Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zum Zusammentreffen des Kabinettsausschusses „Neue Länder“ mit
der Sächsischen Staatsregierung am 16. Dezember
1998, Genehmigung des Haushaltsplans der Bundesanstalt für Arbeit für das Jahr 1999 und Zeichnung
des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Ich schlage vor, daß wir anschließend bei
der Befragung in dieser Reihenfolge der Themen vorgehen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Staatsminister beim Bundeskanzler, Rolf Schwanitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie informieren, daß ich heute dem Kabinett einen Bericht über das Zusammentreffen des Kabinettsausschusses „Neue Länder“ mit der Sächsischen
Staatsregierung gegeben habe.
Wie Ihnen noch in Erinnerung ist, hat der Bundeskanzler bereits in der Regierungserklärung die Absicht
der Bundesregierung geäußert, künftig in Zweimonatsabständen in die neuen Länder zu gehen und dort mit
Landesvertretern, mit Landeskabinetten gemeinsam zu
tagen, in der Absicht, bei dieser gemeinsamen Beratung
von Landeskabinetten und Bundesregierung regionale
Probleme, insbesondere die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Situation zu besprechen und die in den
Ländern vorhandenen Probleme einer gemeinsamen Lösung zuzuführen.
Der Bundeskanzler hat auch vor dem Hintergrund,
daß dies eine neue Qualität der Zusammenarbeit und Befassung mit ostdeutschen Angelegenheiten ist, darauf
gedrungen, daß bereits in diesem Jahr eine erste gemeinsame Sitzung zwischen dem Kabinettsausschuß „Neue
Länder“ und einem Landeskabinett der neuen Länder
stattfinden soll.
Es hat bei dem gemeinsamen Treffen des Bundeskanzlers mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten am
24. November dieses Jahres eine Besprechung zu diesem Vorschlag gegeben. Es ist mit den ostdeutschen
Ministerpräsidenten über diesen Vorschlag der Bundesregierung, solche in Zweimonatsabständen stattfindenden gemeinsamen Sitzungen anzuberaumen, Einvernehmen erzielt worden.
Es hat daraufhin die Festlegung gegeben, daß es ein
erstes gemeinsames Treffen mit der Sächsischen Staatsregierung geben soll. Es wird am 16. Dezember in Dresden stattfinden. Es hat Kontakte zwischen dem Bundeskanzleramt und der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen gegeben.
Mit Brief vom 7. Dezember hat der sächsische
Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten
und der Chef der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen,
Staatsminister Günter Meyer, der Bundesregierung Vorschläge für die Tagesordnung dieser gemeinsamen Sitzung unterbreitet. Diese Vorschläge sind heute im Kabinett erörtert worden. Das Kabinett hat sich damit befaßt.
Es hat seinerseits Ergänzungsvorschläge besprochen.
Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es
wird zunächst darum gehen müssen, mit der Sächsischen
Staatskanzlei in Verbindung zu treten, ihr das Ergebnis
der Besprechung des Kabinetts mitzuteilen sowie eine
Endabstimmung in diesem Verfahren zu erzielen.
Auf dieser Grundlage werden dann die Ressorts sowohl in der Sächsischen Staatsregierung als auch in der
Bundesregierung vorbereitet, so daß eine gute und konstruktive und der Problemlösung dienende Befassung
möglich ist. Wir sind sicher, daß dies ein guter Auftakt
wird.
Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr
Staatsminister.
Als erster Fragesteller ist mir der Kollege Nooke gemeldet.
Danke, Herr Präsident.
- Herr Staatsminister, gibt es über den Organisationserlaß vom 27. Oktober 1998 hinaus einen Beschluß des
Bundeskabinetts, daß Sie als Staatsminister für Angelegenheiten der neuen Länder bestellt werden und dieses
Amt ausführen? Wie groß ist Ihre direkte Budgetverantwortung, und wie viele Mitarbeiter sind Ihnen unterstellt?
Herr Kollege, der Organisationserlaß, den Sie angesprochen haben, ist geltendes Recht und ist in Kraft. Damit
ist mir die Beauftragung übertragen worden. Folglich
habe ich hier beispielsweise die Vorbereitung der organisatorischen Dinge auf meinem Tisch.
Die organisatorische Abwicklung im Kanzleramt
wird dem Grundsatz dienen, daß die Zuständigkeiten für
die operativen Regierungsgeschäfte der einzelnen Ressorts in den Ressorts verbleiben. Meine Funktion wird
die einer koordinierenden Tätigkeit sein und natürlich
auch darin bestehen, ostdeutsche Interessenslagen in die
Regierungsgeschäfte einzubringen. Ich habe deswegen
besonderen Wert darauf gelegt, daß in meinem Arbeitsstab die Referate so aufgebaut werden, daß Querschnittsthemen dabei die entscheidende Grundlage bilden. Es werden insgesamt fünf Referate in meinem unmittelbaren Bereich neben meinem persönlichen Stab
aufgebaut.
Es wird damit genau das umgesetzt, was die Regierung in der Regierungserklärung angekündigt hat, insbesondere auch das, was die die Regierung tragenden Parteien im Zusammenhang mit den Wahlauseinandersetzungen angekündigt haben, nämlich die Beauftragtenfunktion vom Kanzleramt aus zu stärken und damit
mehr Möglichkeiten wahrzunehmen, als das in der Vergangenheit in der Beauftragtenfunktion eines beamteten
Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium der
Fall war.
Eine Zusatzfrage.
Noch eine Nachfrage.
Wir hatten hier eine Debatte mit dem Beauftragten für
Angelegenheiten der Kultur und der neuen Medien,
Herrn Michael Naumann, der - wenn er heute die Möglichkeit erhält - zum Staatsminister bestellt werden soll.
Wird es Unterschiede zwischen Ihnen und dem Staatsminister für Angelegenheiten der Kultur und der neuen
Medien geben? Sind Sie dann Dienstvorgesetzter oder
nur Vorgesetzter? Wo ist der Unterschied auszumachen?
Selbstverständlich wird es da Unterschiede geben, die
beispielsweise daraus resultieren, daß ich Mitglied dieses Hauses bin und Staatsminister Naumann nicht. Wir
werden dort, in der Zuständigkeit, was meine Tätigkeit
als Staatsminister beim Bundeskanzler betrifft, die
Funktionen wahrnehmen, was die Möglichkeiten umsetzt, die wir programmatisch vor der Bundestagswahl
angekündigt haben und die wir inhaltlich im Rahmen
der Regierungspolitik - übrigens auch an vielen Punkten, die wir in den letzten Wochen im Haus besprochen
haben - kenntlich machen können.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Werner Labsch.
Herr Staatsminister Schwanitz, ich habe mit Genugtuung und Freude gehört, daß
Sie die ostdeutschen Landesregierungen besuchen werden, um festzustellen, wo die Schwerpunkte der Förderung liegen werden. Ich frage Sie ganz besonders interessiert: Haben Sie in Ihrem Gepäck auch Fragen der
Weiterführung des Braunkohletagebaus, der Rekultivierung seiner Folgen und seiner Altlastenbeseitigung in
der ehemaligen DDR? Wenn ja, dann ist es gut. Dann
hätte ich nur die Bitte, daß Sie diese Fragen nicht nur
mit der sächsischen Regierung, sondern mit allen betroffenen Landesregierungen gleichermaßen besprechen.
Ich kann Ihr Gespräch ein wenig mit Wissen anreichern. Die Sanierungsleistungen im eigentlichen Sinne
nehmen natürlicherweise durch die Umsetzung des
Teils 1 des Verwaltungsabkommens ab; denn im Laufe
der Jahre wird ja etwas erreicht. Aber es ist bisher ein
erheblicher Teil strittig, obwohl es eine Befriedung
durch Übernahme von Leistungen nach Verwaltungsabkommen 2b in VA 1 geben könnte. Das sind Leistungen,
die, zum Beispiel bei dem aufsteigenden Grundwasser,
bisher in VA 2b eingeordnet sind, ebenso der sogenannte Altbergbau. Ich würde Sie bitten, dies zum Gesprächsthema zu machen, aus dem Teil VA 2b die von
mir genannten Leistungen - diese werden nämlich sehr
unterschiedlich finanziert; das ist der Grund - in den
Teil VA 1 mit hineinzubringen und in Dresden vielleicht
einen Rahmen zu bilden beginnen,
Herr Kollege, Entschuldigung, Sie sollten sich vielleicht doch etwas konzentrieren.
Ich habe doch gefragt, ob es
im Gespräch ist.
Ich möchte Sie bitten, sich zu konzentrieren.
Ich bitte Sie also, dies dann
doch mit den übrigen Ländern gemeinsam zu machen.
Meine Frage: Hatten Sie das vorgesehen, Herr Minister?
Wenn nicht, möchte ich Sie bitten, das mit hineinzunehmen.
Herr Abgeordneter, ich bitte um Verständnis dafür, daß
Vizepräsident Rudolf Seiters
wir - ich hatte das eingangs in meinem Bericht auch erwähnt - das Verfahren der Abstimmung der Tagesordnung noch nicht abgeschlossen haben, sondern daß dies
im Verlauf dieser Woche geschehen wird. Ich bitte um
Verständnis dafür, daß ich deswegen jetzt nicht abschließend hier öffentlich erklären kann - auch nicht gegenüber der Sächsischen Staatsregierung -, was dort
Gegenstand sein wird. Das ist vielmehr einfach auch eine Frage des wechselseitigen Verfahrens, dies zu besprechen. Ich will Ihnen aber gern versichern, daß mir
das Problem bekannt ist und daß wir noch in dieser Woche außerhalb der gemeinsamen Sitzung des Kabinettsausschusses „Neue Länder“ und der Sächsischen
Staatsregierung mit den an dem Problem Beteiligten zu
einem ersten Gespräch zusammenkommen werden.
Ich sehe wie auch Sie, daß die Problemlage nicht nur
territorial den Freistaat Sachsen berührt, sondern selbstverständlich auch die anderen ostdeutschen Länder betroffen sind, soweit sie von Sanierungstätigkeit im Zusammenhang mit dem ostdeutschen Braunkohlebergbau
berührt sind. Insofern ist gewährleistet, daß die Bundesregierung sich mit dem Thema befaßt, und ich bin zuversichtlich, daß wir angesichts vieler Befürchtungen,
die mir auch aus dem Kreis der Betroffenen signalisiert
werden, jenseits der Kabinettsausschußsitzung mit der
Staatsregierung, in eine Lösung eintreten werden, die
noch vor der Sitzung liegt.
({0})
Nächster Fragesteller ist der Kollege Jürgen Türk.
Herr Staatsminister, zu der ersten Frage: Wir haben noch in der letzten Legislaturperiode ein Gesetz verabschiedet, um die Investitionszulagen zu verdoppeln und ihre Zahlung zu verlängern.
Meine Frage: Liegt Ihnen schon die Zustimmung der EU
dafür vor, weil hier ja Handlungsbedarf besteht?
Herr Kollege, ich habe bereits anläßlich der Debatte zur
Regierungserklärung kritisiert, daß das Investitionszulagengesetz, das hier in der 13. Legislaturperiode mit einer
großen parlamentarischen Mehrheit verabschiedet worden ist - das war ja ein Gesetzentwurf, der auch von
Teilen der Opposition mitgetragen worden ist -, und die
Frage der Beanstandungen aus der EU öffentlich und
auch durch entsprechende parlamentarische Vorstöße
der alten Bundesregierung nicht einer Lösung zugeführt
worden sind. Sie haben bemerkt, daß wir das Investitionszulagengesetz 1996 dadurch EU-kompatibel machen, daß die dafür notwendigen Änderungen im Zusammenhang mit der Steuergesetzgebung auf den Weg
gebracht worden sind. Dies hat das Parlament bereits
passiert. Es besteht mit der EU Einvernehmen darüber,
daß das Investitionszulagengesetz 1999 nicht beanstandet wird, weil wir Anfang nächsten Jahres eine entsprechende Gesetzesänderung auch zu diesem Bereich machen werden. Auch der Bereich des Fördergebietsgesetzes ist durch eine entsprechende gesetzliche Änderung
im Rahmen der Steuergesetzgebung auf den Weg gebracht, so daß in der Tat grünes Licht und Einvernehmen mit der Kommission bestehen.
Ich gebe Ihnen das
Wort zu einer kurzen Zusatzfrage, möchte aber um Verständnis bitten, daß wir angesichts der Vielzahl von angemeldeten Fragestellern künftig auf die Zusatzfragen
dann doch verzichten.
Vielen Dank.
Herr Staatsminister, Sie wollten ganz schnell ein Förderkonzept auf den Tisch legen. Liegt es in Grundlinien
vor, und beinhaltet diese Förderkonzeption, daß zum
Beispiel Ostdeutschland von der Ökosteuer befreit wird,
und haben Sie auch schon Maßnahmen vorgesehen, um
die Zahlungsmoral zu verbessern?
Herr Abgeordneter, das sind eigentlich drei Fragen.
Aber ich will gerne auf alle drei Punkte kurz eingehen.
Ich bin mir voll darüber im klaren, daß die Frage der
höheren Effizienz der einzelnen wirtschaftsfördernden
Instrumente gegenüber Ostdeutschland nicht schnell innerhalb von zwei Wochen zu lösen ist. Das haben Vertreter der Bundesregierung gegenüber dem Parlament
auch nicht anders erklärt.
Wir werden deshalb nach meinem Dafürhalten in ein
zweistufiges Verfahren einzutreten haben. Wir werden
die wirtschaftsfördernden Instrumente im Jahre 1999
kritisch zu durchleuchten haben hinsichtlich Zielgenauigkeit, Transparenz und Hürden von seiten der Verwaltung, die den Zugang einzelner Unternehmer - nach
meinem Dafürhalten insbesondere im kleinen und mittelständischen Bereich - beeinträchtigen. Weil diese
Diskussion nicht im Januar 1999 abgeschlossen sein
wird, werden wir als neue Bundesregierung dafür Sorge
zu tragen haben, daß bei den Haushaltsberatungen zum
Bundeshaushalt 1999 im Rahmen des von der alten
Bundesregierung eingestellten Förderungskonzeptes
neue Schwerpunkte gesetzt werden, so wie wir sie auch
in der Regierungserklärung deutlich gemacht haben.
Zum Thema Zahlungsmoral will ich noch einmal
ausdrücklich sagen, daß dies für die Bundesregierung
ein wichtiges Thema ist. Es war Hintergrund dafür, daß
der Bundeskanzler bereits in seiner Regierungserklärung
auf dieses Thema Bezug genommen hat. Ich sehe mit
großem Interesse den Initiativen von seiten des Bundesrates entgegen. Die Bundesregierung sieht hier in der
Tat Prüfungs- und Handlungsbedarf im Interesse einer
Sicherung von Zahlungsmoral in Ostdeutschland.
Ich will auch gerne die Gelegenheit zum Anlaß nehmen, um zu sagen, daß die Beeinträchtigung dieser
Zahlungsmoral in Ostdeutschland nach meinem Dafürhalten schon in den letzten eineinhalb Jahren Dimensionen angenommen hat, die in Teilen gerade auch des
mittelständischen und handwerklichen Bereiches den
Glauben an den Rechtsstaat in Frage stellen. Insofern
handelt es sich hier in der Tat um ein dringendes Problem.
Das dritte Thema war die Ökosteuer, wenn ich das
noch richtig in Erinnerung habe. Die die Bundesregierung tragenden Fraktionen haben das Thema Ökosteuer
in dem Wahlkampf 1998 an ganz zentraler Position programmatisch vertreten. Wir haben, wie dies auch die alte
Bundesregierung und die sie damals tragenden Fraktionen vor der Bundestagswahl öffentlich angekündigt haben, die Steuerpolitik mit zu einem Thema der Wahlkampfauseinandersetzung gemacht. Die jetzige Bundesregierung hat eine Legitimation des Wählers, ihre steuerpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Insofern wird
es zu einem ökologischen Steuerreformkonzept kommen, das ein gesamtdeutsches Konzept ist.
Ich will aber ausdrücklich noch einmal bekräftigen,
daß nach wie vor gilt, was der Bundeskanzler in der Regierungserklärung deutlich gemacht hat, nämlich daß die
Strompreisdifferenz zwischen den alten und den neuen
Bundesländern ein Standortnachteil für Ostdeutschland
ist. Ich persönlich werde darauf dringen, daß wir deshalb
zu einer schnellen Lösung kommen. Ich bin zuversichtlich, daß es dort in der Tat zu Bewegung kommt, die
in den letzten Jahren so leider nicht gesehen werden
konnte.
Ich gebe das Wort
Frau Christine Ostrowski.
Herr Staatsminister,
der Ministerpräsident Sachsens hat den Wunsch geäußert, den Bau der Autobahn A 17, Dresden - Prag, in
dieser Kabinettssitzung zu thematisieren. Ich habe eine
Frage zur Finanzierung der Bundesautobahn. Ich frage
Sie, ob Sie die Auffassung des Bundesministers Müntefering teilen, daß die dringlichen Vorhaben, die im Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden sind - dazu
gehört die A 17 -, vorangetrieben werden müssen, und
zwar angesichts folgender drei Tatsachen.
Erstens. Die Autobahn A 17 ist im Bundesverkehrswegeplan mit Kosten in Höhe von 625 Millionen DM
veranschlagt. Die tatsächlichen Kosten betragen
1,3 Milliarden DM. Das heißt, das Nutzen-KostenVerhältnis ist unter ein Maß gesunken, das ihre Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan eigentlich nicht
zuläßt.
Zweitens. Auch eine Privatfinanzierung geht offensichtlich den Bach runter; denn das Gutachten, das noch
durch die alte Bundesregierung auf den Weg gebracht
worden ist und die Verdrängungseffekte bei einer Maut
analysieren sollte, macht eine Maut nicht realisierbar.
Das Ganze ist für einen Privatinvestor nicht finanzierbar.
Drittens. Tatsache ist, daß die sächsische Sozialdemokratie, deren Mitglied Sie sind, zu den schärfsten
Gegnern der A 17 gehörte und noch vor den Bundestagswahlen den betroffenen Bürgern in Briefen versprochen hatte, wenn sie denn die Regierung stellt, sich intensivst gegen die A 17 zu stellen oder sich für eine andere Trassenführung einzusetzen. Teilen Sie die Auffassung Ihres Ministers Müntefering, daß dieses Projekt
unter diesen Bedingungen vorangetrieben werden sollte?
Frau Ostrowski, das Zitat, das Sie angesprochen haben,
steht nach meinem Erinnern - ich habe es jetzt nicht
unmittelbar vor mir liegen, so daß ich auf Ihre Aussage
angewiesen bin - unmittelbar im Zusammenhang mit
der Aussage der Bundesregierung in der Regierungserklärung, daß wir in der Tat ein großes Interesse daran
haben, den Infrastrukturausbau in Ostdeutschland, was
insbesondere die Frage der Verkehrswege und dort in
ganz besonderem Maße die Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ betrifft, zügig voranbringen zu wollen. Das ist
auch meine Auffassung. Ich halte das für einen wichtigen Punkt.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß Detailfragen, die
Sie angesprochen haben, meinerseits nicht einer öffentlichen Erörterung unterzogen werden, bevor wir mit der
Sächsischen Staatsregierung in das Gespräch eintreten.
Das bleibt abzuwarten und erfolgt heute in einer Woche.
Im übrigen war es in den letzten Jahren gute Tradition,
daß sich die Bundesregierung nicht zu Positionen der
Parteien oder von Parteien äußert. Das gilt auch für
Landesverbände und Bezirksverbände von Parteien.
Dieser Gepflogenheit möchte ich mich nicht verwehren.
Die nächste Fragestellerin ist Frau Katherina Reiche.
Herr Staatsminister,
welche Kompetenzen werden im Bundeskanzleramt dafür gebündelt und vor allem wie, um der Aussage in der
Regierungserklärung von Gerhard Schröder, daß der
Aufbau Ost Chefsache ist, gerecht zu werden? In diesem
Zusammenhang würden mich Ihre Zuständigkeiten als
Staatsminister für die Angelegenheiten der neuen Länder über die von Ihnen genannten Koordinierungsaufgaben hinaus interessieren. Wie groß ist Ihr tatsächliches
Budget?
Die Aussage, daß der Aufbau Ost Chefsache ist, bezieht
sich insbesondere - darüber bin ich froh - auf die Tätigkeit des Bundeskanzlers selbst. Ein wichtiges Beispiel
hierfür, das übrigens auch jenseits des Parteibuches die
ungeteilte Zustimmung der ostdeutschen Ministerpräsidenten erfahren hat, sehen Sie in der Absicht, daß der
Kabinettsausschuß „Neue Länder“ künftig dezentral in
Ostdeutschland gemeinsam mit den Landesregierungen
tagen wird. Ich habe großes Verständnis dafür, daß die
ostdeutschen Ministerpräsidenten dies als eine neue
Qualität der Befassung mit ostdeutschen Problemen begreifen. Ich habe in den wenigen Wochen meiner bisherigen Tätigkeit lernen können, daß es schon unter der
alten Bundesregierung einen Ausschuß für Ostdeutschland gegeben hat, der nach meinen Informationen zum
letzten Mal im April 1992 getagt hat und der sich noch
nie in seiner Geschichte, was für das Bundeskabinett alt
in den letzten acht Jahren liegt, zu einer Sitzung in die
neuen Bundesländer aufgemacht hat. Insofern teile ich
die Unterstützung der Ministerpräsidenten: Das ist in der
Tat eine neue Qualität.
({0})
Ich werde dem Kanzler im Rahmen meiner Tätigkeit
so weit zur Seite stehen, wie er dies nicht unmittelbar
selbst ausführen kann. Das wird im wesentlichen drei
Dinge betreffen: Das wird zum ersten künftig, wie auch
bezogen auf den 16. Dezember, die Vorbereitungen der
gemeinsamen Sitzungen des Kabinettsausschusses
„Neue Länder“ mit den Landesparlamenten betreffen.
Dort wird es um konkrete einzelne Projekte gehen. Hierfür bin ich unmittelbar zuständig. Es wird zum zweiten
um die in der Regierungserklärung formulierte Absicht
gehen, ein Aufbauprogramm Zukunft Ost auszuarbeiten,
zu koordinieren. Die koordinierende Tätigkeit wird vom
Bundeskanzleramt bezogen auf die einzelnen Ressorts,
die fachlich die Federführung haben, von meiner Seite
wahrgenommen.
Ich will auch nicht unerwähnt lassen, daß die Entscheidung des Deutschen Bundestages im Gegensatz zur
Strategie der alten Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen während der letzten acht Jahre, einen
Vollausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
einzustellen, natürlich auch meine Tätigkeit besonders
prägen wird. All dies sind Dinge, die in meinen unmittelbaren Bereich fallen.
Nächster Fragesteller ist Dr. Michael Luther.
Herr Staatsminister Schwanitz, ich habe gelernt: Sie sind zum Beispiel
zuständig für die gemeinsamen Kabinettsitzungen und
für andere Fragen der Koordinierung. Meine Frage ist:
Sind Sie auch zuständig für ganz bestimmte Sachfragen?
Mich hat irritiert, daß die Erarbeitung eines Konzeptes
für die Fortführung der Arbeit der BVS federführend im
Bundesfinanzministerium bearbeitet wird. Ich könnte
mir vorstellen, daß zukünftig bestimmte Themenfelder,
deren Inhalt fast ausschließlich die neuen Bundesländer
betrifft, in den Bereich „Aufbau Ost“ fallen. Daher stellt
sich für mich die Frage: Ist daran gedacht, daß auch solche Sachfragen in Ihre Kompetenz fallen?
Herr Kollege Dr. Luther, der Begriff der Koordinierung
ist nicht kompatibel mit dem Begriff der Federführung,
einmal abgesehen davon, daß der Begriff der Federführung kein Begriff ist, der die Bundesregierung in ihrer
Tätigkeit prägt.
Wir haben bereits weit vor der Bundestagswahl am
27. September klargemacht, daß wir eine Zentralstelle
im Bundeskanzleramt schaffen wollen, die nicht die einzelnen Zuständigkeiten für das laufende Geschäft der
Ressorts zentralisiert. In Reflexion auf eine Diskussion
Anfang der 90er Jahre will ich ganz deutlich sagen: Sie
wissen, daß insbesondere die sozialdemokratische Fraktion, aber auch die damalige Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gegenüber der alten Bundesregierung die Schaffung eines Aufbauministeriums gefordert hat. Die alte
Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler
Helmut Kohl und auch unter Ihrer Mitwirkung, denn Sie
gehörten ebenfalls der Fraktion an, die diese alte Bundesregierung getragen hat, waren der Auffassung, daß
eine solche Institution nicht erforderlich ist. Im Gegenteil, man ging davon aus, daß die Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse offensichtlich in drei bis fünf Jahren zu bewerkstelligen sei.
Deswegen ist im politischen Raum die Schaffung eines Aufbauministeriums am Ende der 12. Legislaturperiode verneint worden. Dies ist nicht nur bei Ihnen
- schon damals mit einem klaren Nein -, sondern auch
bei den Sozialdemokraten geschehen. In der 13. Legislaturperiode von 1994 bis 1998 hat es bei der SPD in der
Tat eine Diskussion gegeben, wie das Beauftragtenverhältnis, das die Bundesregierung nach langem Zögern
eingerichtet und einem beamteten Staatssekretär beim
Bundeswirtschaftsminister zugeordnet hat, qualitativ
verbessert werden kann. Das Ergebnis dieser Besprechung hat in die Programmatik, in die Wahlaussagen,
insbesondere auch der Sozialdemokratischen Partei,
Eingang gefunden und wird von dieser Bundesregierung
umgesetzt.
Die Umsetzung macht sich insbesondere an zwei
Dingen fest, die ich ausdrücklich benennen will: zum einen in der Berufung eines Staatsministers hierfür und
zum anderen in der Wahrnehmung der koordinierenden
und nicht der ressortierenden Zuständigkeit.
({0})
Alles andere hieße, die Diskussion der letzten acht Jahre
völlig zu konterkarieren. Ich begrüße ausdrücklich - das
will ich noch einmal sagen; ich glaube, daß das auch im
Ausschuß Ihre persönliche Zustimmung gefunden hat die Tatsache, daß wir künftig ein Beauftragtenverhältnis
haben, das sich nicht nur mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, sondern beispielsweise auch soziale und
rechtliche Fragen behandelt, in die Beauftragsfunktion
integriert. Das stellt eine veränderte Situation gegenüber
derjenigen der letzten Jahre dar; denn die Frage der inneren Einheit hat in der Tat noch mehr Gewicht als die
der wirtschaftlichen Situation.
Nächster Fragesteller ist Dr. Joachim Schmidt.
Herr Staatsminister, die Bundesregierung strebt
weitreichende Änderungen im deutschen Steuerrecht an,
und sie beabsichtigt eine Erhöhung der Energiesteuer.
Welche Auffassung teilen die Bundesregierung und Sie
selbst, Herr Staatsminister, im Hinblick auf die Belastungen der Unternehmen, insbesondere des Mittelstandes, in den neuen Bundesländern, die durch die Einführung der Ökosteuer zustande kommen. Dies gilt ganz
besonders vor dem Hintergrund einer bekanntlich geringen Kapitalausstattung und Liquidität.
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, ich teile die Auffassung
der Bundesregierung - diese haben wir auch in der gesamten Zeit vor der Bundestagswahl deutlich gemacht -,
daß die Einführung einer Ökosteuer vor dem Hintergrund der enormen Abgabenlast, die auch die Unternehmen in Ostdeutschland zu tragen haben, insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmer - Sie
haben es beschrieben -, und die als sehr drückend empfunden wird, ein vordringliches Anliegen ist.
Die letzten acht Jahre der deutschen Einheit waren
dadurch geprägt, daß zu keinem einzigen Zeitpunkt die
Lohnnebenkosten der ostdeutschen Unternehmungen reduziert werden konnten. Im Gegenteil: Sie sind immer
massiv gestiegen, in Teilbereichen, wie Sie wissen, über
das westdeutsche Maß hinaus. Deshalb ist es dringend
erforderlich, daß im Rahmen einer Steuerkonzeption eine Entlastung, eine Absenkung im Bereich der Lohnnebenkosten, organisiert wird. Dies wird mit der ökologischen Steuerreform passieren. Ich will nicht unerwähnt
lassen, daß auch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes in Kombination mit einem Nachfrageschub durch
die große Steuerreform auch aus ostdeutscher Sicht gerade für kleine und mittelständische Unternehmen und
für Handwerker ein ganz zentrales Thema ist.
