Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/4/1998

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Die Sitzung ist eröffnet. Bevor ich den ersten Punkt unserer heutigen Tagesordnung aufrufe, teile ich mit, daß von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. Anträge zur Absetzung von Tagesordnungspunkt 8, Steuerentlastungsgesetz, sowie zur Herbeirufung des Bundesministers der Finanzen zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegen bzw. angekündigt sind. Das Wort zur Geschäftsordnung hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Hans-Peter Repnik.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beantragen die Absetzung des Tagesordnungspunktes Steuerreform für heute, weil wir das Chaos mit dem Steuerbelastungsprogramm dieser Regierung leid sind. ({0}) Wir beantragen Absetzung, weil die Regierung in ihrer Mischung aus Machttrunkenheit und Dilettantismus die parlamentarischen Verfahren nicht mehr respektiert. ({1}) Wir beantragen Absetzung, weil der Bundesfinanzminister sich persönlich vor diesem Haus für das Chaos verantworten soll, das er angerichtet hat. ({2}) Meine Damen und Herren der Koalition, Sie wollten eine hektisch schnelle Beratung Ihrer unausgegorenen Entwürfe heute. Sie hätten sie auch bekommen, wenn Sie, wie es die Geschäftsordnung vorsieht, einen Deckungsvorschlag für die Ausfälle unterbreitet hätten. Sie hätten auf einen Deckungsvorschlag verzichten können, wenn Sie die Familien wirklich, wie Sie behaupten, hätten entlasten wollen. Sie hätten einen Deckungsvorschlag machen und ehrlich sagen können, daß Ihre Steuerpolitik in Tat und Wahrheit die Menschen belastet. ({3}) Sie hätten die Karten auf den Tisch legen und sagen können: Mit diesen Gesetzen belasten wir euch, um das Kindergeld bezahlen zu können. ({4}) Doch Sie tun nichts davon. Sie tun so, als hätten Sie den Bundeshaushalt im Griff und als sei alles ausgeglichen und schön. Wer genau hinsieht, stellt fest, daß Sie Defizite mit Defiziten decken und Löcher mit Löchern stopfen wollen. ({5}) Den Beweis dafür, daß es sich hier nicht um eine oppositionelle Willkür handelt, hat die Beratung des Haushaltsausschusses vorgestern erbracht, als auf Antrag der Koalitionsfraktionen die Absetzung der Beratung beschlossen wurde. ({6}) Gestern hat der Haushaltsausschuß in einer Sondersitzung noch schnell eine Deckung nachgeschoben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe für meine Fraktion in einem Brief an den Bundestagspräsidenten gestern darauf hingewiesen, daß § 96 Abs. 8 Satz 2 zur Deckung nicht erfüllt ist und daß diese Dekkung auch nicht in der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses, die dem Hohen Haus vorliegt, ausreicht. Man kann nicht mit einem defizitären Gesetz einen Deckungsvorschlag machen. ({7}) Für den Fall, daß wir mit diesem Antrag nicht durchkommen, möchten wir hilfsweise die Anwesenheit des Bundesfinanzministers am heutigen Tag zitieren. Ich habe im Auftrag meiner Fraktion in dieser Woche den Herrn Bundesfinanzminister gebeten, heute bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs anwesend zu sein. ({8}) Wir haben deutlich gemacht und darauf hingewiesen, daß wir einer abschließenden Beratung dieses Gesetzentwurfes in diesem Jahr nicht im Wege stehen. Wir haben darauf hingewiesen, daß der Bundesratstermin am 18. Dezember dieses Jahres zur dortigen Beratung dieses Gesetzentwurfes eingehalten werden kann und daß das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 1999 in Kraft treten kann. Ich habe bis heute vom Bundesfinanzminister keine Antwort auf meinen Brief erhalten. ({9}) Deswegen stellen wir fest: Den Fahrplan Ihres Gesetzentwurfes stört es nicht, wenn Sie ihn uns nächste Woche vorlegen. Denken Sie noch einmal nach! Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Lassen Sie uns nächste Woche beraten! ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun der Kollege Wilhelm Schmidt, SPD-Fraktion.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ist es nun wieder, das Oppositionsgefühl, das uns die CDU/CSU hier vermitteln will ({0}) und das sich in diesem Hohen Hause seit Beginn dieser Wahlperiode nahezu ausschließlich in Geschäftsordnungsdebatten ausdrückt. ({1}) Wo bleiben eigentlich Ihre Sachanträge, Herr Schäuble? Einmal haben Sie uns über Ihren Antrag bezüglich der Rinderseuche BSE und der Aufhebung des Exportverbots von britischem Rindfleisch debattieren lassen und heute noch zu einer Aktuellen Stunde, sonst aber bisher nur zu Geschäftsordnungsfragen. Ich kann Ihnen sagen: Auf diese Geschäftsordnungsanträge können Sie jeweils die passenden Antworten bekommen. ({2}) Wir finden es übrigens besonders mißlich, daß Ihre Geschäftsordnungsmätzchen auch die Ausschüsse betreffen. Daß Kollege Roth gestern als Haushaltsausschußvorsitzender seine Funktion mißbraucht hat, hat sich hinreichend herumgesprochen. ({3}) Sie tun sich selbst und dem ganzen Hause damit überhaupt keinen Gefallen. Sie haben hier - um auf Ihren heutigen Antrag einzugehen - allerdings ein Verfahren gewählt, das bisher sehr selten vorgekommen ist, zumal in der Zeit, als Sie hier mit Ihrem Bundesfinanzminister Waigel an der Spitze ein Finanzchaos ohnegleichen angerichtet haben. ({4}) Ich erinnere mich sehr wohl, daß Sie in den Debatten über Ihre Steuerreformvorschläge und manch anderen Gesetzentwurf große Schwierigkeiten hatten, Dekkungsvorschläge nachzuweisen. Wir im Gegensatz dazu haben nicht nur gestern morgen, sondern auch vorher für den Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes, über den hier beraten werden soll, eine nicht nur ausreichende, sondern auch klare und sehr nachvollziehbare Deckung vorgelegt. Sie sollten den Gesetzentwurf einfach einmal lesen. Sie sind offensichtlich nicht einmal in der Lage, ihn richtig durchzustudieren. § 96 der Geschäftsordnung hier zu strapazieren ist also völlig unsinnig. ({5}) Ich stelle deswegen - vielleicht gehen ja andere Redner meiner Partei noch auf weitere Details ein - ebenso wie der Haushaltsausschuß gestern morgen für die SPDFraktion und für die Fraktion der Grünen hier im Hause fest, daß wir die Finanzdeckung für die von der Koalition im Steuerentlastungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen nachgewiesen haben. Ich will Sie auf den Beschluß des Haushaltsausschusses hinweisen, Herr Repnik. Ich weiß gar nicht, warum Sie noch detailliertere Hinweise benötigen. Auf drei eng beschriebenen Seiten - übrigens mit den Unterschriften auch Ihres Berichterstatters versehen ({6}) wird nachgewiesen, daß eine Deckung in vollem Umfange vorhanden ist. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen. ({7}) Nun komme ich noch kurz auf die Präsenzpflicht zu sprechen, die Sie dem Bundesfinanzminister aufdrücken möchten. Sie wissen ganz genau, daß der Bundesfinanzminister seine Reise nach Washington und nach Kanada schon wegen der ersten Debatte zu diesem Gesetzentwurf verschoben hat, weil wir ihn damals gebeten hatten, anwesend zu sein. ({8}) Von daher sollten Sie Ihren Antrag nicht in dieser Art und Weise auf die Spitze treiben. Das Entscheidende aber, was wir Ihnen vorwerfen wir haben uns darüber in den Vorbesprechungen ausgetauscht -, akzeptieren Sie offensichtlich nicht, und zwar wieder unter Benutzung von Geschäftsordnungstricks, nämlich die Tatsache, daß Sie diese Debatte gestern mit uns hätten führen können - das aber wollten Sie nicht -, indem Sie auf Ihre Fristeinrede verzichtet hätten; es ging um einen Tag. Dann nämlich hätten wir diese Debatte nicht erst nächste Woche geführt, wie Sie es wünschen, sondern schon gestern. Das hätten wir gemeinsam machen können. ({9}) Also auch hier Mätzchen, diesmal unter Verwendung des § 42 der Geschäftsordnung! Wir können ja dafür sorgen, daß der Finanzminister das nächste Schiff nimmt, um an dieser Debatte teilzunehmen. Ich will dies aber nicht ins Lächerliche ziehen. Ich finde es schon schlimm, wie Sie hier mit den Dingen umgehen, die wir in den Vorbesprechungen der Geschäftsführer ausreichend beraten haben. Von daher kann ich nur sagen: Wir lehnen beide Anträge ab, punktum. Und dabei bleibt es. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun die Kollegin Kristin Heyne, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Kristin Heyne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002676, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Repnik, ich denke, als Finanzpolitiker sollten Sie angesichts dieser Unsinnsdebatte, die wir hier führen, eigentlich doch ein bißchen rot werden. ({0}) Sie sprechen gegen jeden finanzpolitischen Sachverstand. ({1}) Herr Kollege, Sie wissen genau, daß mit dem vorliegenden Finanztableau selbstverständlich die Deckung für diesen Gesetzentwurf gegeben ist. Gerade F.D.P. und Union sind in ihrem Steuermodell von einem wesentlich höheren Selbstfinanzierungsanteil ausgegangen. Wir haben ganz bewußt die Selbstfinanzierungselemente deutlich geringer gehalten, damit es keine weiteren Riesenlöcher in den ohnehin schon sehr überlasteten Haushalten gibt. ({2}) Die Frage, in welchem Maße diese Reform eine Selbstfinanzierung beinhaltet, ist nun wahrlich keine Frage der Geschäftsordnung, sondern eine Frage der wirtschaftspolitischen Orientierung. Die vorgelegte Steuerreform hat eine ausgewogene Mischung von Nachfrage- und Angebotselementen. Deswegen ist sie mit Sicherheit seriös finanziert. ({3}) Meine Damen und Herren von der CDU/CSU und von der F.D.P., ich denke, es ist an der Zeit, daß Sie zur Kenntnis nehmen, daß Ihr Steuerentwurf, daß die Petersberger Beschlüsse nicht Realität werden. Vielmehr wird die große Steuerreform der rotgrünen Koalition in die Wirklichkeit umgesetzt. ({4}) Wir werden damit am 1. Januar 1999 beginnen. Das haben die Wählerinnen und Wähler so entschieden. ({5}) Wir haben hier in der vergangenen Sitzungswoche eine ausführliche Debatte über die vorgelegte große Steuerreform geführt und werden diese in Anhörungen und Ausschußdiskussionen fortsetzen. Worüber wir heute entscheiden, ist lediglich der Vorläufer, lediglich der kleine Teil der Reform, der zum 1. Januar 1999 in Kraft tritt. Wir sollten diese Beratung aus Rücksicht gegenüber den Gremien des Bundesrates heute abschließen, damit der Finanzausschuß des Bundesrates in der nächsten Woche darüber entscheiden kann. Ich denke, es ist gleichzeitig im Interesse aller Mitglieder dieses Hauses, daß die guten Kontakte und die enge Zusammenarbeit mit den nordatlantischen Partnern und Freunden von der neuen Regierung fortgesetzt werden. ({6}) Es ist ein gutes Zeichen, wenn auch im Bereich der Finanzpolitik die gemeinsame Arbeit noch im Wahljahr beginnt. Deswegen sollten wir die Reise des Finanzministers gemeinsam begrüßen. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun der Kollege Carl-Ludwig Thiele, F.D.P. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir treten dem Antrag der Union bei. ({0}) Zusätzlich beantragen wir, vor Eintritt in die Debatte zum Tagesordnungspunkt 8 durch den Deutschen Bundestag beschließen zu lassen, daß der Bundesminister der Finanzen bei der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt hier im Deutschen Bundestag anwesend ist. ({1}) Wilhelm Schmidt ({2}) Die ganze Welt unterhält sich über Ihr unmögliches Steuerkonzept. Herr Lafontaine sieht die Notwendigkeit, das Konzept in Amerika zu erklären. Wir wollen, daß die Debatte hier im Deutschen Bundestag, vor der deutschen Öffentlichkeit, stattfindet. ({3}) Von den Koalitionsfraktionen selbst, aber auch vom Bundesfinanzminister ist dieses heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz als bedeutsam bezeichnet worden. Derselbe Bundesfinanzminister, der mit der Regierung, der er angehört, bestimmt, daß die Debatte heute stattfindet, hat überhaupt keine Probleme, sich an demselben Tag einen Termin in Amerika selbst so zurechtzulegen, daß er sicherstellt, in dieser Debatte hier nicht anwesend zu sein. Das ist Fahnenflucht vor dem eigenen Gesetz. ({4}) Die F.D.P. hält diesen Vorgang für eine Mißachtung des Parlamentes. ({5}) Wenn Finanzminister Lafontaine Ihre Fraktion gelegentlich nur über die Presse oder unzureichend informiert, dann ist das Ihre Sache. Wenn er aber im Deutschen Bundestag bei einer solchen Debatte nicht anwesend ist, dann ist das eine Angelegenheit, die im Deutschen Bundestag diskutiert werden muß und die sich der Deutsche Bundestag nicht bieten lassen darf. ({6}) Ich will ja gar nicht behaupten, daß die Reise von Finanzminister Lafontaine nach Amerika eine Lustreise ist. ({7}) Sie können aber nicht behaupten, daß dieser Termin heute eine zwingende Verpflichtung war. Wenn es ein internationaler Termin gewesen wäre, hätten wir dafür Verständnis gehabt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sein amerikanischer Kollege Rubin, mit dem er heute zusammentreffen wird, eine ähnliche Mißachtung des amerikanischen Kongresses auch nur in Erwägung gezogen, geschweige denn wahrgenommen hätte. ({8}) Die F.D.P. bestreitet auch nicht, daß gerade für diesen Finanzminister ein Bildungsbesuch in den Vereinigten Staaten von hohem Nutzen sein kann - vor allem wenn er zuhören würde. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von gestern folgend können hohe Regierungsbeamte der Vereinigten Staaten eine gewisse Frustration angesichts Lafontaines Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht verbergen. Ich muß Ihnen gestehen: Das geht auch uns so. ({9}) Es heißt dort weiter, daß viele seiner Ideen ausprobiert und von der gesamten Welt als unbrauchbar ausrangiert worden seien. So geht auch aus Reden von Minister Rubin klar hervor, ({10}) daß die Amerikaner weder etwas von Zielzonen -

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Thiele, wir sind in der Geschäftsordnungsdebatte. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich begründe den Antrag der F.D.P.-Fraktion, warum der Finanzminister hier erscheinen soll. Und diese Begründung werde ich diesem Hause weiter abgeben. ({0}) Minister Rubin hat klar erklärt, daß er weder etwas von Zielzonen, von Wechselkursen noch von Kontrollen der Finanzmärkte hält. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten haben die Pläne allgemeine Enttäuschung hervorgerufen. Deshalb muß er der Debatte

