurz, die EXPO ansprechen.
({17})
- Ich stehe zur EXPO, ich fand sie gut. Aber sie wurde von
vielen, auch aus Ihren Reihen, kaputtgeredet.
({18})
Darum geht es hier jetzt aber nicht. Ich will wissen, wer
die Defizite trägt.
({19})
Bund und Niedersachsen jeweils zur Hälfte, wie vereinbart, oder gibt es aus nahe liegenden Gründen Tricksereien zugunsten des Landes Niedersachsen? Das darf
nicht sein. Das hat mit dem Inhalt der EXPO nichts zu tun.
({20})
Ein Wort zur Studienförderung: Was sind die Fakten?
Sie haben die Höchstsätze beim BAföG von 1 030 DM auf
1 100 DM erhöht. Daneben führen Sie eine Rückzahlungsgrenze in Höhe von 20 000 DM ein. Darüber kann
man reden, aber eine richtungsweisende Reform ist das
nicht.
({21})
Schauen Sie sich unser BAföG-Modell an; wir wollen
eine strukturelle Veränderung, eine elternunabhängige
Förderung. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden, deshalb haben wir einen entsprechenden Antrag
gestellt.
({22})
Sie haben viel zu wenig gemacht und Sie haben es
nicht richtig gemacht, wie immer.
({23})
Denn Sie meinen, Sie seien im Besitz der absoluten
Wahrheit. Sie wollen Volksbeglückung, aber nicht an die
wirklichen Wurzeln herangehen.
Ich habe leider aus Zeitgründen nicht mehr die Möglichkeit, auf die Bahnreform einzugehen. Wenn Sie da
nicht umschalten, wird das Ganze ein Fass ohne Boden.
Ich sage das alles nur mit Blick darauf, dass trotz einer
guten Grundausrichtung der Haushalts- und Finanzpolitik
bezüglich des Schuldenabbaus die eigentlichen Probleme
auf der Ausgabenseite nicht angepackt werden. Hier wird
nur herumgedoktert und herumgeschustert, aber es gibt
kein wirkliches Konzept. Deutschland wird in schwerer
Zeit, wenn die Einnahmenzuwächse bei einer schwachen
Konjunktur und weniger Privatisierungserlösen geringer
ausfallen, keine Reserven haben. Sie haben noch nicht gelernt, mit dem Haushalt angemessen umzugehen.
({24})
Herr Kollege Rexrodt, kommen Sie bitte zum Schluss.
Der Haushalt ist auf der
einen Seite gut, auf der anderen Seite aber ist er kein Highlight, er ist eher Magerkost. Wir werden Sie daran messen,
ob Sie die Ausgabenseite gestalten können. Noch gibt es
dafür keine Anzeichen.
({0})
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin
Antje Hermenau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit
meiner eigentlichen Rede beginne, möchte ich vor allen
Dingen den Mitarbeitern des Haushaltsausschusssekretariats danken, die bis spät in die Nacht hinein alle Papiere
vervielfältigt, sortiert und weggeräumt haben.
({0})
Für all diejenigen, die nicht wissen, wer das ist, sage ich:
Das sind die Leute, die bescheiden ganz hinten in der letzten Reihe Platz genommen haben. Das sind die wahren
Helden der Nachtschicht.
({1})
Herr Rexrodt, Sie haben gerade ein Beispiel dafür gegeben, dass auch eine ruhig vorgetragene Rede nichts
Wahres enthalten muss. Ich denke daran, wie Sie versucht
haben, durch Wiederholungen etwas als wahr darzustellen, was nicht wahr ist.
Sehen wir uns einmal an, was im Jahre 1999 wirklich
passiert ist, als eine Notbremsung gemacht werden musste,
weil es zu einem Budgetaufwuchs kam. Sie wissen,
warum es dazu gekommen ist. Die Postunterstützungskassen waren nicht ordentlich eingestellt. Es gab eine
Ökosteuerreform, die für die Rentenkassen einen Durchlaufposten geschaffen hat, aber keine Ausgabenvermehrung bedeutete. Wir haben den Bundeszuschuss an
die Bundesanstalt für Arbeit ordentlich und solide eingestellt. Auch die Zuweisungen an die Länder Bremen und
Saarland haben wir solide eingestellt. Ebenso haben wir
die Gewährleistungen korrigiert. Darüber müssten Sie als
Ex-Wirtschaftsminister eigentlich Bescheid wissen. Es
ging zum Beispiel um das Russland-Geschäft, um das es
damals sehr schlecht stand.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für nicht angemessen, hier zu behaupten, wir hätten einen Ausgabenaufwuchs produziert, den wir jetzt mit Mühe zurücknehmen müssten.
({2})
Der Haushalt für das Jahr 2001, über den wir jetzt reden, ist der erste wirklich rot-grüne Haushalt, der die eigene Handschrift deutlich erkennen lässt, und zwar in vielen systematischen Fragen und nicht nur bei den
Ausgaben und Kürzungen. In seiner ganzen Substanz ist
er qualitativ und quantitativ der erste rot-grüne Haushalt.
An ihm lassen wir uns gerne messen. Ich habe überhaupt
kein Problem damit, dass Sie versuchen, ihn als Maßstab
unseres Handelns zu sehen. Der Haushalt ist eine Grundlage, an der wir uns gerne messen lassen.
Schauen wir einmal auf die harten Beurteilungskriteren, zunächst auf die Nettokreditaufnahme. Sie ist im
Vergleich zum Regierungsentwurf noch einmal abgesenkt
worden. Wir wollten - das haben wir bei den Haushaltsberatungen gesagt - unter die 45-Milliarden-DM-Grenze
kommen. Das haben wir souverän geschafft. Ich bin inzwischen gar nicht mehr so sicher, ob der Herr Finanzminister Eichel nicht auf die Idee kommen wird, im Haushaltsvollzug die von uns vorgegebene Grenze der
Nettokreditaufnahme noch ein wenig zu unterbieten.
({3})
Ich habe ihn in „Verdacht“, dass er versuchen wird, dies
als einen sportlichen Wettkampf aufzufassen.
Wenn man sich einmal anschaut, was die mittelfristige
waigelsche Finanzplanung bei der Nettokreditaufnahme
für 2001 vorgesehen hätte, stellen wir fest, dass wir bei
53 Milliarden DM lägen. Wir liegen bei 43 Milliarden DM, also 10 Milliarden DM weniger.
({4})
Ein zweites hartes Beurteilungskriterium - ein wirklicher Eckpfeiler für jeden soliden Haushalt - ist die Investitionsquote. Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, sie
noch höher zu setzen; das bestreitet in diesem Hause kein
Mensch. Der Punkt ist eher der, dass man es in den Haushaltsberatungen geschafft hat, die Investitionen fast wieder auf 60 Milliarden DM anzuheben. Obwohl wir sparen
müssen, haben wir es geschafft, eine solide Investitionsquote vorzulegen, die mitnichten unter dem Durchschnitt der Vorjahre liegt. Ich bin der Auffassung, dass es
gelungen ist, sowohl zu sparen als auch zu gestalten. Die
ganze Sache hat Augenmaß. Es gibt hier keinen Grund
zum Poltern.
({5})
Schauen Sie sich das Gesamtvolumen des Haushaltes
an. Auch dabei haben die Haushälter insgesamt noch einmal gespart, circa 1,4 Milliarden DM.
Sie finden hier die drei Eckpfeiler eines soliden Haushaltes: eine abgesenkte Nettoneuverschuldung, eine
höhere Investitionsquote und ein abgesenktes Ausgabevolumen. Ich sehe überhaupt nicht, wofür wir uns schämen
müssten.
({6})
Dieser Haushalt ist einer der ersten, der wirklich berechenbar ist. In die Haushaltspolitik der Bundesrepublik
Deutschland ist Berechenbarkeit eingezogen. Ich erinnere mich noch an das Jahr 1997 und an die Positionen unter dem damaligen Finanzminister Waigel. Ich weiß noch,
wie damals die Ist-Ausgaben, die er für das Jahr 1997 vorgesehen hatte, dramatisch gesunken sind, während die
Nettoneuverschuldung, die er vornehmen musste, dramatisch nach oben gegangen ist. Woran lag das? Ihre eigene
Steuerbasis ist erodiert; die Steuereinnahmen sind Ihnen
weggebrochen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Haushalts- und Finanzpolitik damals nicht berechenbar und solide gestaltet war. Der Haushalt, über den wir jetzt reden,
ist solide und berechenbar. Weil er sauber und solide veranschlagt ist, gehe ich davon aus, dass die Ist-Zahlen dem
entsprechen, was wir als Soll formuliert haben. Das halte
ich für einen großen Erfolg.
Schauen wir uns noch ein paar der Punkte an, um die
es in diesem Haushalt geht. Es geht zum Beispiel um die
Rentenfinanzierung. Für die Rente sind Mehrausgaben
von 22 Milliarden DM vorgesehen, die von Bundesseite
geschultert werden müssen. Sie sind mit der Ökosteuer
solide gegenfinanziert. Darüber gibt es eine große Diskussion - das kann man schon so sagen -, aber haushaltstechnisch ist das vollkommen solide.
Sehen wir uns einmal an, was nach dem Blüm-Modell
passiert wäre. Vergleichen wir einmal, wo die Bundesrepublik Deutschland stünde, wenn noch immer Herr
Waigel in jeder Haushaltsdebatte die falschen Zahlen mit
seiner dröhnenden Stimme überdecken würde. Wir hätten
nach dem Blüm-Modell und dem Waigel-Ansatz einen
Rentenversicherungsbeitrag von 20,4 Prozent. Das muss
man einmal klar sagen. Bei einem Durchschnittseinkommen in Höhe von 4 500 DM pro Monat würde das bedeuten, dass die Leute alleine wegen der Rentenversicherungsbeiträge im Jahr circa 380 DM weniger hätten.
Sehen Sie sich einmal an, was noch hätte passieren
müssen. Sie hätten damals die Mehrwertsteuer um mindestens 1,5 Prozent anheben müssen, um den Beitragssatz
für die Rentenversicherung unter 20 Prozent zu halten.
Dies hätte alles über unserem Haupt geschwebt. Diese
Debatte hätte ich hören mögen!
Sehen wir uns die Ausgaben für den Arbeitsmarkt an.
Wir haben in der Diskussion versucht, diese besonders zu
bewerten. Es war nicht einfach, mit einer Volkspartei wie
der SPD mit ihrem entsprechenden Profil bezüglich des
Arbeitsmarktes auf der einen Seite Sparmaßnahmen
durchzusetzen und auf der anderen Seite eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu gestalten. Die SPD hat einen Großteil der anfänglichen Entrüstung und des Unverständnisses in der Bevölkerung beigelegt. Das ist unserem großen
Koalitionspartner hoch anzurechen; dies muss man einmal so deutlich sagen.
({7})
Ich bin inzwischen der Auffassung, dass es gelungen
ist, dass die Koalition trotz dieser wirklich harten Zeit
jetzt gut dasteht. Es ist uns gelungen, glaubhaft zu machen, dass wir nicht vorhaben, die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik zu reduzieren, nur um den Haushalt zu
konsolidieren. Es ist möglich gewesen, solider und gründlicher zu berechnen. Das halte ich für einen großen Fortschritt. Dies hat auch viel mit dem Auf-sich-Nehmen von
schwierigen politischen Debatten zu tun. Dies haben wir
gemacht.
Sehen wir uns zum Beispiel den Wehretat an. Vielleicht bin ich als Frau oder vielleicht auch als Grüne - das
kann alles sein - prinzipiell anderer Auffassung. Ich fand
es schon amüsant, wie sich die Männer hier um die Flugzeuge, Panzer und Hubschrauber gekloppt haben. Es war
geradezu wie Weihnachten.
({8})
Ich bin der Meinung, dass man dann, wenn man einen
Haushalt langfristig konsolidieren will, den Bereich mit
den dritthöchsten Ausgaben nicht ausnehmen kann, egal
wie hübsch die Hubschrauber aussehen.
({9})
Es kann nicht sein, dass wir bei den Sozialausgaben
sparen, dass wir versuchen, die Zinszahlungen zu reduzieren, aber den Wehretat nicht antasten. Das ist nicht
möglich.
Sehen wir uns einmal die gestalterischen Potenziale
dieses Haushaltes an. Wir haben eine Reihe von - das sage
ich jetzt als Grüne - ökologischen Investitionen auf den
Weg gebracht, die auch langfristig wirken werden und
unseren Anspruch an eine nachhaltige Finanz- und auch
Verkehrspolitik erfüllen werden. Ich denke hierbei an die
2 Milliarden DM für die Schienensanierung im Eisenbahnnetz, an die 400 Millionen DM für die Altbausanierung, an die zusätzlichen 100 Millionen DM bei Energieforschungsmitteln und auch an die zusätzlichen 100 Millionen DM für das Markteinführungsprogramm für regenerative Energien. Das sind ökologische Investitionen in
die Zukunft. Ich glaube, dass man sich damit nicht nur sehen lassen kann, sondern dass wir darauf auch stolz sein
können.
({10})
Langsam zeichnet es sich ab: Sparen macht durchaus
Sinn. Wir bekommen langsam ein Gefühl für Gestaltungsspielräume, die sich für die Bundesrepublik Deutschland
für die Zukunft und hier insbesondere für die nachfolgenden Generationen auftun. Das heißt nicht, dass wir mit
dem Sparen aufhören können. Nicht, dass jetzt irgendjemand der Meinung ist, es werde alles ganz leicht. Das wird
es nicht sein.
Wir hatten ja in diesem Jahr - Herr Roth, hier gebe ich
Ihnen durchaus Recht - etwas günstigere Umstände aufgrund der durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen erzielten Erlöse; das ist einfach so. Man muss sich aber nicht
neidisch daneben stellen und sagen: Wenn ihr diese nicht
gehabt hättet, hättet ihr nichts auf den Weg gebracht. Entscheidend ist doch, ob man das wie wir mit Augenmaß
behandelt. Wir haben nicht das Füllhorn ausgeschüttet,
sondern haben wieder an die Zukunft gedacht und Schulden getilgt.
({11})
Außerdem ist es uns gelungen, parallel eine Reihe von
notwendigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Ich halte
das für eine sehr gehaltvolle, mit Augenmaß vollzogene
Maßnahme. Hier gibt es überhaupt nichts zu poltern.
Ich erinnere mich, dass die CDU/CSU gar nicht wusste, was sie eigentlich mit dem erzielten Geld machen will.
Die Liste derjenigen, die sich dazu geäußert haben,
reichte von Austermann bis Merz. Der eine sprach davon,
dass man das Geld nehmen solle, um die Ausgaben zu erhöhen; hier war von Sparpolitik keine Rede mehr. Der andere sprach davon, dass man auch noch die Zinserlöse in
die Tilgung stecken solle. Da herrschte eine ziemliche
Konfusion. Es gab in der CDU/CSU keinen einheitlichen
Kurs, während die Koalition von Anfang an wusste, was
zu tun ist.
({12})
Es gab eine klare Linie. Es galt, die Schulden zu tilgen.
Das haben wir gemacht. 100 Milliarden DM sind in die
Tilgung geflossen. Durch die Zinsersparnisse haben wir
jetzt einen gewissen Gestaltungsspielraum bei den Investitionen. Ich halte das für eine sehr vernünftige Operation.
({13})
In dieser Haushaltsberatung ist aufgefallen, dass sowohl die F.D.P. als auch die PDS entschieden differenzierter als die große Oppositionsfraktion der CDU/CSU
zu einer ganzen Reihe von Einzelplänen und auch in der
Generaldebatte Stellung genommen haben. Dies muss
man einmal konstatieren. Das heißt, ganz so schlimm und
verrucht kann der Haushalt nicht sein, sonst wäre eine differenzierte Stellungnahme nicht möglich.
Gehen wir einmal auf die undifferenzierten Vorwürfe
ein, die hier gemacht wurden. Dauernd wird gesagt, wir
würden nicht richtig sparen.
({14})
Ich sagte eben schon: Wenn Herr Waigel noch am Ruder
wäre, wäre nach seiner Finanzplanung die Nettoneuverschuldung um 10 Milliarden DM höher; um das einmal
klar zu sagen.
Ich erinnere mich, dass das Jahr 1996 als Vergleich vorgebracht worden ist. Es wurde gesagt, da habe man unter der
CDU/CSU-geführten Koalition sehr deutlich eingespart. Es
ging um 20 Milliarden DM. Das war ein Umbuchungstrick. Auf der Ausgabenseite wurde eine Steuermindereinnahme formuliert, und dann sah es so aus, als ob die
Ausgaben gesunken wären. Das hat mit Sparen aber überhaupt nichts zu tun; Geld wurde nicht eingespart. Mit solchen Vergleichen, wie Sie sie hier bemüht haben, haben
Sie bewiesen, dass Sie die Hoheit auf dem Feld der Finanz- und Steuerpolitik eindeutig verloren haben.
({15})
Sie haben auch noch einmal die Investitionsquote
bemüht, deren Niveau Ihnen zu niedrig sei. Ich habe hier
frank und frei zugegeben, dass man sich auch eine höhere
wünschen könnte. Man kann halt nicht alles auf einmal
machen; das muss man mit Ruhe ertragen können. Aber
nach Waigels mittelfristiger Finanzplanung läge die Investitionsquote jetzt bei 11,8 Prozent, während wir 12,2 Prozent bereitgestellt haben. Ich denke, wir können Ihre Kritik in Ruhe wegstecken.
Ich glaube, dass Sie, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU, in der Opposition angekommen sind. Man
muss sich nur Ihre Änderungsanträge ansehen. Sie haben
in der Generaldebatte ständig darauf hingewiesen, dass
man mehr sparen müsse, und dann kommen Sie in den
Debatten über die Einzeletats mit ganz vielen nicht ordentlich gegenfinanzierten Änderungsanträgen, die Mehrausgaben in Höhe von circa 8 Milliarden DM bedeuten
würden. Wenn Sie mich fragen, ist das ein undifferenziertes Vorgehen, das keine Systematik erkennen lässt. Dazu
sage ich Ihnen: Gratulation, Sie sind in den Anfangsgründen der Opposition angekommen.
({16})
Es wurde darauf rekurriert - das finde ich gar nicht so
falsch -, dass die Dinge unter Stoltenberg vielleicht anders gelaufen wären - anders als unter Waigel bestimmt.
Ich erinnere mich, dass wir schon einmal eine Debatte
darüber geführt haben, welche Verdienste sich der eheAntje Hermenau
malige Finanzminister Stoltenberg erworben hat. Es fällt
mir nicht schwer zu sagen, dass ich denke: Er war damals
ein recht guter Finanzminister; das ist überhaupt kein Problem.
({17})
Ich glaube auch, dass er den Weg in die deutsche Einheit
entschieden solider finanziert hätte, als es der nachfolgende Finanzminister Waigel getan hat. Davon bin ich
überzeugt, und das kann ich Ihnen auch gern einmal darlegen.
Als im Frühjahr 1989 der Wechsel von Stoltenberg auf
Waigel erfolgte, war die Wende in der Deutschen Demokratischen Republik noch nicht klar absehbar. Trotzdem
begann mit dem Erarbeiten des Haushaltsentwurfs für das
Folgejahr ein starker Aufwuchs bei der Nettoneuverschuldung. Das heißt, die Finanzpolitik wurde bereits im
Frühjahr 1989, ein halbes Jahr vor der Wende und der
deutschen Einheit, von Kohl und Waigel verändert: hin zu
mehr Schulden und mehr Ausgaben. Das hatte etwas damit zu tun, dass man fürchtete, die Bundestagswahl zu
verlieren. Vor diesem Hintergrund sich ständig mit der
deutschen Einheit herausreden zu wollen, das fällt mir nur
noch auf die Nerven.