Wir werden die Befragung der Bundesregierung verlängern. Vor diesem
Hintergrund bitte ich sehr darum, daß die Kolleginnen
und Kollegen kurze Fragen stellen und daß nach Möglichkeit auch kurze Antworten erfolgen.
Ich gebe das Wort Frau Heidi Lüth.
Herr Staatsminister, Ihnen
ist sicherlich bekannt, daß die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, die ja zum Finanzministerium gehört, gegenwärtig insbesondere im
Raum Leipzig umfangreiche ehemalige Bergbaugebiete
veräußert. Können Sie mir sagen, wie der gegenwärtige
Stand der Dinge ist, wieviel schon verkauft wurde und
zu welchen Preisen? Würden Sie sich der Meinung der
Gemeinden anschließen, daß der Ausverkauf dieser
Ländereien Planungsunsicherheit in den Kommunen zur
Folge hat und viele Dinge gegenwärtig nicht mehr realisiert werden können, weil diese Verkäufe ins Haus stehen?
Frau Abgeordnete, ich bitte um Verständnis dafür, daß
die Beantwortung einer Frage nach dem konkreten Umfang der Veräußerungen und nach Zahlen einer Vorbereitung durch die Bundesregierung bedarf. Ich empfehle
Ihnen, eine entsprechende Frage in einer Fragestunde zu
stellen. Ich verweise auf den Grundzusammenhang der
Frage des Kollegen Labsch, zu der ich bereits Stellung
genommen habe.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Klaus Haupt.
Herr Staatsminister, nach
manchen Dingen muß man dreimal fragen. Zweimal haben Sie eine Antwort unterlassen. Ich frage deswegen
kurz und bündig: Über welches Budget verfügen Sie?
Ich hänge die Frage an: In welcher Rolle sind Sie am
Bündnis für Arbeit beteiligt, wenn es um den Nachteilsausgleich für den Osten geht?
Herr Abgeordneter, Ihre erste Frage ist nach meinem
Dafürhalten nicht unbeantwortet geblieben. Vielmehr
habe ich deutlich gemacht, daß im Rahmen meiner koordinierenden Tätigkeit die Arbeit meines Arbeitsstabes
im Bereich des Kanzleramtes liegt und dort auch budgetiert ist. Die operative Zuständigkeit, die Zuständigkeit
für die eigentlichen Regierungsgeschäfte, liegt in den
Ressorts. Ich weiß nicht, in welchem Umfang insgesamt
Haushaltsmittel für diese Einzelbereiche zur Verfügung
stehen. Das kann ich aber gerne nachtragen und Ihnen
zukommen lassen.
Es hat im Zusammenhang mit dem Thema „Bündnis
für Arbeit“, wie Sie verfolgt haben, ein Einvernehmen
gegeben, sich in Arbeitsgruppen weiter mit den Dingen
zu beschäftigen. Dabei wird es auch eine Arbeitsgruppe
zum Thema Ostdeutschland geben, an der ich beteiligt
sein werde.
({0})
Das Wort hat der
Kollege Günter Baumann.
Herr Staatsminister,
Sie sind speziell für die neuen Länder zuständig. Daher
möchte ich Sie gerne fragen, wie Sie die Belastungen
speziell der Pendler, die täglich zur Arbeit fahren müssen, vor dem Hintergrund der geplanten Benzinpreiserhöhungen beurteilen. Sie wissen, daß relativ viele Menschen in den neuen Ländern fahren müssen. Ich bitte
darum, bei der Antwort auch zu berücksichtigen, daß im
Osten weniger verdient wird als hier.
Herr Abgeordneter, selbstverständlich wird auf alle diejenigen, die Pkws zu benutzen haben, im Rahmen der
ökologischen Steuerreform eine Mehrbelastung zukommen. Ich bin fernab von einer Position, die hier mit Verneinen oder Verschweigen reagiert. Ich will aber ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß die alte Bundesregierung - Sie gehören doch einer Fraktion an, die
sie getragen hat - nach den Bundestagswahlen 1994 die
Mineralölsteuer um 16 Pfennig pro Liter angehoben hat.
({0})
Das ist wesentlich mehr, als wir im Rahmen der
ökologischen Steuerreform vorsehen. Insofern bitte ich
darum, daß Sie sich die Frage vor dem Hintergrund der
Sensibilität, die Sie damals gegenüber den Pendlern gezeigt haben, selber beantworten.
Das Wort hat der
Kollege Ulrich Klinkert.
Herr Staatsminister
Schwanitz, ich muß eine Nachfrage zur Ökosteuer stellen. Sie haben mehrfach, aber wenig konkret auf diesbezügliche Fragen geantwortet. Zu Recht haben Sie darauf
hingewiesen, daß das Energiepreisniveau in den neuen
Bundesländern deutlich höher liegt als das Energiepreisniveau in den alten Bundesländern. Ich möchte von Ihnen konkret wissen, wie Sie persönlich zu dem Vorschlag des sächsischen Wirtschaftsministers stehen, die
Energiesteuer in den neuen Bundesländern nicht einzuführen, und was Sie ihm bei Ihrem Besuch in Dresden
antworten werden.
Was ich ihm in Dresden antworte, vermag ich Ihnen
jetzt nicht zu sagen - ich sage aber gleich etwas zur Sache -, weil die entsprechende Frage zunächst einmal in
Dresden gestellt werden muß. Ich werde hier nicht öffentlich eine Beratung vorwegnehmen, die gegebenenfalls in Dresden ansteht. Ich bitte Sie, Herr Klinkert, dafür um Verständnis. Das ist einfach ein Gebot fairen
Verfahrens auch gegenüber der sächsischen Staatsregierung.
({0})
- Ich will auch gerne in der Sache antworten. Ich bin in
der Tat der Auffassung, daß die Energiepreise in ganz
Deutschland erhöht werden müssen, um die Lohnnebenkosten senken zu können. Ich halte das für ein richtiges
und vernünftiges Vorgehen. Das steht im Gegensatz zur
Strategie der letzten acht Jahre, gemäß der Lohnnebenkosten angehoben wurden, um Haushaltslöcher zu stopfen. Unsere Herangehensweise, die sehr wohl meine Zustimmung findet, ist völlig anders.
Ich persönlich habe große Zweifel, ob der Vorschlag
einer regional differenzierten Einführung einer solchen
Steuerbelastung mit dem EU-Recht kompatibel wäre.
Das wäre allerdings im Gespräch weiter zu erörtern; einem solchen Gespräch kann ich aber - dafür bitte ich
noch einmal um Verständnis - öffentlich nicht vorgreifen. Das würde bei der sächsischen Staatsregierung sicherlich nicht auf Verständnis stoßen.
({1})
- Herr Kollege Klinkert, Sie haben zwar kein Recht zu
einer Zusatzfrage; aber ich will gern noch einmal ergänzen und ausdrücklich sagen, daß der Bundeskanzler in
der Regierungserklärung und übrigens auch die Koalition im Koalitionsvertrag die Angleichung der Strompreise als ein Handlungsfeld für diese Bundesregierung festgeschrieben haben. Ich persönlich werde darauf drängen, daß wir dieses Thema zügig angehen.
Das Wort hat der
Kollege Dr. Ilja Seifert.
Herr Staatsminister, ich habe
zwei Fragen an Sie. Ich bitte Sie, Herr Präsident, um
Erlaubnis, beide stellen zu dürfen, obwohl sie unterschiedliche Themenbereiche betreffen. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.
Meine erste Frage lautet: Welche Konzeption werden
Sie als Vertreter des Kabinetts im Gespräch mit der
sächsischen Staatsregierung gegenüber deren Absicht
verfolgen, dort eine Sparkassen-Holding aufzubauen, die
aller Voraussicht nach die Finanzkraft der Kommunen
erheblich schwächen wird? Ich erfahre immer wieder,
zum Beispiel in der Oberlausitz, daß es von seiten der
Kommunen erheblichen Widerstand gegen diese Holding gibt. Mit welcher Konzeption gehen Sie in dieses
Gespräch?
Herr Kollege, das Thema der sogenannten SparkassenHolding ist ein landesspezifisches Thema, das zu ausführlichen Diskussionen, insbesondere zwischen der
sächsischen Staatsregierung und den sächsischen Kommunen, führt. Wir werden in diesem Zusammenhang sicherlich kein Thema ansprechen, von dem der Bund
nicht unmittelbar oder mittelbar betroffen ist.
Insofern bitte ich um Verständnis - diese Bitte reiht
sich in den von mir schon genannten Vorbehalt ein -:
Wenn ich heute etwas ausführlicher über Verfahren und
nicht über die konkrete Tagesordnung und folglich nicht
über unsere Positionen zu einzelnen Tagesordnungspunkten reden kann, ist dies dem noch nicht abgeschlossenen Verfahren geschuldet. Jedes andere Verhalten
würde von der sächsischen Staatsregierung nicht akzeptiert werden.
Darf ich eine zweite Frage
stellen?
Angesichts der Tatsache, daß wir zum Ende der Befragung kommen müssen, kann ich eine Zusatzfrage leider nicht zulassen. Ich gebe das Wort der Kollegin Margarete Späte.
Herr Staatsminister,
Sie führten bereits aus, daß die Bundesregierung die
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ fortführen will.
Was versteht die Bundesregierung unter Überarbeitung
des Bundesverkehrswegeplans? Welche Auswirkungen
hat dies auf die Projekte „Deutsche Einheit“?
Unter Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans versteht die Bundesregierung - das hat sie öffentlich erklärt
und übrigens auch im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung festgehalten -, daß Prüfungen vorgenommen werden, die von der alten Bundesregierung
nicht in ergebnisoffener Weise durchgeführt werden
konnten. Die politischen Konsequenzen werden so gezogen, wie wir dies in der Regierungserklärung angekündigt haben. Die Verkehrsprojekte werden zügig fortgeführt.
Ich darf fragen, ob
der Wunsch nach einer wichtigen Frage zu den beiden
anderen genannten Themen besteht. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann beende ich die Befragung
der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/143 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Thomas
Dörflinger von der CDU/CSU-Fraktion auf:
Gilt die im Abkommen zwischen der Europäischen Union
und der Schweiz jetzt getroffene Neuregelung der Kindergeldzahlungen für Grenzgänger, nach der der Differenzbetrag zu den
von der Schweiz gezahlten Werten durch die deutsche Kindergeldkasse ausgeglichen wird, auch für künftige durch Schweizer
Gesetzgebung bedingte Änderungen für die deutschen Grenzgänger, wie etwa die Pläne im Züricher Kantonalparlament,
nach denen das Kindergeld für ausländische Arbeitnehmer, die
nicht dauernd in der Schweiz leben, um rund 20 Prozent gesenkt
werden soll?
Herr Kollege, über ein Abkommen zwischen der
Europäischen Union und der Schweiz wird zur Zeit intensiv und nach Kenntnis der Bundesregierung auch mit
guten Chancen für einen baldigen Abschluß verhandelt.
Dennoch ist es verfrüht, von einer getroffenen Regelung
zu sprechen. Die nachfolgenden Bemerkungen beruhen
auf dem aktuellen Stand der Verhandlungen. Änderungen in dem in Rede stehenden Abkommensteil sind
nicht wahrscheinlich, aber man kann sie nicht ausschließen.
Wenn das Abkommen in der jetzt vorgesehenen Fassung in Kraft tritt, dann sind danach Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Schweiz den schweizerischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gleichzustellen,
wie umgekehrt schweizerische Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in der Europäischen Union Unionsbürgern
gleichzustellen sind.
Dies gilt auch im Rahmen der vorgesehenen Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Dann hätten deutsche Grenzgängerinnen und -gänger nach der
Schweiz einen Kindergeldanspruch in derselben Höhe
wie schweizerische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und zwar auch in den Kantonen, die für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geringere
Kindergeldsätze vorsehen, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben. Das bedeutet nicht, daß die Kantonsparlamente derartige Bestimmungen nicht beschließen
dürften; sie finden nur wegen des Abkommens auf Bürgerinnen und Bürger der EU keine Anwendung.
Im übrigen ist im Rahmen der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgesehen, daß - wie
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
schon jetzt - auch zwischen der Schweiz und der Europäischen Union die Zahlung von Unterschiedsbeträgen
in den Fällen erfolgt, in denen Kindergeldansprüche in
zwei Vertragsstaaten bestehen und der Anspruch in dem
vorrangig zahlungsverpflichteten Staat niedriger ist als
in dem anderen Staat. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind Einschränkungen nicht vorgesehen. Deutsche
Grenzgängerinnen und -gänger nach der Schweiz erhielten also im Ergebnis Kindergeld nach dem höheren
von beiden nationalen Sätzen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Dörflinger.
Frau Staatssekretärin, Sie haben selbst darauf verwiesen: Durch das
Nichtverabschieden im EU-Außenministerrat am gestrigen Tag ist die Angelegenheit etwas ins Stocken geraten. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einem
Abschluß der Verhandlungen in der Weise, daß die EUAußenminister ihr Plazet zu dieser Regelung geben?
Die Verhandlungen sind bisher recht erfolgreich
verlaufen. Ich gehe davon aus, daß die Verhandlungen
mit der Schweiz über alle Abkommen in jedem Fall bis
zum Jahre 2001 abgeschlossen sein werden.
Ich rufe die Frage 2
des Abgeordneten Benno Zierer auf:
Entspricht es nach Kenntnis der Bundesregierung geltendem
Recht, daß Eltern für ihren 18jährigen Sohn in der Zeit von
Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. von Beendigung seiner
Ausbildung an bis zum freiwilligen Eintritt des 18jährigen in die
Bundeswehr als Soldat auf Zeit für vier Jahre ({0}) kein Kindergeld erhalten, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls
Veränderungsbedarf dahin, daß in diesen Fällen des freiwilligen
Dienstes von 18jährigen für einen gegebenenfalls näher zu bestimmenden Zeitraum über die Vollendung des 18. Lebensjahres
bzw. die Beendigung der Ausbildung hinaus Kindergeld gewährt
wird?
Herr Abgeordneter, Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, können für das Kindergeld grundsätzlich nur berücksichtigt werden, wenn und solange
sie für einen Beruf ausgebildet werden, mangels eines
Ausbildungsplatzes eine gewünschte Berufsausbildung
nicht beginnen oder fortsetzen können, ein Freiwilliges
Soziales oder Ökologisches Jahr ableisten, arbeitslos
oder wegen einer Behinderung außerstande sind, sich
selbst zu unterhalten. Von diesen Fallgestaltungen
könnte bei der von Ihnen angesprochenen PersonenStaatsminister Rolf Schwanitz
gruppe Arbeitslosigkeit vorliegen; dann wäre ein Kindergeldanspruch möglich. Dabei kommt es nicht auf das
Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, sondern
nur auf die Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt an.
Eltern können also für einen volljährigen Sohn in der
Zeit von der Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. von
der Beendigung seiner Ausbildung bis zum freiwilligen
Eintritt in die Bundeswehr als Soldat auf Zeit für vier
Jahre nur im Falle der Arbeitslosigkeit des Sohnes Kindergeld erhalten. Weitere Voraussetzung ist dabei, daß
der Sohn noch nicht 21 Jahre alt ist. Soweit die Eltern
kein Kindergeld erhalten, können sie ihre tatsächlichen
Unterhaltsaufwendungen unter den Voraussetzungen des
§ 33 a des Einkommensteuergesetzes als außergewöhnliche Belastung geltend machen.
Neben den schon erwähnten Tatbeständen gibt es
auch einen Kindergeldanspruch für Kinder in einer
Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten
von nicht mehr als vier Monaten. Dafür ist maßgebend,
daß derartige Übergangszeiten im Ausbildungsgang häufig unvermeidbar sind und eine Verweisung der jungen
Erwachsenen auf den Arbeitsmarkt bei Übergangszeiten
von bis zu vier Monaten unrealistisch ist. Auch Zwangspausen von nicht mehr als vier Monaten vor und nach
der Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes sind
Übergangszeiten gleichzuachten, wenn im Anschluß
daran eine Berufsausbildung oder eine sonstige Ausbildung aufgenommen oder fortgesetzt werden soll.
Der Grundwehrdienst ist in derartigen Fällen eine
vorgegebene Ausbildungsunterbrechung. Auch bei einer
freiwilligen Verpflichtung auf Zeit für bis zu drei Jahre
geht die Willensrichtung des Freiwilligen in der Regel
nicht dahin, die Schul- oder Berufsausbildung zu beenden. Der Zeitsoldat trachtet vielmehr in der Regel danach, durch die ihm auf Grund der freiwilligen Verpflichtung zufließenden Bezüge und die sonstigen finanziellen Vorteile eine bessere materielle Ausgangsbasis
für eine anschließende Ausbildung zu erlangen. Bei einer längeren Verpflichtung kann von einer typischen
Ausbildungsunterbrechung durch Wehrdienst in diesem
Sinne nicht mehr ausgegangen werden.
Eine Änderung in der in Ihrer Frage angesprochenen
Richtung ist nicht beabsichtigt.
Eine Zusatzfrage.
Da muß ich nachfragen:
Es geht darum, daß ein 18jähriger die Schulausbildung
abschließt, vier Monate später zur Bundeswehr geht und
sich dort für vier Jahre verpflichtet. Sie sehen keinen
Änderungsbedarf, wenn sich ein junger Mann für den
Dienst für unser Land und die Gemeinschaft meldet.
Halten Sie eine Änderung für notwendig oder nicht?
Nein. Das habe ich schon beantwortet; aber vielleicht darf ich Ihnen ergänzend noch folgendes sagen:
Auch das Wehrpflichtgesetz und das Soldatengesetz
machen diese Unterschiede zwischen Wehrpflichtigen,
Soldaten auf Zeit für zwei Jahre und freiwilligem zusätzlichen Wehrdienst einerseits und den für längere Zeit
verpflichteten Soldaten auf Zeit andererseits. Während
bei ersteren, also den Wehrpflichtigen und den Soldaten
mit Dienstzeiten von bis zu zwei Jahren, das Arbeitsplatzschutzgesetz gilt, gilt es für die Längerdienenden
nicht, weil auch diese Gesetze davon ausgehen, daß junge Männer, die sich für vier Jahre und länger verpflichten, dies nicht als Unterbrechung ihrer herkömmlichen
Ausbildung ansehen. Daher besteht für sie auch kein
Anspruch auf Kindergeld. Insofern werden wir uns den
Gepflogenheiten des Wehrpflichtgesetzes und des Soldatengesetzes auch weiterhin anpassen.
({0})
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 3 des
Kollegen Dr. Martin Mayer ({0}) ist zurückgezogen worden.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht der Beauftragte
der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur
und der Medien, Dr. Michael Naumann, zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Wilhelm Josef
Sebastian auf:
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung im Rahmen der
Beteiligung des Bundes an den Baukosten über den Stand der
Vorbereitungen zum Bau des Arp-Museums in RemagenRolandseck angesichts widersprüchlicher Aussagen des Landes
Rheinland-Pfalz und der Arp-Stiftung über den möglichen Baubeginn, und wie wirkt sich eine mögliche Änderung des Zeitpunktes des Baubeginns auf die haushaltsmäßige Bereitstellung
der Bundesmittel aus?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter, am 26. Juni 1996 hat der Haushaltsausschuß des Bundestages Ausgleichsmittel in Höhe von
13 Millionen DM für den Neubau des Arp-Museums in
Rolandseck entsperrt. Das Land Rheinland-Pfalz trägt
die Differenz zu den gesamten Baukosten in Höhe von
rund 30 Millionen DM.
Das Land Rheinland-Pfalz hat soeben mitgeteilt, daß
die baurechtlichen Voraussetzungen für den Museumsneubau nunmehr gegeben seien. Der Stadtrat von Remagen hat dem Bebauungsplan zugestimmt. - Der Architekt ist der berühmte Architekt Richard Meier, der gerade das Ghetty-Center in Los Angeles fertiggestellt hat. Die Änderung des Flächennutzungsplans sei ebenfalls
inzwischen erfolgt. Das Land geht also davon aus, daß
der Baubeginn im Herbst 1999 erfolgen kann.
Eine Änderung des Zeitpunkts des Baubeginns hat
keine Auswirkung auf die haushaltsmäßige Bereitstellung der Bundesmittel. Die Bundesregierung wird allerdings sorgfältig prüfen, welchen Einfluß die in der Öffentlichkeit diskutierte Frage der Authentizität der
Werke von Hans Arp und die erbrechtlichen Auseinandersetzungen auf das Bauvorhaben selbst haben werden.
Die Bundesregierung wird alsbald ein Gespräch mit den
Verantwortlichen führen.
Ich rufe die Frage 5
des Abgeordneten Hans-Joachim Otto auf:
Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Medienaufsicht neu zu organisieren und an Stelle von 15 Landesmedienanstalten einen einheitlichen Kommunikationsrat von
Bund und Ländern einzurichten, und welche Schritte plant sie
gegebenenfalls zur Umsetzung dieses Vorhabens?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter Otto, die Formulierung, daß die
Bundesregierung einmal zu irgendeinem Zeitpunkt vorgehabt habe, an Stelle von 15 Landesmedienanstalten
einen einheitlichen Kommunikationsrat zu installieren,
ist falsch. Wenn Sie darauf abheben, daß die SPD auf
einem Parteitag einmal einen ähnlichen Beschluß gefaßt
habe, so werden Sie bei der Lektüre dieses Antrags feststellen, daß auch dort das Wort „an Stelle“ nicht vorkommt. Dieser Kommunikationsrat war vielmehr immer
als ein konsensual zu besetzendes Beratungsgremium
gedacht.
So lautet denn meine offizielle Antwort: Über den
Vorschlag einer Neuordnung der auf viele Entscheidungsträger verteilten Medienaufsicht in Deutschland
hat die Bundesregierung noch nicht abschließend beraten. Wegen der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung
kann dies nur in enger Kooperation zwischen Bund und
Ländern erreicht werden. Die hierzu notwendigen
Überlegungen sind noch nicht soweit gediehen, daß gegenwärtig eine konkrete Aussage zu ihrer Realisierbarkeit getroffen werden kann.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Otto.
Herr Dr.
Naumann, am 23. November dieses Jahres haben sich
die medienpolitischen Sprecher der SPD-Fraktionen aus
dem Bundestag, den Landtagen sowie dem Europäischen Parlament in Mainz zusammengetan und haben
die Erklärung abgegeben, daß ein solcher Kommunikationsrat geschaffen werde. Meine Frage lautet jetzt:
Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung
ergreifen, um einen solchen Kommunikationsrat als
Verzahnung zwischen Bund und Ländern konsensual
schnellstmöglich herbeizuführen? Was läuft ab?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Der erste Schritt, den ich persönlich nicht als Beauftragter irgendwelcher Parteitage, sondern als Beauftragter der Bundesregierung unternehmen würde, wäre, zu
versuchen, die Landesregierung von Bayern davon zu
überzeugen, daß es Sinn macht, sich in einem Gremium
zusammenzusetzen, das keine Entscheidungskompetenz,
sondern vor allem sehr viel Beratungskompetenz versammeln könnte. Ich würde den Ministerpräsidenten von
Bayern, der sich bisher wie übrigens auch sein Kollege
Teufel in Stuttgart, gegen einen solchen Kommunikationsrat gesträubt hat, darauf hinweisen, daß dies nicht
ein Gremium sein wird, das Landeskompetenzen an sich
zu reißen versucht, sondern vielmehr Medienkompetenzen für die Diskussion und die Beratung zur Verfügung
stellen würde.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich habe
Sie, Herr Dr. Naumann, also dahin gehend richtig verstanden, daß Sie persönlich als Beauftragter der Bundesregierung ein solches Beratungsgremium für sinnvoll erachten und sich dafür einsetzen werden?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter, als Mitglied der F.D.P. müßten Sie
doch in der Lage sein, einen Konjunktiv zu entdecken.
({0})
Keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Dr. Naumann.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf.
({0})
- Ich habe nicht den Kollegen Schlauch aufgerufen,
sondern den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Arbeit und Sozialordnung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Georg Girisch
auf:
Welche Verfahren sind derzeit beim Europäischen Gerichtshof ({1}) anhängig, die geeignet sind, nach Abschluß zu einem Sozialleistungstransfer von Deutschland in die EUPartnerstaaten zu führen?
Herr Abgeordneter
Girisch, ich würde gern die Fragen 6 und 7 zusammen
beantworten, wenn Sie damit einverstanden sind.
Ich rufe also auch
Frage 7 auf:
Bei welchen der vom EuGH entschiedenen Fälle betreffend
Sozialleistungstransfers aus Deutschland in die EU-Partnerstaaten besteht nach Auffassung der Bundesregierung eine besondere Mißbrauchsgefahr?
Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann
Zur Zeit sind keine
weiteren Verfahren anhängig, die speziell den Export
deutscher Sozialleistungen betreffen. Mit weiteren Verfahren ist aber bei der Frage der Kostenerstattung medizinischer Behandlung im EU-Ausland zu rechnen, da insoweit über die konkreten Auswirkungen der DeckerKohll-Rechtsprechung noch weitgehend Unsicherheit
besteht. Hier ist zur Zeit ein belgisches Vorlageverfahren anhängig, in dem es unter anderem um die Erstattung einer nicht genehmigten Krankenhausbehandlung
im Ausland durch die belgische Krankenversicherung
geht. Die Bundesregierung wird sich mit einer eigenen
Stellungnahme an diesem Verfahren beteiligen.
Die Frage 7 beantworte ich wie folgt: Die Frage des
potentiellen Mißbrauchs stellt sich insbesondere dort,
wo die Gewährung von Sozialleistungen von spezifischen medizinischen oder einkommensmäßigen Voraussetzungen abhängt, deren Überprüfung im Ausland nur
unter größten Schwierigkeiten möglich ist. Ein besonderes Mißbrauchsrisiko besteht zum Beispiel beim Krankengeld sowie bei Leistungen der Arbeitslosenversicherung; dies gilt aber nicht nur für das Ausland, sondern
auch für das Inland. Als besonders problematisch werden deshalb in diesem Zusammenhang die beiden
EuGH-Urteile vom 3. Juni 1992 und vom 2. Mai 1996 in
der Rechtssache Paletta eingestuft, in denen der EuGH
entschieden hat, daß ein Arbeitgeber auch bei naheliegenden Zweifeln an der Richtigkeit einer ausländischen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung daran gebunden ist,
wenn er den Mißbrauch nicht konkret nachweisen kann.
Dies aber ist in der Praxis in Auslandsfällen kaum möglich. Deshalb ist auf Initiative des Bundesministeriums
für Arbeit und Sozialordnung insbesondere in Italien
- bei der Familie Paletta handelt es sich um eine italienische Familie - ein System deutschsprachiger Vertrauensärzte aufgebaut worden, die bereit sind, gegebenenfalls für die deutsche Krankenversicherung oder für
deutsche Arbeitgeber vertrauensärztliche Kontrolluntersuchungen durchzuführen.
Außerdem strebt die Bundesregierung eine verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungsträger an, um potentiellem Leistungsmißbrauch entgegenzuwirken. Hierzu soll im kommenden Halbjahr unter
deutscher EU-Präsidentschaft eine Entschließung des
Rates über einen Verhaltenskodex für die Zusammenarbeit der Behörden bei grenzüberschreitender Leiharbeit
und bei der Bekämpfung von Leistungsmißbrauch und
illegaler Beschäftigung herbeigeführt werden.
Herr Kollege Girisch, da der Parlamentarische Staatssekretär bereits die
Frage 7 mit beantwortet hat, können Sie jetzt Ihre Zusatzfragen auch auf diese Antwort ausdehnen.
Herr Staatssekretär,
stimmt es, daß die Bundesrepublik die meisten Transferleistungen bezahlt? Zweitens möchte ich Sie bitten,
zu konkretisieren, was die Bundesregierung zu tun beabsichtigt, um möglichen Mißbrauch zu verhindern.
Ihre Frage, ob die
Bundesrepublik Deutschland die meisten Sozialtransfers
bezahlt, kann ich nicht beantworten, weil mir entsprechende Vergleichszahlen in bezug auf andere EUMitgliedsländer nicht zur Verfügung stehen.
Als Antwort auf Fragen Ihres Kollegen Klaus Hofbauer, die sich anschließen, werde ich etwas über den
Transfer von Sozialleistungen sagen, und ich werde
dann im einzelnen noch einmal darauf eingehen.
Was die Mißbrauchsbekämpfung angeht, möchte ich
sagen: Es geht uns darum, während unserer Präsidentschaft Vereinbarungen anzustoßen, die ein koordiniertes
Verhalten der EU-Länder bei Leistungsmißbrauch möglich machen. Dazu gibt es entsprechende Vorentwürfe.