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Thiele - Carl-Ludwig Thiele ({0}): - hier im Deutschen Bundestag folgen und darf nicht nach Amerika gehen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Thiele, ich darf mir noch einmal erlauben, Sie daran zu erinnern, daß wir nicht in der Sachdebatte sind, sondern Sie verpflichtet sind, nur zu Geschäftsordnungsanträgen zu sprechen, nicht aber zu inhaltlichen Fragen. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Ihre Redezeit nicht von der meinen abgeht. ({0}) Ich bin schon der Auffassung, daß die deutsche Öffentlichkeit erfahren soll, warum Finanzminister Lafontaine hier im Deutschen Bundestag erscheinen soll ({1}) und warum es ein unzumutbarer Vorgang ist, daß er in den Vereinigten Staaten seinen privaten Termin wahrnimmt, anstatt hier im Deutschen Bundestag Rede und Antwort zu stehen. ({2}) Wir alle wissen, daß Oskar Lafontaine missionarischen Eifer hat. Jetzt bricht er, nachdem er in Deutschland die Neue Mitte sucht, in die Neue Welt auf, um die dortigen Einwohner von seinen Lehren zu überzeugen. Das halten wir nicht für richtig. Die Debatte muß hier geführt werden. Sie muß in Anwesenheit des Finanzministers geführt werden. Wenn Sie als ehemalige Oppositionsparteien noch ein Minimum an parlamentarischem Gefühl haben, dann bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun die Kollegin Barbara Höll, PDS-Fraktion. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe jetzt das Wort, wenn es gestattet ist. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als PDS-Fraktion werden die Anträge von CDU/CSU und F.D.P. ablehnen, ({0}) weil wir in der Sache diskutieren. Ich glaube, das unterscheidet uns wesentlich von dem, was ich bisher im Haus gehört habe. ({1}) Es geht in der heutigen Debatte darum, sicherzustellen, daß das Kindergeld tatsächlich zum 1. Januar 1999 auf 250 DM für alle ersten und zweiten Kinder erhöht wird. ({2}) Es geht darum, sicherzustellen, daß der Grundfreibetrag erhöht und der Eingangssteuersatz gesenkt wird. Aber: Ich muß natürlich in die Richtung der Koalition sagen, daß im Beratungsverlauf einiges sehr zu wünschen übrig ließ. Ich glaube aber, die rechte Seite, die hier sehr auf den Pudding klopft, sollte ruhig sein; denn gerade bei den Steuergesetzen haben wir in den letzten vier Jahren eine Kontinuität von Unsinn und schlechtem handwerklichen Arbeiten erlebt. ({3}) Ich möchte darauf hinweisen, daß wir im Haus im Einvernehmen angefangen haben, diese Debatte schnell zu einem Ende zu bringen. Wir haben auch hingenommen, daß uns von der Koalition nicht alles sachgerecht vorgelegt wurde. Worüber reden wir eigentlich beim sogenannten Vorläufer? Es hatte schon eine gewisse Pikanterie, als ich am Mittwoch nachmittag die einzige Abgeordnete im Haushaltsausschuß war, die tatsächlich darüber informiert war, daß es inzwischen einen Vorläufer 1 und 2 gibt. Das hat zu dem Fehler von Herrn Metzger geführt und war vielleicht auch der auslösende Faktor, daß Sie jetzt bessere Koalitionsabstimmungen vornehmen. So hat die PDS bereits Wirkung gezeigt, aber sei es drum. ({4}) Inhaltlich ist es notwendig, heute den Vorläufer 1 abzuschließen. Wir werden über die Gegenfinanzierung insgesamt sprechen. Das, was zur Gegenfinanzierung des Vorläufers 1 an Vorschlägen vorliegt, ist ausreichend und genügt für die heutige Debatte. Deshalb meinen wir: Verbessern Sie als Koalition Ihre Arbeitsweise, arbeiten Sie handwerklich sauber, geben Sie allen im Haus die Sicherheit, daß Sie fair vorgehen, und erinnern Sie sich von CDU/CSU und F.D.P. noch einmal daran, wie Sie in den letzten vier Jahren gearbeitet haben, bevor Sie hier auf den Pudding klopfen. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag auf Absetzung von Tagesordnungspunkt 8 - Steuerentlastungsgesetz - von der Tagesordnung. Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dagegen? ({0}) Enthaltungen? - Es gibt keine Enthaltungen, damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion abgelehnt. ({1}) Ich gehe davon aus, daß sich der Antrag auf Herbeirufung des Bundesministers der Finanzen auch auf Tagesordnungspunkt 8 bezieht und schon jetzt zur Abstimmung gestellt werden soll. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Damit ist der Antrag mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt. ({2}) Ich rufe damit den Tagesordnungspunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einCarl-Ludwig Thiele gebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - Drucksache 14/23 ({3}) a) Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses ({4}) - Drucksache 14/125 Berichterstattung: Abgeordnete Gisela Frick Dr. Barbara Höll Klaus Wolfgang Müller ({5}) b) Erster Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 14/136 Berichterstattung: Abgeordnete Peter Jacoby Hans Georg Wagner Oswald Metzger Dr. Günter Rexrodt Dr. Uwe-Jens Rössel Dazu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der F.D.P. und der PDS vor. Die Fraktion der PDS hat außerdem einen Änderungsantrag eingebracht. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache die Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf sowie die Abstimmungen über die beiden Entschließungsanträge namentlich durchführen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Joachim Poß für die SPD-Fraktion.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ein verlorener Ausschußvorsitz für die Persönlichkeitsentwicklung bedeuten kann, konnten wir heute morgen am Kollegen Thiele beobachten. ({0}) Aber daß sich auch der Musterschüler von Herrn Schäuble, Herr Repnik, auf dieses Obstruktionsniveau begibt, damit konnte man nicht unbedingt rechnen, meine Damen und Herren. ({1}) Wir machen heute das, was Sie nie geschafft haben: Wir halten Wort. Und das wollen Sie verhindern. ({2}) Sie wollen verhindern, daß die Familien mit Kindern zum 1. Januar des nächsten Jahres endlich ein höheres Kindergeld erhalten. ({3}) Sie wollen mit Ihrem Obstruktionsverhalten verhindern, daß die Arbeitnehmer entlastet werden, die Sie über Jahre belastet haben. ({4}) Gott sei Dank haben Sie für all das seit dem 27. September keine Mehrheit mehr. Welch ein schönes Gefühl, meine Damen und Herren! ({5}) Wir haben Wort gehalten. Wir haben versprochen, eine grundlegende Steuerreform durchzuführen, die sozial gerecht und solide finanziert ist. ({6}) Wir wollten eine durchschnittlich verdienende Familie mit zwei Kindern um rund 2 500 DM im Jahr entlasten. ({7}) Daraus sind sogar 2 700 DM für das Jahr 2002 geworden. ({8}) Schon der Einstieg im Jahr 1999 macht 1 200 DM aus. Wir wollten die Investitionskraft der Unternehmen stärken und die Unternehmenssteuersätze senken. ({9}) Damit wird schon zum 1. Januar 1999 begonnen. Wir wollten die steuerliche Bemessungsgrundlage durch den Abbau von steuerlichen Vergünstigungen und Sonderregelungen verbreitern und dabei auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen bei der Gewinnermittlung an internationale Standards angleichen. Mit dem von uns vorgelegten Entwurf werden unsere Wahlkampfversprechen umgesetzt. ({10}) Im Unterschied zu der völlig unvollständigen Steuerreformkonzeption der alten Koalition wollen wir in drei Reformstufen - 1999, 2000, 2002 - eine Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von rund 57 Milliarden DM verwirklichen. Davon werden 42 Milliarden DM durch den Abbau von Steuervergünstigungen gegenfinanziert. Das haben Sie noch nie geschafft, meine Damen und Herren. ({11}) Damit nähern wir uns wieder dem Verfassungsgebot, das Sie in Ihrer Regierungszeit mißachtet haben: dem Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Präsident Wolfgang Thierse Die alte Bundesregierung hat das Steuerrecht wahrlich verwüstet. Jetzt ist es an der Zeit, die wahren Leistungsträger dieser Gesellschaft zu entlasten: Arbeitnehmer und Familien, aber auch den Mittelstand. ({12}) Es darf nicht so weitergehen, daß nur diese die Hauptlast der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu tragen haben. Wir dürfen nicht akzeptieren, daß Krankenschwestern, Handwerker, Industriefacharbeiter und Ingenieure weiter die Lastesel der Nation sind. ({13}) Wir machen nun endlich Ernst mit dem, was den Arbeitnehmern und Familien über mehr als eineinhalb Jahrzehnte versprochen, aber von der alten Bundesregierung nie eingelöst wurde: Wir sorgen dafür, daß die normal verdienenden Arbeitnehmer und ihre Familien nachhaltig steuerlich entlastet werden. Damit fangen wir jetzt an. Deshalb sollten die Spezialisten für Steuer- und Abgabenerhöhungen aus CDU, CSU und F.D.P. nicht so großmäulig auftreten, wie sie es hier gestern oder heute morgen getan haben. ({14}) Daß die Regierungskoalition nicht einmal sieben Wochen nach der Bundestagswahl und bereits einen Tag nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers eines unserer wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode eingebracht hat, ist eine große Leistung. ({15}) Sie belegt, wie entschlossen und zielstrebig die neue Regierungskoalition die politischen Aufgaben bewältigt. Anders als bei Ihren Steuerreformgesetzen wurden die Belange des Mittelstandes und der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen bei den Entscheidungen über die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage besonders berücksichtigt. Durch die Struktur der Gegenfinanzierung wird das in den letzten Jahren vernachlässigte Prinzip der individuellen Leistungsfähigkeit und damit der Gerechtigkeit bei der Steuerlastverteilung wieder gestärkt. ({16}) Der Gesetzentwurf verzichtet daher auf die steuerliche Belastung von Rentnern und Arbeitslosen, die Sie wollten. ({17}) Die durch die Kohl-Regierung geplante Besteuerung der Lohnersatzleistungen und Renten gibt es in unserem Entwurf nicht. Im Unterschied zu den Petersberger Beschlüssen der alten Regierung wird auch die volle Besteuerung der Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit nicht herbeigeführt. Dagegen werden beispielsweise durch die Mindestbesteuerung von negativen Einkommen etwa im Rahmen von Sonderabschreibungen auf Mietobjekte bisherige Steuerschlupflöcher gestopft. ({18}) Das Steuerentlastungsgesetz ist auch mittelstandsfreundlich ausgerichtet. ({19}) Die mittelständische Wirtschaft wird einerseits durch Tarifsenkungen und die Senkung des Arbeitgeberbeitrags zur Sozialversicherung entlastet. Der Einschränkung steuerlicher Sonderregelungen fallen nicht die Regelungen zum Opfer, die Direkt-Investitionen begünstigen. Hervorzuheben ist, daß die unternehmerischen Verluste weiterhin voll verrechenbar bleiben, daß der Verlustvortrag für aktive Einkünfte aus Unternehmertätigkeit voll erhalten bleibt, daß der Verlustrücktrag bis Ende 2000 für Verluste bis 2 Millionen DM beibehalten wird. Das müssen auch die Wirtschaftsverbände einmal zur Kenntnis nehmen, die in den letzten Wochen Oppositionspropaganda gemacht haben. ({20}) Es ist weiter hervorzuheben, daß die steuerfreie Wiederanlage von Gewinnen aus dem Verkauf von betrieblichen Grundstücken und Gebäuden bei Betriebsverlagerung erhalten bleibt, daß Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe bis Ende 2000 unverändert erhalten bleiben - für Existenzgründer auch darüber hinaus - und schließlich, daß die degressive Absetzung für Abnutzung im Interesse der investierenden mittelständischen Wirtschaft unverändert beibehalten wird. ({21}) Ihr Vorwurf, der Mittelstand würde nicht ausreichend begünstigt, ist also heuchlerisch; denn die Kluft in der Steuerlast zwischen der mittelständischen Wirtschaft einerseits und der exportierenden Großwirtschaft andererseits besteht doch nicht erst seit heute. Diese Kluft in der Besteuerung ist im Laufe des letzten Jahrzehnts immer größer geworden; sie ist die Erblast von Kohl und Waigel und all der F.D.P.-Wirtschaftsminister. ({22}) Wer diese Kluft heute anklagt, beklagt sein eigenes Versagen, meine Damen und Herren von der Opposition. ({23}) Der Vorwurf ist auch deshalb falsch, weil die von den Verbänden geltend gemachten Belastungen größtenteils nur auf Einmaleffekten oder auf vorgezogenen Steuerbelastungen beruhen, die später auslaufen. Die Tarifentlastungen haben dagegen eine sich Jahr für Jahr wiederholende Dauerwirkung. Eine ökonomisch zutreffende Finanzierungsrechnung über einen mehrjährigen Zeitraum ergibt auch in den Fällen eine Besserstellung, bei denen anfänglich Mehrbelastungen zu verzeichnen waren. Im übrigen muß ich hervorheben, daß die von uns vorgesehene weitere erhebliche Absenkung der Unternehmensteuersätze auf 35 Prozent zu den Entlastungen für die Unternehmen noch hinzuzurechnen ist. Vergleicht man den Katalog der jetzt heftig kritisierten Einzelmaßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage im Unternehmensbereich mit den geplanten Regelungen der früheren Regierung, so zeigt sich eine breite Übereinstimmung. Vieles von dem, was jetzt Wirtschaftsverbände und Opposition in Schaufensterreden kritisieren, war fester Bestandteil der Gesetzentwürfe von CDU/CSU und F.D.P. Da gibt es keinen Unterschied zu uns. Der Unterschied besteht darin, daß dies heute öffentlich anders begleitet wird, als es zu Ihrer Regierungszeit der Fall war. ({24}) Schließlich: Auch bei Ihnen hätte es zu einem Vorziehen von Steuerbelastungen geführt, wenn Sie Ihre Pläne umgesetzt hätten. Noch am 9. September hat der Parlamentarische Staatssekretär von Herrn Waigel ausgeführt, daß bei einer Aufteilung der von der alten Koalition vorgesehenen Nettoentlastung von 33,7 Milliarden DM im Entstehungsjahr etwa 30,9 Milliarden DM auf die privaten Haushalte und auf den Unternehmensbereich 2,8 Milliarden DM entfallen. Denn in mittelfristiger Betrachtung werden die Unternehmen in Folge der unterschiedlichen zeitlichen Wirksamkeit von Tarifsenkungen und Gegenfinanzierungsmaßnahmen teilweise erheblich stärker entlastet, als es in den Rechnungen nach Entstehungsjahr zum Ausdruck kommt. Das heißt, wer niedrigere Steuersätze will, der muß steuerliche Sonderregelungen abbauen. Die Absenkung der Steuersätze erhöht die Attraktivität unseres Standortes. ({25}) Daß wir die Steuersätze jetzt nicht noch weiter abbauen können, Herr Altbundeskanzler Kohl, das hat damit zu tun, daß der neben Ihnen sitzende Herr Waigel etwas nicht geschafft hat, was jede gute Regierung schaffen müßte: Sie haben keine Vorsorge getroffen, Herr Waigel, für weitergehende Steuersenkungen. ({26}) Für Ihre eigene Steuerreform haben Sie, Herr Waigel, keine Vorsorge getroffen. Das haben Sie hier am 2. September auch zugegeben. ({27}) Sie hatten eine ungedeckte Finanzierungslücke von bis zu 50 Milliarden DM. Sie hätten damit die öffentlichen Haushalte ruiniert und die Staatsverschuldung weiter anwachsen lassen. Deshalb konnten wir diesen Plänen nie zustimmen, und deshalb haben die Länder auch nicht zugestimmt. ({28}) Unser Entwurf führt zu mehr Steuergerechtigkeit. Er ist solide finanziert ({29}) und wirtschaftspolitisch vernünftig. ({30}) Eine Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung der Steuerreform wird es mit der SPD nicht geben. ({31}) Es ist historisch unwahr, Herr Waigel - auch wenn Sie jetzt mit dummen Sprüchen davon ablenken -, ({32}) daß Sie je ein umsetzungsfähiges Reformkonzept vorgelegt hätten. Sie haben das selbst zugegeben. Sie haben selbst ausgeführt, daß Ihr Entwurf noch in der mittelfristigen Finanzplanung nicht berücksichtigt ist, Herr Waigel. Das ist die historische Wahrheit, von der Sie hier ablenken wollen. ({33}) Sie wußten im September noch nicht einmal, in wie vielen Stufen und in wie vielen Jahren Sie Ihr Konzept umsetzen wollen. Von wegen Steuerreform aus einem Guß! Das war reines Propagandageschwätz. ({34}) Sie hätten im Falle Ihrer Wiederwahl erst noch wesentliche Entscheidungen über die Finanzierung der Steuerreform treffen müssen und hätten dabei die Mehrwertsteuer erhöhen sowie erhebliche Streichungen bei den Ausgaben vornehmen müssen. ({35}) Herr Waigel, Sie sind doch