({18})
Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie, wenn Sie
sich selber für sehr gute Finanz- und Haushaltspolitiker
halten, dem Haushalt für das Jahr 2001 nicht zustimmen
wollen. Das bleibt für mich unverständlich. Ich habe der
Debatte in dieser Woche mit einiger Fassungslosigkeit
zuhören müssen. Vielleicht wird im Laufe der Jahre das
Diskussionsniveau der CDU/CSU-Fraktion differenzierter.
Ich danke Ihnen.
({19})
Ich gebe das
Wort der Kollegin Dr. Christa Luft für die Fraktion der
PDS.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser einwöchigen Redeschlacht möchte man eigentlich mit Goethes Faust ausrufen: „Hier steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als
wie zuvor.“
({0})
Wenn ich resümiere, dann stelle ich fest, dass in dieser
Woche seit Dienstag Behauptungen hin- und hergeschleudert worden sind; es gab eine Art Pingpongspiel.
Ich vermisse Nachdenklichkeit, Erkenntnisgewinn und
irgendeine Veränderung an diesem Haushalt, die wir vielleicht im Laufe dieser Woche noch zustande gebracht hätten. Daher werden wir ihm in seiner Gänze auch nicht zustimmen - aber nicht, Herr Kollege Poß - er ist wohl im
Moment nicht im Saal -, wegen einer vermeintlichen Sozialdemagogie, die Sie bei der PDS glaubten orten zu
müssen. Ich kann Ihnen nur raten: Fügen Sie dem verbalen Missgriff von Herrn Merz jetzt nicht einen neuen
hinzu!
({1})
Das Niederschmetterndste für all jene, die - wenn sie
denn durchgehalten haben - die ganze Debatte verfolgt
haben, war aber wohl, dass CDU/CSU und F.D.P., wären
sie heute an der Regierung, vermutlich vieles von dem,
was die neue Koalition gemacht hat, auch gemacht hätten.
Die SPD und die Bündnisgrünen hätten das, was sie heute
als Regierungsfraktionen mit Inbrunst verteidigen, zu
ihren Oppositionszeiten gewiss mit scharfem Protest
zurückgewiesen und als Sozialraub bezeichnet.
({2})
Ich finde, wir muten der Öffentlichkeit da allerhand zu.
Die Orientierung wird immer schwieriger.
Was hat sich in dieser Woche alles ereignet? Manchem
war es äußerst wichtig, zu klären, ob sich Finanzminister
Eichel zu Recht oder zu Unrecht als Sparkommissar bezeichnen darf. Ich denke, das interessiert in diesem Land
niemanden. Wichtig ist doch, wo und wofür gespart wird.
({3})
Vom Sparwillen der Koalition war beispielsweise im
Verteidigungsetat nichts zu spüren.
({4})
Da wollte die CDU/CSU sogar noch draufsatteln.
Den Steuerverschwendungshinweisen des Bundesrechnungshofes wurde viel zu wenig nachgegangen.
Wenn man diesen Hinweisen stärker gefolgt wäre, dann
hätte man noch andere Finanzierungsquellen entdeckt.
Mitten in der Woche wurde uns mitgeteilt, dass sich die
Fraktionsspitzen von SPD und Bündnisgrünen darauf geeinigt haben, dass der Bund so mir nichts, dir nichts zwei
Drittel des EXPO-Defizits übernimmt. Im Haushalt steht
das noch ganz anders, und zwar ohne dass geklärt worden
wäre, wer für die bei der EXPO entstandene Finanzmisere
verantwortlich ist.
({5})
Angesichts des Tempos, mit dem beispielsweise - ich
nenne nur dieses eine Beispiel - das EXPO-Problem
gelöst wird, empört es geradezu, dass die Lösung anderer
Probleme, über die seit Jahren debattiert wird, auf die
lange Bank geschoben wird, Problemfälle, in denen es um
berechtigte soziale Ansprüche von Menschen und nicht
durch Fehlkalkulationen verursachte Defizite bei bestimmten Institutionen geht. Ich meine zum Beispiel die
Gewährung von Anpassungsgeld für Untertagebergleute in den neuen Ländern,
({6})
die ähnlich wie die westdeutschen Steinkohlekumpels
durch Strukturkrisen unschuldig ihre Arbeit verloren
haben bzw. noch verlieren werden. Bereits 1996, also
noch zu Zeiten der früheren Koalition, und 1999, also zu
Zeiten der jetzigen Koalition, haben wir das im Deutschen
Bundestag per Antrag thematisiert - leider erfolglos. In
diesem Jahr haben wir dieses Thema mehrfach in den
Ausschusssitzungen angesprochen und dazu Anträge
gestellt. Mit fadenscheinigen und hinhaltenden Argumenten sind unsere Anträge beschieden worden. Es wurde
zwar persönliche Sympathie für unser Anliegen geäußert,
aber mit persönlichen Sympathiebekundungen können
die Kumpels ihre Probleme nicht lösen. Sie brauchen tatsächlich praktische Lösungen.
({7})
Nachdem jetzt so viel persönliche Sympathie geäußert
worden ist - alle Haushaltsausschussmitglieder der F.D.P.
haben unserem Antrag zugestimmt -, zähle ich jetzt
darauf, dass wir das Problem alsbald gemeinsam lösen
können.
({8})
Regierung und Koalitionsfraktionen rühmten sich in
der Haushaltsdebatte, den Reformstau aufgelöst zu haben: Steuerreform vorangebracht, Gesundheitsreform
durchgeführt, Rentenreform vorbereitet und Haushaltskonsolidierung vorangebracht. Ich finde, wenn der aufgelöste Reformstau alles ist, was Sie vorzuweisen haben,
dann ist das noch lange kein Gütesiegel für Ihre Politik,
wenn nicht gleichzeitig die sozialen Wirkungen in Gänze
bilanziert werden. Die mehrfach in dieser Woche den Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen vorgerechneten Entlastungen durch die Steuerreform werden
doch durch höhere Hort- und Kitagebühren, durch steigende Versicherungsbeiträge, steigende Verkehrstarife,
steigende Heizkosten und durch Zuzahlungen für Gesundheitsleistungen oft mehr als kompensiert. Das ist die
Wahrheit!
({9})
Hätten Sie beispielsweise das steuerfreie Existenzminimum rascher angehoben, wie wir das gefordert haben,
und hätten Sie dafür den Spitzensteuersatz weniger stark
gesenkt, dann hätten Sie der Volkswohlfahrt insgesamt
mehr gedient.
({10})
Wie soll den 20- bis 40-jährigen jungen Leuten, die
schon länger arbeitslos sind und kaum Aussicht auf Ausübung einer existenzsichernden Arbeit haben, denn, wie
es Herr Riester wünscht, die private Altersvorsorge
schmackhaft gemacht werden? Das geht doch irgendwie
nicht zusammen.
Unter den Bedingungen voranschreitender Globalisierung gebührt gerade auch den Kommunen eine Stärkung,
damit die Menschen dort, wo sie wohnen, das Gefühl bekommen, geborgen zu sein und gebraucht zu werden.
({11})
Wie geht das denn mit der Tatsache zusammen, dass die
rot-grüne Steuerreform den finanziellen Spielraum von
Ländern und Kommunen weiter einengt? 2001 werden
die Länder 19 Milliarden DM weniger Steuern einnehmen. Diese Mindereinnahmen werden durch konjunkturbedingte Mehreinnahmen nicht wettgemacht. Die Länder
werden darauf mit Kürzungen der Zuweisungen an die
Gemeinden reagieren. Dadurch kommt es zu der absurden
Situation, dass sich der Bund zwar wegen gestiegener Investitionsausgaben auf die Schulter klopfen kann, die
Länder und Kommunen aber kein Geld mehr haben,
({12})
um Schulen, Kitas oder Altenheime zu sanieren.
({13})
Diese Situation ist absurd.
Zu fragen bleibt auch, warum der Reformstau auf anderen Gebieten nicht zum Nachdenken anregt. Wann endlich wird die Schere zwischen Verteilung und Belastung
von Einkommen und Vermögen ernsthaft thematisiert?
Wir warten immer noch darauf, dass Sie Ihre Ankündigung, die Erbschaftsteuer zu novellieren, erfüllen. Auch
unter Rot-Grün wächst leider die Kluft zwischen Arm und
Reich. Mit der Teilhabe am Haben und Sagen, wie es der
Kanzler gefordert hat - grundsätzlich kann man ihm da
nur Recht geben -, sieht es leider bei vielen Menschen
noch sehr mau aus.
Wann wird damit begonnen, den Berg an gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten, zum Beispiel im Bereich
der Kinder- und Jugendarbeit, im Bereich humaner
Dienstleistungen, die heute kaum entlohnt werden, durch
entsprechende Finanzierungsmodelle schrittweise zu einer vollwertigen Erwerbsarbeit umzugestalten? In diesen
Bereichen sind doch Verkrustungen entstanden, die aufgelöst werden müssen. Stattdessen macht Rot-Grün die
Senkung der Nettokreditaufnahme sozusagen zu einem
Glaubensbekenntnis. Wir wissen um die Schulden- und
Zinslast, die auf die jungen Generationen zukommt. Aber
auch ungelöste ökonomische, soziale und ökologische
Probleme belasten künftige Generationen.
({14})
- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Mein Resümee der Arbeit im Haushaltsausschuss lautet: Es gab dort viel Schatten, aber auch viel, was mich gefreut hat. In guter Erinnerung habe ich die in der Regel
straffe Debattenführung, ein in der Regel sachliches
Klima und kollegiales Verhältnis und vor allem die Hilfsbereitschaft und die stete Umsicht der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Sekretariat des Haushaltsausschusses.
({15})
Dafür bedanke ich mich sehr herzlich im Namen meiner
Fraktion.
({16})
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Hans Jochen Henke für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus den Ausführungen
der Kollegin Hermenau und des Kollegen Poß hätte man
den Eindruck gewinnen können, als ob wir es hier mit eiDr. Christa Luft
nem Jahrhundertwerk zu tun haben, dessen Wirkung weit
über diese Legislaturperiode hinausreicht. Tatsache ist,
dass der uns vorliegende Haushaltsentwurf in einigen Bereichen durchaus solide ist und Ansätze zur Konsolidierung bietet. Das möchten wir gar nicht in Zweifel ziehen.
Diese Ansätze und sehr viel mehr hätte in dieser Legislaturperiode auch eine christdemokratische Regierung
erreichen können; denn die Rahmenbedingungen waren
- ich darf das noch einmal unterstreichen - im Gegensatz
zu dem, was hier ausgeführt wurde, so günstig wie nie.
Kein Finanzminister hatte so traumhafte Ausgangsvoraussetzungen wie Minister Eichel.
({0})
Wenn ich Ihre Politik an den lauten und vollmundigen
Ankündigungen und Versprechungen wie zum Beispiel,
die Steuer- und Abgabenlast der Bürger zu senken und das
Steuerrecht nachhaltig zu vereinfachen, messe, dann muss
ich feststellen, dass hier wie in vielen anderen Bereichen
Ankündigungen und Wirklichkeit weit auseinander klaffen.
Ihr jetzt vorgelegter Haushalt, Frau Kollegin Hermenau,
ist nicht der erste, der unter rot-grüner Verantwortung zustande kommt, sondern es ist der dritte.
({1})
Er müsste eigentlich den Höhepunkt in dieser Legislaturperiode markieren; denn auf den nächsten Haushalt fallen
bereits die Schatten des Wahljahres 2002.
Wenn ich das, was Sie in Koalitionsvereinbarungen
und vor der Wahl angekündigt haben, an der Wirklichkeit
messe, dann muss ich in aller Bescheidenheit und Zurückhaltung darauf hinweisen, dass Sie jedenfalls eines mit Sicherheit nicht gemacht haben: Vereinfacht haben Sie an
keiner Stelle irgendetwas; aber verkompliziert und verbürokratisiert haben Sie an vielen Stellen.
({2})
Was Reformbereitschaft generell und Reformen im
Steuer- und Abgabenrecht speziell anlangt, so ist durch
das, was Sie Reformen nennen, eigentlich alles mit jedem
Schritt komplizierter geworden. Eine so genannte Reform
hat in vielen Fällen ihre eigene Reform quasi zwangsläufig nach sich gezogen.
Als ein Beispiel dafür, wie Sie im Zusammenhang mit
diesem Thema mit der Wirtschaft umgegangen sind und
umgehen, Herr Finanzminister Eichel, nenne ich nur noch
einmal die AfA-Tabellen. 3,5 Milliarden DM wollten Sie
gegenfinanzieren, 13 Milliarden DM waren es dann nach
den Listen Ihres Hauses tatsächlich. Der BDI ist Ihnen allerdings rechtzeitig auf die Schliche gekommen. Das
schafft kein Vertrauen im Umgang zwischen Politik und
Wirtschaft.
({3})
Sie gängeln die Leistungsträger weiter und die Bezieher kleinerer Einkommen werden mit dem, was Sie jetzt
als Reformen vorgelegt haben und umsetzen werden, allenfalls ein Nullsummenspiel erleben. Ihr Zahlenwerk,
Herr Minister Eichel, ist auch bei konservativ veranschlagten Hochrechnungen, was die Entwicklung der
Steuereinnahmen anlangt, für die nächsten Jahre bis 2004
zu optimistisch. Es wären mehr als 60 Milliarden DM zusätzlich zu veranschlagen. Wenn man die bereits zwischen
1997 und 2000 vereinnahmten zusätzlichen 60 Milliarden DM berücksichtigt, sind dies in der Summe sage und
schreibe 120 Milliarden DM mehr.
({4})
Der Staat kassiert weiter und weiter. Am Ende Ihres Finanzplanungszeitraumes werden die jährlichen Abgabenund Steuerbelastungen in diesem Land für die Bürger bei
rund 1 Billion DM angelangt sein.
({5})
Die Steuer- und Abgabenlast werden Sie nach Ihrer eigenen mittelfristigen Finanzplanung konstant bei einer
Quote von über 54 Prozent stabilisieren. Da frage ich
mich: Wo sind die Reformen,
({6})
wo sind die Entlastungen, wo sind die Absenkungen bei
Steuern und Abgaben für die Bürger und die Wirtschaft?
({7})
Unser Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz hatte sehr
Recht, als er vor wenigen Tagen hier in diesem Hause feststellte: Mit Ihnen und Ihrer Politik werden in den nächsten Jahren die Menschen leider ärmer.
Auf der anderen Seite waren die Ausgaben des Bundes
noch nie so hoch wie in diesem Jahr; sie erreichen historisch einmalige Größenordnungen in der Geschichte der
Bundesrepublik. Nächstes Jahr gibt es eine marginale
Veränderung nach unten, die eigentlich nicht ins Gewicht
fällt, und dieses, obwohl Privatisierungen bei der Treuhand mit einer Art Nebenhaushalt abgewiegelt werden
und obwohl Sie Kosten in Höhe von 10 Milliarden DM
vom Haushalt auf die Sozialversicherung schieben.
Jawohl, der neu gewählte BDI-Präsident Rogowski,
ein wirklich unabhängiger wie besonnener und obendrein
noch schwäbischer Kopf,
({8})
hat Recht, wenn er in dieser Woche forderte: Geben Sie
uns unsere Freiheit wieder!
({9})
Aber was tun Sie stattdessen? Sie werden in wenigen
Wochen die Ökosteuer erneut anheben und Sie werden
dies in den nächsten Jahren konsequent fortsetzen; Sie
werden dank steigender Inflation und dank kalter Progression weiter abkassieren, anstatt über einen offenen
Arbeitsmarkt, ein modernisiertes Sozialsystem und eine
zukunftsfähige Gesundheitspolitik notwendige und nachhaltige Impulse zu setzen und den Haushalt für die Zukunft zu entlasten.
Nachhaltige Reformen kommen nicht voran. Oswald
Metzger hat einmal mehr treffend seine Sorge ausgedrückt, dass aus Angst vor dem nächsten Bundestagswahlkampf die notwendigen Schritte unterbleiben könnten. Recht hat der Mann! Mehr Mut, meine Damen und
Herren!
({10})
Wie wollen Sie denn die Europäische Union sozusagen
vom deutschen Bremsklotz befreien? Sollten wir nicht
endlich dafür sorgen, dass wir die rote Laterne beim Wirtschaftswachstum in der Gemeinschaft abgeben können?
Für mehr Stabilität und Vertrauen will sich die Bundesregierung nun überraschenderweise mit einer völlig
neuen Initiative einsetzen, nämlich mit der von ihr initiierten Stiftung „Geld und Währung“, die aus dem Milliardenerlös einer D-Mark-Goldmünze finanziert werden
soll. Ich denke, mit einer D-Mark als Goldmünze kann
man zwar sicherlich die Erinnerung an unsere stabile
Mark wach halten;
({11})
aber man muss feststellen, dass Vertrauen in den Euro und
Vertrauen in eine stabile Politik nicht durch eine Stiftung,
sondern nur durch eine vertrauenstiftende Politik geschaffen werden.
({12})
Lieber Kollege Poß, ich streite mit Ihnen nicht darüber,
in welchem Jahr größere Privatisierungserlöse vereinnahmt worden sind. Tatsache ist: Sie haben bis auf den
heutigen Tag überhaupt kein neues Projekt auf den Weg
gebracht. Ich stelle im Zusammenhang mit dem Verkauf
der Eisenbahnerwohnungen nur fest: Solange wir regiert
haben, waren die japanischen Geschäftsparner für Sie
schlechte Japaner. Nun verkaufen Sie die Eisenbahnerwohnungen und plötzlich sind sie für Sie gute Japaner geworden.
({13})
Rot-Grün bleibt trotz aller medienorientieren Ankündigungen und Denkansätze einer überkommenden, dirigistischen, konservativen und ideologischen Politik mit den
entsprechenden Instrumenten nachhaltig verhaftet. Wie
fragte vor wenigen Tagen der es wirklich gut meinende
und kooperationswillige Arbeitgeberpräsident Hundt:
„Haben die Juristen des Arbeitsministeriums eigentlich
noch alle Tassen im Schrank?“
Statt mutiger, innovations-, investitions- und zukunftsfähiger Reformschritte bescheren Sie uns eine Regulierungsliste,
Herr Kollege Henke, bitte kommen Sie zum Schluss.
- die vom Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit über das Zwangspfand für Einwegflaschen und Mietrecht bis zur Gleichberechtigungsbürokratie in den Betrieben reicht.
Herr Kollege, ich muss Sie jetzt nachdrücklich bitten, zum Schluss
zu kommen.
Jawohl. - Machen
Sie jetzt endlich ernst! Wenn man Ihren Haushalt und Ihre
mittelfristige Finanzplanung betrachtet, dann muss man
sagen, dass es dafür wahrscheinlich leider schon zu spät
ist.
Herzlichen Dank.
({0})
Ich gebe
nunmehr das Wort dem Bundesfinanzminister, Hans
Eichel.
Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss
dieser Debatte noch ein paar Bemerkungen aus der Sicht
der Bundesregierung machen.
Dieser Haushalt ist durch eine nachhaltige Konsolidierung charakterisiert.
({1})
Wir haben die niedrigste Neuverschuldung seit 1992.
({2})
- Das ist wirklich Unsinn; das wissen Sie genau. Ich
komme gleich noch darauf zurück.
Angesichts Ihrer Legendenbildung habe ich mir noch
einmal die maßgeblichen Zahlen angesehen. Herr
Rexrodt, so sehr ich mich freue, dass Sie den Konsolidierungskurs anerkennen und dass darüber grundsätzliches
Einvernehmen besteht, so deutlich muss ich doch sagen,
dass Ihre Analyse, wir würden auf der Ausgabenseite
nicht konsolidieren, falsch ist.
