Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/27/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es Nachfragen? - Bitte schön, Herr Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben uns vorgetragen, dass die Bundesregierung jetzt - ich sage, zum Glück - einen Schwellenwert in die gesetzliche Regelung aufgenommen hat. Das ist zu begrüßen. Der Bundeswirtschaftsminister hat sich mit seinen Bedenken offensichtlich im Kabinett durchgesetzt. Meine Frage ist: Welche Gründe haben dazu geführt, mit der Zahl von 15 Beschäftigten jetzt einen weiteren Schwellenwert in das ohnehin schon mit zahlreichen Schwellenwerten belegte deutsche Sozial- und Arbeitsrecht einzuführen? Gibt es sachliche Erwägungen, bei befristeten Arbeitsverhältnissen einen anderen Schwellenwert vorzusehen als etwa im Kündigungsschutzrecht?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, wir haben die Schwelle von 15 Beschäftigten auch in anderen gesetzlichen Vorhaben, wie Sie wissen. Es gab im Anhörungsverfahren eine Diskussion um die Frage, ob man Betriebe mit einer geringen Zahl von Beschäftigten nicht von dieser Regelung ausnehmen sollte. Wir haben uns dann darauf verständigt, diese 15er-Regelung einzuführen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich wollte noch einmal zur sachlichen Erwägung fragen: Wenn der Schwellenwert von 15 Beschäftigten jetzt Schule macht, das heißt aus welchen Erwägungen auch immer -, der richtige Schwellenwert zu sein scheint, ist die Bundesregierung dann bereit, auch im Kündigungsschutzrecht eine Anhebung von derzeit fünf Beschäftigten auf richtigerweise 15 Beschäftigte vorzunehmen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, diese Absicht haben wir nicht. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Meckelburg.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Unternehmen haben die Möglichkeit der Ablehnung - ursprünglich hieß es: bei vorliegendem dringenden Grund. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass diese Möglichkeit - wie auch immer sie formuliert ist - dazu führen wird, dass es im Zweifelsfalle zur sehr vielen gerichtlichen Verfahren kommt, wenn ein Arbeitnehmer den Rechtsanspruch hat, aus Teilzeitarbeit einen Dauerarbeitsplatz zu machen?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, das glauben wir nicht. Wir setzen beispielsweise wie die Niederlande, die ein ganz ähnliches Gesetz gemacht haben, darauf, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen. Wir haben eine ganze Reihe von Regelungen eingebaut, die einerseits verhindern sollen, dass der Arbeitgeber überfordert wird, es aber auf der anderen Seite dem Arbeitnehmer ermöglichen sollen, diesen Rechtsanspruch notfalls durchzusetzen. Wir setzen aber darauf, dass weitgehend Regelungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zustande kommen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer weiteren Nachfrage, bitte.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geringfügig Beschäftigte sind ja auch Teilzeitarbeitnehmer. Wie wird das Ganze gehandhabt, wenn nach diesem Gesetzentwurf der Rechtsanspruch auch für diese Personen gelten soll? Sehen Sie nicht insbesondere hier die Gefahr vieler gerichtlicher Verfahren?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, wir haben ja bestimmte Kriterien festgesetzt. Der Arbeitnehmer kann nicht willkürlich irgendeine Arbeitszeit fordern, sondern nur eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Für geringfügig Beschäftigte gibt es also bestimmte Bedingungen; sie werden davon meiner Meinung nach nicht erfasst.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Grehn das Wort.

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, mit dem Entwurf folgen Sie ja wohl der Aufforderung der Europäischen Union, das Diskriminierungsverbot stärker durchzusetzen. Sie sind dem auch nachgekommen. Nur, in § 4 Abs. 2 ist festgelegt, dass es sachliche Gründe geben kann, die eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit befristeten und unbefristeten Verträgen rechtfertigen. Ich hätte gerne einmal gewusst: Welche sachlichen Gründe sind das, oder obliegt es den Arbeitgebern zu entscheiden, wen sie ungleich behandeln?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Sie meinen die sachlichen Gründe, die in § 4 Abs. 2 aufgeführt sind. Es kann natürlich auch sachliche Gründe geben, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Wir haben ja bestimmte Ausschlussgründe aufgenommen; sie sind explizit dargelegt. Diese müssen gewürdigt werden. Dann kann es dazu kommen, dass dies nicht entsprechend greift.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie noch eine Nachfrage stehen?

Dr. Klaus Grehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003135, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja. Ich würde gerne fragen, wie Sie hinsichtlich der Handhabung Rechtssicherheit herstellen wollen, wenn es eine so allgemeine Aussage zu den Gründen gibt, die beim Arbeitnehmer liegen? Die Arbeitgeber haben damit doch ein Instrument in der Hand, die gewollte Gleichbehandlung nicht durchzusetzen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Ich denke, dass wir mit diesem Gesetz sehr umfassend Rechtssicherheit schaffen. Ihre Frage geht ja in etwa in die gleiche Richtung wie die Frage eben, dass man vermutet, dass ganz viele Fälle vor Arbeitsgerichten landen. Die gesetzliche Konstruktion ist so gewählt, dass wir sehr darauf setzen, dass es jenseits der Bedingungen, die in § 4 Abs. 2 genannt sind, zu vernünftigen Regelungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer kommt. Ich denke, das wird sich auch weitgehend durchsetzen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Niebel das Fragerecht.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf, dass die Ausweitung der Teilzeitarbeit erhebliche beschäftigungspolitische Bedeutung habe. Könnten Sie Ihre Erwartung konkretisieren, was die Quantität der zu erwartenden beschäftigungspolitischen Bedeutung anbetrifft, die Sie sich von dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit erhoffen, und sagen, um welchen Zeitraum es sich handelt?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Niebel, es gibt eine Reihe von Untersuchungen. Die letzte Untersuchung ist vom IAB durchgeführt worden. Ich denke, dass sie Ihnen als Abgeordnetem vorliegt. Es wird geschätzt, dass bis zu 1 Million zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden könnten, wenn es in unserem System - ich habe ja vorgetragen, dass rund 3 Millionen Arbeitnehmer den Wunsch äußern, ihre Arbeitszeit zu reduzieren - zu einer großen Umsetzung eines solchen Anspruchs kommt. Über einen Zeitrahmen kann ich Ihnen nichts sagen. Ich denke, man muss erst einmal schauen, wie die neue rechtliche Regelung wirkt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte, Herr Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, selbstverständlich ist mir die Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bekannt. ({0}) - Das sehe ich auch so. - Allerdings beantwortet das nicht meine Frage. Denn wenn Sie eine solche gesetzliche Initiative auf den Weg bringen, dann werden Sie sich ja Gedanken gemacht haben, wie viel dieses Potenzials Sie durch diese Initiative tatsächlich werden erreichen können. Da würde mich die Vorstellung der Regierung schon interessieren. ({1}) Oder gehen Sie davon aus, dass Sie es zu 100 Prozent ausschöpfen, dass also jeder, der einen Teilzeitwunsch hegt, aufgrund dieses Gesetzes dann auch tatsächlich eine Teilzeitbeschäftigung bekommen wird?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, das wird schon deshalb nicht funktionieren, weil der Wunsch nicht immer zu realisieren ist. Das hängt mit dem zusammen, was ich schon den vorherigen Fragestellern gesagt habe. Aber vielleicht darf ich einen Vergleich ziehen: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine Teilzeitquote von 19,5 Prozent. In den Niederlanden beträgt sie gegenwärtig 39 Prozent. - Wenn es so ist, dass es bei den Beschäftigten doch erhebliche Wünsche gibt, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten und zu reduzieren, und es in anderen, vergleichbaren Ländern eine deutlich höhere Teilzeitquote gibt, die auch entsprechend rechtlich unterlegt ist, dann wird unser Gesetz doch sicherlich dazu führen, dass die Teilzeitquote in unserem Lande steigt. Und wenn sie steigt, gibt es auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten. Was das IAB und andere Institute dazu sagen, habe ich angeführt. Ich nehme an, Sie haben das vorher schon nachgelesen und es ist Ihnen somit bekannt. Es wäre sicherlich Spekulation, zu sagen, in welcher Frist man das umsetzen kann. Man wird die Entwicklung abwarten müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat die Kollegin Baumeister das Wort.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir darin einig, dass sich sowohl im Bereich der Teilzeitarbeit als auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen für Kleinbetriebe eine relative Verschärfung ergibt, die Sie mit einer Kleinstbetriebsklausel abmildern könnten? Wären Sie bereit, sich das Problem mit den befristeten Arbeitsverhältnissen noch einmal genauer anzusehen? Die Regelung stellt doch gerade für Kleinbetriebe - wir hatten gestern eine Diskussion mit den Gewerkschaften - ein relativ großes Hemmnis dar. Befristete Arbeitsverhältnisse sind zum Ausgleich von Schwankungen für sie notwendig.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Nein, ich teile Ihre Einschätzung überhaupt nicht. Kleinbetriebe sind schon von daher nicht betroffen, weil wir im Geltungsbereich des Gesetzes ausdrücklich Betriebe mit weniger als 15 Beschäftigten - dazu kommen noch die Auszubildenden ausgenommen haben. Im Übrigen müssen Sie wissen, dass bei Betrieben bis zu fünf Beschäftigten das Kündigungsschutzgesetz sowieso nicht greift. Die Beurteilung, Kleinbetriebe würden besonders benachteiligt, kann ich nicht teilen. ({0}) - Wenn Sie es von der Rechtssystematik her sehen, wurde das Gesetz so gefasst, dass jede Befristung eines sachlichen Grundes bedarf. Wir schaffen dann sozusagen Zusatzregelungen für Neueinstellungen; da soll eine Befristung ohne sachlichen Grund bis zu zwei Jahren mit dreimaliger Verlängerung möglich sein. Insofern ist dies eine gute Regelung. Der sachliche Grund für den Betrieb muss nicht entfallen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich sehe, dass es keine weiteren Fragen zu diesem Thema mehr gibt. Gibt es andere Fragen an die Bundesregierung? - Herr Koppelin, wollen Sie zu diesem Thema oder zu einem anderen Thema fragen?

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zu einem anderen Thema.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hätte gerne von der Bundesregierung gewusst, ob man sich heute im Kabinett mit dem Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung beschäftigt hat. Der Bundeshaushalt liegt jetzt dem Parlament zur Beratung vor. Zum Einzelplan 14 sieht die Situation so aus, dass den entsprechenden Berichterstattern sowie dem Haushaltsausschuss die notwendigen Fakten und Unterlagen zur Beratung bisher nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das Finanzministerium hat dem Haushaltsausschuss nichts zugeleitet, sodass wir nicht erkennen können, was die Bundeswehr tatsächlich beschaffen will. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung. Darf ich fragen, ob sich das Kabinett mit diesem Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung beschäftigt hat?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wenn ich es richtig sehe, sind wir jetzt schon beim Bereich der sonstigen Fragen, also nicht bei Themen, die im Kabinett behandelt worden sind. Wer möchte vonseiten der Bundesregierung antworten? - Herr Staatsminister Bury, bitte.

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Herr Kollege Koppelin, dieses Thema hat heute im Kabinett keine Rolle gespielt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Koppelin, bitte.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, darf ich Sie dann fragen, wie Sie diesen Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung beurteilen? Der Haushalt liegt nun beim Parlament und nicht mehr bei der Regierung und damit sind nach der Bundeshaushaltsordnung sämtliche Unterlagen zur Beratung zur Verfügung zu stellen. Das Finanzministerium ist bis heute nicht in der Lage, die Unterlagen zum Verteidigungshaushalt zur Verfügung zu stellen. Das heißt, Sie müssen damit rechnen, dass meine Fraktion gegebenenfalls verlangen wird, die Beratungen für den Verteidigungsetat um eine Woche zu verschieben, was letztendlich Auswirkungen auf die Haushaltsberatungen insgesamt haben würde. Sie können unsere Arbeit nicht in dieser Weise blockieren. Nicht Sie haben den Haushalt, sondern das Parlament hat ihn.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wenn ich es richtig sehe, möchte jetzt Herr Staatssekretär Kolbow antworten.

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Koppelin, die Angelegenheit hat heute auch im Verteidigungsausschuss eine Rolle gespielt. In dieser Sitzung war der Herr Bundesminister der Verteidigung anwesend und hat auf Fragen von Abgeordneten erklärt, dass zu den Beratungen im Haushaltsausschuss und im Verteidigungsausschuss die Unterlagen zur Verfügung stehen werden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt gebe ich der Frau Kollegin Hasselfeldt das Wort.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bundesregierung hat heute auch Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ökosteuer, nämlich eine Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale sowie einen Heizölkostenzuschuss, getroffen. Damit ist eine Mindereinnahme für die Länder verbunden. Wie hoch ist diese Mindereinnahme und wie gedenkt die Bundesregierung diese Mindereinnahme für die Länder und auch für die Kommunen zu kompensieren, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer, die in diesem Zusammenhang anfallen, ausschließlich dem Bund zustehen?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte schön, Frau Staatssekretärin Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung gedenkt nicht, diese Mindereinnahmen der Länder und der Kommunen zu kompensieren. Bei der Entfernungspauschale handelt es sich um eine Verteilung nach dem Einkommensteuerrecht. In der Finanzverfassung ist geregelt, dass sowohl bei Mehr- als auch bei Mindereinnahmen Bund und Länder mit jeweils 42,5 Prozent und die Kommunen mit 15 Prozent beteiligt sind. Das gilt im Guten wie im Bösen; da können wir die Finanzverfassung nicht außer Kraft setzen. Beim einmaligen Heizölkostenzuschuss handelt es sich um einen Zuschuss im Rahmen des Wohngeldgesetzes und des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Ausgaben im Zusammenhang mit diesen Gesetzen sind von Bund und Ländern hälftig zu finanzieren. Das wird sicherlich auch so geschehen. Wie Sie wissen, spielt die Ökosteuer dort überhaupt keine Rolle. Im Wesentlichen geht es auch nicht um eine Kompensation einer Ökosteuerstufe, sondern um die Begegnung der weltweiten Ölpreiskrise. Dies ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es noch eine weitere Frage an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann beende ich diese Befragung. Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksache 14/4122 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Kollege Catenhusen bereit. Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Maritta Böttcher auf: Welchen Stellenwert hat für die Bundesregierung gegenwärtig die in der Koalitionsvereinbarung verankerte Zielsetzung einer Absicherung der verfassten Studierendenschaft durch eine Weiterentwicklung des Hochschulrahmengesetzes, insbesondere vor dem Hintergrund der Überlegungen in Niedersachsen, die verfasste Studierendenschaft im Landeshochschulgesetz abzuschaffen?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Frau Kollegin Böttcher, auf Ihre Frage 1, welchen Stellenwert für die Bundesregierung die Zielsetzung einer Absicherung der verfassten Studierendenschaft im Hinblick auf angebliche Überlegungen in Niedersachsen hat, antworte ich Ihnen wie folgt: Wie in der Koalitionsvereinbarung angekündigt, wird die Bundesregierung das Hochschulrahmengesetz in Abstimmung mit den Ländern fortentwickeln. Ab Oktober wird eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingesetzte Bund-LänderArbeitsgruppe auf Ministerebene die Beratungen über notwendige Änderungen des Hochschulrahmengesetzes aufnehmen. Dabei wird auch die Frage der Absicherung der verfassten Studentenschaft einbezogen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte, Ihre Zusatzfrage.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sie haben gesagt, das werde ab Oktober beginnen. Können Sie etwas näher sagen, wann wir mit einer HRG-Novelle zu rechnen haben? Ist eventuell angedacht, das im Zusammenhang mit der Reform des Dienstrechtes zu tun?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Das ist eine der Möglichkeiten. Diese Arbeitsgruppe wird noch in diesem Jahr ihre Beratungen abschließen. Dann wird die Bundesregierung auch diese Frage entscheiden. Sie können davon ausgehen, dass wir uns nach dem bisherigen Beratungsstand bemühen werden, bis etwa Ostern einen Gesetzentwurf zu erstellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe nun die Frage 2 der Abgeordneten Böttcher auf: Sieht die Bundesregierung angesichts der anerkannten Notwendigkeit des Engagements auch von Hochschulen und Forschungseinrichtungen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus den Bedarf einer Erweiterung der Aufgaben der verfassten Studierendenschaft nach dem Hochschulrahmengesetz?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Frau Böttcher, Ihre Frage nach dem Bedarf einer Erweiterung der Aufgaben der verfassten Studierendenschaft nach dem Hochschulrahmengesetz beantworte ich wie folgt: Die verfasste Studentenschaft ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und insoweit ein Zwangszusammenschluss von Studierenden. Nach § 41 des Hochschulrahmengesetzes umfasst die landesrechtlich zu regelnde Aufgabenstellung der verfassten Studentenschaften die Wahrnehmung der hochschulpolitischen, sozialen und kulturellen Belange der Studierenden, die Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie die Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf sämtliche Aufgaben der Hochschulen nach dem Hochschulrahmengesetz. Deshalb hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen in Ausfüllung der Handlungsspielräume des Hochschulrahmengesetzes in seinem Universitätsgesetz als Aufgaben der verfassten Studentenschaft festgelegt, dass sie unter anderem an der Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen insbesondere durch Stellungnahmen zu hochschul- oder wissenschaftspolitischen Fragen mitzuwirken hat und auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zur aktiven Toleranz ihrer Mitglieder fördern soll. Die Studierendenschaft und ihre Organe können in Nordrhein-Westfalen für die genannten Aufgaben Medien aller Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemein gesellschaftspolitischen Fragen ermöglichen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit diesem Gesetz der Handlungsspielraum des § 41 Hochschulrahmengesetz auf beispielhafte Weise präzisiert ist. Für uns ist das Engagement der verfassten Studentenschaft gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus durch den Spielraum des § 41 Hochschulrahmengesetz abgedeckt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, ich habe noch eine Frage. - Was Sie gesagt haben, ist mir bekannt. Ich möchte erweitert die Frage stellen: Wie steht die Bundesregierung rechtspolitisch zu dem Sachverhalt, dass bei behaupteten Kompetenzüberschreitungen von Studierendenschaftsorganen durch Wahrnehmung des allgemeinpolitischen Mandats eine Art Popularklage erhoben werden kann, die dem Verwaltungsrecht im Übrigen fremd ist?

Wolf Michael Catenhusen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000326

Wir haben das Problem, dass zu unserem großen Bedauern seit einigen Jahren die Frage der Auslegung des Handlungsspielraums des § 41 Hochschulrahmengesetz Gegenstand von Klagen geworden ist, was zu einer sehr einschneidenden Bedrohung der Situation engagierter Funktionsträger der verfassten Studentenschaft geführt hat. Wir sehen auf der anderen Seite das Problem, dass wir durch den Charakter des Hochschulrahmengesetzes als Rahmengesetz des Bundes über Bestimmungen des Rahmengesetzes nicht die notwendige Präzision erreichen können, die wir eigentlich für die Rechtssicherheit auf diesem Gebiet gerade im Interesse der engagierten Studenten und Studentenschaftsvertreter dringend bräuchten. Trotz Ihres Hinweises sehen wir große Schwierigkeiten, jetzt über eine Novellierung des Hochschulrahmengesetzes diese notwendigen Klarheiten zu schaffen. Wir vertreten die Auffassung, dass auch andere Bundesländer - etwa nach dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen dort, wo solche Rechtsfälle anhängig werden, die notwendigen Präzisierungen über die eigenen Landeshochschulgesetze vornehmen sollten. Das ist möglich und kann auch zur Sicherheit des Umgangs mit dieser schwierigen Materie auf allen Seiten beitragen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Mosdorf beantworten. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Koppelin auf: Teilt die Bundesregierung die Meinung des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf Scharping, dass die Genehmigung für den Export einer Munitionsfabrik für die Türkei nur hätte abgelehnt werden können, wenn gleichzeitig ein erheblicher Vertrauensschaden „in Kauf genommen worden wäre“ ({0})?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Frau Präsidentin, Herr Koppelin, ich würde ganz gern die Fragen 5 und 6 zusammenhängend beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich außerdem die Frage 6 des Abgeordneten Koppelin auf: Teilt die Bundesregierung die Meinung des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf Scharping, dass die Genehmigung für den Export einer Munitionsfabrik für die Türkei erteilt werden musste, da „die Türkei NATO-Partner ist und schon wegen ihrer geografischen Lage von enormer strategischer Bedeutung ist“ ({0})?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Die Bundesregierung hat vor Erteilung der Ausfuhrgenehmigung durch das Bundesausfuhramt den Fall sorgfältig geprüft und die Ausfuhr gebilligt. Dabei wurden die Einzelaspekte des Falls untersucht. Hierbei spielten auch bündnispolitische Aspekte und vorangegangene positive Bescheide auf Voranfragen eine Rolle. Im Übrigen kommentiert die Bundesregierung nicht die Äußerungen von Bundesministern in Zeitungsinterviews.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär darf ich Sie zu Ihrer letzten Bemerkung fragen, ob es eine neue Entscheidung der Bundesregierung ist, dass sie Äußerungen von Bundesministern nicht mehr kommentiert?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich glaube, es gibt kein Amt der Bundesregierung, das regelmäßig die Äußerungen und Interviews von Bundesministern kommentiert. Davon ist mir nichts bekannt.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin gern bereit, Ihnen da behilflich zu sein, und nenne zum Beispiel den Staatssekretär im Bundespresseamt.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Der kommentiert keine Interviewäußerungen vom Verteidigungsminister oder von anderen Ministern.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kommen wir zu den Fragen!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zwei haben Sie schon verbraucht.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das weiß ich. Ich weiß auch, dass von dieser Regierung kaum Antworten zu bekommen sind. Wir versuchen es trotzdem. Herr Staatssekretär, können Sie mir einmal den Unterschied erklären zwischen einer Munitionsfabrik und der Lieferung von Panzern? Sie lehnen ja die Lieferung von Panzern ab, weil man befürchtet, dass sie gegen Kurden eingesetzt werden. In Bezug auf Munition haben Sie diese Befürchtung nicht?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Ich kann die Frage nicht nachvollziehen, weil wir keinen Antrag für eine Panzerlieferung vorliegen haben.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Da es um Vertrauensschutz geht, darf ich Sie weiter fragen: Behaupten Sie, dass eine Zusage bereits durch die alte Bundesregierung, also vor dem Regierungswechsel, erfolgt ist? Das würde bedeuten, dass solche Anträge über drei Jahre bearbeitet werden müssen, bis darüber entschieden wird. Oder ist meine Information richtig, dass diese Regierung die Anfrage bekommen und darüber entschieden hat? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Äußerungen Ihres grünen Koalitionspartners?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Verehrter Herr Kollege Koppelin, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Firma Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH langjährige Geschäftsbeziehungen in die Türkei hat, dass sie seit langem Munition des älteren NATO-Standards liefert und dass sie jetzt dabei ist, die bestehende Struktur zu erweitern, um auch Munition des neuen Standards liefern zu können, dessen Produktion entsprechende Technologieanlagen erfordert. Die deutsche Firma ist als Führer eines deutsch-belgisch-französischen Konsortiums aufgetreten. In der Tat - da haben Sie völlig Recht - gab es alte Anfragen und viele Voranfragen, die bindend waren. Die Bundesregierung betrachtet diesen Fall als Altfall.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es gebe keine aktuelle Notwendigkeit, die Lieferung einer Munitionsfabrik mit der Lieferung von Panzern zu vergleichen. Ein Antrag sei nicht gestellt. Ich frage deshalb nach, ob Sie über einen entsprechenden Antrag, wenn er gestellt würde, analog entscheiden würden, das heißt, ob Sie aus bündnispolitischen Gründen die Notwendigkeit der Lieferung einer Munitionsfabrik bejahen würden. Wie gedenken Sie mit einem solchen Antrag umzugehen?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Kolb, wir haben, wie Sie sich sicherlich erinnern werden, am 19. Januar dieses Jahres Grundsätze verabschiedet, die eine genaue Prüfung aller Aspekte verlangen. Das wird auch für neue Anträge gelten. Aber es gibt im Moment keine Anträge. Sie werden verstehen - das haben Sie, glaube ich, nicht anders gehandhabt -, dass ich mich hier zu noch nicht gestellten Anträgen nicht hypothetisch äußern möchte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung in diesem Fall von einem Altfall ausgeht. Können Sie mir erklären, weshalb die Bundesregierung drei Jahre bzw. zumindest mehr als zwei Jahre benötigt hat, um über die Lieferung der Munitionsfabrik zu entscheiden, wenn Sie tatsächlich von einer rechtlichen Verpflichtung zur Lieferung ausgegangen sind? Welche verwaltungstechnischen Probleme haben dafür gesorgt, dass dieser Entscheidungsprozess nicht schneller abgeschlossen werden konnte?