der Trickser en gros. ({36}) - Nein, Herr Waigel. - Wie stark Sie getrickst haben, hat sich doch herausgestellt. Vor einigen Wochen war es im „Spiegel“ nachzulesen: Sie haben die Wachstumsprognosen geschönt. Es war nicht Herr Rexrodt, den Sie dafür verantwortlich gemacht haben. Sie, Herr Waigel, haben sich doch reichgerechnet. Sie sollten hier in Schutt und Asche gehen und nicht so auftreten, wie Sie das hier tun. ({37}) In Schutt und Asche kann man nicht gehen, aber einen Sack sollten Sie sich schon überstreifen. Die abgewählte Regierung Kohl hat die Steuer- und Abgabenpolitik für eine massive Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt. Die von Ihnen geprägte wirtschaftliche, soziale und finanzielle Realität können wir nicht von heute auf morgen verändern. Aber wir haben uns daran begeben, sie zu verändern, Schritt für Schritt, im Interesse unseres Landes, um Ihre Erblasten, unter denen viele Millionen Menschen leiden, gerecht, solide finanziert und wirtschaftlich vernünftig abzutragen. ({38})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Bundesfinanzminister heute an dieser Debatte nicht teilnimmt, ist schon ein Stück Unverfrorenheit. ({0}) Diese Tatsache reiht sich auch in das Verhalten anderer Regierungsmitglieder gegenüber diesem Parlament ein. Gestern bei der Debatte zum Zuwanderungsgesetz war der Bundesinnenminister in diesem Hause nicht anwesend. Zu der heutigen Debatte über die sogenannte Steuerentlastung ist der Bundesfinanzminister nicht anwesend. Das ist eine Mißachtung des Parlaments; das ist ein Affront gegen das Parlament und macht deutlich, welchen Stellenwert Ihre eigenen Gesetze in Ihren eigenen Reihen haben. ({1}) Herr Kollege Poß, Ihre gesamten vollmundigen Äußerungen zum Steuerkonzept der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen werden durch auch noch so lautes Geschrei ({2}) und auch durch noch so laut vorgetragene Behauptungen nicht richtiger. ({3}) Es ist nicht so - ich werde Ihnen das beweisen -, daß mit diesen Vorschlägen, die Sie auf den Tisch gelegt haben, eine Entlastung der Familien verbunden ist. Es ist nicht so, daß mit diesen Vorschlägen eine Entlastung des Mittelstandes verbunden ist. ({4}) Es ist schon gar nicht so, daß damit die Investitionskraft der Unternehmen, also derjenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, gestärkt wird. Ich werde Ihnen das auch im Detail beweisen. ({5}) Zunächst aber will ich mich - im Gegensatz zu Herrn Poß - auf die Tagesordnung konzentrieren. Wir haben heute über einen Teil eines Gesetzes zu beraten. Dieser Teil beinhaltet eine Kindergelderhöhung, beinhaltet die Änderung der Auszahlung des Kindergeldes und beinhaltet eine minimale Senkung des Eingangsteuersatzes. Alles zusammen hat ein Volumen von 7,8 Milliarden DM. ({6}) Nun ist die Erhöhung des Kindergeldes eine grundsätzlich positive und wünschenswerte Angelegenheit. ({7}) Aber sie ist nur dann zu verantworten, wenn sie auch solide finanziert ist. Die Erhöhung ist eben nicht solide finanziert. ({8}) Ich will es Ihnen auch begründen. Wir entscheiden heute über die Erhöhung. Die Entscheidung über die Finanzierung dieser Erhöhung wird nicht heute getroffen; vielmehr soll die Entscheidung über die Finanzierung erst im Februar oder März des nächsten Jahres getroffen werden, ({9}) das heißt nach der Hessenwahl, und rückwirkend zum 1. Januar 1999 gelten. All die Beteuerungen von Ihnen und von Frau Scheel zu jeder Gelegenheit, bei der Sie öffentlich auftreten, verdeutlichen Ihre Absichten. ({10}) Wenn Sie bei den Steuerberatern auftreten, dann wird gesagt: Es ist noch nicht alles sicher. Wir werden das schon noch verbessern und ändern. Wissen Sie, das ist genauso, als wenn Sie Kindern ein Weihnachtsgeschenk machen, aber die Geschenke nicht bezahlen, sondern darauf warten, daß ein paar Monate später die Oma oder der Opa Ihnen das Geld dafür gibt. Vielleicht verlangen Sie sogar einiges von dem Geld für die Geschenke von den Kindern zurück. Das tun Sie nämlich gleichzeitig über die Ökosteuer. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. So wie Sie das vorhaben, ist es nicht zu verantworten. ({11}) Ganz abgesehen davon sorgen Sie mit dieser verspäteten Entscheidung der Finanzierung, die dann auch noch rückwirkend gelten soll, für erhebliche Rechtsunsicherheit bei allen Steuerpflichtigen, bei den Arbeitnehmern genauso wie bei den Unternehmern. Es besteht keine Kalkulationssicherheit mehr, keine Planungssicherheit mehr. Denn Sie stellen das in den Raum, sagen dann aber schon wieder: Einiges werden wir noch ändern. Das alles soll dann aber rückwirkend zum 1. Januar 1999 in Kraft treten. Auch dies ist unverantwortlich gegenüber den Steuerpflichtigen. Darüber hinaus geht das Ganze auch noch zu Lasten der Länder. Gerade bei der Kindergeldfinanzierung haben die Länder einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Mitentscheidung. Sie haben dieses Problem nicht geklärt. Sie ignorieren es einfach. Ich bin gespannt, wie Ihre eigenen Länder darauf im Bundesrat reagieren. Ein Weiteres: Die Finanzierung dieser Vorhaben erfolgt mit den falschen Mitteln. Sie geht nämlich einseitig zu Lasten der Unternehmen, einseitig zu Lasten derjenigen, die für Arbeitsplätze verantwortlich sind. Deshalb wird das ganze Konzept nicht dazu führen, daß wir mehr Beschäftigung haben, sondern dazu, daß wir weniger Beschäftigung haben. ({12}) Es wird nicht dazu führen, daß wir weniger Arbeitslose haben, sondern dazu, daß wir mehr Arbeitslose haben. Deshalb ist das Gesamtkonzept, das Sie vorlegen, von uns nicht mitzutragen. ({13}) Nun noch zu den Gesamtvorschlägen. Sie sprachen davon, Herr Poß, daß Sie die Familien entlasten wollen. ({14}) Nun, im ersten, plakativen Schritt sieht dies so aus. Den Familien bleibt aber, wenn Sie alle Ihre steuerlichen Vorschläge auf den Tisch legen und abwägen, wenn Sie die Ökosteuer, die Erhöhung der Mineralölsteuer - der Benzinsteuer, der Heizölsteuer, der Gassteuer -, die Einführung der Stromsteuer einkalkulieren, von dieser Kindergelderhöhung überhaupt nichts mehr. Im Gegenteil: Sie müssen mehr bezahlen. ({15}) Mit Ihrem Gesetz, mit Ihren ganzen Vorschlägen erhöhen Sie jetzt das Kindergeld, verschlechtern aber mit der geplanten Gegenfinanzierung die Investitionskraft der Unternehmen und verschlimmern damit die Problematik auf dem Arbeitsmarkt. Sie erhöhen die Zahl der Arbeitslosen, und Sie kassieren zusätzlich bei Strom, bei Gas, bei Heizöl, bei Benzin, um Ihre erhöhten staatlichen Ausgaben zu finanzieren. Sie geben etwas in die linke Tasche hinein, und nehmen das gleiche, ja sogar noch mehr aus der rechten Tasche heraus. Dadurch, daß Sie das getrennt machen, daß Sie es zeitlich verschoben machen, wird dies nicht so deutlich. Aber wir machen es den Leuten deutlich, und Sie können sicher sein, daß die Menschen dies auch so verstehen. ({16}) Die Menschen im Lande sehen nicht nur das, was heute verabschiedet wird, sondern das Gesamtkonzept, und das Gesamtkonzept ist keine gerechte, keine sachgerechte und keine ausgewogene Steuerreform, sondern nichts anderes als eine große Mogelpackung. ({17}) Nun sprachen Sie vorhin Punkte der Gegenfinanzierung an. Ich will nur einige wenige herausgreifen; denn die Maßnahmen, mit denen die Kindergelderhöhung finanziert werden soll, sind ein einziger Horrorkatalog zur Geldbeschaffung. ({18}) Am gravierendsten ist meines Erachtens die Streichung der sogenannten Teilwertabschreibung. Nun kann mit dem Wort Teilwertabschreibung nicht jeder etwas anfangen. Deshalb will ich versuchen, das ein wenig zu erläutern. Wenn Sie das tun, was sie hier vorhaben, dann greifen Sie in die Besteuerung des Mittelstandes, insbesondere des Einzelhandels, des Buchhandels, der Banken, des gesamten Mittelstandes enorm ein. ({19}) - Ich habe nicht gesagt, daß das alles zum Mittelstand gehört. Vielmehr habe ich bewußt aufgezählt. Sie ändern die Besteuerung dergestalt, daß Sie nicht tatsächlich erzielte oder erzielbare Gewinne besteuern. Sie besteuern Scheingewinne. Sie zwingen diese Unternehmen zu einer falschen Bewertung, nur damit Sie Ihre Steuereinnahmen erhöhen. ({20}) Dies, meine Damen und Herren, würde das Aus vieler mittelständischer Betriebe bedeuten. Wir setzen dem unseren entschiedenen Widerstand entgegen. ({21}) Da hilft es Ihnen auch nicht, wenn Sie noch so häufig sagen: Wir entlasten mit unserer Steuerreform den Mittelstand. Denn Sie behaupten das nur und tun das Gegenteil. Aber Sie werden nicht an Ihren Worten gemessen, sondern an dem, was in dem Gesetzentwurf steht, an Ihren Taten. Und diese, meine Damen und Herren, sind eindeutig so, daß Sie den Mittelstand nicht entlasten, sondern belasten. ({22}) Gleiche verheerende Auswirkungen werden wir bei der Begrenzung der Verlustverrechnung bei den sogenannten aktiven und passiven Einkommen haben. Dies bringt ein sehr viel komplizierteres Steuerrecht mit sich. Beispielsweise ist auch noch nicht geklärt, was geschieht, wenn jemand nur passive Einkommen hat. ({23}) - Genau: sogenannte passive Einkommen. Diese Regelung betrifft nämlich diejenigen, die besonders viel Kapital haben. Bei ihnen wollen Sie nicht begrenzen. Sie wollen beispielsweise da begrenzen, wo sich MenGerda Hasselfeldt schen im Mietwohnungsbau engagieren. Im Mietwohnungsbau wird eben zunächst einmal mit Verlusten kalkuliert, meine Damen und Herren. Das geht nicht anders. Wenn Sie diese Verrechnung begrenzen, wird dies katastrophale Auswirkungen auf den gesamten Mietwohnungsbau des Landes haben, mit Konsequenzen für alle Mieter. ({24}) - Dazu komme ich jetzt, Herr von Larcher. Dieser Punkt war nicht enthalten, und zwar wohlweislich und aus gut überlegten Gründen. Lesen Sie das einmal nach. Wahrscheinlich ist Ihr Gedächtnis nicht so gut, daß Sie das noch im Kopf haben. Wenn Sie nachlesen, werden Sie bestätigt finden: Dieser Punkt war nicht enthalten. ({25}) Unsere Vorschläge enthielten durchaus einige Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die auch in Ihrem Entwurf enthalten sind, ({26}) so beispielsweise Regelungen bei Abfindungen, bei Betriebsaufgaben und einiges andere mehr, allerdings unter einem ganz anderen Vorbehalt, ({27}) - das ist ja gar nicht wahr -, mit einer ganz anderen Grundidee, nämlich dem Kern unserer Steuerreform: der drastischen Senkung aller Steuersätze. ({28}) Nur dann, wenn Sie alle Steuersätze radikal nach unten ziehen - die Einkommensteuersätze unten und oben, die Körperschaftsteuersätze sowohl für die ausgeschütteten als auch für die einbehaltenen Gewinne -, können Sie es auch verantworten, die Bemessungsgrenze zu verbreitern, nur dann können Sie es verantworten, die steuerlichen Sondertatbestände, die bei uns zur Zeit gerade wegen der hohen Steuersätze vorhanden sind, abzubauen. Dieser Gesamtzusammenhang fehlt bei Ihnen. Sie betreiben die Steuersatzsenkung nur halbherzig, Sie betreiben eigentlich nur Kosmetik und senken die Steuern nicht wirklich. ({29}) Deutlich wird dies übrigens auch bei der Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 Prozent auf 23,9 Prozent, die ja in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, der heute verabschiedet werden soll. Selbst in der dritten Stufe bleibt diese Senkung des Eingangssteuersatzes noch über dem, was Sie im Wahlkampf versprochen haben. Mit Ihrer dritten Stufe sind Sie also nicht so weit gegangen wie in Ihren Wahlkampfversprechungen. Aber noch entscheidender ist bei diesem Vorschlag, ob damit überhaupt eine Entlastung verbunden ist. Profitieren die weniger gut Verdienenden wirklich von dieser minimalen Senkung des Einkommensteuersatzes? Sie profitieren nicht, meine Damen und Herren. ({30}) Wir haben das im Ausschuß besprochen: Die Durchschnittssteuerbelastung wird nur minimal weniger sein als jetzt. Sie ist auf der Grafik praktisch nur mit der Lupe zu sehen. ({31}) Die Grenzsteuerbelastung, das heißt der Steuersatz, der für jede dazuverdiente Mark gezahlt werden muß, ist bei den Jahreseinkommen zwischen 20 000 DM und 66 000 DM, also bei den Einkommen der Berufsanfänger, bei den weniger gut Verdienenden, bei den Leistungsträgern, die sich noch im beruflichen Aufstieg befinden, sogar noch höher als im jetzigen Steuerrecht. Dies können wir nicht verantworten. Gerade die Berufsanfänger und die Leistungsträger werden von Ihnen betrogen. ({32}) Ich komme zur Gesamtbewertung, meine Damen und Herren. Die heute zu entscheidende Kindergelderhöhung ist zweifellos wünschenswert. Die Probleme bei der Finanzierung habe ich dargestellt. Aber auch das Gesamtkonzept ist wirtschaftspolitisch verfehlt: Die Senkung der Steuersätze fällt viel zu gering aus, es fehlt die Nettoentlastung, die Unternehmen und andere Leistungsträger werden einseitig belastet, die Investitionskraft nimmt ab, und die Arbeitsmarktbedingungen werden verschlechtert. Die geplanten Ökosteuervorhaben führen noch zu zusätzlichen Belastungen. Deshalb fordere ich Sie auf, in den weiteren Beratungen der Steuergesetze den Rat nicht nur von uns, sondern auch von den Sachverständigen, den Leuten, die sich beruflich und wissenschaftlich mit diesen Dingen beschäftigen, immer wieder einzuholen. Das erfordert aber eine Kursänderung auf Ihrer Seite. Mit dem, was Sie bisher vorgelegt haben, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, haben Sie meines Erachtens die Riesenchance, die Sie am Anfang Ihrer Regierungszeit gehabt hatten, sogleich verspielt. ({33})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, daß die Verzögerungstaktik, Frau Hasselfeldt und Herr Thiele, die wir diese Woche erleben durften und erleben mußten, insgesamt vollkommen lächerlich ist. Vor allen Dingen draußen bei der normalen Bevölkerung kann kein Mensch mehr nachvollziehen, was die Opposition in diesem Hause überhaupt noch will. ({0}) Es zeigt sich, daß sich die jetzige Opposition, die, wie wir wissen, ihre Rolle noch nicht gefunden hat, ({1}) auf ganz formale Stricke und Fußangeln stürzt, um Beratungen hinauszuschieben, wohl wissend, daß das heutige Vorläufergesetz lediglich aus technischen Erwägungen aus dem Gesamtpaket herausgelöst worden ist. Sie wissen ganz genau, daß dieses nur geschehen ist, um den verschiedenen Stellen, den Finanzämtern und Lohnbuchhaltungen, die Möglichkeit zu geben, rechtzeitig die neuen Steuertabellen entsprechend einarbeiten zu können, so daß kein doppelter Verwaltungsaufwand produziert wird. ({2}) Die Behauptung, es stünde keine Gegenfinanzierung, die immer wieder aufgestellt wird, ({3}) ist an dieser Stelle gerade von Ihrer Seite her absolut nicht mehr nachzuvollziehen, da Sie doch andererseits immer wieder damit argumentieren, daß wir im Jahr 1999 für eine sogenannte Aufkommensneutralität sorgen würden und keine Nettoentlastung vorgesehen haben, die Steuerreform also über den Haushalt 1999 gedeckt ist. Es ist doch vollkommen verrückt, wenn Sie gleichzeitig behaupten, es bestünde keine Gegenfinanzierung. Das zeigt doch nur, daß Sie die Argumente gerade so hinbiegen, wie Sie sie brauchen, wohl wissend, daß wir die erste Stufe 1999 ganz sauber und solide finanziert haben. ({4}) Frau Hasselfeldt, Ihre Forderung, alle