({3})
Es bleibt festzuhalten - auch Sie wissen das -: Diese Argumentation entspricht nicht Ihrem Niveau. Man muss
vielmehr feststellen:
Erstens. Sie haben die Auszahlung des Kindergeldes
im Jahre 1995 umgestellt.
({4})
Ab diesem Jahr erscheint das Kindergeld nicht mehr auf
der Ausgabenseite, sondern schlägt als Einnahmeminderung zu Buche. Es wäre sehr aufschlussreich, wenn man
Ihre Haushaltsdaten um diesen Tatbestand bereinigen
würde.
Zweitens. Sie haben bis 1998 die Ausgaben für die
Postunterstützungskassen gar nicht im Haushalt veranschlagt,
({5})
sondern Sie haben sich die Ausgaben vorfinanzieren lassen; sonst hätten Sie keinen verfassungsgemäßen Haushalt 1998 vorlegen können.
({6})
Auch um diesen Tatbestand müssten wir Ihre Haushaltsdaten bereinigen.
Wir müssen in diesem Zusammenhang auch über die
Mehrwertsteuer reden, die wir mit Ihnen gemeinsam um
1 Prozentpunkt angehoben haben - das führte zu Mehreinnahmen von 16 Milliarden DM -, um zu verhindern,
dass der Rentenversicherungsbeitrag von 20,3 auf
21,3 Prozent stieg. Mit den Einnahmen aufgrund der Ökosteuer in Höhe von 17 Milliarden DM haben wir den
Rentenversicherungsbeitrag um 1 Prozentpunkt gesenkt.
Der heutige Rentenversicherungsbeitrag beruht also auf
zwei Maßnahmen: Die erste Maßnahme mit einem Volumen von 16 Milliarden DM verantworten Sie und die
zweite Maßnahme mit einem Volumen von 17 Milliarden DM verantworten wir.
Ich sage Ihnen, was passiert wäre, wenn wir diese
durchlaufenden Posten eliminiert und wenn wir unsere
17 Milliarden DM herausgenommen hätten. Sie hatten im
Ausgangsjahr 1995 Ausgaben in Höhe von 444 Milliarden DM. Diese Ausgaben liegen heute - um diese Position bereinigt - bei 421 Milliarden DM. Das ist das Ergebnis unseres Konsolidierungskurses.
({7})
Auch sie haben die Ausgaben übrigens nicht erhöht.
Das will ich fairerweise sagen. Von 1995 bis 1998
herrschte - bei einigen Verschiebungen - praktisch
Gleichstand. Seitdem gehen die Ausgaben zurück. - Das
war die erste Feststellung.
Die zweite Feststellung. Wir haben in diesem Haushalt
die niedrigste Neuverschuldung, die niedrigste Nettokreditaufnahme, die es seit 1992 gegeben hat. Sie beträgt
jetzt 43,7 Milliarden DM. Aber das ist noch nicht einmal
die ganze Wahrheit. Gleichzeitig haben wir die Privatisierungserlöse massiv heruntergefahren. 1998 hatten Sie
bei einer Nettokreditaufnahme von 56 Milliarden DM
noch fast 20 Milliarden DM Privatisierungserlöse, und
das nur für den Haushalt; die Postunterstützungskassen
waren überhaupt nicht finanziert.
Wenn ich die Postunterstützungskassen einmal herausnehme, haben wir im nächsten Jahr nur noch 7 Milliarden DM Privatisierungserlöse, und das bei einer Nettokreditaufnahme von 43 Milliarden DM. Das ist ein
Konsolidierungserfolg: eine Reduzierung der Neuverschuldung von 76 Milliarden DM auf 50 Milliarden DM.
Das ist ein Konsolidierungserfolg von 26 Milliarden DM
auf der Passivseite in diesen zwei Jahren. Das ist der Erfolg unserer Haushaltspolitik.
({8})
Dafür bin ich den Haushältern beider Koalitionsfraktionen sehr dankbar, insbesondere Hans Georg Wagner
und Oswald Metzger, die das federführend gemacht haben: Wir haben die gesamten konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen des nächsten Jahres in Höhe von
3,9 Milliarden DM nicht für zusätzliche Ausgaben eingesetzt, sondern zum Ausgleich für die gesunkenen Privatisierungserlöse und zur Minderung der Nettokreditaufnahme. Wir haben uns die Ermächtigung dafür geben
lassen - das ist eine grundsätzlich andere Politik, als Sie
sie bis 1998 gemacht haben - Privatisierungserlöse nicht
mehr für den laufenden Haushalt, sondern nur noch für
Postunterstützungskassen und für den Abbau der Altschulden einzusetzen. Nur so kann man das vernünftigerweise machen.
Ein weiterer Punkt. Sie von der CDU/CSU und insbesondere Ihr Oppositionsführer haben Ihre Reden auf lauter falschen Thesen aufgebaut - Herr Henke hat sie vorhin noch einmal wiederholt. Insofern bin ich dankbar,
dass es in der Opposition ein sehr differenziertes Bild gab
und die F.D.P. und auch die PDS unseren Haushalt zumindest in Teilen wesentlich differenzierter betrachtet haben. Ihr Oppositionsführer hat - sie werden so nicht erfolgreich sein - zum Beispiel die These geäußert, wir
hätten die höchsten Ausgaben, die es jemals gegeben
habe. Herr Henke hat es gerade wiederholt. Das alles ist
schlichtweg falsch.
Wir senken die Steuern in einem nie da gewesenen
Ausmaß. Das will ich jetzt auch genauer darstellen. In einem Punkte stimme ich Ihnen ausdrücklich zu
({9})
- ich komme gleich darauf; Sie werden sich wundern -:
Herr Kollege Stoltenberg hat in den 80er-Jahren eine gute
Nettoentlastung betrieben. Sie entsprach im Umfang fast
der unseren. Sie lag nämlich bei rund 2,5 Prozent des
Bruttoinlandproduktes, wenn ich das Ausgangsjahr 1986
nehme und auf die Jahre bis 1990 verteile. Bei uns sind
das etwas mehr als 2,5 Prozent und die Entlastungen erfolgen auch in vier Jahren, und zwar von 2001 bis 2005.
Herr Kollege Henke, Sie sprachen von einer Abgabenquote von 54 Prozent. Wo Sie diese Zahl hernehmen,
weiß ich nicht.
({10})
- Ich rate Ihnen, sich nicht der Zahlen einer Ihrer Vorfeldorganisationen zu bedienen, sondern der Zahlen aus international unverdächtigen Quellen.
({11})
Ich zitiere die OECD. Sie weist für 1999 für Deutschland eine Steuer- und Sozialabgabenquote von 37,7 Prozent aus. Das ist im internationalen Vergleich ein mittlerer Satz.
({12})
Herr Rauen hat die Behauptung aufgestellt, die kalte
Progression würde das alles wieder auffressen und bei
Bundesminister Hans Eichel
2,5 Prozent jährlicher Lohn- und Gehaltssteigerung wäre
im Jahre 2005 ein höherer Anteil des Einkommens zu versteuern als im Jahre 1998. Ich habe Berechnungen anstellen lassen - wir können auch andere Beispiele nehmen -:
Ein Arbeitnehmer, verheiratet und zwei Kinder, mit einem
Bruttoeinkommen von 60 000 DM im Jahre 1998 - hatte
zu Ihrer Regierungszeit eine Lohnsteuer in Höhe von
6 290 DM bzw. 10,05 Prozent seines Einkommens zu zahlen. Derselbe Arbeitnehmer hätte bei einer jährlichen Steigerung seines Einkommens um jeweils 2,5 Prozent im
Jahre 2005 einen Bruttoverdienst von 71 321 DM und
würde eine Lohnsteuer von 6 540 DM zahlen. Das heißt:
Er hätte netto 10 500 DM mehr und sein Lohnsteueranteil
würde von 10,48 Prozent auf 9,17 Prozent seines Einkommens sinken. Das ist die Wirklichkeit und damit ist
wieder eine Ihrer Lügen - ich kann es nicht anders bezeichnen - widerlegt.
({13})
Ich unterstelle Herrn Kollegen Rauen, den ich menschlich sehr schätze, dass er rechnen kann. Wenn er das
kann - und davon bin ich überzeugt -, darf er solche Märchen nicht erzählen. Er kann solche Beispiele selber nachrechnen.
({14})
Wir senken nicht nur die Steuern und Abgaben, sondern verbessern nachhaltig - auch ohne UMTS-Erlöse die Ausgabenstruktur unseres Haushalts. Anders als Sie
es eben dargestellt haben, legen wir einen Haushalt vor,
der eine Erhöhung des Kindergeldes um 50 DM - wir haben das Kindergeld bereits in zwei Stufen erhöht -, der
zum 1. Januar 2001 eine starke Erhöhung des Wohngelds
in den westdeutschen Ländern und eine Angleichung in
den ostdeutschen Ländern, für die das Wohngeld sonst
ausgelaufen wäre, sowie eine ordentliche Erhöhung des
Erziehungsgeldes und einen Wiedereinstieg in die Erhöhung des BAföG vorsieht. - Das sind vier soziale Leistungselemente, die in diesem Konsolidierungshaushalt
enthalten sind.
({15})
Dies ist ein Haushalt, der den Bereich Forschung und
Bildung verstärkt. Dieser Haushalt beinhaltet - und zwar
mit UMTS-Erlösen; ohne diese wäre es weniger - eine
deutliche Steigerung des Forschungs- und Bildungsetats.
Der letzte Etat, den Sie zu verantworten hatten - man
muss das selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt veränderter Aufteilungen differenziert betrachten -, sah für
diesen Bereich einen Ansatz in Höhe von 14,2 Milliarden
DM vor. Unser Haushalt weist einen Bildungs- und
Forschungsetat von 15,97 Milliarden DM auf, also
1,77 Milliarden mehr. Allein für den Zeitraum von 2000
auf 2001 sehen wir eine Steigerung um 9,5 Prozent vor.
({16})
Im Vergleich zu Ihrem Haushalt ist das noch nicht einmal die ganze Wahrheit. Da wir das BAföG anders finanzieren, muss der Darlehensanteil am BAföG, der nicht
über den Haushalt finanziert wird, hinzugezählt werden.
Damit kommen wir bereits für das Jahr 2001 auf einen
Ansatz, der um 77 Millionen DM höher liegt. Die für den
Bereich Forschung aufgewendeten Mittel werden auf insgesamt 16,7 Milliarden DM erhöht. Sie haben so etwas
noch nicht einmal im Traum zustande bekommen; wir
schaffen das sogar bei einem Haushalt mit sinkenden Ausgaben. Das ist die Wahrheit.
({17})
Die UMTS-Versteigerung hat uns die Gelegenheit gegeben, etwas zu tun - das will ich ausdrücklich einräumen -, was wir sowieso tun wollten, aber sonst erst nach
dem Jahre 2006 hätten tun können. Es ist wahr: Einen
Haushalt zu konsolidieren ist eine harte Anstrengung und
wer jahrzehntelang Schulden aufbaut, wird auch Jahrzehnte arbeiten müssen, um sie wieder abzubauen.
({18})
Das ist so und deswegen müssen wir konsequent auf unserer Linie bleiben und dürfen nicht der Versuchung erliegen, Ihren Anträgen auf Mehrausgaben zuzustimmen.
({19})
Würden wir das tun, ginge es genauso weiter wie bei
Ihnen.
({20})
Nun kommt die Frage: Was bedeutet das für die weitere wirtschaftliche Entwicklung? Auch diese Frage ist
ganz einfach zu beantworten: Wir haben bereits vorgetragen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Wir
sind in einer Situation, wie Sie sie in den Jahren seit 1991
nicht gehabt haben. Schon der erste Satz zum Thema wirtschaftliches Wachstum in der Rede des Kollegen Merz am
Mittwoch war wieder völlig falsch. Er hat gesagt, wir hätten jetzt das gleiche Wachstum, wie im letzten Jahr Ihrer
Koalition.
({21})
Lieber Herr Merz, wenn Sie mit einem solchen Satz anfangen, taugt die ganze Rede nichts.
({22})
Sie hatten im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit ein Wachstum von 2,3 Prozent. In diesem Jahr haben wir auf jeden
Fall ein Wachstum von 3 Prozent. Die Differenz von
0,7 Prozent bedeutet ungefähr 27 Milliarden DM mehr.
Wenn das Ihre Schätzdifferenzen sind, wundert mich in
Ihrer Haushaltsführung gar nichts mehr.
({23})
Was die Entwicklung Deutschlands im internationalen
Vergleich angeht, kommt die OECD zu dem Ergebnis,
dass Deutschland im Übergang zum Jahr 2001 - das haben Sie auch bei Ifo gelesen - mindestens im Schnitt der
Europäischen Union liegt, während wir sonst darunter
Bundesminister Hans Eichel
waren. Voraussichtlich werden wir im nächsten Jahr mit
den großen Ländern gleichziehen. Das ist aber eine Prognose. Wir werden es noch sehen. Die Daten haben sich
aber weitgehend angenähert. Es spricht alles dafür, dass
wir im nächsten Jahr vorne sind.
Es ist besonders interessant, wie in Ihrer Regierungszeit Deutschland von ausländischem Kapital gemieden
wurde. Das ist für dieses Land schlecht. Ich will Ihnen die
einzelnen Zahlen nicht vorlesen. Im Jahr 1999 ist der Zufluss von Auslandskapital nach Deutschland dramatisch
gestiegen. Im Übrigen, ist es nicht immer schlecht, wenn
Kapital woanders hingeht. Dabei passiert Folgendes: Unsere Wirtschaft verflechtet sich mit der europäischen
Wirtschaft und die europäische Wirtschaft verflechtet sich
mit der amerikanischen Wirtschaft. Manchmal gibt es
auch einseitige Ausschläge, zum Beispiel bei Vodafone
Airtouch/Mannesmann. Daimler-Chrysler ist ein Fall in
die andere Richtung. Alles in allem ist das eine dramatische Änderung der Kapitalflussbilanz. Dies ist bei den
Menschen auch angekommen.
({24})
- Ja, daran denke ich, weil das der Sinn der Sache ist.
({25})
Deswegen sage ich zum Schluss, meine Damen und
Herren: Es geht schlichtweg um den Menschen. Von
1994 - ich befürchte, dass es früher losging; aber aus dem
Jahre 1994 stammen die ersten Zahlen, die mir vorliegen
- bis zum Jahr 1998 ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger
um 590 000 gestiegen. Im ersten Jahr unserer Regierungszeit vollzog sich eine Trendwende. Zum ersten Mal
seit vielen Jahren sank die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Deutschland und zwar um 80 000.
({26})
Die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Sie versuchen die
ganze Zeit die Legende aufzubauen, dass die Arbeitslosigkeit nur deswegen zurückgeht, weil mehr Leute aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als eintreten. Dies ist am einfachsten dadurch zu widerlegen,
dass wir zählen, wie viel Beschäftigte es in jedem Jahr
gab; dann brauchen wir über diese Frage nicht mehr zu
streiten, dann ist sie beantwortet. Das ersieht man aus der
Statistik, die die Bundesanstalt für Arbeit veröffentlicht
hat. Herr Jagoda hat, bevor er Präsident der Bundesanstalt
für Arbeit wurde, der Fraktion der CDU/CSU angehört.
Die um 630 000 bereinigte Zahl bezieht sich auf Ihre Regierungszeit.
({27})
- Ja, es ist doch ganz einfach. Es ergibt sich Folgendes.
Sie haben in der Zeit von 1991 bis 1998 - das lese ich Ihnen jetzt vor - Folgendes zu verzeichnen: Im Jahre 1992
ging die Zahl der Beschäftigten um 580 000 zurück. Von
1992 auf 1993 ging die Zahl der Beschäftigten um
510 000 zurück. Von 1993 auf 1994 ging die Zahl der Beschäftigten um 65 000 zurück. Von 1994 auf 1995 stieg
die Zahl der Beschäftigten um 80 000.
Von 1995 auf 1996 ging die Zahl der Beschäftigten um
108 000 zurück. Von 1996 auf 1997 betrug der Rückgang
80 000. 1998 nahm die Zahl der Beschäftigten um 340 000
und 1999 um 407 000 zu. Nach der Projektion
({28})
- ja - beträgt der Zuwachs der Zahl der Beschäftigten im
Jahr 2000 etwa 500 000.
Das heißt, von den Jahren der Wiedervereinigung an
bis zum Ende Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Beschäftigten in Deutschland um fast 1 Million zurückgegangen; konkret waren es 920 000 Beschäftigte weniger.
Diesen Rückstand werden wir bereits Ende dieses Jahres
voll aufgeholt haben, weil wir 900 000 Beschäftigte mehr
als zu Beginn unserer Regierungszeit haben werden.
({29})
Damit haben wir dann in nur zwei Jahren einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung bzw. einer Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen den Abbau von
Beschäftigung, den Sie für die Jahre seit der Wiedervereinigung zu verantworten haben, bereits aufgeholt.
({30})
Auf diese Leistung bin ich stolz. Wir sind auf dem richtigen Wege.
({31})
Ich halte fest, dass wir gemeinsam mit den Menschen
in diesem Lande eine außerordentlich erfolgreiche Politik
betreiben.
({32})
Sie selbst würden diese Politik gerne machen; deswegen
sind Ihre Angriffe so fade. Ich fordere Sie auf: Stimmen
Sie diesem Haushalt in dritter Lesung zu!
({33})
Ich erteile dem Kollegen Bernd Protzner, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({0}) Herr Präsident! Liebe
Kollegen! Manchmal sagt die Körpersprache eines Redners mehr als seine Worte.
({1})
Herr Bundesfinanzminister Eichel, als Sie dem Kollegen
Henke geantwortet haben, haben Sie ständig gestikuliert
und etwa Folgendes gesagt: Diejenigen Ausgaben, die
hier sind, die stehen eigentlich da und die, die dort stehen,
die gehören eigentlich hierhin.
Dem muss ich entgegnen: Gott sei Dank gibt es die Kameralistik in Deutschland, mit der Sie den Haushalt und
die mögliche Größe des Haushaltes verschleiern können.
Bundesminister Hans Eichel
Ihr Haushalt ist wesentlich größer, als Sie mit den
480 Milliarden DM ausweisen. Dieser Haushalt enthält
Verpflichtungsermächtigungen und Sondervermerke.
Sie haben Ansätze - Arbeitslosenversicherung, Fremdfinanzierung - in andere Haushalte abgeschoben. Sie haben
darüber hinaus viele gesetzliche Maßnahmen schlicht und
einfach anderen, beispielsweise den Energieversorgungsunternehmen, übertragen, die beim Verbraucher
direkt abkassieren, ohne dass das im Bundeshaushalt erscheint.
({2})
Wenn man dies alles addiert, dann kommt man auf über
500 Milliarden DM, manche behaupten 540 Milliarden DM. Vor diesem Hintergrund haben Sie keinen Spar-,
sondern einen Rekordhaushalt vorgelegt.
({3})
Ich komme auf die Schuldensituation zu sprechen.
Herr Eichel, die Neuverschuldung liegt bei 43 Milliarden DM. Addiert man die Neuverschuldung der Jahre
von 1998 bis 2003 - der Kollege Austermann hat darauf
hingewiesen -, dann kommt man auf 230 Milliarden DM.
Obwohl Sie 100 Milliarden DM mehr einnehmen, verschulden Sie die Bundesrepublik trotzdem weiter.