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Kollege Niebel, ich habe nicht gesagt, dass es drei Jahre gedauert hat. Das hat Ihr Kollege Koppelin behauptet. ({0}) - Nein, Sie haben von drei Jahren geredet. Es wäre natürlich besser für das Land, wenn wir schon drei Jahre regieren würden. Aber das ist eine andere Sache. ({1}) - Herr Koppelin, Sie haben doch nicht einmal einen LKW-Führerschein. ({2}) - Herr Niebel, das ist vorbildlich: Bundeswehr und Führerschein Klasse II! Zurück zu Ihrer Frage, Herr Kollege Niebel: Es wurden ganz offensichtlich schon frühzeitig, also schon unter der alten Bundesregierung - insofern haben Sie mit den drei Jahren nicht ganz Unrecht -, Voranfragen und Anträge gestellt, weil sich die Hersteller in einem schwierigen Prozess befanden, nämlich einerseits der Erweiterung einer bestehenden Fabrik und andererseits der Bildung eines deutsch-belgisch-französischen Konsortiums. Uns lag der entsprechende Antrag erst in diesem Frühjahr vor. Über diesen ist dann sehr rasch entschieden worden. ({3}) - Das ist doch nichts Neues. Rechtsbindungen bestanden schon vorher. Das war die Antwort auf die Frage von Herrn Koppelin.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen zu den Fragen 5 und 6. Der Vollständigkeit halber sage ich, dass die Fragen 3 und 4 schriftlich beantwortet werden. Wir kommen jetzt zu Frage 7 des Abgeordneten Hartmut Koschyk. - Er ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dirk Niebel auf: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Bearbeitungsfrist für die Erteilung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen, die für ausländische Computerexperten per Verordnung innerhalb einer Woche abgewickelt werden - die so genannte Green Card -, auch für ausländische Arbeitskräfte, die in Deutschland an Projekten beteiligt sind und den Regelungen der Anwerbestoppausnahmeverordnung unterliegen, ebenfalls auf eine Woche verkürzt werden könnte, und, wenn nein, warum nicht? Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin Mascher.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Abgeordneter Niebel, die Bundesregierung beabsichtigt gegenwärtig nicht, die in § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Telekommunikationstechnologie getroffene Regelung, nach der die Arbeitsämter innerhalb einer Woche über die Erteilung der Arbeitserlaubnis für ausländische IT-Fachkräfte bzw. deren Zusicherung entscheiden sollen, auf andere Ausnahmen vom Anwerbestopp zu übertragen. Ziel der besonderen Regelung für Computerexperten ist es, die Unternehmen durch ein beschleunigtes Verfahren für die Erteilung der Arbeitserlaubnis im internationalen Wettbewerb um die besten IT-Fachkräfte zu unterstützen. Eine Verkürzung des Bearbeitungsverfahrens ist in diesen Fällen deshalb möglich, weil es sich um einen klar und einfach definierten sowie - im Gegensatz zu den Fällen der Anwerbestoppausnahmeverordnung - von vornherein auch zahlenmäßig begrenzten Personenkreis handelt. Dagegen wurden von den Arbeitsämtern im Rahmen der Ausnahmen vom Anwerbestopp allein im vergangenen Jahr über 300 000 Arbeitserlaubnisse erteilt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel, bitte.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die Anwerbestoppausnahmeverordnung regelt Ausnahmen vom generellen Anwerbestopp. Diese Ausnahmen sind selbstverständlich in der selbigen Verordnung klar umrissen und genau geregelt, weil sie sonst nicht handhabbar wären. Was spricht dagegen, dass diese Kräfte, für die extra eine Ausnahme geschaffen worden ist, in der deutschen Wirtschaft ebenso dringend gesucht werden wie Fachkräfte in der IT-Branche?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Bei der IT-Branche ist eine zahlenmäßige Abgrenzung möglich, die Sie bei den anderen - ohne Zweifel klar definierten Ausnahmen der Anwerbestoppausnahmeverordnung so nicht vornehmen können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, es ist lobenswert, dass im Rahmen der so genannten Green Card die Arbeitsverwaltung offenkundig in der Lage ist, innerhalb einer Woche zumindest über die Zusicherung der Arbeitserlaubnis zu entscheiden. Aus welchem Grund ist es so viel schwieriger, über einen Arbeitserlaubnisantrag bei Ausländern, die sich bereits im Inland befinden, zu entscheiden, wenn - das wissen wir doch alle - eine Mindestprüffrist von vier Wochen vorgeschrieben ist?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Niebel, auch Sie wissen, dass die Prüffrist festgelegt wurde, weil es sich um eine Arbeitsmarktprüfung handelt. Angesichts der noch immer sehr hohen Arbeitslosigkeit - im Moment geht sie glücklicherweise zurück - halte ich es im Rahmen einer verantwortlichen Politik für notwendig, dass wir untersuchen, ob auch inländische Arbeitssuchende infrage kommen und wie die Auswirkungen auf inländische Arbeitssuchende sind. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 9 des Abgeordneten Klaus Hofbauer auf: Wie viele Arbeitsgenehmigungen sind für tschechische Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Grenzgängerregelung in der ostbayerischen Region - möglichst aufgeteilt nach Arbeitsamtsbezirken - erteilt worden und welche Erfahrungen liegen im Zusammenhang damit vor? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Hofbauer, im Jahre 1999 wurden für tschechische Bürgerinnen und Bürger im Landesarbeitsamtsbezirk Bayern 796 Arbeitsgenehmigungen für die erstmalige Beschäftigung, 4 135 für die Fortsetzung der Beschäftigung und 1 794 für eine erneute Beschäftigung erteilt. Eine Differenzierung der Zahlen nach Arbeitsamtsbezirken der ostbayerischen Region war kurzfristig leider nicht möglich. Die Arbeitsgenehmigungserteilung erfolgt durch das örtlich zuständige Arbeitsamt nach einer Einzelfallprüfung. Herauszuhebende Erfahrungen mit der Grenzgängerregelung gibt es nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es wundert mich etwas, dass es im Rahmen der Grenzgängerregelung keine Erfahrungswerte gibt. Diese Grenzgängerregelung gibt es eigentlich schon seit zehn Jahren. Ich komme aus der Region in unmittelbarer Nähe zur tschechischen Grenze. Wir haben dort zum Teil sehr positive Erfahrungen mit der Grenzgängerregelung gemacht. Im Zuge der Osterweiterung müssen wir uns Gedanken machen, wie es mit dem Arbeitsmarkt, insbesondere mit den Übergangsregelungen, weitergeht. Deshalb frage ich Sie: Wie soll eine Übergangsregelung zur Bekämpfung des sehr starken Lohngefälles zwischen deutscher und tschechischer Seite konkret aussehen? Können Sie sich Instrumente vorstellen, mit denen wir bereits jetzt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes verstärken? Wir könnten zum Beispiel in Teilbereichen, wo deutsche Jugendliche nicht zur Verfügung stehen, tschechische Jugendliche nach unseren Grundsätzen ausbilden, um in den nächsten Jahren, also nach der Osterweiterung, Fachkräfte von dort zu bekommen. Ich weiß nicht, mit welcher Strategie, mit welchem konkreten Konzept die Bundesregierung ans Werk geht. Ich glaube, es handelt sich um eine für die Menschen in dieser Grenzregion sehr wichtige Frage. Es handelt sich aber auch um ein wirtschaftliches Problem, weil Fachkräfte auf beiden Seiten der Grenze gefragt sind. Es geht darum, die Zusammenarbeit vor Ort zu praktizieren.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Abgeordneter Hofbauer, es gibt ohne Zweifel positive Erfahrungen. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass wir - jedenfalls so kurzfristig - keine differenzierten Ergebnisse hinsichtlich der Arbeitsgenehmigungen mitteilen können. Ich denke aber, dass wir Ihnen das aufgeschlüsselt geben können, wenn Sie uns noch ein bisschen Zeit lassen. Wir führen derzeit die Diskussion über eventuelle Übergangsregelungen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Das Arbeitsministerium ist der Meinung, dass wir solche Übergangsregelungen brauchen, aber wir befinden uns im Moment noch in einem Diskussionsprozess darüber, wie diese Übergangsregelungen auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beitrittskandidaten - Polen, Tschechien, Ungarn und der anderen Länder - aussehen können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben zum Ausdruck gebracht, dass allein im Rahmen der tschechischen Grenzgängerregelung insgesamt 6 725 Arbeitserlaubnisse erteilt worden sind; das ist die Summe der von Ihnen genannten Zahlen. Auf meine vorhin gestellte Frage haben Sie festgestellt, dass nach der Anwerbestoppausnahmeverordnung über 300 000 Arbeitserlaubnisse erteilt worden sind. Im Rahmen der so genannten Green Card wird von bis zu 20 000 Arbeitserlaubnissen gesprochen. Nun wissen wir, dass es Grenzgängerregelungen auch mit anderen Nachbarn der Bundesrepublik Deutschland und Fachkräftemangel auch in anderen Branchen als in der IT-Branche gibt. Aus welchem sachlich nachvollziehbaren Grund sind Sie der Ansicht, dass es nicht sinnvoller wäre, Arbeitsmigration im Rahmen einer gesetzlichen Zuwanderungsregelung zu regeln, sodass Transparenz und Rechtssicherheit für die deutsche Wirtschaft und die wandernden Menschen bestehen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Zum einen zeigen die Zahlen - sie sind nicht für die Grenzgänger allein ausgewiesen, sondern betreffen Genehmigungen des Landesarbeitsamtes Bayern -, dass wir durchaus flexibel auf den Arbeitskräftebedarf reagieren. Darüber hinaus ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in unserem eigenen Land immer sorgfältig zu prüfen, wieweit wir Arbeitssuchenden in Deutschland durch Qualifizierung und durch bessere Vermittlungschancen wieder eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Darüber hinaus wissen wir ja, dass wir mit der Osterweiterung - wie auch immer die Übergangsregelungen aussehen werden - ein erhebliches Arbeitskräfteangebot aus den Beitrittsstaaten dazubekommen. Ich denke, hier muss man sorgfältig und behutsam vorgehen, um die Arbeitsmarktsituation zum Beispiel für ältere deutsche Arbeitslose nicht dramatisch zu verschlechtern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin Staatssekretärin, ich darf vielleicht zunächst einmal davon ausgehen, dass Sie nicht nur dem Kollegen Hofbauer die detaillierten Zahlen für Bayern, sondern uns allen oder wenigstens mir auch die Zahlen für Thüringen und Sachsen zukommen lassen können. Meine Frage lautet aber: In welcher Form findet denn Zusammenarbeit auf Regierungsebene statt, um das Lohngefälle und sonstige Gefälle an der Grenze abzubauen und zwar auf beiden Seiten? Es wäre für uns sicherlich sehr nützlich, wenn auf der tschechischen Seite die Löhne steigen würden, damit dieses Gefälle nicht so groß ist. Ich freue mich, dass gerade heute eine Delegation des Sozial- und Gesundheitsausschusses des tschechischen Parlaments hier bei uns ist. Vielleicht gibt es ähnliche Kontakte auch auf Regierungsebene, die uns hierbei etwas voranbringen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Seifert, wir alle gehen nach den Erfahrungen mit den Beitritten der südeuropäischen Länder davon aus, dass sich durch den Beitritt zur EU die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Lohn- und Gehaltssituation der Menschen in den Beitrittsländern verbessern wird. Die Erfahrungen haben das gezeigt. Wir gehen davon aus, dass sich das Lohn- und Gehaltsgefälle - sicher nicht rasch, aber doch in einem absehbaren Zeitraum - verbessern wird. Ich sage Ihnen zu, dass Sie die Zahlen für Thüringen und Sachsen bekommen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit kommen wir zur Frage 10 des Abgeordneten Klaus Hofbauer. Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Hinblick auf die EU-Osterweiterung die geltende Grenzgängerregelung als Übergangsregelung nach dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union für einen noch festzulegenden Zeitraum beizubehalten?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Hofbauer, im Rahmen der Osterweiterung hat sich die Bundesregierung für angemessene Übergangsregelungen bis zur Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgesprochen, um wirtschaftliche und soziale Brüche zu vermeiden. Darüber haben wir ja gerade geredet. Wie solche Übergangsregelungen konkret mit den mittel- und osteuropäischen Kandidatenländern auszugestalten sind, ist derzeit noch nicht Gegenstand der Beratungen auf EUEbene.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Hofbauer?

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bin angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Thema handelt, das die Menschen brennend interessiert und das bald akut wird, schon ein bisschen enttäuscht darüber, dass man noch keine Strategie entwickelt und keine Überlegungen darüber angestellt hat, wie dieses konkret umgesetzt werden soll. Gibt es einen Zeitplan bzw. Überlegungen dazu, wann die Bundesregierung hierüber Gespräche anfangen wird? Bis wann wird man intern eine Strategie festlegen, wie man das umsetzen kann? Vor allen Dingen interessiert mich, wann wir mit der konkreten Zusammenarbeit beginnen können. Wir sollten nicht warten, bis die Osterweiterung erfolgt, denn dann stehen wir hilflos da und wissen nicht, wie es weitergeht; das sage ich jetzt ein bisschen überspitzt.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Hofbauer, Sie haben doch gerade selber sehr anschaulich beschrieben, welche Formen der Zusammenarbeit es schon gibt und dass wir nicht dastehen und warten, bis der Beitritt vollzogen ist, sondern dass gerade in den Regionen die Zusammenarbeit immer mehr ausgeweitet wird. Ich bitte aber angesichts der Sensibilität dieses Themas sowohl für die Beitrittsländer als auch für die Bundesrepublik Deutschland - um Verständnis, dass wir uns mit irgendwelchen Ankündigungen sehr zurückhalten, bevor wir darüber nicht mit den anderen EU-Partnern eine Verständigung erreicht haben. Alles andere wäre wirklich kontraproduktiv.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, trifft es zu, dass es bei der Grenzgängerregelung eine entsprechende Zielvorgabe der Bundesregierung gibt, aber nicht bei der so genannten Übergangsregelung?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich kann Ihnen dazu jetzt nichts sagen. Ich habe darüber keine präzisen Informationen. Aber wenn Sie möchten, kann ich Ihnen die Frage gerne schriftlich beantworten.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 11 und 12 werden auf Wunsch der Abgeordneten Heidi Knake-Werner schriftlich beantwortet. Das Gleiche gilt für die Fragen 13 und 14. Wir kommen jetzt zur Frage 15 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert: Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung ein Bericht im „Gelben Dienst“ 17/2000 vom September 2000 zu bewerten, dass die Erarbeitung eines Sozialgesetzbuches IX gestoppt worden sei, weil der vorliegende Referentenentwurf auf Druck der Fraktion der SPD zurückgezogen werden musste, und wie beabsichtigt sie, die Arbeit an diesem Gesetzesvorhaben weiterzuführen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich möchte gerne die Fragen 15 und 16 gemeinsam beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ist der Fragesteller damit einverstanden? - Ja. Dann rufe ich auch die Frage 16 auf: Trifft es außerdem zu, dass die „zuständigen Autoren“ des Referentenentwurfs für ein SGB IX sich geweigert hätten, politische Vorgaben der Koalitionsparteien bei der Erarbeitung eines SGB IX umzusetzen, und wenn ja, welche praktischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung hieraus? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, Sie beziehen sich auf eine Darstellung im „Gelben Dienst“ über die Erstellung des SGB IX, also der Zusammenführung des Rehabilitationsrechtes. Meine Antwort, Herr Dr. Seifert, lautet: Die von Ihnen zitierte Darstellung im „Gelben Dienst“ entbehrt zum Glück jeder Grundlage. Die Erarbeitung eines Neunten Buches des Sozialgesetzbuches, also des SGB IX, geht zügig voran. Alle Spekulationen, die im „Gelben Dienst“ angestellt worden sind, haben überhaupt keine sachliche Grundlage.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte, Sie können Zusatzfragen stellen.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, das kann man ja vielleicht als positive Nachricht auffassen, obwohl der „Gelbe Dienst“ gewöhnlich durchaus gut informiert ist. Es lässt sich aber nicht leugnen, sondern es ist vielmehr deutlich zu erkennen, dass die Bundesregierung bei ihrer Prioritätensetzung deutliche Veränderungen vorgenommen hat. Ursprünglich hieß es immer: SGB IX, SGB IX, SGB IX. Jetzt wurde zunächst einmal die Novellierung des Schwerbehindertengesetzes vorgezogen. Zurzeit ist von einem Gleichstellungsgesetz die Rede. Vom SGB IX wird momentan eigentlich kaum geredet. Wie kommt das und wie kann man diese veränderte Schwerpunktsetzung erklären?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Es gibt keine veränderte Schwerpunktsetzung. Nach wie vor werden die Arbeiten am Referentenentwurf für das SGB IX intensiv vorangetrieben. Aber es ist vielleicht auch für Sie nachvollziehbar, dass die Zusammenführung der Regelungen von - ich glaube, neun - unterschiedlichen Rehabilitationsträgern eine Menge Abstimmungsbedarf und sehr viele Gespräche nach sich zieht und dass das kein ganz einfaches Unterfangen ist. Aber wir werden den Referentenentwurf bis zum Ende dieses Jahres - das sind noch drei Monate - fertig stellen. Wir werden allerdings auch die Arbeiten an einem Gleichstellungsgesetz mit Nachdruck voranbringen. Dies müsste an sich auch von Ihnen gewünscht sein.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Selbstverständlich bin ich für das Gleichstellungsgesetz. Das ist gar keine Frage. Ich hoffe nur, dass es gut ausgestaltet wird. Zurück zum SGB IX: Wollen Sie bis Ende des Jahres einen fertigen Referentenentwurf oder einen Kabinettsbeschluss haben? Das ist ein kleiner Unterschied. Immerhin darf ich darauf hinweisen, dass schon mindestens fünf oder sieben Referentenentwürfe im Umlauf sind. Sie haben sich immer wieder sehr schnell verändert. Es gab sehr viel Kritik von den betroffenen Organisationen, sowohl von den Rehaträgern als auch von den Behindertenorganisationen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, was im Umlauf ist und wovon auch Sie Exemplare haben, sind Arbeitsentwürfe, die intensiv diskutiert worden sind. Es geht hier um sehr komplizierte und detailreiche Regelungen, die man nicht nur mit Überschriften diskutieren kann. Vielmehr braucht man Formulierungen. Wenn ein solcher Arbeitsprozess nicht mehr möglich ist, wenn er immer mit dem Verdikt versehen wird, hier werde nachgebessert, dann ist eine vernünftige Gesetzgebungsarbeit gerade bei einer so komplexen Materie nicht mehr möglich. Ich denke, dass es wichtig ist, mit allen Beteiligten - den Betroffenenverbänden, den Rehabilitationsträgern, den Anbietern in diesem Bereich - intensive Gespräche aufgrund konkreter Formulierungen zu führen, die Erfahrungen auszuwerten und dann die Formulierungen zu ändern und zu ergänzen. Ich empfinde das als einen positiven Prozess. Ich bedaure, wenn das mit negativen Vorzeichen geschieht. Ein solcher Prozess dauert. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber Sie können versichert sein, dass die Bundesregierung nach wie vor einen Schwerpunkt ihrer Gesetzgebungsarbeit im Bereich der Sozialpolitik im SGB IX sieht.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, die breite Diskussion dieses Prozesses in vielen Gremien und mit sehr vielen Betroffenen halte ich für positiv. Das ist überhaupt kein Verdikt. Das will ich ganz ausdrücklich sagen. Dennoch möchte ich noch einmal nachfragen, wie es nach gegenwärtigem Stand um die inhaltliche Ausgestaltung bestellt ist. Die Eckpunkte, die im vergangenen Herbst vorgestellt wurden, sind in weiten Kreisen durchaus positiv aufgenommen worden. Aber alle darauf folgenden - wie Sie jetzt sagen - „Arbeitsentwürfe“ sind keine Nachbesserungen, sondern eher „Nachschlechterungen“ gewesen. Deswegen würde mich interessieren, wie verbindlich die Eckpunkte jetzt noch für diejenigen sind, die an diesen Entwürfen arbeiten. Haben sich da Veränderungen ergeben, die inhaltliche Akzentverschiebungen mit sich bringen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, Eckpunkte sind sozusagen Behälter, die ausgefüllt, sind Überschriften, die konkretisiert werden müssen. Ich will gar nicht abstreiten, dass sich mit den Eckpunkten hohe Erwartungen verbunden haben, die jetzt in der Konkretisierung vielleicht nicht vollständig erfüllt werden. Aber nach wie vor sind die Eckpunkte die Orientierung für das SGB IX. Sie sind nach wie vor die gültige Beschlusslage der Koalitionsfraktionen. An ihnen orientiert sich das Arbeitsministerium bei der Erarbeitung Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer dieses Gesetzentwurfes. Sie sind nicht außer Kraft gesetzt oder in die Schublade gelegt worden. Sie sind nach wie vor das Raster, an dem sich die konkrete Ausgestaltung des SGB IX orientiert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sie gehen also davon aus, dass sich die dann vorliegenden Texte an den Vorgaben der Eckpunkte messen lassen können. Anders ausgedrückt: Wenn sie weit hinter diesen Vorstellungen zurückbleiben, dann wundern Sie sich also nicht über die zu erwartende Kritik.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Seifert, ich hoffe, dass wir dann, wenn der Gesetzentwurf vorliegt, nicht nur eine Diskussion darüber haben werden, welche Erwartungen vielleicht nicht voll erfüllt sind, sondern auch darüber, was wir an Positivem in dem SGB IX erreicht haben. Ich bin davon überzeugt, dass das Positive, das wir hinsichtlich der Verbesserung der Situation der Betroffenen erreichen, gegenüber dem weit überwiegt, was sich nicht ganz so leicht realisieren lässt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die Komplexität der Materie des Behindertenrechts ist, so glaube ich, auch schon zu Beginn der Arbeiten allen Beteiligten bekannt gewesen. Nachdem jetzt anderthalb Jahre Arbeit am Referentenentwurf hinter Ihnen liegen nach Ihren Angaben liegen nur noch drei Monate vor Ihnen -, müsste doch allmählich ein Umriss des Referentenentwurfs sichtbar sein. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass die SPD in der Opposition immer den Eindruck vermittelt hatte, sie wisse, auf was es ankomme und was dann geschehen solle. ({0}) Kann es sein, dass sich Ihre hehren Ankündigungen, die Sie damals gemacht haben, heute nicht mit den Sparanforderungen des Finanzministers in Einklang bringen lassen? Insbesondere frage ich: Wie sieht es mit der Nachrangigkeit der Sozialhilfe aus? Dieser Punkt müsste doch auch wegen der Auswirkung auf die Finanzen allmählich klargestellt werden: Wird sie beseitigt oder nicht?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Dr. Kolb, wir wollen die sehr schmerzhafte Erfahrung der alten Regierungskoalition vermeiden. Damals hat zwar ein Referentenentwurf vorgelegen, aber alle Verbände haben gesagt: Legt diesen Referentenentwurf bitte wieder in die Schublade! Dieses Gesetz hilft uns nicht weiter. Wir wollen versuchen, mithilfe intensiver Gespräche auch mit den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern einen Referentenentwurf und dann einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Betroffenen hilft, der die unübersichtliche Materie des Behindertenrechts vernünftig ordnet und der die Zeit zwischen Antragstellung auf Maßnahmen zur Rehabilitation und dem Beginn dieser Maßnahmen signifikant verkürzt. Es gibt Antragszeiten, die über ein Jahr hinausgehen. Herr Niebel, es wäre sehr schön, wenn Sie bei diesem Punkt einmal nachbohren würden. Wir werden einen Gesetzentwurf vorlegen, dessen Umrisse nicht nebelhaft, sondern deutlich sichtbar sind. Sie haben aber in der Tat einen schwierigen Punkt angesprochen. Wir müssen zu einer vernünftigen Regelung kommen. Ich denke, wir haben sie jetzt gefunden. Sie können das alles nachlesen. ({0}) - Herr Niebel, Sie haben es erkannt.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist schade, dass Sie auf diesen Zwischenruf so reagiert haben, Frau Staatssekretärin. Ich wollte nämlich gerne wissen, ob Sie vielleicht sozusagen ein bisschen die Decke lupfen und sagen könnten, in welche Richtung die Regelung geht. Was ist also mit der Nachrangigkeit?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich kann Ihnen leider nicht die Freude machen, es als Erster zu erfahren. Sie werden das im Gesetzentwurf nachlesen können, so wie es im parlamentarischen Verfahren üblich ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gibt es zu diesem Punkt weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Wir verlassen damit diesen Geschäftsbereich. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin Mascher. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 17 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting auf: Sind nach Auffassung der Bundesregierung die Verwendungsoptionen von Gewehrmunition und Kampfpanzern bei eventuellen Einsätzen der türkischen Armee gegen Kurden gleich oder teilt sie meine Meinung, dass Kampfpanzer eher für rein militärische Auseinandersetzungen geeignet sind?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, möchte ich die beiden Fragen des Kollegen Nolting zusammen beantworten, da sie in einem Zusammenhang stehen. ({0}) - Aber selbstverständlich, Herr Kollege.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie können dann bis zu vier Zusatzfragen stellen. Ich rufe also noch die Frage 18 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting auf: Wie beabsichtigt die Bundesregierung die von ihr möglicherweise befürchteten Einsätze von Kampfpanzern der türkischen Armee gegen Kurden zu verhindern, wenn diese von Drittstaaten geliefert werden, oder ist sie nicht vielmehr meiner Meinung, dass ein derartiger Einsatz am ehesten durch eine mit vertraglichen Auflagen verbundene Lieferung von Leopard 2 zu vermeiden wäre?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Zu Ihrer ersten Frage, lieber Kollege Nolting. Handwaffen und Kampfpanzer haben verschiedene Verwendungsmöglichkeiten. Da ihr Einsatz durch eine Vielzahl von Faktoren - wie beispielsweise Witterung, Tageszeit und Geländebedeckung - beeinflusst wird, lässt sich die Frage nicht generell beantworten, sondern bedarf der Betrachtung der jeweiligen Situation. Zu Ihrer zweiten Frage. Auf die Lieferung von Rüstungsgütern durch Drittstaaten hat die Bundesregierung, wie Sie wissen, keinen Einfluss. Ihre eigenen rüstungspolitischen Entscheidungen werden im Bundessicherheitsrat - auch das ist bekannt - auf der Grundlage der neu gefassten politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 21. Januar 2000 getroffen. Bei diesen Entscheidungen würdigt die Bundesregierung die Situation im Empfängerland, insbesondere die Menschenrechtslage. Grundsätzlich stehen der Bundesregierung rechtliche Instrumente zur Verfügung, um beispielsweise den Endverbleib im Empfängerland zu sichern. Wie bei den Fragen 5 und 6 in dieser Fragestunde schon gesagt worden ist, stellt sich diese Frage im Augenblick nicht, da kein Antrag der Türkei vorliegt.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, hat denn die Bundesregierung eine Lieferung von 1 000 Kampfpanzern Leo 2 in die Türkei bereits abschlägig beschieden? Sie wissen, dass es eine entsprechende Aussage des Fraktionsvorsitzenden der SPD gegeben hat. Sie sind davon wahrscheinlich genauso überrascht worden wie ich.