Steuersätze drastisch zu senken, ist wunderbar; das hört jeder gerne. ({5}) Das hören die Arbeitnehmer gern, das hören die Arbeitgeber gern, das hören die Unternehmen insgesamt ganz gerne. Diese Leute hören aber nicht gerne - das haben wir ihnen aber im letzten Wahlkampf gesagt -, daß die F.D.P. Steuersenkungen in Höhe von 150 Milliarden DM versprochen hat, ohne eine Gegenfinanzierung vorzulegen. Sie hätte dafür einen vollkommen unsoliden Haushalt aufstellen müssen. ({6}) Dementsprechend wäre die Nettoneuverschuldung, lieber Herr Thiele, in den Himmel gewachsen. Sie hätten die verfassungsmäßige Grenze um 100 Prozent überschritten bzw. zur Umsetzung Ihrer unsoliden Vorschläge ganz aufheben müssen. ({7}) Meine Damen und Herren, es geht heute ausschließlich um die Anhebung des Kindergeldes, die Übertragung der Auszahlung auf die Familienkassen und die Senkung des Eingangsteuersatzes um 2 Prozentpunkte. Die Senkung des Eingangssteuersatzes ist notwendig, weil ein Eingangssteuersatz von heute 25,9 Prozent gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt. Sicherlich kann man sagen, daß der Schritt nicht groß genug sei. Aber es ist ein Schritt zur Ausrichtung der Steuerlastverteilung am Prinzip der Leistungsfähigkeit. Das ist der Punkt, weswegen wir den Eingangssteuersatz für 1999 senken. Zudem ist es ein Schritt mit einer Gewährleistung seriöser Finanzierbarkeit von Steuerentlastung vor allem im unteren Einkommensbereich. Sicherlich stimmt es das sage ich sehr nachdenklich -, daß die Wirkung relativiert wird, da in den Tarif praktisch unten noch eine Stufe eingearbeitet wurde und er nicht linear-progressiv ist. Aber ich sage Ihnen: besser ein kleiner Schritt als überhaupt keiner. Die letzte Regierung hat nicht einmal einen minihalben Schritt zustande gebracht. ({8}) Auch die Erhöhung des Kindergeldes von 220 auf 250 DM stellt eine sehr spürbare Entlastung für Familien mit Kindern dar und ist familienpolitisch absolut richtig. Wir stellen Familien mit Kindern im nächsten Jahr insgesamt 5,8 Milliarden DM mehr zur Verfügung. Ich verstehe nicht, was man dagegen haben kann, warum man diesen Vorschlag nicht unterstützt. ({9}) Ich sage an dieser Stelle jedoch auch ein bißchen nachdenklich: Ich möchte eigentlich nicht das Ziel aus dem Auge verlieren, daß eine Steuerpolitik, die dem Prinzip eines sozial gerechten Familienleistungsausgleichs folgt, auch verlangt, daß die Leistung Kindergeld mittelfristig von der Höhe des Einkommens abhängig zu machen ist. Das müssen wir uns gut überlegen; daran müssen wir weiterarbeiten. Es wurde immer wieder gesagt, es sei nicht einzusehen, warum Familien mit sehr hohen Einkommen das gleiche Kindergeld erhalten wie Familien mit sehr niedrigen Einkommen. Wir wissen, daß es vom Bundesverfassungsgericht aufgrund der Übertragung des Existenzminimums so vorgegeben ist. Aber ich denke, daß wir uns hierzu eine Lösung überlegen sollten. ({10}) Ich komme zur Übertragung der Kindergeldzahlungen. Kindergeldzahlungen sind nicht Aufgabe eines Arbeitgebers oder einer Arbeitgeberin, sondern sie sind Aufgabe des Staates. Daher ist die Übertragung der KinChristine Scheel dergeldzahlungen auf die Familienkassen sinnvoll. Das wird auch von den Sachverständigen - es liegt mittlerweile alles vor - so beurteilt. Sie entlastet die Arbeitgeber bereits im Jahre 1999 von einem Teil der Lohnkosten. Sie macht es überflüssig, darauf zu achten, daß der Schwellenwert von 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht überschritten wird. Bis zu diesem Wert kann der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin heute freigestellt werden. Wenn man sich überlegt, wie kompliziert das war, daß teilweise doppelt beurteilt werden mußte, dann sieht man, welchen Unsinn die alte Regierung gemacht hat. ({11}) Wir haben nun eine klare Regelung. Sie entspricht auch der ökonomischen Logik. Zudem hat der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten für das Bundesministerium der Finanzen festgestellt, daß die öffentliche Hand dadurch beim Gesetzesvollzug entlastet wird. Das Auszahlungsverfahren wird insgesamt überschaubarer. Hinzu kommt, daß die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlagerung staatlicher Verwaltungsaufgaben auf die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die in dieser Frage die ganze Zeit im Raum schwebten, somit auch endlich hinfällig geworden sind. Die Neuregelung hat also auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht durchaus einen positiven Effekt. Sicherlich wäre eine Übertragung auf die Finanzkassen anstelle einer Übertragung auf die Familienkassen eine noch geschicktere Lösung gewesen. Aber dies wollten die Länder nicht. Da geht es nicht nur um von der SPD oder den Grünen regierte Länder, sondern da geht es auch um Bayern und Baden-Württemberg. Im Prinzip wollten alle Länder diese Lösung im Bundesrat in den letzten Jahren nicht mit umsetzen. Das heißt für uns als Regierungspartei: Wir sind einen Weg gegangen, der auch politisch machbar ist, der eine starke Verbesserung der heutigen Situation bedeutet. Wir tun nicht das, was Sie in den letzten Jahren getan haben, daß wir Vorschläge in den Bundesrat einbringen, wohl wissend, daß der Bundesrat sie ablehnen wird, damit wir uns selber zurücklehnen und sagen können: Der Bundesrat ist schuld, deswegen können wir nichts auf den Weg bringen! Wir haben eine Einigung mit den Ländern erzielt und beschlossen, die Auszahlung des Kindergeldes auf die Familienkassen zu übertragen. ({12}) Nun zu Ihrem ständigen Vorwurf der Steuererhöhung. Ich kann ihn mittlerweile wirklich nicht mehr hören. ({13}) Um die Rentenversicherungsbeiträge konstant zu halten - nicht, um sie zu senken, sondern um sie konstant zu halten -, haben Sie in diesem Jahr die Mehrwertsteuer erhöht. Jetzt sagen Sie: Die neue Regierung und die neuen Koalitionsfraktionen wollen die Steuern erhöhen. - Das ist eine absolute Lüge! Es ist Unsinn, so etwas zu behaupten. Frau Hasselfeldt, genauso unsinnig ist es, zu sagen, wir würden die Kindergelderhöhung durch die Anhebung der Energiekosten kompensieren. ({14}) Die Anhebung der Energiekosten wird zurückgegeben durch die Senkung der Lohnnebenkosten. Das ist die Wahrheit. ({15}) Auch durch ständige Wiederholung wird Ihre Behauptung nicht wahrer. ({16}) Wir werden - das haben wir beschlossen - auch die Reform der Unternehmenssteuer in Angriff nehmen. Wir werden eine Arbeitsgruppe Anfang des Jahres mit dem Ziel einsetzen, einen Steuersatz von 35 Prozent unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens zu erreichen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch über die Gewerbesteuer nachdenken. Alle Projekte, die in den letzten Jahren bei Ihnen in der Schublade geblieben sind, werden nun aus der Schublade herausgeholt. Sie werden mit dem Ziel der soliden Finanzierung nachvollziehbar diskutiert, damit die arbeitnehmende Bevölkerung, die Organisationen, die Verbände und die Betriebe umfassend informiert sind, und dann werden sie beschlossen. ({17}) Ich möchte Sie bitten, die Bevölkerung nicht weiter zu verunsichern, indem Sie die Reform schlechtmachen, anstatt sich inhaltlich und vor allen Dingen konstruktiv mit dem auseinanderzusetzen, was wir heute zu entscheiden haben. Unabhängig von den heute diskutierten Maßnahmen besteht längst Konsens bei allen Fraktionen: Der Steuertarif muß gesenkt werden; das Kindergeld und der Grundfreibetrag müssen erhöht werden. Ich möchte Sie daher im Interesse der Bevölkerung dieses Landes aufrufen, dem heute vorgelegten Gesetzentwurf kompromißlos zuzustimmen. Vielen Dank. ({18})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun die Kollegin Gisela Frick, F.D.P.

Prof. Gisela Frick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002656, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Scheel, Sie werden sicher verstehen, daß wir uns als F.D.P. nicht in der Lage sehen, Ihren Vorschlägen kompromißlos zuzustimmen; wir sehen uns noch nicht einmal in der Lage, diesen Vorschlägen überhaupt zuzustimmen. ({0}) Herr Poß, weil Sie Ihren Beitrag vorhin unter die Überschrift „Wir halten Wort“ gestellt haben, muß ich aus unserer Sicht sagen: Das ist ja gerade das Problem, daß Sie Wort halten! Ich wundere mich, daß die Öffentlichkeit so überrascht auf Ihre Steuerpläne reagiert hat, denn sie waren vorher alle bekannt. Diese Vorschläge standen sowohl in Ihrem als auch in dem Programm der Grünen. ({1}) - Ich sage es ja. - Die Öffentlichkeit reagierte aber nicht freudig, sondern äußerst unangenehm überrascht. Das kann ich eben nicht verstehen. ({2}) Das Problem liegt genau darin, daß Sie versuchen, Wort zu halten und Ihre Wahlversprechungen zu erfüllen. ({3}) Wir haben über einen Gesetzentwurf zu entscheiden, der nur der sogenannte Vorläufer 1 ist. Über den Vorläufer 2 werden wir in der nächsten Woche entscheiden. Im Rahmen der Beratung über das sogenannte - das Wort „sogenannt“ muß unbedingt hinzugesetzt werden Steuerentlastungsgesetz werden wir erst im Februar, nach der hessischen Landtagswahl - auch das hat Frau Hasselfeldt schon erwähnt -, darüber entscheiden, welche Grausamkeiten noch kommen werden. ({4}) Dies ist eine Atomisierung des Gesetzgebungsvorhabens. Es ist kein Wunder, daß beispielsweise am Mittwoch im Haushaltsausschuß selbst der Vertreter der Grünen, Herr Metzger, der heute leider nicht anwesend ist, überhaupt nicht mehr wußte, was eigentlich Sache ist und woran er ist. Es ist auch kein Wunder, daß ich gestern von Journalisten angerufen wurde, die sich schlau machen wollten, wie der aktuelle Verfahrensstand aussieht. Daher sage ich: Das ganze Gesetzgebungsvorhaben ist eine einzige Zumutung. ({5}) Das fängt schon beim Titel des Gesetzes an: „Steuerentlastungsgesetz“. Wenigstens haben Sie gleich die zeitliche Perspektive ehrlich angegeben. Die Entlastung tritt nach Ihren eigenen Bekundungen nämlich erst im Jahre 2002 ein und macht etwa 15 Milliarden DM aus. Das war allerdings auch schon der Erfolg einer Nachbesserung. Insofern ist die Entlastung auf die lange Bank geschoben. Das heißt, wir haben zunächst einmal Belastungen, um die Wohltaten zu bezahlen, die Sie im Schweinsgalopp noch in diesem Verfahren verteilen wollen. ({6}) Die Belastungen treffen in allererster Linie die Wirtschaft, auch den Mittelstand. Gott sei Dank stehen wir mit dieser Auffassung nicht allein, und wir haben nicht nur den gesammelten Sachverstand auf unserer Seite, sondern auch Leute aus Ihren Reihen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir den sogenannten ClementBrief nun als Entschließungsantrag der F.D.P. vorgelegt haben. Nicht alles, aber vieles in diesem Brief entspricht unserer Auffassung. Er beinhaltet eine ganz massive Kritik an Ihrer Steuerpolitik. Am Ende des Briefes schreibt Clement: Wenn keine Korrekturen an diesem Steuerentlastungsgesetz vorgenommen würden, würde es ausgesprochen kontraproduktiv wirken und Arbeitsplätze vernichten. ({7}) - Doch, das hat er da geschrieben. Nach dem Essen ist es dann irgendwie nicht mehr wahr gewesen. Offensichtlich hat er sich beim Essen bekehren lassen, denn jetzt sagt er, er werde wenigstens dem ersten Teil dieses Steuerentlastungsgesetzes im Bundesrat zustimmen. Das, was in dem Brief steht, kann ich Ihnen nur noch einmal wärmstens zur Lektüre empfehlen. ({8}) Der Brief geht aus unserer Sicht noch nicht weit genug, weil er beispielsweise zum Soli und zum weiteren Verlauf der Gewerbesteuer überhaupt nichts sagt und die Teilwertabschreibungen, die in Ihrem Koalitionsprogramm enthalten sind, weiterhin abschaffen will, was wir auf keinen Fall wollen. Dazu kann ich nur das unterstützen, was die Kollegin Hasselfeldt eben bereits gesagt hat: Das ist Gift für die Arbeitsplätze und die Investitionen in Deutschland. ({9}) Deshalb bleibt dieser Brief weit hinter den Vorstellungen der F.D.P. zurück. Aber wir haben ihn heute trotzdem als Entschließungsantrag dem Parlament zur Entscheidung vorgelegt, weil wir der Meinung sind, daß sehr vieles, was in ihm steht, richtig ist. Diesem Antrag müßten Sie eigentlich auch zustimmen können, weil der Brief ja aus Ihren Reihen kommt. Das sollte man jedenfalls annehmen. Ich habe zum Verfahren noch einiges zu sagen. Ich sagte eben, der Titel des Gesetzes sei bereits eine Zumutung. Aber auch das Verfahren ist eine Zumutung. ({10}) Wir haben heute morgen in der Geschäftsordnungsdebatte schon einiges dazu gehört, wie sehr dieses Verfahren die Rechte des Parlaments mißachtet. Das gilt insbesondere für die Tatsache, daß der Finanzminister bei der heutigen Debatte nicht anwesend ist. Ich brauche all das nicht zu wiederholen. ({11}) Aber es ist auch eine Zumutung für die Betroffenen, also für die Steuerpflichtigen - sowohl für die einzelnen Bürger als auch für die Unternehmen und hier insbesondere wieder den Mittelstand -, deren Berater heute überhaupt noch nicht wissen, in welche Richtung sie beraten sollen. Ich kenne einige Steuerberater, die im Moment Wochenend- und Nachtdienst machen; in diesem Bereich hat die Regierung also eine echte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geschaffen. Die Steuerberater bekommen für diese Arbeit aber keine Zuschläge, die steuerfrei bleiben, sondern es handelt sich um ganz normalen Gewinn, der in Zukunft sogar noch höher besteuert werden soll, weil sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten abgeschafft werden. Es ist auch eine Zumutung für die Steuerverwaltung, die sich irgendwie darauf einstellen muß, was auf sie zukommt, es aber heute überhaupt noch nicht kann. ({12}) - Heute geht es um den Vorläufer 1, Herr von Larcher, ein Mini-Programm, das bloß die Erhöhung des Kindergeldes und eine minimale Entlastung des Eingangssteuersatzes um 2 Prozentpunkte in einem ganz kleinen Bereich des Tarifs vorsieht sowie die Modalitäten bei der Auszahlung des Kindergeldes ändert, wobei mich die Änderung bei den Auszahlungsmodalitäten sehr wundert. Gerade die Kollegin Matthäus-Maier ist in der letzten Legislaturperiode und auch davor nicht müde geworden, immer wieder die Finanzamtslösung zu reklamieren. ({13}) Sie hat immer wieder - Frau Matthäus-Maier, das weiß ich natürlich bestens, weil das so häufig in Ihren Reden vorkam - von den beiden Fließbandarbeitern - der eine hat Kinder, der andere nicht - gesprochen und ausgeführt, würde das Kindergeld im Rahmen einer Finanzamtslösung bei der Lohnsteuer verrechnet, bekäme der Arbeiter mit Kindern netto gleich sehr viel mehr Lohn ausbezahlt als der Arbeiter ohne Kinder. Nichts davon ist übriggeblieben. Wir haben in der letzten Legislaturperiode im Finanzausschuß eine Entschließung verabschiedet ({14}) - einstimmig; Herr Thiele weist darauf zu Recht hin -, ({15}) in der gesagt wurde: Die jetzigen Auszahlungsmodalitäten sind ein erster Schritt; das ist noch nicht die optimale Lösung. Eine optimale Lösung wäre die Finanzamtslösung. ({16}) Aber die ist im Moment noch nicht zu erreichen. - Aber Sie machen jetzt sofort eine komplette Wendung um 180 Grad bzw. einen Rückschritt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ingrid Matthäus-Maier?