Wir wollen in Gesprächen auf der Ebene der Sozialminister beim informellen Gipfel im Februar des kommenden Jahres den Versuch unternehmen, ein koordiniertes
Verhalten auf EU-Ebene zu ermöglichen.
Ich rufe die Frage 8
des Abgeordneten Klaus Hofbauer auf:
Welche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs haben in den vergangenen 15 Jahren einen Export von Sozialleistungen von Deutschland in die EU-Partnerstaaten begünstigt?
Herr Abgeordneter,
wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 8
und 9 gerne gemeinsam beantworten, weil ja der Themenzusammenhang völlig klar ist.
Dann rufe ich auch
die Frage 9 auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Export von Sozialleistungen von Deutschland in die EU-Partnerstaaten in den
zurückliegenden 15 Jahren, und welche Entwicklung erwartet
sie für die kommenden Jahre?
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur in den
vergangenen 15 Jahren kann generell als ausgesprochen
europafreundlich qualifiziert werden. Bei der Frage des
Exports von Sozialleistungen stützt sich der EuGH nicht
nur auf die Verordnung 1408/71, welche einen weitgehenden Export der Leistungen der sozialen Sicherheit
aus dem Beschäftigungsland eines Arbeitnehmers in
sein Wohnsitzland oder das seiner Familienangehörigen
vorsieht, sondern er stützt sich darüber hinaus auch unmittelbar auf das Primärrecht des EG-Vertrages, das
heißt das darin enthaltene Diskriminierungsverbot auf
Grund der Staatsangehörigkeit sowie die Rechte der
Unionsbürger auf Freizügigkeit, auf Warenverkehrsfreiheit und auf Dienstleistungsfreiheit. Teilweise kommt er
dabei zu Ergebnissen, die in der Verordnung 1408/71
nicht explizit vorgesehen sind.
Besondere Bedeutung für Deutschland hatten in den
letzten 15 Jahren vor allen Dingen folgende Urteile:
Urteil vom 10. Oktober 1996, Hoever und Zachow, zum
Export von Erziehungsgeld; Urteil vom 5. März 1998,
Molenaar, zum Export von Pflegegeld sowie verschiedene Urteile zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages,
wenn die im Ausland gezahlte Familienleistung niedriger ist als die - nachrangige - deutsche Leistung.
Eine neue Dimension erhielt diese Rechtsprechung
jetzt durch die beiden Urteile vom 28. April 1998 in den
beiden Luxemburger Rechtssachen Decker und Kohll.
Hier hat der EuGH unter bestimmten Voraussetzungen
die Erstattung auch im Ausland erbrachter medizinischer
Leistungen nach inländischen Tarifen vorgeschrieben.
Damit eröffnet er den Versicherten in diesen Fällen über
die begrenzte Regelung der Verordnung 1408/71 hinaus
eine zusätzliche Anspruchsberechtigung. Welche konkreten Auswirkungen diese Rechtsprechung für
Deutschland haben wird, läßt sich zur Zeit noch nicht
sagen. Ich habe schon eben in der Beantwortung der
Frage Ihres Kollegen darauf hingewiesen, daß von belgischer Seite weitere Verfahren anhängig sind und die
konkrete Ausgestaltung der Frage der Gewährung medizinischer Leistungen noch vor dem Hintergrund dieser
Urteile und Verfahren geprüft werden muß.
Die Frage 9 möchte ich wie folgt beantworten: Nach
Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung stieg der Gesamtumfang
der sozialen Leistungen aus Deutschland in die EGLänder von 1,3 Milliarden DM im Jahre 1983 auf
2 Milliarden DM im vergangenen Jahr an. Für die nächsten Jahre wird mit einem jährlichen Anstieg von rund
5 Prozent gerechnet. Der weit überwiegende Teil dieser
Leistungen beruht aber entweder auf nationalem Recht
oder auf den Regelungen der Verordnung 1408/71; nur
ein sehr geringer Bruchteil hiervon, der aber statistisch
nicht ausgewiesen wird, läßt sich unmittelbar auf EuGHRechtsprechung zurückführen. Es handelt sich zu einem
großen Teil um beitragsbegründete Zahlungen der deutschen Rentenversicherung an Rentner, die ihren Wohnsitz in andere Mitgliedstaaten verlegt haben.
Ich bin gerne bereit, Herr Abgeordneter, Ihnen auch
eine entsprechende Zahlenreihe zur Verfügung zu stellen, die darstellt, wie hoch der jährliche Sozialleistungstransfer in EU-Länder ist. Ich will mir nur ersparen, jetzt die Zahlenkolonnen vorzulesen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
wie wollen Sie im nächsten halben Jahr, wenn Sie den
Vorsitz im Europäischen Rat haben, Kontrollmechanismen einbauen?
Ich habe schon
eben versucht, das anzudeuten. Wir haben die Absicht,
mit den europäischen Mitgliedsländern Vereinbarungen
zu treffen - ob im Wege einer Richtlinie oder anderer
Instrumente, ist gegenwärtig noch offen -, die in den
Fragen des Leistungsmißbrauchs, illegaler Beschäftigung und ähnlichem zu gemeinsamem Verhalten führen.
Nehmen Sie es mir nicht übel: Das kann gegenwärtig
nicht konkretisiert werden, weil auch das Gegenstand
von Verhandlungen ist und erst im Verlauf des nächsten
halben Jahres geklärt werden kann.
Ein zweiter Aspekt, der möglicherweise in Ihrer Frage steckt: Wir könnten mit dem Thema in einer anderen
Art und Weise umgehen, wenn die Verordnung 1408/71
- von mir mehrfach zitiert - geändert würde. Dazu bedarf es aber der Einstimmigkeit, so daß Änderungen auf
absehbare Zeit nicht realistisch sind.
Eine Zusatzfrage,
die Kollegin Claudia Nolte.
Herr Staatssekretär, inwieweit ist Ihnen bekannt, daß andere EU-Länder ihren
Export zunehmend auf Sachleistungen umstellen? Gibt
es Überlegungen, dies in bestimmten Fällen auch in der
Bundesrepublik Deutschland zu tun? Inwieweit werden
Sie in Absprache mit den EU-Mitgliedstaaten versuchen,
entsprechende Regularien zu finden, um diese Umstellung zu verhindern oder zu pflegen?
Die beiden Urteile zu
Kohll und Decker im Gesundheitsbereich machen deutlich, daß das Sachleistungsprinzip - konsequent angewandt - solche Entwicklungen verhindern würde. Die
alte Bundesregierung, der Sie die Ehre hatten anzugehören, hat im Gesundheitsbereich Veränderungen vorgenommen, die eine Entwicklung vom Sachleistungsprinzip zum Kostenerstattungsprinzip zur Folge hatten, was
solche Urteile erst möglich gemacht hat.
Wir werden morgen in den Regelungen im Bereich
der gesetzlichen Krankenversicherung, die dem Bundestag zur Beratung vorliegen, entsprechende Korrekturen vornehmen. Wir glauben, damit einem möglichen
Export von Leistungen in EU-Länder einen Riegel vorschieben zu können.
Inwieweit andere europäische Länder Entwicklungen
hin zum Sachleistungsprinzip nehmen, kann ich gegenwärtig nicht beantworten. Da bitte ich um Ihr Verständnis. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen über solche Tendenzen, sofern sie vorhanden sind, schriftlich Auskunft zu
geben.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Singhammer.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in der ausdehnenden
Rechtsprechung des EuGH eine Belastung der Systeme
der sozialen Sicherung in Deutschland? Wenn das so ist:
Sind Sie bereit, im Rahmen der europäischen Ratspräsidentschaft den steinigen Weg zu gehen, die von Ihnen
angesprochene Richtlinie 1408/71 zu verändern, obwohl
das Einstimmigkeit erfordert?
Herr Abgeordneter,
ich verweise auf meine Antwort auf die Frage des Abgeordneten Hofbauer, in der ich dargestellt habe, daß ich
kaum Möglichkeiten sehe, die Richtlinie 1408/71 zu
verändern.
Mit Ihrem Hinweis, daß das ein steiniger Weg sei,
haben Sie völlig recht. Ich erinnere mich noch an die
letzte Legislaturperiode, in der ich als Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ähnliche Fragen,
wie Sie sie jetzt stellen, an die damalige Bundesregierung gerichtet habe. Ich nehme mit Genuß zur Kenntnis,
daß sich Ihre Haltung gegenüber der letzten Legislaturperiode verändert hat.
Im übrigen will ich wiederholen, was ich eben schon
in einer Antwort gesagt habe: Wenn der Leistungsexport
von 1983 bis 1997 zwar von 1,3 Milliarden DM auf
2 Milliarden DM angestiegen ist, aber nur zu einem verschwindend geringen Teil auf Grund von EuGHUrteilen, dann teile ich Ihre Unterstellung, die in der
Frage enthalten war, nicht, daß EuGH-Urteile zu einer
kräftigen Ausweitung von Sozialleistungen führen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Büttner.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort auf die hier gestellten
Fragen schließen, daß diese Bundesregierung anders als
ihre Vorgängerin bei der Formulierung von bundesdeutschen Gesetzen die europäische Rechtslage stärker berücksichtigen wird, um solche Urteile und Auswirkungen künftig zu verhindern?
({0})
Ja.
Die Frage 10 des
Abgeordneten Aribert Wolf wird auf Grund von Nr. 2
Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet.
Um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen haben
ferner der Kollege Hartmut Koschyk und der Kollege
Dietrich Austermann gebeten.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Herr Staatssekretär Andres, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Paul Breuer
auf:
Ist es richtig, daß die noch im Sommer 1998 vom heutigen
Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der
Verteidigung, Walter Kolbow, MdB, abgegebene Garantie für
den Erhalt aller Standorte der Bundeswehr für die Dauer von
vier Jahren durch den Bundesminister der Verteidigung dahin
gehend wieder aufgehoben worden ist, daß nach dem Ende der
Arbeit der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ voraussichtlich im Herbst 2000 neue Entscheidungen zur Struktur der Bundeswehr getroffen werden, die notwendigerweise die Schließung
von Standorten zur Folge haben?
Herr Präsident! Meine
lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Breuer,
als Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Verteidigungsausschuß wissen Sie natürlich sehr genau, daß die
Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ im Frühjahr
1999 ihre Aufgabe aufnehmen wird. Erst wenn deren
Ergebnisse vorliegen, wird beurteilt werden können, ob
es Auswirkungen auf einzelne Standorte geben kann.
Eine gegebenenfalls erforderliche Umsetzung zur
Realisierung würde dann weitere Zeit in Anspruch nehmen. Bis dahin bleibt es bei den von der Bundesregierung bislang abgegebenen Aussagen zu den einzelnen
Standorten.
Eine Zusatzfrage,
Kollege Paul Breuer.
Frau Staatssekretärin,
meine Frage war etwas konkreter, nämlich ob die Garantie, die der heutige Parlamentarische Staatssekretär
im Verteidigungsministerium Kolbow vor Antritt seines
Amtes abgegeben hat, daß sich bis zum Jahre 2002 keine Veränderungen ergeben würden, nach wie vor aufrechterhalten wird.
Der von Ihnen und mir
sehr geschätzte Kollege Kolbow ist nicht davon ausgegangen, daß die neue Bundesregierung schneller arbeiten kann, als das bei der alten Bundesregierung der Fall
war. Vor allen Dingen müssen wir in dieser Wahlperiode noch Maßnahmen, die Sie in Ihrer Bundesregierung
beschlossen haben, wieder rückgängig machen.
Es geht jetzt wirklich darum, daß wir das von uns angestrebte Ziel, nämlich daß die Kommission ihre Aufgaben bis zum Sommer 2000 erledigt hat, erreichen, um
dann zu sehen, ob es überhaupt notwendig ist, Veränderungen vorzunehmen.
Insofern hat der Kollege Kolbow meines Erachtens
Rechtens gehandelt, als er im Sommer 1998 sagte, er sehe zur Zeit überhaupt keinen Grund, an der bisherigen
Stationierung nicht festzuhalten bzw. die von Ihnen beschlossene und jetzt noch stattfindende Auflösung von
Standorten nicht vorzunehmen.
Darüber hinausgehende Entscheidungen fallen erst,
wenn wir die Arbeiten im Jahre 2000 abgeschlossen haben. Es könnte sein, daß wir dann zu dem Ergebnis
kommen, daß wir keine Standorte auflösen müssen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist
es richtig, oder trügt mich da mein Eindruck, daß sich
Herr Minister Scharping in der Sitzung des Verteidigungsausschusses in der vorvergangenen Sitzungswoche
dahin gehend ausgedrückt hat, daß ab dem Jahr 2000
durchaus Veränderungen vorgenommen werden können,
und wie vereinbart sich das mit Ihrer Aussage, daß Ihr
Kollege Kolbow als Parlamentarischer Staatssekretär
nun der Meinung ist, daß bis zum Jahre 2002 keine Veränderungen vorgenommen werden?
Wir wollen noch einmal
feststellen: Der Kollege Kolbow hat dies im Sommer
1998 gesagt, als die Bayerische Staatsregierung über die
von Ihrer Bundesregierung bereits beschlossenen Reduzierungen, die in dieser Wahlperiode zum Teil noch umgesetzt werden, diskutierte, und er hat dabei festgestellt,
daß es darüber hinaus keine Entscheidungen geben werde.
Der Bundesminister der Verteidigung hat erklärt - ich
finde, das ist völlig korrekt -, daß sich am Ende der Arbeit dieser Kommission herausstellen kann: Wir ändern
nichts an den Standorten, oder: Wir stellen fest, daß die
Struktur der Streitkräfte Korrekturen erfordert - wofür
einiges spricht. Deswegen hat er in seiner Verantwortung als Verteidigungsminister nunmehr seit dem 29.
Oktober 1998 diese Frage offenlassen müssen. Ich glaube, das war vernünftig.
Aber der Obmann der SPD-Fraktion, der im Sommer
1998 in Bayern einer Diskussion, die von seinen Freunden aus der CSU angezettelt worden ist, gegenüberstand,
hat natürlich darauf hingewiesen, daß die Reduzierung
von Standorten, die da stattfand und noch stattfindet, auf
Ihr Konto und nicht auf unser Konto geht.
({0})
- Kein Mensch kann wissen, wie sich die weitere Situation entwickelt. Wir wollen eine wirklich ergebnisoffene
Kommission einsetzen und nicht von vornherein sagen:
Ihr habt dieses und jenes zu beschließen. Auch Sie, Herr
Kollege Breuer, haben einmal in einer Koalitionsregierung gesessen, die Stein und Bein geschworen hat, daß
wir 370 000 Soldaten haben würden. Der augenblicklich
aktuelle Stand, der noch von Ihnen zu verantworten ist,
ist aber 326 000.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Koppelin.
Frau Staatssekretärin, da
Sie nicht ausschließen können, daß Standorte geschlossen werden, muß ich Sie fragen, ob das bereits jetzt Einfluß auf Ihre Haushaltspolitik hat, das heißt, daß Sie die
Mittel für die Standorte erst einmal zurückfahren, da Sie
ja nicht wissen, welche Standorte Sie erhalten wollen
und welche nicht.
Herr Kollege Koppelin,
Sie sind ein viel zu erfahrener Haushalts- und Verteidigungspolitiker, als daß Sie nicht selbst sehr genau wüßten, daß die alte Bundesregierung im Bereich der Infrastruktur - auch jener unbezweifelbar feststehenden
Standorte - nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt
hat. Es sind in den letzten Jahren, Herr Kollege Koppelin, sogar notwendige Infrastrukturmaßnahmen nicht
durchgeführt worden, obwohl man genau wußte, daß es
dann, wenn man es zu spät tut, kostenintensiver wird
und entsprechende Folgekosten verursacht. Ich gehe
nicht davon aus, daß die Bundesregierung, die seit dem
29. Oktober 1998 im Amt ist, Grund hat, an den wenigen Infrastrukturmitteln, die Sie zur Verfügung gestellt
haben, noch weitere Abstriche zu machen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Adam.
Frau Staatssekretärin,
wie darf ich Ihre Antworten im Hinblick auf den konkreten Fall in Mecklenburg-Vorpommern werten? Hier
war von der alten Bundesregierung geplant worden, den
Standort Dehmen nach Schwerin zu verlegen. Da ich,
einer Tradition folgend, am Heiligen Abend diesen
Standort besuchen werde, würde mich interessieren, ob
im Rahmen der Wehrstrukturkommission das Verfahren
angehalten wird?
Nein, Herr Kollege. Wir
haben ausdrücklich - das habe ich vorhin schon dem
Kollegen Breuer geantwortet - gesagt: Standortveränderungen, -verlagerungen oder -reduzierungen, die jetzt
stattfinden, gehen auf Beschlüsse der vorangegangenen
Bundesregierung und der sie tragenden Mehrheitsparteien bis September 1998 zurück. Es wäre unredlich und
unkorrekt, wenn wir zum augenblicklichen Zeitpunkt
sagen würden: Dies gilt nicht mehr, und das werden wir
verändern.
Allerdings kann es sich ergeben - ich werde Ihnen
gerne zusichern, daß wir uns das im Einzelfall anschauen werden; Sie haben heute im Verteidigungsausschuß
ein ähnliches Thema diskutiert -, daß es in dem einen
oder anderen Standort Veränderungen gibt, über die bereits die alte Bundesregierung nachgedacht hat und die
wir, wenn sie uns zur Kenntnis gebracht werden, sorgfältig prüfen werden. Aber mir ist bis zum heutigen Tag
nicht bekannt, daß es hier Veränderungswünsche von
seiten der mecklenburg-vorpommerschen Landesregierung oder von seiten der Bundeswehr gegeben hat.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Dr. Klaus Rose.
Frau Staatssekretärin,
sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß in Bayern keine
Diskussion über die Schließung von Standorten angezettelt worden ist? Vielmehr hat man in Bayern nach
Beurteilung der Aussagen, die Herr Scharping noch in
seiner Funktion als SPD-Fraktionsvorsitzender gemacht
hat, nämlich mit 250 000 Mann oder weniger auszukommen, logisch gesagt: Das bedeutet Schließung von
Standorten. Ist das jetzt anders? Spricht Herr Scharping
nicht mehr von 250 000 Mann?
Herr Kollege Rose, ich
könnte mir vorstellen, daß natürlich Aussagen, die der
frühere Fraktionsvorsitzende der SPD gemacht hat, eine
solche Wirkung gehabt haben. Ich kenne das natürlich
auch. Wir sind ja miteinander lange genug im politischen Geschäft. Aber ich weiß auch durch Besuche in
Bayern sehr gut, daß natürlich der Kollege Scharping
dort ganz besonders darauf hingewiesen hat, daß das
weiterhin gilt, was die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrer
Mehrheit beschlossen hatte, nämlich, daß wir an der
Größenordnung festhalten und daß wir uns nach der gewonnenen Bundestagswahl mit Sorgfalt die Struktur, die
Standorte und den Umfang der Bundeswehr ansehen
werden. Dies gilt. Sie haben natürlich als Wahlkampfthema die andere Aussage genommen, die Herr
Scharping in früheren Zeiten einmal geäußert hat. Sie
wissen, daß man als Verteidigungsminister eine besondere Verantwortung für die Menschen hat, die in den
Standorten arbeiten, und für die Bürger, die an ihren
Standorten hängen. Deshalb finde ich die Vorsicht, mit
der sich der Minister hierzu geäußert hat, mehr als berechtigt. Ich sage Ihnen voraus, wir werden mit großer
Sorgfalt und im Rahmen der Diskussion mit Ihnen über
die Frage des Umfangs, der Struktur und der möglichen
Standorte beraten, bevor es zu Veränderungen kommt.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Siegfried Hornung. Dann möchte ich allerdings die eingereichten Fragen des Kollegen Werner
Siemann aufrufen, die den gleichen Punkt zum Inhalt
haben.
Sehr geehrte Frau
Staatssekretärin, mich bedrückt eine ganz große Sorge:
In meinem Wahlkreis sind elf Standorte. Als ich darauf
kürzlich hingewiesen habe, haben einige gefragt: Noch?
Nun höre ich vom Staatsminister des Auswärtigen,
Herrn Volmer, daß wir im Prinzip überhaupt keine Bundeswehr mehr brauchen. Wie verhält sich das zu dem,
was Sie hier versuchen, glaubwürdig darzustellen?
Herr Kollege Hornung, es
gibt zwei Dinge, die mich daran hindern, Ihnen die ehrlichste Antwort darauf zu sagen. Das eine ist der Umgang, den man als Frau natürlich auch in das Parlament
einbringen sollte, das andere ist das Amt, das ich bekleide. Aber ich möchte Ihnen ausdrücklich sagen: Das ist
nicht die Meinung der Bundesregierung, auch nicht die
Meinung des Parlaments in seiner Mehrheit. Ich glaube,
es ist jedem freigestellt, auch in seiner Funktion als
Parlamentarier - der Kollege Volmer ist auch frei gewählter Parlamentarier - Denkanstöße zu geben. Daß er
diese Denkanstöße dann umsetzen kann, vermute ich
nicht.
({0})
- Ja, aber er hat dies nicht als Mitglied der Regierung
gesagt, wie Sie wissen.
({1})
Ich rufe jetzt die
Frage 14 des Abgeordneten Werner Siemann auf:
Käme die von der Bundesregierung einzusetzende Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ in einem Globalgutachten zu
dem Ergebnis, daß die Bundeswehr um 100 000 Soldaten und
ca. 40 000 zivile Mitarbeiter schrumpfen soll, würde das dann
bedeuten, daß weitere Standorte zu schließen seien, und wie gedenkt die Bundesregierung die daraus resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen für Soldaten und zivile Mitarbeiter sowie deren Familienangehörige und für die Kommunen
zu lösen?
Herr Kollege Siemann,
Bundesminister Scharping hat mehrfach öffentlich darauf hingewiesen, daß die Arbeit der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ ergebnisoffen und ohne Vorfestlegungen erfolgt. Dazu gehört auch, daß sich die
Bundesregierung nicht an der Erörterung hypothetischer
Ergebnisse der Kommissionsarbeit beteiligen wird.
Eine Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, ich habe dazu eine Zusatzfrage, die Sie sicherlich
beantworten können: Wie hat sich die bisherige Reduzierung der Anzahl der Soldaten, der zivilen Mitarbeiter
und der Standorte auf die Beteiligten ausgewirkt? Laufen dazu Untersuchungen? Gibt es dazu schon Ergebnisse oder Zwischenergebnisse?
Wir beide kommen aus
einem Bundesland, das neben Bayern auch zum heutigen Zeitpunkt noch die meisten Standorte hat, nämlich
Niedersachsen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß für das
Land Niedersachsen bislang durch die Reduzierung der
Bundeswehr an Zeit- und Berufssoldaten sowie zivilen
Arbeitskräften ein Verlust von mindestens 30 000 Arbeitsplätzen entstanden ist. Darüber hinaus ist ja die
Struktur, die von der alten Bundesregierung gewählt und
vom Parlament beschlossen worden ist, noch nicht endgültig umgesetzt. Aber ich sage Ihnen gern zu, daß das
auch in die Aufgaben der Kommission einfließen muß.
Ich würde sehr empfehlen, daß wir uns auch im Verteidigungsausschuß dieser Frage einmal gemeinsam annehmen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, würde sich bei einer Reduzierung der Bundeswehr
auf die Hälfte des heutigen Personalumfangs, also auf
zirka 170 000 Soldaten, wie Bündnis 90/Die Grünen es
immer wieder fordern, die Anzahl der heute noch 700
Standorte auf dann nur noch 300 Standorte verringern?
Jetzt muß ich Ihnen wieder mit dem antworten, was in der Antwort auf Ihre
Hauptfrage so schön formuliert worden ist: Wir sind ergebnisoffen, und wir haben ausdrücklich nicht vor, die
Erörterung hypothetischer Ergebnisse vorzunehmen. Ich
kann mir - hypothetisch - ernsthaft nicht vorstellen, daß
wir eine Bundeswehr im Umfang von nur 170 000 Soldaten haben werden.
({0})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Jürgen Koppelin.
Frau Staatssekretärin, da
Sie soeben in Ihrer Antwort deutlich gemacht haben, daß
die Beratungen der Kommission ergebnisoffen sind, darf
ich Sie fragen, ob Sie nicht doch Chancen sehen, daß die
Bundeswehr reduziert wird, zumal Ihr Koalitionspartner
das - Sie haben ja selber Zahlen genannt - fordert. Ergebnisoffen heißt ja wohl doch auch - das machen Sie ja
deutlich, auch wenn Sie in netter Form ein bißchen darum herumreden -, daß es eine Reduzierung der Bundeswehr geben kann.
Die Freiheit zum Nachdenken, Herr Koppelin, sollte eigentlich auch der Bundesregierung erhalten bleiben. Ich muß Ihnen ehrlich gestehen: Die Freiheit zum Nachdenken halte ich für sinnvoll. Hätte die damalige Bundesregierung 1991 mit uns
gemeinsam, wie wir Ihnen das angeboten haben, sogar
in sehr verantwortlicher Weise, über eine zeitgemäße
Struktur der Bundeswehr und ihres Umfangs nachgedacht, dann wäre das Thema heute sicherlich im Konsens erledigt gewesen. Jetzt haben wir aber eine Situation - die kennen Sie sehr genau -, daß wir einen Verteidigungshaushalt haben, der mehr als 50 Prozent Personalkosten umfaßt und in dem ein Teil der Struktur
nicht mehr zeitgemäß ist. Wir werden zuerst unsere
Schularbeiten machen, bevor wir darüber nachdenken,
wie groß der Umfang der Bundeswehr sein soll. Sie
werden mich nicht dazu bringen, daß ich Überlegungen,
die eine Partei angestellt hat - diese Freiheit muß sie haben; es muß sogar die Freiheit geben, daß Leute in diesem Parlament sagen, wir brauchen überhaupt keine
Bundeswehr mehr -, hier kommentiere. Aber am Ende
werden die in der Bundesregierung dafür verantwortlichen Personen, nämlich der Bundesminister der Verteidigung und die ihn unterstützenden Parlamentarischen
Staatssekretäre sowie der Generalinspekteur, die Inspekteure und andere,
({0})
mithelfen, eine zeitgemäße, vernünftige Struktur zu gestalten.
({1})
Eine letzte Zusatzfrage hierzu vom Kollegen Paul Breuer.
Frau Staatssekretär, Sie
sagten, daß Sie sich nicht vorstellen können, daß die
Bundeswehr bis auf 170 000 Soldaten sinkt. Sie haben
allerdings auch gesagt, daß Sie Teile der Struktur der
Bundeswehr für nicht mehr zeitgemäß halten. Darf ich
Sie danach fragen, ob denn für diese Teile, die nicht
mehr zeitgemäß sind - Sie müßten sie auch zahlenmäßig
identifizieren -, folgendes gilt: daß sie zukünftig nicht
mehr existent sein werden, und das heißt dann bei etwa
40 000 Soldaten: minus 14 000 zivile Mitarbeiter, etwa
20 000 Umzüge und 80 bis 100 Standorte weniger.
Herr Kollege Breuer, Sie
sind bei den Hypothesen. Sie haben vergessen, welche
sorgfältigen Diskussionen wir im Verteidigungsausschuß geführt haben. Sie wissen auch aus den gemeinsamen Diskussionen, die wir beide an verschiedenen
Stellen in der Öffentlichkeit geführt haben, sehr gut, daß
es Punkte gibt, bei denen man darüber nachdenken
könnte, ob die Struktur zeitgemäß ist.
Auch der Kollege Breuer hat da sein Nachdenken
nicht aufgegeben gehabt. Das heißt nicht automatisch,
daß wir die Bundeswehr zur Zeit in erheblichem Maß
reduzieren können. Das ist meine persönliche Meinung.
Das sage ich nicht als Regierungsmitglied; als Verteidigungspolitikerin sehe ich das zur Zeit nicht. Aber Sie
werden eine Antwort bekommen. Sie können sich an der
Diskussion beteiligen. Wir sind für kluge Anregungen
aufgeschlossen. Wir werden nicht den Fehler wiederholen, den Sie gemacht haben, daß wir in unsere Kommission nur Leute hereinholen, die der Regierung genehm
sind. Vielmehr wollen wir Leute, die uns etwas von ihrem Sachverstand und ihrer Kompetenz mitbringen können. Ich gehe fest davon aus, daß darunter auch Vertreter der Union sein werden.