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Da ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates bin, ({0}) kann ich aus meiner Informationssituation heraus diese Frage nicht beantworten. Da aber - das ist logisch - kein Antrag vorliegt, ist auch im Bundessicherheitsrat noch nicht darüber entschieden worden. Im politischen Raum gemachte Äußerungen möchte ich als Mitglied der Bundesregierung nicht kommentieren.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber, Herr Staatssekretär, beabsichtigt denn die Bundesregierung, das Parlament in der Zukunft mit solchen Fragen zu beschäftigen, wenn es um die Genehmigung von Rüstungsexporten oder deren Versagung geht, wie es vom grünen Koalitionspartner gefordert wird?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Wenn die laut Verfassung der Exekutive obliegenden Entscheidungen gefällt sind, wird die Bundesregierung das Parlament selbstverständlich informieren.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Parlament wird informiert, aber nicht damit befasst. Habe ich das richtig verstanden?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Das richtet sich nach den in unserer Verfassung getroffenen Festlegungen bezüglich der Gewaltenteilung.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das war es.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, dass generell die Exportrichtlinien für wehrtechnisches Material und Gerät europaweit harmonisiert werden müssten? Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung, um dem nachzukommen?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Europaweite Harmonisierungen sind immer gut und auch notwendig. Obwohl ich lieber mit Ihnen übereinstimme als nicht mit Ihnen übereinstimme - schon aus persönlichen Gründen, lieber Kollege Rossmanith -, möchte ich in diesem Zusammenhang deutlich machen, dass wir aus unserer nationalen Verantwortung heraus für Rüstungsexporte der Bundesrepublik mit gutem Grund die Richtlinien vom 21. Januar gefasst haben und uns auch danach verhalten. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie können zwei Zusatzfragen stellen; es waren zwei Fragen.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann möchte ich diese Möglichkeit wahrnehmen. - Herr Staatssekretär, sind Sie ebenfalls mit mir der Meinung, dass der NATOPartner Türkei über ein halbes Jahrhundert hinweg ein treuer, verlässlicher Verbündeter war und dass dieser NATO-Partner deshalb wie die anderen NATO-Partner behandelt werden sollte, was den Export von Verteidigungs- und Wehrtechnik anbelangt?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Die Türkei ist ein bewährter strategischer und sicherheitspolitischer, aber auch politischer Partner, der jedoch den Ansprüchen, die weltweit an Menschenrechte gestellt werden, gerecht werden muss und deshalb auch unseren Exportbestimmungen, die darauf sehr viel Wert legen, unterliegt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Als Nächster der Kollege Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, spielt es bei dem Abwägungsprozess der Bundesregierung zur Vorbereitung dieser Entscheidung eine Rolle, dass dann, wenn der Export zustande kommt, mehr als 6 000 Arbeitsplätze dauerhaft gesichert bzw. neu geschaffen werden, oder ist die Arbeitsplatzfrage für Sie völlig ohne Belang?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Solche Abwägungsprozesse, Herr Kollege Singhammer, sind immer sehr umfassend. Letztlich spielen aber die bestehenden Exportrichtlinien die entscheidende Rolle.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben mehrfach ausgeführt, dass eine Anfrage für eine Lieferung von 1 000 Panzern, von der man immer wieder liest oder hört, bisher nicht vorliegt. Stimmen Sie mir zu, dass das mit dem Vorlauf zusammenhängen könnte, den ich mit folgendem Vergleich beschreiben möchte: Das ist genauso, als wenn ich mir ein Auto kaufen möchte und in einen Autoladen gehe und mir der Verkäufer sagt: Selbstverständlich erhältst du ein Auto zur Probefahrt; aber auch wenn es dir gefällt, werde ich es dir nicht verkaufen. Könnte das der Grund dafür sein, dass noch keine Anfrage für die Lieferung von 1 000 Panzern bei Ihnen eingegangen ist, obwohl bereits ein Panzer zur Ansicht geliefert worden ist?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Niebel, wenn ein Antrag in Bezug auf Rüstungsexporte bei uns eingegangen ist, beschäftigt sich die Bundesregierung mit dem jeweiligen Antrag oder der Anfrage und entscheidet dann in dem von mir bereits dargestellten Abwägungsprozess auf der Grundlage der Exportrichtlinien.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie mir irgendwie das Gefühl nehmen, dass es nach diesen Äußerungen für die Bundesregierung offenkundig NATO-Partner erster und zweiter Klasse gibt?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Es gibt keine NATO-Partner erster und zweiter Klasse. Alle Partner haben sich unseren Ansprüchen, die wir bezüglich der Menschenrechte haben, zu stellen. Das gilt auch für jede antragstellende Nation, die von uns Exportgüter beziehen will.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, nach den rüstungsexportpolitischen Grundsätzen spielen bündnis- und sicherheitspolitische Interessenlagen eine herausragende Rolle. Wären Sie bereit, wenigstens zu bestätigen, dass der Export von Kampfpanzern zur Sicherung und Verteidigung der Südostflanke des NATOBündnisses in erheblichen Maße im bündnispolitischen Interesse liegt?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Die Ausrüstung zur Wahrnehmung der sicherheitspolitischen Aufgaben im Rahmen des Bündnisses durch jeden Bündnispartner liegt selbstverständlich im sicherheitspolitischen Interesse der NATO und spielt auch im Rahmen des Abwägungsprozesses, der bei jedem Rüstungsexport stattfindet, eine Rolle.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Müller.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass bei dem zukünftigen EU-Mitglied Türkei - die Bundesregierung unterstützt die Mitgliedschaft - eine solche Exportdiskriminierung nicht mehr möglich sein wird?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Uns sind die Grundlagen des EUVertrages selbstverständlich bekannt. Mir ist aber auch bekannt, dass die gegenwärtige Opposition, insbesondere die gegenwärtig stärkste Oppositionspartei, die Türkei nicht als europäisches Land bezeichnet.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe jetzt die Frage 19 des Abgeordneten Werner Siemann auf: Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher erarbeitet, um die strukturellen Überhänge und den damit einhergehenden Verwendungs- und Beförderungsstau im militärischen Personalkörper zu beseitigen und wie sollen diese Maßnahmen innerhalb der vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, vorgegebenen Zweijahresfrist umgesetzt werden?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Siemann, der Bundesregierung ist bekannt, dass der militärische Personalkörper durch Unwuchten im Altersaufbau gekennzeichnet ist. Dies behindert seit Jahren strukturgerechte Einstellungen und führt zur Überschreitung von Grenzaltern, zur Überalterung auf einsatzwichtigen Dienstposten sowie zum Motivationsverlust Betroffener und ist eine der Ursachen des vorhandenen Beförderungsstaus. Deshalb bedarf es des von Bundesminister Scharping mehrfach angekündigten Abbaus der strukturellen Personalüberhänge bei den Berufsoffizieren und Unteroffizieren. Die Prüfung, wie diese Absicht zugleich effektiv und sozial verträglich umgesetzt werden kann, ist noch nicht abgeschlossen. Wie Sie aber aus der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses wissen, hat Bundesminister Scharping dieser Aufgabe Priorität zuerkannt. Er hat ihre Lösung in die Überlegungen für den Haushalt 2001 einbezogen.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie sich auf Einzelheiten nicht eingelassen haben, meine Nachfrage dazu. Sie kennen doch sicher die Ministervorlage vom 7. August 2000 unter dem Titel „Abbau personeller Überhänge“ und hierin die Entscheidungen über das weitere Vorgehen. Können Sie etwas Näheres dazu sagen, unter welchen Konditionen und in welcher Weise nach dieser Ministervorlage die Überhänge bei Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit abgebaut werden sollen?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege, wie der Bundesminister der Verteidigung heute in Ihrer Anwesenheit im Verteidigungsausschuss festgestellt hat, gibt es einen bestimmten Zeitplan für die Grobplanung und für die Feinplanung der Strukturreform der Bundeswehr. In diese Planungen werden auch die von Ihnen angesprochenen Fragen einbezogen. Dazu wie auch zu anderen Fragen ist noch keine Ministerentscheidung erfolgt. Sie werden, wie der Bundesminister der Verteidigung heute im Verteidigungsausschuss mitgeteilt hat, nach diesen Entscheidungen unverzüglich, das heißt zeitnah, informiert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie denn bestätigen, dass es in Ihrem Hause Überlegungen gibt, Lösungen zu finden, die in solche für diejenigen Soldaten, die über 50 Jahre alt sind, und in solche für diejenigen, die unter 50 Jahre alt sind, aufgesplittet sind?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Nolting, in diesen Zeiten, da wir Lösungen für vielfältige Probleme aus dem Verteidigungsbereich, die wir von der Vorgängerregierung übernommen haben, zu finden haben, gibt es natürlich auch vielfältige Überlegungen. Eine davon mag die von Ihnen angesprochene beim Beförderungs- und Verwendungsstau sein; aber dazu ist noch keinerlei Entscheidung getroffen. Es gibt auch andere Überlegungen hierzu und zu anderen Problembereichen. ({0}) - Ja, der Berg ist mächtig, den Sie hinterlassen haben. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Nachfragen zu diesem Geschäftsbereich gibt es nicht. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen wird die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Niehuis beantworten. Die Fragen 20 und 21 werden wie beantragt schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 22 der Abgeordneten Ina Lenke: Worin sieht die Bundesregierung die Ursache für den im Vergleich mit anderen Ländern geringen Einsatz von Mifegyne bei Schwangerschaftsabbrüchen?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Kollegin Lenke, bei einer Interpretation der Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen, die medikamentös mit dem Präparat Mifegyne vorgenommen werden, ist zu berücksichtigen, dass das Präparat erst seit einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum in der Bundesrepublik als Arzneimittel zugelassen ist. Zur Erinnerung: Die Zulassung erfolgte im August 1999. Ende November 1999 wurde der Sondervertriebsweg eingeführt. Wie Sie wissen, wird an der Leistungsbewertung der medikamentösen Abbruchmethode durch die Selbstverwaltung, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, nachhaltig Kritik geübt, auch seitens der Ärzteschaft. Insofern ist ein Zusammenhang zwischen der Bewertung dieser vertragsärztlichen Leistung und dem geringen Einsatz von Mifegyne zu vermuten.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gewiss wie ich auch gehört, dass die Firma den Vertriebsweg nach Deutschland einstellen will. Sind Ihnen diese Überlegungen bekannt und was machen Sie dagegen?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Sie wissen, dass die Bundesregierung in einem marktwirtschaftlich geprägten Land keine Firma, kein Privatunternehmen, zwingen kann, ein Präparat zu vertreiben. Was die Firma im Einzelnen bewegt, dieses Präparat nicht mehr zu vertreiben, kann ich nur vermuten. Ich denke, dass der tatsächliche Absatz den Erwartungen der Firma vor Beginn des Vertriebs nicht entsprochen hat.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie können sich, Frau Staatssekretärin, wahrscheinlich genau wie ich vorstellen, dass Gesetze und Verordnungen, die diese Vertriebswege und auch die Bezahlung der Leistung derer, die solche Eingriffe an den Patientinnen vornehmen, regeln, auch Einfluss auf den Verkauf haben oder für ihn ausschlaggebend sein könnten; denn es ist doch - wenn ich das zu meiner Frage noch bemerken darf - recht seltsam, dass nur 4,5 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik Deutschland medikamentös vorgenommen werden, während dieser Anteil in unseren Nachbarländern höher ist.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Vielleicht darf ich Sie korrigieren. Die Zahl liegt nicht bei etwa 4 Prozent, sondern der Anteil der medikamentösen Abbrüche beträgt nur 2 Prozent und ist damit noch geringer als Sie vermutet haben. In Frankreich liegt die Quote bei ungefähr 30 Prozent. Nun entnehme ich Ihrer Frage, dass Sie unterstellen, die Gesetze könnten für den Vertrieb zu kompliziert sein. Dies meine ich nicht. Wir haben, als wir die Verfügbarkeit dieser medikamentösen Abbruchmethode damals in Erwägung gezogen haben, ganz bewusst gewollt, dass es ein sehr kontrollierter Abgabeweg ist. Das soll auch so bleiben. Zweitens meinen Sie, dass man eventuell gesetzgeberisch etwas an der Bewertung der vertragsärztlichen Leistung machen könnte. Dies ist nicht so, weil die Bewertung der vertragsärztlichen Leistung der Selbstverwaltung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung obliegt und insofern nicht der staatlichen Einflussnahme unterliegt. Deshalb glaube ich nicht, dass wir hier eingreifen dürfen. Allenfalls wäre dies über die Ausübung der Aufsichtspflicht möglich; aber dann müssen die Vorgänge schon dermaßen gravierend sein, dass man dieses Instrument einsetzen darf. Ich denke, dass wir so weitermachen sollten, wie wir es im Moment tun. Das Bundesministerium für Gesundheit wie auch unser Ministerium ist im ständigen Gespräch mit dem Bewertungsausschuss. Wir hoffen, dass die Argumente für eine höhere Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen bei der Selbstverwaltung irgendwann einmal auf fruchtbaren Boden fallen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 23 der Abgeordneten Lenke auf: Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt „Begleitende Maßnahmen zur Einführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs“ gemacht und welche weiteren Maßnahmen sind zur Erhöhung der Akzeptanz für den Einsatz von Mifegyne geplant?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beim Bundesverband Pro Familia geförderte Projekt wird Ende 2000 abgeschlossen sein. Die endgültige Fassung der Projektdokumentation liegt gegenwärtig noch nicht vor. Nach den bisherigen Ergebnissen wird jedoch die Vermutung eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Leistungsbewertung und dem geringen Einsatz von Mifegyne durch die im Rahmen des Projekts durchgeführten Befragungen von medizinischen Einrichtungen, Beratungsstellen und Klientinnen bestätigt. Am 28. Oktober 2000 findet in Berlin eine Fachkonferenz statt, die Bestandteil des Projekts ist und auf der unter anderem empirische Befunde zur Versorgungssituation vorgestellt werden. Nach Auswertung der Ergebnisse wird darüber zu entscheiden sein, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Gespräche mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die noch nicht abgeschlossen sind, wie ich Ihnen schon sagte, fortzuführen. Sie wird sich im Rahmen ihrer Befugnisse mit allen ihr zur Verfügung stehenden und geeigneten Mitteln für eine sachgerechte Lösung der Problematik einsetzen.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wir haben für die Einführung auch politisch gekämpft. Von daher ist mir Ihr Einwand nicht verständlich, dass wir dann, wenn das Medikament auf dem Markt ist und wieder vom Markt genommen werden könnte, politisch keinen Einfluss haben. Dazu habe ich eine ganz unterschiedliche Auffassung. Ich möchte Sie fragen, ob die Bundesregierung der Überzeugung ist, dass Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch aus gesundheitlichen Gründen wirklich die Wahl haben müssten zwischen dem chirurgischen Eingriff und dem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch. Würden Sie sich vehement dafür einsetzen, damit dafür auch politisch - Sie sind schließlich Teil der Regierung - gestritten wird?

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Frau Kollegin, ich bestätige Ihnen wirklich gerne, dass wir gemeinsam politisch dafür gekämpft haben, damit auch deutschen Frauen dieses Medikament zur Verfügung steht. Aber was Sie als Zweites schlussfolgern, stimmt einfach nicht. Wir haben ein Arzneimittelgesetz. Darin wird die Zulassung von Arzneimitteln bei uns geregelt. Sie wissen ganz genau, dass damals RU 486 bei uns nicht zugelassen wurde, weil der Hersteller überhaupt keinen Antrag gestellt hat, da die damalige Bundesregierung nicht das politische Signal gegeben hatte, dass sie an diesem Medikament in der Bundesrepublik Deutschland Interesse hätte. Ihre weitere Schlussfolgerung, dass wir irgendetwas per Gesetz tun könnten, um die Verabreichung dieses Arzneimittels anders zu bewerten, trifft nicht zu. Es unterliegt der Selbstverwaltung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Sie bewertet eigenständig die kassenärztlichen Leistungen. Das ist so und daran können wir im Moment auch nichts ändern, weil die Gesetzeslage so ist. Allerdings, so denke ich, muss man dem Bewertungsausschuss doch sehr deutlich machen, dass es hier nicht nur um die Bewertung einer ärztlichen Leistung geht, sondern auch darum, dass die Gesetze, die wir verabschiedet haben, eingehalten werden müssen. In die Bewertung müsste eingehen, dass eine Praxis die operativen Möglichkeiten vorhalten sollte, falls die medikamentöse Abbruchmethode versagen sollte. Dieses Vorhalten von operativen Möglichkeiten sollte man zur Erhöhung der Sachkostenpauschale mit in die Bewertung hineinnehmen. Dieses ist meine Meinung und auch Meinung der Bundesregierung. Nichtsdestotrotz bleibt es in unserer Republik bei der Selbstverwaltung. Wir können nichts anderes tun als das, was wir schon tun und auch weiterhin tun werden: uns mit dem Bewertungsausschuss zusammensetzen und für unsere Argumente kämpfen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Frau Staatssekretärin. Ihr Geschäftsbereich ist für heute beendet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Die Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels wird die Fragen beantworten. Wir kommen zunächst zur Frage 24 des Abgeordneten Dr. Kolb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, im Juli dieses Jahres über einen Link ihrer Homepage Drogenrezepte mit Anwendungshinweisen angeboten hat, und welche Haltung nimmt die Bundesregierung hierzu ein?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Kolb, es ist der Bundesregierung bekannt, dass in der Zeitung „Bild am Sonntag“ vom 30. Juli 2000 behauptet wurde, die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, habe auf ihrer Abgeordneten-Internetseite Haschischrezepte veröffentlicht. Das stimmt aber so nicht. Ich stelle klar: Es trifft zu, dass durch einen Link auf dieser Homepage eine Verbindung zur Homepage von „Flohs Cannabis Archiv“ hergestellt wurde, welche Anleitungen zum Herstellen und Verzehren von Cannabisprodukten enthielt. Der Link ist allerdings ohne mein Wissen und Einverständnis installiert worden. Er wurde unverzüglich von meiner Homepage entfernt. Die über den genannten Link erreichbaren Anleitungen zum Herstellen und Verzehren von Cannabisprodukten sind nicht mit den Vorstellungen der Drogenbeauftragen der Bundesregierung über eine Präventionspolitik zur Verhinderung von Sucht- und Drogenproblemen vereinbar. Das habe ich nachdem ich es der „Bild“-Zeitung entnommen hatte, so auch unverzüglich erklärt. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ihrer Erklärung, Frau Staatssekretärin, entnehme ich zumindest ein gewisses Bedauern. Nachdem Sie selbst einräumen, es sei nicht mit den Dienst- und Amtspflichten einer Drogenbeauftragten der Bundesregierung zu vereinbaren: sehen Sie denn eine politische Verantwortung in diesem Fall, die von Ihnen wahrgenommen werden könnte und müsste?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Kolb, ich glaube, Sie haben meinen Ausführungen ganz klar entnommen, dass auf meiner Homepage ein Link vorhanden war, der meiner Meinung nach nicht korrekt ist. Ich habe aber gleichzeitig gesagt, dass er ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung eingefügt wurde. Selbstverständlich werde ich dafür Sorge tragen, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich werde diese Homepage jetzt erheblich öfter kontrollieren. Wir haben bisher immer das Gästebuch und das, was dort eingetragen wird, gut kontrolliert. Aber: so etwas kann passieren. Es wäre politisch brisant, wenn der Link tatsächlich gewollt gewesen wäre; dann würde ich Ihnen zustimmen. Allerdings habe ich von mir nie behauptet, dass ich völlig fehlerfrei bin. Es ist passiert. Ich habe nicht herausbekommen können, wie es passiert ist. Aber es geschah ohne meine Zustimmung. Ich habe auch ausdrücklich gesagt, was ich von dem Inhalt halte. Das ist alles, was man machen kann. Schönreden, Rausreden oder Aufbauschen liegt mir fern. Ich darf hinzufügen - das haben wir auch mit dem Kanzleramt erörtert, es ist nicht meine Privatmeinung; Sie fragen mich ja hier als Vertreterin der Bundesregierung; es ist auch wichtig für Sie zu hören -, dass es abgestimmt ist.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte, Frau Staatssekretärin, nachfragen: Sicherlich ist das Internet noch ein relativ junges Medium. Aber wer mit einer eigenen Homepage - Sie haben mir ja bestätigt, dass es Ihre eigene Homepage gewesen ist - ins Internet geht, muss eine redaktionelle Verantwortung im Allgemeinen übernehmen. Diese erweitert sich nach meinem Dafürhalten bei einer politischen Funktionsträgerin zu einer politischen Verantwortung. Es genügt unter Umständen nicht zu sagen: Es waren ja Mitarbeiter und ich wusste nichts davon. Es war Ihre Homepage. Vor diesem Hintergrund muss ich noch einmal nachfragen: Sehen Sie nicht die Notwendigkeit, auch politisch verantwortlich zu zeichnen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Kolb, ich glaube, ich habe ganz klar gesagt, dass ich eine solche Verantwortung hier nicht zurückweise. Allerdings sind die Möglichkeiten, die wir durch das Internet haben, neu. Ich als Abgeordnete nutze diese Möglichkeiten ausdrücklich. Ich übernehme die vollständige redaktionelle Verantwortung für sämtliche Textbestandteile, die ich ins Internet gestellt habe. Beim Ins-Netz-Stellen habe ich die Links kontrolliert. Wie dieser Link hineingekommen ist, haben wir bis heute nicht herausbekommen können. Er ist von mir weder autorisiert noch veranlasst. Ich schiebe das auch nicht auf Mitarbeiter. Wir wissen nicht, wie es passiert ist. Ich habe diesen Vorgang zum Anlass genommen, verschärft zu kontrollieren, damit so etwas nicht mehr passiert. Es betraf keine Textbestandteile, sondern die Linkliste. Ich weiß bis heute nicht, wie es passiert ist. Wir kontrollieren jetzt auch die Linkliste verschärft. Bisher haben wir das Gästebuch bearbeitet. Wenn die Texte hineingestellt werden, sind sie selbstverständlich von mir geschrieben bzw. mitgeschrieben und autorisiert. Da haben Sie vollkommen Recht. Man hat eine Verantwortung, auch als Abgeordnete. Noch größer ist diese Verantwortung, wenn man in einem Regierungsamt ist. Darüber hinaus kann ich nicht mehr tun. Ich habe aus diesem Vorgang die Lehre gezogen, dass ich die Linkliste verstärkt kontrolliere, ob nicht irgendein Link hinzugekommen ist, den ich nicht haben möchte und der von mir nicht autorisiert ist. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, darf ich Ihren Ausführungen von eben entnehmen, dass dieser Link ja offensichtlich ohne Ihr Wissen und Wollen und ohne das Wissen und Wollen Ihrer Mitarbeiter dort eingesetzt worden ist? Haben Sie demzufolge gegebenenfalls Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, weil offensichtlich jemand zu Unrecht auf Ihrer Homepage ein Element untergebracht hat, das Sie so nicht wollten?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Frau Kollegin, es liegt mir immer fern - das war schon früher nicht meine Art und heute ist sie es auch nicht -, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Das halte ich für nicht angebracht. ({0}) Das habe ich nicht getan. Das beabsichtige ich auch nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die „Berliner Zeitung“ vom 24. September dieses Jahres berichtete mit unterschiedlichen Fotos, auf denen leider auch meine Kunstbegießung zu sehen war - da ich dieser Koalition nicht angehöre, gehörte ich nicht in diese Reihe -, dass offenkundig zwei Abgeordnete der rot-grünen Koalition im Kunstwerk im Innenhof Cannabis- bzw. Hanfsamen ausgesät hätten. Wie würden Sie in Ihrer Funktion als Drogenbeauftragte der Bundesregierung den Zielkonflikt auflösen, der sich in der Beschädigung eines Kunstwerkes, somit eines grundgesetzlich geschützten Gutes, und der Entfernung dieser bisher in Deutschland illegalen Pflanze auftut?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Niebel, ich bin nicht die Präsidentin des Deutschen Bundestages und darum nicht für dieses Kunstwerk verantwortlich. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung bin ich für die Präventions- und Drogenpolitik der Bundesregierung verantwortlich. Dieses Vorgehen ist von den in der Bundestagsverwaltung dafür Zuständigen entsprechend zu würdigen. Das bin nicht ich. Zum anderen ist es so, dass Sie dies mit den Kolleginnen und Kollegen, die dies gegebenenfalls getan haben - falls es wirklich stimmt; das ist noch gar nicht klar -, zu erörtern haben und nicht mit mir.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Niebel, ich glaube, dass der Zusammenhang mit der Ausgangsfrage jetzt ein sehr ausgedehnter ist. Darauf möchte ich nur hinweisen. ({0}) Zu Frage 24 gibt es keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 25 auf: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus diesem Vorfall für ihre zukünftige Drogenpolitik ziehen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Kolb, ich glaube, aus meinen Antworten ist schon ersichtlich, dass die Bundesregierung diesen „Vorfall“, wie Sie ihn nennen, nicht zum Anlass nimmt, irgendetwas an der Drogenpolitik zu verändern. Wir haben einen Koalitionsvertrag. Auf dem Boden dieses Koalitionsvertrages mache ich die Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung. Das, was mit dem Link passiert ist, beeinträchtigt bzw. verändert in keiner Weise die Drogenpolitik der Bundesregierung.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, das Nachfragen wird ja auch dadurch etwas erschwert, dass Sie heute quasi in eigener Sache hier antworten. Es wäre denkbar gewesen, dass das zuständige Ministerium heute ausnahmsweise einen beamteten Staatssekretär zur Beantwortung der Fragen geschickt hätte. Ich möchte Sie deswegen nicht in einen Interessenkonflikt bringen. ({0}) - Ja, aber möglicherweise können Interessenkonflikte auftreten, Frau Staatssekretärin. Ich wollte nämlich fragen: Glauben Sie denn, von Ihrer Person abgesehen, dass der Vorfall mit diesem Link und auch die öffentliche Würdigung dieser Tatsache zu einer Beschädigung des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für Drogenpolitik geführt haben?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Kolb, ich habe Ihnen schon in der Beantwortung der vorherigen Frage dargelegt, dass ich meine Antwort selbstverständlich mit der Bundesregierung abgeklärt habe und dass ich das Bundeskanzleramt - nachdem die „Bild“-Zeitung die Meldung gebracht hat unverzüglich - von mir aus eingeschaltet und um Würdigung gebeten habe, vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass ja Ihr Kollege Zöller die Abberufung der Drogenbeauftragten gefordert hat. Das Bundeskanzleramt hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass es darin keinen Anlass sieht, mich von meinem Amt abzuberufen. Es sieht darin auch keine Beschädigung des Amtes der Bundesdrogenbeauftragten. Wenn Sie das gerne schriftlich von Herrn Kollegen Steinmeier oder aus unserem Haus von dem beamteten Staatssekretär, Herrn Jordan, haben möchten, reiche ich Ihnen das gerne nach. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön. Herr Kollege Kolb, ich möchte ausnahmsweise selbst dazu Stellung nehmen. Ich glaube, im Interesse der Lebendigkeit von Fragestunden nutzt es uns allen, wenn diejenigen, denen Fragen gestellt werden, diese auch selbst beantworten können. Das sage ich im Sinne der parlamentarischen Kultur. Es wäre schön, wenn Sie das ähnlich sehen würden. Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Singhammer auf: Aus welchen Gründen erarbeitet die Bundesregierung derzeit den Entwurf eines Festbetragsneuordnungsgesetzes und wie sieht der Zeitplan für die parlamentarische Beratung aus?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Singhammer, die Festbeträge sind von Zivilgerichten in mehreren Urteilen aus kartellrechtlichen Gründen infrage gestellt worden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat deshalb den Entwurf eines Festbetragsneuordnungsgesetzes erarbeitet, der eine rechtlich einwandfreie Grundlage für die Festbeträge schaffen soll. Der Arbeitsentwurf eines solchen Festbetragsneuordnungsgesetzes ist mit den Beteiligten und auch zwischen den Koalitionsfraktionen intensiv diskutiert worden. Da beim Bundesverfassungsgericht konkrete Normenkontrollverfahren zu Arzneimittel-Festbeträgen anhängig sind und dem Ausgang dieser Verfahren grundsätzliche Bedeutung für die künftigen Kompetenzen der Selbstverwaltung zukommt, haben die Koalitionsfraktionen entschieden, die Arbeit am Festbetragsneuordnungsgesetz bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zurückzustellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Singhammer, Sie haben eine Zusatzfrage. Bitte schön.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung immer noch der Ansicht, dass eine im Frühjahr - wie Sie es angesprochen haben - zu erwartende Entscheidung des obersten Gerichtes für ein solches Gesetz abgewartet werden soll, obwohl zwischenzeitlich sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf sowie das Bundessozialgericht die derzeitigen Festsetzungen bereits für verfassungswidrig erklärt haben?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung - ich habe das schon dargelegt -, dass hier grundsätzliche Fragen der Kompetenzen der Selbstverwaltungsgremien berührt sind und dass hier in der Tat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung bereits um eine Stellungnahme gebeten, die zurzeit zwischen den Ressorts abgestimmt wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Wolf, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen. Bitte.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, was erwarten Sie eigentlich von dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes? Es ist im Prinzip klar, worum es geht, nämlich um die formale Frage, ob ein Gremium ohne demokratische Legitimation berechtigt ist, Entscheidungen zu treffen, die allgemeinverbindlichen Charakter haben. Wir kennen das auch aus vielen anderen Rechtsgebieten. Worin liegt also die besondere Bedeutung dieses Verfassungsgerichtsurteils? Das Bundesverfassungsgericht kann zu dieser Frage entweder Ja oder Nein sagen und dann die Verfassungswidrigkeit feststellen. Für die politischen Entscheidungen, die Sie zu treffen haben, hat dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil doch keine Bedeutung.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, das sieht die Bundesregierung vollkommen anders. Hier wird die Frage aufgeworfen, ob Selbstverwaltungsgremien solche Entscheidungen treffen können, die unter Umständen auch Auswirkungen auf Dritte haben, oder ob dies nur der Volksvertretung zusteht. Es war ja auch diskutiert worden, ob man es eventuell über eine Behörde, die dem Bundesgesundheitsministerium nachgeordnet ist, machen kann. Das sind grundsätzlich - auch verfassungsrechtlich - verschiedene Herangehensweisen und darum handelt es sich auch um ein Normenkontrollverfahren, über das im Augenblick beraten und entschieden werden muss. Wir halten dies in der Tat für so gravierend - und zwar in Übereinstimmung mit dem Bundesjustizministerium und dem Bundesinnenministerium -, dass wir das Urteil abwarten wollen.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich eine weitere Frage stellen?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nein, leider nicht, weil Sie nicht der Fragesteller sind. Aber es gibt ja noch eine weitere Frage des Abgeordneten Singhammer. Vielleicht passt es dann. Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Singhammer auf: Wird die Bundesregierung für die Zwischenzeit, bis neue Regelungen in Kraft treten können, eine weitere Festsetzung der Arzneimittel-Festbeträge ({0}) durch die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung verbieten?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Da nur dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zusteht, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden, beabsichtigt die Bundesregierung nicht, vor einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Festsetzung von Arzneimittel-Festbeträgen grundsätzlich zu untersagen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Singhammer, Sie haben eine Zusatzfrage.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es denn bereits interne Überlegungen oder Planungen der Bundesregierung, wie die zukünftigen Festbeträge festgelegt werden sollen, das heißt, wer das tun soll und wie die demokratische Legitimation gewährleistet werden soll?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, ich habe schon dargelegt, dass unser Haus einen Entwurf erarbeitet hat. Er ist auch nicht unter Verschluss gehalten worden; die Überlegungen sind bekannt. Die Koalitionsfraktionen haben vor dem Hintergrund des anhängigen Normenkontrollverfahrens, das nach Auffassung der Bundesregierung von grundsätzlicher Bedeutung ist, ihre eigenen gesetzgeberischen Vorhaben so lange zurückgestellt, bis das Bundesverfassungsgericht in der Sache entschieden haben wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nun noch eine Zusatzfrage, Herr Wolf.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gesetzt den Fall, das Bundesverfassungsgericht halte das jetzige Verfahren für verfassungswidrig: Würde dann das Bundesgesundheitsministerium eher für eine Selbstverwaltungslösung oder für eine Institutslösung im nachgeordneten Bereich, die jetzt im Arbeitsentwurf enthalten ist, plädieren?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, Gewaltenteilung bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Die Bundesregierung wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei ihrer gesetzgeberischen Arbeit berücksichtigen. Da das Bundesverfassungsgericht an seiner Entscheidung noch arbeitet, werde ich mich hier an Spekulationen nicht beteiligen. Das wäre auch nicht der Würde des Bundesverfassungsgerichts angemessen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie die Fragen beantwortet haben. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Der Parlamentarische Staatssekretär Siegfried Scheffler wird die Fragen beantworten. Ich rufe zunächst die Frage 28 des Abgeordneten Werner Wittlich auf: Wie werden die im Bundeshaushalt 2000 für Lärmschutz an bestehenden Bahntrassen vorgesehenen 100 Millionen DM verteilt und in welcher Höhe werden die Bewohner an der Bahntrasse im Rheintal im Landkreis Neuwied an den Lärmschutzvorhaben beteiligt?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Frau Präsidentin, lieber Kollege Wittlich, wenn Sie gestatten, werde ich die Fragen 28 und 29 im Zusammenhang beantworten. Ihnen stehen dann ja vier Nachfragen zu.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich auch die Frage 29 des Abgeordneten Wittlich auf: In welcher Höhe sind in den Haushaltsplanungen für 2001 Mittel für Lärmschutz an bestehenden Bahntrassen vorgesehen und wie sollen die Mittel verteilt werden?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die im Bundeshaushalt 2000 für Lärmschutz in Härtefällen an bestehenden Bahntrassen bereitgestellten 100 Millionen DM werden entsprechend den Kriterien eingesetzt, die der damalige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Lothar Ibrügger, mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 an alle Mitglieder dieses Hauses anlässlich der Verteilung der Dringlichkeitsliste mitgeteilt hat. In den hier angesprochenen Streckenabschnitten werden sowohl aktive als auch passive Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt. Letztere umfassen als Lärmschutz an der Einwirkungsstelle, also in den vom Lärm beeinträchtigten Wohngebäuden, den Einbau von Schallschutzfenstern und Lüftungseinrichtungen. Dies erfordert die aktive Mitwirkung und finanzielle Beteiligung der betroffenen Hauseigentümer. Deren individuelle Zwänge können durchaus dazu führen, dass dieses Angebot nicht allen Berechtigten zugute kommt. Insofern ist eine Aussage darüber, in welcher Höhe Mittel für die Lärmsanierung in den Landkreis Neuwied fließen, definitiv noch nicht möglich. Zur Frage 29. In den Haushaltsplanungen für 2001 ist beabsichtigt, für Lärmschutz an bestehenden Bahntrassen wieder einen Betrag von 100 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Auch dann wird sich die Verteilung dieser Mittel ausschließlich nach den hierfür festgelegten Kriterien richten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege Wittlich.