({4})
Sie erzählen ein Märchen, wenn Sie behaupten, Sie würden Schulden abbauen.
({5})
Bezogen auf den Fraktionsvorsitzenden Merz haben
Sie gesagt: Die Bürger werden nicht ärmer. Dem muss ich
entgegnen: Ich habe ein geheimes Dossier zugespielt bekommen,
({6})
aus dem ich zitieren darf: Im Jahr 1998 hat der Durchschnittsarbeitnehmer über 9 000 DM Steuern gezahlt.
Nach der größten Steuerreform aller Zeiten - Herr Eichel
hat vorhin von Steuersenkungen wie nie zuvor gesprochen - zahlt der Durchschnittsarbeitnehmer im Jahr 2005
über 10 000 DM Steuern. Das Dossier - ich darf jetzt auch
einmal etwas vorzeigen - hat den Absender „Bundesministerium für Finanzen“ und heißt „Datensammlung zur
Steuerpolitik“.
({7})
Herr Eichel, Sie sollten mehr das kontrollieren, was Sie
unter die Leute bringen. Darin steht mehr Wahrheit als
das, was Sie hier im Haus vortragen.
({8})
Eine letzte Bemerkung. - ({9})
- Die müssen Sie sich schon noch anhören. Sie ist auch
nicht angenehm für Sie. Ich freue mich über jedes Prozent
Wirtschaftswachstum. Schauen Sie sich die Quartalszahlen in diesem Jahr an: im ersten Quartal 3,6 Prozent,
im zweiten Quartal 3,3 Prozent, im dritten Quartal
2,8 Prozent - ({10})
- Ja, Frau Hermenau, nicht die Planzahlen im Bundeshaushalt sind interessant, sondern die wirklichen Zahlen.
Sie kennen doch Planzahlen aus Ihrer Lebensgeschichte
und wissen, wie sehr die lügen.
({11})
Das ist eine feine Tendenz. Wenn ich die amerikanischen Zahlen mit 5,3 Prozent Wachstum oder die anderer
europäischer Länder mit 8 Prozent Wachstum sehe, finde
ich, dass wir dagegen ärmlich aussehen. Zugleich bricht
seit fünf Monaten das Geschäftsklima ein. Das ist auch
nicht verwunderlich; denn Sie machen die Leute mit Ihrer
Politik ärmer. Was Sie ihnen vielleicht übergangsweise,
Herr Poß, bei direkten Steuern lassen, das nehmen Sie ihnen bei indirekten Steuern - Ökosteuer, Umsatzsteuer wieder weg.
({12})
Das alles fördert aber nicht die Konjunktur, sondern
macht die Konjunktur kaputt. Unser Ziel, Herr Poß, ist
nicht Wohlstand für Großunternehmen, auch nicht Wohlstand für den Staat, sondern unser Ziel ist Wohlstand für
alle, wie es Ludwig Erhard beschrieben hat.
({13})
Das ist soziale Marktwirtschaft. Die Bürger sind nicht für
den Staat da, sondern der Staat hat für die Bürger da zu
sein. Hier müssen Sie noch mehr tun. Deshalb lehnen wir
Ihren Bundeshaushalt ab.
({14})
Ich schließe die Aus-
sprache. Wir kommen zur Schlussabstimmung über das
Haushaltsgesetz 2001, Drucksachen 14/4000, 14/4302,
14/4501 bis 14/4523. Die Koalitionsfraktionen verlangen
namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. Die Schriftführerinnen und Schriftführer, die nicht
eingeteilt sind, mögen bitte zum Auszählungstisch kom-
men. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung. - Liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es
anschließend zwei weitere namentliche Abstimmungen
gibt.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Ich höre, dass an der Urne
Nr. 6 ein Missverständnis entstanden ist. Wir können dies
nur dadurch reparieren, dass diejenigen Kolleginnen und
Kollegen, die einem Irrtum unterlegen sind, hier vorne
beim Präsidenten erklären, wie sie abstimmen wollten.
Anderenfalls müssten wir die ganze Abstimmung wieder-
holen. Ich bitte namentlich zu Protokoll zu geben, in wel-
cher Weise Sie abstimmen wollten. - Der Fall ist aufge-
klärt.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kannt gegeben.
Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort. Wir kommen
zur Abstimmung über die Entschließungsanträge.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4748. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der F.D.P. und der PDS
abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4749. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltun-
gen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung
der F.D.P. gegen die Stimmen von CDU/CSU und PDS
abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4750. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Entschlie-
ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4751. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Entschlie-
ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4752. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltun-
gen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und PDS bei Stimmenthaltung der F.D.P. ab-
gelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4762. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4712. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltun-
gen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die sonstigen
Stimmen des Hauses abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4713. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hau-
ses gegen die Stimmen der F.D.P. abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4779. Die Fraktion der F.D.P. verlangt na-
mentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.1)
Bevor wir zur nächsten Abstimmung kommen, möchte
ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2001
mitteilen. Ich nutze diese Gelegenheit, um Ihnen einen
ganz zarten Hinweis zu geben, der auch mir gerade erst
gemacht wurde. Dies ist der letzte Haushalt in DM. Wen
ein Gefühl der Wehmut beschleichen will, dem sei es erlaubt.
Ich komme zum Ergebnis. Abgegebene Stimmen 557.
Mit Ja haben gestimmt 322, mit Nein haben gestimmt
235, Enthaltungen keine. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Präsident Wolfgang Thierse
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 550;
davon
ja: 315
nein: 235
Ja
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({0})
Klaus Barthel ({1})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({2})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({3})
Bernhard Brinkmann
({4})
Hans-Günter Bruckmann
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({5})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas
1) Seite 13510 C
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({6})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({7})
Lilo Friedrich ({8})
Harald Friese
Anke Fuchs ({9})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({10})
Angelika Graf ({11})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({12})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({13})
Walter Hoffmann ({14})
Iris Hoffmann ({15})
Frank Hofmann ({16})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({17})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({18})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({19})
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({20})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({21})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({22})
Jutta Müller ({23})
Christian Müller ({24})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({25})
Gerhard Neumann ({26})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({27})
Birgit Roth ({28})
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({29})
Ulla Schmidt ({30})
Silvia Schmidt ({31})
Dagmar Schmidt ({32})
Wilhelm Schmidt ({33})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({34})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({35})
Brigitte Schulte ({36})
Volkmar Schultz ({37})
Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({38})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({39})
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis ({40})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({41})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({42})
Helmut Wieczorek
({43})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({44})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({45})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({46})
Marieluise Beck ({47})
Volker Beck ({48})
Angelika Beer
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Joseph Fischer ({49})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller ({50})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({51})
Werner Schulz ({52})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({53})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({54})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({55})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({56})
Peter H. Carstensen
({57})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({58})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
({59})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({60})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({61})
Gottfried Haschke
({62})
Hansgeorg Hauser ({63})
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Karl A. Lamers ({64})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({65})
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann ({66})
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({67})
Erwin Marschewski
({68})
Dr. Martin Mayer ({69})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller ({70})
Elmar Müller ({71})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto ({72})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({73})
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth ({74})
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({75})
Andreas Schmidt ({76})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze ({77})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({78})
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({79})
Gerald Weiß ({80})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({81})
Hans-Otto Wilhelm ({82})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun
({83})
Ernst Burgbacher
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Jürgen Koppelin
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Winfried Wolf
({84})
Wir kommen jetzt zu zwei nicht namentlichen Abstim-
mungen. Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4804. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ent-
schließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-
nis 90/Die Grünen und der PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/4809. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? -
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt worden.
Wir kommen damit zum Entschließungsantrag der
Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4823. Die Fraktion
der F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist
der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die letzte na-
mentliche Abstimmung des heutigen Tages.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt ge-
geben.1)
Wir setzen die Abstimmungen fort. Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4822. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt
dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.
Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4858. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt worden.
Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung zum Entschließungsantrag der F.D.P. auf
Drucksache 14/4779 mit. Abgegebene Stimmen 553. Mit
Ja haben gestimmt 208, mit Nein haben gestimmt 345.
Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist damit
abgelehnt.
Präsident Wolfgang Thierse
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 546;
davon
ja: 208
nein: 338
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({85})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({86})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({87})
Peter H. Carstensen ({88})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({89})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dr. Gerhard Friedrich ({90})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({91})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({92})
Gottfried Haschke ({93})
Hansgeorg Hauser ({94})
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Karl A. Lamers ({95})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({96})
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann ({97})
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({98})
Erwin Marschewski ({99})
Dr. Martin Mayer ({100})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller ({101})
Elmar Müller ({102})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto ({103})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
1) Seite 13514 C
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({104})
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth ({105})
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({106})
Andreas Schmidt ({107})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze ({108})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({109})
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({110})
Gerald Weiß ({111})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({112})
Hans-Otto Wilhelm ({113})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun ({114})
Ernst Burgbacher
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Jürgen Koppelin
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({115})
Klaus Barthel ({116})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({117})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({118})
Bernhard Brinkmann
({119})
Hans-Günter Bruckmann
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({120})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({121})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({122})
Lilo Friedrich ({123})
Harald Friese
Anke Fuchs ({124})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Günter Graf ({125})
Angelika Graf ({126})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({127})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({128})
Walter Hoffmann ({129})
Iris Hoffmann ({130})
Frank Hofmann ({131})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({132})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({133})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({134})
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({135})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({136})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({137})
Jutta Müller ({138})
Christian Müller ({139})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({140})
Gerhard Neumann ({141})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Damit sind wir am Ende der Abstimmungen zum Haushalt 2001. Das Ergebnis einer namentlichen Abstimmung
ist noch offen. Es wird später bekannt gegeben.
Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt V:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt ({142})
- Drucksachen 14/4371, 14/4409 ({143})
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({144})
- Drucksache 14/4743 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Franz Thönnes
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({145})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/4803 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Günter Rexrodt
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Gerd Andres das Wort.
Präsident Wolfgang Thierse
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({146})
Birgit Roth ({147})
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer ({148})
Ulla Schmidt ({149})
Silvia Schmidt ({150})
Dagmar Schmidt ({151})
Wilhelm Schmidt ({152})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({153})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({154})
Brigitte Schulte ({155})
Volkmar Schultz ({156})
Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({157})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({158})
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis ({159})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen ({160})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({161})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({162})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({163})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({164})
Marieluise Beck ({165})
Volker Beck ({166})
Angelika Beer
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Joseph Fischer ({167})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller ({168})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({169})
Werner Schulz ({170})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({171})
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Winfried Wolf
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem bemerkenswerten Zitat beginnen. Der Kollege Heinz Schemken
hat den Beitrag seiner Fraktion zur ersten Beratung des
vorliegenden Gesetzentwurfes Ende Oktober dieses Jahres mit folgenden Worten eingeleitet:
Wenn es so ist, dass die Frage der Verfassungswidrigkeit für Sie einen so hohen Stellenwert hat, frage
ich Sie ausdrücklich, warum Sie das Ganze nicht unmittelbar im Dezember 1998 geregelt haben ...
Deutlicher hat die CDU/CSU-Fraktion ihr offensichtlich gestörtes Verhältnis zu unserer Verfassung und den
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Einmalzahlungen bisher nicht zum Ausdruck gebracht.
Ich will Ihnen, Herr Kollege Schemken, und Ihrer
Fraktion die Antwort nicht schuldig bleiben: Ja, die Verfassung hat für uns einen so herausragenden Stellenwert!
Deshalb nehmen wir die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ernst und ziehen die erforderlichen politischen und fachlichen Konsequenzen daraus, auch wenn
es unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung erheblich belastet und wenn es unsere Handlungsspielräume zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, die Sie uns
hinterlassen haben, einschränkt.
Dies steht ganz im Gegensatz zu den Tricksereien und
Taschenspielereien, mit denen Sie sich zur Zeit Ihrer Regierungstätigkeit um Ihre Verantwortung gegenüber der
Verfassung und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
gedrückt haben.
Ich will dies den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland und Ihnen noch einmal in aller Klarheit vor Augen
führen: Am 11. Januar 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist, dass die Regierung Helmut Kohls über ein
Dutzend Jahre lang Beiträge auf Weihnachtsgelder, Urlaubsgelder und Sonderzahlungen einzieht, den Beitragszahlern aber dann die kalte Schulter zeigt, wenn der
Notfall eintritt, für den sie ihre Versicherungsbeiträge gezahlt haben. Und was tut die damalige Koalition? Sie kassiert zwei weitere Jahre in aller Ruhe ab und erlässt dann
ein neues Gesetz, das dieselbe verquere Rechtslage unter
neuen Paragraphennummern fortschreibt.
({0})
Ich will ausdrücklich - ich war selbst dabei - auch
noch einmal an die Adressen des Kollegen Schemken und
anderer sagen: Wir haben schon damals in der Anhörung
gesagt, dass das, was neu geregelt werde, verfassungswidrig sei. Daraufhin ist uns mitgeteilt worden: Das können wir ja erst einmal sehen. Wir machen es jetzt so und
dann geht es seinen Weg. Dann werden wir schon sehen,
was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt.
Ich halte es für etwas zynisch, Herr Schemken, wenn
Sie uns dann vorwerfen, wir hätten die Folgen Ihrer verfassungswidrigen Haltung unmittelbar nach der Regierungsübernahme 1998 beseitigen sollen. Sie werfen uns in
Verkennung der Situation dann auch noch Versäumnisse
hinsichtlich verfassungswidriger Vorschriften vor. Dies
halte ich für ein tolldreistes Stück.
({1})
Auf diese Unterstellung will ich eingehen: Wir haben
nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir es für verfassungswidrig halten, Einmalzahlungen beim Arbeitslosengeld und beim Krankengeld nicht zu berücksichtigen. Die jetzige Bundesministerin der Justiz, die Kollegin
Hertha Däubler-Gmelin, hat Ihnen das schon damals, als
wir noch in der Opposition waren, in aller Deutlichkeit gesagt, als es um die Beratung Ihres Gesetzentwurfes im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ging. Konsequent hat die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht in ihrer Stellungnahme zu den dort laufenden Verfahren mitgeteilt, dass sie eine gesetzliche
Neuregelung vorschlagen wird.
Wahr ist aber auch, dass dieses Parlament in der ersten
Hälfte dieser Wahlperiode ein unglaubliches Arbeitspensum geleistet hat und noch leistet, um all die Probleme zu
beseitigen, die über Jahre ungelöst Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland belastet haben.
({2})
Schritt für Schritt lösen wir den Reformstau auf, der
Deutschland national wie international zurückgeworfen
hat. Wir haben viele Projekte eingeleitet und zu einem
guten Teil auch bereits erfolgreich abgeschlossen. Wir
müssen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir nicht alle
drängenden Probleme sofort lösen können, die sich in
16 Jahren zuvor aufgebaut haben.
Auch mit dem vorliegenden Vorhaben setzen wir unseren Weg der Konsolidierung der Haushalte, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zu mehr Verteilungsgerechtigkeit fort. Ich bitte Sie ausdrücklich, diesem
Gesetzentwurf zuzustimmen. Mit dem In-Kraft-Treten
erhält, wer Beiträge zur Sozialversicherung für Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld entrichtet, entsprechend
höhere Versicherungsleistungen aus der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das heißt: mehr Gerechtigkeit für Empfänger von
Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Krankengeld und Verletztengeld.
Das ist der F.D.P., meine Damen und Herren, schon
wieder zu viel an Gerechtigkeit. Wen wundert es? Der
Herr Abgeordnete Niebel - ich sehe ihn leider nicht ({3})
hat hier so locker, wie man nur dann sein kann, wenn man
keine Verantwortung trägt, verkündet, es sei die bessere
Lösung, auf die Beiträge für Einmalzahlungen zu verzichten.
({4})
Das klang, als Sie noch mitregieren durften, ganz anders.
({5})
Die frühere Kollegin Gisela Babel hat das in der zweiten
und dritten Lesung Ihres damaligen Gesetzentwurfes am
18. Oktober 1996 sehr überzeugend vorgetragen:
Ein Herausnehmen der Einmalzahlungen aus den
Beiträgen führt zu Einnahmeausfällen in Höhe von
25 bis 30 Milliarden DM. Das ist gerade in jetziger
Zeit nicht auszugleichen.
Der Position von Frau Kollegin Babel von damals habe
ich heute überhaupt nichts hinzuzufügen.
({6})
Leider - das ist sozialpolitisch natürlich bedauerlich können wir die Ungerechtigkeiten, die unsere Vorgänger
hinterlassen haben, nur begrenzt ausgleichen. Die nach
wie vor viel zu hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Kosten lassen es nicht zu, Leistungen für die
Vergangenheit über das verfassungsrechtlich gebotene
Maß hinaus nachzuzahlen.
Aber wir haben dafür gesorgt, dass vom Tage der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an bei der Bundesanstalt für Arbeit alle laufenden
Leistungsfälle pauschal und damit unbürokratisch erhöht
wurden. Wir wollten den verfassungswidrigen Zustand
nicht beibehalten, bis dieses Gesetzgebungsverfahren
abgeschlossen wird.
Wir sind damit bei allen Beteiligten auf Wohlwollen
gestoßen. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich bei der
Bundesanstalt für Arbeit, bei der Selbstverwaltung und
dem Präsidenten, und bei den Mitarbeitern der
Arbeitsverwaltung, die diese pauschale Regelung ganz
schnell technisch umgesetzt haben.
Rückwirkend hat uns das Bundesverfassungsgericht
aufgegeben, all jene Betroffenen zu berücksichtigen, deren Leistungen noch nicht bestandskräftig beschieden waren. Selbstverständlich ist es unbefriedigend und bedrückend, dass wir nicht auch allen anderen Arbeitslosen
rückwirkend ein höheres Arbeitslosengeld gewähren können. Die Haushaltslage lässt eine solche Lösung aber
nicht zu. Wir müssten sonst zulasten der Arbeitslosen von
heute und morgen drastisch in die Instrumente der aktiven
Arbeitsmarktpolitik eingreifen, was wir nicht wollen.
Deswegen will ich hier noch einmal ausdrücklich sagen: Das, was wir mit diesem Gesetzentwurf machen, entspricht voll dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
und ist im Rahmen des verfassungsmäßig Machbaren
verantwortbar. Ich werbe ausdrücklich für die Lösung, die
wir mit diesem Gesetzentwurf eingebracht haben.
Herzlichen Dank.
({7})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, bevor ich den nächsten Redner aufrufe,
will ich das Ergebnis der letzten namentlichen Abstimmung mitteilen, der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache
14/4823.
Abgegebene Stimmen 549, mit Ja haben gestimmt 51,
mit Nein haben gestimmt 498. Der Entschließungsantrag
ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 549;
davon
ja: 51
nein: 498
Ja
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun ({0})
Ernst Burgbacher
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Jürgen Koppelin
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Winfried Wolf
Nein
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({1})
Klaus Barthel ({2})
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({3})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({4})
Bernhard Brinkmann
({5})
Hans-Günter Bruckmann
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner ({6})
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({7})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({8})
Lilo Friedrich ({9})
Harald Friese
Anke Fuchs ({10})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({11})
Angelika Graf ({12})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({13})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({14})
Walter Hoffmann ({15})
Iris Hoffmann ({16})
Frank Hofmann ({17})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({18})
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({19})
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({20})
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({21})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({22})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({23})
Jutta Müller ({24})
Christian Müller ({25})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({26})
Gerhard Neumann ({27})
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({28})
Birgit Roth ({29})
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer ({30})
Ulla Schmidt ({31})
Silvia Schmidt ({32})
Dagmar Schmidt ({33})
Wilhelm Schmidt ({34})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({35})
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
({36})
Brigitte Schulte ({37})
Volkmar Schultz ({38})
Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({39})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl ({40})
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Reinhard Weis ({41})
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen ({42})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({43})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({44})
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({45})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({46})
Marieluise Beck ({47})
Volker Beck ({48})
Angelika Beer
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Joseph Fischer ({49})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller ({50})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({51})
Werner Schulz ({52})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Nun rufe ich den Kollegen Heinz Schemken, CDU/
CSU-Fraktion auf.