({0})
Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Werner Siemann auf.
Beabsichtigt die Bundesregierung, wegen der Schließung
vieler Standorte die Reform bereits auf 1999 vorzuziehen, oder
soll damit bis nach der Bundestagswahl im Jahre 2002 gewartet
werden?
Herr Kollege, die Kommission soll ihre Arbeit spätestens bis zum Herbst 2000
abschließen. Auf der Basis ihrer Arbeit wird die Bundesregierung ihre Entscheidungen sachgerecht treffen.
Wahltermine spielen dabei keine Rolle.
({0})
Damit sind wir am
Ende dieses Geschäftsbereiches. Frau Staatssekretärin,
ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die
Neuordnung dieses Ministeriums hat dazu geführt, daß
gleich drei Parlamentarische Staatssekretäre zur Beantwortung zur Verfügung stehen, nämlich Lothar Ibrügger, Siegfried Scheffler und Achim Großmann, die sich
die Beantwortung teilen.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Thomas
Dörflinger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Verstoß des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee im Benehmen mit der Industrie- und Handelskammer Konstanz, die restlichen einbahnig zu
bauenden Abschnitte der BAB 98 ({0}) privat
vorzufinanzieren, einerseits im Hinblick auf die generelle Realisierung und andererseits im Hinblick auf eine mögliche Entlastung des Haushalts des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Wohnungswesen?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Ibrügger.
Herr
Kollege Dörflinger, mit der privaten Vorfinanzierung
können einzelne Projekte im Bundesfernstraßenbau
frühzeitig realisiert werden. Es können jedoch keine
dauerhaften Haushaltsentlastungen erzielt werden, da
die Bau- und Finanzierungskosten im Rahmen der zu
zahlenden Refinanzierungsraten in späteren Jahren den
Bundeshaushalt belasten. Die Anzahl der nach dieser
Finanzierungsart zu bauenden Maßnahmen ist daher begrenzt worden.
Die von Ihnen genannten Abschnitte der Bundesautobahn A 98 sind nicht Bestandteil der 27 vom Deutschen
Bundestag bzw. in Abstimmung mit dem Haushaltsausschuß beschlossenen Maßnahmen der privaten Vorfinanzierung des Bundes.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, interpretiere ich Sie richtig, daß das, was Sie eben
vorgetragen haben, entweder dazu führen müßte, den
Beschluß des Haushaltsausschusses im Sinne einer Erweiterung der 27 dort genannten Projekte neu zu überdenken, oder aber dazu, daß die Bundesregierung den
„normalen Weg“ über den Bedarfsplan Bundesfernstraßen dann mit besonderem Nachdruck verfolgt, um die
noch nicht im „vordringlichen Bedarf“ befindlichen Abschnitte der A 98 dort hinein zu bekommen?
Herr
Kollege Dörflinger, der Haushaltsausschuß hat am 25.
März 1998 den Vorschlag zur Ausweitung der privaten
Vorfinanzierung im Rahmen freier Verpflichtungsermächtigungen um 15 weitere Straßenbauprojekte, weitgehend Ortsumfahrungen mit einem Bauvolumen von
insgesamt rund 550 Millionen DM, von dem die Hälfte
auf die neuen Bundesländer entfällt, zur Kenntnis genommen. Die Beratung vom März dieses Jahres zeigt
auch, daß der Umfang der bereits jetzt durch Privatfinanzierung bedachten Projekte eine Größenordnung erreicht hat, die bei der Gestaltung des Investitionshaushaltes des Bundesverkehrsministeriums und bei der
Ausgestaltung der Investitionsmaßnahmen zum Beispiel
am Anfang der einzelnen Haushaltsjahre so stark zu Buche schlägt, daß die Bundesregierung gegenwärtig nicht
beabsichtigt, den Umfang zu erweitern.
Das zum ersten Teil Ihrer Frage, ob der Haushaltsausschuß eine weitere Entscheidung im Parlament bewirken könnte. Im übrigen wäre das eine Aufgabe, die
im Parlament bei den Beratungen des Haushaltsplanes
für 1999 zu bedenken wäre.
Zu der weiteren Frage, ob es andere Möglichkeiten
gibt, die die Bundesregierung veranlassen, dieses Projekt im Rahmen der laufenden Haushaltsgestaltung zu
finanzieren, muß ich Sie darauf hinweisen, daß den
Ländern vereinbarungsgemäß eine Quote für das Haushaltsjahr zugeteilt wird. Im Rahmen dieser Quote haben
die Länder weitestgehend die Entscheidung darüber zu
treffen, welche Maßnahmen zu finanzieren sind.
Soweit es das Land Baden-Württemberg betrifft, haben wir einen hohen Stand baureifer Maßnahmen. Vor
allem durch den Prozeß der deutschen Einheit und die
damit verbundene Verwendung der ursprünglich den
Ländern zustehenden Investitionsmittel in Ostdeutschland gibt es in Baden-Württemberg 25 baureife Projekte,
die aber im Rahmen der Länderquote zu finanzieren
sind. Die Entscheidung darüber, welches Projekt im
Haushaltsjahr 1999 zu finanzieren ist, hängt in entscheidendem Maße davon ab, welche Bewertung die Landesregierung Baden-Württemberg für dieses Projekt vorgenommen hat.
Zur Beantwortung
der Frage 17 des Abgeordneten Wolfgang Dehnel rufe
ich Herrn Staatssekretär Scheffler auf:
Ist die Ankündigung der Bundesregierung, den Bau der A 17
zwischen Dresden und Tschechien zu überprüfen, dahin gehend
zu verstehen, daß die A 17 trotz bereits begonnener Baumaßnahmen aus dem Bundesverkehrswegeplan möglicherweise wieder gestrichen werden soll?
Herr Kollege Dehnel, auf Ihre Frage, in der Sie der
Bundesregierung unterstellen, daß sie bereits die Streichung der Trasse beschlossen hat, kann ich schlichtweg
mit einem Nein beantworten. Ich möchte die Tradition
ein bißchen brechen, welche die vorherige Regierung
praktizierte, und etwas weiter ausholen: Nein, für die
Bundesautobahn A 17 Dresden-Prag wurde auf der
deutschen Seite die Linie der Gesamtstrecke schon bestimmt. Ich gehe davon aus, daß Ihnen bekannt ist, daß
zwischen den Punkten A 4 bis B 173 ein Abschnitt von
rund 3,6 Kilometern Länge seit August des Jahres in
Bau ist. Für den zweiten Teilabschnitt zwischen B 173
und B 170 läuft zur Zeit das Planfeststellungsverfahren.
Alle weiteren Abschnitte von rund 32 Kilometern Länge
sind in der Planung. Das Planfeststellungsverfahren dort
soll 1999 eingeleitet werden. Bei diesem Planungsstand
wird kein Anlaß - jetzt kommen wir wieder zu dem
Wort - zu einer Streichung des Objektes gesehen.
Die in der Frage zitierte Ankündigung ist der Bundesregierung nicht bekannt. Auch dem Minister, mir selbst
und dem Hause liegt diese Ankündigung nicht vor. Die
Aussagen zur Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober
1998 haben die konzeptionellen und organisatorischen
Überlegungen für die notwendigen Arbeiten im Gegenteil noch beschleunigt. Es besteht aber seitens der Bundesregierung noch keine Aussage - ich unterstreiche das
noch einmal - zur Streichung von Einzelprojekten, wie
sie in der Frage unterstellt wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie wissen, daß es Komplikationen mit der tschechischen Seite gegeben hat, aber auch Überprüfungswünsche von der Regierungsseite. Wird es zu Verzögerungen bei dem Bau der A 17 kommen? Welche Aufwendungen werden durch die zusätzliche Überprüfung entstehen?
Sie
unterstellen jetzt die Streichung. Sie akzeptieren jetzt
erst einmal, daß es zu Verzögerungen kommt. Mir ist
natürlich bekannt, daß es auf tschechischer Seite Zusatzwünsche bzw. finanzielle Probleme gibt. Der Planungsstand der Bundesregierung sieht so aus, daß es
keine Verzögerung gegenüber dem bisherigen Termin
geben wird.
Konkret - das bezieht die Überprüfung mit ein - ist
noch nichts absehbar. Wir beide müssen noch bis zum
Frühjahr 1999 warten, bis die Ergebnisse auf dem Tisch
liegen. Sie wissen, daß mit dieser Überprüfung das prognostizierte Verkehrsaufkommen, das Kosten-NutzenVerhältnis und all diese Dinge, insbesondere diejenigen
von der tschechischen Seite, noch nicht vorliegen. Auf
dem Tisch liegt nur der erste Arbeitsentwurf. Wir beide
müssen uns bis zum Frühjahr gedulden, bis konkrete
Aussagen möglich sind.
Noch eine kurze
Zusatzfrage. Kann ich der Antwort entnehmen, daß sich
die Bundesregierung energisch für den Bau der A 17
einsetzen wird?
Das haben Sie meinen Worten sicherlich nicht entnehmen können.
({0})
Auf jeden Fall wird die Bundesregierung eine Überprüfung vornehmen. Ich weiß nicht, ob dies, wie Sie sagen,
„energisch“ stattfinden wird. Das Ergebnisse dieser
Überprüfung wird uns beiden bis zum Frühjahr 1999
bekanntgegeben.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Ostrowski.
Herr Staatssekretär, ich
habe eine Zusatzfrage zur Finanzierung. Entsprechende
Signale kamen aus der gestrigen Landtagssitzung. Herr
Minister Schommer hat dort verkündet, daß die Studie
hinsichtlich der Machbarkeit einer privaten Finanzierung
im vierten Bauabschnitt das Ergebnis gebracht hat, daß
dies nicht zu realisieren ist. Das heißt, daß bei Gesamtkosten von 1,3 Milliarden DM auf die Bundesregierung
die konventionelle Finanzierung insgesamt zukommen
würde. Das bedeutet, daß 386 Millionen DM, die privat
vorfinanziert werden sollten, nun wieder auf die Bundesregierung zukommen. Ich frage Sie schlicht und ergreifend: Wo nehmen Sie die 386 Millionen DM her?
Ich
möchte mich hier nicht zu Aussagen der sächsischen
Staatsregierung äußern. Dazu sollte die entsprechende
Stelle selbst Stellung nehmen. Ich stimme Ihnen zu, daß
die aktuellen Kosten nach wie vor 1,32 Milliarden DM
betragen. Damit ist immer noch die Bauwürdigkeit gegeben, weil das Kosten-Nutzen-Verhältnis nach wie vor
bei 1 : 2 oder 1 : 3 liegt. Damit ist die entsprechende
Bauwürdigkeit gegeben.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Eduard Lintner.
Herr Staatssekretär,
Ihr Minister hat versichert, daß im Bau befindliche
Maßnahmen nicht gestoppt würden. Hier handelt es sich
um eine solche Maßnahme. Muß ich jetzt aus Ihrer
Antwort schließen, daß Sie zu dieser grundsätzlichen
Position doch nicht stehen?
Ich
weiß nicht, aus welcher Antwort Sie das entnehmen
konnten. Nach wie vor gelten sowohl die Koalitionsvereinbarung als auch die Aussagen des Ministers Franz
Müntefering, daß an im Bau befindlichen Projekten
festgehalten wird und daß ihr Bau selbstverständlich
weitergeführt wird. Das schließt nicht aus, daß entsprechende Alternativen überprüft werden.
({0})
In diesem konkreten Fall, handelt es sich, was die
deutsche Seite angeht, um eine Grundsatzfrage. Ich
möchte auf die Frage zurückkommen, ob seitens der
Bundesregierung eine Streichung vorliegt. Ich muß das
zurückweisen; es liegt keine Streichung des Projektes
vor.
Ich rufe die Frage 18 auf:
Bis wann wird die von der Bundesregierung angekündigte
Überprüfung von Alternativen zu den bisherigen Verkehrsplanungen, wie zum Beispiel der ,,Sachsen-Magistrale“ ({0}), abgeschlossen sein?
Im
Grunde genommen sind die Fragen 17 und 18 schon zusammengefaßt beantwortet worden. Natürlich bereitet
das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen entsprechend der Koalitionsvereinbarung
diese Thematik umfassend auf. Ich habe schon einige
Aspekte dieser Betrachtung, auch die Einbeziehung von
Alternativen, genannt. Dazu gehören das prognostizierte
Verkehrsaufkommen, Reisegeschwindigkeiten, Fahrzeiten, Investitionskosten usw. Schon aus der Aufzählung
dieser wenigen Punkte können Sie erkennen, daß die
Überprüfung nicht wenige Wochen nach der Übernahme
der Verantwortung durch die neue Bundesregierung abgeschlossen sein kann. Diese Ergebnisse werden zum
Frühjahr 1999 vorliegen.
Eine Zusatzfrage.
Die alte Bundesregierung hat sich sehr dafür eingesetzt, daß gerade in den
strukturschwachen Regionen wie dem Erzgebirge und
dem Vogtland eine Anbindung durch Autobahnen und
Eisenbahnlinien erfolgt. Wird sich die neue Bundesregierung mit gleicher Intensität dem Ausbau dieser Strekken widmen?
Selbstverständlich. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat
gesagt, daß der Aufbau Ost und, ganz dezidiert eingeschlossen, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“
bzw. der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur oberste Priorität haben. Der Bundeskanzler, die Bundesregierung,
mich eingeschlossen, und, so denke ich, auch die Mitglieder des zuständigen Ausschusses sind nicht so vermessen, daß sie die in einer früheren Legislaturperiode
von uns bzw. den entsprechenden Experten erstellten
Prognosen über das Verkehrsaufkommen - ich nehme
nur diesen einen Faktor - von einer Überprüfung ausschlössen. Diese Überprüfung schließt, unabhängig von
den grundsätzlichen Aussagen der Bundesregierung,
auch Alternativen ein. Ansonsten hat aber der Ausbau
der Verkehrsinfrastruktur nach wie vor absolute Priorität.
({0})
Zur Beantwortung
der Frage 19 des Abgeordneten Peter Weiß ({0}) steht Herr Staatssekretär Ibrügger zur Verfügung.
Sie lautet:
Für welche Projekte des Vordringlichen Bedarfs des Bundesverkehrswegeplans steht bereits fest, daß sie bei der geplanten Fortschreibung des Planwerks entfallen oder abgestuft werden, nachdem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Lothar
Ibrügger, laut Bericht der „Badischen Zeitung“ vom 26. November 1998 bei einem Besuch in Freiburg im Breisgau erklärt
hat, daß eine ganze Reihe von Projekten von der neuen Bundesregierung gestrichen werden?
Bitte.
Herr
Kollege Weiß, die Koalitionsfraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen haben sich darauf verständigt,
den Bundesverkehrswegeplan zügig zu überarbeiten.
Das gilt auch und zunächst für die zu aktualisierenden
Strukturdaten und Verkehrsprognosen und für die Bewertungsmaßstäbe, die verkehrsträgerübergreifenden Integrations- und Substitutionseffekte und für die Sicherstellung der Finanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten. Die ersten Arbeiten dazu sind bereits eingeleitet.
Dieser frühe Stand der Arbeiten an dem künftigen Bundesverkehrswegeplan ermöglicht noch keine Aussagen
zu Einzelprojekten.
Eine Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, kann angesichts der Tatsache, daß Sie
jetzt noch keine Aussage zu Einzelprojekten machen
können, eine Einschränkung, was die Überarbeitung anbelangt, vorgenommen werden? Können Sie uns zum
Beispiel mitteilen, ob Projekte, die rechtskräftig planfestgestellt, aber noch im Bau sind, aus einer Überprüfung bzw. einer Abstufung herausgenommen werden,
und ob Projekte, die aktuell im Planfeststellungsverfahren sind, daraufhin überprüft werden, ob sie abgestuft
werden, oder davon ausgenommen sind?
Herr
Kollege Weiß, die Bundesregierung arbeitet im Zusammenwirken mit allen Bundesländern an der Umsetzung
des Ausbauplans für die Bundesfernstraßen, auf den sich
Ihre Frage im Kern bezieht,
({0})
auch wenn bisher vom Bundesverkehrswegeplan die
Rede war. Die Länder planen im Auftrag des Bundes
nach den gesetzlichen Vorgaben, die das Parlament als
verbindliche Vorgabe auch für das Wirken der BundesParl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
regierung erlassen hat; danach handelt die Bundesregierung. Das gilt für alle Projekte des vordringlichen Bedarfs, die im Ausbauplan für die Bundesfernstraßen
festgelegt sind.
Bei dem Besuch, den ich selbst in Freiburg durchgeführt habe und auf den Sie in Ihrer Frage abgestellt haben, habe ich aber gleichfalls zum Ausdruck gebracht,
daß der Zielzeitpunkt 2012 für die Projekte des vordringlichen Bedarfs im geltenden Ausbauplan für die
Bundesfernstraßen, der eigentlich gesetzliche Vorgabe
ist, schon wegen der Fülle der jetzt geplanten, planfestgestellten oder in der Planung befindlichen Maßnahmen
des vordringlichen Bedarfes, wenn man sich die Investitionsraten der vergangenen Jahre und auch die voraussehbare Finanzentwicklung vor Augen hält, mindestens
auf das Jahr 2024 hinausgeschoben werden müßte. Das
heißt, schon in den vergangenen Jahren bestand eine
chronische Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans.
Daraus leitet sich die Schlußfolgerung ab, daß alle
Maßnahmen, die als vordringlicher Bedarf festgeschrieben sind, auch weiter geplant werden, allerdings alle
Maßnahmen, bei denen teilweise enorme Kostensteigerungen aufgetreten sind, erneut einer KostenManagement-Analyse unterzogen werden müssen, um
die Nutzen-Kosten-Ziffern neu zu ermitteln. Damit folgen wir im übrigen auch dem einmütigen Beschluß des
Rechnungsprüfungsausschusses und auch des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages sowie des
Bundesrechnungshofes, daß für jede Maßnahme, die zur
Zeit geplant wird, eine Planfeststellung erfolgen muß
und rechtlich unanfechtbare Planfeststellungsunterlagen
erstellt werden müssen. Erst dann kann gerechtfertigterweise die Entscheidung getroffen werden, mit den Bauarbeiten für ein Projekt zu beginnen.
Es dürfte Ihnen, Herr Kollege Weiß, angesichts von
rund 1 400 Projekten im Bundesverkehrswegeplan und
diesem Planungsverlauf schon deutlich geworden sein,
daß in jedem Bundesland neu zu bewerten ist, mit welchen Vorhaben begonnen werden kann. Dies gilt gerade
für Baden-Württemberg in besonderer Weise, weil dort
viele Maßnahmen planungsrechtlich abgeschlossen sind,
aber auf Grund der Finanzsituation der vergangenen acht
bzw. neun Jahre neu mit dem Land Baden-Württemberg
im Hinblick auf die Haushaltsjahre 1999 folgende abzustimmen sind. Dies geschieht in engem Zusammenwirken mit den Länderregierungen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, Sie haben nachdrücklich auf das Problem
der Finanzlage beim Bundesfernstraßenbau gerade in
Baden-Württemberg hingewiesen. Bei Ihrem Besuch in
Freiburg haben Sie erklärt, daß Sie dem Projekt „Stadttunnel Freiburg“ im Zuge der B 31 mit einem Finanzierungsvolumen von zirka 400 bis 600 Millionen DM gute
Chancen einräumen, künftig in den vordringlichen Bedarf - bisher steht das Projekt im weiteren Bedarf - aufgenommen zu werden. Heißt dies, daß Projekte in Baden-Württemberg die bisher im vordringlichen Bedarf
standen, zumindest in einer Größenordnung von 400 bis
600 Millionen DM - wenn nicht mehr - aus dem vordringlichen Bedarf Straßenbau im Bundesverkehrswegeplan herausfallen werden?
Nein,
Herr Kollege Weiß, das können Sie daraus überhaupt
nicht schließen. Zunächst einmal ist die Entscheidung
über die Dringlichkeit von Projekten Sache des Parlamentes. Die Bundesregierung folgt hier dem gesetzlichen Auftrag.
Weiterhin habe ich in Freiburg erklärt, daß die Bundesregierung bereit ist, den Planungsprozeß für die Tunnelstrecke in Freiburg jetzt mit zu genehmigen, weil die
Gesamtmaßnahme nur im Zusammenhang geplant und
bewertet werden kann, auch vom Parlament. Es geht
darum, die Voraussetzung dafür zu schaffen, aus den
drei Varianten, die gegenwärtig zur Debatte stehen,
durch einen unmittelbaren Planungsprozeß vor Ort die
Variante herauszufiltern, die als die ortsverträglichste
und unter städtebaulichen Gesichtspunkten als qualitativ
hochwertigste anerkannt werden kann. Erst dann wird
auch das Parlament in der Lage sein, zu entscheiden, auf
welche Art und Weise dieses Projekt im Ausbauplan für
die Bundesfernstraßen verankert wird.
Wir haben ausdrücklich erklärt - übrigens auch im
Einvernehmen mit der Landesregierung von BadenWürttemberg -, daß wir der Auffassung sind, daß eine
so wichtige Maßnahme im Gesamtrahmen des Bundesfernstraßenbaus nicht an einer einzelnen Stelle durch eine reine Verzögerung des Planungsprozesses aufgehalten werden kann, weil die Abschnitte, die von Westen
und Osten zum Tunnel führen, Teil des vordringlichen
Bedarfs sind. Diese Dringlichkeit hat das Parlament
festgestellt. Danach handeln wir.
Eine Zusatzfrage
der Abgeordneten Ostrowski.
Herr Staatssekretär, ich
habe gehört, daß ein Vorhaben für die Einordnung in
den vordringlichen Bedarf bis jetzt ein Nutzen-KostenVerhältnis von mindestens 3 : 1 haben muß. Ich frage
Sie: Trifft diese Ziffer zu? Wenn diese Ziffer zutrifft:
Bedeutet sie, daß Projekte, deren Nutzen-KostenVerhältnis bei einer Überprüfung unter den Wert 3 : 1
fällt, aus dem vordringlichen Bedarf gestrichen werden?
Frau
Kollegin, der Gesetzgeber hat im Gesetz keine feste
Vorgabe in Form eines Nutzen-Kosten-Verhältnisses
getroffen. Das Verhältnis von 3 : 1, das Sie hier angesprochen haben, ist vielmehr das Ergebnis einer Berechnung im Zuge der Festlegung des letzten Ausbauplanes
für die Bundesfernstraßen. In diesem Zusammenhang
schieden alle Maßnahmen mit einem Nutzen-KostenParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
Verhältnis unter 3 : 2 aus dem vordringlichen Bedarf
aus. Alle Maßnahmen mit einem Nutzen-KostenVerhälntis besser als 3 : 1 blieben im vordringlichen Bedarf.
Die Entscheidung über die Dringlichkeit einer Maßnahme - ich wiederhole es - liegt ausschließlich in der
Verantwortung des Parlamentes, unabhängig davon, ob
ein Verhältnis von 3 : 1 oder 2 : 1 erreicht wird. Ich betone aber: Jedes Projekt muß am Ende bezüglich seines
Nutzen-Kosten-Verhältnisses gerechtfertigt werden.
Sonst ist die Ausgabe der Steuergelder nicht zu verantworten.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Thomas Dörflinger.
Herr Staatssekretär, interpretiere ich Ihre Antwort richtig, die Sie dem
Kollegen Weiß auf die Frage bezüglich des Stadttunnels
der B 31 in Freiburg und der Verbindung nach Osten
und Westen gaben, indem ich sage, daß die Bundesregierung mit besonderem Nachdruck den Ausbau der Bereiche vorantreiben möchte, die östlich von Freiburg,
nämlich in Richtung Donaueschingen, liegen?
Herr
Kollege, ich wiederhole für die Bundesregierung: Bei
allen Maßnahmen, deren Planung als vordringlicher Bedarf der Gesetzgeber der Bundesregierung und den Ländern auferlegt hat, werden die Arbeiten ohne Einschränkung durchgeführt. Nur: Die Umsetzung solcher Projekte, das heißt: die Finanzierung, orientiert sich gemäß
der Bundeshaushaltsordnung und des Haushaltsgesetzes
jeweils an den jährlich zur Verfügung stehenden Mitteln, die im Zusammenwirken mit den Ländern auf die
Projekte umgelegt werden.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Dorothea Störr-Ritter.
Herr Staatssekretär, Sie haben heute gesagt - so stand es auch in der
„BZ“ vom 6. November -, daß unter dem jetzigen Etat
allenfalls die aktuellen Vorhaben bis zum Jahr 2024
realisierbar wären. Gedenkt die Bundesregierung deshalb, den Etat für aktuelle Straßenbauvorhaben zukünftig zu erhöhen?
Diese
Erhöhung liegt in der Verantwortung des Parlamentes,
das den Bundeshaushalt beschließt. Die Länder und der
Bund stimmen darin überein, daß allein der Aufwand für
die Unterhaltung der Bundesfernstraßen eine Größenordnung annimmt, die Anlaß zu der Befürchtung gibt,
daß mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln
Neubaumaßnahmen nicht angemessen finanziert werden
können.
Die Bundesregierung kann nicht von sich aus sagen,
daß die Mittel massiv erhöht werden. Wenn Sie die Restriktionen des Bundeshaushaltes betrachten - diese
kennen Sie ja selbst aus der Vergangenheit; ein Viertel
des Etats muß für Zinszahlungen aufgewendet werden -,
dann kommen Sie zu dem Schluß, daß es gegenüber
dem Steuerzahler unverantwortlich wäre, Projekte in
Gang zu setzen, die am Ende nicht solide finanziert
werden können.
Deswegen muß jedes Projekt auf den Prüfstand. Dies
erfordern schon unsere Bundeshaushaltsordnung und das
Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen.
In diesem Sinne wird die Bundesregierung Bericht erstatten. Das Parlament wird dann die Entscheidung treffen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Peter Dreßen.
Herr Staatssekretär, wird die
neue Bundesregierung ähnliche Entscheidungen wie die
alte Bundesregierung treffen und Straßenbaumaßnahmen anfangen, um sie dann jahrelang liegenzulassen?
Die Frage des Kollegen Dörflinger ging ja dahin, daß in
Döggingen bereits vor Jahren ein Tunnel gebaut worden
ist, aber vergessen worden ist, eine Brücke zu bauen.
({0})
Die Bürger sind natürlich verärgert, wenn Straßenbaumaßnahmen begonnen und aus finanziellen Gründen
nicht fortgesetzt werden. Wird die Bundesregierung wenigstens dafür sorgen, daß begonnene Maßnahmen einigermaßen zügig fertiggestellt werden?
Herr
Kollege Dreßen, die Bundesregierung nimmt Ihre Information mit Interesse zur Kenntnis. Uns treibt sicherlich gemeinschaftlich um, daß der Vorrang für den Bau
von Ortsumgehungen zur Entlastung der Ortschaften
von Lärm, Abgasen und Erschütterungen eine Zielrichtung des Parlaments war. In diesem Sinne wird die Bundesregierung weiterhin handeln.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Klaus Rose auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen der Eisenbahnstrecken Nürnberg-München-Salzburg-Wien bzw. Nürnberg-Regensburg-Passau-Wien, im nächsten Jahrhundert ICEHauptstrecken zu werden?
Herr Staatssekretär Ibrügger, bitte.
Herr
Kollege Dr. Rose, Anliegen der Bundesregierung ist es,
mit Österreich wie mit den anderen Nachbarländern
auch eine Ressortvereinbarung zur Attraktivitätsverbesserung und zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des
grenzüberschreitenden Schienennetzes zu treffen. Eine
bilaterale Arbeitsgruppe aus Vertretern der Verkehrsministerien und Bahnen beider Länder hat hierzu entsprechende verkehrliche und wirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt und Vorschläge erarbeitet, die auch die
beiden angesprochenen länderübergreifenden Eisenbahnstrecken Nürnberg-Regensburg-Passau-Wien und
München-Salzburg-Wien betreffen. Auf dieser Basis
wird zur Zeit eine Ressortvereinbarung vorbereitet.
Unter Einrechnung notwendiger Abstimmungen wird
eine Unterzeichnung durch die Verkehrsminister beider
Länder für etwa Mitte des nächsten Jahres eingeplant.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die in dieser
Frage eigenverantwortlich entscheidenden Eisenbahngesellschaften die Strecken mit Zügen in ICE-Qualität nutzen werden. Ein Schritt in diese Richtung ist schon der
Einsatz eines ICE der Deutschen Bahn AG in der Relation Hamburg-Nürnberg-Wien und Gegenrichtung.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Ihrer Antwort entnehme ich, daß die Bahnlinie Nürnberg-Passau-Wien nach wie vor nicht einer Rückstufung anheimfallen soll, sondern nach Auffassung der
Bundesregierung eine internationale ICE-Strecke bleibt.