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie sieht denn generell die zeitliche Perspektive für die Abwicklung der gesamten Lärmschutzmaßnahmen entlang der Bahntrasse im Mittelrheintal aus?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Grundsätzlich muss ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, dass die gravierenden Versäumnisse früherer ZeiParl. Staatssekretärin Christa Nickels ten, zum Beispiel auch Ihrer Regierung, mit einem Schlag nicht auszugleichen sind. Zwar wird seit 1978 die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen praktiziert. Eine entsprechende Regelung für die Bundeseisenbahnen konnte bis zum Regierungswechsel 1998 aber nicht gefunden werden. Erst die jetzige Bundesregierung hat den Einstieg in die Lärmsanierung an Schienenwegen von Eisenbahnen des Bundes vollzogen. Der immense Nachholbedarf führt zwangsläufig dazu, dass Abhilfemaßnahmen vorerst nur in den gravierendsten Härtefällen ergriffen werden können, weshalb es seitens der Bundesregierung nicht möglich ist, einen Zeitrahmen zu nennen, zumal es auch eine enge Abstimmung mit der DB AG geben muss.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Zusatzfrage.

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch eine konkrete Nachfrage, Herr Staatssekretär: Welche Maßnahmen sind zum jetzigen Zeitpunkt vor Ort eingeleitet?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Umsetzung des Lärmsanierungsprogramms erfolgt nach einer sorgfältigen Vorbereitung. Damit Sie einmal eine Vorstellung von den zeitlichen Abläufen bekommen, weise ich darauf hin, dass für die Planung und Genehmigung von Lärmschutzwänden und -wällen mindestens ein Jahr zu veranschlagen ist. In der Regel dauert das eineinhalb Jahre, oft aber auch länger. Bei den passiven Lärmschutzmaßnahmen müssen zunächst die berechtigten Hausbesitzer ermittelt, schalltechnische Untersuchungen und schließlich die eigentlichen Arbeiten in Abstimmung mit den Betroffenen durchgeführt werden. Nennenswerte Mittelabflüsse sind trotzdem bereits zum Jahresende zu erwarten. Zu Ihrer konkreten Frage, die das Rheintal, den Landkreis Neuwied, betrifft: Die Deutsche Bahn AG praktiziert bereits in den betreffenden Abschnitten das Verfahren „Besonders überwachtes Gleis“, bei dem gegenüber durchschnittlich unterhaltenen Gleisen eine bessere Gleisqualität und damit auch eine geringere Schallabstrahlung sichergestellt werden. Je nach Örtlichkeit könnten möglicherweise andere Maßnahmen in Betracht kommen wie zum Beispiel die Errichtung von Lärmschutzwänden oder -wällen. Allerdings erfordert das enge Mittelrheintal ein behutsames Vorgehen, um dieser einzigartigen Kulturlandschaft keine Schäden zuzufügen, etwa durch Unterbrechung traditioneller Sichtverbindungen zwischen dem Strom und den Ortschaften.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Haben Sie weitere Fragen?

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist vorgesehen, dass auf diesen Strecken im Rheintal vordringlich auch Güterwagen eingesetzt werden, die weniger Lärm emittieren?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Bundesregierung ist natürlich entsprechend der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober daran interessiert, Maßnahmen zu ergreifen, die für die betroffene Bevölkerung Lärmminderung bewirken. Sie hat dies auch immer wieder in Gesprächen und Schreiben gegenüber der DB AG deutlich gemacht. Aber letztendlich - das ist Ihnen bekannt - entscheidet die DB AG nach den entsprechenden Kriterien über die Maßnahmen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 30 des Abgeordneten Rossmanith auf: Wie verfolgt die Bundesregierung im Allgäu und in Schwaben das vom Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, formulierte Ziel, bis 2015 den Gütertransport per Bahn zu verdoppeln?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Bundesregierung verfolgt weiterhin das Ziel, Kollege Rossmanith, einen erheblichen Anteil des Verkehrszuwachses von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Hierzu werden im Rahmen einer integrierten Verkehrspolitik die erforderlichen ordnungs-, und investitionspolitischen Maßnahmen ergriffen, ebenso wie darauf ausgerichtete Maßnahmen der Eisenbahnunternehmen selbst. Dies wird mit einer deutlichen Erhöhung der Investitionsmittel, die der Bund für die Sanierung und einen gezielten Ausbau des Schienennetzes einsetzen wird, unterstützt. Aussagen hinsichtlich einzelner Regionen für das Jahr 2015 sind derzeit nicht möglich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Scheffler, die Bundesregierung und Bundesminister Klimmt haben ein „Zukunftspaket Schiene“, das bis 2015 geht, vorgelegt. Aber dennoch ist es doch erforderlich, die derzeitige Situation und das Aufkommen zu würdigen und in die Überlegungen einzubeziehen. Ich habe die Frage gestellt, was konkret für gerade von der Schiene nicht bevorzugte Regionen wie zum Beispiel das Allgäu jetzt getan wird, um eben diese Verdoppelung des Güteraufkommens für die Schiene zu ermöglichen. Damit wird ja auch für Industrieansiedlungen in dieser Region und für die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation ein entsprechender Beitrag geleistet.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Sie heben ab auf Aussagen des Bundesministers bei der Haushaltsdebatte, wo von dieser Verdoppelung geredet wurde. Allerdings hat er die Verdoppelung der Verkehrsleistung von gegenwärtig etwa 72,8 auf 148 Milliarden Tonnenkilometer im Kontext mit dem „Paket Schiene“ genannt. Wir wollen ja in Abstimmung mit dem Bundeskanzler und dem Bundesfinanzminister aus den Erlösen bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen und den damit erzielten Zinseinsparungen der Deutschen Bahn AG, beginnend mit dem Jahr 2001, zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Der Prozess der Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG darüber, ob der Ausbau bzw. der Neubau oder ob die Ertüchtigung des vorhandenen Netzes im Bereich der Straße bzw. der Schiene vorgenommen werden soll, konnte aufgrund des kurzen Zeitraums natürlich noch nicht abgeschlossen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, Herr Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei allem Verständnis dafür, dass auch die Bundesregierung entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu leisten hat, stellt sich doch die Frage, ob nicht derartigen elementaren Äußerungen wie der über die Verdoppelung des Gütertransportes innerhalb von 15 Jahren - das ist sicherlich sehr lang gefasst - auch konkrete Pläne bzw. ein konkreter Unterbau zugrunde liegen muss.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Bei allem Verständnis auch für Sie persönlich, der Sie die Interessen einer bestimmten Region vertreten, muss ich darauf hinweisen, dass auch andere Bundestagskolleginnen und -kollegen - egal, ob sie aus den alten oder den neuen Bundesländern kommen - die Interessen ihrer jeweiligen Region vertreten. Der Prozess der Abstimmung sowohl mit der Deutschen Bahn AG als auch mit den entsprechend beteiligten Regierungsfraktionen konnte in der Kürze der Zeit noch nicht abgeschlossen werden, sodass ich Ihnen für Ihre Region keine konkreten Zahlen über die Höhe der in etwa zur Verfügung stehenden Mittel nennen kann.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Wiese.

Heinz Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie davon ausgehen, dass in dem besagten Zeitraum die Möglichkeit besteht, mehr Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, glauben Sie dann nicht auch, dass man gezielte Maßnahmen rechtzeitig vorlegen muss? Die Weichen sind gerade in Richtung des kombinierten Verkehrs so zu stellen, dass eine ausreichende Zahl an Containerbahnhöfen und Umschlagplätzen im Süden vorhanden ist. Zu berücksichtigen ist natürlich auch die internationale Anbindung an die neuen Alpentransversalen, gerade in unserem Raum, in Schwaben, im Raum Bodensee und zwischen Stuttgart und München. Sind diesbezüglich schon irgendwelche Weichen gestellt worden?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Im Grunde genommen sind Weichen gestellt worden, zuletzt auch mit dem Brief des Bundesministers an den Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Freistaates Bayern, Herrn Josef Miller - er ist Ihnen sicherlich bekannt - , vom 22. September, in dem die Verteilung der Verkehre im Rahmen des Alpentransits - ob nach Österreich oder in die Schweiz - und die Prämissen detailliert dargestellt wurden und in dem die Bundesregierung die Einhaltung ihrer gemachten Zusage, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene - übrigens auch auf die Wasserstraßen - zu verlagern, als Teil des Regierungshandelns bekräftigt hat. Letztendlich zeigt das auch die Verteilung der Mittel aus den Zinseinsparungen, die durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen möglich wurden. Es sind die zwei Bereiche Bildung und Forschung sowie der Aus- und Neubau bzw. die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur in das Regierungsprogramm einbezogen worden. Wir verfolgen das Ziel, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, nicht nur mit diesem Programm, sondern auch mit dem Investitionsprogramm 1999 bis 2002 und mit dem Anti-Stau-Programm bzw. dem Engpassbeseitigungsprogramm, deren Mittel etwa hälftig für den Ausbau bzw. die Ertüchtigung der Schiene bereitgestellt werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Rossmanith auf: Ist die Bundesregierung bereit, den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Bahnstrecke München über Buchloe und Memmingen nach Zürich in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen, und welche sonstigen Planungen bestehen?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Bundesregierung misst einer Verbesserung der Bahnverbindung München-Lindau-Zürich hohe Bedeutung bei. Dies dokumentiert die Aufnahme des Projektes „Ausbaustrecke München-Lindau“ als hoch prioritäre Maßnahme in das laufende Investitionsprogramm bis 2002 für den Ausbau der Bundesschienenwege, der Bundesfernstraßen und der Bundeswasserstraßen. Es wurde dort mit dem Vorbehalt versehen, dass die Finanzierung des Vorhabens im Verlauf des Geltungszeitraumes des Investitionsprogramms geprüft wird. Für vorbereitende Maßnahmen sind 1 Million DM in das Programm eingestellt. Vorgesehen ist die Anpassung der Strecke an den Einsatz von Dieselneigetechnikzügen. Der Einsatz dieser Züge wird zu einer Reisezeitverkürzung von etwa 30 Minuten zwischen München und Lindau bzw. Zürich führen und damit die Attraktivität des Schienenverkehrs steigern. Untersuchungen des Korridors München-Lindau belegen derzeit nicht die Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit eines durchgängigen zweigleisigen Ausbaus des Streckenabschnitts Buchloe-Memmingen-Hergatz-Lindau sowie einer Elektrifizierung der Strecken über Memmingen und Kempten. Die verkehrliche Entwicklung der Strecke wird regelmäßig beobachtet. Weitere Planungen für Fernverkehrsprojekte in diesem Korridor bestehen derzeit nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, bitte.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Ergebnisse hat diese von Ihnen soeben dargestellte Überprüfung gebracht? Wie begründen Sie die Aussage im zweiten Teil Ihrer Antwort, dass ein zweigleisiger Ausbau nicht erforderlich ist? Es handelt sich immerhin - dieser Zusatz sei mir noch gestattet - um eine internationale Strecke.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Der Alpentransit Schiene aus bzw. nach Deutschland verteilt sich gemäß unseren Prognosen von Gutachtern zu einem Drittel auf Österreich - über Brenner/Tauern - und zu zwei Dritteln auf die Schweiz, wovon 88 Prozent über Basel, 7 Prozent über Singen und 5 Prozent über Lindau laufen. Mit diesen Daten aus der Prognose ist die Strecke München-Lindau im Rahmen der Arbeiten zum Abschluss des Abkommens mit der Schweiz zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des nördlichen Zulaufs entsprechend untersucht worden. Dabei hat sich kein zweigleisiger Ausbaubedarf ergeben. Parallel dazu ist es aber Ziel der Bundesregierung, gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG durch den Einsatz von Neigetechnikfahrzeugen zunächst die Attraktivität der Strecke für den Personenverkehr zu steigern. Für den Zeitraum des Investitionsprogramms bis 2002 - ich sagte das bereits - streben wir eine Fahrzeitverbesserung von rund einer halben Stunde zwischen München und Zürich an. Im Rahmen der Klärung der Finanzierung wird auch das dazu vorliegende Vorfinanzierungsangebot des Freistaates Bayern geprüft.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Gegensatz zu Ihrer Antwort auf die vorige Frage, in der von einem Zeitraum von 15 Jahren gesprochen wurde, ist in diesem Falle der Zeitraum bis 2002 - wir stehen am Beginn der Beratungen des Haushalts 2001 - genannt worden und er ist sehr begrenzt. Wann werden die ersten Mittel für den Ausbau dieser Strecke fließen? Der Zeitrahmen für die Investitionen - bis 2002 - ist relativ eng. Es ist erforderlich, entsprechende Vorarbeiten zu leisten, um mit dem Ausbau rechtzeitig beginnen zu können.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Hier ist grundsätzlich auszuführen, dass diese Mittel für vorbereitende Maßnahmen aufgrund der hoch prioritären Einstufung der Maßnahme in das Investitionsprogramm bis 2002 eingestellt wurden. Deshalb sind auch die Kosten der von Ihnen genannten vorbereitenden Maßnahmen abgedeckt - unabhängig davon, was die Deutsche Bahn AG mit der Bayerischen Staatsregierung vereinbart, um zu einer weiteren Ertüchtigung der Strecke zu kommen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Holetschek.

Klaus Holetschek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang die etwas allgemeinere Frage: Mit welchen Mitteln gedenkt die Bundesregierung in Zukunft sicherzustellen, dass die Deutsche Bahn AG ihrem Auftrag gerecht wird, auch die Bedienung in der Fläche und die Anbindung peripherer Landesteile an das Fernverbindungsnetz zu gewährleisten?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Ich kann Ihnen hier einmal die Bugwelle hinsichtlich der Unterfinanzierung des Investitionsprogramms von etwa 80 bis 100 Milliarden DM vorbeten. In Bayern haben wir gegenwärtig eine erhebliche Investitionsschleppe zu verzeichnen, die wir im vorgesehenen Zeitraum nicht finanzieren können. Das ist eine Erblast, die wir 1998 von der alten Bundesregierung übernommen haben. Die neue Bundesregierung, die Koalitionspartner und insbesondere der Finanzminister haben im Investitionsprogramm, im Anti-Stau-Programm, aber auch mit dem Schienenpaket erstmals dafür gesorgt, dass zur Ertüchtigung der Schiene erheblich mehr Mittel als durch irgendeine andere Bundesregierung zuvor über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt werden. Die Deutsche Bahn AG wird in der Lage sein, sowohl den Aus- und Neubau von Hauptmagistralen als auch - in enger Abstimmung mit den Ländern - die Ertüchtigung vorhandener Strecken in der Fläche zu sichern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kalb.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass Mitte der 90er-Jahre mehr Haushaltsmittel für den Schienenwegeausbau zur Verfügung standen, als - zumindest in einem Jahr war das sehr signifikant - die Bahn überhaupt verbauen konnte? Die Größenordnungen haben zum Teil über 1 Milliarde DM gelegen.

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Lieber Kollege Kalb, mir sind die Aussagen bekannt - ich möchte sie jetzt natürlich nicht kommentieren -, die damals in der Verantwortung der DB AG gemacht wurden. Sie wissen ja, dass wir - wir waren schon damals gemeinsam im Verkehrsausschuss mit der Bahnreform und mit der Privatisierung der Bahn befasst - hier im Deutschen Bundestag bzw. auch die alte Bundesregierung nicht diese Verantwortung hatten. Was den Mittelabfluss betrifft, könnte man einiges dazu sagen. Das steht mir aber, denke ich, nicht zu.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Müller auf: Welche Gründe werden für die Verzögerung des Vertragsabschlusses zum Ausbau der Strecke München-Memmingen-Lindau zwischen der Bundesregierung, der Deutschen Bahn AG und dem Land Bayern angeführt?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Herr Kollege Müller, die Ausbaustrecke München-Lindau ist in das Investitionsprogramm für den Ausbau der Bundesschienenwege, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen 1999 bis 2002 aufgenommen worden, wie ich schon bei der Beantwortung der vorangegangenen Fragen ausgeführt habe. Es wurde dort mit dem Vorbehalt versehen, dass die Finanzierung des Vorhabens im Verlauf des Geltungszeitraumes des Investitionsprogramms geprüft wird. Für vorbereitende Maßnahmen sind 1 Million DM in das Programm eingestellt. Da bisher keine über das Investitionsprogramm hinausgehenden weiteren Haushaltsmittel zur Verfügung standen, konnte auch keine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Müller.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es ist umso verwunderlicher, dass Sie noch einmal unterstrichen haben - was ich mit großem Bedauern zur Kenntnis nehme -, dass Sie nicht bereit sind, die Finanzierung dieser dringlichen Maßnahme jetzt vorzunehmen. Ich frage Sie, warum Sie nicht bereit sind, auf das Angebot Bayerns zur Vorfinanzierung dieses Streckenabschnittes mit 80 Millionen DM einzugehen. Der Entwurf eines trilateralen Vertrags zwischen dem Bundesverkehrsminister, der DB AG und dem Freistaat Bayern bietet die Voraussetzung, um im Zuge der Vorfinanzierung mit bayerischen Mitteln jetzt zu bauen. Was sind die konkreten Gründe dafür, dass der Bund die Unterzeichnung dieses trilateralen Vertrags verhindert - mit dem Vertrag könnte jetzt mit dem Bau begonnen werden -, wenn Sie schon bis 2002 nicht finanzieren?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Herr Kollege Müller, Sie greifen jetzt schon in den Bereich der Frage 33 vor. Frau Präsidentin, lieber Kollege Müller, sind Sie damit einverstanden, wenn ich jetzt die Antwort zur Frage 33 gebe und dann auf Ihre Zusatzfrage eingehe?