Prof. Gisela Frick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002656, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, ist Ihnen nicht bekannt, daß wir dies alles mit großen Bauchschmerzen tun? ({0})

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das, was wir gemeinsam mit der F.D.P. und der CDU/CSU beschlossen haben, nämlich die sogenannte Finanzamtslösung, hat doch daran gekrankt, daß der allergrößte Teil der Arbeitgeber dieser Lösung nicht gefolgt ist. Die Arbeitgeber haben zum allergrößten Teil einen Ausweg genutzt und beim Abzug der Lohnsteuer das Kindergeld eben nicht gleich gegengerechnet. Das war ja unsere gemeinsame Idee. Ich verstehe gar nicht, warum Sie darüber lachen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte eine Frage!

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, sie kommt, Herr Kollege. ({0}) Ich darf eine Frage ja wohl mit einer Tatsachenbeschreibung versehen für diejenigen, die darüber nicht jeden Tag sprechen. Wir haben diese Lösung gemeinsam gewollt. Die Arbeitgeber haben sie unterlaufen. ({1}) Deswegen sind wir der Ansicht, daß eine Zweiteilung, so wie wir sie jetzt haben, nicht möglich ist. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es dann besser ist, die jetzige Lösung rückgängig zu machen?

Prof. Gisela Frick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002656, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich gebe Ihnen recht, daß die Arbeitgeber mit dieser Lösung nicht ganz glücklich waren. ({0}) Deshalb haben wir ja auch von vornherein gesagt: Dies ist nur ein erster Schritt in Richtung einer klaren klassischen Finanzamtslösung. Diesen wollten wir zu Ende führen. Sie aber machen jetzt sofort wieder einen Rückzieher und verfolgen dieses Ziel nicht mehr weiter, indem Sie sagen: Wir wollen eine Finanzamtslösung in Zukunft überhaupt nicht mehr und übertragen die Auszahlung des Kindergeldes wieder auf die Familienkassen. ({1}) - Das alles verlängert meine Redezeit.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, wären Sie denn bereit, zusammen mit uns diese Ausweichmanöver der Arbeitgeber abzuschaffen?

Prof. Gisela Frick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002656, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. ({0}) Den Schwarzen Peter nur den Arbeitgebern zuzuschieben ist gerade der Fehler. Ich habe ja bereits in meiner Antwort auf Ihre erste Frage gesagt, daß die Arbeitgeber über die jetzige Lösung zum großen Teil nicht glücklich waren. Diese Erfahrung haben wir doch alle gemacht. Deshalb müßten wir konsequenterweise einen Schritt weitergehen, nämlich hin zu einer echten und klaren Finanzamtslösung, und nicht einen Schritt zurück. ({1}) Dieser Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes ist eine Zumutung auch vom Inhalt her. Das ist natürlich das weitaus Wichtigste. Auch wenn wir hier in der zweiten und dritten Lesung nur über den sogenannten Vorläufer 1 beraten, so haben wir doch das gesamte Konzept zu beachten. Dieses Gesamtkonzept ist eindeutig von einer Schieflage gekennzeichnet, nämlich von einer erheblichen Belastung der Wirtschaft und des Mittelstandes sowie von einer nur relativ geringen Entlastung der Familien durch die Erhöhung des Kindergeldes und einer Entlastung der Arbeitnehmer - übrigens nicht nur der Arbeitnehmer; aber diese haben Sie in erster Linie im Auge - durch die Senkung des Eingangssteuersatzes, die minimal ist und auf den Lohnsteuertabellen, die uns im Finanzausschuß vorgelegt wurden, überhaupt nicht zu erkennen war. Da mußte man die Druckschärfe verbessern, damit man die Änderung überhaupt sehen konnte. Davon versprechen Sie sich - das ist jetzt das Entscheidende - eine Stärkung des Konsums bzw. der Binnennachfrage und wollen dadurch Investitionen und Arbeitsplätze schaffen. Es tut mir leid: Das ist genau der falsche Weg. ({2}) Wenn Sie den Sachverständigen nicht glauben, dann sollten Sie doch bitte den Erfahrungen glauben, die wir selbst in der letzten Legislaturperiode gemacht haben. ({3}) Wir haben im Jahressteuergesetz 1996 den Familienleistungsausgleich erheblich verbessert und den Grundfreibetrag mehr als verdoppelt. ({4}) Diese Maßnahmen sollten genau die gleiche Wirkung haben, wie Sie sie jetzt anstreben, nur daß wir damals ein Volumen von über 20 Milliarden DM zur Verfügung hatten und jetzt nur eines von 5,8 Milliarden DM beim Kindergeld und eine Entlastung der Arbeitnehmer um 1,3 Milliarden DM - dies ist jedoch noch nicht so klar im Rahmen der Absenkung des Eingangssteuersatzes. Wir haben damals, im Jahressteuergesetz 1996, zusätzlich den Kohlepfennig mit einem Volumen von 8 Milliarden DM abgeschafft. Das heißt: Im Prinzip haben wir damals 30 Milliarden DM Entlastung an die Bürger weitergegeben. Wo aber war die Wirkung auf den Konsum? Wo war die Wirkung auf Investitionen? Wo war die Wirkung auf Arbeitsplätze? Es hat überhaupt keine meßbaren Erfolge gegeben. Insofern ist die Behauptung, daß die Nachfrageaspekte nicht greifen werden, keine Theorie. Wir haben diese Erfahrungen in der Vergangenheit mit unseren Steuergesetzen gemacht, insbesondere mit dem Jahressteuergesetz 1996. Das zeigt uns ganz deutlich, daß die Ziele, die Sie anstreben, so überhaupt nicht zu erreichen sind. Auch das ist wesentlicher Inhalt des Clement-Briefes, um auf diesen noch einmal zurückzukommen. Clement sagt: Entlastungen im unteren Einkommensbereich und Belastungen der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, sind Gift für Investitionen und Arbeitsplätze. ({5}) Insofern ist der Inhalt dieses Steuerentlastungsgesetzes offensichtlich von einer falschen, und zwar total falschen Konzeption gekennzeichnet. Zusätzlich muß man die Gesetze beachten, die neben dem Steuerentlastungsgesetz geplant sind, nämlich die von Ihnen als Ökosteuer bezeichnete Steuererhöhung und - darauf haben eben sowohl Frau Scheel als auch Herr Poß hingewiesen - die Unternehmensteuerreform. Im übrigen ist eine Unternehmensteuerreform geplant. Dabei wird nach dem Motto verfahren: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Es wird also jetzt eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Das aber, was dabei herauskommen soll, ist sowohl zeitlich als auch konzeptionell total vage. Wir wissen nicht, wann etwas passieren soll. Wir wissen nicht, was passieren soll. Wir haben gehört, daß die Steuer rechtsformunabhängig sein soll. Viel Vergnügen! Das hatten wir nämlich schon einmal im Jahr 1952. Das alles ist aber wieder einkassiert worden, weil es überhaupt nicht praktikabel war. Wir wissen nicht, ob es sich bei den 35 Prozent um einen linearen Steuersatz handeln soll wie bei der Körperschaftsteuer oder ob dies der Spitzensteuersatz sein soll wie bei den gewerblichen Einkünften gemäß der Einkommensteuer. Das alles ist noch höchst unklar. Wie können Sie mit solch unklaren Absichtserklärungen - es ist nicht mehr als eine politische Absichtserklärung auch nur erhoffen, daß die Wirtschaft bei dieser Planungsunsicherheit hier investiert, hier Innovationen findet, hier Arbeitsplätze schafft! Das kann doch überhaupt nicht aufgehen. ({6}) Damit kein Mißverständnis aufkommt: Auch wir halten es für wünschenswert, die Leistungen für Familien und Arbeitnehmer zu verbessern. Wir aber haben einen anderen Lösungsansatz. Wir glauben nämlich, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen die beste Sozialpolitik ist ({7}) und damit der Konsum auf ganz natürlichem Wege wieder angekurbelt wird. Wir wissen doch alle, daß wir mit Blick auf den Arbeitsmarkt nicht nur ein Konjunkturproblem haben. Sehr viel ausschlaggebender ist unser Strukturproblem. Und dieses Strukturproblem werden Sie mit Ihren Plänen nicht lösen können. ({8}) Das ist der Grund, weshalb wir auch den ersten Teil ablehnen. Wir sehen ihn nämlich als Teil des Gesamtkonzeptes, wenn das Gesamtkonzept auch in vielen Bereichen kaum zu erkennen ist. Wir haben dem Parlament statt dessen den Clement-Brief als Entschließung vorgelegt und werden dem natürlich in der namentlichen Abstimmung zustimmen. Sie selbst haben gesagt, die Regierung müsse sich am Ende der Legislaturperiode an ihren Erfolgen im Beschäftigungssegment messen lassen. ({9}) Als Oppositionspolitikerin könnte ich mich jetzt beruhigt zurücklehnen und sagen: Prima! Ich weiß nämlich schon, was dabei herauskommt: Der Beschäftigungsmarkt wird eher zusammenbrechen. Zumindest werden wir weniger Arbeitsplätze und mehr Arbeitslose haben als zu Beginn dieser Legislaturperiode. Sie werden sich dann die Quittung bei den Wählern abholen. Ich bin aber nicht nur Oppositionspolitikerin, sondern fühle mich für das ganze Land verantwortlich. ({10}) Deshalb bedaure ich es sehr, daß wir durch Ihre Vorschläge, durch das, was Sie mit der Mehrheit im Bundesrat sehr viel schneller durchsetzen können als wir in diesen Bereichen in der vergangenen Legislaturperiode, vier Jahre verlieren. Das ist schade für das Land. Es ist vertane Zeit. Wir werden zusehen, daß wir verhindern können, was zu verhindern ist. Danke schön. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat die Kollegin Barbara Höll, PDS-Fraktion.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Vorläufer 1. Ich bin ein bißchen erstaunt, daß die Vorrednerinnen und Vorredner alle sehr weit ausgeholt und zum Gesamtkonzept des Steuerentlastungsgesetzes Stellung genommen haben. Dazu haben wir noch keine Anhörung gehabt, keine weiteren Beratungen in den Ausschüssen; dazu gibt es eigentlich keine weiteren Erkenntnisse. Sie sind es schuldig geblieben, sich detaillierter mit dem auseinanderzusetzen, was wir heute verabschieden. ({0}) Bei Frau Frick wundert mich das nicht so sehr; Sie haben ja selbst gesagt, das sei für Sie nur ein „Minimum“. Aber von Herrn Poß und Frau Scheel hätte ich gerne ein bißchen mehr dazu gehört. Ich konzentriere mich auf das, was wir heute verabschieden wollen. Denn - das ist wichtig - wir haben uns damit auseinanderzusetzen, ob wir als Parlament unter der neuen Regierung endlich die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichtes einhalten oder ob dieser Maßstab immer noch nicht erfüllt wird, auch unter rotgrün nicht. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1992 wurde ausgeführt, daß dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Steuerpflicht von seinem Einkommen soviel verbleiben muß, wie er zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes - seines eigenen und desjenigen seiner Familie - bedarf. Die Höhe hängt nach Aussagen des Gerichtes von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem anerkannten Mindestbedarf ab. Sicher, es herrscht seitdem in Wirtschaft, Politik und den verschiedenen Verbänden darüber ein ziemlich kontroverser Streit. Aber man muß feststellen, daß es unter den Experten bisher weitgehende Einigkeit darüber gab - von den Wohlfahrtsverbänden bis zu den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen -, daß der von der alten Regierung für 1999 vorgesehene Grundfreibetrag von 13 000 DM unzureichend ist und damit nicht der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtes entspricht. Ich zitiere - der SPD zur Erinnerung - aus dem Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 13/8057: Der vorgesehene Grundfreibetrag in Höhe von 13 000 DM/26 000 DM ist unzulänglich und verfassungsrechtlich bedenklich. Er stellt keine Verbesserung gegenüber dem 1999 geltenden Recht dar. Im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/7895 war zu lesen: Die Bundesregierung sieht vor, das Existenzminimum nur leicht, von 12 365 DM ({1}) auf 13 067 DM, anzuheben. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes . . . als weitaus zu gering. Und tatsächlich: Die alte Bundesregierung von CDU/CSU und F.D.P. hat in Vorbereitung des Bundesverfassungsgerichtsurteils bereits 1992 das Existenzminimum mit 12 400 DM veranschlagt, unter Berücksichtigung des Mehrbedarfszuschlages auf 14 000 DM. Ungeachtet dessen, daß CDU/CSU und F.D.P. den Grundfreibetrag für 1996 trotz alledem auf 12 096 DM festgelegt haben, halten Sie von der Koalition heute de facto an diesen alten Beschlüssen fest. Das kann doch nicht Sinn und Zweck eines Regierungswechsels sein! ({2}) Dies ist in zweierlei Hinsicht bedenklich. Zum ersten: Sie argumentieren, daß die Orientierung durch den durchschnittlichen Sozialhilferegelsatz gegeben sei. Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, daß der durchschnittliche Sozialhilferegelsatz das Existenzminimum der Menschen in dieser Bundesrepublik absichert! ({3}) Das ist nicht so; er ist nicht bedarfsgerecht. Noch einmal zur Erinnerung: Nach EU-Maßstab müßten es 1 425 DM pro Monat sein, um in dieser Bundesrepublik überhaupt über die Armutsgrenze zu kommen. Zum zweiten sind die Sozialhilferegelsätze bekanntlich regional unterschiedlich und abhängig von den jeweiligen Lebenshaltungskosten wie Heizung, Miete, Energie. Die Höhe des steuerlichen Existenzminimums orientiert sich nun an dem Durchschnitt der Sozialhilferegelsätze. Das heißt, daß mit dem Grundfreibetrag für 1999 von 13 200 DM das Existenzminimum von Bürgerinnen und Bürgern in Berlin, Hamburg und München auf Grund der dort zum Beispiel sehr hohen Mietkosten noch weniger als auf dem flachen Land abgedeckt ist. Das steuerfreie Existenzminimum in diesen Regionen liegt unter dem Niveau der dortigen Sozialhilfe. Indem Sie den Menschen, die in Hamburg, Berlin oder München erwerbstätig sind, weniger Einkommen belassen, als Sozialhilfeberechtigte vom Staat erhalten, stellen Sie den Sozialstaat tatsächlich auf den Kopf. ({4}) Genau an diesem Punkt verstoßen Sie wiederum gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das vorschreibt, daß das Existenzminimum für alle Menschen gleichermaßen steuerfrei zu stellen ist. Das heißt aber nichts anderes, als daß der Grundfreibetrag mindestens in Höhe des bundesweit höchsten Sozialhilfesatzes liegen muß, um wirklich allen Menschen das Existenzminimum halbwegs sicherzustellen. ({5}) Beim dualen System von Kindergeld und Kinderfreibetrag wird genau das verwirklicht. Deshalb wollen wir auch dessen Beibehaltung, bis die von der Verfassung vorgesehenen 300 DM mindestens für jedes Kind erreicht sind. Diese Erkenntnisse hatten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, in der vergangenen Legislaturperiode. Folgerichtig forderte die SPD für 1998 ein steuerfreies Existenzminimum in Höhe von 14 000 DM; Bündnis 90/Die Grünen forderte 15 000 DM. Jetzt, nach der Wahl, verharren Sie mit dem Argument von Haushaltszwängen bei einem verfassungswidrigen Zustand. Das kann doch nicht sein. ({6}) Meine Damen und Herren von der Regierung und der Regierungskoalition, die Einhaltung der Verfassung kann und darf nicht von der Haushaltslage abhängig sein. ({7}) Die Regierung hat vielmehr mit ihrer Politik die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen. Wenn Sie dabei in Finanzierungsengpässe geraten, verzichten Sie doch zum Beispiel auf die Senkung des Spitzensteuersatzes. ({8}) Daneben haben wir andere Vorschläge, wie zum Beispiel die Wiedererhebung der Vermögensteuer, die Sie auf den Sanktnimmerleinstag verschieben wollen, gemacht. Die PDS hat heute einen Änderungs- und einen Entschließungsantrag eingebracht. Wir wollen sicherstellen, daß der steuerfreie Grundbetrag zum 1. Januar des nächsten Jahres auf 15 000 DM festgelegt wird. Damit könnte man versuchen, in einem absehbaren Zeitraum innerhalb einer Wahlperiode das verfassungsmäßige Gebot schrittweise zu erreichen, so daß wir bei mindestens 17 000 DM im Jahre 2002 ankommen. Gleiches gilt für die Erhöhung des Kindergeldes. Sie schlagen vor, das Kindergeld im nächsten Jahr auf 250 DM anzuheben. Das unterstützen wir natürlich. Aber Sie bleiben auch an diesem Punkt sowohl hinter den aktuellen Erfordernissen als auch hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück. Bereits 1996 forderte die SPD ein Kindergeld in Höhe von 250 DM. Jetzt machen Sie die Neuauflage der Forderung von 1994, ignorieren jedoch, daß das Bundesverfassungsgericht auch die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes verfügt hat. Unter Berücksichtigung der inzwischen gestiegenen Lebenshaltungskosten von Familien durch Kostensteigerungen bei Miete, Heizung, Strom usw. ist klar, daß bereits jetzt 300 DM das verfassungsmäßige Gebot sind. Das haben Sie von Bündnis 90/Die Grünen ebenso wie die PDS in der letzten Legislaturperiode gefordert. Wir werden das weiterhin einklagen. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht. Sie argumentieren bei Ihrem halbherzigen Schritt wieder einmal damit, daß Sie gern mehr durchsetzen würden, wenn Sie das Geld dafür hätten. Ich muß aber klipp und klar sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoaltion: Das Kindergeld ist keine Größe, das je nach Belieben und aktueller Haushaltslage nach oben und unten angepaßt werden kann. ({9}) Das Kindergeld ist keine Sozialleistung, sondern Teil des Einkommens der Eltern, auf das der Staat nach der Verfassung keinen Zugriff haben darf. Ich war sehr erstaunt, daß Frau Scheel hier vorschlägt, gegen dieses Gebot zu verstoßen. Sie widerspricht damit ihren eigenen Ansätzen. Auch Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und sollten nicht auf diese Art und Weise gegen das Einkommen ihrer Eltern aufgerechnet werden. ({10}) Lassen Sie uns hier die Verfassung einhalten. Das ist der richtige Weg. ({11}) Sie haben in Ihrem großen Gesetzentwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 eine Finanzierungsquelle aufgezeigt. Sie schlagen die Begrenzung des Ehegattensplittings - allerdings nicht jetzt, sondern erst im Jahre 2002 - vor, um damit eine Erhöhung des Kindergelds um 10 DM zu finanzieren. Warum sind Sie wieder so halbherzig? Fangen Sie an! Folgen Sie unserem Vorschlag der Kappung des Ehegattensplittings im ersten Schritt bereits für das nächste Jahr und schrittweise fortschreitend bis zur tatsächlichen Individualisierung des Steuerrechts - bei sozialer Kompensation. Ich bin erstaunt: Meines Erachtens ist das immer noch Beschlußlage der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Warum setzen Sie sich da nicht endlich einmal durch, auch hier in der Fraktion, und verwirklichen diesen Parteibeschluß? ({12}) Seien Sie nicht so zaghaft! Gehen Sie diesen Schritt! Wir fordern Sie deshalb auf: Wenn Sie nach der Regierungsübernahme Ihre Erkenntnisse und die aktuellen Erfordernisse nicht einfach über Bord werfen wollen, sondern dazu stehen, dann folgen Sie unseren Anträgen. Stimmen Sie ihnen zu! Wir stimmen Ihrem Vorschlag der Erhöhung zu. Aber bleiben Sie nicht so halbherzig, sondern seien Sie auch an der Stelle ein bißchen wagemutig! ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 setzen wir um, was wir uns auf dem Gebiet der Steuerpolitik im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern in den Koalitionsvereinbarungen vorgenommen haben. Wir bringen jetzt auf den Weg, wofür diese Regierung gewählt worden ist. ({0}) Wir machen endlich Ernst mit dem, was dem Durchschnittsbürger über mehr als eineinhalb Jahrzehnte zwar versprochen, aber von der vorherigen Regierung nie eingelöst wurde: ({1}) Wir entlasten die Mehrzahl der Arbeitnehmer und ihre Familien. Damit zielen wir ganz eindeutig auf die Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land, die dies braucht. ({2}) Unser Land braucht eine deutliche Stärkung der Binnennachfrage, eine echte Verbesserung der Investitionsbedingungen und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands. Die dreistufige Steuerreform wird dazu einen unverzichtbaren Beitrag leisten. Die Steuerreform ist sozial gerecht, sie ist wachstums- und beschäftigungsfördernd, und sie ist solide finanziert. Sie entlastet durch eine deutliche Senkung der Steuersätze, und sie führt zu mehr Steuergerechtigkeit durch eine nachhaltige Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Das Gesamtvolumen der Reform ist höher als das der dreistufigen Reform der alten Regierung in den 80er Jahren. Die Bruttoentlastung beträgt rund 57 Milliarden DM. Rund 42 Milliarden DM werden durch den Abbau von Steuervergünstigungen finanziert. Insgesamt wird es in der dritten Stufe eine haushaltspolitisch realistische und gesamtwirtschaftlich akzeptable Nettoentlastung von rund 15 Milliarden DM geben. Vorrang haben aber zunächst die Familien und Arbeitnehmer. Die Steuerlast ist derzeit ungerecht verteilt. Das hat die alte Regierung zu verantworten. Um das zu ändern, ist diese neue Regierung gewählt worden. Wir tun das jetzt. ({3}) Familien mit zwei Kindern werden ab dem Jahr 2002 um 2 700 DM im Jahr und schon im nächsten Jahr um rund 1 200 DM entlastet. Im Gegensatz zu den Tarifen von 1996 und 1998 und auch dem jetzt noch gültigen, aber von uns zu ändernden Tarif 1999 sieht der neue Tarif eine, wenn auch zunächst geringe Entlastung aller Steuerpflichtigen beim Durchschnittssteuersatz vor. Da nützt es auch nichts, Frau Kollegin Frick, Spielchen mit dem Grenzsteuersatz zu machen. Es kommt darauf an, was im Portemonnaie ist. Das wird durch den Durchschnittssteuersatz gemessen. ({4}) Das ist der erste Schritt. In den nächsten Stufen, 2000 und 2002, verstärkt sich dieser positive Effekt. Der Vorwurf, der Mittelstand würde nicht ent-, sondern belastet, trifft einfach nicht zu. ({5}) Wir haben die Belange des Mittelstandes bei den Entscheidungen über die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage besonders berücksichtigt. Ich will folgende Beispiele nennen: Der Verlustvortrag wird nicht angetastet. Verluste können uneingeschränkt auch weiterhin vorgetragen werden. Das wollten Sie nicht. Für die Abschaffung des Verlustrücktrages ist eine Übergangsfrist eingeführt worden. Bis einschließlich 2000 dürfen Verluste bis zu 2 Millionen DM auf das Vorjahr zurückgetragen werden. ({6}) - Sie wollten sogar an den Verlustrücktrag und den Verlustvortrag ran. Herr Kollege, Sie sollen hier nicht immer die Unwahrheit sagen. ({7}) Beim Verlustausgleich gibt es für aktive Einkünfte der Unternehmen keine Einschränkungen. Der gewerbliche Mittelstand ist von der sogenannten Mindestbesteuerung nicht betroffen. Den Erhalt der steuerfreien Wiedereinlage von Gewinnen aus dem Verkauf von Grundstücken und Gebäuden haben wir ebenfalls vorgesehen, ebenso die Möglichkeit, den realisierten Gewinn beim Verkauf eines Unternehmens rechnerisch auf fünf Jahre zu verteilen, um die Progressionswirkung abzuschwächen. Auch dies dient dem Mittelstand. Weiterhin dient dem Mittelstand die degressive Abschreibung für Ausrüstungsinvestitionen in Höhe von 30 Prozent, die im ersten Jahr voll erhalten bleibt. Im internationalen Vergleich liegen wir damit über dem Durchschnitt. ({8}) Was eigentlich im Vordergrund steht: Die Unternehmensteuersätze werden deutlich gesenkt. Das bringt die Entlastung. Das aber wird von den vielen Kritikern übersehen; auch Sie tun das hier geflissentlich, willentlich und wider besseres Wissen. ({9}) In Kürze wird eine Kommission für eine umfassende Unternehmensteuerreform eingesetzt. Ziel dieser Kommission ist ein einheitlicher, rechtsformunabhängiger Unternehmensteuersatz von 35 Prozent. Selbstverständlich darf das Ergebnis nicht zu Lasten der mittelständischen Wirtschaft gehen. So ist beispielsweise zu prüfen, ob den Unternehmen ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte. Mit der Reform der Unternehmensbesteuerung im Jahre 2000 werden wir die Position unserer Unternehmen im internationalen Steuer- und Standortwettbewerb deutlich verbessern. Dafür werden wir Steuersubventionen streichen. Die Abschaffung überflüssiger Steuervergünstigungen und undurchsichtiger Steuervorschriften dient der Steuergerechtigkeit und zugleich der Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen, soweit sie über die geplante Nettoentlastung von 15 Milliarden DM erbracht werden muß. Ein sachlich zutreffender Vergleich von Be- und Entlastungsmaßnahmen darf nicht auf einzelne Rechnungsjahre beschränkt werden, sondern muß einen längeren Zeitraum umfassen. Dies entspricht auch der in der Wirtschaft üblichen Investitions- und Steuerplanung. Die Grundlagen ergeben sich aus der Finanzierungsrechnung. Die Aufkommenszahlen des Finanzierungstableaus ergeben für die Wirtschaft ein nicht zutreffendes, nachteilig verzerrtes Bild. In dem von diesem Tableau abgedeckten Zeitraum dominieren die hohen Einmalbelastungen bzw. die vorgezogenen Belastungswirkungen. Die Zeiträume, in denen sich diese vorübergehenden Belastungen wieder zurückbilden, sind hingegen in dem Tableau nicht enthalten. Die im Finanzierungstableau ausgewiesenen Steuermehr- und Steuermindereinnahmen haben lediglich den Zweck, die Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes auf die öffentlichen Haushalte im Finanzplanungszeitraum darzustellen. In ökonomischer Betrachtung sind die Gesamtwirkungen des Steuerpakets auf die Wirtschaft und insbesondere auf den Mittelstand sehr viel positiver einzuschätzen, als dies bei isolierter Betrachtung des Finanzierungstableaus der Fall zu sein scheint. In ihrem Entschließungsantrag vom 1. Dezember 1998 fordert die F.D.P. neben der Steuersenkung für private Haushalte eine stärkere Nettoentlastung der Wirtschaft. Übersehen oder bewußt unterschlagen wird dabei: Deutschland hat schon die niedrigste Steuerquote in Europa, zwar nicht für Arbeitnehmer, aber für Unternehmen. ({10}) Wer schon jetzt eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM und mehr fordert, ist einfach finanzpolitisch unseriös und sozial blind. ({11}) Alle, die dies tun, nehmen Verschlechterungen der Staatsleistungen in Kauf.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fromme?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bitte sehr, Herr Kollege.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, geben Sie mir recht, daß in Deutschland viele Dinge über die Sozialversicherung finanziert werden, die in anderen Ländern über die Steuer finanziert werden, und daß man deshalb nicht die Steuerquote, sondern nur die Abgabenquote vergleichen kann?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fromme, die Sozialversicherungssysteme sind auch innerhalb der Europäischen Union ausgesprochen unterschiedlich. Aber trotzdem ist festzustellen, daß wir die niedrigste Steuerquote in der Europäischen Union haben und daß die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997 die niedrigste Steuerquote seit Bestehen der Republik, also, seit 1949, hatte. Dies wird sich in diesem Jahr so fortsetzen. ({0}) Das können wir noch nicht ändern. Aber es wird in der Tat irgendwann notwendig, daß die Wirtschaft, insbesondere die Großwirtschaft, wieder ihre Verantwortung für die öffentlichen Haushalte mit übernimmt, ({1}) so daß wir in der Lage sind, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Mittelstand zu entlasten. Denn die ungleiche Verteilung der Steuerbelastung in der Wirtschaft, nämlich zu Lasten des Mittelstandes und zugunsten der bilanzierenden Großindustrie, hat die alte Bundesregierung zu verantworten. ({2}) Senkung der Steuersätze und Verbreiterung der Bemessungsgrundlage sind die zwei Seiten einer Medaille. Wer niedrige und international voll konkurrenzfähige Steuersätze will, kann sich nicht gegen den Abbau zahlloser Sondervorschriften stellen, die unser Steuersystem nach und nach ausgehöhlt haben. Es muß ganz einfach heißen - das versteht auch jeder Mensch -: Wer A sagt, muß auch B sagen. Auch die SPD-regierten Bundesländer unterstützen unsere Steuerreform. Sie sind mit der Bundesregierung der Auffassung, daß die Steuerreform zu einer dauerhaften Entlastung des Mittelstandes führt. ({3}) Dies ist das Ergebnis der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates. Gerade die Bundesländer sind auf eine solide finanzierte Steuerreform angewiesen. Heute soll der Vorläufer zum Gesamtpaket des Steuerentlastungsgesetzes verabschiedet werden. Dieser Vorläufer ist vom Gesamtpaket abgekoppelt worden. Dies war erforderlich, um diejenigen Maßnahmen umzusetzen, die schon dieses Jahr im Gesetz stehen müssen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, gerne, Herr Kollege. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, weil Sie gerade die Finanzministerkonferenz von gestern erwähnen, möchte ich Ihnen eine Frage stellen, die im Haushaltsausschuß weder am Mittwoch noch am Donnerstag beantwortet werden konnte, ({0}) nämlich ob Sie im Zuge der Kindergelderhöhung bereit sind, den § 1 des Finanzausgleichgesetzes zur Anwendung kommen zu lassen, wonach die Lasten der Kindergelderhöhung zu 76 Prozent vom Bund getragen werden ({1}) - oder zu 74 Prozent - und zu 26 Prozent von den Ländern zu tragen sind. ({2})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kalb, in der Tat ist in dem Gesetz festgelegt, daß der Bund zu 74 Prozent und die Länder zu 26 Prozent an den Kindergeldlasten zu beteiligen sind. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Länder sozusagen noch eine Altforderung gegen den alten Bundesfinanzminister erheben, die sich auf 4 Milliarden DM beläuft. ({0}) Dafür sieht sich die neue Bundesregierung nicht in der Verantwortung. ({1}) Ich darf Sie des weiteren darauf aufmerksam machen ({2}) - Herr Kollege Schulhoff, Sie sind doch sonst ein ganz umgänglicher Kerl -, ({3}) daß die Länder in der Tat einen grundgesetzlich verbürgten Anspruch auf Deckung dieser Mehrausgaben für das Kindergeld haben. Das ist unbestritten. Er beläuft sich für das Jahr 1999 auf 1,8 Milliarden DM durch die jetzige Erhöhung und auf 2,2 Milliarden DM aus dem, was die alte Bundesregierung noch nicht getan hat. Das sind zusammen 4 Milliarden DM. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten. Ich darf Sie aber darüber hinaus darauf aufmerksam machen, daß in Art. 106 unserer Verfassung die allgemeine Deckung der Ausgaben und Aufgaben aller Ebenen des Staates normiert ist. Dies ist sozusagen das Dach, das Grundgesetz innerhalb der Finanzverfassung. Darunter gibt es in der Tat auch noch einen Rechtsanspruch der Länder. Aber man muß auch sagen - der liebe Kollege Waigel hat sich ja früher immer über den Tisch ziehen lassen -: Es geht dem Bund schlechter als den Ländern. ({4}) - Herr Kollege Waigel, Sie standen doch vor dem Problem, daß Sie nicht nach Hause hätten kommen dürfen, wenn Sie Herrn Stoiber nicht nachgegeben hätten. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Nachfrage?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, sofort, wenn ich die erste Frage beantwortet habe. - Herr Kalb, bleiben Sie bitte stehen; ich bin mit meiner Antwort noch nicht fertig. ({0}) Deswegen muß der Bund zunächst seinen Anspruch auf die allgemeine Deckung seiner Ausgaben und Aufgaben erfüllt haben. Dann haben die Länder einen weiteren Anspruch. ({1}) - Herr Präsident, ich bin trotzdem noch bei der Beantwortung. Ich darf im übrigen darauf aufmerksam machen, daß im Jahr 1999 das Finanztableau des Steuerentlastungsgesetzes ein Positivsaldo für alle Ebenen des Staates, also für Bund, Länder und Gemeinden, vorsieht. Es kann schlechterdings nicht vernünftig sein, für einen gar nicht entstehenden finanziellen Ausfall eine Deckung zu fordern. Für etwas, das nicht ausfällt, kann man auch keine Kompensation fordern. ({2}) - Schon in Ordnung! Ich mache jetzt weiter. Im einzelnen sind folgende Maßnahmen in dem heute zur Abstimmung anstehenden Gesetzentwurf vorgesehen: die Senkung des Eingangsteuersatzes von 25,9 auf 23,9 Prozent, die Erhöhung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um je 30 DM monatlich, die Auszahlung des Kindergeldes in allen Fällen durch die Familienkassen. Bereits für den Monat Januar 1999 sollen die Arbeitgeber auf der Grundlage des neuen Einkommensteuertarifs die Lohnsteuer berechnen und die Arbeitnehmer entlasten. Die Vorarbeiten zum Lohnsteuerabzug sind bereits angelaufen. Die Bundesregierung war sich der Dringlichkeit natürlich bewußt. Die Verwaltung ist bereits mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 13. November 1998 beauftragt worden, die zum 1. Januar 1999 wirksam werdenden Tabellenänderungen schon vor dem Gesetzesbeschluß umzusetzen. Die maßgebenden Programmabläufe sind bereits angefertigt und können von den Internet-Seiten des Bundesfinanzministeriums heruntergeladen werden. Die daneben bedeutsamen Tabellen der Privatverlage werden in Kürze ausgeliefert. Auch das Kindergeld soll schon ab Januar kommenden Jahres beim ersten und zweiten Kind in Höhe von 250 DM monatlich ausgezahlt werden. Weiterhin sollen auf Wusch der Wirtschaft die Familienkassen die Kindergeldauszahlung zum 1. Januar 1999 vollständig übernehmen. Auch das haben wir so geregelt. Ein neuer Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes ist nicht erforderlich. Der Kindergeldempfänger muß der Familienkasse nur eine eventuell geänderte Kontonummer mitteilen. Dazu erhalten diejenigen Arbeitnehmer der Privatwirtschaft, deren Kindergeld bisher vom Arbeitgeber ausgezahlt wurde, einen Brief von der Familienkasse. Die Versendung der Briefe ist bereits im Gange und wird spätestens am 7. Dezember, also in drei Tagen, abgeschlossen sein. Die Kindergeldempfänger können so pünktlich das erhöhte Kindergeld für Januar erhalten. Je nach der Endziffer der Kindergeldnummer wird das Kindergeld ab dem 5. Januar bis zum 22. Januar 1999 ausgezahlt. Das ist also ein sehr rationales und nachvollziehbares Verfahren. ({3}) Das bedeutet eine regelmäßig frühere Auszahlung als die bisherige zusammen mit dem Gehalt durch den Arbeitgeber am Ende des Monats. Von einer Zeitung geweckte Zweifel, daß die Umstellung nicht klappen könnte, sind völlig unberechtigt. Ich sage dies ausdrücklich an alle Leserinnen und Leser dieser Zeitung, die dadurch in den vergangenen Tagen möglicherweise beunruhigt wurden. ({4}) Beim Investitionszulagengesetz 1996 und dem Fördergebietsgesetz besteht ein unmittelbarer Handlungsbedarf. Die Ergebnisse von zwei Hauptprüfverfahren der Europäischen Kommission, die mit Wirkung von Anfang September 1998 zuungunsten der Bundesrepublik Deutschland entschieden worden sind, müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Der Vorwurf der Opposition, der Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes enthalte keinen ausreichenden Dekkungsvorschlag und sei nicht mit der Haushaltslage des Bundes in den kommenden Jahren vereinbar, ist völlig unbegründet. ({5}) Der Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes enthält fast 80 Gegenfinanzierungsmaßnahmen im Gesamtvolumen von über 10 Milliarden DM schon für das nächste Jahr, ansteigend bis auf über 41 Milliarden DM im Jahre 2002. Die in dem heutigen Gesetz enthaltenen Entlastungen können dadurch mehr als gedeckt werden. Die in § 96 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages genannte Bedingung, daß Möglichkeiten künftiger Deckung aufzuzeigen sind, wurde selbstverständlich erfüllt. Dies wird im Bericht des Haushaltsausschusses eindeutig festgestellt. Die Voraussetzungen für eine Beratung der Vorlage sind damit natürlich gegeben. Die Einwände der Opposition sind lediglich billige, formale Tricks, mit denen verhindert werden soll, daß Familien mit Kindern und Normalverdiener zum 1. Januar 1999 eine Entlastung erhalten, die ihnen zusteht. ({6}) - Ja, so ist es, Frau Kollegin Matthäus-Maier: Die gönnen denen das nicht. ({7}) Die heutigen Oppositionsfraktionen haben den Arbeitnehmern über viele Jahre Steuerentlastungen vorenthalten und lieber ihre Klientel der Unternehmer und Großverdiener entlastet. Dies muß ein Ende haben. ({8}) Auch durch juristische Winkelzüge und Geschäftsordnungstricks wird es der Opposition nicht mehr gelingen, Steuergerechtigkeit in unserem Land zu verhindern. ({9}) Alles, was nicht zum heutigen Gesetzentwurf gehört, soll im Gesamtentwurf im März 1999 - weitestgehend rückwirkend zum 1. Januar 1999 - beschlossen werden. Das betrifft auch die Maßnahmen zur Finanzierung im Bereich der steuerlichen Bemessungsgrundlage einschließlich der Finanzierung der ersten Stufe der Steuerreform. Die im Gesamtentwurf vorgesehenen Finanzierungsmaßnahmen werden im Lichte der Ergebnisse des öffentlichen Hearings, das der Finanzausschuß am Montag und Dienstag nächster Woche durchführt, vertieft beraten werden. In Einzelpunkten wird es sicherlich Korrekturen geben müssen. Natürlich sollen Alternativen untersucht werden, die allerdings mit den gesetzten Zielen der Gesetzesvorlage übereinstimmen müssen. Werden geplante Finanzierungsmaßnahmen wieder herausgenommen oder gemildert oder sonst wie geändert, muß die dadurch aufgerissene Lücke durch eine andere Maßnahme geschlossen werden. Wir werden jetzt das verwirklichen, was die alte Regierung in 16 Jahren nicht auf die Reihe bekommen hat: eine spürbare Entlastung der Familien und der Arbeitnehmer. Kleine und mittlere Einkommen waren lange genug der Lastesel der Nation. Das soll nun anders werden. Hierzu machen wir mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999 den ersten Schritt. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention erhält Kollege Carl-Ludwig Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, dann haben Sie erklärt, daß die alte Koalition den Verlustrücktrag habe abschaffen wollen. Ich glaube, das haben Sie so gesagt. Da möchte ich Sie korrigieren. Nach Ihrem Gesetzentwurf wird in § 10d Abs. 1 EStG schon in diesem und im nächsten Jahr der Verlustrücktrag von 10 auf 2 Millionen DM reduziert und ab 2001 komplett abgeschafft. Ausweislich der Drucksache 13/8020 vom 24. Juni 1997 zum Steuerreformgesetz 1998, die ich Ihnen gleich geben werde, hatte die alte Koalition die Beibehaltung des Verlustrücktrages in Höhe von 10 Millionen DM für ein Jahr beschlossen. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das genau das entlarvt, was Sie immer hier betreiben? ({0}) Sie reden von Verlustrücktrag unter dem Gesichtspunkt des Mittelstandes. Sie halten uns vor, wir seien mittelstandsfeindlich, und bringen das Beispiel des Verlustrücktrages. Was tun wir? Wir sagen: Für zwei Jahre bleibt der Verlustrücktrag in Höhe von 2 Millionen DM erhalten. Das ist doch wohl eine Größenordnung, die mittelstandsfreundlich ist. ({1}) Sie dagegen wollten den Verlustrücktrag und damit die Begünstigung der entsprechenden Bereiche nur für ein Jahr in Höhe von 10 Millionen DM erhalten und darüber hinaus abschaffen. Ich habe im übrigen darauf hingewiesen, daß Sie auch den Verlustvortrag - nach meiner Erinnerung jedenfalls - deutlich einschränken, wenn nicht sogar ganz abschaffen wollten. Wir allerdings erhalten den Verlustvortrag in unbegrenzter Höhe. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Meine Herren Kollegen, weil Sie sich so erregen: Es ist üblich, daß der Angesprochene auf eine Kurzintervention reagieren kann. Frau Kollegin Hendricks war etwas sehr eilig; ich kam gar nicht mehr dazu, ihr das Wort zu erteilen. ({0}) Ich stelle fest: Sie war zu schnell. Dieses Temperament bitte ich demnächst zu zügeln. Nun hat der Finanzminister des Freistaates Bayern, Kurt Faltlhauser, das Wort. Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin entgegen der ursprünglich vorgesehenen Reihenfolge jetzt spontan an dieses Rednerpult gegangen, um deutlich zu machen, daß das, was die Frau Staatssekretärin Hendricks hier vorgetragen hat, in keiner Weise der Rechtssituation und den Tatsachen entspricht. ({2}) Es sind die Tage der Stilbrüche. Nicht nur, daß der Finanzminister selbst nicht hier sitzt ({3}) ich darf Ihnen von einem anderen Stilbruch berichten. Wir hatten vorgestern eine Sitzung des sogenannten Finanzplanungsrates, eines im Haushaltsgrundsätzegesetz festgelegten Gremiums, in dem sich Bund, Länder und Kommunen über die zukünftigen Finanzplanungen austauschen, über Parteigrenzen und über die Ebenen der Politik hinweg. Wenige Tage vorher hat es Herr Lafontaine für richtig gehalten, seine SPD-Kollegen nach Düsseldorf einzuladen, pikanterweise in die Räume einer Großbank - ebenfalls eine Stilfrage -, ({4}) um mit ihnen separat genau das zu verhandeln, was eigentlich an den Ort des Finanzplanungsrates gehört hätte: Im Finanzplanungsrat haben die Gemeinden ihre Zahlen vorgelegt, haben die Länder ihre Zahlen vorgelegt; doch an den Stellen, an denen der Bund seine Planungen für die Abstimmung hätte darlegen sollen, standen durchweg nur Pünktchen. Das nennt man „Pünktchenplanung“. Nicht einmal Eckpunkte sind vorgelegt worden. So werden vom Stil her die gesetzlich vorgeschriebenen Institutionen ausgehöhlt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Faltlhauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß? Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({0}): Bei Ihnen, Herr Kollege Poß, besonders gerne.