Ich
biete Ihnen an, Ihnen die Ergebnisse der angesprochenen
Arbeitsgruppe, die zur Zeit zusammengestellt werden,
an die Hand zu geben. Jetzt kommt es darauf an, auch
auf die beteiligten Bundesländer zuzugehen und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe mit den Ländern, also auch
mit dem Freistaat Bayern, zu erörtern. In dem Zeitplan
zum Ressortabkommen sind all die Punkte, die Sie gerade angesprochen haben, enthalten: Information des Freistaates Bayern auf Arbeitsebene, Verständigung über
das weitere Vorgehen und Sicherstellung des Mittragens
der Inhalte des Ressortabkommens durch die Bahnen
beider Länder. In diesem Zusammenhang wird auch die
Strecke, die Sie angesprochen haben, weiter zu erörtern
sein.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
sind Sie mit mir der Meinung, daß Meldungen, wie sie
zum Beispiel in der österreichischen Bahnzeitschrift
„Eisenbahn Österreich“ zu lesen sind, aber auch Äußerungen, wie sie von der Eisenbahnergewerkschaft beispielsweise im Raum Passau/Plattling vertreten werden,
nämlich daß die Strecke Nürnberg-Regensburg-Passau
in eine Regionalbahn - die Österreicher sprechen von
einer „Franz-Joseph-Bahn“ - umgewandelt werden soll,
Falschmeldungen und Kassandrarufe sind?
Herr
Kollege Dr. Rose, der Deutsche Bundestag hat einmütig
die Bahnreform beschlossen. Die Ausgestaltung des Angebotes auf den Schienenstrecken obliegt einzig und allein der unternehmerischen Verantwortung der beteiligten Bahnen. Die Meldungen und Äußerungen, die Sie
gerade zitiert haben, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich sie bekommen
könnte, um darauf gegebenenfalls reagieren zu können.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Klaus Rose auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Eisenbahnvermögen,
vor allem die Immobilien, zu 51 Prozent im Bundesbesitz zu
belassen, und welche Auskunft kann die Bundesregierung zu
den Konditionen und den Bietern hinsichtlich des Verkaufs der
restlichen 49 Prozent der Gesellschaftsanteile am Bundeseisenbahnvermögen geben?
Herr
Kollege Dr. Rose, der Bundesminister für Verkehr, Bauund Wohnungswesen ist darum bemüht, so rasch wie
möglich eine Lösung für die Veräußerung der Anteile
des Bundeseisenbahnvermögens an den 18 Eisenbahnwohnungsgesellschaften mit insgesamt rund 112 000
Wohnungen vorzulegen.
({0})
Dabei steht im Vordergrund, daß die gesetzlich verankerte Wohnungfürsorge garantiert wird.
Herr Rose, Ihre Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär,
diese Auskunft ist wunderbar. Damit wird fortgesetzt,
was vorherige Bundesregierungen getan haben. Sind Sie
der Meinung, daß dies im besten Sinne des Wortes eine
Kontinuität ist, und sind Sie mit mir auch der Meinung,
daß die Bieter, die an den möglichen 49 Prozent der Gesellschaftsanteile teilhaben, als seriöse Unternehmen
und nicht als mieterschädigende Immobilienhaie bezeichnet werden sollten?
Herr
Kollege Dr. Rose, an Bewertungen bzw. Beurteilungen
dieser Art beteiligt sich die Bundesregierung nicht. Im
Zusammenhang mit der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der Eisenbahnwohnungsgesellschaft muß ich
aber daran erinnern, daß die Bundesregierung, die bis
zum 27. Oktober dieses Jahres in der Verantwortung
war, bei den Verkaufsverhandlungen damit konfrontiert
wurde, daß der Hauptpersonalrat beim Präsidenten des
Bundeseisenbahnvermögens der von der alten Bundesregierung vorgeschlagenen und beabsichtigten Art des
Verkaufes nicht zugestimmt hat. Damit war dieser Verkauf gescheitert.
Wir wollen ein solches Ergebnis nicht erzielen, sondern im Einvernehmen mit dem Hauptpersonalrat beim
Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens dafür Sorge tragen, daß sozialverträgliche Wege beschritten werden und daß die benötigten Wohnungen für Wohnungsfürsorgezwecke dauerhaft gesichert werden. Gleichzeitig
wollen wir aber auch das haushaltspolitische Ziel erreichen - dies war bereits Absicht der alten Bundesregierung -, Haushaltsmittel auch für das Eisenbahnvermögen freizusetzen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär,
sind Sie der Meinung, daß die von Ihnen apostrophierte
Sozialverträglichkeit, die aus meiner Sicht wertvoll ist,
nur erreicht werden kann, wenn 51 Prozent des Bundeseisenbahnvermögens im Besitz des Bundes bleiben?
Herr
Kollege Dr. Rose, dies kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in dieser Art und Weise beantwortet werden,
weil die Überprüfungen und Gespräche gegenwärtig
noch andauern.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär,
können Sie die Sicherung der Wohnungsfürsorge, von
der Sie soeben gesprochen haben, vielleicht noch etwas
konkretisieren? Das heißt, welche konkreten Ziele zur
Sicherung der Wohnungsfürsorge haben Sie? Denn das,
was man immer wieder hört, ist sehr allgemein. Ich
möchte dies gerne untermauert haben.
Frau
Kollegin, Ausgangspunkt der Antwort der Bundesregierung war die Frage des Kollegen Dr. Rose. Sie bezog
sich ausdrücklich auf das Eisenbahnvermögen bzw. auf
die 112 000 Wohnungen der Eisenbahnwohnungsgesellschaften. Ich darf Ihnen aber versichern: Wir suchen eine sozialverträgliche Lösung, die den Zweck der benötigten Wohnungen dauerhaft sicherstellt.
Im übrigen haben wir dies in der Koalitionsvereinbarung geregelt. Ich darf daraus zitieren:
Bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungsbestände gehen wir sozialverträgliche Wege, wie
Kaufangebote an Kommunen und Länder, Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierung zur
Vermögensbildung und Altersvorsorge oder Erhalt
einzelner Gesellschaften bei größerer Wirtschaftlichkeit.
Dies ist die Leitlinie der Bundesregierung, die sich
allerdings nur aus der Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Rose ableiten läßt, die aber nicht unmittelbar
Gegenstand der Frage war, die er der Bundesregierung
gestellt hat.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ich
habe sehr wohl verstanden, wonach Kollege Rose gefragt hat. Aber da Sie in Ihrer Antwort auf seine Frage
auf die Wohnungsfürsorge eingingen, habe ich noch
einmal nachgefragt.
Ich kenne den diesbezüglichen Passus aus der Koalitionsvereinbarung durchaus. Mir ging es darum, daß Sie
vielleicht etwas Konkreteres sagen könnten über das
hinaus, was ich allgemein sowieso schon weiß. Wenn
Sie dies nicht können, ist das auch gut.
Natürlich können wir das, Frau Kollegin, nur nicht in dieser
Sekunde. Wir werden Ihnen auf Ihre Frage hier in der
Fragestunde gerne unmittelbar, aber schriftlich eine
Antwort geben, wenn Sie damit einverstanden sind.
({0})
Meine Damen und
Herren, ich bekenne, daß ich eine Zusatzfrage mehr zugelassen habe, als ich durfte. Ich bitte um Nachsicht.
Wir kommen nun zur Frage 22 des Abgeordneten
Norbert Otto ({0}):
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Verkehrsprojekt
„Deutsche Einheit“ ({1}) Nr. 8 ({2}) in demselben Zeitraum und auf der
vorgesehenen Trasse fortzuführen und fertigzustellen, wie es
von der vorangegangenen Bundesregierung vorgegeben wurde,
und, wenn ja, ist sie dann bereit, sich ohne Einschränkung von
der in den Anträgen der Fraktion der SPD ({3})
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ({4}) enthaltenen Ablehnung des VDE-Projektes Nr. 8 zu distanzieren?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Scheffler zur Verfügung. - Bitte sehr, Herr
Scheffler.
Lieber Kollege Otto, durch die Bundesregierung wird
derzeit gemäß Bundesschienenwegausbaugesetz der Bedarfsplan Schiene überprüft. Wie ich heute schon mehrfach ausgeführt habe, sind in diese Überprüfung natürlich Teile der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ und
im konkreten Fall das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 8 einbezogen. Die ersten Auswertungen der
Ergebnisse lassen schon erkennen, daß das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ weiterhin als vordringlicher
Bedarf bestätigt werden kann. Endgültige Aussagen das werden Sie auch auf Grund der von mir vorhin
etwas detaillierter gemachten Äußerungen verstehen werden erst nach Vorlage der Ergebnisse der Bedarfsplanüberprüfung im Frühjahr 1999 möglich sein.
Die in der Koalitionsvereinbarung genannten Prüfungen
von Alternativen zu den bisherigen Planungen der Vorhaben, der sogenannten Mitte-Deutschland-Linie und
der sogenannten Franken-Sachsen-Magistrale, werden
dabei ebenfalls Berücksichtigung finden.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte.
Herr Staatssekretär, Ihren Worten und den vorangegangenen Worten
von Herrn Staatsminister Schwanitz kann ich also entnehmen: grünes Licht für das Verkehrsprojekt Nr. 8,
insbesondere die Strecke Erfurt-Nürnberg. Vor diesem
Hintergrund frage ich: Sind Sie dann auch gewillt, zur
kontinuierlichen Fortführung dieses Projektes im Frühjahr nächsten Jahres die Vereinbarung für die Folgefinanzierung abzuschließen, damit es zu keiner Unterbrechung in der Durchführung dieses Projektes kommt?
Was die Durchführung betrifft, muß ich sagen: Sie wissen, daß die vergebenen Bauaufträge - wie es auch der
zuständige Minister gesagt hat; aber auch die gesamte
Bundesregierung bekennt sich grundsätzlich dazu weitergeführt werden. Das schließt natürlich nicht aus,
daß das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ insgesamt
überprüft wird, daß auch Alternativen geprüft werden.
Insofern kann auf die von Ihnen gestellte Frage heute
keine endgültige Antwort gegeben werden. Wir werden
Ihnen unsere Antwort hierzu dann, wenn die Überprüfung im Frühjahr 1999 erfolgt sein wird, geben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Otto.
Ich kann also
feststellen: Es gibt keine absolute Sicherheit für die
kontinuierliche Fortführung dieses Projektes, da die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist.
So
kann ich Ihnen das nicht bestätigen. Ich sage Ihnen: Das
Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ wird wegen der
Priorität für den Aufbau Ost und natürlich auch aus
Gründen der Verkehrsinfrastruktur weitergeführt werden. Das schließt nicht aus, daß entsprechende Alternativen geprüft werden.
Frau Lengsfeld, eine
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie haben uns jetzt alles und nichts versprochen. Deswegen frage ich noch einmal nach: Werden denn durch
die Prüfungen, die nach Ihren eigenen Aussagen bis zum
Frühjahr 1999 dauern sollen, die Bauvorhaben dieser
Strecke gefährdet oder nicht?
Was die Termine oder die Bauvorhaben betrifft - ohne
jetzt in die Diskussion einzelner Bauabschnitte oder einzelner Projekte, ob 8.1 oder 8.2, einzusteigen -, kann ich
Ihnen sagen: Insgesamt steht die Bundesregierung nach
wie vor zum Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ und zu
dem, was dort als vordringlicher Bedarf bezeichnet wird.
Das stellt die Bundesregierung ja überhaupt nicht in
Frage. Aber Sie werden verstehen, daß im Rahmen der
Überprüfung nach dem Schienenwegeausbaugesetz Alternativen geprüft werden, die sowohl von Gutachtern
als auch von der Deutschen Bahn AG, also aus dem eigenen Hause, kommen, und es wird dann eine endgültige Beschlußfassung im Frühjahr 1999 geben.
Ich darf an dieser Stelle noch einmal daran erinnern,
daß die Prüfung von Alternativen das prognostizierte
Verkehrsaufkommen, Reisegeschwindigkeiten, Fahrzeiten, Umweltverträglichkeit, Investitionskosten berücksichtigt. Angesichts dessen werden Sie verstehen,
daß man das, was in der Koalitionsvereinbarung vom
20. Oktober steht, natürlich nicht in vier oder acht Wochen abschließend beurteilen kann.
Frau Kollegin, Sie
dürfen keine weitere Zusatzfrage stellen. Nur der Fragesteller darf zwei Zusatzfragen stellen. Das habe ich vorhin schon falsch gemacht; das mache ich nicht noch
einmal.
({0})
Jetzt kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Norbert
Otto ({1}):
Sieht die Bundesregierung bei einer Ablehnung des Baus der
ICE-Trasse über Erfurt ({2}) oder einer Änderung der
Streckenführung, die dann nicht mehr die Thüringer Landeshauptstadt einschließt, einen Widerspruch zu den Aussagen von
Bundesminister Franz Müntefering, der in der Aussprache zur
Regierungserklärung am 12. November 1998 sowie am
18. November 1998 im Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eine zügige Fortführung der Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ in Aussicht gestellt hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
Kollege Norbert Otto, bei den Infrastrukturinvestitionen
wird, wie ich bereits ausgeführt habe, den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ seitens der Bundesregierung
nach wie vor Vorrang eingeräumt. Das steht überhaupt
nicht im Widerspruch zur Prüfung von Abschnitten des
Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ Nr. 8, zumal sie
sich im Eisenbahnkorridor der zu überprüfenden Planung von Vorhaben gemäß der Koalitionsvereinbarung
befinden.
Da ich Ihre Sorgen, Kollege Otto, aus vielen Gesprächen, auch im Verkehrsausschuß, kenne und weiß, daß
Sie Ihren Wahlkreis in Erfurt haben und hinter Ihrer
Fragestellung letztendlich die nicht ausgesprochene Frage der Anbindung Erfurts in einem zukünftigen ICEKonzept steht, will ich weiterführend sagen, daß Erfurt
nach wie vor - auch nach Überprüfung anderer Alternativen - eingebunden ist.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für Ihr Engagement für meine
Heimatstadt Erfurt. Ich denke, die Stadt ist es wert.
Ist Ihnen die Verlautbarung des Herrn Abgeordneten
Rezzo Schlauch bekannt, der laut „Leipziger Volkszeitung“ vom 28. November 1998 gesagt hat,
({0})
die Trassenführung über Erfurt sei vom Tisch, es bestehe weitestgehend Einigkeit mit Herrn Müntefering, daß
die Trasse über das Vogtland geführt werde? Nun haben
wir uns vorhin von Herrn Staatsminister Volmer belehren lassen müssen, daß man sowohl als Abgeordneter als
auch als Mitglied der Regierung sprechen kann. Wie beurteilen Sie die Aussage von Herrn Schlauch? Vielleicht
hat er dies als Bürger und nicht als Fraktionsvorsitzender Ihres Koalitionspartners gesagt. Klassifizieren auch
Sie das als Unsinn, oder hat die Aussage des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, daß die ICETrasse des Projektes Nr. 8 über das Vogtland geführt
wird, irgendeine Substanz?
Mir liegt natürlich der Artikel der „Leipziger Volkszeitung“ vor. Nach dieser Pressemeldung gab es Rücksprachen sowohl mit dem zuständigen Minister als auch mit
dem von Ihnen zitierten Fraktionsvorsitzenden, unserem
Kollegen Schlauch. Es gibt zwischen den Fraktionen des
Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD keine anderen
Vereinbarungen als die, die in der Koalitionsvereinbarung stehen.
Im übrigen bin ich berechtigt, hier zu sagen, daß der
Kollege Schlauch von der Presse falsch zitiert wurde.
({0})
Infolgedessen gibt es auch keine Vereinbarung zwischen
Herrn Minister Müntefering und Herrn Schlauch.
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Lengsfeld, bitte.
Herr Staatssekretär,
Sie haben uns ja eben versichert, daß Erfurt trotz Prüfung aller Alternativen auf jeden Fall in der Planung
bleibt. Allerdings muß ich gestehen, daß ich nicht richtig
verstehe, wo Erfurt bleibt, wenn - die Prüfung soll ja ergebnisoffen sein - man sich für eine Alternativstrecke
entscheiden würde. Aber lassen wir das beiseite.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz im nächsten Jahr
ausläuft und alle neuen Planungen einen ungleich längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würden?
Das ist selbstverständlich nicht nur der Bundesregierung
bekannt. Ich selbst war in der letzten Legislaturperiode
Berichterstatter meiner Fraktion für die Verkehrsprojekte in den neuen Bundesländern.
Das hat überhaupt nichts mit der konkreten Feststellung zu tun, daß die Bundesregierung die Überprüfung
von Alternativen bis zum Frühjahr 1999 vereinbart hat.
Es schließt auch nicht aus, daß im Rahmen des Planungsbeschleunigungsgesetzes die Aufträge des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ wie vorgesehen fortgesetzt werden können.
Herr Staatssekretär, ich konnte
Ihrer Antwort eben entnehmen, daß die Stadt Erfurt als
ICE-Haltepunkt vorgesehen ist. Ich weiß, daß zum Beispiel auch eine Metropole wie Montabaur ICEHaltepunkt ist - nichts gegen Montabaur. Die Stadt Heidelberg hingegen, die touristisch und wissenschaftlich
nicht ganz unbekannt und unbedeutend ist, soll als ICEHaltepunkt wegfallen. Können Sie mir erklären, nach
welchen Kriterien die ICE-Haltepunkte festgelegt werden?
Ich
habe nicht festgestellt, daß die Stadt Erfurt auf jeden
Fall ICE-Haltepunkt wird, sondern ich habe gesagt - das
können Sie im Protokoll nachlesen -, daß die Stadt Erfurt bei entsprechenden alternativen Korridoren auch
eingebunden ist. Das ist eine ganz andere Lesart.
Zu Projekten von einzelnen Städten, Kommunen und
Gemeinden kann ich mich zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht konkret äußern. Wir beide müssen uns gedulden, bis die entsprechenden Gutachten und Expertenmeinungen vorliegen und sich die Bundesregierung
im Frühjahr 1999 ein abschließendes Urteil gebildet hat.
({0})
Vielen Dank, Herr
Staatssekretär Scheffler.
Wir kommen nun zu Frage 24 der Abgeordneten Dorothea Störr-Ritter:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für den
weiteren Ausbau der Bahnstrecken in Baden-Württemberg aus
dem Ergebnis der Volksabstimmung in der Schweiz vom
29. November 1998, mit dem nunmehr definitiv die Finanzierung des neuen 57 km langen Gotthardtunnels und des neuen
36 km langen Lötschbergtunnels für den Schienenverkehr gesichert wurde, um von deutscher Seite her eine Verbesserung des
Anschlusses für den alpenquerenden Güterverkehr auf der
Schiene zu gewährleisten?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ibrügger zur Verfügung. Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Frau
Kollegin Störr-Ritter, die Bundesregierung ist bei ihren
bisherigen Planungen immer davon ausgegangen, daß
die sogenannte neue Eisenbahn-Alpentransversale in der
Schweiz mit dem Basistunnel am Gotthard und
Lötschberg als Kernelement die Zustimmung der
schweizerischen Bevölkerung findet. Der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat schon
frühzeitig ein Abkommen mit der Schweiz zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des nördlichen Zulaufs zu
dieser Alpentransversale geschlossen, das am 2. Juni
dieses Jahres in Kraft getreten ist.
Es sieht als wesentliche Maßnahme auf deutscher
Seite den Ausbau des Oberrheinkorridors Karlsruhe Freiburg ({0}) - Basel vor. Neben dem derzeit abschnittsweise im Bau befindlichen Streckenteil Karlsruhe - Offenburg soll der Streckenzug Offenburg - Basel
bedarfsgerecht stufenweise ertüchtigt werden. Erste Stufe ist die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der vorhandenen zweigleisigen Strecke durch den Einbau moderner
Betriebsleit- und Signaltechnik, die im Mai 1999 in Betrieb gehen soll. Für die zweite Stufe, den abschnittsweisen viergleisigen Ausbau zur Beseitigung kapazitiver
Engpässe, laufen die Planfeststellungsverfahren an. Die
dritte Stufe ist der durchgehende viergleisige Ausbau der
Strecke Offenburg - Basel im Hinblick auf die Vollauslastung der neuen Eisenbahn-Alpentransversale.
Aus Sicht der Bundesregierung wird das Ergebnis der
Volksabstimmung in der Schweiz als Bestätigung der
bisherigen Verabredungen gesehen und ausdrücklich
begrüßt.
Frau Kollegin, eine
Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, kann dann sichergestellt werden, daß der Ausbau
des dritten und vierten Gleises zwischen Offenburg und
Basel bis zum Jahr 2006 - dann soll der Lötschbergtunnel in Betrieb genommen werden - abgeschlossen ist?
Frau
Kollegin Störr-Ritter, der Ausbau der Schienenwege
richtet sich nach dem Schienenwegeausbaugesetz. Der
Bund beteiligt sich an den Kosten dieser Schienenwege
mit entsprechenden Baukostenzuschüssen.
Der Fertigstellungszeitpunkt orientiert sich natürlich
auch daran, ob rechtlich unanfechtbare Planungen vorliegen. Angesichts Ihres beruflichen Hintergrundes werden Sie mir zustimmen, daß niemand mit Bestimmtheit
sagen kann, ob angefochtene Schienenausbauvorhaben
wirklich zu dem Zeitpunkt umgesetzt sein werden, zu
dem das Parlament ihre Fertigstellung erwartet. Deswegen sehen Sie mir nach, daß ich heute keine Aussage
über einen bestimmten Fertigstellungszeitpunkt machen
kann. Dieser hängt von den dann rechtlich unanfechtbaren Planungen ab, die sich schließlich als Investitionsentscheidungen im Bundeshaushalt niederschlagen.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, welche Chancen sieht die Bundesregierung innerhalb welcher Zeit, weitere Zulaufstrecken innerhalb
Baden-Württembergs zur Alpenüberquerung anzubinden? Ich denke an die Gäubahn oder an die Südbahn.
Frau
Kollegin Störr-Ritter, wir werden im federführenden
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am
25. Januar 1999 den Schienenwegeausbaubericht der
Bundesregierung erörtern. Ich möchte Sie bitten, diese
Fragestellung dann in die parlamentarischen Beratungen
mit einzubringen.
Ich kann gegenwärtig nur Aussagen zu den auch uns
gesetzlich bindenden Vorgaben des Schienenwegeausbaugesetzes machen.
Eine weitere Frage
des Kollegen Wiese, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie vor dem Hintergrund der
Schweizer Entscheidung die Bemühungen bei uns im
Bodenseeraum, in der Region Ulm-BodenseeOberschwaben, eine weitere Alpentransversale für die
Zukunft anzustreben, nämlich den Splügen-Basistunnel?
Sie kennen mit Sicherheit die Diskussion, die seit 20
Jahren läuft, daß man davon ausgehen muß, daß auch
mit dem Ausbau vom Gotthardtunnel und vom
Lötschbergtunnel die Alpentransversale Splügen nicht
für alle Zeiten aus der Diskussion verschwindet.
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Bemühungen des Landes Baden-Württemberg - das kann man
in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Teufel nachlesen -, die Strecke Ulm - Friedrichshafen Lindau zu elektrifizieren, um besser an die neuen Alpentransversalen heranzukommen?
Herr
Kollege, die Bundesregierung kann zum heutigen Zeitpunkt zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage keine abschließende Bewertung vortragen. Dies beruht auf Erwägungen, die vorrangig hier im Parlament selbst zu
treffen sind, vor allem auch im Zusammenwirken mit
Vizepräsidentin Anke Fuchs
unseren Nachbarstaaten, die den Alpentransit zu gewährleisten haben.
Die Bundesregierung ist über das Ergebnis der
Volksabstimmung in der Schweiz hocherfreut. Dies ist
aus unserer Sicht eine historische Entscheidung für die
Verkehrsmagistralen durch die Alpen innerhalb der Europäischen Union.
Ob und in welcher Weise sich weitere wirklich begrüßenswerte und denkbare Alternativen an Alpenquerungen ergeben, muß der Planungsprozeß in der Zukunft
zeigen. Dazu gehören insbesondere die Abstimmungen
und Überlegungen über den weiteren Ausbau des Schienennetzes in der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Sie haben leider keine weitere Zusatzfrage.
Der Kollege Weiß hat eine weitere Frage, bitte.
Herr
Staatssekretär, in der Antwort auf die Frage der Kollegin
Störr-Ritter haben Sie auf die drei Stufen für den Ausbau der Rheintalstrecke zwischen Offenburg und Basel
hingewiesen. Die Deutsche Bahn AG hat mitgeteilt, daß
sie derzeit die Planunterlagen aktualisiert und das Planfeststellungsverfahren für diesen Streckenabschnitt Ende
1999 einleiten will.
Ist denn die Bundesregierung unbeschadet der Unwägbarkeiten, die sich in einem Planfeststellungsverfahren noch ergeben können, bereit, darauf zu drängen, daß
der durchgehende vierspurige Ausbau der Rheintalbahn
von Offenburg bis Basel bis zum Jahre 2006, wenn der
Lötschbergtunnel in Betrieb gehen soll, erfolgt, und wird
sie in Gesprächen mit der Schweiz auch darauf drängen,
daß die innerschweizerischen Zulaufstrecken zu den
neuen Schienentunneln bis dahin fertiggestellt sind?
Herr
Kollege, die Bundesregierung ist wie bei allen anderen
Schienenprojekten im Schienenwegenetz der Bundesrepublik Deutschland vor allem mit Blick auf unsere
Nachbarländer daran interessiert, daß die Grenzen ihren
trennenden Charakter für den Güter- und Personentransport mit der Eisenbahn verlieren. Die Inkompatibilität
der Systeme, die Unvereinbarkeit bei der Signaltechnik
und vieles andere mehr beschweren uns in besonderer
Weise.
Deswegen wird die Bundesregierung alles in ihren
Kräften Stehende tun, um gemeinschaftlich mit unseren
Nachbarn den Ausbau der Schienenwege voranzutreiben. Dazu gehört in besonderer Weise wegen dieser
auch historischen Entscheidung in der Schweiz der Ausbau der Schienenstrecken in Richtung Süden innerhalb
der Europäischen Union. Dies schließt die von Ihnen
genannten Strecken ein.
Wir kommen nun
zur Frage 25 der Abgeordneten Dorothea Störr-Ritter:
Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, um
für Straßengüterverkehr aus den Niederlanden und Norddeutschland, der zur Alpenquerung die schweizerischen Schienenstrecken nutzen will, bereits außerhalb Baden-Württembergs
bzw. im jeweiligen Heimatland Umschlaganlagen von der Straße auf die Schiene einzurichten bzw. auf deren Einrichtung hinzuwirken?
Zur Beantwortung steht auch hier der Staatssekretär
Ibrügger zur Verfügung. Bitte sehr.
Frau
Kollegin Störr-Ritter, die Bundesregierung fördert den
Bau von Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs.
Diese Förderung bezieht sich auf den Bau und Ausbau
von öffentlichen Umschlaganlagen des kombinierten
Verkehrs und kann auch von Dritten beantragt werden.
Insbesondere Grunderwerb, Infrastrukturmaßnahmen,
Gebäude und Umschlaggeräte werden bei Dritten zumindest zu 20 Prozent als zinsloses Darlehen und zu
maximal 80 Prozent als Baukostenzuschuß gefördert.
Die Deutsche Bahn AG erhält 100 Prozent als Baukostenzuschuß.
Mit der niederländischen Seite werden intensive Gespräche über die Verlagerung der Verkehre auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Binnenschiff geführt, wobei bereits jetzt günstige und gut genutzte Verbindungen mit dem Zug im unbegleiteten
kombinierten Verkehr von Rotterdam, Duisburg und
Köln nach Italien bestehen, die mit Ganzzugverbindungen bedient werden und so eine attraktive Nutzung bieten.