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich die Frage 33 des Kollegen Dr. Müller auf: Zu welchem Zeitpunkt ist der Bund bereit, die notwendigen Mittel in Höhe von 80 Millionen DM für den Ausbau der Strecke München-Memmingen-Lindau für Neigetechnikbetrieb nach § 8 Abs. 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz zur Verfügung zu stellen?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Gespräche zwischen dem Freistaat Bayern, der Deutschen Bahn AG und dem Bund über die Finanzierung der Maßnahmen konnten noch nicht abgeschlossen werden, sodass über den Zeitpunkt der Finanzierung noch keine abschließenden Aussagen möglich sind. Ich möchte zunächst Ihre Behauptung zurückweisen, dass der Bund hier blockiert. Ihnen ist sicherlich ein Schreiben unseres Ministeriums vom 1. September dieses Jahres an die DB Netz AG und nachrichtlich an das Eisenbahn-Bundesamt bekannt, das die Ausbaustrecke München-Lindau und die weitere Strecke über die deutsche Grenze in die Schweiz, nach Zürich, betrifft. Ich zitiere: Aus der Sicht des Bundes besteht Bereitschaft zum Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung für die Ausbaustrecke München-Lindau. Grundlage für diese Finanzierungsvereinbarung wäre bei geschätzten Gesamtbaukosten von 80 Millionen DM in Übereinstimmung mit dem Investitionsprogramm 1999 bis 2002 ein Mittelabfluss in den Jahren 2001/02 von je einer halben Million DM und in den Jahren 2003/04 von je 39,5 Millionen DM. Insofern stimmt das mit meiner Aussage: „1 Millionen DM stehen im Investitionsprogramm hierfür bereit.“ überein. ({0}) Eine gegenüber diesem Zeithorizont schnellere Realisierung des Projektes in Absprache mit dem Land Bayern begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken. Diesbezügliche Absprachen mit dem Land werden jedoch nicht Bestandteil einer mit dem Bund abzuschließenden Finanzierungsvereinbarung sein. Sie wissen natürlich, dass eine Finanzierungsvereinbarung mit diesen Inhalten nur die DB AG mit dem Freistaat Bayern abschließen kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Müller, bitte eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir eine Hilfestellung dabei geben, wie ich dem Bürger zu Hause dieses Schwarzer-Peter-Spiel zwischen dem Bund, dem Freistaat und der Bahn erklären soll? Bayern ist bereit, dieses Projekt bis 2002 vorzufinanzieren, während der Bund nur große Erklärungen abgibt, mehr Geld in die Schiene zu stecken. Das Geld ist vorhanden, die 80 Millionen DM werden vom Freistaat vorfinanziert. Die Technik ist geklärt. Die Deutsche Bahn AG sagt: Okay, es ist alles in Ordnung. Es scheitert aber an dem Vertragsabschluss zwischen Bahn, Bund und Bayern. Sagen Sie doch heute: Okay, ihr könnt starten. Die Finanzierung ist gesichert. Was sind die Gründe dafür, dass Sie diesen trilateralen Vertrag nicht unterzeichnen?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Ich bitte Sie, Ihre Ausführungen präzise zu beenden. Es geht nicht um einen Vertrag zwischen Bayern, Bund und DB AG. Der Bund hat, wie erwähnt, eine FinanzierungsVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer vereinbarung angestoßen, die zwischen der DB AG und dem Bund geschlossen wird. Wir haben auch gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich einer positiven Entscheidung überhaupt nicht entgegenstehen. Ich denke, nach der Prüfung durch das Eisenbahn-Bundesamt wird es dann auch einen positiven Entscheid geben. Über die Vorfinanzierungsmodalitäten muss aber ein Vertrag zwischen der DB AG und dem Freistaat Bayern geschlossen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Müller, bitte eine nächste Zusatzfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, eine Fragestunde soll ja auch dazu dienen, Licht in eine solche Sache zu bringen. Sagen Sie doch mir und den Bürgern: Woran liegt das? Wer verhindert diese Unterschrift? Mir liegt hier ein Schriftverkehr vor, aus dem hervorgeht, dass Sie nun seit über einem Dreivierteljahr - die Finanzierung ist sicher, ich sage es noch einmal - miteinander verhandeln. Wie lange wollen Sie denn noch verhandeln? Woran liegt das? Wann kommt die Unterschrift? Wann können die Züge fahren? Wann wird endlich der Schienenverkehr in der Fläche gestärkt? Ich möchte noch eine Ergänzung zu dem machen, was der Kollege vorhin gesagt hat. Wie wollen Sie es denn in Zukunft überhaupt noch sicher stellen, dass neben dem Fernverkehr auch die Fläche, das Land bedient werden? Wir haben da große Sorgen. Sie stellen Bahnverbindungen ein, erhöhen die Mineralölsteuer. Sollen die Menschen, die auf dem Land wohnen, zu Fuß zu ihrer Regierung laufen, um zu protestieren?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Nun könnten wir uns lang und breit darüber unterhalten, wer für die Regionalisierung verantwortlich ist. Mit ihr einher ging ja eine Änderung des Grundgesetzes, da die Länder gefordert hatten, die Verantwortung hierfür vom Bund auf die Länder zu übertragen. Insofern ist es das regionale Interesse des Freistaates Bayern, hier zu einer Finanzierungsvereinbarung zu kommen. Ich wundere mich schon, dass Sie hier fragen, was diese Regierung tut, um die Bahn in der Fläche zu ertüchtigen. Ich könnte Ihnen aus allen Haushalten aus den zehn Jahren vor November 1998 vortragen, was jeweils getan wurde, um die Bahn zu ertüchtigen. Diese Bundesregierung dagegen hat ja bewiesen - das habe ich vorhin ausgeführt -, dass sie hier etwas tun will: Sie hat jetzt in enger Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG ein zusätzliches Paket für die Bahn auf den Weg gebracht, damit auch der Schienenverkehr in der Fläche ertüchtigt wird. Sie können natürlich von mir keine Antwort auf die Frage bekommen, wann der Finanzierungsvertrag zwischen Bayern und der DB AG unterschriftsreif sein wird. Sie wissen, dass das Eisenbahn-Bundesamt eine unabhängige Behörde ist. Es ist nun einmal nicht so, dass die Vertreter der Bundesregierung sagen können: Ihr habt das und das zu machen. Vielmehr prüft die Behörde sehr gewissenhaft, wie ich denke, den finanziellen Teil. Nach der Prüfung werden Sie den Bürgern in Ihrer Region sagen können, dass die Strecke ertüchtigt wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Müller hat noch eine letzte, aber wirklich allerletzte Zusatzfrage.

Dr. Gerd Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann ich zumindest davon ausgehen, dass Sie morgen oder in den nächsten Tagen in dieser Angelegenheit Druck machen, damit die Prüfung nicht weitere Jahre dauert, sondern wir in den nächsten sechs Wochen eine Entscheidung bekommen?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Die Bundesregierung hat das in den vergangenen Wochen und Monaten angeschoben und wird das auch zukünftig tun. Sie hat mit dem Schreiben vom 1. September 2000 noch einmal deutlich gemacht, dass vonseiten der Bundesregierung grundsätzlich keine Bedenken bestehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es eine Zusatzfrage des Kollegen Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, wenn es trilateral nicht geht, - mit dem Freistaat Bayern eine bilaterale, verbindliche Vereinbarung zu treffen, die festschreibt, - wann der vom Freistaat Bayern vorfinanzierte Betrag von 80 Millionen DM durch den Bund erstattet wird?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Ich denke, ich habe den Verhandlungs- und Sachstand klargemacht. Jetzt müssen die Verträge zwischen dem Bund und der DB AG bzw. zwischen dem Freistaat Bayern und der Deutschen Bahn AG abgeschlossen werden. Wir sind mitten in der Prüfungsphase. Die Bundesregierung hat dieses Verfahren mit Nachdruck angeschoben. Aber sie kann natürlich nicht - das werden Sie verstehen - politischen Druck auf eine unabhängige Behörde ausüben, die Prüfung in fachlicher oder fiskalischer Sicht zu beschleunigen. Eine solche Abkürzung könnte nachher der DB AG oder dem Bund auf die Füße fallen. Insofern hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Meinung, dass gerade der Strecke München-Buchloe-Memmingen-LindauZürich oberste Priorität einzuräumen ist, alldieweil parallel die A 96 verläuft, von der noch 3,8 Kilometer fehlen, die aber nicht mehr gebaut werden können, da die Bundesregierung hierfür beim besten Willen kein Geld finden kann, und die, wenn sie doch einmal fertig werden sollte, die Verlagerung des Personenverkehrs auf die Straße verstärken würde, und es schwierig wäre, diesen Personenkreis zurück auf die Schiene zu führen?

Siegfried Scheffler (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001952

Sie konstruieren hier einen Sachzusammenhang, der so nicht besteht. Das wissen Sie auch. ({0}) Ich wundere mich über Ihre Ausführungen auch insofern, als diese hoch prioritäre Maßnahme, die von der Bundesregierung anerkannt wird - sonst wäre sie nicht in das Investitionsprogramm 1999 bis 2002 aufgenommen worden -, von der alten Bundesregierung nicht vorangetrieben wurde. Sie wissen, dass wir erst im November 1998 die Verantwortung in diesem Lande übernommen haben. Sie hatten doch zudem den Finanzminister, der die Mittel in den Haushalt eingestellt hat, in der CSU-Landesgruppe. Das Schienenpaket der neuen Bundesregierung bedarf der Konsultation mit dem Freistaat Bayern und der Deutschen Bahn AG. Denn diese Strecke ist eine der hoch prioritären Maßnahmen im Freistaat Bayern. Die Prioritätenreihung wird die Bundesregierung nicht von oben herab, sondern in enger Konsultation mit dem Freistaat Bayern festlegen. Er hat in dieser Frage, wie auch schon in der Vergangenheit, ein Mitwirkungsrecht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich, die Fragen 34 bis 37, werden sämtlich schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung. Da die Fragen 38 und 39 des Kollegen Brinkmann schriftlich beantwortet werden, kommen wir zur Frage 40 des Kollegen Dr. Klaus Rose: Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um das in der Tschechischen Republik geplante Kernkraftwerk Temelin zu verhindern?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich beantworte die Frage von Dr. Rose, welche Schritte die Bundesregierung bisher unternommen hat, um die Inbetriebnahme von Temelin zu verhindern, wie folgt: Die Bundesregierung hat an der Ablehnung der Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Temelin nie einen Zweifel gelassen. Seit Regierungsantritt wurden alle sich bietenden Möglichkeiten genutzt, um in diesem Sinne auf die Entscheidung der tschechischen Regierung zur Fertigstellung und Inbetriebnahme Einfluss zu nehmen. Die Zuständigkeit für Errichtung und Betrieb sowie für die Sicherheit nuklearer Anlagen liegt aber allein bei dem Staat, auf dessen Gebiet sich die Anlage befindet. Insofern hat die Bundesregierung keine rechtlichen Mittel, die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin zu verhindern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Rose, bitte Ihre erste Zusatzfrage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In einer dpa-Meldung vom 14. September 2000 steht geschrieben, dass Bürger bei einer Demonstration gesagt haben, sie wollten nicht blind in eine Katastrophe laufen. Meinen Sie, dass Sie mit Ihrer Antwort diese Bürger beruhigen können?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Bundesregierung ist verpflichtet, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Wie ich schon gesagt habe, hat sie in den letzten zwei Jahren alles Erdenkliche getan, um unterhalb dieser Schwelle, auf diplomatischem Wege, etwas zu erreichen. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Konflikt nicht erst seit zwei Jahren, sondern schon seit zehn Jahren existiert. Wenn man sich einmal die Chronologie der Aktivitäten der alten Bundesregierung anschaut - ich habe eine entsprechende Liste vorliegen; ich bin gerne bereit, Ihnen Auszüge aus dieser Liste auf schriftliche Anfrage zukommen zu lassen -, dann wird klar, dass die Aktivitäten zwischen 1998 und 2000 die Aktivitäten zwischen 1990 und 1998 schon rein quantitativ um ein Vielfaches übersteigen. In der Bauphase, in der es eventuell noch erfolgversprechende Eingriffsmöglichkeiten gegeben hätte, in der also ein Abbruch der Bauaktivitäten, noch möglich war, ist aus Sicht der neuen Bundesregierung seitens der alten Bundesregierung sehr zurückhaltend verfahren worden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Rose, bitte Ihre zweite Zusatzfrage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, haben Sie Verständnis für eine weitere Frage: Wenn ich nämlich die Begeisterung sehe, mit der Umweltminister Trittin in Frankreich gegen bereits bestehende Anlagen agitiert hat, dann muss ich fragen, ob er mit der gleichen Begeisterung in Tschechien gehandelt hat. Wie ich bereits sagte, ist sogar schriftlich dokumentiert, mit welcher Begeisterung - man sollte bei diesem Thema besser sagen: mit welcher Leidenschaft und Eindeutigkeit - der Bundesminister Trittin hier agiert hat. Nichtsdestotrotz muss ich betonen, dass wir keine weiteren Eingriffsmöglichkeiten haben, weil Tschechien entsprechende Eingriffe zu Recht als Einmischung ansehen und sich verbitten würde. Wir hätten uns auch nicht hineinreden lassen wollen, als wir den Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie gefasst haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Kubatschka, Sie haben ebenfalls eine Zusatzfrage. Bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Altmann, Temelin hätte in diesem Monat bereits ans Netz gehen sollen. Die Betreiber haben schon zur Riesenfete eingeladen. Es ist also schon fünf Sekunden vor zwölf. Deswegen möchte ich Sie fragen: Was hat die CDU/CSU-F.D.P.-Regierung unternommen, um den Weiterbau von Temelin zu einer Zeit zu verhindern, als noch die Chance dazu bestanden hat?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Wie ich bereits gesagt habe - dies ist auch dokumentiert -, ist in einer Phase, in der aus unserer Sicht noch größere Möglichkeiten bestanden haben, zu einer anderen Entscheidung zu kommen, sehr zurückhaltend verfahren worden. Wir befinden uns jetzt auf der Zielgeraden. Da ist es natürlich schwierig, noch Entscheidendes zu ändern. Nichtsdestotrotz nehmen wir die Bedenken der Bevölkerung sehr ernst. Auch die gegnerischen Aktivitäten, die sich rund um die Inbetriebnahme vor Ort abspielen, betrachten wir mit Verständnis.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen jetzt zur Frage 41 des Kollegen Dr. Klaus Rose: Sieht die Bundesregierung eine Chance in bilateralen Verhandlungen zwischen Deutschland und Tschechien, um den Sorgen und Befürchtungen der ostbayerischen Bevölkerung vor dem Kernkraftwerk Temelin abhelfen zu können?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Die Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung hat seit Mitte der 90er-Jahre bilateral mit der zuständigen atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in Tschechien verhandelt, um ausreichende Informationen zur Sicherheit und zu den Risiken des Atomkraftwerks Temelin zu erhalten. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden generelle Informationen zur sicherheitstechnischen Auslegung sowie zu Sicherheitsanforderungen und zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens bereitgestellt. Außerdem hat die tschechische Seite zugesagt, zu Einwendungen bayerischer Bürger aus der Grenzregion schriftlich Stellung zu nehmen. Bei dem Atomkraftwerk Temelin handelt es sich um ein Kraftwerk des sowjetischen Typs WWER 1000, das unter Einbeziehung US-amerikanischer Technologie im Bereich des Reaktorkerns und der digitalen Leittechnik fertig gestellt worden ist. Die Bundesregierung hat zu diesem Reaktortyp eigene generische Untersuchungen zu sicherheitstechnischen Defiziten und Schwachstellen durchgeführt und hierbei auch die Sicherheitsfragen der Leittechnik einschließlich der Wechselwirkung mit der Anlagentechnik russischer Herkunft bewertet. Die daraus resultierenden Sicherheitsfragen sind der tschechischen Genehmigungsbehörde vorgetragen worden. Die deutsche Seite hat darüber hinaus darauf gedrängt, dass sich deutsche Experten anhand von Unterlagen aus dem Genehmigungsverfahren ein eigenständiges Bild von den in Temelin vorgesehenen Lösungen wichtiger ausgewählter Sicherheitsfragen verschaffen können. Die Ergebnisse dieser vertieften Sicherheitsbewertung sind der tschechischen Genehmigungsbehörde im August 2000 übermittelt worden. Am 5. September 2000 fand eine Erörterung der Ergebnisse dieser Bewertung zwischen tschechischer Genehmigungsbehörde, Vertretern des BMU und der Bayerischen Staatsregierung in Prag statt. Die von deutscher Seite aufgezeigten Sicherheitsbedenken sollen zwischen Fachleuten weiter abgeklärt und in Kürze abschließend bewertet werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Rose, Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie darauf hinweisen, verehrte Frau Staatssekretärin, dass Sie gerade einen Widerspruch gebracht haben, weil Sie nämlich vorhin gesagt haben, die vorherige Bundesregierung hätte nichts getan, in Ihrer jetzigen Antwort aber darauf verwiesen haben, dass seit Mitte der 90er-Jahre durchaus einiges geschehen ist, woraus ich schließe, dass Sie mit dem, was geschehen ist, einverstanden sind, da Sie es ähnlich fortführen?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege, da haben Sie mich missinterpretiert. Ich habe nicht gesagt, dass die alte Bundesregierung nichts getan hat. Ich habe gesagt, dass sie sich im Verhältnis zu dem, was die neue Bundesregierung getan hat, zurückhaltend verhalten hat.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Rose, bitte die zweite Frage.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es hat sich vor wenigen Tagen eine eigene Kommission zwischen den Tschechen und den Österreichern gebildet, die einen Untersuchungsbericht über das Streitobjekt vorlegen wollen. Kann ich davon ausgehen, dass sich die Deutschen an dieser dann nicht bilateralen, sondern trilateralen Kommission beteiligen werden?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Sie wissen - ich habe das gerade auch mitgeteilt -, dass es diese bilateralen Abkommen gibt. Die letzte Sitzung der tschechisch-deutschen Gruppe dazu hat am 5. September 2000 stattgefunden. Dabei wurden weitere sicherheitstechnische Fragen aufgeworfen. Wir werden natürlich alles tun, was auf politischer Ebene möglich ist, um die Inbetriebnahme von Temelin zu verhindern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Altmann, die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag hat einen Antrag der Grünen auf sofortigen Baustopp von Temelin am 16. Februar 1995 abgelehnt. War diese Ablehnung hilfreich, um den Befürchtungen der ostbayerischen Bevölkerung entgegenzutreten?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Herr Kollege Kubatschka, es steht mir hier natürlich nicht zu, Länderbeschlüsse zu kommentieren oder zu interpretieren. Nichtsdestotrotz sei mir gestattet, zu sagen, dass ich als Ostfriesin diese Logik nicht verstehe. Sie als gelernter bayerischer Staatsbürger können das, so denke ich, eher leisten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Zusatzfrage vom Kollegen Max Straubinger. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin in Ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass die vorige Bundesregierung angeblich mehr Möglichkeiten gehabt hätte, den Bau von Temelin zu verhindern, als die jetzige Bundesregierung Möglichkeiten hat, die Inbetriebnahme von Temelin zu verhindern. Wie stellen sich diese Möglichkeiten dar?

Gisela Altmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002618

Ich möchte nicht falsch interpretiert werden. Sie haben das gerade wieder einmal getan. Ich habe eine fünfseitige Liste vor mir liegen, mit der ich einen rein quantitativen Vergleich anstellen kann: Die Aktivitäten der alten Bundesregierung zwischen 1990 und 1998 lassen sich auf einer Seite festhalten, während die Aktivitäten der neuen Bundesregierung zwischen 1998 und 2000 vier Seiten umfassen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Straubinger, Sie können nur eine Zusatzfrage stellen. Im Übrigen ist die für die Fragestunde vorgesehene Zeit abgelaufen. Deshalb ist die Fragestunde jetzt beendet. Wie üblich werden die übrigen Fragen - das sind die Fragen 42 bis 44 sowie 46 bis 64 - schriftlich beantwortet. Die Frage 45 wurde vom Fragesteller zurückgezogen. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Haltung der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Lage des Transportgewerbes Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat der Kollege Dr. Klaus Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Güterkraftverkehrsgewerbe steht das Wasser bis zum Hals und die Bundesregierung schaut tatenlos zu. Mehr als die Hälfte der Unternehmen dieses Verbandes schreibt rote Zahlen. Rund 40 000 Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht und 400 000 Arbeitnehmer müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten. Ich sage es ganz deutlich: Die Bundesregierung schaut in diesem Fall tatenlos zu und tut nichts. Sie tut absolut nichts. Die Arbeitnehmer in diesem Gewerbe sind für sie offensichtlich ohne jedes Interesse. ({0}) Ich will ganz deutlich sagen: Es ist eine Schande, dass die Arbeitnehmer und die Fuhrunternehmer auf die Straße gehen müssen, damit ihre Interessen von den Regierungsverantwortlichen überhaupt wahrgenommen werden. Für noch schlimmer halte ich es, dass der Innenminister dieser Bundesregierung im Vorfeld bereits die Absicht zur Demonstration halbwegs kriminalisiert hat, nach dem Motto: Bei Straftaten wird Bundesgrenzschutz eingesetzt. Es ist eine Schande, dass ein Innenminister mit einer solchen Vergangenheit, ({1}) von dem ich noch nie ein klares Wort zum Thema Gewalt gegen Sachen gehört habe, jetzt Arbeitnehmer diskriminiert. ({2}) Ich will ja gar nicht einmal davon reden, dass er Terroristen verteidigt hat. Das war seine Aufgabe. Aber: Damals beim Thema Gewalt gegen Sachen nicht eindeutig Stellung zu beziehen, jetzt aber Arbeitnehmer, die, wie sie gestern bewiesen haben, friedlich demonstrieren, in diesen Verdacht zu rücken - das ist schon schandbar und das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich sage das in aller Deutlichkeit. Sie können nicht einfach so tun, als ob Arbeitnehmer ihre berechtigten Interessen nicht mehr vertreten dürften. Wenn ich den Fraktionsvorsitzenden der Grünen höre, Herrn Rezzo Schlauch - nebenbei bemerkt: starke Besetzung bei den Grünen heute hier im Hause! -, ({3}) der ankündigt, Sie ließen sich durch Demonstrationen nicht unter Druck setzen, dann sage ich: Er hat Recht. Warum? - Wenn es um seine Klientel geht, dann braucht es keine Demonstration, sondern dann genügt ein Anruf und schon wird das Gesetz geändert. Hier aber geht es um Arbeitnehmer, die zwölf Stunden und mehr am Tage arbeiten. Für deren Anliegen hat ein Grüner natürlich kein Verständnis, insbesondere wenn er Porsche fährt und davon ausgehen kann, dass die Straßen bald etwas freier sind. ({4}) Leute, so geht es nicht! ({5}) Ich könnte Ihnen Beispiele nennen: Beim KWK-Gesetz, bei Lubmin wurden auf Zuruf Gesetze geändert, weil Ihre Herren Scheer und andere Interessen geltend gemacht haben. Aber bei diesem Sachverhalt, bei dem es um Arbeitnehmer aus dem Straßenverkehrsgewerbe geht, da haben Sie kein Verständnis. ({6}) - Artikulieren Sie es doch deutlicher, Herr Schmidt. Dann kann ich darauf eingehen. Der Bundesverkehrsminister, kündigt ständig etwas Neues an. Erst spricht er von Erleichterungen bei der KfzSteuer - ich lasse einmal völlig außer Acht, dass er die Mineralölsteuer zugunsten des Bundes erhöhen und die KfzSteuer zulasten der Länder senken will - aber 14 Tage später ist von diesem Vorschlag schon nicht mehr die Rede. Dann kommen andere Positionen auf und werden diskutiert. 14 Tage später ist auch davon nicht mehr die Rede. Dann wiederum sagt er, wir müssen in Brüssel Harmonisierungen erreichen. Er geht nach Brüssel, aber was ist das Ergebnis? - Er kommt zurück als gescheiterter Verkehrsminister, der sagt, dieses Mal habe es nicht geklappt, aber man versuche es beim nächsten Mal erneut. Wir müssen endlich einmal eine Bundesregierung erleben, die sich in solchen Fragen in Brüssel auch wirklich durchsetzt anstatt eine Ankündigung nach der anderen zu machen, deren Umsetzung allesamt scheitern. ({7}) Machen wir uns nichts vor: Alle Ihre Versuche, mit Einzelmaßnahmen jetzt etwas zu bewirken, treffen absolut nicht den Kern der Sache. ({8}) Was Sie nicht wollen, ist, das einzig Richtige zu tun und die Ökosteuer abzuschaffen. Warum nicht? - Sie haben Ihrem Koalitionspartner mehrfach das Rückgrat gebrochen. Es gibt nahezu kein Wahlversprechen mehr, das die Grünen gehalten haben. Jetzt glauben Sie, ausgerechnet in dieser Frage, bei der es um die Interessen deutscher Arbeitnehmer geht, müssten Sie Ihrem grünen Koalitionspartner beistehen. Das ist falsch; das sage ich Ihnen ganz klar. Korrigieren Sie Ihre Haltung in dieser Frage! Ich habe Ihnen schon in der letzten Diskussion hierzu gesagt: Wenn die nächsten Debatten vor den Wahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg anstehen, dann wird Ihr Kanzler, der bisher noch jeder Pression nachgegeben hat, umfallen. Überlegen Sie sich Ihre Argumentation heute! Wir werden Sie an Ihre Argumentation von heute erinnern, wenn er wieder einmal umgefallen ist. ({9}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ja nicht so, dass nur das Verkehrsgewerbe betroffen ist, dass nur die Lastwagenfahrer betroffen sind. Taxifahrer sind betroffen, Bauern sind betroffen; sämtliche Gartenbaubetriebe leiden unter einer existenziellen Bedrohung. Und was tun Sie? Sie tun nichts, Sie schweigen. Sie nehmen lediglich Maßnahmen in Aussicht, aber wann Sie sie realisieren, wissen wir nicht. So einfach können Sie es sich nicht machen. Das lassen wir Ihnen auch nicht durchgehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lippold, Sie müssen zum Schluss kommen. Es ist eine Aktuelle Stunde, und Sie wissen, dass die Redezeit auf fünf Minuten begrenzt ist.