Herr Präsident!
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, wenn man einem anderen schon einen Fehler nachweisen kann und wenn Sie feststellen, dass Sie schon bei
der seinerzeitigen Anhörung anderer Meinung waren,
dann kann ich nicht verstehen, dass man zwei Jahre lang
regiert, ohne diesen Fehler zu korrigieren.
({0})
Aber es kommt noch schlimmer: Dass man dann das Ergebnis der erneuten Anhörung zu dem vorliegenden Gesetz ignoriert und jetzt etwas beschließt, was von vornherein wieder darauf hinausläuft, für verfassungswidrig
erklärt zu werden, und auch Unsicherheiten und Widersprüche auslöst, kann ich erst recht nicht verstehen.
({1})
In der letzten Anhörung haben uns alle Beteiligten egal, ob es die Vertreter der Gewerkschaften, der Sozialversicherungsträger, der Wirtschaft oder des Handwerks
waren - eindeutig darauf hingewiesen, dass das, was Sie
beschlossen haben, eine Ungleichbehandlung darstellt
und dass dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt werden wird.
Präsident Wolfgang Thierse
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({2})
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({3})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
({4})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({5})
Peter H. Carstensen ({6})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer ({7})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dr. Gerhard Friedrich ({8})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({9})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther ({10})
Gottfried Haschke ({11})
Hansgeorg Hauser ({12})
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Karl A. Lamers ({13})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({14})
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann ({15})
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({16})
Erwin Marschewski ({17})
Dr. Martin Mayer ({18})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller ({19})
Elmar Müller ({20})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Norbert Otto ({21})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard ({22})
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth ({23})
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({24})
Andreas Schmidt ({25})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze ({26})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl ({27})
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({28})
Gerald Weiß ({29})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({30})
Hans-Otto Wilhelm ({31})
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
Das Senken der Bemessungsgrundlage für die
Beiträge der Arbeitslosenhilfeempfänger reißt ein
weiteres Loch in die Kassen der ohnehin schon gebeutelten Krankenversicherungen. Das gilt im Übrigen auch für
die Pflegeversicherung. Hier entsteht ein Loch von
400 Millionen DM. Dadurch werden die Rücklagen der
Pflegeversicherung belastet und zu einer fragwürdigen
Größe, und das, obwohl es dringend notwendig ist, die
Pflege insbesondere um Leistungen für Demenzkranke zu
ergänzen. Warum erwähne ich das? Ich erwähne das, weil
Sie den eigentlich wichtigen Fragen, die mit dieser eher
unbedeutenden Gesetzesinitiative zusammenhängen, wenig Beachtung geschenkt haben. Mit diesen möchte ich
mich jetzt beschäftigen.
Zur Finanzierung der durch längerfristige Arbeitslosigkeit entstehenden Kosten in der Arbeitslosenversicherung, für die eigentlich der Bund verantwortlich ist, werden - das ist unsolide - die durch die Neuregelung der
geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erzielten zusätzlichen Einnahmen verwendet.
Übrigens, Herr Staatssekretär, ein Wort zum Aufwuchs
bei den Arbeitsplätzen: Der Bundesfinanzminister hat
soeben davon gesprochen, dass 1998, 1999 und 2000 insgesamt 1 Million neuer Arbeitsplätze entstanden seien.
Man muss gerechterweise hinzufügen, dass ein Teil dieser neuen Arbeitsplätze, etwa 400 000, 1998, also
während der Zeit der Vorgängerregierung, geschaffen
worden sind.
Zurück zu den Krankenkassen: Nach den Berechnungen der Krankenkassen reichen die Mehreinnahmen in
Höhe von 1,2 Millionen DM, die sie aufgrund der Umschichtung zulasten der Arbeitslosenversicherung haben,
nicht einmal annähernd aus, um dem Desaster in der
Krankenversicherung entgegenzuwirken. Angesichts der
Tatsache, dass die Krankenkassen 1999 nur knappe Überschüsse aufweisen konnten, müssen weitere Belastungen
der Krankenkassen automatisch zu Beitragssatzerhöhungen führen, die unvermeidlich sein werden. Dies zeigt die
defizitäre Bilanz für das Jahr 2000 schon jetzt.
Die ungerechte Behandlung bei den rückwirkenden
Zahlungen des Krankengeldes widerspricht jeglichem
Vertrauensschutz. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger hatten in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass ein Widerspruch gegen Krankengeldbescheide zur Wahrung etwaiger Ansprüche aufgrund der
Verfassungsbeschwerde nicht notwendig ist. Öffentlich
wurde von den Krankenkassen verkündet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Beitragserhebung für das Krankengeld auf gleichgelagerte
Sachverhalte anzuwenden. Auf diesen Beschluss haben
sowohl die Sozialversicherungsträger als auch das Bundesarbeitsministerium - Herr Staatssekretär Andres, daran möchte ich Sie erinnern - die Versicherten immer
wieder hingewiesen. Darauf haben sich die Versicherten
verlassen. Nun wird das Vertrauen erschüttert und das
Wort erneut gebrochen.
Zudem wird mit der geplanten Änderung des § 44
SGB X ein grundlegender Pfeiler unserer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsordnung zerstört. Nach der Kernaussage dieser Vorschrift sind die Interessen der Bürger
gegenüber der Bestandskraft von Verwaltungsakten vorrangig.
Abzulehnen sind auch die Regelungen - wir alle haben
noch die glanzvollen Ausführungen der Koalitionsfraktionen anlässlich der gerade erfolgten Verabschiedung des
Haushalts vor Augen -, mit denen ab dem Jahr 2001 die
Kosten vom Bund auf die Bundesanstalt für Arbeit verlagert werden.
Es gibt keine sachliche Begründung dafür, dass die
Finanzierungsgrundlage für die Strukturanpassungsmaßnahmen geändert werden soll. Die finanzielle Beteiligung des Bundes war und ist unserer Meinung nach
insbesondere dadurch begründet, dass diese Maßnahmen
die Arbeitslosenhilfeempfänger einbeziehen. Deshalb
muss das sich daraus ergebende Risiko im Bundeshaushalt durch allgemeine Steuern abgedeckt werden.
Daran vermag auch die beabsichtigte Änderung des § 274
des SGB III, die Sie hiermit umsetzen wollen, wonach
künftig Arbeitslosenhilfeempfänger nur noch in angemessenem Umfang einbezogen werden sollen, nichts zu ändern. Es wäre sachlich und politisch nicht zu rechtfertigen, Arbeitslosenhilfeempfängern den Zugang zu
Strukturanpassungsmaßnahmen mit der Begründung zu
verschließen, dass sich der Bund nicht mehr an der Finanzierung beteiligt. Vielmehr ist es so, dass er sich seiner Verantwortung für diese Finanzierung entzieht.
Ebenfalls nicht gerechtfertigt ist die Übertragung der
finanziellen Lasten - das darf ich auch noch einmal feststellen - für das Langzeitarbeitslosenprogramm auf die
Bundesanstalt für Arbeit und damit auf die Beitragszahler.
({32})
Bei dieser Maßnahme handelt es sich nämlich - da müssten Sie sich eigentlich ans Portepee fassen lassen - um ein
Bundesprogrammm. Die Erfolge des Sonderprogramms
zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit rechnen Sie
sich selbstbewusst und lauthals zu; von daher dürfen auch
die Kosten für dieses von Ihnen aufgelegte Programm
nicht auf die Beitragszahler abgewälzt werden.
({33})
Das Nachholen von Schulabschlüssen oder anderen Abschlüssen zu ermöglichen ist eine allgemeine staatliche
Aufgabe; zu deren Finanzierung können nicht die Beitragszahler verpflichtet werden. Hiermit wird zugleich
auch Ihre Aussage aufgekündigt, ein Programm für die
jungen Menschen aufzulegen; jetzt geht es nämlich in eine
völlig andere Richtung. Dieses Sonderprogramm - da stehen Sie im Wort - ist durch Steuern zu finanzieren.
Ich weise auf weitere Sanierungstricks auf Kosten der
betroffenen Beitragszahler hin: 1,7 Milliarden DM macht
das bei Strukturanpassungsmaßnahmen aus, 750 Millionen DM beim Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose,
400 Millionen DM bei der Absenkung des Pflichtversicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher,
({34})
1,2 Milliarden DM bei der Absenkung des Krankenversicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfebezieher,
535 Millionen DM bei der Absenkung des Rentenversicherungsbeitrages für Wehr- und Zivildienstleistende und 4,1 Milliarden DM bei der Absenkung des
Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosenhilfeempfänger,
({35})
und zwar zum Schaden von Leuten, die eh schon in Zukunft nur eine geringe Rente bekommen. Arbeitnehmer
und Arbeitgeber sollen nun auch noch das JUMP-Programm mit 1,4 Milliarden DM finanzieren.
Die Abgabe der Verantwortung für diese finanziellen
Lasten zugunsten des Bundeshaushalts an andere - auf
diese Weise kann man gut aus anderer Leute Leder
Riemen schneiden - tragen wir nicht mit. Die
Sozialversicherungssysteme sind durch diese Mehrbelastung in Höhe von rund 10 Milliarden DM in gravierender
Weise betroffen, weil dieses Geld dann in der Tat die
Beitragszahler aufzubringen haben.
Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler - das
sollten wir uns auch einmal ehrlich und offen eingestehen
und es den Bürgern draußen mitteilen -, die zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zwangsläufig höhere Beiträge zu zahlen hat, sollte eigentlich darauf vertrauen können
({36})
- das sage ich hier ausdrücklich, lieber Karl-Josef
Laumann -, dass der Staat so gerecht handelt, dass die
Beiträge dann gesenkt werden, wenn sich die Situation
auf dem Arbeitsmarkt, wie es jetzt der Fall ist, entspannt.
Kollege Schemken,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laumann?
Bitte schön, Herr
Laumann.
({0})
Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Herr Kollege
Schemken, Sie haben eben sehr eindrucksvoll dargestellt,
welche Lasten zugunsten des Bundeshaushalts den Sozialversicherungen aufgebürdet werden sollen.
({1})
Können Sie mir denn auch bestätigen, dass die Absenkung der Zahlungen für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe in die Rentenversicherung für einen Arbeitslosen
bedeutet, dass er im Jahr statt eines Rentenanspruchs von
39 DM Rente nur noch einen Anspruch von 15 DM erwirbt und dass man durch die Verschiebung bei den Zivildienstleistenden dafür sorgt, dass ein Zivildienstleistender demnächst dann, wenn er Rentner ist, 100 DM
weniger Rente hat, weil der Staat die Rentenversicherungsbeiträge für Zivildienstleistende gekürzt hat? Wie
beurteilen Sie als sozialpolitisch erfahrener Mann eigentlich eine solche Tat gerade gegenüber den jungen Leuten,
die einen schweren Dienst in Altenheimen verrichten?
({2})
Herr Kollege
Laumann, ich hatte soeben schon darauf hingewiesen: Die
Wirkung dieses Eingriffs in eine bisher gesetzlich festgelegte Regelung trifft natürlich den, der ohnehin nur mit einer geringen Rente zu rechnen hat und im Grunde am
Rande des Existenzminimums liegt. Aber eigentlich hätten wir beide das auch außerhalb besprechen können,
({0})
weil es natürlich, meine Damen und Herren von der Koalition, im Kontext Ihrer Rentenphilosophie und Ihrer
Rentenpolitik liegt, für immer mehr Menschen immer
weniger Rente zu sichern. Das ist der Gesichtspunkt, der
uns in den nächsten drei Monaten auch noch beschäftigen
wird.
Ich kann Ihnen dies also nur voll bestätigen, es ist so,
und wir werden dies für unseren Teil auch nicht zulassen.
({1})
Ich habe bereits auf den Zusammenhang hingewiesen,
dass wir dann, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht, ein
Nachdenken über die Senkung von Beiträgen erwarten,
nicht aber die Finanzierung von Fremdleistungen. Im
Hinblick auf die Bewertung der Fremdleistungen haben
Sie in den vergangenen zehn Jahren immer kritisiert, insbesondere seit der Wiedervereinigung, dass Fremdleistungen nicht in die Sozialversicherungssysteme hineinpassen. Sie buckeln hier um und packen das auf die
Schultern der Beitragszahler.
Wir sind der Meinung, Beiträge müssen gesenkt werden. Das schafft Spielräume in den Betrieben, das schafft
Spielräume für Investitionen, und Investitionen bringen
Arbeitsplätze.
({2})
Wir haben auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen, auch
bei den Haushaltsberatungen, haben entsprechende Anträge gestellt, aber auch auf diesem Hintergrund und weil
Sie in diesem Gesetz die Bundesanstalt für Arbeit mit
2,34 Milliarden DM mehr belasten, sehen wir keine Möglichkeit, diesem Gesetz zuzustimmen. Sie waren nicht bereit, unseren Empfehlungen zu folgen, und deshalb lehnen
wir dieses unsoziale Gesetz ab.
Schönen Dank.
({3})
Ich erteile der Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich vielleicht doch noch einmal kurz auf
das Gesetz eingehen, über das wir hier zu beraten haben.
Ich hoffe, dass aus meiner Fraktion keine Zwischenfragen
gestellt werden.
({0})
Lieber Herr Schemken, was Sie gerade als Begründung
dafür, dass Sie diesem Gesetz nicht zustimmen werden,
gesagt haben, wundert mich dann doch, weil es ja um etwas geht, was wir in unserer Regierungsverantwortung
jetzt heilen, obwohl schon in Ihrer Regierungszeit vorauszusehen gewesen war, dass es eindeutig verfassungswidrig war.
Möglicherweise kann man noch anderer Meinung darüber sein, wie man das heilen soll. Die F.D.P. hat ja dazu
auch einen entsprechenden Vorschlag gemacht, auf den
Herr Andres eingegangen ist. Ich will dem noch ein anderes Argument hinzufügen.
Wenn man auf die Beiträge verzichtet hätte, dann
wären das nicht nur Einnahmeverluste gewesen, von denen ich finde, dass wir sie uns nicht leisten können, weil
den Leistungen natürlich auch Beiträge gegenüberstehen
müssen. Es hätte auch dazu geführt, dass selbstverständlich bestimmte Lohnzahlungen auf Weihnachtsgeld und
Urlaubsgeld verschoben worden wären, um eben auch
auf Arbeitgeberseite Sozialbeiträge zu sparen. Ich
glaube, das kann nicht der Sinn eines solchen Gesetzes
sein.
({1})
Zu den 400 000 Arbeitsplätzen, von denen Sie gesprochen haben und die im Jahr 1998 geschaffen worden
seien, würde ich Sie gern an etwas erinnern, worauf ich
mich als Ostdeutsche gut besinnen kann: Dabei hat es sich
im Wesentlichen um Wahl-ABM gehandelt und nicht um
echte arbeitsmarktpolitische Erfolge.
Damit bin ich auch bei einem anderen Punkt, den dieser Gesetzentwurf enthält, nämlich bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die wir fortsetzen, weil wir sie
sinnvoll finden. Das gilt beispielsweise für Strukturanpassungsmaßnahmen, die ja dazu führen, dass das häufig benutzte Karussell von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - jemand kommt in eine solche Maßnahme, arbeitet
sich ein, und wenn er es dann kann, muss er schon wieder
aufhören - durchbrochen wird. Ich finde diese Maßnahme
sinnvoll. Deswegen sollte sie auch fortgesetzt werden.
Ebenso sinnvoll finde ich, dass wir bei den Zuschüssen
für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dafür sorgen,
dass auch Träger, die keine oder nur eine sehr geringe Finanzkraft aufweisen, solche Maßnahmen anbieten können. Das gilt insbesondere für die Wohlfahrtsverbände,
für kleine Vereine im Umweltbereich oder auch für Kirchengemeinden. Diese sinnvollen Regelungen, die Sie
angeregt haben, werden wir fortsetzen.
Der eigentliche Erfolg unserer Politik ist auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Darüber haben Sie leider nur
wenig gesagt. Das gilt besonders für die Beitragsbelastung, die wir senken. Inzwischen zeigt sich auch, wie wir
gestern gehört haben, in Ostdeutschland ein Erfolg auf
dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist der entscheidende
Punkt.
Sie haben gesagt, wir hätten die Anhörung nicht ernst
genommen. Sie wissen aber, dass auch von der Koalition
Änderungsanträge gestellt wurden, gerade weil wir das,
was auf der Anhörung gesagt wurde, ernst genommen haben. Ich erwähne beispielsweise die Erörterung der Frage,
ob die Einmalzahlungen rückwirkend auf individueller
oder auf pauschaler Basis berücksichtigt werden. Wir haben uns nach der Anhörung und nach den Versicherungen
der Kassen, der bürokratische Aufwand sei nicht so hoch,
dafür entschieden, eine individuelle Regelung zu treffen.
Im Gesetzentwurf war ursprünglich eine pauschale Regelung vorgesehen, weil wir befürchtet hatten, dass sonst ein
extrem hoher bürokratischer Aufwand droht.
Ich glaube, die Regelung auf individueller Basis ist der
richtige Weg, weil wir damit Ungerechtigkeiten - auch
Überzahlungen - vermeiden und auf diese Weise dafür
sorgen, dass die Menschen das bekommen, was ihnen zusteht. Diese Regelung ist vertretbar; denn die Spitzenverbände der Kassen haben uns gesagt, der bürokratische
Aufwand sei nicht so hoch, wie wir ursprünglich angenommen haben. Sie können also sicher sein, dass wir das,
was in der Anhörung gesagt wurde, sehr ernsthaft ausgewertet haben.
Wir haben das umgesetzt, was uns - eigentlich müsste
man sagen: Ihnen - durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil vorgegeben wurde. Sie sollten in Zukunft bei
Ihren Stellungnahmen zu Urteilen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen, dass wir bei der Umsetzung von Urteilen den Grundsatz beachten müssen,
dass nicht neue Ungerechtigkeiten entstehen. Das gewährleisten wir mit diesem Gesetz. Ich bitte Sie um Ihre
Zustimmung.
Vielen Dank.
({2})
Nun hat der Kollege
Heinrich Kolb, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst an
Herrn Staatssekretär Andres wenden, der wie so viele
Kollegen aus der rot-grünen Koalition jede Rede damit
beginnt, es sei alles so furchtbar schrecklich, was er von
uns übernommen hat.
({0})
Herr Kollege Andres, Sie müssen sich schon entscheiden,
ob Sie regieren wollen oder nicht.
({1})
Ich habe gestern schon einmal gesagt: Eine Erbschaft umfasst Soll und Haben; das eine gehört dazu wie das andere.
Über die 100 Milliarden DM aus dem Verkauf der UMTSLizenzen haben Sie sich ja auch nicht beschwert. Wenn
Sie nicht regieren können, dann sagen Sie es dem Volk.
Wir stehen bereit, die Regierung von Ihnen wieder zu
übernehmen.
({2})
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber
die Wahl gelassen, entweder die Einmalzahlungen, auf die
Beiträge erhoben wurden, bei der Gewährung von Leistungen zu berücksichtigen oder aber die Einmalzahlungen
von Sozialversicherungsbeiträgen freizustellen. Das
Letztere hätte zwar die Wirkung, dass die Einnahmen der
Sozialkassen geringer sind.