Zur Zeit werden die für den Alpentransit besonders
wichtigen Umschlaganlagen in Köln-Eifeltor, Karlsruhe
und Mannheim, insbesondere bei der BASF, in erheblichem Umfang gefördert. Der Bau von Umschlaganlagen
des kombinierten Verkehrs wird in Zukunft in noch größerem Umfang als bisher gefördert, um das Ziel einer
spürbaren Entlastung der Straße zu erreichen.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang das
Ansinnen auch von Vertretern östlich gelegener Gemeinden - wenn man es einmal von der Oberrheinschiene aus betrachtet -, im Bereich Ulm/Stuttgart bessere
Voraussetzungen mit Güterbahnhöfen zu schaffen, um
in der Zukunft den alpenquerenden Güterverkehr zu bewältigen? Sie wissen - ich gehe davon aus, daß Sie das
so sehen -, daß gerade die Lombardei sowie die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern die wirtschaftlichen Triebfedern im Herzen Europas sind und
daß gerade unter diesem Gesichtspunkt die notwendigen
Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, damit nicht die gleiche Nadelöhrsituation in den Alpen
entsteht wie am Ende der A 7 bei Bregenz. Wie bewerten Sie diese Perspektive?
Herr
Kollege, Nadelöhrsituationen wollen wir vermeiden, wo
es nur geht. Alle Anstrengungen der Bundesregierung
im Verkehrswesen sind darauf ausgerichtet, insgesamt
eine Verbesserung des Verkehrsnetzes zu erreichen. Die
Leistungsfähigkeit dieses Netzes kann nur gesteigert
werden, wenn die Knoten - dazu zählen wir die Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs - gestärkt
werden. In diesem Sinne teile ich Ihre Auffassung. Wo
immer wirtschaftliche und leistungsfähige Nachfrage
besteht, müssen auch die Initiativen der privaten verladenden Wirtschaft, der gewerblichen Wirtschaft, aber
auch der Deutschen Bahn AG unterstützt werden, um
mehr Güter auf die Schiene zu bekommen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Weiß, bitte.
Herr
Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort auf die Frage des
Kollegen Wiese so verstehen, daß die Bundesregierung
auf die Deutsche Bahn AG so einwirken wird, daß sie
ihre bisherigen Planungen, den Schienengüterverkehr in
Richtung Schweiz auf der Rheintalstrecke zu konzentrieren, überdenkt und daß weitere Zulaufstrecken durch
Baden-Württemberg für eine Verteilung des Schienengüterverkehrs genauso gleichrangig geplant werden?
Herr
Kollege, ich möchte seitens der Bundesregierung noch
einmal darauf hinweisen, daß sich die Ausgestaltung des
Angebotes im Personen- und Güterverkehr mit der
Bahnreform grundsätzlich verändert hat. Das heißt, die
Deutsche Bahn und ihr Vorstand sind eigenverantwortlich tätig.
Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, daß
der Zugang zum Netz der Schienenwege in der Bundesrepublik Deutschland für jedermann diskriminierungsfrei gewährleistet wird. Deswegen wäre ein Drängen allein bei der Deutsche Bahn AG aus der Sicht der Mitglieder ihres Aufsichtsrates und ihres Vorstands, soweit
sie für die Gestaltung des Angebotes verantwortlich
sind, sicherlich hilfreich. Aus der Sicht der Bundesregierung muß ich Ihnen allerdings sagen: Für die Gestaltung
des Angebotes haben wir die gesetzlichen Vorkehrungen
so getroffen, daß ein diskriminierungsfreier Zugang gewährleistet ist. Deswegen kann und wird sich die Bundesregierung hier nicht einseitig den Vorwurf gefallen
lassen dürfen, daß sie ein Verkehrsunternehmen begünstigt und Wettbewerber, die mit Verkehrsangeboten
auch auf die Schiene wollen, ausschließt oder in irgendeiner Weise benachteiligt. Diesen Eindruck möchte ich
hier nicht entstehen lassen.
Vielen Dank.
Jetzt kommt die Frage 26 des Kollegen Helias.
Welche finanziellen Mittel wurden dem Berliner Senat im
Rahmen des Wasserstraßenprojektes Hannover-MagdeburgBerlin ({0}) überwiesen?
Dazu steht zur Beantwortung der Staatssekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung. - Herr Staatssekretär,
bitte.
Frau Präsidentin! - Herr Kollege Helias, wenn Sie gestatten, würde ich die Fragen 26 und 27 gern zusammen
beantworten. - Vielen Dank.
Dann rufe ich auch
noch die Frage 27 auf:
Welche Auflagen waren mit der Mittelüberweisung verbunden, und wie übt der Bund die Kontrolle über die Verwendung
aus?
Das Wasserstraßenprojekt Hannover-Magdeburg-Berlin, also das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 17,
wird von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des
Bundes ausgeführt. Im Gegensatz zur Auftragsverwaltung im Straßenbau planen die nachgeordneten Behörden des Bundes dieses Projekt. In Einzelfällen, die in der
Regel auf Beteiligungsmaßnahmen des Bundes an Brükken beschränkt sind, zum Beispiel - als Berliner kennen
Sie sich ein bißchen aus - für die Südostalleebrücke mit
einer Zahlung von 2,9 Millionen DM in 1998, werden
Zahlungen entsprechend einer jeweiligen Verwaltungsvereinbarung geleistet. Die Überweisungen erfolgen in
der Regel nach Baufortschritt.
Im Jahr 1998 wurden bei einer weiteren Maßnahme
zusätzlich Zahlungen des Bundes an das Land Berlin
geleistet. Im Zuge des Neubaus der Schleuse Charlottenburg wurden dem Land Berlin bis heute 4,8 Millionen DM als Pauschalbetrag zugewiesen. Dies erfolgte
im Rahmen einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Berlin. Diese
Vereinbarung sieht einen Pauschalbetrag zur Erstattung
aller Aufwendungen, die dem Land im Zusammenhang
mit dem Neubau der Schleuse entstehen, in Höhe von
insgesamt 10 Millionen DM vor. Die Summe wurde auf
Grund von Fiktivkosten ermittelt. Darin sind unter anderem enthalten: Grundstücksübereignung, Nutzung des
Baufeldes, Dienstbarkeiten, Entschädigungen, Räumungskosten in Höhe von 50 Prozent, Vermessung etc.
Da es sich um eine pauschale Abgeltung handelt, erfolgt
hier auch keine weitere Kontrolle der Mittelverwendung
durch den Bund.
Eine Zusatzfrage? Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
wenn Sie das so einfach beantworten können: Wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß die Berliner Finanzsenatorin eine parlamentarische Anfrage zur Mittelverwendung seit Anfang Juni 1998 nicht beantworten kann
und zur Klärung eines so einfachen Sachverhaltes eine
vierte Fristverlängerung bis Ende Januar 1999 erbeten
hat?
Ich
stehe hier nicht Rede und Antwort, um Aussagen der
Finanzsenatorin des Landes Berlin zu kommentieren.
Ich möchte mich dazu auch nicht äußern.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
wann ist denn mit der Fertigstellung des Wasserstraßenprojektes zu rechnen, und wann fällt die endgültige Entscheidung, ob zum reibungslosen Schiffsverkehr ein
Spreedurchstich nach der Charlottenburger Schleuse erforderlich ist? Oder ist ein solcher Durchstich eventuell
entbehrlich?
Wie bei den anderen Projekten, ob Schiene oder Straße,
erfolgt natürlich auch bei dem Wasserstraßenprojekt, das
für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die
Wasserwege sehr wichtig ist, eine entsprechende Überprüfung. Sie wissen, daß Einwendungen im Rahmen von
Planfeststellungsverfahren und, wenn der Plan festgestellt ist, in Brandenburg im Rahmen der unteren Wasserstraße Havel auf dem Tisch liegen, so daß über den
Bauverlauf und auch über den Abschluß heute keine
endgültige Aussage getroffen werden kann. Das gilt hier
gleichermaßen wie für die anderen Projekte. Auch dazu
wird im Frühjahr 1999 eine Bewertung auf den Tisch
gelegt.
Die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege Helias? - Bitte.
Ja, das ist ja auch zu
zwei Fragen.
Ich weiß. Ich zähle
genau mit.
Danke.
Herr Staatssekretär, im Interesse der Betroffenen, die
von einem solchen Spreedurchstich ja mit ihren weiteren
Planungen abhängig sind, wäre es doch erforderlich, daß
die Bundesregierung eine klare Position bezieht und
sagt, ob denn nach dem Bau der Charlottenburger
Schleuse der bisherige Wasserstraßenverlauf ausreichend ist, so daß Euro-Schiffe ungehindert durchkommen können, oder ob das eben nicht der Fall ist, so daß
ein Spreedurchstich mit erheblichen Umbaumaßnahmen
nötig ist. Wie ist da Ihre Bewertung?
Ich
werde mich zu diesem Zeitpunkt Ihnen gegenüber nicht
in einem abschließenden Urteil äußern. Ich kann aber
aus der bisherigen Tätigkeit als Mitglied des Verkehrsausschusses seit 1990 sprechen, wo seitens der alten
Bundesregierung das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 17 auf dem Tisch lag, und zwar bis zum heutigen Tag letztendlich auch in Abstimmung mit den betroffenen Ländern, also Brandenburg, Sachsen-Anhalt
und natürlich Berlin. Ich selbst war ja Moderator zwischen dem Senator Strieder und der alten Bundesregierung, was gerade den Neubau der Charlottenburger
Schleuse betrifft. Aber gegenwärtig - da bitte ich Sie um
Verständnis - kann ich zu weiteren Vorhaben als Folgemaßnahmen der Charlottenburger Schleuse keine
Stellung nehmen.
Die letzte Frage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Können Sie denn
wenigstens sagen, Herr Staatssekretär, in welchem Zeitraum Sie eine solche Aussage treffen könnten?
Ich
habe Ihnen den Zeitraum genannt.
({0})
Im Frühjahr 1999 wird hier etwas auf dem Tisch liegen.
Vielleicht ist Ihnen bekannt, daß noch in diesem Jahr erste Gespräche zwischen der neuen Bundesregierung sowie dem Senator Strieder und dem Verkehrssenator geführt werden sollen. Gesprächsgegenstand ist eine allgemeine Überprüfung. Auf dieser Grundlage werden wir
im Frühjahr 1999 unsere Stellungnahme abgeben können.
Vielen Dank. Damit
ist die Fragestunde beendet. Ich danke den Staatssekretären für die Beantwortung der Fragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Pflicht zur Vorlage eines Bundeshaushalts
1999 in den verfassungsrechtlichen Fristen
angesichts der widersprüchlichen Aussagen
zur Finanz- und Haushaltspolitik in der Bundesregierung
({0})
Als erstes erteile ich das Wort dem Kollegen Merz,
CDU/CSU. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese
Aktuelle Stunde beantragt, Herr Bundesfinanzminister,
weil wir von Ihnen erwarten, daß Sie, nachdem wir Sie
zweimal erfolglos dazu aufgefordert haben, uns sagen,
wann Sie beabsichtigen, dem Deutschen Bundestag den
Entwurf des Haushaltsplanes 1999 vorzulegen. Wir haben heute den zweitletzten Sitzungstag des laufenden
Jahres und gehen morgen in die Weihnachtspause.
Herr Lafontaine, das Grundgesetz erlegt der Bundesregierung und Ihnen als dem zuständigen Ressortminister eine verfassungsrechtliche Pflicht auf. Diese
Pflicht lautet wörtlich im Artikel 110 Abs. 2 des Grundgesetzes:
Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des
ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz
festgestellt.
Das Grundgesetz erwartet sogar eine rechtskräftige Feststellung des Haushaltsplanes vor Beginn des Kalenderjahres. Wir erwarten von Ihnen, Herr Lafontaine, daß
Sie uns und die deutsche Öffentlichkeit über den Haushaltsplan informieren, und zwar nicht erst im Laufe des
nächsten Jahres.
({0})
Wir können dies von Ihnen vor allem deshalb erwarten, weil Sie jetzt seit fast drei Monaten die Regierungsverantwortung tragen.
({1})
Wir erwarten dies aber von Ihnen auch deshalb, weil
Sie, Herr Lafontaine, das kennen, was derjenige, den Sie
zu Ihrem Haushaltsstaatssekretär gemacht haben, schon
im Sommer dieses Jahres aufgeschrieben hat. Der damalige haushaltspolitische Sprecher der SPDBundestagsfraktion hat bereits im Juni dieses Jahres den
damaligen Kanzlerkandidaten der SPD, Gerhard Schröder, darauf hingewiesen, daß die Spielräume für den
Bundeshaushalt 1999 gering sind. Er hat dann empfohlen, im Falle einer sozialdemokratisch geführten Regierung den Erblasthaushalt, wie er sich ausgedrückt hat,
im Dezember unverändert erneut im Parlament einzubringen und Ihre politischen Gewichtungen dann bei den
weiteren Beratungen vorzunehmen.
Herr Lafontaine, wir und Sie wissen, daß die verfassungsmäßige Pflicht eine Sollvorschrift ist. Aber Sie
können deswegen nicht beliebig gegen diese Verpflichtung des Grundgesetzes verstoßen. Wir erwarten von Ihnen wenigstens, daß Sie vor Ablauf des Jahres 1998 erklären, warum Sie sich nicht in der Lage sehen, den
Bundeshaushaltsplan 1999 vorzulegen. Diese Pflicht haben Sie allerdings, Herr Lafontaine!
Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang sagen: Sie
können sich, wenn Sie dieser Pflicht nicht nachkommen,
den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie wieder mit der altbekannten Leichtfüßigkeit, um nicht zu sagen Nachlässigkeit, mit den öffentlichen Finanzen umgehen, wie die
Bundesrepublik Deutschland dies aus fast allen Jahren
einer SPD-geführten Bundesregierung zwischen 1969
und 1982 gekannt hat, meine Damen und Herren.
({2})
Ich habe mir zur Vorbereitung dieser Diskussion,
meine Damen und Herren, noch einmal sämtliche Zahlen seit 1970 geben lassen. Es ist in den 13 Jahren der
SPD-geführten Bundesregierung in keinem Jahr ein
Bundeshaushalt vor Beginn des Haushaltsjahres festgestellt worden. Es ist in der Zeit der alten Regierung
Helmut Kohl und Theo Waigel bis auf ein Jahr - und
das war das Jahr der deutschen Einheit - in jedem Jahr
vor Beginn des Haushaltsjahres der Haushaltsplan
rechtskräftig festgestellt worden.
({3})
Herr Lafontaine, wir erwarten von Ihnen heute eine
verbindliche Aussage darüber - es mag ja Gründe geben
-, warum Ihnen das nicht gelingt. Wenn Sie uns diese
Auskunft nicht geben, dann sagen wir Ihnen noch einmal: So einfach kommen Sie nicht davon, daß Sie vor
den Weihnachtstagen des Jahres 1998 großzügig Geschenke verteilen, nämlich eine Kindergelderhöhung in
der Größenordnung von 5,8 Milliarden DM beschließen
lassen, ohne zu sagen, wie das finanziert werden soll,
({4})
daß Sie die Ausfälle bei den 620-DMBeschäftigungsverhältnissen in Höhe von 4,5 Milliarden DM in Kungelrunden der sozialdemokratischen Finanzminister besprechen, aber hier keine klare Linie erkennen lassen und nicht sagen, wie diese Ausfälle für
den Bundeshaushalt 1999 bezahlt werden sollen, und
daß Sie die Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge
beschließen lassen, ohne ebenfalls klar und erkennbar
und für jeden nachvollziehbar zusagen, wie die entsprechende Finanzierung über den Bundeshaushalt vonstatten gehen soll.
Herr Lafontaine, Sie haben heute die letzte Gelegenheit,
({5})
vor Ablauf des Jahres 1998 zu sagen, warum es Ihnen
nicht gelingt, einen Haushaltsplan fertigzustellen, welche Gründe dafür bestehen. Die deutsche Öffentlichkeit
hat einen Anspruch darauf, daß mit dem Wichtigsten,
was in Bonn zu entscheiden ist, nämlich mit den öffentlichen Finanzen, begonnen wird und vom Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland vor Ende des
Jahres eine klare Aussage dazu gemacht wird, welche
zusätzlichen Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger und auf die Betriebe in der Bundesrepublik
Deutschland im nächsten Jahr zukommen.
({6})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluß noch sagen -
Wir sind in der Aktuellen Stunde.
Ich bleibe beim Thema
der Aktuellen Stunde.
Ja, aber Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Vielen Dank, die nachfolgenden Redner werden dies aufgreifen.
Herr Lafontaine, dieses Desaster, das Sie in der Anhörung des Finanzausschusses in diesen Tagen erleben,
bedarf auch an dieser Stelle der Erklärung.
Vielen Dank.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wir sind am Beginn einer Aktuellen Stunde. Deswegen weise ich darauf hin, daß die Redezeit
fünf Minuten beträgt, für die Bundesregierung zehn Minuten. Ich werde mich dazwischenschalten müssen, weil
wir sonst die Spielregeln nicht einhalten.
Ich erteile das Wort dem Bundesfinanzminister Oskar
Lafontaine.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition möchte über die Frage der „Pflicht
zur Vorlage eines Bundeshaushalts 1999 in den verfassungsrechtlichen Fristen angesichts der widersprüchlichen Aussagen zur Finanz- und Haushaltspolitik in der
Bundesregierung“ debattieren - zumindest eine beeindruckende Formulierung, wie ich einräumen muß.
({0})
Vielleicht haben Sie, meine Damen und Herren von
der Opposition, aber übersehen, daß am 27. September
1998 eine Bundestagswahl stattfand und daß daraufhin
ein Regierungswechsel stattfand. Ein Inkrafttreten des
Haushalts zum Jahresbeginn 1999 ist daher zeitlich
schwer möglich und kann auch von Ihnen nicht ernsthaft
gefordert werden.
({1})
Die Bundesregierung will eine zügige, aber zugleich
auch ordnungsgemäße und gewissenhafte Aufstellung
und Beratung des Bundeshaushaltes 1999. Es liegt auch
in unserem Interesse, den etatlosen Zeitraum kurz zu
halten, denn mit dem Inkrafttreten des neuen Haushalts
schaffen wir den haushaltsrechtlichen Rahmen für neue
politische Akzente, mit deren Umsetzung wir bereits in
den letzten Tagen begonnen haben.
Die Beschlußfassung im Kabinett zum neuen Haushaltsentwurf wird am 20. Januar erfolgen. Das hatte ich
schon öfter vorgetragen, aber ich sage es hier gerne noch
einmal. Die Beratungen im Bundestag und im Bundesrat
können bis Ende Mai 1999 abgeschlossen werden. Der
Bundeshaushalt 1999 wird dann Anfang Juni 1999 verkündet.
Sie, Herr Kollege Merz, haben sich nicht nur hinsichtlich der Amtszeit geirrt. Wir sind noch nicht drei
Monate im Amt. Psychologisch verstehe ich ja, daß Ihnen das viel zu lange vorkommt.
({2})
Auch Ihre Aussage, Sie hätten den Haushalt immer
pünktlich vorgelegt, stimmt nicht; denn der Bundeshaushalt 1999 wird dann früher wirksam als der Haushalt 1995, der am Beginn der letzten Wahlperiode stand.
Dieser Haushalt wurde erst Ende Juni 1995 verkündet.
Ich erinnere mich noch genau.
({3})
- Natürlich hatte der Bundesrat Einspruch eingelegt.
Das ist richtig. Aber es ändert nichts daran, daß Sie mit
der Feststellung, Sie hätten immer pünktlich vorgelegt,
schlicht und einfach eine falsche Behauptung aufgestellt
haben.
({4})
Auf Grund der verfehlten Finanzpolitik der letzten
Jahre mußte nach Amtsübernahme der neuen Bundesregierung ein Kassensturz durchgeführt werden.
({5})
Die haushaltspolitische Bestandsaufnahme hat die Befürchtungen bestätigt. Die Finanzdaten für 1999 und die
Folgejahre sind Makulatur, und zwar nicht wegen unvorhersehbarer finanzwirtschaftlicher Veränderungen,
sondern weil Sie von der alten Regierung einfach unseriös gearbeitet und falsch geplant haben.
({6})
Sie haben milliardenschwere Risiken bei den Steuereinnahmen, den Arbeitsmarktaufwendungen, den Gewährleistungen, im Rentenbereich und bei der Privatisierung ignoriert oder zu gering veranschlagt. Sie sind die
strukturellen Probleme des Haushaltes nicht angegangen; vielmehr haben Sie die Probleme vor sich hergeschoben und deren Lösung in die Zukunft vertagt. Als
Folge dieser unseriösen Politik zeigen sich gegenüber
Ihren geschönten Zahlen schon für 1999 Mehrbelastungen in der Größenordnung von 10 Milliarden DM. Im
Finanzplanungszeitraum erreicht die Deckungslücke,
wie jeder weiß, rund 20 Milliarden DM, was Sie bisher
immer durch Veräußerung des Tafelsilbers kaschiert haben. Jeder weiß das.
({7})
Das zeigt, daß es für die von Ihnen vor der Wahl groß
angekündigte Steuerreform mit einem Nettoentlastungseffekt von 30 Milliarden DM nie auch nur den geringsten finanzpolitischen Spielraum gab.
({8})
Deshalb ist es kein Wunder, daß Sie in Ihrem Finanzplan dafür keine Mark eingesetzt hatten. Das zeigt - um
das noch einmal in Erinnerung zu rufen -, wie unseriös
Sie gearbeitet haben.
({9})
Die vorherige Bundesregierung hat große Probleme
hinterlassen. Die Zinslasten des Bundes haben sich seit
1982 fast vervierfacht - von gut 20 Milliarden DM auf
80 Milliarden DM. Die Zins-Steuer-Quote im Bundeshaushalt hat sich im gleichen Zeitraum auf rund
24 Prozent - das ist die aktuelle Zahl - verdoppelt. Die
Verschuldung des Bundes und seiner Sonderrechnungen
wird Ende des Jahres bei 1,45 Billionen DM liegen und
damit den Schuldenstand des Jahres 1982 - er lag bei
308 Milliarden DM - mehr als vervierfacht haben.
({10})
Wenn Sie hier von leichtfüßiger Politik sprechen, dann
fällt dieser Vorwurf aber in vollem Umfang auf Sie zurück. Wie leichtfüßig haben Sie die Schulden auf extreme Höhen getrieben!
({11})
Angesichts dieser Erblast sind große Anstrengungen
erforderlich, um wieder Ordnung in die Bundesfinanzen
zu bringen.
({12})
Dennoch ist die Bundesregierung entschlossen, die
Nettokreditaufnahme zu begrenzen, und zwar so zu begrenzen, daß der Art. 115 eingehalten wird.
Bis zum Inkrafttreten des neuen Haushalts gelten die
Regeln der vorläufigen Haushaltsführung. Aber auch
während dieser vorläufigen Haushaltsführung gibt es
keinen Investitionsstau, wie Sie behaupten. Die von Ihnen lancierten Meldungen über eine Investitionsblockade in zweistelliger Milliardenhöhe sind falsch. Der
größte Teil der Investitionen gerade im Bereich der Verkehrsinfrastruktur kann wie geplant weiterfinanziert
werden, da diese Investitionen auf rechtlich begründeten
Verpflichtungen des Bundes beruhen oder weil es sich
um Maßnahmen handelt, für die im Haushalt 1998 oder
in früheren Haushaltsplänen bereits Beträge bewilligt
worden sind. Das gleiche gilt für wichtige arbeitsmarktpolitische Leistungen aus dem Bundeshaushalt bzw. aus
dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit. Hier handelt
es sich ganz überwiegend um Fortsetzungsmaßnahmen,
deren Finanzierung im Zeitraum der vorläufigen Haushaltsführung zulässig ist.
Bei neuen Investitionen oder sonstigen neuen Maßnahmen werden wir sorgfältig prüfen, ob vor Verabschiedung des neuen Haushalts eine Finanzierung nach
den einschlägigen verfassungsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorschriften möglich ist.
Das von uns initiierte Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist eine solche unabweisbare Maßnahme.
({13})
Dieses Programm ist ein erster wichtiger Schritt zur
Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitschancen von
100 000 Jugendlichen. Ich fordere Sie daher auf, Ihre
polemischen Angriffe gegen dieses Programm zu unterlassen. Die Jugend braucht das Programm.
({14})
Es ist richtig, meine Damen und Herren: Auf Grund
der enormen Erblast, die wir angetreten haben - ({15})
- Ich glaube, Sie sind die einzigen in Deutschland, die
bei 1,5 Billionen DM Schulden noch lachen. Die anderen lachen da nicht mehr.
({16})
Auf Grund dieser Erblast und der unseriösen Wirtschaft der letzten Jahre brauchen wir etwas Zeit, um die
Dinge ins Lot zu bringen. Diese Zeit werden wir uns
nehmen. Sie werden damit leben müssen.
({17})
Ich erteile das Wort
Herrn Dr. Günter Rexrodt, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Der Haushalt, so heißt es zu
Recht, ist das Kursbuch der Nation. Ich stelle fest: Gegenwärtig gibt es weder einen Haushaltsentwurf 1999
noch einen erkennbaren Kurs in der Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung. Das ist eine Tatsache.
({0})
Es ist schon richtig: Zwischen haushaltspolitischer Klarheit und gesamtpolitischer Solidität einer Regierung gibt
es einen engen Zusammenhang.
({1})
Herr Lafontaine, Sie begründen die Verschiebung der
Einbringung damit, daß es Erblasten gebe; man müsse
einen Kassensturz machen; es gebe immer neue Haushaltslöcher, von denen bisher nichts erkennbar gewesen
sei. Dies ist nicht richtig.
({2})
Ich habe über Monate hinweg gelesen: „Wir sind bereit.
SPD.“ Wenn Sie doch bereit gewesen wären! Nichts da!
Unvorbereitet sind Sie, und zwar nicht nur im Detail;
({3})
das würde Ihnen noch jeder nachsehen. Es gibt keine
Linie und kein Konzept in der Finanz- und Steuerpolitik:
({4})
ein bißchen Fortsetzen der Konsolidierungspolitik auf
der einen Seite und auf der anderen Seite Nachfragestimulierung an der falschen Stelle. Da wird mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gearbeitet, um so möglicherweise Art. 115 des Grundgesetzes zu umgehen; dann wird das wieder nicht getan. Da
wird anhaltend über die günstige Entwicklung der Steuereinnahmen gesprochen - so in einem Papier von Herrn
Diller an den Haushaltsausschuß; das ist gerade eine
Woche her -, und auf Seite 4 desselben Papieres lesen
wir dann etwas über Steuermindereinnahmen wegen
schlechter Wirtschaftsdaten. So wird gearbeitet.
Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen:
Sie sind nicht vorbereitet.
({5})
Sie kommen nicht klar, obwohl Ihnen hochqualifizierte
und auch loyale Apparate zur Verfügung stehen. Der
Grund ist ein ganz einfacher: Sie haben es nicht vermocht, sich auf die Grundlinien Ihrer Politik zu einigen,
nicht etwa nur in Randfragen, sondern auch in wichtigen
Kernfragen, deren Lösung für das Schicksal und die
Entwicklung dieses Landes in den nächsten Jahren entscheidend ist. Das ist der Grund dafür, daß der Haushalt
1999 nicht rechtzeitig eingebracht wird.
({6})
Exkulpieren Sie sich nicht damit, daß Sie an Erblasten zerbrächen, auch nicht damit, daß Sie in Sachfragen
zunächst Diskussionen mit den Betroffenen führen
müßten! Das Gerede von den Erblasten entbehrt jeder
Grundlage.
({7})
Seit Jahren ist Ihnen der gesamte Haushalt, die Finanzplanung, jedes Kapitel, jede Ausgabe, jede Zahl bekannt.
Sie hätten in kürzester Zeit, wenn notwendig, Korrekturen einbringen können. Es gibt keine Geheimnisse über
irgendeine Haushaltsposition. Deshalb ist das Gerede
vom Kassensturz nur eine Nebelkerze.
({8})
Zweitens. Der von uns vorbereitete Haushalt war
grundsolide.
({9})
Die Wirtschaftsforschungsinstitute - hören Sie zu - haben in ihrem Herbstgutachten festgestellt:
Nach der Prognose der Institute stellt sich die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte besser
dar, als dies bei den gegenwärtigen Diskussionen
offenbar unterstellt wird.
({10})
Der Herr Bundesfinanzminister möchte die Leute mit
Kindergeld und mit niedrigen Eingangssteuersätzen zum
1. Januar unterm Weihnachtsbaum beglücken.
({11})
Das kostet Geld; das hat er nicht. Also muß die Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Das soll Geld bringen. Die Pläne dafür sind aber unausgegoren; also muß
nachgebessert werden. Das kostet Zeit und verwirrt die
Leute und auch uns im Parlament.