Dr. Klaus W. Lippold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die letzten anderthalb Sätze: Wenn in solchen Situationen die arrogante Ministerriege, die bei Ihnen auf den Bänken sitzt, statt die Ökosteuer abzuschaffen, sagt, die Leute sollen nicht nach Mallorca fahren, die sollen auf ihren Urlaub verzichten, dann muss ich ganz deutlich sagen: Das können wir nicht akzeptieren. Denken Sie einmal an die Bevölkerung, denken Sie einmal an die Leute, denen Sie in die Tasche greifen! So jedenfalls ist Ihr Weg falsch. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Angelika Mertens.

Angelika Mertens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002734, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lippold, zu Ihrem Versuch, hier als Retter der Witwen und Waisen aufzutreten und sich wie der Wolf im Märchen eine weiße Pfote zu machen, um damit beim Straßengüterverkehrsgewerbe gut anzukommen, kann ich Ihnen nur sagen: So ein kurzes Gedächtnis hat das Gewerbe nicht. Sie haben vielleicht gemerkt, dass sich einige nicht vor Ihren Karren haben spannen lassen. Dafür gebührt ihnen mein Respekt. Sie haben nämlich nicht vergessen, was vor einigen Jahren passiert ist, als Sie die Kabotage freigegeben haben. Das Gewerbe hat gegen Ihr Vorhaben einen erbitterten Widerstand geführt. Wir haben Sie immer gewarnt. ({0}) Ihre Maxime „Liberalisierung vor Harmonisierung“ rächt sich jetzt. Es ist das Ergebnis Ihrer Politik, wenn die Leute jetzt auf die Straße gehen. ({1}) Die Entwicklung der Energiepreise ist besorgniserregend. Das bagatellisiert wirklich niemand. Wenn man mit dem Gewerbe in Ruhe redet - das haben wir getan -, dann sagen sie - das werden sie auch Ihnen gesagt haben -, dass es nicht die Ökosteuer ist, die dem Gewerbe und den Transporteuren die Luft abdrückt. Insofern ist die Kampagne, die Sie jetzt starten und an die sich die F.D.P. anscheinend anhängt, wirklich die reinste Volksverdummung. Dr. Klaus W. Lippold ({2}) Die Situation ist doch folgende: Jährlich gibt es in diesem Gewerbe Zuwachsraten von 5 bis 6 Prozent. Darüber würden sich andere Bereiche sehr freuen. ({3}) Trotzdem kämpfen vor allen Dingen viele kleine und mittlere Unternehmen um ihre Existenz. Es gibt aber auch - das darf man nicht verschweigen - Unternehmen, denen es durchaus gut geht. ({4}) Wir haben in diesem Land desolate Wettbewerbsbedingungen. Ein großer Teil dieses Gewerbes - das nehmen wir sehr ernst; Sie wissen, was wir hierzu unternehmen - wird zweifach in die Zange genommen, zum einen im Inland wegen völlig zusammengebrochener Wettbewerbsbedingungen: durch Billiganbieter aus Drittstaaten, die mehr oder weniger legal sind, Billiganbieter durch Sozialdumping und Selbstausbeutung, und zum anderen vor allen Dingen durch einen völligen Verfall der Preise. Wenn ich ein sparsamer Mensch wäre, dann würde ich mir, um zum Bahnhof oder sonst wohin zu gelangen, statt eines Taxis einen 40-Tonner-LKW bestellen; denn er ist preiswerter als ein Taxi. Wenn ich für einen 40-TonnerLKW 1,70 DM pro Kilometer bezahle, dann können Sie sehen, dass die Preise wirklich im Keller sind. ({5}) Die Preise können nicht an die Verlader weitergegeben werden. Es wird unter Kosten gefahren. Das bringt das Gewerbe immer mehr unter Druck und verschlimmert die Situation. Es ist mein Appell, dass die Kosten an die Verlader weitergegeben werden. Die Verlader sind übrigens mittlerweile so frech, dass sie dem Endverbraucher Transportkosten in Rechnung stellen, die das Transportgewerbe nie sieht. Zum anderen wird das Gewerbe durch die Situation in Europa in die Zange genommen. Wir haben hinsichtlich Europa sicherlich alle irgendwie unsere Leichen im Keller. Im Verkehrsbereich - das kann ich Ihnen sagen ist dies zum Massengrab geworden. So geht es nicht weiter. Die SPD-Fraktion und, wie ich denke, auch der Koalitionspartner erwarten von der Bundesregierung, dass es nicht wie in Ihren 16 Jahren bei Worten belassen wird, sondern dass Abmachungen eingehalten werden und nicht diejenigen die Angeschmierten sind, die sich an sie halten. ({6}) Wenn die EU in der Welt ernst genommen werden will, dann kann sie keine Politik nach dem Motto machen: Rette sich, wer kann. Diesen Wettlauf gewinnt nämlich niemand. ({7}) Unsere Politik wird sich daran ausrichten, strukturelle Probleme zu lösen, das heißt, illegale Praktiken zu beenden, die entfernungsabhängige LKW-Gebühr schnellstmöglich einzuführen und den Subventionswettlauf zu beenden. Es könnte zum Beispiel ein erster Schritt sein, hier wirklich einmal Transparenz herzustellen. Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen, auch hinsichtlich Ihrer Aktuellen Stunde. Sie müssen kapieren, dass ein Transport wieder seinen Preis hat. Ich sage Ihnen: Ihre dümmliche Ökosteuerkampagne zeigt, dass Sie von Verkehrspolitik nichts begriffen haben. ({8})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Redner für die Fraktion der F.D.P. ist der Kollege Horst Friedrich.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wie ernst diese Bundesregierung die Debatte heute und die Lage des Gewerbes tatsächlich nimmt, zeigt die Präsenz auf der Regierungsbank. Er kommt zwar gerade in aller Eile, der Kollege Bodewig, aber ein Haus mit einem Minister und fünf Staatssekretären braucht sage und schreibe bis zehn Minuten nach Beginn der Plenardebatte, um hier bei diesem wichtigen Thema überhaupt zu erscheinen. ({0}) Was muss denn eigentlich noch passieren, wie viele Demonstrationen müssen noch abgehalten werden? Bald ist es so weit, dass dem Gewerbe das Wasser nicht nur bis zum Hals steht, sondern dass es bereits unter Wasser ist. Die einzige Alternative, die Herrn Klimmt dazu einfällt, ist, dass er KfW-Kredite ausreicht. Das ist ungefähr so, als wenn Sie einem Ertrinkenden, damit er tatsächlich untergeht, noch einmal einen Schluck Wasser in der Badewanne geben, damit er endgültig ersäuft. ({1}) Jemandem, der rote Zahlen schreibt, mit neuen Krediten weiterzuhelfen zeigt, dass das Problem nicht erkannt worden ist, Frau Kollegin Mertens - ganz abgesehen davon, dass Sie dem GüKG, in dem die Kabotagesituation geregelt worden ist, zugestimmt haben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU - Angelika Mertens [SPD]: Ich nicht! Wenn wir schon beim „langen Gedanken“ sind: Die letzte für das Gewerbe spürbare Kostenreduzierung hat die Koalition aus Union und F.D.P. bei der Kfz-Steuer 1992 festgelegt. Wir haben das deutsche Gewerbe positioniert und aus unserer damaligen Sicht wettbewerbsfähig gemacht. Da hat es Auftrieb gegeben. ({2}) Seit Übernahme der Regierungsverantwortung 1998 erhöhen Sie jetzt Zug um Zug national die Kosten. Sie haben die steuerlichen Bedingungen verändert. Sie sind bei der Abschreibungsfrist dabei, das Ganze noch weiter zu verschlimmern. Sie haben die Ökosteuer eingeführt. Sie weigern sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass man die KfzSteuer immer noch weiter reduzieren kann. Sie sagen: Es darf keinen Wettlauf geben; wir hoffen auf die europäischen Instanzen. Wie lange wollen Sie denn eigentlich noch warten, bis Regelungen kommen? ({3}) Wenn Sie jetzt nicht dem deutschen Gewerbe signalisieren, dass kurzfristig, unmittelbar morgen geholfen werden kann, ist für einen Teil der deutschen Unternehmer der Wettlauf vorbei. Sie sterben dann, weil man sich in Europa nicht geeinigt hat. ({4}) Sie wissen nicht, wie die Situation ist. Ich kann Ihnen einmal vorlesen, wie die Realität draußen ausschaut. Mir hat ein befreundeter Unternehmer aus meiner Heimat einen Brief geschrieben und mich gebeten, ihm zu helfen. Er hat einen Brief beigelegt, in dem einer seiner Kunden - eine Firma Schott aus Spanien - erklärt hat: Sehr geehrter Herr Maisel, wir haben großes Verständnis für Ihre Reaktion auf die gestiegenen Treibstoffkosten, dass Sie nämlich mehr Geld für die Transporte wollen. Aber wir haben natürlich auch unseren eigenen Kostenrahmen zu sehen. Deswegen werden wir unsere Sendungen nach Deutschland und in die Schweiz ab Oktober mit spanischen Spediteuren abfertigen, was wir auch bereits mit unseren Sendungen nach Frankreich machen. ({5}) Um ein Beispiel zu nennen: Ein spanischer LKW nach Sankt Gallen kostet uns 33 Prozent weniger. Rechnet man die unterschiedliche Auslastung dazu, bleiben immer noch 26 Prozent. ({6}) Da sagen Sie immer noch: Es darf sich national nichts ändern, es muss so weitergehen wie bisher. Was wollen Sie eigentlich noch an Unterlagen haben, um Ihre Politik endlich zu verändern, um die Beratungsresistenz aufzugeben? ({7}) Dann kommt noch der Strohhalm: Die Eisenbahn wird das Ganze schon richten. ({8}) Das höre ich ja nun immer wieder. Aber es ist ein Irrglaube. 10 Prozent dessen, was heute auf der Straße rollt und morgen auf die Eisenbahn verlagert wird, bedeutet dort Verdopplung der Kapazitäten. Wer sich in der Welt wirklich umschaut, wird sehen, dass 10 Prozent des Straßengüterverkehrs, verlagert auf die Eisenbahn, nicht spürbar sind, weil es ungefähr dem Zuwachs eines Jahres entspricht. Die Bahn hat aber große Probleme, 100 Prozent Zuwachs überhaupt auf die Reihe zu bekommen. Sie ist mittlerweile zusätzlich mit 2,5 Milliarden DM aus den Zinsersparnissen im Zusammenhang mit den Erlösen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen gesegnet worden. Herr Mehdorn bedankt sich dafür und fordert zusätzlich, die Mineralölsteuer müsse aber auch noch abgeschafft und die Umsatzsteuer am besten halbiert werden. ({9}) Dass er in seinem Haus selber noch Hausaufgaben zu erledigen hat, dass er die Bahn erst einmal leistungsfähig machen muss, um den Logistikanforderungen zu genügen, das sagen Sie nicht. Meine Damen und Herren von der Regierung, dass Sie so laut schreien, zeigt eigentlich, dass ich Sie genau da getroffen habe, wo ich Sie treffen wollte. ({10}) Im Endeffekt haben Sie kein Konzept für die Probleme des Gewerbes. Sie werden damit leben müssen - dass ist dann Ihre Verantwortung -, dass bei Ihrer sturen Verweigerungshaltung unter Umständen die Gefahr besteht, dass bisher friedliche Demonstrationen aus nackter Existenzangst der Betroffenen unter Umständen ausfransen können. ({11}) Das ist dann Ihre politische Verantwortung, die Sie niemandem mehr auf die Schultern laden können. Danke sehr. ({12})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Albert Schmidt das Wort.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich ganz klar und unmissverständlich sagen: Es ist selbstverständlich legitim und aus der Betroffenensituation durchaus nachvollziehbar, dass Branchen auch in Demonstrationen und Aktionen ihre Sorgen und Forderungen vortragen und ihrem Ärger über gestiegene Kosten in ihrer Branche Luft machen. Das ist überhaupt nicht der Streitpunkt. Deshalb bin ich sogar in gewisser Weise dankbar, dass die Aktuelle Stunde, die Sie beantragt haben, vielleicht den Einstieg in eine Debatte ermöglicht, die wirklich auf die Probleme des Gewerbes eingeht und nicht Scheinprobleme aufbläst, Horst Friedrich ({0}) von denen wir alle wissen, dass wir sie nicht lösen können. ({1}) Ich möchte Ihnen zunächst einmal Folgendes sagen: Der Straßengüterverkehr - das bestreitet in diesem Land niemand - hat eine hervorragende Auftragslage. Es gibt kaum eine Branche im Land, die derartige Wachstumsraten aufweist. Die Zuwachsprognosen für den Straßengüterverkehr für die nächsten Jahre sind nicht nur gut; sie sind geradezu erschreckend gut. Das würde bedeuten, dass eine beachtliche Steigerung - bis zu einer Verdoppelung - des LKW-Verkehrs in den nächsten 20 Jahren auf uns zurollen würde. Das wird uns veranlassen umzusteuern. Es ist nicht das Problem, dass niemand mit dem LKW transportieren möchte, sondern dass niemand den Transport mit dem LKW ordentlich bezahlen will. Das verschweigen Sie, wenn Sie immer auf die Ökosteuer einschlagen. ({2}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn heute ein Kilometer Transport mit dem LKW in bestimmten Relationen - die Kollegin Angelika Mertens hat es angesprochen - 1,70 DM, weniger als ein Taxi, kostet, dann zeigt das, dass der interne Markt auf der Straße total aus den Fugen geraten ist. Das hat nichts mit der Ökosteuer zu tun. Das geben übrigens alle Spediteure zu, mit denen ich in diesen Tagen im Gespräch bin. Spätestens nach fünf Sätzen sagen sie: Natürlich ist es nicht die Ökosteuer. Die Kolleginnen und Kollegen, die gestern demonstriert haben, kämpfen an der falschen Front. ({3}) - Selbstverständlich war ich vor Ort und habe diskutiert. Ich war schon in der Frühe um acht Uhr dort. Da haben Sie noch geschlafen. ({4}) Wenn heute ein bulgarischer Fahrer auf Deutschlands Straßen 2 DM Stundenlohn bekommt, der deutsche Kollege aber 16 DM oder 18 DM verlangen muss, dann ist dies der Unterschied, der wirklich wehtut. Das sind die Probleme, über die wir sprechen sollten - nicht über ein paar Pfennige Mineralölsteuer. ({5}) Fahrer ohne Ausbildung, die im deutschen Straßennetz unterwegs sind, Fahrer ohne jeglichen sozialen Schutz und Fahrer ohne Verantwortung sind das Ergebnis einer gnadenlosen Liberalisierung auf dem Markt, die nichts anderes gebracht hat als ein Preisdumping, das den kleinen und mittelständischen Unternehmen das Leben schwer macht. Das ist übrigens das Ergebnis Ihrer gnadenlosen Liberalisierungspolitik, meine sehr verehrten Herren von der F.D.P. ({6}) Nun verlangen Sie, dass der Staat Steuerverzicht üben und den Diesel subventionieren soll. Sie verweisen auf Frankreich, wo der Dieselpreis sogar nach der Zusage, die Mineralölsteuer um 6 Pfennige zu senken, immer noch höher sein wird als bei uns. - Übrigens: In Frankreich gibt es die LKW-Streckenmaut längst, die wir erst einführen wollen. - Sie glauben doch nicht im Ernst, dass dies ein einziges Problem lösen wird? Das Gegenteil ist der Fall. Erstens. Eine solche Steuersubvention für den Diesel durch Steuerverzicht, den wir üben würden, wäre ein klares Signal an die Ölmultis: Dreht fröhlich weiter an der Preisschraube! Die reichen Finanzminister der westeuropäischen Industriestaaten subventionieren dann, damit es immer noch bezahlbar bleibt. Zweitens. Keine sechs Monate später würden Sie den Subventionskonter aus den europäischen Nachbarländern einfangen, die Sie geradezu ermuntern, auf diesem Weg fröhlich weiterzumachen. Es wäre ein Aufruf zur nächsten Runde des Preisdumpings, dass das Problem nur verschiebt und verschärft, weil die Handlungsspielräume immer geringer werden. Wir müssen etwas ganz anderes tun: Wir müssen unsere Anstrengungen vervielfachen, um garantierte Mindestlöhne zu bekommen, um sozialen Mindeststandards Geltung zu verschaffen und um endlich - als Nachweis für eine legale Beschäftigung - eine europäische Fahrerlizenz zu bekommen. ({7}) Diese Festlegungen - das sage ich in aller Freundschaft auch an unsere osteuropäischen Nachbarn - müssen auch für diejenigen Staaten gelten, die Mitgliedsländer der Europäischen Union werden wollen. Denn es kann nicht sein, dass jemand zwar die Vorteile des Marktes nutzen, sich aber nicht an die zivilisatorischen Standards halten will. ({8}) Wir müssen auch die Kontrollen verstärken. Im letzten Jahr konnten bei jedem fünften kontrollierten LKW, Herr Kollege Lippold, Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten sowie gegen Bestimmungen über Fahrerlizenzen nachgewiesen werden. Das sind Dinge, bei denen wir die schwarzen Schafe greifen und zur Rechenschaft ziehen müssen. Letzter Punkt, Frau Präsidentin: Wenn der Weltmarkt infolge einer erkennbaren Verknappung des Rohöls und gleichzeitig verstärkter Nachfrage hohe Preise hervorbringt, kommt die F.D.P. und ruft nach dem Staat. Das ist Ihr Verständnis, das Verständnis der Hohepriester der Albert Schmidt ({9}) Marktwirtschaft. Staatssubventionismus, Sozialismus, das ist das, was Sie im Grunde wollen. ({10}) Sie wollen, dass der Staat in die Kasse greift und den Markt außer Kraft setzt. In diesem Punkt war Ihr Wirtschaftsminister Günter Rexrodt viel konsequenter. Als es damals um die DASA ging, hat er gesagt: Jetzt ist Schluss. Wir wissen, dass der Dollarkurs schlecht ist, und wir wissen, dass die DASA Probleme hat, aber ihr müsst sie aus eigener Kraft lösen. Das war liberal.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, jetzt ist wirklich Schluss.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Was Sie jetzt machen, ist eine Volksbetrügerei. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort für die PDSFraktion hat der Kollege Rolf Kutzmutz.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schmidt, was man in einer solchen Aktuellen Stunde alles lernen kann, ist ungeheuer. ({0}) Ich komme auf den Sozialismus zurück. - Ach ja, Herr Schmidt, nicht alles passt zusammen, was zusammengehört. ({1}) Eines möchte ich vorausschicken: Wir sollten in einer solchen Debatte vermeiden, die Demonstranten von gestern genau so wie die Demonstranten vor drei oder vier Jahren in Bonn zu instrumentalisieren. ({2}) Die einen sagen, sie dürften nicht, die anderen sagen, es sei ihr gutes Recht. Wir sollten dies nicht von Fall zu Fall entscheiden. Demonstrieren gehört - darin sollten wir uns einig sein - zum guten Recht derjenigen, die sich politisch einmischen, die sich ungerecht behandelt fühlen, ({3}) egal, wen es zu welcher Zeit trifft, Herr Lippold. Der Titel der Aktuellen Stunde stammt von Ihnen; ich finde ihn etwas unredlich. Ich finde auch unredlich, was bisher gesagt worden ist. ({4}) Es geht ja nicht allgemein um das Transportgewerbe. Sonst müssten wir auch über die Ungleichbehandlung, die Diskriminierung von Schienen- und Wasserwegen reden. ({5}) - Selbstverständlich ist das das Thema, Sie sollten zuhören anstatt dazwischenzureden. ({6}) Sie sollten einfach sehen, welche Wettbewerbsbedingungen bestehen. Sie wissen mindestens so gut wie ich, dass diese ungleich sind. ({7}) Ich will Ihnen und den Kollegen von der CDU/CSU auch sagen: Gestern hat ein ehemaliger Umwelt- und Straßenbauminister der CDU/CSU etwas gesagt, was ich hier nicht höre. Er hat gesagt, eine richtig ausgestattete Ökosteuer sei keine K.o.-Steuer, sondern ein notwendiges Instrument für global wichtige Ziele wie etwa den Klimaschutz. ({8}) Er hat dies nicht vom Adenauer-Haus aus gesagt, sondern von Nairobi aus. Dort war er vor Ihrer Kritik sicher. ({9}) Auch das ist doch wahr: Für die Spediteure ist nach vielen Bekundungen von gestern - wie Sie war auch ich bei den Demonstrationen - die Ökosteuer nicht die größte Sorge. ({10}) Dies ist bei aktuell 21 Pfennig mehr Steuern auf den Liter Diesel gegenüber März 1999 auch nicht verwunderlich. Es geht ihnen vielmehr um den Subventionswettlauf, um die Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Raum, die sich pro Laster auf mehrere Tausend Mark belaufen können. ({11}) Deshalb wende ich das Töpfer-Zitat auch in Bezug auf die Koalitionskollegen an. Es geht um eine - da war der Zuruf richtig - richtig ausgestattete Ökosteuer. ({12}) Darin besteht das tatsächliche Problem der aktuellen Lage. Darauf haben meine Fraktion und auch ich seit Beginn der Wahlperiode immer wieder hingewiesen. Um es noch einmal klarzustellen: Wir sind nicht gegen eine ökologische Besteuerung, wir wollten und wollen aber eine andere. Ökosteuern müssen von vornherein in Albert Schmidt ({13}) ein entsprechendes sozial-, wirtschafts- und verkehrspolitisches Umfeld eingebettet werden. Mit dem Rezept von Regierung und Koalition erntet man keine doppelte Dividende - Umwelt und Arbeit -, sondern eine einfache Katastrophe. Ökologische Lenkungswirkung von Steuern einerseits und gleichzeitig Orientierung beispielsweise der Bahninvestitionen allein in einen Berliner Knoten oder eine schnelle Flughafenverbindung am Rhein andererseits stehen sich diametral gegenüber. ({14}) Sie dürfen angesichts der Lage nicht bis zur nächsten Wahl warten, um dann vielleicht die Einnahmen aus der Ökosteuer in einen ökologischen Umbau zu lenken. Sie dürfen auch nicht mit konkreten Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping sowie gegen illegale Praktiken im Transportbereich warten. Herr Schmidt, Sie haben gesagt, wir müssten und sollten etwas tun. Es gibt eine Regierung und die muss auch in der EU aktiv werden und darf nicht warten, bis von anderen etwas geleistet wird. ({15}) Sie sollten auch eine entfernungsabhängige Straßenmaut nicht bis 2002 oder 2003 hinauszögern. Bis dahin hätten wir keinen Truck weniger auf den Autobahnen, nur wären es dann fast ausschließlich west- oder osteuropäische und keine einheimischen mehr. Ich habe sehr wohl vernommen, dass der Bundeskanzler und der Verkehrsminister gestern über alle Fernsehkanäle Initiativen für europäische Führerscheine und Standards bei den Arbeitsbedingungen ankündigten. Richtig, aber eben auch unredlich; denn solche Probleme sind seit Jahren bekannt - es gab sie übrigens auch schon unter der alten Regierung -, sie wurden nur nicht ernsthaft angegangen. ({16}) Wenn sie jetzt angegangen werden, dann aber leider nicht auf Initiative dieser Regierung. Womit sich Kanzler und Minister schmücken, das kann jeder seit Anfang Mai - also lange vor der aktuellen Treibstoffpreisexplosion in der Mitteilung der EU-Kommission „Überprüfung der Binnenmarktstrategie 2000“ nachlesen. Ich zitiere aus dem Arbeitsplan: auf Dezember 2000 verschobenes Projekt, aber Priorität: Legislativpaket für den Schienenverkehr; neues Projekt, bis Dezember 2000: Richtlinie Interoperabilität des konventionellen Eisenbahnsystems; neu, bis Dezember 2000: Richtlinie Arbeitszeiten im Straßenverkehr; neu, bis Dezember 2000: Verordnung über Kontrollen von Berufskraftfahrern. Sicher, die Kommission ist weit weg und vor ihr sitzen noch 15 nationale Regierungen, die das alles noch ausgestalten können. Aber eine politische Philosophie, wie sie diese Vorhaben verdeutlichen, hätten wir uns auch von dieser Bundesregierung gewünscht, und zwar seit Ende 1998 und nicht erst andeutungsweise in den letzten Tagen. Wer PKWs und LKWs fast alternativlos lässt, darf die Kosten ihrer Nutzung nicht einseitig ins Unerträgliche steigern. Verkehrsalternativen und gerechte Ökosteuern gehören einfach zusammen, sonst funktionieren sie nicht. Danke schön. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Kurt Bodewig. ({0})