({3})
Dafür aber - das ist aus unserer Sicht ein ganz entscheidender Punkt, Frau Dückert - hätten die Arbeitgeber geringere Lohnzusatzkosten und die Arbeitnehmer netto
mehr Geld in der Tasche als bisher.
({4})
Keiner würde auch nur einen Pfennig weniger an Leistung
bekommen als bisher. Auch hätte die Arbeitslosenversicherung keine einzige Leistung einschränken müssen.
Aus unserer Sicht wäre dies die sachgerechtere Lösung
gewesen. Wir bedauern sehr, dass Sie sich mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht für diese Lösung, sondern
für den anderen Weg entschieden haben.
Ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie behaupten,
Ihre Lösung sei günstiger als die andere. Im Gegenteil:
Dass die andere Lösung nicht sinnvoll ist, ist von Ihnen
nie geprüft oder rechnerisch nachgewiesen worden.
Jetzt liegt Ihr Gesetzentwurf zur Neuregelung auf
dem Tisch. Man muss sich schon fragen, warum nur diejenigen rückwirkend in den Genuss der Leistungsausweitung kommen sollen, die gegen ihre Bescheide Widerspruch eingelegt haben. Viele Bürger haben sich auf
die Informationen der Krankenkassen oder ihrer Gewerkschaftsvertreter verlassen, dass letztlich für alle gesorgt sein wird. Jetzt aber sollen diejenigen, deren Bescheid schon bestandskräftig ist, leer ausgehen.
Man kann nun mit dem Kollegen Schemken darüber
streiten, ob das verfassungswidrig ist oder nicht. Aber eines ist klar: Es ist auf jeden Fall ungerecht, dass Beziehern
von Kranken-, Verletzten- oder Übergangsgeld, die dafür
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, keine Nachzahlungen gewährt werden. Das heißt, die Bürger in diesem Lande kommen nicht auf ihre Kosten, sondern bleiben auf ihren Kosten sitzen. Das ist alles andere als sozial
gerecht. Hier werden mal wieder nach altem Muster finanzielle Lasten vom Bundeshaushalt auf die Beitragszahler abgewälzt. Dies werden wir nicht mitmachen.
Im Übrigen ist alles Mögliche in diesen Gesetzentwurf
hineingestopft worden. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
werden trotz ihrer Ineffektivität beibehalten. Dafür soll
der steuerfinanzierte Anteil für diverse arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, zum Beispiel für Strukturanpassungsmaßnahmen, wegfallen. Das heißt, diese Programme werden ebenso wie die Kosten für die Fortsetzung des
Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit
und für das Langzeitarbeitsprogramm in den Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit verschoben, und zwar zulasten
der Beitragszahler und zum Preis höherer Lohnnebenkosten. Abgesehen davon wird diesem Hohen Hause dadurch die Kontrolle über diese Mittel entzogen. Auch damit sind wir in keinem Falle einverstanden.
Sie geben mit diesem Gesetz das falsche Signal. Es gibt
keinen Anreiz für mehr Beschäftigung. Im Gegenteil:
Durch zusätzliche Belastungen werden jegliche Anreize
im Keim erstickt. Sie nähern die Transferleistungen den
Arbeitseinkommen wieder einmal weiter an. Deswegen
ist dieser Gesetzentwurf beschäftigungsfeindlich und
gehört in den Papierkorb.
({5})
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Gerd Andres das Wort.
Ich möchte nur eine
kurze Antwort auf die Bemerkung von Herrn Kolb geben,
dass wir uns entscheiden müssten, ob wir regieren wollen
oder nicht. Ich kann Ihnen frohen Herzens sagen, dass ich
gerne regiere. Das ändert aber überhaupt nichts an der Tatsache, dass wir viel Müll wegräumen müssen, den Sie uns
hinterlassen haben.
Ich möchte es wiederholen: Als Sie damals noch in der
Koalition waren, haben Sie von den Menschen jahrelang
Beiträge gefordert, ohne ihnen eine entsprechende Leistung zu gewähren. Das ist verfassungswidrig - das hat das
Bundesverfassungsgericht bestätigt - und das beenden
wir mit diesem Gesetz.
({0})
Kollege Kolb, Sie
können erwidern.
Mit Blick auf die Zeit
nur wenige Sätze: Sie reden bei jeder Gelegenheit davon,
dass Sie die Lohnnebenkosten senken wollen. Hier hätten
Sie die Gelegenheit gehabt, die Beitragszahler zu entlasten. Diese Chance haben Sie nicht genutzt. Deswegen haben Sie hier zu Recht Schelte und Prügel bezogen.
Ich erteile der Kollegin Pia Maier, PDS-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Disput zwischen Herrn Kolb und Herrn
Andres hat mir noch einmal deutlich gemacht, warum mir
eine rot-grüne Bundesregierung doch ein wenig lieber ist
als die letzte. Herr Andres hat zumindest gesagt, dass es
ihm Leid tut, dass er nicht alles so regeln kann, wie er es
gerne möchte, weil es zu viel Geld kostet; dazu werde ich
Ihnen natürlich auch noch einen Vorwurf machen. Herrn
Kolb hingegen geht das, was jetzt geregelt worden ist, immer noch nicht weit genug.
Es ist immerhin ein Fortschritt in der Beratung des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes, dass jetzt auch die
CDU/CSU und die F.D.P. verstanden haben, was verfassungsgemäß ist und was nicht. Ich denke, damit haben
Sie, werte Bundesregierung, zumindest einen Bildungsauftrag erfüllt. Dafür herzlichen Dank.
({0})
Herr Andres hat durchaus bedauert, dass die Altfälle
nicht besser geregelt werden können. Ich fürchte, dass die
Betroffenen selber für eine entsprechende Regelung sorgen werden. Sie haben natürlich das Recht, dagegen zu
klagen und das Ganze noch einmal vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. So kann auch für diejenigen
eine ordentliche Lösung herbeigeführt werden, denen die
Spitzenverbände gesagt haben: Ihr braucht nicht zu klagen, der Gesetzgeber wird das regeln. Es gibt einen Vorbehalt, der die Betroffenen schützt. Ich fürchte, Sie werden nicht darum herumkommen, die Fälle noch einmal
aufzurollen und dies im Sinne der Betroffenen zu regeln.
({1})
Der zentrale Punkt meiner Kritik an dem Gesetzespaket ist aber, dass Sie die Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger von der Neuregelung explizit ausnehmen. Arbeitslosenhilfe wird von Ihnen richtigerweise
als Sozialleistung definiert, bei der Berrechnung der Arbeitslosenhilfe aber werden, Einmalzahlungen nicht
berücksichtigt, weil - das steht in der Begründung zum
Gesetzentwurf - kein Anreiz dafür geschaffen werden
soll, in der Arbeitslosenhilfe zu bleiben. Dadurch entsteht
natürlich für die Betroffenen die Situation, dass beim Bezug von Arbeitslosengeld die Einmalzahlungen berücksichtigt werden, während sich nach dem Abstieg in die Arbeitslosenhilfe die Bemessungsgrundlage ändert. Ein
solches Vorgehen widerspricht dem gesunden Menschenverstand und jeglichem Gerechtigkeitsempfinden.
({2})
- Frau Barnett, Sie widersprechen mir. Ich habe den Gesetzentwurf aber gelesen und ihn so verstanden; mir ist im
Ausschuss auch nicht widersprochen worden. Auch in den
Anhörungen ist deutlich geworden, dass Sie die Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger deutlich anders
behandeln.
({3})
- Ja, es wird anders finanziert, aber das ändert nichts an
der Tatsache, dass eine solche Ungleichbehandlung für
den Betroffenen nicht nachvollziehbar ist.
({4})
- Es gibt nicht nur die Beitragsgerechtigkeit, sondern
auch ein natürliches Gerechtigkeitsempfinden. Ich finde,
Sie hätten in diesem Punkt etwas großzügiger sein können.
({5})
Zum Abschluss: Es ist gut, dass Sie die Dauer der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die mit diesem Gesetz verbunden sind, verlängern. Es ist aber schade, dass
Sie die Finanzierung von Maßnahmen, die eigentlich in
der Verantwortung aller Menschen stehen, auf die Schultern der Beitragszahler verlagern. Das wäre nicht notwendig gewesen. Die Bundesanstalt für Arbeit könnte die
Mittel aus den Beiträgen auch für andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sinnvoll einsetzen. Sie haben aber
mit dem vorliegenden Haushalt bereits vollendete Tatsachen geschaffen.
Danke.
({6})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Franz Thönnes, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes werden wir mehr Beitragsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Verfassungsgerechtigkeit herstellen.
({0})
Die Arbeitslosen- und die Krankengeldbezieher erhalten endlich die Ihnen im Verhältnis zu ihren Beiträgen zustehenden Lohnersatzleistung. Die soziale Ungerechtigkeit der alten Bundesregierung wird korrigiert; es lag ein
zweimaliger Verstoß gegen das Verfassungsrecht vor. Das
Bundesverfassungsgericht - wir haben es gehört - hat
am 21. Juni 2000 und bereits 1995 entschieden, dass die
von Ihnen verabschiedeten Regelungen verfassungswidrig sind. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts ist
eindeutig:
Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschätzung der künftigen Entwicklung bei den Lohnersatzleistungen waren schon zum Zeitpunkt der Gesetzesberatungen keine hinreichenden Anhaltspunkte
vorhanden.
Unsere Koalition macht jetzt mit der verfassungswidrigen
Benachteiligung von Arbeitslosen und Kranken Schluss.
({1})
Damit wird auch eine weitere sozial ungerechte Hinterlassenschaft der alten Regierung beseitigt.
Die Bundesregierung hat unverzüglich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehandelt. Bereits seit Juli dieses Jahres ist durch eine unbürokratische
Pauschalregelung das Arbeitslosen- und Unterhaltsgeld
angehoben worden. Zudem gibt es eine Pauschalzahlung
in Höhe von 10 Prozent für die Alt- und Übergangsfälle.
Ab dem 1. Januar 2001 wird es eine individuelle Berechnung geben. Damit ist klar geregelt: Einmalzahlungen
wie Weihnachts- und Urlaubsgeld werden sich leistungserhöhend auf die Lohnersatzleistungen auswirken. Das
gilt für das Arbeitslosengeld, das Unterhaltsgeld, das
Krankengeld, das Übergangsgeld und das Verletztengeld.
Dadurch steigen die Lohnersatzleistungen um circa 8 Prozent. Das ist eine Stärkung des Versicherungsprinzips.
Beitragsgerechtigkeit und Verfassungsgerechtigkeit werden hier wieder hergestellt.
({2})
Tun Sie nicht so, als hätten wir die Äußerungen in der
Anhörung überhört. Wir haben den Vertretern der Krankenkassen sehr gut zugehört. Wir sind auf ihre Anregungen eingegangen. Wir haben zur Kenntnis genommen,
dass eine individuelle Berechnung nach hinten sehr viel
leichter für sie möglich ist. Wir haben geregelt, dass die
nicht bestandskräftigen Altfälle einbezogen werden. Wir
haben von der Pauschalregelung Abstand genommen.
Sich nun hierhin zu stellen und zu sagen, wir sollten die
Beiträge senken, ist etwas verlogen. Der Bundesanstalt
für Arbeit entstehen bereits im Jahr 2000 Mehrkosten von
2,4 Milliarden DM. Im Jahr 2001 werden die Mehrkosten
bei 3,7 Milliarden DM liegen und in den Folgejahren bei
3 Milliarden DM. Würde man rückwirkend alle Ansprüche befriedigen, wären 18 Milliarden DM aufzuwenden. Hätten Sie nicht diese Fehler gemacht, hätte Sie nicht
gegen die Verfassung verstoßen, gäbe es Spielraum, die
Beitragssätze um 0,25 Prozent zu senken. Wir müssen
jetzt Ihre Lasten abtragen. Deswegen ist es unverschämt,
wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen, wir müssten die Beiträge senken.
({3})
Abschließend will ich auf die beschäftigungsfördernde Komponente hinweisen, die mit dieser gesetzlichen Regelung verbunden ist. Wir haben die Situation,
dass im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahmen nur
bis zum 31. Dezember 2002 eine Förderung mit Lohnkostenzuschüssen möglich ist. Mit der Verlängerung dieser
Regelung bis zum Jahr 2006 schaffen wir die Möglichkeit, eine verlässliche und verstetigte Arbeitsmarktpolitik
für die Länder, die Kommunen und die Träger der Beschäftigungsmaßnahmen herzustellen. In den neuen Ländern wird sich diese Regelung positiv auswirken. Allein
dort haben bereits im September gut 90 000 Menschen in
dieser Beschäftigungsform gearbeitet.
Das Gleiche gilt für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Auch diese Regelungen verlängern wir, und zwar bis zum
31. Dezember 2002. Damit tragen wir dazu bei, dass auch
weiterhin ein Lohnkostenzuschuss bis zu 100 Prozent des
Arbeitsentgeltes gewährt werden kann.
Ebenso wichtig ist die gleichzeitige Verlängerung der
Regelung des Anspruchs auf Struktur-Kurzarbeitergeld in
Verbindung mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Arbeitslosigkeit und Weiterbildung werden
hier sinnvoll miteinander verbunden. Dies dient der Beschäftigungssicherung und dazu, dass Menschen wieder
in den Arbeitsmarkt kommen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich an die Bemerkung
von Frau Maier erinnern. Frau Maier, die Arbeitslosenhilfe ist steuerfinanziert;
({4})
Da es keine „13. Beitragsleistung“ gibt, ist es falsch, hier
zu fordern, es müsse eine Gegenleistung geben.
Ich fasse zusammen: Wir schaffen Beitrags- und Verfassungsgerechtigkeit. Wir schaffen Verlässlichkeit und
Planbarkeit in der Arbeitsmarktpolitik. In Richtung F.D.P.
sage ich: Wir stärken das Vertrauen in die bewährten sozialen Sicherungssysteme in Deutschland.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines EinmalzahlungsNeuregelungsgesetzes, Drucksachen 14/4371, 14/4409 und
14/4743.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
auf Drucksache 14/4859 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
des Zivilprozesses
- Drucksache 14/4722 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten die ZPO-Novelle heute zum zweiten Mal in
erster Lesung. Dass wir das zum zweiten Mal tun, ist die
Erklärung für die kurze Beratungsdauer und für den Zeitpunkt, an einem Freitagnachmittag.
Vor gut vier Monaten, vor der Sommerpause, haben
wir die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs zum ersten
Mal durchgeführt. Der Gesetzentwurf war von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden. Damals ist viel über
den Inhalt, aber auch über das Verfahren gesagt worden.
Wir fanden es etwas merkwürdig, mit welchen Worten
ausgerechnet die CDU/CSU-Opposition das Vorgehen,
den Gesetzentwurf doppelt - einmal seitens der Koalitionsfraktionen und einmal seitens der Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen, geißelte.
Wir haben das Doppelverfahren vor vier Monaten gewählt, um die Zeit für öffentliche Diskussionen erheblich
zu verlängern. Die Richtigkeit dieses Vorgehens war völlig klar; das zeigt sich auch jetzt.
Dieses Vorgehen entspricht der von uns eingeführten
Praxis, die Transparenz der Gesetzgebung in der breiten
Öffentlichkeit, also nicht allein gegenüber den Verbänden, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, zu verbessern. Dieses Ziel haben wir dadurch zu erreichen versucht, dass wir den Referentenentwurf und
weitere Entwürfe zur unmittelbaren öffentlichen Diskussion nicht nur versandt, sondern auch ins Internet gestellt
haben.
Wir haben die vergangenen vier Monate außerordentlich gut genutzt. Wir haben mit allen diskutiert, die dazu
bereit waren - mit Menschen, die nicht der Auffassung
sind, dass persönliche Injurien oder irgendwelche parteitaktisch motivierten Zurückweisungen Sachargumente
ersetzen -, und zwar sehr häufig, in sehr vielen Veranstaltungen: mit Richterinnen, Richtern, Anwältinnen, Anwälten, Verbänden, Einzelnen, Gerichten. Die Diskussion
wird in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am kommenden Mittwoch weitergehen.
Lässt man einmal alle persönlichen Angriffe und auch
die parteitaktisch - häufig hört man den Begriff „strategisch“ - gemeinten Überlegungen unberücksichtigt, dann
zeigt sich Folgendes sehr klar: Es gibt eine Menge
Übereinstimmungen und einiges, worüber wir weiterhin
diskutieren müssen.
({0})
Es gibt Übereinstimmungen darüber, dass es höchste Zeit
ist, auch die Justiz zu modernisieren. Wer meint, er könne
aus irgendwelchen Gründen vermeintlicher Liebedienerei
einen Wettlauf „nach hinten“ starten, der erweist der
Justiz überhaupt keinen Dienst.
({1})
Wer das tut, der muss wissen, dass die Justiz den Anschluss an die Arbeit und an die Aufgaben des 21. Jahrhunderts nur dann halten kann, wenn sie bereit ist, sich zu
modernisieren. Die Justiz kann ihre wichtige Rolle in unserem demokratischen und sozialen Rechtsstaat nur behaupten, wenn alle, Gerichte, Bund und Länder, die Modernisierung gemeinsam vorantreiben. Wir tun das.
Ich möchte einige ganz wichtige Felder nennen, auf denen ich sehr viel sachliche Gemeinsamkeit sehe. Es handelt sich nicht nur um die Tatsache, dass modernisiert
werden muss; vielmehr geht es auch darum, dass die
bisherige justizpolitische Debatte insbesondere die Amtsgerichte sträflich vernachlässigt hat.
({2})
Uns liegen heute folgende Zahlen vor: Durchschnittlich 1,5 Millionen Menschen klagen vor dem Amtsgericht. Die Klagen sind nicht etwa immer einfach und unkompliziert, auch wenn ihr Streitwert bei weniger als
10 000 DM liegt. Vor dem Amtsgericht treffen die Kläger
selbstverständlich auf Einzelrichter - nicht etwa auf Kammern -, die im Jahr zwischen 600 und 700 Fälle zu lösen
haben, schwierige wie einfache. - Die Möglichkeit der
Berufung in diesem Bereich ist sehr viel stärker eingeschränkt, als es ansonsten der Fall ist. - Die Richterinnen
und Richter eines Landgerichts - es handelt sich zu einem
Teil um Einzelrichter, zum anderen Teil entscheiden
Kammern -, die für Klagen ab einem Streitwert von
10 000 DM in erster Instanz zuständig sind - diese Fälle
sind keineswegs immer schwieriger als die mit einem geringeren Streitwert -, haben 170 Fälle im Jahr zu bearbeiten.
Manchen mag das nicht stören. Wir sagen: Das wirkt
sich für die große Zahl der Recht suchenden Bürgerinnen
und Bürger und für die Amtsrichterinnen und Amtsrichter
negativ aus. Es gibt zu wenig Zeit für das Gespräch, es
gibt zu wenig Zeit für die Schlichtung. Dies muss sich ändern. Deshalb stärken wir das Amtsgericht.
({3})
Wir werden und wollen - darin gibt es viel Übereinstimmung - die Möglichkeiten der Berufung beim Amtsgericht verbessern.
Wir halten das Prinzip des Einzelrichters für vernünftig, übrigens nicht nur beim Amtsgericht, sondern auch
beim Landgericht und bei den anderen Instanzen. Dass
wir hier viel weniger weit gehen als Sie in den Gesetzentwürfen, die Sie eingebracht haben, meine Damen und
Herren von der Opposition, will ich nur am Rande bemerken.