({12})
Zwischenzeitlich bemerkt man, daß die Wirtschaft von
einer neuen Bemessungsgrundlage bei den Pensionsrückstellungen ausgeht. Da fehlen dann wieder Steuereinnahmen. Also erfindet man ein Vorläufergesetz und
einen weiteren Vorläufer und macht die Verwirrung total. Das sind die Gründe, warum der Haushalt nicht
rechtzeitig eingebracht wird.
({13})
Die Regierung möchte die Beiträge zur Rentenversicherung senken. Das kostet Geld. Dazu erfindet man
eine Ökosteuer, die keine ist,
({14})
weil sie die Unternehmen, die viel Energie verbrauchen,
entlastet und diejenigen, die schon sparsam sind, den
Mittelstand nämlich, zusätzlich schröpft. Bei den 620Mark-Jobs gibt es genau das gleiche Theater.
({15})
Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. So
schafft man keine Arbeitsplätze, so vernichtet man sie.
So kann ein Parlament auch nicht arbeiten; so etwas
kann es im Hinblick auf die Verabschiedung des Haushaltes nicht hinnehmen. Ich möchte für meine Fraktion
unser äußerstes Mißfallen ausdrücken.
({16})
Lassen Sie die Katze jetzt aus dem Sack und nicht erst
nach der Wahl in Hessen. Stimmen Sie sich besser ab,
schaffen Sie Klarheit, nehmen Sie die Ihnen übertragene
Verantwortung wahr und bezeugen Sie Respekt vor dem
Parlament - einen Respekt, wie ihn dieses Parlament
verdient.
Schönen Dank.
({17})
Ich erteile das Wort
jetzt dem Kollegen Oswald Metzger, Bündnis 90/Die
Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann
es nicht mehr hören, Kollege Rexrodt, wenn Sie hier von
der Solidität der Haushaltsführung der alten Regierung
reden. Schauen Sie sich an, was die von Ihnen zitierten
Gutachter, hier der Sachverständigenrat, im aktuellen
Herbstgutachten präsentiert haben: Ein strukturelles Defizit von 1,2 bis 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
wurde durch Privatisierungserlöse mit dem gigantischen
Ausmaß von 32 Milliarden DM im diesjährigen 98er
Haushalt finanziert. Allein um diese Erblast zu bewältigen - wenn Tafelsilber verscherbelt ist, kann man diese
Lücke nicht anders schließen als durch Sparmaßnahmen
oder Neuverschuldung -, muß die neue Bundesregierung, die 43 Tage im Amt ist, zunächst einmal quer
durch die Häuser einen internen Kassensturz machen.
({0})
Bei diesem hausinternen Kassensturz stellt sie eine Fülle
von Risiken fest, die Sie hinterlassen haben.
Ich würde mich an Ihrer Stelle also schämen, heute
die großen Töne zu spucken.
({1})
Denken Sie daran, daß 1991 und 1995 nach den Wahlen
die damalige Regierung, die nicht gewechselt hatte, sondern im Amt blieb, die Verabschiedung des Haushalts
erst Monate nach dem Jahresultimo vornahm. Sie erwecken hier den Eindruck, als ob das Grundgesetz etwas
anderes vorsehe. Dabei steht im Kommentar zum
Grundgesetz explizit, daß es in der Regel unmöglich ist,
den Haushalt fristgerecht festzustellen,
({2})
wenn im Herbst Wahlen stattfinden.
Sie haben auch nicht zugehört, als der Finanzminister
heute sagte, daß am 20. Januar der Haushalt des nächsten Jahres im Kabinett vorgelegt wird. Die Wahl in
Hessen ist am 7. Februar.
({3})
Sie werden sich wundern: Die Regierungsfraktionen
werden alles daransetzen, Grundziele im Haushalt einzuhalten, die gemäß den Aussagen des Finanzministers
lauten: Die Grenze des Art. 115 des Grundgesetzes wird
unterschritten. Das Maastricht-Kriterium wird eingehalten, obwohl die Erlöse der Privatisierungen nicht das
Defizit vermindern. Die mittelfristige Finanzplanung
wird Perspektiven aufzeigen, die eine Konsolidierung
über die nächsten vier Jahre ermöglichen. Sie können
den Haushalt an Hand seiner Zahlen überprüfen und
werden dann feststellen, daß bestimmte Maßnahmen, die
auch Sie früher durchgeführt haben, nicht deshalb ausbleiben können, nur weil jetzt eine andere Regierung die
Verantwortung trägt. Sie werden sich mit der Tatsache
anfreunden müssen, daß in der Übergangsphase, in der
wir Ihre Erblasten abtragen müssen, bestimmte Privatisierungsmaßnahmen die einzige Möglichkeit darstellen,
die Einhaltung der grundgesetzlich vorgeschriebenen
Verschuldungsgrenze zu erreichen.
({4})
Darüber hinaus werden wir als neue Regierung
- auch in diesem Punkt sind wir uns einig - andere Akzente setzen. Wir müssen die investiven Ausgaben wieder erhöhen. Unter der alten Koalition, genaugenommen
seit 1992, ist die Quote der Investitionsausgaben des
Bundes ständig gesunken. Sie haben immer gepredigt:
Wir haben einen Haushalt für Wachstum und Beschäftigung.
({5})
Das Gegenteil war der Fall. Sie haben die Arbeitskosten
nach oben getrieben und die Investitionen nach unten
gefahren. Damit haben Sie gleichzeitig die Ausgaben für
den Arbeitsmarkt explodieren lassen.
({6})
Der entscheidende Punkt ist: Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Situation, in der die öffentlichen
Ressourcen ausgepowert sind.
({7})
Wir sollten im Rahmen dieser tagespolitischen Auseinandersetzung einmal innehalten und uns bewußtmachen,
daß Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik - wie in der
Ökologiepolitik - bedeutet, daß wir nicht heute die Mittel vervespern, die die nachfolgenden Generationen
brauchen.
({8})
Ähnlich wie im Zusammenhang mit der Rentenreform wird die neue Regierung durch eine neue Steuergesetzgebung genau die Akzente setzen, die Wachstum
und Investitionen stärken und die Nachfrage, aber auch
die Angebotsbedingungen für die Wirtschaft verbessern.
Denken Sie an die Aussage, die Unternehmenssteuerreform vorzuziehen! Diese Ankündigung des Bundeskanzlers war absolut richtig.
An dieser Aufgabe lassen wir uns messen. Aber wir
haben uns mit Erblasten herumzuschlagen, die Sie zu
verantworten haben und die Sie hier nicht einfach wegdiskutieren können.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat die
Kollegin Christa Luft, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Ein auf die leichte Schulter
zu nehmendes Faktum ist es freilich nicht - dies ist unbestritten -, wenn der Nation vor Beginn eines neuen
Haushaltsjahres ein Haushaltsplan nicht vorliegt, weil
dadurch in der Bevölkerung Verunsicherungen, geschürt
nun noch durch die Koalitionsabgeordneten, genährt
werden.
Abgesehen von der Tatsache, daß die Kritik der Kollegen Merz und Rexrodt an diesem Faktum für mich absolut überzogen war, möchte ich sagen, daß die Regierung schon ihren Anteil an dem entstandenen Zustand
hat. Wir haben alle noch gut das Hü und Hott im Ohr,
welches es bei der Frage der Besteuerung oder Nichtbesteuerung von 620-Mark-Jobs gegeben hat. Wir haben
noch den Zickzackkurs vor Augen, den es bei der Diskussion der Ökosteuer gegeben hat. Wir haben noch
unterschiedlichste Aussagen zur Neuverschuldung im
Ohr. Soll sie sich im nächsten Jahr erhöhen oder nicht?
Diese Vorwürfe hat sich die neue Regierung an die
Brust zu heften.
Von der Natur der Sache her ist es natürlich für die
Opposition ein gefundenes Fressen, wenn der Tatbestand eingetreten ist, daß der Nation vor Beginn des
Haushaltsjahres ein Haushaltsbuch fehlt. Nur: Die Aufregung der Oppositionsneulinge in diesem Parlament,
der CDU/CSU- und auch der F.D.P.-Fraktion, empfinde
ich als künstlich, aufgesetzt und überhaupt nicht glaubwürdig.
({0})
Ich darf daran erinnern, daß die abgewählte Regierung
in den 90er Jahren den Haushaltsplan in den meisten
Fällen zwar pünktlich vorgelegt hat. Aber gerade wir
Haushaltsausschußmitglieder erinnern uns auch daran,
wie viele überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben zu bewilligen und wie viele Korrekturen vorzunehmen waren, weil nicht solide geplant worden ist. Diesen
Punkt dürfen Sie bitte nicht vergessen.
Ich erinnere auch daran, meine Damen und Herren
von den Nicht-mehr-Regierungsfraktionen, daß Sie noch
am vergangenen Freitag den ersten Vorläufer des
Steuerentlastungsgesetzes nicht passieren lassen wollten,
weil Sie ein Interesse daran hatten, noch einmal Sand ins
Getriebe zu streuen. Dann wären die Eckpunkte für den
neuen Bundeshaushalt ja noch später zu Papier gebracht
worden.
({1})
Auch das dürfen Sie bitte nicht vergessen.
Wir von der PDS-Fraktion legen selbstverständlich
Wert darauf, daß es alsbald zu einem Haushaltsentwurf
kommt. Die Finanzlage ist eng; das ist bekannt. Wir
wundern uns daher, daß nicht mehr Einnahmequellen
von der Bundesregierung ins Auge gefaßt werden. Ich
erinnere beispielsweise an notwendige Aktivitäten zur
Wiedererhebung der Vermögensteuer.
({2})
Kürzlich hat der Vorsitzende der sozialdemokratischen
Bundestagsfraktion erklärt, wenn auch noch unverbindlich, daß er sich die Erhebung einer Millionärsabgabe
vorstellen könne. Ich bin darauf gespannt, wie sich diese
Diskussion in den jetzigen Koalitionsparteien weiterentwickeln wird.
An die vorläufige Haushaltsführung des Bundes stellen wir folgende Mindestanforderungen - ich möchte
das hier noch einmal sagen -: Bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in West und Ost darf es wegen eines nicht vorliegenden Haushalts zu keinerlei Verunsicherungen kommen.
({3})
Das betrifft ebenfalls die Absicherung des Programms
für die 100 000 jungen Menschen, die in Ausbildung
und Arbeit kommen sollen.
({4})
Wir erwarten feste Zusagen seitens der Bundesregierung, daß bei der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und bei der Wirtschaftsförderung in den neuen
Bundesländern keine Einschnitte und keine zeitlichen
Verzögerungen zugelassen werden. Auch das gehört dazu, wenn man die Angelegenheiten in den neuen Ländern zur Chefsache gemacht hat. Wir erwarten, daß die
zusätzlichen Ausgaben, die es für Bund und Länder geben wird, fair verteilt werden und nicht wegen einer zusätzlichen Belastung der Länder am Ende die Belastungen an die Kommunen weitergegeben werden, die ja ohnehin bis über die Halskrause verschuldet sind. Dann
wären nämlich die Menschen, die dort wohnen, letztlich
die Leidtragenden.
Strengste Kontrolle erwarten wir von der Bundesregierung gegenüber der BvS. Es kann doch nicht sein,
daß ständig Forderungen im zwei- und dreistelligen
Millionenbereich als nicht eintreibbar abgeschrieben
werden, wie es gerade dieser Tage wieder bei der Rothenberger-Gruppe geschehen soll, parallel dazu aber
von der Treuhand privatisierte Unternehmen nur deshalb
pausenlos in die Pleite gehen, weil sie im In- und Ausland auf eine schlechte Zahlungsmoral ihrer Kunden
stoßen. Mit anderen Worten: Wir erwarten, daß Unternehmen, die in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, ohne
daß sie selbst daran schuld sind, auch vom Bund unterstützt werden, damit nicht ständig neue Arbeitslose produziert werden.
Wir erwarten schließlich, daß Schluß ist mit der Veräußerung des restlichen Bundesvermögens zum Stopfen
akuter Haushaltslöcher. Auch hier ist endlich eine ErlösAufwand-Rechnung notwendig, die die abgewählte Koalition leider immer verhindert hat.
Danke schön.
({5})
Das Wort hat der
Kollege Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein verantwortlicher
Familienvater würde zu Weihnachten seine Familie mit
Geschenken überhäufen und erst im Januar nachschauen, was er im Portemonnaie hat, es sei denn, er ist ein
Hochstapler.
({0})
So schreibt das „Handelsblatt“ denn auch mit Recht von
den „Rechentricks des frechen Oskar“ und weist darauf
hin, was der Bundesfinanzminister den Bürgern in diesem Lande zumutet.
Herr Bundesfinanzminister, Sie verstoßen gegen die
Verfassung, nämlich gegen Art. 110 des Grundgesetzes,
der vorschreibt, daß der Haushalt vor Beginn des Haushaltsjahres vorzulegen ist.
({1})
Wir erwarten nicht, daß Sie ständig das Grundgesetz
unter dem Arm mit sich führen; wir erwarten aber, daß
Sie es nicht mit Füßen treten. Das aber tut die Bundesregierung, wenn sie den Entwurf des Bundeshaushalts
nicht rechtzeitig vorlegt.
({2})
Es gab schon einmal die Situation, daß ein Ministerpräsident aus einem kleinen Bundesland nach Bonn gekommen ist, um Finanzminister zu werden. Das war am
1. Oktober 1982 Gerhard Stoltenberg. Innerhalb von vier
Wochen war der Haushalt fertig. Sie brauchen sechs
Monate für die gleiche Prozedur. Warum brauchen Sie
sechs Monate? Sie brauchen sie deshalb, weil Sie Geschenke jetzt verteilen wollen und erst nach der Wahl in
Hessen - und keinen Tag vorher - hier in diesem Parlament über den Haushalt diskutiert werden soll.
({3})
Erst zu diesem Zeitpunkt soll die große Debatte im Bundestag zu dem Haushalt, den Sie vorlegen wollen, stattfinden.
({4})
Wenn man sich die Situation in den Bundesländern
anschaut, kann man feststellen: Sie haben bewährte
Vorturner. Herr Schröder hat in Niedersachsen vom
Staatsgerichtshof dreimal hintereinander eine Ohrfeige
wegen seiner Haushaltspolitik bekommen - weil er die
Gemeinden ausgeplündert hat und aus vielen anderen
Gründen. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein
hat vom Verfassungsgericht viermal eins auf die Nase
bekommen, unter anderem auch wegen eines Immobiliendeals. Denn man hat versucht, mit einem Rechentrick
- dies sind Rechentricks wie beim frechen Oskar - Geld
zu schaufeln, das man anderweitig mit vollen Händen an
falscher Stelle ausgegeben hat.
({5})
Das wichtigste Recht des Parlaments ist es, zu kontrollieren, was die Regierung mit dem Geld des Steuerzahlers macht.
Jetzt möchte ich etwas zum Zeitplan der Bundesregierung hinsichtlich der Aufstellung des Haushaltes
1999 sagen: Sie haben auf das Jahr 1995 Bezug genommen. Das ist natürlich besonders dreist. Der Haushalt
1995 wurde rechtzeitig vorgelegt.
({6})
Dann aber kamen die Ministerpräsidenten der SPDregierten Länder - Stichwort: Totalblockade - und haben drei Monate im Bundesrat gemauert, um die rechtzeitige Verabschiedung des Haushalts zu verhindern. Es
war das erste Mal in der deutschen Verfassungsgeschichte, daß so etwas geschehen ist.
({7})
Jetzt sage ich etwas zu der angeblichen Erblast. Ich
könnte aus dem „Spiegel“ zitieren und vieles aufzählen,
nachdem Kollege Diller schon im Haushaltsausschuß
versucht hat, mit Nebelkerzen zu werfen. Es gibt dazu
keine einzige konkrete Zahl. Wir stellen fest: In 1998
kommt es zu Minderausgaben für den Arbeitsmarkt in
Höhe von 5 Milliarden DM. Das setzt sich in das nächste Jahr fort. Wir stellen fest: In 1998 gibt es höhere
Steuereinnahmen. Zusätzliche Privatisierungserlöse in
Höhe von 5 Milliarden DM aus dem Verkauf der Postbank, die wir eingeplant haben, werden überhaupt nicht
gebraucht. Das nehmen Sie als positives Faktum mit in
das nächste Jahr. Und schließlich erzählen Sie etwas
über Gewährleistungen, bei denen man nicht genau abschätzen kann, was sich da möglicherweise ergeben
wird.
Dazu kann ich nur sagen: Sie versuchen, den Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit mit dem, was Sie
tun, zu täuschen. Das ist nicht in Ordnung, insbesondere
dann nicht, wenn Sie darüber hinaus auch noch die Verfassung brechen - und das vor dem Hintergrund, daß jede Regierung bei der Leistung ihres Amtseides zusagt,
daß sie die Verfassung einhält.
Wie sieht es mit den Problemen aus, deren Folgen in
der Zukunft wirksam werden? Schauen wir uns das einmal an. Das einzig vorhandene Problem ist von Rotgrün
gemacht. Rotgrün ist das Problem und nicht die Lösung!
Schauen Sie sich einmal die vorgesehenen Änderungen
an! Haben Sie eine Reform der 620-Mark-Jobs erreicht?
Finanzminister Möller aus Schleswig-Holstein sagte:
Mehrbelastungen muß Bonn ausgleichen. Das stammt
nicht aus Zeitungen von gestern oder von vorgestern.
Das steht vielmehr heute - nach Ihrer Einigung mit den
Ländern - in der Zeitung.
Was haben Sie denn bisher getan, um die Problematik
der Erhöhung des Kindergeldes zu lösen bzw. die Fragen zu beantworten, die die Länder und die Gemeinden
in diesem Zusammenhang stellen? Wer spricht denn bei
dieser Problemlösung von den Gemeinden? Wo ist denn
Ihr Angebot? Es gibt kein einziges in die Zukunft gerichtetes Finanzproblem, das Sie uns anlasten könnten.
Ich möchte ein Letztes zur Finanzsituation und zu
dem, was Sie als Erblast bezeichnen wollen, sagen.
Wenn Sie die Staatsschuld mit einem Betrag von
1,4 Billionen DM beziffern - Bundesschuld und Staatsschuld werden ja manchmal in einen Topf geworfen -,
so macht dies deutlich, daß Sie dazu offensichtlich auch
die Erblast aus der DDR zählen. Was bestätigt uns das?
Sie haben sich mit der Wiedervereinigung bis heute
nicht abgefunden. Sie wollten sie nie.
({8})
Sie sind deshalb auch nicht bereit, anzuerkennen, daß
die Belastungen, die sich aus den Spätfolgen des Sozialismus ergeben haben, natürlich vom Steuerzahler zu
tragen sind.
({9})
Wenn man das nicht akzeptiert, dann sagt man einfach:
Helmut Kohl hat eine Erblast in Höhe von
500 Milliarden DM - in Klammern fügen Sie hinzu: auf
Grund der Wiedervereinigung - hinterlassen.
({10})
- Die andere konnten Sie doch nicht quantifizieren! Herr
Diller hat im Haushaltsausschuß gesagt, daß im Haushalt ein Loch von 20 Milliarden DM sei. Als wir nach
konkreten Zahlen fragten, hatte er nur ein Papier von
fünf Seiten, mit unterschiedlichen Schreibmaschinen geschrieben und wahrscheinlich aus verschiedenen Stellen
zusammengetragen. Man hatte die Zuständigen wahrscheinlich noch nicht ausgetauscht. Sie hatten die Wahrheit geschrieben. Sie hatten von einer positiven Perspektive für 1998 und 1999 gesprochen.
({11})
Herr Finanzminister, in dieser Situation können wir
Sie nur auffordern: Sorgen Sie dafür, daß schnell Klarheit geschaffen wird, damit die Bürger vor Weihnachten
wissen, was die Konsequenz der Geschenke ist, die ein
unverantwortlicher Familienvater ihnen hier macht!
({12})
Das Wort hat der
Kollege Hans Georg Wagner, SPD-Fraktion.
({0})
Wenn es Sie interessiert: sehr schön. - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Christoph Böhr aus Rheinland-Pfalz hat heute
eine Forderung an die CDU/CSU-Fraktion veröffentlicht, die lautet: Die CDU muß endlich zur politischen
Attacke blasen. Da dachte ich: Das hat heute nachmittag
aber geklappt. Was Herr Merz und Herr Austermann
hier vorgetragen haben, war wirklich eine unglaublich
beeindruckende Attacke. Ich glaube, daß Herr Böhr sein
Fernsehgerät wieder ausgeschaltet hat, weil auch er der
Meinung sein muß, daß diese Ausführungen lächerlich
und unerträglich sind.
({0})
- Gut, ich kann ja verstehen, Herr Schäuble, daß Sie sich
darüber ärgern, daß wir das Kindergeld erhöht haben;
daß Sie sich darüber ärgern, daß wir den Eingangssteuersatz gesenkt haben; daß Sie sich darüber ärgern, daß
wir Leuten, die Steuern hinterziehen wollen, eine Aufbewahrungsfrist für ihre Belege von zehn Jahren auferlegen - statt Ihrer sechs Jahre -, und daß Sie sich darüber ärgern, daß nun Großunternehmen andere Pensionsrückstellungen vornehmen müssen als die, die Sie
vorsehen wollten. Das alles kann ich verstehen. Nur, lassen Sie uns die Freude darüber, daß wir das eingehalten
haben, was wir vor der Wahl versprochen haben. Das ist
etwas, was Sie 16 Jahre lang nicht geschafft haben.
({1})
Herr Kollege Rexrodt sprach eben vom Kursbuch der
Nation. In der Tat, Herr Kollege Rexrodt, haben die
Wählerinnen und Wähler am 27. September eine Kursänderung beschlossen.
({2})
Diese Kursänderung besteht darin, daß die neue Bundesregierung auch einen neuen Bundeshaushalt vorlegt. In
den vergangenen sechs Wochen hat sie gute Arbeit geleistet. Am 23. Dezember werden die Abteilungsleitergespräche stattfinden; am 9. Januar werden die Gespräche auf der Chefebene stattfinden; am 20. Januar wird
beschlossen - vor der Hessen-Wahl -, wie der Haushalt 1999 aussehen soll. Daran wird sich das weitere
parlamentarische Beratungsverfahren anschließen. Sie
sind eingeladen, dabei mitzumachen. Ich habe Ihnen ja
vorgeschlagen, die Beratung um eine Woche zu verlängern; bei dieser Gelegenheit könnten Sie dann Ihre Alternativvorschläge Punkt für Punkt einbringen. Bis jetzt
habe ich von Ihnen nur gehört: Ausführungen über BSEProbleme, Geschäftsordnungsdebatten und Beantragungen von Aktuellen Stunden. Irgendwann einmal müssen
Sie ja zur politischen Arbeit zurückfinden und sich an
das halten, was Ihr Kollege Böhr gefordert hat. Er hat
nämlich erklärt: Die CDU muß endlich die Trauer über
die verlorene Wahl hinter sich lassen und zur politischen
Attacke blasen. - Richtig! Wir freuen uns auf diese
Auseinandersetzung.
({3})
Bisher ist es allerdings nicht zu dieser Auseinandersetzung gekommen.
Herr Finanzminister, wir hatten Zweifel, ob Sie es in
dieser kurzen Zeit schaffen würden, den Bundeshaushalt
völlig umzukrempeln.
({4})
- Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Aber wir
kennen uns ja gut: Wenn Herr Koppelin eine Forderung
aufstellt, die er am nächsten Tag wieder zurücknimmt,
dann wird behauptet, das sei Ihre Linie gewesen. Aber
jetzt ist eben nicht Ihre Linie, sondern unsere Linie gefragt.
({5})
In Berichterstattergesprächen haben Sie Vorschläge präsentiert, wonach ganze Behörden aufgelöst werden sollen, und am nächsten Tag haben Sie die gleichen Behörden personell aufgestockt. Ich bin gespannt, wie das bei
Ihnen zu einer Linie werden soll.
Die wichtigste Frage ist in der Tat die Frage der Investitionen; da haben Sie recht. 1995 ist schon das gleiche
gemacht worden wie jetzt. Zwei Monate später, als jetzt
der Haushalt 1999 verabschiedet werden wird, haben Sie
Ihren verabschiedet; Herr Kollege Rexrodt, daran waren
Sie ja auch beteiligt. Damals war überhaupt nicht von
einem Investitionsstau die Rede, der dadurch entstehen
könnte. Wir haben uns damals zurückgehalten, weil wir
Verständnis dafür hatten, daß das alles nicht so schnell
gehen kann. Aber jetzt machen Sie schon nach vier Wochen den größten Krawall und bilden sich ein, damit irgend jemanden beeindrucken zu können. Diejenigen, die
am 1. Januar ein erhöhtes Kindergeld auf ihrem Konto
vorfinden, werden kein Verständnis für Sie und für das,
was Sie hier darstellen, haben.
({6})
Wenn Sie, Herr Kollege Rexrodt, vom Kursbuch
sprechen und wenn Sie Klarheit und Wahrheit im Bundeshaushalt einfordern, dann erwidere ich: Sie haben als
damaliger Bundeswirtschaftsminister einem Haushaltsplan zugestimmt, der um 1,3 Milliarden über der Verschuldungsgrenze nach Art. 115 Grundgesetz lag. Diese
1,3 Milliarden sollten eigentlich für Investitionen verwendet werden. Aber wenn Sie das, was Sie persönlich
in den Kohlerunden vereinbart hatten, hätten einhalten
wollen, wären diese 1,3 Milliarden schon aufgebraucht
gewesen. Sie haben ja mit dem Bundeshaushalt 1999 die
Bergleute hintergehen wollen; das gleiche gilt für die
Teilentschuldung des Saarlands und Bremens. Der Bundesfinanzminister sagte: Ich möchte, daß die Länder die
Hälfte davon tragen. Diese Position kann man akzeptieren. Aber gleichzeitig hat er dafür keinen Betrag in den
Haushalt eingestellt. Die 1,3 Milliarden wären ja längst
aufgebraucht gewesen, wenn er nur das gemacht hätte,
wozu er vom Bundesverfassungsgericht gezwungen
worden ist.
Deshalb sollten Sie über Weihnachten Ruhe und Gelassenheit bewahren. Wir sind froh darüber, daß wir
unsere Wahlversprechen schon größtenteils eingelöst
haben. Sie werden sehen, wie gut und solide der Bundeshaushalt 1999 sein wird.
({7})
Das Wort hat die
Kollegin Elke Wülfing, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wagner,
wir ärgern uns nicht, sondern wir freuen uns über Kindergelderhöhungen. Wir freuen uns darüber, daß die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Angriff genommen wird. Wir freuen uns über alle Ihre Geschenke. Wir
freuen uns nur nicht darüber, daß Sie diese Geschenke
vor Weihnachten machen, aber nicht wissen, wie Sie sie
im Januar bezahlen sollen.
({0})
Herr Bundesfinanzminister, es ist nicht verständlich,
daß Sie davon reden, angeblich irgendwelche Erblasten
gefunden zu haben, aber trotzdem, wie gerade beschlossen, 7,1 Milliarden DM - einfach so in die Gegend gestreut - drauflegen, ganz in sozialistischer Manier: erst
einmal ausgeben, auch wenn die Einnahmen überhaupt
nicht zu überschauen sind.
({1})
Sicherlich nicht mit großer Freude haben Sie - in der
„FAZ“, in der „Stuttgarter Zeitung“, in der „Süddeutschen Zeitung“ - Überschriften wie „Vernichtendes Urteil über Mindestbesteuerung“, „Überwältigende Ablehnungsfront bei Finanzwissenschaftlern“ gelesen. Es geht
dabei um Ihre Steuerreform - besser gesagt: um Ihr
Steuerbelastungsgesetz.
({2})
Wir haben folgende Situation: Sie haben schon 7,1
Milliarden DM ausgegeben, für die Erhöhung des Kindergeldes und die Senkung des Eingangssteuersatzes. Die
sind also schon mal weg. Gestern mußten wir dann von
den Experten, und zwar von der Crème de la crème der
Finanzwissenschaftler in der Bundesrepublik Deutschland - nicht, wie Sie gestern gemeint haben kommentieren zu müssen, von angeblich Betroffenen -, hören, daß
fast alles, was in dem Gesetzentwurf steht, verfassungswidrig sein könnte und daß das, was Sie im Wahlkampf
im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung beschlossen haben, ganz sicher verfassungswidrig ist. Da
geht es immerhin um Einnahmen in Höhe von
1 Milliarde DM. Somit fehlen Ihnen bei dieser Steuerreform schon 8,1 Milliarden DM.
Wenn es stimmt, was man so hört, was alles bei Nudelgerichten verabredet wird, wird die Abschaffung der
Teilwertabschreibung nicht wie vorgesehen erfolgen.