Kurt Bodewig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003051

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst ein Wort der Entschuldigung: Ich hatte mich auf das ursprüngliche Zeitraster verlassen und war verlassen. Ich bitte um Nachsicht. Nach dem, was ich bisher gehört habe, sage ich Ihnen sehr deutlich, dass die LKW-Fahrer und Spediteure eigentlich etwas anderes als das verdienen, was Sie, Herr Friedrich, hier vorgetragen haben. Sie verdienen, dass man sie in ihrem Anliegen ernst nimmt. Das ist der ganz entscheidende Punkt. ({0}) - Es macht kein gutes Bild für unsere Gäste auf der Tribüne, wenn Sie noch nicht einmal zuhören wollen. ({1}) Polemik und Scheinlösungen führen nicht weiter. Die Spediteure und LKW-Fahrer, denen das Wasser zum Teil bis zum Hals steht, haben es verdient, dass wir ihr Anliegen ernst nehmen und mit dem gnadenlosen Populismus aufhören, wie ich ihn in den letzten Tagen gehört habe. ({2}) Nicht die Ökosteuer ist das Problem dieser Debatte, sondern die Wettbewerbsverzerrung. ({3}) Das gilt umso mehr, als es nicht allen Unternehmen gleichermaßen gut oder schlecht geht. Es gibt große Speditionsketten, die auch in diesem Jahr trotz des Preisdrucks sehr gute Ergebnisse erzielen. Wir haben andererseits kleine Unternehmen, die davon abhängig sind, dass es formulierte Standards gibt und dass sie Wettbewerbschancengleichheit erhalten. Genau an diesem Punkt arbeiten wir. Der Normalfall darf nicht ein deutsches Speditionsunternehmen mit Filialen in Portugal und ukrainischen Fahrern sein. Von diesen geht nämlich der Wettbewerbsdruck aus, mit dem sich zurzeit die kleinen Spediteure auseinander setzen. Deswegen führt unser Ministerium mit dem Gewerbe einen Dialog. Gerade Bundesminister Reinhard Klimmt hat dies von Anfang an getan. Nicht zuletzt deswegen wurden in der vergangenen Woche vier Punkte vereinbart. Der erste Punkt betrifft die Einführung einer EU-Fahrerlizenz. Sie ist notwendig, um zu verhindern, dass über Lohn- und Sozialdumping kleine Spediteure aus dem Markt gemobbt werden. Der zweite Punkt betrifft die Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes: Wir wollen den Unternehmen die Pflicht auferlegen, nur Fahrer einzusetzen, die eine Arbeitsgenehmigung im Original mit einer amtlich beglaubigten Übersetzung mit sich führen. ({4}) Wenn Sie nun sagen, das sei eine kleine Maßnahme, halte ich Ihnen entgegen, dass dies eine für die Wettbewerbssituation der deutschen Spediteure ganz entscheidende Maßnahme ist, die man auch schon vor einigen Jahren hätte ergreifen können. Wir reden nicht, wir tun es. ({5}) Diese Verpflichtung wollen wir auch auf die Verlader ausdehnen, da diese das zweite Glied in der Kette der Wettbewerbsverzerrung darstellen. Auch hier müssen wir deutlich arbeiten. Deswegen auch die Verantwortung, bei den Verladern nur Unternehmen einzusetzen, die genau über diese Genehmigung oder Gemeinschaftslizenz verfügen. Wir werden den Bußgeldrahmen weiter erhöhen. Das ist ebenfalls notwendig; denn nur mit Sanktionen können wir es durchsetzen. Ich sage Ihnen jetzt einen weiteren Punkt: Ich glaube, dass wir in Bedrängnis geratenen Unternehmen mit kurzfristigen Überbrückungshilfen jetzt helfen müssen. Wir müssen ihnen jetzt dieses Stück Spielraum schaffen, in dem sie sich bewegen können. Da werden wir alle bestehenden Möglichkeiten nutzen. Wir werden sie verbessern und mit Beratungsangeboten - wirklich mit konkreten Hilfen, nicht mit Sprüchen - verbinden. ({6}) Das KfW-Programm für Mittelstandsförderung wird hier spezifiziert. Wir werden genau an diesem Punkt weiterkommen. Wir werden nicht Scheindebatten führen, sondern wir werden Maßnahmen einführen, die konkret wirken. ({7}) Ich sage zum Letzten: Auch eine LKW-Gebühr zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen gehört dazu. Interessant ist ja, dass der BGL genau diese Maßnahme begrüßt, wenn er sie auch für den deutschen Speditionsbereich ausschließen will. Das geht europäisch nicht. Aber eines kann ich Ihnen deutlich sagen: Wenn wir die Kosten internalisieren, wenn wir sie an den Verursacher bringen, dann werden Transitverkehre aus der Ukraine nach Portugal zumindest reduzierter sein. Dann wird die Schiene eine Chance haben. Aber auch die deutschen Speditionen, die gerade im nahen und mittleren Bereich tätig sind, haben dann endlich wieder eine vernünftige Chance. ({8}) Jetzt sage ich noch etwas zur Ökosteuer. Wir kennen ja die Forderung: Ökosteuer runter, dann gehen die Preise runter. ({9}) Da kann ich jedem nur die Empfehlung geben, sich in Europa sehr genau den Anteil der Steuer und des Treibstoffs am Marktpreis anzuschauen. Interessanterweise hat Portugal den niedrigsten Steueranteil und den höchsten Treibstoffpreisanteil. Das, was Sie vorschlagen, ist die Einladung an die Mineralölkonzerne, die Preisspirale weiter hochzutreiben. ({10}) Die Verantwortung dafür hätten Sie, wenn wir einen solchen verantwortungslosen Schritt machen würden. Ich will aber auch etwas Gutes sagen. Ich appelliere gerade an die Union, die ja heute einen bemerkenswerten Fortschritt gezeigt hat. Ich appelliere an Sie, gemeinsam mit uns den Kampf gegen illegale und graue Kabotage weiterzuführen. Die Ankündigung von heute Morgen, dass Sie dem Antrag von SPD und Grünen beitreten wollen, war genau der richtige Schritt. Verzichten Sie zukünftig auf Polemik. Helfen Sie, Probleme zu lösen, und wir kommen am Standort Deutschland einen gehörigen Schritt weiter. Vielen Dank. ({11})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Eduard Oswald für die Fraktion der CDU/CSU.

Eduard Oswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001663, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, das deutsche Verkehrsgewerbe braucht keine tröstenden Worte, sondern rasche Hilfe, jetzt und sofort. ({0}) Es braucht Ergebnisse und keine Vertröstungen. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich für die deutschen Unternehmen ebenso einsetzt wie es bei unseren europäischen Nachbarn für ihr Gewerbe eine Selbstverständlichkeit ist. Die Bundesregierung muss handeln, bevor es zu spät ist. Es geht um die Arbeitsplätze in unserem Lande. Das ist der Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Für mich ist klar: Jede Kostenerhöhung treibt weitere mittelständische Unternehmen des Transportgewerbes in den Ruin. Heute stehen viele deutsche Transportunternehmer mit dem Rücken an der Wand. Das deutsche Transportgewerbe braucht faire Wettbewerbsbedingungen und keine Wettbewerbsverzerrungen. ({2}) Es kann doch nicht sein, dass der Straßenverkehr der Dukatenesel der Nation ist. ({3}) Anstatt die Unternehmen nach den kräftig gestiegenen Kraftstoffpreisen zu entlasten, wird nochmals draufgesattelt, und zwar durch die am 1. Januar nächsten Jahres wirksam werdenden Erhöhungen der Ökosteuer und der LKW-Vignette. Tatsache ist, dass das Mineralölsteueraufkommen des Güterkraftverkehrs bis zum Jahr 2003 mehr als ein Drittel der von den Unternehmen zu erwirtschaftenden Umsätze betragen wird. Diese Mehrbelastung wird lediglich zu 10 Prozent durch die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge kompensiert. Nehmen Sie doch diese Fakten zur Kenntnis. ({4}) Angesichts des Missverhältnisses zwischen Mehrbelastung und versprochener Entlastung werden die Gesamtkosten im Güterkraftverkehrsgewerbe so steigen, dass bei vielen Betrieben die Umsatzrendite aufgezehrt wird. Das kann doch nicht wahr sein! ({5}) Deswegen wir haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt; denn es ist uns nicht gleichgültig, was mit diesem Gewerbe in Deutschland passiert. ({6}) Es kann doch nicht wahr sein, dass der deutsche LKW im Wettbewerb auf dem europäischen Transportmarkt immer mehr auf der Strecke bleibt, da in einigen Ländern die Kraftstoffsteuer teilweise erstattet wird. Es kann doch nicht wahr sein, dass ein 40-Tonner in Deutschland jährlich mit Abgaben in Höhe von 40 600 DM belastet wird, während das gleiche Fahrzeug beispielsweise in Frankreich oder in Belgien um rund 10 000 DM billiger unterwegs ist. ({7}) Hinzu kommt, dass immer mehr osteuropäische LKWUnternehmer auf den Markt drängen, die mit Niedriglöhnen zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen beitragen. Dies ist jedenfalls nicht das Europa, an dem wir gemeinsam bauen wollen. ({8}) Erkennen wir doch gemeinsam, dass der LKW benötigt wird, weil ohne ihn in einer arbeitsteiligen Wirtschaft sogar die Versorgung mit dem tagtäglichen Bedarf nicht möglich ist. 80 Prozent aller Fahrten eines LKW sind unter 100 Kilometern. Hier kann doch nichts auf die Schiene verlagert werden. Auch dies gehört zu den Realitäten in Deutschland. ({9}) Wir wissen auch, welch wichtige und unverzichtbare Verkehrsleistungen der Omnibus in unserem Lande erbringt. Auch dies gehört zu den Realitäten. Meine Forderungen lauten: Erstens. Heben Sie die Ökosteuer auf! ({10}) Zweitens. Die Einführung einer streckenbezogenen, nutzungsabhängigen LKW-Gebühr muss für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe wettbewerbsverträglich gestaltet werden. ({11}) Drittens. Die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich des europäischen Güterkraftverkehrs darf nicht weiter verschleppt werden. Viertens. Im Rahmen der EU-Osterweiterung müssen die Interessen des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes beachtet werden. Dies ist eine Aufgabe der ganzen Bundesregierung, die dem Verkehrsminister nicht alleine überlassen werden darf. ({12}) Fünftens. Nehmen Sie sich der Probleme des alpenquerenden Verkehrs intensiver an als bisher! Sechstens. Bekämpfen Sie die graue und illegale Kabotage wie die illegale Beschäftigung im EU-Straßengüterverkehr. Wir brauchen eine Harmonisierung der Sozialstandards und müssen gegen Sozialdumping kämpfen. Das ist unser Auftrag. ({13}) - Wenn Sie uns in diesem Punkt folgen, dann sind wir damit einverstanden. Siebtens. Verfolgen Sie die Pläne zur Verlängerung der Abschreibungsfristen für LKW von sieben auf zehn Jahre nicht weiter. ({14}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen und von der Bundesregierung, nehmen Sie die Sorgen des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes und der Omnibusunternehmer ernst und sichern Sie die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Arbeitsplätze in unserem Lande! ({15})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Franziska EichstädtBohlig für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten nicht länger über die Frage diskutieren, ob die LKW-Fahrer und die Fuhrunternehmer zu Recht oder zu Unrecht protestiert haben und das Demonstrationsrecht missbraucht haben. Ich habe viel Verständnis für die wirtschaftlichen Probleme vieler kleiner Transportunternehmen, vor allem für die der Fuhrunternehmen in Ostdeutschland, die nach der Wende sehr viel Geld investiert haben, um überhaupt ihr Unternehmen aufbauen zu können. ({0}) Das eigentliche Problem ist eine harte Konkurrenzsituation, in der die großen Unternehmen versuchen, die kleinen durch Dumping vom Markt zu verdrängen. Eine ähnliche Situation gibt es auch in der Bauwirtschaft. Wir haben bereits im Rahmen der Steuerreform einen sehr wichtigen Baustein beschlossen, um den kleinen Unternehmen wirklich zu helfen: Die kleinen Unternehmen werden im Rahmen der Unternehmensteuerreform durch die Möglichkeit, sich die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anrechnen zu lassen, ab Januar kommenden Jahres steuerlich deutlich entlastet. ({1}) - Wenn Sie das nicht ernst nehmen wollen, dann ist das Ihr Problem. Ich weise nur darauf hin, dass die Regierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen auch solche Bausteine schon längst auf den Weg gebracht haben, die Sie nur nicht in Rechnung stellen wollen. ({2}) Ich muss auch ganz deutlich sagen: Die Probleme, die die LKW-Unternehmen - wie gesagt: die kleinen, nicht die großen - heute haben, sind das Ergebnis von jahrelang vorgenommenen falschen politischen Weichenstellungen, die diejenigen zu verantworten haben, die heute die Sorgen der LKW-Unternehmen instrumentalisieren wollen. Sie, Ihre beiden Fraktionen, haben das zu verantworten. Ich finde, es ist ein ganz gefährlicher Populismus, wenn man erst die Probleme schafft und hinterher fragt: Warum könnt ihr diese Probleme nicht innerhalb von Stunden aus der Welt schaffen? ({3}) Wir müssen doch ganz eindeutig sehen: Der Güterverkehr auf der Straße macht heute 80 Prozent des gesamten Güterverkehrsaufkommens aus. 7,2 Prozent entfallen auf den Luftverkehr, nur noch 6,8 Prozent auf die Bahn und 5,4 Prozent finden per Schiff statt. Eine solche Ungleichheit ist bedrohlich. Wenn es mit dem LKW-Verkehr so wie bisher weitergeht, dann werden diese Zustände vor dem Brandenburger Tor normal sein. Das kann doch nicht Ihr Ziel sein. Ich bitte Sie ernsthaft, eine verantwortliche Politik zu betreiben. ({4}) Ihr Problem ist, dass Sie die Straße jahrelang bevorzugt und Investitionen in die Bahn aufgeschoben haben. ({5}) Wir müssen das heute ausbaden. Ein Problem des Güterverkehrs ist die Ungleichheit zwischen Bahn und Straße hinsichtlich der Kostenlast. Die LKW-Vignette macht 2 500 DM im Jahr aus. Damit kann gerade einmal ein Güterwagen der Bahn von Hamburg nach Frankfurt fahren, weil die Trassenpreise voll auf dem Güterverkehr der Bahn lasten. Dies verdeutlicht die Ungleichheit zwischen Bahn und LKW. Die Bundesregierung und die Koalition werden diese Ungleichheit schrittweise austarieren und ins Lot bringen, nachdem Sie jahrelang eine falsche Richtung eingeschlagen haben. Ein zentrales Problem - mehrere Kollegen haben es schon vor mir angesprochen - ist das europaweite Lohnund Sozialdumping. Wir brauchen eine europäische Fahrerlizenz - es freut mich, dass das von Ihrer Seite unterstützt wird; auch der Kanzler hat entsprechende Ankündigungen gemacht; wir halten das für einen zentralen Punkt -, in der soziale Mindeststandards für alle, die durch Deutschland fahren, ganz klar festgehalten sind. Das ist genauso wichtig wie die LKW-Maut, damit Europa auf einem sozialen Regelwerk aufbauen kann. Diese Harmonisierung brauchen wir als Allererstes. ({6}) Die von Ihnen angestrebte Harmonisierung in Richtung Subventionsdumping nach unten - Sie haben eben ungefähr gesagt, wenn wir sämtliche Steuern streichen, dann braucht demnächst niemand mehr Preise zu zahlen, weil nichts mehr etwas kostet - ist ein Traum von Marktwirtschaft, den ich ganz sensationell finde. ({7}) - Doch, das wurde hier am Rande erklärt. - Bisher hatte ich es so verstanden, dass Sie eine Harmonisierung in die andere Richtung wollen. Ich dachte, dass Sie eine Ökosteuer vor dem Hintergrund einer europäischen Harmonisierung sehr wohl für sinnvoll halten. Aber jetzt versprechen Sie den Bürgern, den LKW-Fahrern und den LKW-Fuhrunternehmern das Gegenteil. Sie argumentieren hier nicht fair. Uns werfen Sie vor, unsere Ökosteuer sei noch nicht treffsicher und ökologisch genug, ihre Lenkungswirkung reiche noch nicht aus. Sie behaupten, Sie könnten alles viel ökologischer und besser. Gleichzeitig erklären Sie den Betroffenen in der Öffentlichkeit, Sie seien dafür, die Ökosteuer komplett abzuschaffen. Sie spielen mit gezinkten Karten. Ich fordere Sie auf, den Bürgern und den LKW-Fuhrunternehmen reinen Wein einzuschenken, damit sie sehr genau wissen: Das Klima wird sich nur verbessern, wenn wir auf eine Ökosteuer setzen und den zweiten Schritt, die europäische Harmonisierung der Ökosteuer, vorantreiben. Wir dürfen nicht in die umgekehrte Richtung gehen. ({8}) Last not least: Wir wissen sehr genau, dass sich unsere Regierung und unser Verkehrsminister sehr wohl für eine europäische Harmonisierung der Steuern und Abgaben - inklusive Ökosteuer - einsetzen. Mit falschen populistischen Versprechungen ist uns nicht geholfen. ({9})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Fischer, CDU/CSU-Fraktion.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem deutschen Transportgewerbe muss umgehend geholfen werden. Gewerbevertreter haben gesagt, dass sonst 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen das Jahresende nicht überleben werden. ({0}) Die gestrige Protestfahrt Tausender Lastwagen, Busse und Taxen zeigt, dass vielen Unternehmen das Wasser bereits bis zum Halse steht. Minister Klimmt hat heute im Ausschuss ein Bild völliger Hilflosigkeit geboten, und das in der tiefsten Existenzkrise unseres nationalen Transportgewerbes. Ich finde das Versagen des Ministers dramatisch. ({1}) Er hat rasche Hilfe durch die Sondersitzung des Verkehrsministerrates in der letzten Woche in Luxemburg angekündigt. Es ist ein völliger Fehlschlag geworden. Er hat dem Gewerbe kurzfristige Harmonisierungserfolge versprochen. Er hat versprochen zu verhindern, dass den Wettbewerbsländern Frankreich, Niederlande, Belgien und Italien Beihilfegenehmigungen der EU-Kommission erteilt werden. Nichts hat er erreicht. Der Bericht, der heute gegeben wurde, war deprimierend. Was geschieht demgegenüber? Die Straßenbenutzungsgebühr, also die Vignette, wird zum 1. Januar um 10 Prozent verteuert; das haben Sie heute beschlossen. Wir haben gesagt: Das passt jetzt unter keinen Umständen in die Landschaft, das ist das völlig falsche Signal. Sie haben sich darüber hinweggesetzt und gesagt: Sie wird verteuert. Sie erhöhen die Mineralölsteuer zum 1. Januar 2001 um weitere 7 Pfennig je Liter. Der Minister kündigt dem Gewerbe für 2003 eine Verfünffachung der Straßenbenutzungsgebühr an, um dem LKW wohl endgültig den Garaus zu machen. ({2}) Dann werden den Unternehmen zynischerweise KfWKredite bis 5 Millionen DM als Überbrückungshilfen angeboten. Das heißt also, Unternehmen, die bis unters Dach verschuldet sind und bei denen die Kosten-ErtragsSituation überhaupt nicht stimmt, sollen sich jetzt weiter verschulden. Dadurch wird die Lage nicht verbessert, sondern verschlimmert. Das Ergebnis ist also: Es wird nicht nur keine Hilfe gewährt, sondern es wird sogar eine Verschlimmerung der Krise betrieben. Rot-Grün macht die Betriebe kaputt, treibt deutsche Unternehmen ins Ausland, vernichtet Arbeitsplätze. Das ist der Skandal. ({3}) Ich habe in der Öffentlichkeit gesagt - ich wiederhole das -: Klimmts Programm ist ein Vernichtungsprogramm, nichts anderes. ({4}) - Die Wahrheit ist, Herr Schmidt: Sie und die Grünen Sie insbesondere - jubeln klammheimlich, weil Sie ohnehin den LKW fertig machen wollen, genau wie den Luftverkehr und den Transrapid. ({5}) Wo bleibt in dieser Lage Schröder? Was macht der Bundeskanzler à la Philipp Holzmann? Tony Blair, sein Vorbild, hat auf dem Labour-Parteitag in Brighton zu seiner Benzinsteuer gesagt - ich zitiere -: ... es ist kein Wunder, dass die Regierung eins auf den Deckel bekommen hat. ({6}) Ich übernehme die Verantwortung dafür. Wir haben Dinge getan, die die Leute wütend gemacht haben, und wir sollten so offen sein, das zuzugeben. Da ich kann ich nur sagen: Schröder, endlich ran! ({7}) Was macht Schröder? Er hat keine Einsichtsfähigkeit, sondern verteuert die Steuern auf Benzin in den nächsten drei Stufen der Ökosteuer um weitere 21 Pfennig je Liter. Am 6. September 1998, im Bundestagswahlkampf, hat er wörtlich gesagt: „Sechs Pfennig teurer, dann ist das Ende der Fahnenstange!“. Beim Bundeskanzler gilt das gebrochene Wort. ({8}) Durch diese Preisexplosion sind die Gesamtkosten der Taxiunternehmen innerhalb kürzester Zeit um 5 bis 10 Prozent gestiegen. Viele Kleinunternehmer haben schon aufgeben müssen. Fixkosten und Sozialabgaben lagen sowieso an der Schmerzgrenze. Das Fahrtenaufkommen ging zurück. Die Treibstoffpreiserhöhungen durch die Ökosteuer sind nicht mehr zu verkraften gewesen. ({9}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der SPD: Das rot-grüne Konzept ist gescheitert. Da helfen keine Reparaturen, sondern da hilft nur eines: Die Ökosteuer muss weg, ersatzlos! ({10}) Wenn Sie sie nicht abschaffen, werden Sie auch nicht mit kleiner Kosmetik, Herr Bodewig, die steuerlichen Bedingungen für einen fairen internationalen Wettbewerb in Europa schaffen können. Um uns herum wird konkret geholfen. Bei uns wird draufgesattelt, draufgesattelt, draufgesattelt. Das kann doch nicht gut gehen. Die Bundesregierung muss endlich zur Vernunft kommen. Andernfalls haben Sie politisch eine katastrophale Konkurswelle im Straßengüterverkehr zu verantworten. Wir werden Sie stellen und treiben. Sie kriegen keine Ruhe. Sie werden sich dieser Verantwortung draußen beim Bürger stellen müssen. Tony Blair hat erkannt: Die britischen Bürger sind wütend geworden. Der deutsche Bürger verhält sich noch relativ gelassen und manierlich. ({11}) Sie aber machen ihn mit Ihrer Beratungsresistenz und Ihren Wahrnehmungsdefiziten jeden Tag wütender. Wir werden als Opposition unsere Pflicht tun, nämlich zu artikulieren, was die Bürger berechtigterweise von dieser Regierung verlangen. ({12})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Kollegin Angelika Graf für die SPD-Fraktion.