An der Ersetzung der Streitwertrevision durch eine erweiterte Grundsatz- und Divergenzrevision gibt es,
glaube ich, nicht viel zu kritisieren. Lassen Sie mich es
noch einmal sagen: Wir halten auch die Zusammenführung der Berufungen bei den Oberlandesgerichten für
richtig. All die Bedenken, die hier so unglaublich polemisch geäußert werden, gibt es da, wo die Berufungen zusammengeführt werden, überhaupt nicht: weder bei den
Familiengerichten, noch im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit, noch bei den Arbeitsgerichten, den Sozialgerichten
oder den Verwaltungsgerichten.
({4})
Lassen Sie uns die Zeit nutzen, jetzt über Sachpunkte
zu diskutieren. Mit Injurieren oder Polemik beindrucken
Sie niemanden; diejenigen, die wissen, dass modernisiert
werden muss, am wenigsten. Damit verabschieden Sie
sich nur aus der eigentlichen Sachdiskussion.
Ich möchte dies sehr deutlich sagen: Die Justiz kann
ihre Rolle als tragender Pfeiler, als dritte Gewalt in unserem sozialen und demokratischen Rechtstaat nur erhalten,
wenn sie modernisiert wird. Und Zusammenarbeit wäre
mir allemal lieber als dieses Hickhack, das in dieser wichtigen und grundlegenden Frage veranstaltet wird.
Herzlichen Dank.
({5})
Nun hat der Kollege
Norbert Röttgen, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über
die so genannte Justizreform dauert jetzt ziemlich genau
ein Jahr.
({0})
In diesem Jahr der intensiven Diskussion hat es, wie das
bei keinem anderen rechtspolitischen oder juristischen
Thema in vergleichbarer Weise festgestellt werden kann,
ein eindeutiges und einhelliges Ergebnis gegeben. So etwas ist unter Juristen eigentlich gar nicht vorstellbar. Es
hat in der Fachwelt eine flächendeckende und totale Ablehnung gegeben.
({1})
Es geht hier nicht um parteitaktische Überlegungen.
({2})
- Es geht hier auch nicht um Geld. - Meine Damen und
Herren, nehmen Sie es doch endlich zur Kenntnis: Die
Richter in unserem Land lehnen diese Reform ab.
({3})
Die Anwälte in unserem Land lehnen diese Reform ab.
({4})
Die Rechtswissenschaft lehnt diese Reform ab.
({5})
Der Deutsche Juristentag - die Justizministerin war anwesend, ich auch; es waren nur wenige von Ihnen da lehnt diese Reform ab.
({6})
Die Wirtschaftsverbände lehnen diese Reform ab. Die
Verbraucherverbände lehnen diese Reform ab. Der Bundesrat lehnt diese Reform ab.
({7})
Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen
ist auch nicht für diese Reform. Die Stellungnahmen aus
der Anhörung liegen vor. Es gibt keinen Sachverständigen, auch nicht von denen, die von Ihnen benannt worden
sind, der sagt: So, wie es vorgelegt ist, wollen wir das. Es
gibt eine flächendeckende, totale Ablehnung dieses Vorhabens. Nehmen Sie das zur Kenntnis!
({8})
Wer ist eigentlich für Ihre Reform? Welche Zeugen aus
der Fachwelt können Sie aufführen? Es geht doch um die
Diskussion in der Fachwelt. Einige von Ihnen waren auf
dem Juristentag. Sind Sie denn taub, meine Damen und
Herren?
({9})
Entscheidend ist ja nicht, dass Sie diese Ablehnung erfahren haben. Es kann einmal passieren, dass ein Vorschlag in der Sache in der Fachwelt eine totale Ablehnung
erfährt. Es geht vielmehr um den neuen Stil in der Rechtspolitik seit 1998; das sage ich sehr ruhig und besorgt auch
im Namen meiner Fraktion. Dieser Stilwandel besteht
darin, das die Bundesjustizministerin noch nicht einmal
im Ansatz dazu bereit ist, auf diese Einwände einzugehen.
Ich bestreite gar nicht, dass Sie diskutieren. Sie diskutieren; aber Sie hören nicht zu und nehmen die Kritik nicht
auf.
({10})
Sie erweisen sich als absolut argumentationsresistent.
({11})
Bedauerlich ist, dass das nicht nur in diesem Bereich so
ist. Es ist leider typisch für die Rechtspolitik Ihrer Bundesregierung; es ist der neue Stil der Rechtspolitik. Sie
peitschen das Gesetz zur Homosexuellenehe durch den
Rechtsausschuss.
({12})
Die überwiegende Anzahl der Sachverständigen war dagegen, aus unterschiedlichen Gründen.
({13})
Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden ignoriert;
Sie peitschen das Gesetz durch.
Sie schaffen es, eine Mietsrechtsreform vorzulegen,
die sowohl auf den entschiedenen Widerspruch der Mieter wie der Vermieter stößt. Sie schaffen es, ein Urhebervertragsgesetz in die Diskussion zu bringen, das sowohl
bei den Autoren wie bei den Verlagen auf Protest stößt. Sie
drohen jetzt damit, das Schuldrecht, ein Herzstück des
Bürgerlichen Rechts, mit einer Generalüberholung übers
Knie zu brechen. Auch in diesem Fall wurde aus der
Rechtswissenschaft starker Widerstand angekündigt.
Es ist bezeichnend, dass das wichtigste justizpolitische
Vorhaben der Bundesjustizministerin am Freitagnachmittag als letzter Tagesordnungspunkt einer langen und anstrengenden Haushaltswoche platziert wird. Das sagt
doch alles aus.
({14})
Sie wollen die Öffentlichkeit meiden. Sie scheuen die Öffentlichkeit und wissen auch, warum: weil Sie schwach in
der Sache sind.
({15})
Wenn diese Debatte einen Sinn machen soll, lieber
Herr Hartenbach - da wende ich mich an Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen, an die Kolleginnen und Kollegen
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie an die
Kolleginnen und Kollegen von der PDS -,
({16})
dann besteht sie in dem Appell an Sie: Hören Sie auf damit, nur zu sagen: Wir haben die Mehrheit, ihr die Argumente.
({17})
Ich appelliere wirklich - ich sage das in ruhigem Ton, weil
ich es wirklich ernst meine -: Kehren Sie zur argumentativen politischen Auseinandersetzung in der Rechtspolitik
zurück! Unsere Bitte an Sie ist, diesen Boden wieder zu
betreten.
({18})
Ich will jetzt diese Auseinandersetzung in der Sache
führen. Verehrte Frau Justizministerin, ich fand den allgemeinen Charakter Ihrer Formulierungen ausgesprochen
bemerkenswert. Sie sind gar nicht auf die konkreten
Punkte eingegangen.
({19})
All das, was konkret diskutiert wird, haben Sie mit allgemeinen Formulierungen zu überdecken versucht. Wir
müssen konkret über die Sache reden. Dass Sie das nicht
tun, ist das, was Ihnen vorgeworfen wird. Aber ich werde
es gerne tun.
Die Etikette, mit denen Sie diese Reform versehen, lauten: Bürgernähe, Transparenz und Effizienz. Ich frage Sie
und die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, ob Sie
der Auffassung sind, dass die Verlagerung der Berufungszuständigkeit an die wenigen, weiter entfernt
liegenden Oberlandesgerichte mehr Bürgernähe bringt.
({20})
Ist die Justiz näher bei den Bürgerinnen und Bürgern oder
entfernt sie sich von ihnen, wenn Sie die Zuständigkeit
auf die wenigen, zentralen Oberlandesgerichte in den
Flächenstaaten reduzieren und konzentrieren? Es ist weniger Bürgernähe; das ist doch unbestreitbar.
({21})
Es macht die Justiz im Übrigen teurer, wie Ihnen alle Landesjustizminister vorgerechnet haben.
({22})
Ich frage Sie: Ist es bürgernah, wenn die Berufung als
zweite Tatsacheninstanz grundsätzlich abgeschafft werden soll? Ist es bürgernah, wenn der Bürger seine Sache
nicht mehr mündlich vortragen kann? Ist die Konsequenz,
die dies haben wird, bürgernah, dass man nämlich in der
Berufung nicht mehr über die Sache redet, sondern über
die Formalien, über die Einhaltung des Verfahrens, dass in
der Berufung nicht der Beweis erhoben, sondern darüber
geredet wird, ob er in erster Instanz verfahrensfehlerfrei
erhoben worden ist? Fördert das die Akzeptanz der Justiz
oder ist das Gegenteil der Fall? Das Gegenteil ist der Fall!
({23})
Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen: Führt es zu mehr Transparenz im zivilgerichtlichen Verfahren, wenn zukünftig die Möglichkeit
besteht, dass die Bürger - ohne mündliche Verhandlung schriftlich beschieden werden, dass über ihre Sache nicht
mehr verhandelt wird, ohne dass sie die Gelegenheit haben, in die mündliche Verhandlung zu kommen und für
ihre Sache zu streiten?
Sie bekommen einen schriftlichen Bescheid mit dem Inhalt: Verehrter Bürger, über deine Sache sprechen wir
nicht mehr. - Ist das Transparenz? Ist das Bürgernähe? Es
ist das glatte Gegenteil davon!
({24})
Sie von den Grünen, die einmal ein bürgerrechtliches
Selbstverständnis hatten, sollten sich gut überlegen, wie
Sie sich in dieser Frage verhalten.
({25})
Ich frage auch: Ist es effizient, wie Sie das Verfahren
organisieren? Sie sehen Folgendes vor: Zuerst kommt die
Berufungssache zum Senat des Oberlandesgerichtes.
Der gesamte Senat muss sich dann mit der Frage beschäftigen, ob er die Berufung zurückweisen muss. Wenn er
dieser Auffassung ist, muss er darüber die einzelnen Parteien informieren und den Berufungsführer über die
Gründe informieren, warum der Senat gedenkt, diese Berufung zurückzuweisen.
({26})
Dann nimmt der Berufungsführer dazu Stellung. Er nutzt
Fristen aus. Es geht also Zeit ins Land. Dann kommt die
Stellungnahme an den Senat zurück. Der Senat muss erneut zusammentreten und sich damit beschäftigen. Nach
einem Zeitverlust von mehreren Monaten kommt er dann
zu dem Ergebnis: Die Sache können wir nicht zurückweisen; sie wird dem Einzelrichter übertragen.
Das ist die Effizienzvorstellung, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt. Dies ist absurd, praxisfern und ohne
jede Kenntnis von den Problemen des Justizprozesses. Sie
sollten diese Argumente nicht mit Floskeln übertünchen,
sondern den Menschen reinen Wein einschenken.
({27})
Ich frage Sie weiterhin: Ist es bürgernah, wenn Sie mit
diesem Gesetzentwurf den Bürgern das Recht abschneiden, mit ihrem Einzelfall vor den BGH zu treten?
({28})
Sie sagen: Bürger, du darfst nur noch vor den BGH treten,
wenn du behauptest, deine Sache diene der Rechtsfortbildung.
({29})
Was antworten Sie eigentlich dem Bürger auf seine Frage:
„Was heißt hier Rechtsfortbildung? Ich habe doch nichts
mit Rechtsfortbildung zu tun; ich will das Recht nicht
fortbilden; ich will es nur haben?“
({30})
Nach dem, was Sie vorhaben, muss ihm dann geantwortet werden: Dann wirst du nicht gehört.
({31})
- Lieber Herr Stünker, wissen Sie eigentlich, wie viel Prozent der Revisionsfälle Zulassungsberufungen oder
Streitwertrevisionen sind? 99 Prozent der Fälle beruhen
auf der Streitwert-, auf der Annahmerevision. Die alle
wollen Sie beseitigen. Die kommen nicht mehr vor. Sie
schaffen den Bundesgerichtshof, das oberste deutsche Zivilgericht, als eine Instanz ab, die der Einzelfallgerechtigkeit dient. Das oberste Prinzip der Justiz ist es, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen.
({32})
Ich stelle als Letztes fest: Die Aushöhlung des Rechtsmittelsystems - das wird auch gar nicht bestritten; es
wird ja immer gesagt, das alles seien Kröten, die wir
schlucken müssten ({33})
führt nicht nur zur Schwächung der Rechtsmittelinstanzen, sondern unweigerlich und notwendigerweise auch
zur Schwächung der ersten Instanz, und zwar aus zwei
Gesichtspunkten: Erstens ist das Vorhandensein einer umfassenden effektiven Kontrolle in den oberen Instanzen
ein Instrument der Qualitätssicherung der erstinstanzlichen Entscheidung. Richter, die wissen: „Wir haben eine
effektive, umfassende Kontrolle“, bemühen sich auch.
Denn sie wissen, dass da noch einer über ihnen steht und
kontrolliert, was getan worden ist. Das ist ein Instrument
der Qualitätssicherung.
Gemäß Ihrem neuen Modell werden zweitens die Anwälte - denn die erste Instanz ist ja im Grunde genommen
der einzige Schuss, den man hat, um zum Erfolg zu kommen; die Berufung wird in vielen Fällen abgeschnitten,
und die Revision ist gesetzlich gar nicht mehr möglich -,
eine relativ strenge Haftungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Kopf habend, erstinstanzlich alles vortragen,
({34})
weil sie keinen Haftungsfall produzieren wollen. Sie werden alles vortragen; ob dies unbedingt sachdienlich ist, ist
die Frage.
({35})
Die Richter werden bemüht sein, ihre Sache berufungsfest zu machen. Sie werden alles dokumentieren.
Denn wenn man nicht dokumentiert, ist die Sanktionsfolge, dass es nicht verfahrensfehlerfrei war, und das ist
das einzige Nadelöhr, um überhaupt in die Rechtsmittelinstanz zu kommen.
Das wird ohne jeden Zweifel zu einer Aufblähung, zu
einer Verlangsamung des erstinstanzlichen Verfahrens
führen. Sie werden die Amtsrichter mit noch mehr Verantwortung belasten. Alles wird länger dauern.
({36})
Herr Kollege Röttgen,
Sie bekommen nicht noch mehr Redezeit. Sie haben Ihre
Redezeit schon deutlich überschritten.
Einen Satz möchte ich
noch anfügen, weil gesagt worden ist, das seien parteipolitische Gesichtspunkte. Ich war in dieser Woche in Köln
auf einer großen Veranstaltung zur Justizreform. Da hat
die offizielle Vertreterin des Landesjustizministeriums
von Nordrhein-Westfalen, die Vertreterin des Justizministers Jochen Dieckmann - dies ist nur ein Beispiel; diese
Frau ist sicherlich nicht parteipolitisch verdächtig ({0})
festgestellt: Das Land Nordrhein-Westfalen ist der Auffassung, dass diese Reform weder praxistauglich noch kostenneutral ist. Das heißt, der Zivilprozess wird teurer und
schlechter. Ziehen Sie deshalb diesen Entwurf zurück, er
ist eine Demontage der funktionierenden Ziviljustiz in
Deutschland.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich erteile das Wort dem
Kollegen Helmut Wilhelm, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Reform des Zivilprozesses ist in erster Linie eine Reform für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
({0})
Die Rechtssuchenden werden von den Neuregelungen
profitieren. Ich betone das deswegen, weil man in den
letzten Monaten - übrigens auch heute wieder - gelegentlich den Eindruck gewinnen konnte, diese Reform
gehe nur die juristischen Verbände, die Anwaltschaft und
die Richterschaft etwas an. So ist es nicht und deswegen
finden wir es gut, dass jetzt auch die Arbeitsgemeinschaft
der Verbraucherverbände einen Kernpunkt unserer Reform ganz besonders lobt: die Stärkung der Eingangsinstanz.
({1})
Dort gerät der Rechtssuchende mit der Justiz zum ersten Mal und - wenn alles gut läuft - auch zum letzten Mal
in Kontakt. Wir müssen deswegen in erster Instanz die
notwendige Akzeptanz herstellen. Nur wenn dort die richtigen Mechanismen greifen, ist die Umgestaltung der Berufungsinstanz in ein Instrument vor allem der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung gerechtfertigt.
Im Amtsgerichtssaal soll der Rechtssuchende zu jedem
Zeitpunkt nachvollziehen können, warum das Gericht
eine Entscheidung trifft und wie es sie trifft. Das ist heute
nicht immer so. Das hat auch etwas damit zu tun, dass der
Amtsrichter rund 700 Verfahren im Jahr zu bearbeiten hat,
({2})
während beispielsweise sein Kollege am Oberlandesgericht nur 75 Fälle pro Jahr auf dem Tisch liegen hat.
Warum Sie diesen Zustand, verehrte Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, seitdem Sie unsere Vorschläge kennen, fortwährend als Idylle verkaufen wollen,
an der nichts, aber auch gar nichts geändert werden muss,
verstehe ich wirklich nicht.
({3})
Mir ist dies auch deshalb schleierhaft, weil ich mir Ihre
alten Gesetzentwürfe zu diesem Thema angeschaut habe.
Sie sollten uns lieber Beifall klatschen, weil wir eine
komplette Reform machen, für die Sie immer nur Bruchstücke auf Lager hatten, wenn Sie nicht ohnehin nur an
der Streitwertschraube gedreht haben.
({4})
Meine Damen und Herren, wir stärken die erste Instanz
qualitativ und personell. In qualitativer Hinsicht erweitern
und präzisieren wir die Hinweispflichten des Gerichts.
Wir erweitern auch die gerichtlichen Anordnungskompetenzen im Hinblick auf die Beibringung von Beweismitteln. Damit fördern wir die Akzeptanz des erstinstanzlichen Urteils bei den Bürgerinnen und Bürgern, übrigens
auch bei denen, die nicht anwaltlich vertreten sind.
({5})
Im Vergleich zum alten Referentenentwurf sind in diesem Regierungsentwurf weitere Verbesserungen vorgenommen worden. Es sind Lücken geschlossen worden;
ich nenne nur die Regelungen über die Arbeitsgerichtsbarkeit. Wir sind auch für weitere gut gemeinte Anregungen und Bedenken an diesem Entwurf durchaus offen. Ich
sage hier ausdrücklich: Die Anhörung im Rechtsausschuss wird keine Schauveranstaltung; sie wird gewissenhaft ausgewertet.
({6})
Ich bin sehr gespannt, ob der eine oder andere Verband
auch offiziell anfangen wird, eine Kompromisslinie zu
entwickeln, oder ob er weiterhin mit altbekannten, uns
nicht voll überzeugenden Argumenten unsere Vorschläge
alternativlos ablehnt. Ich halte es keineswegs für gut,
wenn Verbände meinen, nur wegen ihrer Basis eine harte
Linie fahren zu müssen.
Bei allem Verständnis für ihre Basis habe ich eine
Empfehlung für die Damen und Herren Verbandsvertreter
- Sie können mir glauben, als Grüner verfüge ich durchaus über einschlägige Erfahrungen -: Entwickeln Sie
Kompromisslinien und zeigen Sie uns, dass Ihnen die Modernisierung der Justiz am Herzen liegt!
({7})
Wer allerdings wie Herr Minister Weiß und andere
durch die Lande zieht und dabei ernsthaft behauptet, RotGrün wolle die Amtsgerichte abschaffen, der zeigt, dass
es ihm nicht um die Modernisierung der ZPO, sondern nur
um blanke Parteipolitik geht.
({8})
Für einen konstruktiven Dialog ist das eindeutig der
falsche Weg.
({9})
Nun hat Kollege
Rainer Funke, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! In der Haushaltsdebatte dieser Woche hat die
Bundesjustizministerin auf den angeblichen Reformstau
im Justizbereich hingewiesen. Auf der Suche nach diesem
Reformstau hat sie zunächst das Mietrecht ausfindig gemacht.
({0})
- Ich weiß. Das habe ich schon sehr genau beobachtet. Es
ist gut, dass Sie als Abgeordnete bei der SPD sitzen. Denn
Ihr dauerndes Gerede von der Regierungsbank kann man
normalerweise nicht ertragen.