Das macht 3,4 Milliarden DM. Ich bin damit in der Sache ja sehr einverstanden; denn die Streichung der Teilwertabschreibung wäre eine Katastrophe: für die gewerbliche Wirtschaft, für die Banken, für den Handel.
Das erweitert Ihr Loch auf immerhin 11,5 Milliarden
DM.
Genauso wird es sich mit der Streichung der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben bei Auslandsgeschäften
verhalten. Auch das durchzusetzen wird Ihnen nicht gelingen - weitere 1,4 Milliarden DM, insgesamt 12,9
Milliarden DM. Auch Ihre Vorhaben mit dem Mehrkontenmodell bekommen Sie nicht hin, wie gestern sehr
deutlich wurde. Somit sind wir - plus 1,1 Milliarden DM - bei insgesamt 14 Milliarden DM.
Damit sind wir aber erst bei der laufenden Nummer
37 im Gesetzentwurf angelangt. Es gibt aber 108 Belastungspunkte. Dann kommt noch der Landwirtschaftsminister, und dann kommt noch Herr Clement: Bei diesem Nudelgericht ist im Zusammenhang mit der Gewerbeertragsteuer über weitere Entlastungen von 1,5 Milliarden DM gesprochen worden. Ich finde es richtig, daß
die Mittelständler entlastet werden. Nur, das sind teure
Nudeln. Dieses Geld fehlt Ihnen dann bei der Steuerreform. Sie bekommen das doch alles gar nicht mehr zusammen!
({3})
Ich bin ein bißchen enttäuscht von Bauminister
Müntefering. Warum steigt der eigentlich nicht auf die
Barrikaden? Sie haben in diesem Steuerbelastungsgesetz
- es ist kein Entlastungsgesetz - so viele Dinge drin, die
die Bauwirtschaft belasten, daß ich mich frage, wie man
es überschreiben kann mit: „Ziel ist, Arbeitsplätze zu
schaffen“. Warum also steigt Herr Müntefering nicht auf
die Barrikaden, wenn es um sein Thema geht?
({4})
Eine solche Anhörung ist ja auch deshalb schön, weil
sich manchmal auch Freunde verplappern. In Ihrem
Bündnis für Arbeit haben Sie vage irgend etwas mit 35
Prozent für Unternehmenssteuern verabredet. Aber der
DGB-Vertreter, Herr Wehner, hat geplaudert: Diesen
Steuersatz wollen Sie gegenfinanzieren, zum Beispiel
mit der Abschaffung der degressiven AfA.
({5})
Dann bezahlt die Wirtschaft zweimal: Sie bezahlt jetzt
das Kindergeld und den Eingangssteuersatz und bezahlt
nachher noch einmal. Ich denke, das sollte man hier
deutlich machen.
Ich habe Ihre Wahlkampfanzeigen noch sehr gut in
Erinnerung. Danach sind Sie doch alle dafür, daß im
Mittelstand und im Handwerk mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie tun aber genau das Gegenteil. Den
Haushalt können Sie deswegen nicht aufstellen, weil Sie
den Bürgern vor der Landtagswahl nicht die Wahrheit
sagen wollen.
({6})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe einen Augenblick gedacht: Was können eigentlich die armen Nudeln dafür?
Die esse ich nämlich sehr gerne. - Frau Kollegin, das
sollte nur ein Scherz sein.
Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis
90/Die Grünen.
Frau Wülfing, ich hätte gerne erlebt, wie Sie hier vorne
versuchen, auf der Grundlage Ihrer Petersberger Beschlüsse 30 Milliarden DM Nettoentlastung zu erklären.
({0})
Mein Gott, wären Sie rumgeeiert! Sie bekämen doch
schon bei den 10 Milliarden DM, die wir hier vorschlagen, große Probleme. Aber Ihre Sünden sind ja vergessen, weil keine Taten folgten.
Natürlich kann ich mir vorstellen, Herr Rexrodt, daß
Sie das Chaos der letzten Jahre vermissen. Ich verstehe
auch, Herr Austermann, daß Sie neugierig sind, wie wir
jetzt das auf die Reihe bekommen werden, was Sie in
den letzten Jahren nicht geschafft haben. Meine Herren,
Sie haben die Perspektive verloren. Sie denken, wir
würden so arbeiten wie Sie. Sie unterstellen uns Ihre
Arbeitsweise.
({1})
Sie versuchen mit ein paar Paragraphen und Artikeln,
diesen Eindruck zu erwecken.
Wer hat in den letzten Jahren denn ständig souverän
und haushoch den Wettbewerb „Flinke Nadel“ gewonnen? Ich erinnere mich zum Beispiel an Ihr Vorgehen im
Zusammenhang mit Maastricht. Da wurde von vornherein ein zu niedriger Zuschuß an die Bundesanstalt für
Arbeit überwiesen, um im Laufe des Jahres eine überplanmäßige Ausgabe tätigen zu können, die nicht zum
Maastricht-Kriterium gerechnet wurde. Sie haben im
Prinzip von vornherein geschummelt und unterstellen
jetzt auch uns eine solche Arbeitsweise.
({2})
Der zweite Akt im Wettbewerb „Flinke Nadel“
- wenn ich noch einmal für alle ins Gedächtnis rufen
darf, wohin eine so hektische Haushaltsführung führt sind die Kurz-ABM im Wahljahr. Ich erinnere mich
- das ist noch ganz frisch -: 75 000 Ostdeutsche hatten
wir im September 1998 mehr in ABM als im September
1997. Das klingt nicht schlecht. Das Problem an der Sache ist: Das sind Kurz-ABM; die laufen noch in diesem
Jahr aus. Wir müssen uns jetzt Gedanken über eine
strukturelle Veränderung der Arbeitsmarktpolitik im
Osten machen, weil Sie mit solchen Kurzläufern und
solcher Atemlosigkeit solche Probleme geschaffen haben.
({3})
Punkt drei im Wettbewerb „Flinke Nadel“ war die
Frage der Energiepfade. Bei Herrn Rüttgers, der damals
noch für Forschung und Bildung zuständig war, wurde
der Ausstieg aus dem Energiepfad „erneuerbare Energien“ - mal peu à peu, mal mit einem großen Sprung gemacht, weil man nicht mehr so recht wußte, was man
damit noch sollte bzw. wie man es auf die Reihe bekommt. Und damit trauen Sie sich in diese Debatte! Sie
trauen sich wirklich, uns Ihre Fehler zu unterstellen! Da
nutzen wir natürlich die Gelegenheit, Ihnen aufzuzeigen,
was Sie in den letzten Jahren angerichtet haben und was
wir jetzt in Ordnung bringen müssen. Seien Sie froh, daß
der Haushalt schon im Januar des nächsten Jahres vorliegen wird! Davon können Sie sich eine Scheibe abschneiden.
({4})
Ein letzter Akt aus dem Wettbewerb „Flinke Nadel“,
allerdings ein guter - keiner von Ihnen -, einer, der
schnell gehen mußte und auch schnell kam, ist das Vorziehen des Sofortprogramms zur Bekämpfung der Lehrstellenmisere und der Jugendarbeitslosigkeit. Seien Sie
froh, daß wir da schnell gehandelt haben!
({5})
Es ging darum, der Jugend in dieser Gesellschaft wieder
eine Heimat zu geben. Das haben Sie sträflich vernachlässigt, und zwar strukturell.
({6})
Sie haben das über Jahre schleifen lassen. Wir haben das
innerhalb weniger Monate in Angriff genommen.
({7})
Da werden wir im nächsten Jahr weiter erneuern und
verbessern müssen; aber ein erster Schritt ist getan. Sie
hatten jahrelang Zeit und haben gar nichts gemacht. Das
ist Fakt.
({8})
Das Wort hat der
Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kritisieren nicht, daß eine neue Bundesregierung eine gewisse
Zeit braucht, einen Haushaltsentwurf zu überarbeiten
und dann neu vorzulegen. Vielmehr kritisieren wir, daß
Sie seit Wochen jeden Tag neue Vorfestlegungen für
künftige Haushalte machen, sich aber gleichzeitig nicht
in der Lage sehen, hier einen Haushaltsentwurf ordentlich vorzulegen und einzubringen.
({0})
Wenn wir uns das Chaos der letzten Tage und Wochen in Erinnerung rufen, dann müssen wir feststellen:
Mit diesem Chaos erhöhen Sie täglich das Haushaltsrisiko.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr
Bundeskanzler hat von seinem Stuhl bis hier herüber,
auf diesen 2,50 Meter, zu Ihren Lasten 4,7 Milliarden
DM verloren, als er ankündigte, wie er die 620-MarkBeschäftigungsverhältnisse neu ordnen möchte.
({2})
- Und zu Lasten der Länder.
Ich sage Ihnen: Die Länder und die Gemeinden werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie ihnen die
zustehenden Beträge vorenthalten. Sie werden den Ländern natürlich den Anteil der Kindergelderhöhung ausgleichen müssen. Sie werden natürlich auch die Nachteile aus der Neuregelung der 620-Mark-Beschäftigungsverhältnisse ausgleichen müssen. Allein damit
sind Sie, Herr Lafontaine, mit rund 6,5 Milliarden DM
dabei; um diese Größenordnung handelt es sich.
({3})
Sehr viel schlimmer ist, daß Sie die Struktur des
Haushaltes fundamental zum Nachteil der investiven
Ausgaben verändern. Sie erhöhen den konsumtiven Anteil zu Lasten der investiven Ausgaben.
Sie wissen auch nicht, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Auf die Frage des Kollegen Michelbach neulich, ob man beabsichtige, die Staatsquote zu senken, hat
die Frau Staatssekretärin Hendricks geantwortet:
Die Bundesregierung strebt eine mittelfristige Begrenzung der Staatsquote an. Eine genaue Quantifizierung ist derzeit nicht sinnvoll.
Da kommt einem geradezu das Grausen.
Der Kollege Wagner hat Gott sei Dank zugestanden,
daß die Frage der Investitionen sehr wohl vom Zeitpunkt
der Vorlage und der Verabschiedung des Haushaltes betroffen ist. Natürlich sind diejenigen Maßnahmen nicht
betroffen, für die bereits Beträge vorgesehen sind, für
die Verpflichtungsermächtigungen eingestellt sind. Aber
Sie können keine neuen Maßnahmen beginnen.
Nach unserer Schätzung geht es bei dem, was Sie hier
an Investitionsstau verursachen, immerhin um Beträge
in der Größenordnung von 15 bis 20 Milliarden DM.
Das ist mindestens soviel wie das, was die Gesamtentlastung Ihrer Steuerreform ausmachen soll - wenn sie
überhaupt so kommt, wie Sie sie angekündigt haben.
({4})
Aber ganz offensichtlich haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, ganz andere Sorgen. Wenn ich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 7. Dezember richtig
gelesen habe, so haben Sie sich Sorgen über den Export
in Deutschland gemacht. Die neue deutsche Regierung
werde nicht mehr „krampfhaft“ auf Exporterfolge setzen. Wer erfolgreich exportiert - so Lafontaines Kredo -,
tut dies letztlich immer zu Lasten eines anderen Landes.
({5})
Ich habe noch in Erinnerung, daß Ihr damaliger
Kanzlerkandidat und jetziger Bundeskanzler Schröder
im Wahlkampf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
unseres Landes in den Mittelpunkt gestellt hat. Im übrigen werden Sie, Herr Bundesfinanzminister, diese Sorgen ohnehin nicht mehr haben müssen, wenn Sie finanzpolitisch, verteidigungspolitisch und außenpolitisch weiterhin so viel Porzellan zerdeppern, wie Sie das in den
letzten Tagen und Wochen getan haben.
({6})
Denn damit wächst das Mißtrauen unserer Partner,
Freunde und Nachbarn. Das wird sich wirtschaftspolitisch und auch in unseren Exporten mittel- und langfristig niederschlagen.
Sie haben heute erfreulicherweise angekündigt, daß
Sie von der früheren Vorstellung abgerückt sind, unter
Umständen den Art. 115 in Anspruch zu nehmen. Sie
müssen wohl erkennen, daß es bei der komfortablen Lage, die Sie jetzt vorfinden, keinen Grund gibt, den Art.
115 in Anspruch zu nehmen: steigendes Wirtschaftswachstum, steigende Steuereinnahmen, sinkende Arbeitslosigkeit, weniger Ausgaben für den Arbeitsmarkt,
stabile Zinsen, stabile Preise.
Sie können es sich sogar leisten - mein Vorredner hat
es bereits gesagt -, eingeplante Privatisierungserlöse in
diesem Jahr nicht zu realisieren und ins nächste Jahr zu
verschieben, um sich damit einen größeren Puffer für die
Finanzierungsprobleme des nächsten Jahres zu verschaffen, die Sie selber zu verantworten haben. Wir kritisieren das auf das nachdrücklichste. Wir können die Ausreden, die Sie jetzt gebrauchen und vorbringen, nicht
akzeptieren. Es ist so, wie es schon hundertmal gesagt
worden ist: Sie machen jetzt Geschenke und offerieren
hinterher die Rechnung.
({7})
Ich erteile das Wort
der Kollegin Konstanze Wegner, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufregung, die
die Opposition hier verbreitet, hat in der Tat etwas
Künstliches. Frau Kollegin Luft hat diesen Begriff schon
gebraucht. Auch ich hatte ihn in meinem Konzept. Er
stimmt einfach.
({0})
- Ich versuche, Sie ernst zu nehmen, aber das fällt mir
heute schwer angesichts dessen, was Sie hier abliefern.
({1})
Die Regierung wird einen Haushaltsentwurf vorlegen,
und zwar im Januar, das heißt - entgegen alle Spekulationen - noch vor der Hessenwahl. In diesem Haushaltsentwurf wird erstens die verfassungsmäßige Grenze
des Art. 115 des Grundgesetzes respektiert werden.
Zweitens werden in ihm Maßnahmen zur langfristigen
Konsolidierung enthalten sein. Drittens werden mit ihm
in einigen Bereichen auch neue Akzente im Sinne der
Koalitionsvereinbarung gesetzt werden.
({2})
Den Haushalt eher vorzulegen war realistischerweise
nicht möglich. Das wissen Sie auch ganz genau. Der
Kassensturz mußte gemacht werden, um Klarheit über
die Haushaltslage zu gewinnen.
({3})
Wenn man hört, was Sie, Herr Repnik, und Ihre Kollegen hier ablassen: Wissen Sie, was man dann für einen
Eindruck hat? - Man hat den Eindruck, Sie hätten uns
Vollbeschäftigung und gefüllte Staatskassen hinterlassen. So führen Sie sich hier auf.
({4})
In Wahrheit besteht Ihre Hinterlassenschaft jedoch in
der höchsten Massenarbeitslosigkeit und in der höchsten
Schuldenlast in der Geschichte dieser Republik. Das ist
der Grund, warum der Haushalt nicht sofort vorgelegt
werden kann. Das wissen Sie auch ganz genau.
({5})
Einen Vorgeschmack auf das, was die Opposition
heute hier bietet, hatten wir schon in der letzten Sitzung
des Haushaltsausschusses bekommen. Dort hat die Opposition die Absicht der Regierung, der Bundesanstalt
für Arbeit einen Zuschuß in Höhe von
11 Milliarden DM zu gewähren, als verfassungswidrig
bezeichnet. Beanstandet haben Sie vor allem die Einstellung des Sofortprogramms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den Haushalt der Bundesanstalt.
Aber es ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Bundesregierung den Haushalt der BA mit einem Defizit
von 11 Milliarden DM genehmigt. Art. 111 des Grundgesetzes ermächtigt sie, auch bei noch nicht bestehendem Haushaltsgesetz „rechtlich begründete Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen“.
({6})
Das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist darüber hinaus auch im Sinne von Art.
112 des Grundgesetzes unabweisbar, weil damit die hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpft wird. Es trägt dazu
bei, die Verpflichtung der beschäftigungspolitischen
Leitlinie der Europäischen Union zu erfüllen. Es muß
deshalb am 1. Januar 1999 in Kraft treten.
({7})
- Was Herr Fuchtel sagen wird, weiß ich schon. Er wird
sich auf den Rechnungshofbericht berufen, in dem in der
Tat kritisiert wird, daß das Programm bei der BA angesiedelt wird. Aber der gleiche Rechnungshof hat in diesem Bericht auch gesagt, daß sich das Problem in Kürze
von selbst erledigt, weil in dem Gesetz zur Wiederherstellung der Arbeitnehmerrechte, das wir eingebracht
haben und das morgen hier endgültig verabschiedet
wird, festgesetzt wird, daß dieses Programm künftig bei
der Bundesanstalt etatisiert wird. Insofern hat sich das
Problem gelöst, und Sie können sich Ihre ganze Spucke
sparen.
({8})
Ich wiederhole: Ihre Aufregung ist künstlich. Daß Sie
Ihre Chance als Opposition nutzen, um uns hier zu attackieren, das ist Ihr gutes Recht. Aber an Ihrem Verhalten stört mich - das muß ich schon sagen -, daß Sie
jeden Hauch von Selbstkritik vermissen lassen.
({9})
Woran liegt es denn, daß wir heute in einer so außerordentlich schwierigen haushaltspolitischen und arbeitsmarktpolitischen Situation sind? Es liegt daran, daß Sie
16 Jahre dieses Land regiert haben.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
({10})
Jetzt hat der Kollege
Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dr.
Wegner weiß ja schon, was ich sagen werde. Ich aber
möchte wenigstens darauf hinweisen: Wenn ich so frech
wie Oskar wäre, würde ich hier behaupten, es sei das
alleinige Verdienst der Opposition, wenn 1999 diesem
Bundestag überhaupt ein Haushalt vorgelegt wird.
({0})
Das Gebot der Konsolidierung hat der Bundeskanzler
hier hochleben lassen. Aber was für Lippenbekenntnisse
das sind, möchte ich einmal an dem Beispiel des Zuschusses zur Bundesanstalt für Arbeit aufzeigen.
({1})
- Ja natürlich, wir verstehen uns in der Sache ja auch
ganz gut; solange Sie in der Opposition waren, verstanden wir uns noch besser.
Meine Damen und Herren, in dieser Zeit wird sichtbar, daß wir zirka 5 Milliarden DM in diesem Jahr übrig
haben werden. Wir haben nämlich 5 Milliarden DM weniger Ausgaben, und das ist ein Erfolg der früheren Regierung.
({2})
Das darf hier einmal gesagt werden.
Ein Ergebnis dieser Politik wird auch sein, daß wir im
nächsten Jahr einen Rückgang an Arbeitslosen um etwa
200 000 haben werden. Darüber sind wir froh. Aber
auch das ist ein Erfolg der früheren Regierung.
({3})
Die Frage, die sich jetzt hier stellt, ist doch: Was
macht der jetzige Finanzminister daraus? Sie haben 11
Milliarden DM mehr. Und was machen Sie? Sie haben
sie bereits der Bundesanstalt für Arbeit wieder zugewiesen. Das ist keine Leistung, Herr Lafontaine; denn der
Waigel-Entwurf sah ebenfalls vor, daß 11 Milliarden
DM zur Verfügung stehen. Aber wir waren schon weiter. Wir hatten schon einen Haushaltsentwurf. Den haben Sie jetzt noch nicht. Das ist der Unterschied.
({4})
Also brüsten Sie sich nicht weiter mit einer solchen Leistung!
Sie könnten 8 Milliarden DM von dem Geld zur Senkung der Nettokreditaufnahme oder zur Entlastung der
Finanzmärkte verwenden. Aber das tun Sie nicht. Reden
Sie also künftig nicht mehr vom Stopfen von Haushaltslöchern, wenn Sie das gar nicht ernsthaft vorhaben!
({5})
Genauso könnten Sie mit diesem Betrag die Sozialversicherungsabgaben um 0,5 Beitragspunkte senken
({6})
- ohne diese komische Öko-Abkassiererei. Aber Sie tun
auch das nicht, Sie haben dazu nicht mal mehr die Kraft.
({7})
Sie könnten auch viele Milliarden für Investitionen einsetzen. Auch das tun Sie nicht.
Wir wissen, warum das alles so läuft. Wir haben sehr
genau beobachtet, wie die Personalpolitik hier läuft.
Noch nie haben wir erlebt, daß ein Haushaltsdirektor direkt aus der Funktion eines Büroleiters in diese wichtige
Funktion hochbefördert wird. Was hier passiert ist, ist
der Öffentlichkeit bis jetzt entgangen. Hier kommt jemand, der der Büroleiter des saarländischen Schuldenkönigs war, und der bekommt den Platz des Haushaltsdirektors im Finanzministerium. Das muß man sich einmal
vorstellen! Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn
das dann diese Entwicklung nimmt.
({8})
So kommt es dann auch, daß Sie jetzt 10 Milliarden DM
in weitere AB-Maßnahmen hineinpumpen.
Wir müssen darauf hinweisen: Hier handelt es sich
um einen klaren Bruch der Verfassung. Frau Kollegin
Dr. Wegner hat vorhin erklärt, es gehe hier um die Sozialgesetzgebung. Jawohl! Aber noch wichtiger ist die
Verfassung, und diese wird in diesem Punkt mißachtet.
({9})
Es ist der Bundesregierung untersagt, einen Schattenhaushalt bei der Bundesanstalt für Arbeit zu verstecken.
Herr Finanzminister, nichts anderes tun Sie. Das ist verfassungswidrig, und das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen. Das muß hier deswegen ganz deutlich gesagt
werden.
Ich fasse zusammen: Hier wird schon zu Beginn dieser Regierungszeit an einem ganz wichtigen Punkt eine
große Störung des Vertrauens zum Parlament offensichtlich. Ich kann Sie nur auffordern: Tun Sie so etwas
nie wieder!
Ich bin mir sicher, nach Weihnachten, wenn Sie dann
die Ratenzahlungen für die ganzen Geschenke, die Sie
ausgeteilt haben, erbringen müssen, dann werden immer
mehr Leute rufen: Wir wollen unseren Theo wiederhaben.
({10})
Nun erteile ich der
Kollegin Uta Titze-Stecher das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der letzte Satz hat mich wirklich schallend lachen lassen, Herr Kollege Fuchtel. Wenn Sie die Gesichter der
Stenographen betrachtet hätten - das konnten Sie natürlich aus dieser Position heraus nicht -, dann hätten Sie
auch deren Schmunzeln beobachten können. Das kann
man ja nicht ernst nehmen. Als Präsident für Ihre Kamele sind Sie sicherlich effizienter als bei der Kritik des
Bundeshaushalts.
({0})
Es hat eine verräterische Anmerkung seitens des
Kollegen Kalb gegeben. Der Kollege Kalb äußerte nämlich, daß ihn vor allem die Politik dieser neuen Bundesregierung störe. Er hat nämlich alle Maßnahmen, die wir
bisher ergriffen haben, kritisiert. Das heißt, es stimmt,
was Frau Luft und Frau Wegner hier gesagt haben, daß
die Aktuelle Stunde einberufen worden ist, obwohl es
dafür keinen rationalen Grund gibt.
Sie bemühen ja heute so außerordentlich oft das
Grundgesetz. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen auch der Bundesfinanzminister ist bereits darauf eingegangen -, daß der Art. 111 Grundgesetz die vorläufige
Haushaltswirtschaft regelt? Ich sage Ihnen auch, warum
- Sie wissen es -: Weil die Situation schlicht und einfach eintreten kann, wie sie im Moment aktuell ist, daß
nämlich das Haushalts- und das Rechnungsjahr nicht
miteinander identisch sind.
Wenn Sie im Haushaltsausschuß und im Plenum behaupten, daß Ihnen das nie untergekommen ist, dann
muß ich sagen: Ja gut, wenn die neue Regierung die alte
Regierung ist, wie das 1994 der Fall war, dann ist es
natürlich nicht schwer, einen Bundeshaushalt einzubringen. Aber verabschiedet haben Sie ihn auch erst im
nächsten Sommer. Zur Bewältigung der augenblicklichen Haushaltssituation hat der Gesetzgeber Sorge getragen. Deswegen sollten Sie hier nicht so herummäkeln
und für diese Aktuelle Stunde Vorwände suchen.
Ihnen geht es darum, daß Sie die Politik der neuen
Regierung schlicht nicht verknusen können.
({1})
- Nun muß ich sagen, Herr Rexrodt, das können Sie
dann in der parlamentarischen Debatte bei der Einbringung von Gesetzentwürfen trefflich diskutieren. Da ist
der richtige Platz, aber nicht hier, wo Sie einen Vorwand
wie heute zum Anlaß nehmen, um herumzumeckern.
Wir hätten das im gleichen Fall nicht getan.
({2})
Es hat ein totaler Wechsel stattgefunden - das muß
ich Ihnen noch einmal sagen -, nämlich nicht nur mit
der neuen Bundesregierung, sondern auch mit der gesamten Konstellation, nämlich der Koalition. Es ist nun
mehr als verständlich und nachvollziehbar, wenn diese
neue Bundesregierung auch im Bundeshaushalt ihre eigene Handschrift wiederfinden möchte.
({3})
Wie oft haben mir bei Haushaltsberatungen die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen
freundlich lächelnd ins Gesicht gesagt: Tja, das geht
nicht, was du möchtest; wir regieren. - So ist es nun für
uns. Aus Ihrer Sicht ist das natürlich mißlich. Aber nur
ein Kind hätte geglaubt oder erwartet, daß die abgewählte Bundesregierung davon ausgehen kann, daß ihr
noch vor den Wahlen vorgelegter Bundeshaushalt von
uns schlicht übernommen werden könnte.
({4})
Ihnen geht es ja gar nicht um die Fristen. Ihnen geht
es ja nur ums Madigmachen.
Eine Bemerkung zum Thema Verfassungsmäßigkeit.
Da sind wir beim Punkt. Sie outen sich hier als Fans der
Verfassungsmäßigkeit der haushaltsrechtlichen Bestimmungen im Grundgesetz. Da muß ich aber herzhaft lachen.
({5})
Nicht erst, seit ich Vorsitzende im Rechnungsprüfungsausschuß bin weiß ich - acht Jahre Arbeit im
Rechnungsprüfungsausschuß haben mich dies gelehrt -,
daß die abgewählte Kohl-Regierung geradezu als MarHans-Joachim Fuchtel
kenzeichen ständige und hartnäckige Verstöße gegen
verfassungsmäßig normierte Grundsätze der Haushaltsund Wirtschaftspolitik vorgewiesen hat.
({6})
Das sagt nicht die SPD, sondern das sagt selbst der
Bundesrechnungshof, und zwar Jahr für Jahr bei der
Vorlage seines Prüfberichts, zuletzt im November dieses
Jahres. Und der BRH ist nun der unparteiische Bewerter
schlechthin und nicht Sie.
Im Art. 110 - Sie haben heute sehr oft das Grundgesetz bemüht, Herr Austermann - schreibt das Grundgesetz zum Haushaltsplan und zum Haushaltsgesetz des
Bundes vor:
Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in
den Haushaltsplan einzustellen…
So schlicht, so einfach. Nur, Sie haben es nie befolgt.
Der Bundesrechnungshof hat Ihnen zum wiederholten
Mal klargemacht, daß Ihre Art der Haushaltsrechnung,
nämlich die 16 Sondervermögen und ihre Einnahmen
und Ausgaben gesondert beizulegen, schlicht verfassungswidrig ist, weil dies keinen Gesamtüberblick über
die Gesamtverschuldung des Haushaltes erlaubt. Dieses
und weitere Verstöße sind an der Tagesordnung gewesen, beispielsweise Verstöße - ich mache es ganz kurz gegen Art. 109, Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern, Art. 110, Haushaltsplan und Haushaltsgesetz, Art.
112, überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben,
ein ständiger Renner. Dies ist am Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit verifiziert worden.
Das Neueste zum Thema hat die Präsidentin des
Bundesrechnungshofes im November voller Sorge geäußert: Der Schuldenberg und die Zinsverpflichtungen,
die in 16 Jahren seit 1982 aufgehäuft worden sind, haben sich vervierfacht wie der Bundesfinanzminister gesagt hat. Durch diese Ihre Erblasten sind die Spielräume
zur politischen Gestaltung so schmal geworden - ich
komme zu meinem Schlußsatz -, daß es wohl recht und
billig ist und seriöser Haushaltsführung entspricht, einen
völlig überarbeiteten Bundeshaushalt mit völlig überarbeiteter mittelfristiger Finanzplanung vorzulegen. Dafür
müssen Sie uns wohl oder übel Zeit lassen.
({7})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen
Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 10. Dezember
1998, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.