Angelika Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002662, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Kollege Fischer, ich weiß nicht, warum Sie hier so herumschreien müssen. Ich glaube, das Thema bedarf einer vernünftigen und sachlichen Auseinandersetzung und nicht so vieler Emotionen. ({0}) Herr Oswald hat gesagt: Die Bundesregierung muss handeln. Ich darf Ihnen vielleicht ein paar Bereiche nennen, in denen die Bundesregierung bereits gehandelt hat. Wir haben nämlich nicht zugewartet, wie Sie es offensichtlich während Ihrer Regierungszeit gemacht haben. Die Tatsache, dass zumindest in der Vergangenheit viele produzierende Betriebe, die vorher selbst einen Fuhrpark unterhalten haben, ihre bisher fest angestellten Fahrer auf die Straße gesetzt bzw. outgesourct haben, sodass sie fortan als Einzelunternehmer tätig sein mussten, hat unter anderem zu Überkapazitäten und Wettbewerbsverzerrungen am Markt geführt. Diese Fahrer haben sich selbst ausgebeutet und haben damit eine Konkurrenz für viele mittelständische Betriebe dargestellt, die mit der auf Selbstausbeutung beruhenden Preisgestaltung der Kleinstbetriebe eben nicht haben mithalten können. Gegen diese Praxis hat die Bundesregierung 1999 das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit verabschiedet. Sie haben sich heftig dagegen gewehrt. Das war ein Gesetz für das Fuhrgewerbe. ({1}) Ein weiterer Punkt, der heute schon öfter angesprochen wurde, ist die Aufhebung des Kabotageverbotes 1998. Ich frage Sie: Warum haben Sie denn nicht, als damals die Aufhebung des Kabotageverbotes ausgehandelt wurde, Ihre Zustimmung davon abhängig gemacht, dass zugleich Harmonisierungsdefizite in diesem Bereich beseitigt werden? Warum haben Sie das nicht getan? ({2}) - Das Kabotageverbot ist, zu Ihrer Information, im Juli 1998 gefallen. Da waren wir noch nicht an der Regierung. ({3}) Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen, an dem ich genau zeigen kann, wieso es zu dieser Situation gekommen ist. Das ist das Problem der grauen bzw. illegalen Kabotage. Viele von Ihnen werden nicht wissen, worum es dabei geht; deswegen möchte ich es kurz erklären. Es ist die Praxis von Fuhrunternehmen, nicht nur einen Firmensitz im Inland bzw. im EU-Ausland zu haben, sondern auch einen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Auf Fahrzeugen, die im EU-Ausland zugelassen sind, lassen sie Fahrer aus diesen MOE-Staaten ohne die entsprechenden Arbeitspapiere unter ausbeuterischen Bedingungen fahren. Die Fahrer kommen als Touristen oder als Fahrer von MOE-Fahrzeugen nach Deutschland. Es lässt sich nicht kontrollieren, wie sie einreisen. ({4}) Das führt zu Problemen bei der Überwachung. Die Kontrolle dieser grauen Kabotage ist sehr schwierig. Wir haben festgestellt, dass es, selbst wenn ein Verstoß gegen das Ausländergesetz in diesem Zusammenhang festgestellt werden kann, immer nur den Fahrer und selten den Halter dieser Fahrzeuge trifft. Der Fahrer wird ausgewiesen, der Halter kann weiter fahren lassen. Viele der großen Fuhrunternehmen in unserem Land, die sich mehrere Firmensitze innerhalb und außerhalb der EU leisten können, machen deshalb von dieser Praxis Gebrauch und drücken damit kleine und mittelständische Unternehmen vom Markt. Die Branche kennt dieses Problem schon lange. Sie wissen das vielleicht auch. Der BGL war leider nicht imstande, auf die Mitglieder des eigenen Verbandes einzuwirken und diese Praxis zu unterbinden. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Regierung Kohl irgendetwas gegen diese Dinge unternommen hätte. Wenn Sie, Herr Oswald, jetzt sagen, wir sollten da endlich etwas unternehmen, muss ich Ihnen darauf antworten: Sie sind zu spät dran. Wir haben bereits etwas unternommen. Wir haben eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt ({5}) Dirk Fischer ({6}) und einen Antrag eingebracht, der Ihnen vorliegt. ({7}) Sie sollten sich vielleicht ein bisschen darüber informieren, wie die Situation wirklich aussieht. ({8}) Ihre Aufforderung, in diesem Sinne tätig zu werden, brauchen wir also nicht. Sie sehen, die Probleme des Fuhrgewerbes - ich führe viele Gespräche mit den Vertretern des Fuhrgewerbes werden von dieser Regierung aufgenommen; und das nicht erst seit gestern. ({9}) Ich bin sicher, dass die Besonnenen unter den Fuhrunternehmern und den Verbandsvertretern das wissen und die Probleme gemeinsam mit uns lösen. Mit Geschrei und Populismus - da bin ich mir ganz sicher - werden wir dieses Problems nicht Herr werden. Das bedeutet harte Arbeit; die haben Sie offensichtlich in der Vergangenheit nicht geleistet. ({10})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Elke Wülfing für die CDU/CSU-Fraktion.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Graf, Sie haben nach dem Motto argumentiert: Wenn es einem schon schlecht geht, dann hauen wir noch einmal drauf, damit er ganz am Boden liegt. ({0}) - Wollen Sie es sehen? Ich habe das geschrieben, als hier geredet wurde. Die Grünen sagen es genau andersherum - insofern ist diese Argumentation schizophren -: Je höher die Steuern, desto froher die Menschen. Irgendwie habe ich das Gefühl, Sie - gerade Herr Schmidt - sitzen immer noch auf einem Baum. ({1}) Dieser Baum steht auf einer einsamen Insel. Diese einsame Insel ist irgendwo im Ozean, aber nicht in dem harten europäischen und außereuropäischen Wettbewerb. ({2}) Herr Grewer, der Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, hat gestern sehr deutlich gemacht, dass 100 000 Arbeitsplätze im Transportgewerbe gefährdet sind, wenn die Steuer- und Sozialbelastung so bleibt und wenn der Subventionswettlauf in Europa so weitergeht. Er hat deutlich gemacht, dass ein Großteil der Betriebe rote Zahlen schreibt und nicht, wie Sie, Herr Schmidt, meinen, schwarze Zahlen. Wenn die nächste Stufe der Ökosteuer kommt, bedeutet das das Aus für viele kleine und mittlere Betriebe. Die Grünen und große Teile der SPD, die sich das Auto und den LKW zum Lieblingsfeind auserkoren haben, ({3}) glauben ja immer noch an die Mär, dass der Güterkraftverkehr auf die Schiene zu verlagern sei. Bei aller Liebe: Jeder vernünftige und realistische Mensch weiß doch, dass dafür überhaupt keine zusätzlichen Kapazitäten vorhanden sind. Die Steuer- und Sozialbelastung, der verschärfte Wettbewerb und vor allen Dingen der galoppierende Subventionswettlauf anderer europäischer Staaten haben deshalb nur eine Schwächung des deutschen Transportgewerbes zur Folge, nicht aber eine Verlagerung auf die Schiene. Das ist Illusion und das wissen Sie auch ganz genau. Die 17 Milliarden DM Sonderabgaben, die der deutsche Kraftverkehr zahlen muss, sind doppelt so hoch wie der Betrag, den der Bund für den Straßenbau ausgibt. Wenn sich da nichts ändert und Sie aus ideologischer Verbohrtheit immer noch etwas gegen Straßenbau haben - Straßenbau jetzt, heute, in dieser Situation -, werden wir im Baubereich 100 000 Arbeitsplätze zusätzlich verlieren. Sie sind jetzt schon am Schlingern; das wissen Sie ganz genau. ({4}) Ich gebe zu, dass ich als Münsterländerin auch sehr gerne mit dem Fahrrad fahre. ({5}) Aber ich mache wenigstens keine Strampelideologie daraus, wie Sie es tun. ({6}) Sie schaden mit Ihrer grünen oder rot-grünen - daran sind auch einige von der SPD beteiligt - Fahrradfahrerphilosophie dem Standort Deutschland und den Menschen. ({7}) Geben Sie doch endlich zu, dass Sie sich mit dieser blödsinnigen Ökosteuer verrannt haben. Sie wissen ganz genau, dass auch Herr Eichel überhaupt nichts von ihr hält. Sonst hätten die Grünen nicht zusammen mit Herrn Angelika Graf ({8}) Eichel darüber nachgedacht, ob die Ökosteuer für etwas anderes als für die Rente verwendet werde könnte. Eines wollen wir festhalten: Wenn Sie die Rentenreform so gelassen hätten, wie wir sie gemacht haben, wenn Sie den demographischen Faktor gelassen hätten, wie er war, ({9}) hätten Sie die Ökosteuer zur Finanzierung der Rentenversicherung überhaupt nicht gebraucht. ({10}) Sie machen zurzeit - das wissen Sie ganz genau und deswegen sind Sie so unsicher - auf fast allen politischen Feldern Fehler, wie das „Politbarometer“ deutlich ausweist: immerhin minus 9 Prozentpunkte von August bis September. Wenn ich mir vorstelle, mit welcher Kraftanstrengung wir während unserer Regierungszeit den Energiemarkt liberalisiert haben, ({11}) und wenn ich mir dann die jetzige Situation angucke, dann kommen mir wirklich die Tränen. ({12}) 50 Prozent der Preissenkungen, die durch die Liberalisierung des Energiemarktes erreicht werden konnten, sind jetzt durch die hohen Rohstoffpreise und die darauf liegenden Steuern und Sozialabgaben wieder aufgesogen worden. ({13}) Ein Kaufkraftentzug in Deutschland von 60 Milliarden DM bei einer Inflationsrate von inzwischen 2,4 Prozent - in Nordrhein-Westfalen liegt sie noch ein bisschen höher: 2,6 Prozent - führt dazu, dass das zarte Pflänzchen Binnenkonjunktur ({14}) auf diese Weise nicht nur nicht begossen - wie Sie es eigentlich tun sollten -, sondern mit Elefantenfüßen totgetrampelt wird. ({15}) Wie wollen Sie eigentlich Ihren immer weniger werdenden Wählern noch erklären, ({16}) dass Sie die Ökosteuer nur aus ideologischer Sturheit aufrechterhalten, gleichzeitig die Mehrwertsteuer als Windfall Profit mitnehmen und damit Hunderttausende Arbeitsplätze im Transportgewerbe, im Baugewerbe und in anderen Bereichen gefährden? Wie wollen Sie das Ihren Wählern erklären, die es bald nicht mehr gibt? ({17}) Ihre Ökosteuer hat ihre Lenkungswirkung verfehlt. Sie hat zusätzlich eine Wettbewerbsverzerrung im europäischen Transportgewerbe geschaffen, weil die versprochene Aufkommensneutralität für das deutsche Transportgewerbe bei weitem nicht erreicht wird. Sie haben es aber versprochen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Wülfing, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das mache ich; ich bin mit meiner Rede fast am Ende. ({0}) Ich denke, dass es vernünftig wäre, den LKW-Fahrern, den Omnibusunternehmen, den deutschen Automobilunternehmen, den Taxifahrern, dem Gartenbau, der Landwirtschaft, den Bauern und der ganzen Bevölkerung für diesen Winter Luft zu verschaffen. ({1}) Sie können dafür sorgen. Tun Sie es! ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Karin Rehbock-Zureich.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Kollegin Wülfing, das von Ihnen für Ihre gute Politik während Ihrer Regierungszeit angeführte Beispiel von der Liberalisierung auf dem Energiemarkt war ein Beispiel für eine Katastrophe. Diese Katastrophe hat sich ergeben, weil diese Liberalisierung nicht sinnvoll mit anderen Maßnahmen begleitet wurde. Die Folgen konnten wir Gott sei Dank 1998 noch auffangen. Genau diese Art von Katastrophe müssen wir jetzt verhindern, weil für den Markt des Transportgewerbes keine Harmonisierung stattgefunden hat. ({0}) Herr Kollege Fischer, Sie müssen es doch eigentlich besser wissen - Sie wissen es auch -: Das Fahraufkommen auf der Straße bezüglich der Transporte ist nicht gesunken. Im Gegenteil: Die Zahl der Transporte hat sich erhöht und wird sich weiter erhöhen. ({1}) - Sie sagten, die Zahl der Fahrten würde sinken. Dies ist absolut nicht der Fall. ({2}) Deswegen hat das Gewerbe einen Anspruch darauf, dass das Problem nicht in solchen Beiträgen behandelt wird, wie es meine Vorrednerin getan hat, sondern dass wir in angemessener Weise darüber diskutieren und dass wir die Sorgen ernst nehmen. Die Zahl der Fahrten hat zwar zugenommen, aber der einzelne Spediteur hat immer weniger davon. Hier ist doch ein Markt völlig aus den Fugen geraten. Sie aber instrumentalisieren die Ökosteuer, indem Sie sagen, Herr Friedrich: Die Spanier fahren 33 Prozent billiger. Wollen Sie diesen Zustand mit Abschaffung der Ökosteuer beseitigen? ({3}) Sie beklagen zu Recht diesen Zustand. Wir aber beklagen diesen Zustand nicht nur, sondern wir haben - die Kollegin hat es bereits ausgeführt - Initiativen ergriffen, um den Zustand zu beseitigen, dass Fahrer aus osteuropäischen Staaten für 2 DM die Stunde auf den Böcken sitzen und die Waren transportieren. Da wollen Sie uns doch nicht erzählen, dass dieser Zustand durch die Abschaffung der Ökosteuer beseitigt werden kann. ({4}) Wir müssen realistisch darüber diskutieren, wie wir diesem Gewerbe helfen können. ({5}) Die SPD hat mehrere Maßnahmen auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben den EU-Führerschein auf die europäische Tagesordnung gesetzt. Mithilfe dieses Führerscheins kann EU-weit festgestellt werden, welche Bedingungen die Fahrer einhalten müssen. ({6}) Der unfaire, ungleiche Wettbewerb innerhalb Deutschlands und innerhalb der EU macht die mittelständischen Unternehmen kaputt. ({7}) Wir müssen die Harmonisierung im Steuerbereich auf die Tagesordnung bringen. Sie haben es in den letzten 16 Jahren versäumt, den Abbau der Harmonisierungsdefizite voranzubringen; vielmehr haben Sie die Fahne der Liberalisierung hoch gehalten, allen voran die F.D.P., die heute am lautesten klagt. ({8}) Der Preisdruck der Firmen durch graue oder illegale Kabotage ist mit einer Ökosteuerbeseitigung nicht zu beenden; hierfür benötigen wir vielmehr einen fairen Wettbewerb in ganz Europa. Dies kriegen wir nur zustande, wenn wir europaweit Initiativen für eine Harmonisierung ergreifen. Sie haben auch darauf hingewiesen, Herr Kollege Oswald - ich schätze Sie sonst sehr; aber in dieser Aussage schätze ich Sie gar nicht, das will ich gleich vorausschicken -, dass es Zeit wird, europaweit den alpenquerenden Verkehr auf die Tagesordnung zu bringen. Wir haben dies längst getan. Es wird in Rücksprache mit dem BGL eine Lösung für den alpenquerenden Verkehr nach Österreich gefunden werden. Zweitens haben wir es in Angriff genommen - auch das ist eine wichtige Botschaft -, dass auch der alpenquerende Verkehr Richtung Schweiz - neue Alpentransversale - auf die Schiene gebracht werden kann. Deswegen wird - das hat der Minister bereits gesagt - auch das dritte bzw. vierte Gleis, das den Zulauf zu diesem alpenquerenden Verkehr auf deutscher Seite absichert, auf die Tagesordnung gebracht werden. ({9}) Dies wird mit einem Teil der zusätzlichen Milliarden bezahlt werden, die wir haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. - Es ist erstens erforderlich - wir sind dies angegangen -, die Harmonisierungsdefizite zu beseitigen. Zweitens benötigen wir dringend auch europaweit eine Energiepolitik, die sich auf Energieeffizienz, Energieeinsparung und neue Technologien auch im Verkehrsbereich gründet, ({0}) damit wir von der Abhängigkeit von den Mineralölkonzernen wegkommen. Dies sollte eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein, um dem Verkehrsgewerbe unter die Arme zu greifen. Vielen Dank. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es spricht jetzt der Kollege Georg Brunnhuber für die Fraktion der CDU/CSU.

Georg Brunnhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000284, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war schon sehr enttäuschend, was wir hier heute vonseiten der Regierung und der Regierungskoalition erlebt haben. ({0}) Wie wenig das Thema diese Regierung interessiert, wird auch daran deutlich: Hier sitzen zwei mit dem Schlaf kämpfende Staatssekretäre. Wo ist der Minister bei diesem wichtigen Thema? ({1}) Zusammenfassend kann man heute eines festhalten: Diese Regierung ist bei diesem Thema hilflos. Sie ist konzeptionslos und gegenüber den Betroffenen auch noch herzlos. Das muss man Ihnen ins Stammbuch schreiben. ({2}) Wie hilflos Sie sind, wird auch an Folgendem deutlich: Da reisen alle Verkehrsminister nach Brüssel und schwören, dass alle in Europa hart bleiben und gegenüber dem Gewerbe auf gar keinen Fall nachgeben. Kaum sind sie zu Hause, da sagen die Franzosen, die Belgier und die Niederländer: Es ist uns völlig wurscht, was wir da beschlossen haben. Runter mit dem Dieselpreis! Wir helfen dem Gewerbe. - Die Italiener ziehen nach. Unser Minister aber kommt heim und erklärt, er habe die Kommission gebeten zu prüfen, ob das rechtens ist. Liebe Freunde, das war das Geld, was die Reise nach Brüssel gekostet hat, nicht wert. ({3}) Da braucht man sich doch nicht zu wundern, dass die „Stuttgarter Zeitung“ heute die Äußerung eines Genossen aus der Regierung, der nicht genannt werden will, abdruckt: Unser Verkehrsminister ist der Berti Vogts der Politik. Dem kann man wirklich nur zustimmen. ({4}) Meine lieben Freunde, die Regierung ist konzeptionslos. ({5}) Heute hätten wir die Gelegenheit gehabt, zu hören, welche Konzepte diese Regierung wirklich hat. Vor kurzem haben wir im Fernsehen den Umweltminister gesehen, der grinsend erklärt hat, man solle halt weniger Gas geben. Heute sagt die Regierung: Wir haben eine Patentlösung; ab dem neuen Jahr erhalten alle, die Probleme haben, eventuell günstige Kredite von der KfW. Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 1. Januar brauchen sie keine Kredite mehr, weil die meisten von ihnen bis dahin pleite sind. ({6}) Das ist Ihre Politik, von der Sie glauben, dass das Gewerbe mit ihr zufrieden sein kann. Es geht hier um Zehntausende von Arbeitsplätzen und Existenzen. Ich kann nur sagen: Das sind Steine; das ist nicht das Brot, das die Leute brauchen. Sie haben absolut keine Konzeption. Sie versuchen, sich davonzustehlen in der Hoffnung, irgendwie werde es sich schon wieder geben. ({7}) Dieses Mal werden Sie Pech haben. Sie haben gestern Ihre Herzlosigkeit gezeigt. Ich frage Sie: Wo waren Sie, als zehntausend Menschen demonstriert haben? Da hätten Sie Ihre Politik, die doch so gut ist, verteidigen können. ({8}) Nein, feige haben Sie hinter diesen Mauern gehockt und zum Fenster hinausgeschaut. ({9}) Es gibt in dieser Regierung offensichtlich zweierlei Maß. Vor wenigen Jahren noch sind Sie Arm in Arm mit den streikenden Kumpeln durch die Bonner Bannmeile gezogen und haben Milliardensubventionen gefordert. Zu den demonstrierenden Arbeitnehmern des Philipp-Holzmann-Konzerns kam der Kanzler abends - natürlich medienwirksam - mit einigen 100 Millionen DM. Das Transportgewerbe braucht nur ein paar Millionen und Sie trauen sich nicht einmal, mit denen zu diskutieren. Da sieht man doch, wie schwach Ihre Argumente sind, sonst wären Sie mannhaft hingegangen und hätten Ihre idiotische Politik erklärt. ({10}) Wer wie Sie eine solche Politik weiterbetreibt, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Menschen noch wütender werden, weil Sie alle ihre Argumente nicht akzeptieren. Wer Politik so betreibt, dass am Schluss aus Wut Radikalität wird, der kann nicht die Opposition beschuldigen, weil sie solidarisch mit den Sorgen dieser Menschen ist. ({11}) Sie müssen das auf Ihre eigene Kappe nehmen. Sie haben zum ersten Mal in der Geschichte im Verkehrsgewerbe eine Situation herbeigeführt, die Ihnen am Schluss noch um die Ohren fliegen wird. ({12}) Sie haben ein Chaos angerichtet und Sie werden Sturm ernten. Das kann ich Ihnen garantieren. ({13})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde ist die Kollegin Margit Wetzel für die SPD-Fraktion.

Dr. Margrit Wetzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Herr Fischer, die Scheinheiligkeit, mit der Ihre Seite hier debattiert, ist nicht mehr zu überbieten. ({0}) Die Aktuelle Stunde hat einen aktuellen Anlass, nämlich die gestiegenen Mineralölpreise. Dafür gäbe es eine aktuelle Abhilfe: Die gesunkenen Preise für das Barrel Rohöl könnten sofort von den Mineralölkonzernen an die Verbraucher weitergegeben werden. ({1}) Alle Maßnahmen, die wir einleiten können, helfen nicht direkt. Ihre Debatte um die Ökosteuer ist scheinheilig, weil sie von den eigentlichen Problemen ablenkt; das ist der Punkt. Der BGL fordert zu Recht eine entfernungsabhängige Straßenbenutzungsgebühr, aber leider braucht es noch ungefähr zwei Jahre, bis wir tatsächlich die technischen Vorkehrungen treffen können, um dies umzusetzen. Warum? Wir brauchen diese Zeit, weil die ausländischen LKW an den Kosten, die sie hier verursachen, beteiligt werden sollen. Und warum brauchen wir noch zwei Jahre? - Wir brauchen zwei Jahre, weil Ihre Regierung keinerlei Vorarbeiten geleistet hat. Wir haben dies zehn Jahre vergeblich gefordert. ({2}) - Das ist nicht unwahr. Gucken Sie in die alten Protokolle! - Wir können den Betroffenen nicht mit einer Kurzfristmaßnahme helfen. Aber sehen wir uns doch einmal an, wer die Betroffenen sind. Das sind nicht die großen Speditionsketten, sondern - das ist mehrfach gesagt worden - die zehntausend kleinen und mittelständischen Unternehmen. Aber der Verdrängungswettbewerb, in dem sie sich befinden, die Wettbewerbsverzerrung, unter der sie existenziell leiden, - das nehmen wir ernst -, haben sich über Jahre aufgebaut. Das wissen Sie ganz genau. ({3}) Die Dieselpreise sind über die letzten Jahre in den europäischen Ländern immer unterschiedlich gewesen. Das Gleiche gilt für die Kraftfahrzeugsteuern, für die Abgaben und für die Lohnkosten. ({4}) - Sie haben in der Zeit die Mineralölsteuer angehoben. Erinnern Sie sich bitte einmal an den Anfang der 90erJahre. Damals folgten Ihren Steuererhöhungen Ausflaggungswellen. Wir haben Anfang der 90er-Jahre Standortdebatten zum Ausflaggen der Unternehmer geführt. Uns wurden damals in der Opposition exakt die gleichen Zahlen bezüglich der Steuerausfälle und der Kosten durch Arbeitslosigkeit vorgelegt, wie sie jetzt vorliegen. Das war genau die gleiche Diskussion. Damals, Anfang der 90er-Jahre, sind Dependancen in Portugal, in Luxemburg, in Holland und Belgien gegründet worden. Das war doch der Kern. ({5}) - Aber natürlich waren das Ausflaggungen. ({6}) Von da an hat der Verdrängungswettbewerb seinen Lauf genommen. Inzwischen haben wir täglich mehr als 100 000 gebietsfremde LKWs auf unseren Straßen. Vier Fünftel des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs kommen aus dem Ausland, mit ausländischen LKWs. ({7}) - Das ist kein Transitverkehr. ({8}) - Im Moment habe ich noch das Wort. - Die Spediteure verweisen doch zu Recht darauf, dass der Verkehr auf ausländische LKWs verlagert wird. Uns geht es um die 80 Prozent der Güterverkehrstransporte, die sich in Bereichen von unter 100 Kilometern abspielen. ({9}) - Das sind die, die wir keineswegs auf die Schiene verlagern können; das wissen wir auch, alle, die wir hier sind. Aber das sind die Transporte, die wir eben nicht an ausländische LKWs weitergeben wollen. Wenn Sie sich vielleicht noch einmal erinnern: Das Aushandeln der Kabotagefreiheit war die erste Amtshandlung des damaligen Verkehrsministers Wissmann. Und was brachte er als Trostpflästerchen mit? - Die Vignette. Wir hingegen hatten gehofft, dass wir endlich eine vernünftige Straßenbenutzungsgebühr bekommen. ({10}) Das alles scheinen Sie vergessen zu haben. Nichts ist kürzer als Ihr Gedächtnis, wenn es darum geht, hier scheinheilige Debatten zu führen. ({11}) - Wir waren nicht in Brüssel, Ihr Minister war in Brüssel. ({12}) Das Kernproblem ist das in der EU durch die Kabotagefreiheit bestehende Sozialdumping. Es ist bereits erklärt worden, weshalb dieses Sozialdumping besteht. Kein deutscher Spediteur kann mithalten, wenn auf einem anderen Bock zwei osteuropäische Fahrer für’n Appel und‘n Ei arbeiten, sich gegenseitig ablösen und dadurch rund um die Uhr fahren können. ({13}) Sie stehen so im Wettbewerb zu unseren kleinen Transportunternehmern. Es gibt also keine anderen Möglichkeiten als die hier bereits erwähnten. Die eine Möglichkeit besteht darin, sich in der EU stark zu machen, damit das Sozialdumping verhindert wird. Die EU-Fahrerlizenz ist mehrfach genannt worden. Auch das Güterkraftverkehrsgesetz ist erwähnt worden. Die zweite Möglichkeit ist, den wirtschaftlichen Vorteil, der durch diesen unlauteren Wettbewerb entsteht, zu kassieren. Wir brauchen hohe Bußgelder. Es kann nicht angehen, dass diejenigen, die etwas Illegales tun, auch noch einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch haben. ({14}) Das heißt, meines Erachtens müssten wir, wenn tatsächlich Missbräuche entdeckt werden, die LKWs so lange festsetzen, bis endlich ein legaler Fahrer da ist. Das merken die Unternehmer dann schon. Ich meine aber auch, dass die kleinen Unternehmen sich ein bisschen selbst helfen müssen, indem sie gemeinsam stärker auftreten; denn sie sollen in diesem Markt, der ja expandiert, bestehen. Das heißt, sie müssen die Vorteile nutzen können, die für die großen Unternehmen selbstverständlich sind: Logistik, Vermeidung von Leerfahrten, Internet. Sie müssen zu dem, was es allein in diesem Bereich an neuem Handel gibt, Zugang haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen kleinen Unternehmen kurzfristig die Möglichkeit geben, ihre Liquiditätsengpässe zu überwinden, bis unsere Maßnahmen greifen. Anders geht es nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, auch Sie muss ich ermahnen. Bitte denken Sie an Ihre Redezeit.

Dr. Margrit Wetzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mein letzter Satz: 50 Prozent der Transportunternehmer haben kein Eigenkapital mehr. Das müssen wir ernst nehmen, weil sie bei jedem Rating durchfallen würden. Deshalb ist es nicht zu unterschätzen, dass sich der Verkehrsminister dafür einsetzt, dass die KfW diese Liquiditätsengpässe durch das Mittelstandsförderungsprogramm beseitigt. Das ist das Beste, was wir im Moment machen können. ({0}) Außerdem wünsche ich mir, dass unsere Regierung in Europa ordentlich mit der Faust auf den Tisch haut, damit den Transportunternehmern endlich geholfen wird; denn die Folgen, die wir jetzt auszubaden haben, haben Sie verursacht. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28. September 2000, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.