({1})
Dabei lassen Sie sich, Frau Abgeordnete, eher vom
ideologischen Überbau der Wunschvorstellungen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen aus den
60er- und 70er-Jahren als von möglichen Mängeln im
Justizwesen leiten. In der Tat muss man sich fragen: Was
haut in unserer Justiz nicht hin? Was muss verbessert werden? Wenn dort Mängel vorhanden sind, dann muss man
an sie herangehen und versuchen, diese zu beseitigen.
Sowohl der Ansatz, sich vom ideologischen Überbau leiten zu lassen, als auch der Gedanke, ausschließlich die
Kostengesichtspunkte der Länder zugrunde zu legen, sind
falsch gewählt.
Erstens. Die Justiz eignet sich schon wegen der Haushaltsgröße nicht als Sparschwein der Nation. Innere und
äußere Sicherheit und das Justizwesen sind Kernaufgaben des Staates und dürfen gerade wegen des Funktionierens unseres Gemeinwesens nicht vernachlässigt werden.
Hinzu kommt, dass sich die Justiz gerade im Zivilbereich
zum großen Teil selbst trägt.
Zweitens. Der angestrebte Aufbau des Gerichtswesens
und des Berufungsrechts verkürzen den Rechtsschutz
des Bürgers, da praktisch die zweite Tatsacheninstanz
verloren geht. Was Effizienz und Transparenz angeht, hat
Herr Röttgen schon alles gesagt. Zulasten des Bürgers
wird der Anspruch auf individuellen Rechtsschutz erheblich eingeschränkt.
Rechtsfrieden kann in der Gesellschaft nur entstehen,
wenn dem Bürger hinreichend rechtliches Gehör gegeben
wird. Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung ist in
keiner Weise geeignet, dem Rechtsfrieden in der Gesellschaft zu dienen.
({2})
Er wird deswegen auch aus guten Gründen von allen Verbänden, die im Justizbereich tätig sind - der Anwaltschaft,
der Richterschaft -, und von allen Wirtschaftsverbänden
bis hin zum ADAC abgelehnt. Ich jedenfalls habe keine
positiven Stellungnahmen lesen können. Ich habe mich
mit den Dingen beschäftigt. Es muss doch an irgendetwas
liegen, dass alle Verbände diesen Entwurf ablehnen.
Der Bundesrat hat eine grundlegende Überarbeitung
gefordert.
({3})
Die Einzige, die glaubt, dass eine solche Reform notwendig sei, ist die Justizministerin. Da sie sich nicht ständiger
Kritik ausgesetzt sehen will, versucht sie, das Gesetz im
Eilverfahren durch das Parlament zu bekommen. Heute
dürfen wir eine halbe Stunde über das für Sie so wahnsinnig wichtige Reformgesetz debattieren.
({4})
- Er wird wahrscheinlich in seinem Wahlkreis sein.
In der nächsten Woche soll bereits die Anhörung im
Rechtsausschuss erfolgen. Die Sachverständigen haben
noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem ablehnenden Beschluss des Bundesrates anzusehen. Sie ist jetzt erst versandt worden. Das ist schon ein eigenartiges Verfahren.
Aber Frau Justizministerin,
({5})
ich habe sehr wohl gehört, dass Sie bereit sind, mit uns ins
Gespräch zu kommen. Ich bin wirklich gespannt. Bislang
waren allerdings die Gespräche, die wir im Ausschuss mit
Ihnen führen konnten, wenig effizient. Wenn Sie zu einem
echten Gespräch bereit sind und auch Kompromisse
schließen wollen,
({6})
sind wir dazu bereit.
Vielen Dank.
({7})
Ich erteile der Kollegin Evelyn Kenzler, PDS-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir sogar noch
eine weitere erste Lesung zur Reform des Zivilprozesses,
jetzt allerdings zum Entwurf der Bundesregierung. Aber
auch nach der Diskussion in den letzten Wochen bleibt zu
konstatieren, dass es außer den Initiatoren der Justizreform nur noch wenige Befürworter gibt. Ich halte diese
geringe Akzeptanz angesichts eines so tiefen Einschnitts
in das Prozessrecht für wirklich bedenklich.
({0})
Angesichts der Tatsache, dass diejenigen, die die Reform
umsetzen sollen, eine fast geschlossene Front der Ablehnung bilden, frage ich mich ernsthaft, wie die ZPO-Reform praktisch funktionieren soll.
In der eilig einberufenen Sommerdebatte hatte ich die
Reform in einigen Punkten begrüßt und in anderen Punkten abgelehnt. Frau Ministerin, ich befinde mich jetzt in
einer eigenartigen Situation.
({1})
- Ja, wahrscheinlich wir alle. - Ich bekomme Briefe über
Briefe, in denen ich dringend darum gebeten werde, gegen Ihre Reform aufzutreten. Ich verteidige einerseits Ihre
Reform als überfällig und dringend notwendig,
({2})
kann ihr aber andererseits in der jetzt vorliegenden Form
nicht zustimmen.
({3})
- Das freut mich.
Der Regierungsentwurf hält weiter - ich meine: wider
besseres Wissen - an der Kostenneutralität fest.
({4})
Es wird nicht klargestellt, dass die so wichtige Stärkung
der Eingangsinstanz ohne eine deutliche personelle Verstärkung und damit auch mit deutlich höheren Kosten
nicht erreichbar ist.
({5})
Die Verschiebung von Richterstellen von der zweiten
in die erste Instanz dürfte hier bei weitem nicht ausreichen. Damit ist das Erreichen des begrüßenswerten Ziels
der Justizreform, die Stärkung der Eingangsinstanz, nicht
gesichert. Die Reform kann in dem von uns gewünschten
bürgerfreundlichen Sinne so nicht gelingen.
Im Endeffekt - ich kenne das aus der Justizpraxis werden die Rechtsschutzbeschränkungen bei den Rechtsmitteln bleiben. Wenn nicht zusammen mit den Ländern
in das Fundament der Reform finanziell investiert wird,
bleibt es für die Richter in der ersten Instanz bei der derzeitigen unbefriedigenden materiellen und personellen Situation, allerdings bei deutlich gestiegenen Anforderungen an ihre gerichtliche Entscheidungstätigkeit.
({6})
Dies bedeutet einen höheren Zeitaufwand für jede
mündliche Verhandlung, vertiefte Tatsachenfeststellung,
obligatorische Güteverhandlung und eine stärkere gerichtliche Hinweispflicht.
({7})
Dies sind allesamt gute und vernünftige Vorschläge,
({8})
aber deren Umsetzung ist bei gleich bleibender Arbeitsbelastung einfach nicht zu schaffen.
Wir sind für eine ZPO-Reform und - im Interesse der
Verfahrensstraffung - auch für einen dreistufigen Gerichtsaufbau.
({9})
Die wirklich positiven Vorschläge zur Stärkung der Eingangsinstanz, die unter den jetzigen Bedingungen jedoch
nicht praktikabel sind, wiegen trotz einiger nun erfolgter
positiver Korrekturen die vorgesehenen Rechtsschutzbeschneidungen in der Berufungs- und Revisionsinstanz
nicht auf.
({10})
Ich erteile dem Kollegen Joachim Stünker, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist hier nur noch eine kleine
Runde versammelt. Art, Inhalt und Stil der rechtspolitischen Diskussion über eine Reform des Zivilprozessrechts in den letzten Wochen und Monaten sind in großen
Teilen der Bedeutung, dem Umfang und der Gewichtigkeit der zu lösenden Aufgabe nicht mehr gerecht geworden.
({0})
Was dort teilweise abgelaufen ist, wie sich die Diskussion in Teilen der Fachöffentlichkeit entwickelt hat, war
für mich erschreckend. Dies gilt auch für die Reden der
Kollegen Funke und Röttgen heute hier an dieser Stelle.
({1})
Der Stil ist teilweise geradezu niveaulos geworden.
Was sich die Bundesministerin der Justiz von Teilen der
Fachöffentlichkeit hat sagen lassen und anhören müssen,
hat das Maß des politisch Erträglichen weit überschritten.
({2})
Hier wäre von einigen der lautstärksten Kritiker schon
lange eine Entschuldigung fällig gewesen. Hier war vieles rechtspolitisch einfach nicht mehr seriös.
({3})
Wenn der Kollege Geis mittlerweile die schwierige Arbeit im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages beklagt, liegt das zuallererst daran, dass die Unionsparteien
in diesem Haus ihre rechtspolitische Seriosität aufgrund
ihrer immer noch nicht angenommenen Oppositionsrolle
dem kurzatmigen rechtspolitischen Populismus geopfert
haben.
({4})
Unstreitig gibt es Reformbedarf. Die unbefriedigenden
Zustände in der Ziviljustiz sind nicht ohne Grund in der
Vergangenheit auch von Anwaltsseite heftig beklagt worden. Wer hier plötzlich behauptet, im Zivilprozess stehe
alles zum Besten, der macht sich letzten Endes unglaubwürdig.
({5})
Ich frage mich: Warum ist es nicht mehr richtig, was für
alle ernst zu nehmenden Rechtspolitiker bis gestern noch
an Übereinstimmung gegolten hat?
({6})
Da sagt Steffen Heitmann im Februar 1997, damals noch
Minister in Sachsen:
Im gerichtlichen Verfahren muss die erste Instanz gestärkt werden. Sie darf nicht länger Durchlaufstation
zum Berufungsgericht sein. Mit einer starken ersten
Instanz kann der Rechtszug auf zwei Instanzen beschränkt werden.
Rainer Funke sagte damals bei derselben Veranstaltung:
Das heute sehr differenzierte Rechtsmittelsystem
sollte in seiner Gesamtheit überdacht werden.
({7})
Und sein damaliger Minister Schmidt-Jortzig sagte auf
dem Deutschen Juristentag in Bremen:
Das zentrale Thema der nächsten Legislaturperiode
wird die Justizreform sein. Wir brauchen eine grundlegende, eine wirklich große Justizreform.
Dann stellte er sein Modell vor, nämlich das Modell der
Dreistufigkeit, letzten Endes in wesentlichen Punkten so,
wie heute unser Entwurf aussieht. Das ist Ihre Glaubwürdigkeit.
({8})
Professor Goll, Minister in Baden-Württemberg, sagte
noch im November 1998:
Ich bin für eine Umgestaltung der Berufungsinstanz
schrittweise in Richtung einer Rechtsüberprüfungsinstanz.
({9})
Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal auf
der Zunge zergehen lassen, was Herr Goll noch im November 1998 gesagt hat und was heute alles nicht mehr
gelten soll.
({10})
Zum Schluss noch der Kollege Scholz, der es als Vorsitzender des Rechtsausschusses ja auch nie nötig hat, hier
an den Debatten teilzunehmen. Er sagte in der „FAZ“ am
23. November 1998 - das können Sie alles nachlesen -:
Es muss an den Kern gegangen werden; die Zeit
dafür ist überreif. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit
ist ein dreistufiger Gerichtsaufbau einzuführen. Das
System der Rechtsmittel ist zu ändern; notwendig ist
eine Beschränkung auf eine Tatsachen- und eine
Rechtsinstanz.
Das hat noch 1998, bevor wir unseren Entwurf vorgelegt
hatten, der gute Professor Scholz geschrieben.
({11})
Recht haben sie alle, diese ehrenwerten Rechtspolitiker. Ich frage mich nur, warum das, was sie damals gesagt
haben, heute nicht mehr gelten soll.
({12})
Dahinter steht reiner rechtspolitischer Populismus. Sie
betreiben Fundamentalopposition auf Kosten der Justiz
und der Rechtssuchenden in diesem Land.
Den Gipfel der Heuchelei leisten Sie sich in dieser Diskussion hier im Deutschen Bundestag. Da muss ich Sie
persönlich ansprechen, Herr Röttgen. Sie haben in einer
wirklich polemischen, bösen Rede am 7. Juli, als wir unseren Fraktionsentwurf diskutiert haben, wörtlich gesagt:
Sie verbieten dem Bürger den Mund vor Gericht.
Das ist das Kernanliegen Ihres Vorhabens, das ist Ihr
Kerninstrument. Er soll nichts mehr sagen. Das ist
Rechtspolitik à la Rot-Grün.
({13})
Sie beziehen sich darauf, dass wir eine Regelung im Entwurf haben, nach der Berufungen zukünftig ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden können, wenn
der Senat einstimmig der Meinung ist, das sei ohne Aussicht auf Erfolg.
Sie verschweigen dabei, Herr Röttgen, dass Ihre Fraktion am 8. Dezember 1998 in diesem Haus einen Entwurf
eingebracht hat,
({14})
der im Januar 1999 diskutiert wurde und der bis heute
noch nicht zurückgezogen worden ist. Darin sehen sie einen neuen Paragraphen 519 c vor, der wie folgt lautet:
({15})
In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche
Ansprüche, bei denen der Wert des Beschwerdegegenstandes 60 000 DM nicht übersteigt, ... kann das
Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen, wenn die Berufung nach der Berufungsbegründung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Meine Damen und Herren, das ist Ihre Rechtspolitik.
({16})
Das heißt also: Der Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit beginnt bei Ihnen erst bei einem Streitwert von über
60 000 DM, weil es sich vielleicht dann auch von den Gebühren her eher lohnt. Herr Röttgen, das ist Ihre Rechtspolitik.
({17}) - Dr. Herta Däubler-Gmelin
[SPD]: Peinlich! Doppelzüngigkeit!)
Wenn Herr Geis, der es auch nicht nötig hat, heute hier
zu sein, uns heute Morgen noch über den Ticker mitteilt,
mit der Verstärkung der Einzelrichterentscheidung in
unserem Entwurf sei ein Verlust an Rechtsschutz zu befürchten, dann kann ich Ihnen nur sagen: In die Begründung des Entwurfs, den ich Ihnen eben vorgehalten habe
und den ich sorgfältig studiert habe, schreiben Sie es selber auch hinein. Da haben Sie die Steigerung des Einzelrichtereinsatzes mit 70 Prozent angegeben. Das ist genau
die Zahl, die wir auch erreichen.
({18})
Ich komme sofort zum Schluss. Ich bin der letzte Redner heute Nachmittag.
({19})
- Herr Repnik, lassen Sie das.
Wir werden daher den mit unserem Reformgesetz eingeschlagenen Weg der Modernisierung der ordentlichen
Gerichtsbarkeit fortsetzen: Im ersten Schritt geht es um
die Zivilgerichtsbarkeit, dann um die Strafprozessordnung und schließlich um die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Machen Sie mit bei diesem Vorhaben; denn es gilt der
Satz, den der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes,
Rainer Voss, gesagt hat:
Es müssen vor allem der Wille und die Kraft vorhanden sein, aus dem bestehenden System auszubrechen, anstatt an diesem ständig herumzuflicken.
Seien Sie sicher: Rot-Grün, diese Reformkoalition, hat
diesen Willen und diese Kraft.
Schönen Dank.
({20})
Ich erteile dem Kollegen Röttgen das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass Sie die Replik
nicht gerne hören wollen. Aber ich möchte noch etwas sagen, weil ich persönlich angesprochen worden bin.
Ich stelle erstens, lieber Herr Stünker, fest: Ihre Rede
war eine argumentationsfreie Zone.
({0})
Sie haben wirklich nicht ein einziges Argument für diese
Reform gebracht. Das finde ich bemerkenswert. Offenbar
fällt Ihnen keines ein.
Zweitens - das sage ich ganz sicher auch im Namen der
Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion -: Es
bestreitet niemand, dass es Reformbedarf im Bereich des
Zivilprozesses gibt. Wir sagen nur: Dieser Reformbedarf
ist punktueller Art. Wir legen insbesondere Wert auf die
Stärkung der ersten Instanz. Wir können uns zwar, wie es
der Deutsche Anwaltverein vorgeschlagen hat, durchaus
eine Erweiterung der Befugnisse des Einzelrichters in
der ersten Instanz vorstellen. Aber das muss unerlässlich
und zwingend daran gebunden sein, dass die erstinstanzliche Einzelrichterentscheidung von einem Kollegialgericht in der Berufung korrigiert werden kann. Das halten
wir für ein unerlässliches Junktim. Damit befinden wir
uns in Übereinstimmung mit den Anregungen des DAV.
Wir verweigern uns überhaupt nicht einer Reformdiskussion im Bereich des Zivilprozesses; vielmehr bestätigen wir: Es gibt einen punktuellen Reformbedarf. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Sie können nicht einfach
einzelne Punkte herausgreifen und sie kritisieren. Sie
müssen vielmehr die Konzepte miteinander vergleichen.
Ich stelle noch einmal fest, dass Sie für Ihr Konzept
kein Argument vorgetragen haben. Das ist bezeichnend.
({1})
Ich erteile das Wort zu
einer weiteren Kurzintervention der Kollegin Herta
Däubler-Gmelin.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin vorher
persönlich angesprochen worden. Herr Röttgen, hätten
Sie vorhin in Ihrer Rede deutlich gemacht, wo Sie tatsächlich Reformbedarf sehen, dann wären wir weiter. Mein
Kollege hat Ihnen die Äußerungen von Herrn Eylmann,
Herrn Scholz und von Herrn Schmidt-Jortzig und Zitate
aus Ihrem eigenen Gesetzentwurf vorgehalten, in dem in
der Tat all das steht, was Sie uns vorwerfen. Sie sagen
jetzt, es gebe punktuellen Reformbedarf. Ich schlage Ihnen vor: Lesen Sie im Stenographischen Bericht nach,
was ich heute gesagt habe. Dann werden Sie feststellen,
dass ich Sie auch heute wieder zu einer sachlichen Diskussion eingeladen habe.
Tun Sie eines nicht: Starten Sie keinen Wettlauf um die
Rücknahme von Modernisierungen, nur weil Sie meinen,
dass Sie damit bei einigen Interessengruppen gut ankommen könnten. Das wäre das Schlechteste für die deutsche
Justiz. Wir können uns in der Sache gerne streiten, aber
nur, wenn wir von Ihnen Argumente hören.
Herr Kollege Stünker,
Sie haben das letzte Wort.
Herr Kollege Röttgen, ich
habe Sie in den Auseinandersetzungen im Rechtsausschuss eigentlich sehr schätzen gelernt. Nur, jetzt argumentieren Sie unseriös und unredlich. Sie sollten einmal
die Argumentationskette nachlesen, die ich für die SPDFraktion anlässlich der Einbringung unseres Fraktionsentwurfs am 7. Juli im Deutschen Bundestag dargestellt
und begründet habe.
Ich habe mich heute bewusst mit Ihrer Argumentation
auseinander gesetzt, weil sie, wie gesagt, unredlich ist,
Herr Röttgen. In Ihrem Entwurf nennen Sie die Grenze
von 60 000 DM. Dann sagen Sie: Erst bei einem Streitwert, der darüber liegt, fängt der Rechtsschutz an. Wenn
Sie das verteidigen, dann reden Sie hier pro domo, quasi
als OLG-Anwalt, um es einmal ganz deutlich zu sagen,
Herr Röttgen. Sie wissen, was ich damit sagen will.
Ich bin für eine redliche, sachliche und faire Diskussion über die Einzelpunkte. Deswegen sage ich: Lassen
Sie uns diese Diskussion führen! Bereits in der nächsten
Woche gibt es eine Anhörung. Wir können dann Anfang
des neuen Jahres weiterdiskutieren, in der Sache und zum
Wohle der Justiz und nicht zum Wohle einzelner Interessengruppen.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 14/4722 an den in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. Dezember 2000, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen allen ein freundliches Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.