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Faltlhauser, ist Ihnen sowohl als langjähriger erfahrener Finanzpolitiker des Bundestages als auch als jetziger Staatsminister des Freistaates Bayern nicht bekannt, daß Ihr Kollege Schleußer die SPD-Finanzminister mindestens einmal jährlich zu einer Klausurtagung zusammenholt, daß er dies auch am letzten Donnerstag getan, daß er nach Düsseldorf eingeladen hat, daß die Einladung zu diesem turnusmäßigen Treffen also nicht Herr Lafontaine ausgesprochen hat? Erfreulich im Gegensatz zu den vorherigen Treffen ist nur, daß dieses Mal die SPD den Bundesfinanzminister stellt. ({0}) Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({1}): Diese Auskunft versuchte mir der von mir hochgeschätzte Kollege Schleußer auch schon zu geben. Aber intern weiß jeder: Das war eine Notzusammenkunft, weil man sich untereinander nicht einig war. Das ist der eigentliche Punkt. ({2}) Herr Kollege Poß, der Sachverhalt bleibt der gleiche. In dem Gremium, in dem eigentlich nach dem Gesetz die Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfolgen sollte, und zwar sachkundig und auf der Basis von präzisen Unterlagen, konnte eine Abstimmung nicht erfolgen, weil erstens keine Zahlen des Bundes vorlagen und weil der Bund zweitens dies auch gar nicht wollte; denn er hatte seine inhaltlichen Festlegungen schon mit den SPD-Kollegen getroffen. Das ist das gleiche, was der ehemalige Finanzminister Waigel mit Recht beklagt: daß der Ecofin-Rat auch schon beginnt, Fraktionsbildungen zu betreiben, und daß es Vorbesprechungen unter sozialdemokratischen Finanzministern gibt. Man will also offenbar nicht nur diesen Staat, sondern auch Europa zur Parteiveranstaltung machen. ({3}) Nun komme ich zu dem, was die Frau Kollegin Hendricks gesagt hat. Frau Kollegin Hendricks hat ausdrücklich noch einmal bestätigt: Die Länder haben entsprechend Art. 106 Abs. 3 GG und auf der Grundlage des § 1 des Finanzausgleichsgesetzes einen Rechtsanspruch auf die Erstattung der Ausfälle auf Grund der Kindergeldzahlungen. Ich wiederhole es - das habe ich bei der ersten Lesung auch schon gesagt -: Diesen Anspruch hat die damalige Opposition, insbesondere Herr Kollege Schleußer, durchgesetzt. ({4}) Er hat ihn deshalb durchgesetzt, weil dieser Ausgleich eben nicht in die allgemeine Deckungsquote hineingerechnet werden darf. Dies ist deshalb so geregelt worden, weil man es separat abrechnen wollte. Herr ehemaliger Ministerpräsident und jetziger Bundeskanzler, Herr Schröder, ich hoffe, daß Sie sich daran erinnern; denn es war eine wichtige Sache. Man wollte das unbedingt vorher separat abrechnen. Deshalb wurde dies sowohl im Grundgesetz als auch im Finanzausgleichsgesetz so verankert. Das ist eindeutig. ({5}) Jetzt ist folgendes festzustellen: Selbstverständlich sagen alle Länder - in der gestrigen Finanzministerkonferenz auch die A-Länder -: ({6}) Diese 1,8 Milliarden DM wollen wir - der Kollege Kalb hat zu Recht gerade nachgefragt - spitz gerechnet ausgezahlt bekommen; wir haben ein Anrecht darauf. Sie haben wiederum betont: Es gibt keine separate Abrechnung. Das geht in die allgemeine Deckungsquote ein. Dies hat Finanzminister Lafontaine auf meine ausdrückStaatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({7}) liche Nachfrage im Finanzplanungsrat auch gesagt. Ich habe ihn gefragt: Wollen Sie diese 1,8 Milliarden DM entsprechend der Rechtsgrundlage an die Länder zahlen oder nicht? Er hat geantwortet: Nein. Er wird sie nicht ausbezahlen. Er wird sie in die trübe Suppe der Verhandlungen über die Deckungsquote hineinnehmen. Wenn dies so gemacht wird - Frau Kollegin Hendricks, Sie haben das durch Ihre Rede bestätigt -, ist das schlicht Rechtsbruch. ({8}) Es kommt also nicht nur täglich zu Stilbrüchen - hier sitzt kein Finanzminister, man hält separate Veranstaltungen ab -, sondern es wird auch Rechtsbruch begangen. Ich glaube, die Öffentlichkeit sollte allmählich darauf aufmerksam gemacht werden. Das will ich im Namen aller Länder, die ein Interesse daran haben, die ein Anrecht darauf haben, in aller Deutlichkeit betonen. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Klaus Müller vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung, Herr Faltlhauser: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. ({0}) Ich erinnere an die Ausführungen von Frau Hendricks, was im Bereich Kindergeld in den letzten Jahren passiert ist. Wie schon in der Debatte um das Einwanderungsgesetz wird auch im Entschließungsantrag der F.D.P. zum Steuerentlastungsgesetz deutlich, daß die Liberalen im Begriff sind, einen ökologischen Weg einzuschlagen. Grüne begrüßen ja bekanntlich Wiederverwertung. Nur drängt sich beim Ideenrecycling die Sorge auf, Ihre Fraktion könnte möglicherweise so ausgelaugt sein, daß sie schon auf Briefe sozialdemokratischer Ministerpräsidenten zurückgreifen müssen. ({1}) Ein wichtiger Punkt hierbei ist, daß Recycling nie zu 100 Prozent möglich ist. So ist es immer interessant, welche Bestandteile nicht wiederverwertet worden sind, besonders dann, wenn Sie eine Recyclingquote von immerhin 79 Prozent erreicht haben. Ich finde also nicht interessant, was Sie beantragen - die Ideen sind ja bekannt -, sondern interessant ist, was Sie nicht beantragen. Ich nenne drei Beispiele, wo Ihr Antrag von dem Brief des Ministerpräsidenten Clement abweicht: Erstens. Wie immer versuchen Sie wortstark, Ihrem Image als Steuerentlastungspartei gerecht zu werden. So auch hier, wenn Sie wie Herr Clement eine steuerliche Nettoentlastung der mittelständischen Unternehmen einfordern. Wer wäre nicht für eine steuerliche Entlastung der Unternehmen? ({2}) Eine entscheidende Passage von Herrn Clement lassen Sie dabei aber unter den Tisch fallen. Ich zitiere: Natürlich bleibt es eine Gratwanderung, die notwendigen Steuerentlastungen mit der angespannten Finanzsituation der öffentlichen Haushalte in Einklang zu bringen. So Herr Clement. Aber nichts davon ist bei der F.D.P. zu lesen. Zweitens. Eine weitere Auslassung nehmen Sie bei einem der konkreten Vorschläge von Herrn Clement vor. Herr Clement sagt beispielsweise, die individuelle Durchschnittssteuerbelastung der Unternehmen solle um 10 Prozentpunkte gesenkt werden. Daß Sie natürlich diesen Vorschlag in Ihrem Antrag nicht aufgreifen, kann an zwei Gründen liegen: Zum einen ist der F.D.P., wie wir aus dem Finanzausschuß wissen, eine Argumentation, die sich auf Durchschnittssteuersätze bezieht, fremd. Zum anderen ist es das Ziel von Herrn Clement, die entstehende Entlastung gleichmäßiger auf alle Unternehmen, nicht nur auf ca. 13 Prozent mit den höchsten Gewinnen, zu verteilen. Auch das ist nicht unbedingt O-Ton F.D.P. Als drittes und letztes Beispiel für leider unverwertete Passagen aus dem nordrhein-westfälischen Brief möchte ich noch folgenden Satz anbringen. Herr Clement schreibt dort: Grundsätzlich muß dabei - bei der Gegenfinanzierung gelten, daß keiner Interessengruppe Sonderrechte eingeräumt werden. Auch dies haben Sie bewußt ausgespart. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., spricht für sich. Bemerkenswert finde ich den von Herrn Clement geäußerten Hinweis, daß Tarifbegrenzungsregelungen keine allgemein mittelstandsfördernde Wirkung haben. Für eine steuerliche Entlastung würde dann ein Mindestgewinn von 100 000 DM notwendig sein. Der Adressatenkreis wäre ziemlich klein. Kleine Unternehmen erführen gar keine Entlastung. Darüber werden wir in den kommenden Beratungen noch zu reden haben. In Ihrem Entschließungsantrag merken Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., kritisch an, Steuerentlastungen für private Haushalte seien zwar wichtig, mit Blick auf die Arbeitsmarktsituation seien aber auch Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser ({3}) Nettoentlastungen für die Wirtschaft vorzusehen. Steuerentlastungen privater Haushalte sind mit Blick auf die Lohnforderungen auch eine Entlastung der Wirtschaft. Die Arbeitgeber fordern eine spürbare Senkung der Arbeitskosten. Das ist nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der in erster Linie den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zugute kommt, ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Mit Blick auf das Bündnis für Arbeit scheint mir deshalb schon dieses Vorläufergesetz eine gute Vorarbeit zu sein. Die Nettolöhne und das Kindergeld steigen ab dem 1. Januar nächsten Jahres. ({4}) Wir schaffen somit die Voraussetzung für eine maßvolle Lohnpolitik bei gleichzeitig steigendem Nettoeinkommen. Hinzu kommt, daß die Lohnnebenkosten bis zum Ende der Legislaturperiode auf unter 40 Prozentpunkte sinken werden. Auch davon profitieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber. ({5}) Nur, die von Ihnen geforderte Absenkung der Spitzensteuersätze auf unter 40 Prozentpunkte bei der Einkommensteuer und auf unter 30 Prozentpunkte bei der Körperschaftsteuer sind derzeit leider schlicht nicht finanzierbar. Die Waigel-Löcher bieten, anders als die Schlupflöcher, derzeit keine Gestaltungsfreiräume.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Müller, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kollege Müller, da Sie angeführt haben, welche Teile des Briefes von Herrn Clement wir in unserem Antrag nicht erwähnt haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie auf der anderen Seite froh sind, daß wir die Äußerungen, die zum Beispiel Ministerpräsidentin Simonis gemacht hat - die ja Chefin einer Landesregierung ist, die von Rotgrün getragen wird - oder die Äußerungen anderer Ministerpräsidenten nicht auch noch zum Antrag gemacht haben.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Koppelin, ich bin froh, daß Sie Frau Simonis und die anderen Ministerpräsidenten der SPD noch einmal erwähnt haben. Ich bedauere, daß Sie das nicht gemacht haben; denn dann wäre hier eine sehr lebhafte politische Debatte über eigene Vorstellungen der F.D.P. möglich gewesen; ({0}) da hätten Sie vielleicht nicht nur recycelt und anderes abgeschrieben, sondern eigene Akzente in der Steuerpolitik gesetzt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Müller, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber natürlich; von Herrn Koppelin doch immer.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kollege Müller, da auch ich eine solche lebhafte Debatte begrüßt hätte, frage ich Sie: Bedauern Sie ebenso wie ich, daß Frau Simonis und auch Herr Clement hier heute nicht anwesend sind? ({0})

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin sicher, daß sowohl Frau Simonis als auch Herr Clement genügend Möglichkeiten hätten, sich hier Gehör zu verschaffen. Das haben sie in der letzten Zeit über die Presse getan. Wir nehmen das zur Kenntnis. Ich finde, die Repräsentanz der Bundesregierung ist ausreichend und zufriedenstellend; das ist doch prima. ({0}) Die wesentlichen Punkte des Vorläufers hat meine Kollegin Scheel in ihrer Rede bereits genannt. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch auf einen weiteren Punkt einzugehen, der aus meiner Sicht zumindest diskussionswürdig ist. In den Koalitionsvereinbarungen haben wir uns mit der SPD darauf geeinigt, den Splittingvorteil auf maximal 8 000 DM im Jahr zu begrenzen. Dies ist in dem uns vorliegenden Steuerentlastungsgesetz leider nicht gelungen, da kein Ehepaar schlechtergestellt werden soll als ein geschiedenes Paar. Auch unser Ziel der Steuervereinfachung ist an diesem Punkt noch nicht ganz erreicht. Natürlich kann es nicht sein, daß Geschiedene bessergestellt werden als Verheiratete. Bündnis 90/Die Grünen halten aber eine Fixierung auf eheliche Gemeinschaften für unzeitgemäß. Es gibt Ledige, Alleinerziehende, unverheiratete Paare mit Kindern, unverheiratete hetero- oder homosexuelle Paare und viele andere mehr. Die Palette der Lebensformen ist bunter geworden. Die steuerliche Benachteiligung dieser Lebensformen gegenüber der Ehe gehört deshalb in die Mottenkiste. ({1}) Das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist von 1957. In den letzten 41 Jahren hat sich viel getan. Das kann doch am Steuerrecht nicht spurlos vorbeigegangen sein. Klaus Wolfgang Müller ({2}) Dies hat auch der Bundesratsausschuß für Frauen und Jugend in seiner gestrigen Sitzung bemängelt. Statt des im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen fiktiven Realsplittings wird eine steuer- und familienpolitisch gerechte Lösung gefordert, die Eheleute, ob geschieden, zusammen- oder getrenntlebend, gleichstellt. Dieser Beschluß basiert auf einem Antrag aus dem rotgrün regierten Hamburg, durch den der Splittingvorteil auf das derzeitige Realsplitting begrenzt wird. Das Realsplitting wird in der gegenwärtigen Rechtslage auf getrenntlebende oder geschiedene Paare angewendet. Damit können Unterhaltszahlungen von bis zu 27 000 DM von dem zu versteuernden Einkommen des Gebers abgezogen werden. Beim Unterhaltsempfänger ist dann die Zahlung als Einkommen zu versteuern. Damit kommt es zu einem Splittingvorteil, der allerdings geringer ausfällt als bei bisher verheirateten Paaren. Der Bundesratsausschuß schlägt nun ebenso wie das DIW vor, diese Regelung auf Eheleute auszuweiten. Damit käme es zu einem Wandel des Steuerrechts, der einer modernen Rollenverteilung bei der Erwerbs- und Familienarbeit Rechnung trägt. ({3}) Bei einer solchen aufkommensneutralen Gestaltung wäre somit eine zielgerichtete Familienförderung auch über die Einkommensteuerpolitik durchaus möglich. Ein weiterer kleiner Wermutstropfen in dem Steuerpaket, über das wir diskutieren, ist die Frage der Kilometerpauschale. Vereinbart war im Koalitionsvertrag die Umwandlung in eine Entfernungspauschale. Auch hieran werden wir in den kommenden Monaten noch arbeiten müssen, um dies tatsächlich realisieren zu können. Lassen Sie mich zum Schluß noch zu der Mehrwertsteuerdebatte, die ab und zu mal von der rechten Seite des Hauses hochgezogen wird, klarstellen: Sie steht weder heute noch morgen auf unserer Agenda. Im Gegensatz zu den Petersberger Beschlüssen der abgewählten Regierung ist unsere Steuerreform seriös finanziert; sie kommt ohne unsoziale Mehrwertsteuererhöhungen aus. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Peter Jacoby von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf das zurückkommen, was Frau Staatssekretärin Hendricks eben dargelegt hat. Ich will in diesem Zusammenhang an die steuerpolitischen Debatten der letzten Legislaturperiode anknüpfen. Der Ausgangspunkt war, daß die damalige Opposition vehement dafür eingetreten ist, daß die Steuervorschläge von Professor Bareis und seiner Kommission seitens der früheren Bundesregierung aufgegriffen werden sollten. ({0}) Wir haben das getan. Aber Sie haben die Umsetzung blockiert. Heute legen Sie einen eigenen Entwurf vor, zu dem Professor Bareis sagt: Dieser vorliegende Entwurf ist halbherzig und unausgegoren. ({1}) Das ist der zentrale Bruch in Ihrer Argumentation. ({2}) Diese Kritik wird ja nicht nur von einzelnen, sondern auch vom Sachverständigenrat und von den sechs wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten geteilt, im übrigen auch von allen Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft, mit denen sich der jetzige Bundeskanzler Schröder in den Wochen des Wahlkampfes geschmückt hat, angefangen von Roland Berger bis hin zu Herrn Stollmann. Jetzt, Frau Hendricks, komme ich zu einem Punkt, über den Sie sich nicht einfach hinwegsetzen können. Was sagen Sie zu dem, was dieser Tage Professor Homburg, ({3}) Inhaber des Lehrstuhls für öffentliche Finanzen in Hannover und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzminister, schriftlich dargelegt hat? Er hat folgendes geschrieben: ({4}) Werden diese Pläne, an deren Entstehung weder die Beamten des Bundesfinanzministeriums noch andere Fachleute maßgeblich beteiligt waren, jetzt durchgepeitscht, wird dies negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Eine solide und durchdachte Steuerreform im kommenden Jahr wäre allemal besser als die hektische Umsetzung des jetzt vorgelegten Pakets. ({5}) Das hat er Ihnen, Frau Hendricks, ins Stammbuch geschrieben. ({6}) Jetzt komme ich auf eine zweite Argumentation zu sprechen, die von Frau Hendricks eingeführt wurde. Sie sagen zur Höhe der Steuerquote - das hat Herr Lafontaine in den letzten Debatten schon getan -: Hinsichtlich der Steuerquote liegen wir im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Die Argumentation all der Sachverständigen, bis hin zu der von Ministerpräsident Clement, ist also falsch, die besagt: Wir müssen mehr für den Mittelstand und die Wirtschaft und damit für InvestitioKlaus Wolfgang Müller ({7}) nen und Arbeitsplätze tun, weil letztendlich nur die Maßnahmen sozial sind, die Beschäftigung schaffen. Sie beziehen sich aber nur auf die Steuerquote. ({8}) - Lassen Sie mich noch einen Moment im Zusammenhang mit Ihrer Argumentation antworten, Frau Hendricks. Herr Kollege Austermann, einen kleinen Moment bitte, ich möchte noch kurz beim Thema Steuerquote bleiben. Ich will Ihnen deutlich sagen, daß ein Vergleich der Steuerquoten auf europäischer Ebene allein schon deshalb unangemessen ist, weil er überhaupt nichts hinsichtlich der Besteuerung einzelner Einkommensarten aussagt. ({9}) Zum ersten gibt es in Dänemark deshalb eine hohe Steuerquote, weil dort die Sozialleistungen über Steuern finanziert werden. Hier in Deutschland führen Sie aber eine ganz andere Diskussion, nämlich die Diskussion über die versicherungsfremden Leistungen. Das ist doch ein Widerspruch. ({10}) Zum zweiten gibt es in anderen europäischen Ländern höhere Mehrwertsteuersätze. Auch diese müssen bei der Steuerquote berücksichtigt werden. Deshalb sage ich Ihnen: Ein Vergleich der Steuerquoten sagt überhaupt nichts aus über die tatsächliche Besteuerung, über die Körperschaftsteuersätze und über die Tarife insgesamt. Zum dritten erleben wir, daß ein Land wie Großbritannien mit einer geringen Steuerquote schon zweimal die Körperschaftsteuer unter der Regierung von Tony Blair gesenkt hat - immer mit dem Ziel, mehr Investitionen und damit mehr Arbeitsplätze zu erreichen. Das ist und bleibt für uns der Ausgangspunkt, egal ob es sich um den ersten oder zweiten Vorläufer oder um das Gesamtpaket des Steuerentlastungsgesetzes handelt. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jacoby, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Hendricks?

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jacoby, da Sie mich direkt angesprochen haben, möchte ich in Form einer Frage reagieren. Sind Sie mit mir der Meinung, daß ich keine andere Aussage zur Steuerquote als die gemacht habe, daß es selbstverständlich richtig ist, daß in die Steuerquote - da sind Sie doch ganz gewiß mit mir einer Meinung - alle möglichen Steuerarten und Belastungsunterschiede eingehen, so daß das, was Sie gerade gesagt haben, überhaupt keine Aussage über die Höhe der Belastung der deutschen Wirtschaft zuläßt? Auch nach den Zahlen von Eurostat, das alle Statistiken in Europa auf einen gleichen Level bringt, ist die deutsche Wirtschaft unterproportional belastet. ({0}) Das gilt insbesondere für die bilanzierende Großindustrie; da sind Sie doch hoffentlich mit mir einer Meinung. Dies werden wir, wie ich denke, ändern müssen. Ich möchte Sie aber bitten, auch noch zur Kenntnis zu nehmen - ({1}) - Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich es als Parlamentarische Staatssekretärin einfach nicht so stehenlassen kann, wenn Sie sagen, die Beamten des Finanzministeriums und andere Fachleute seien nicht an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes beteiligt gewesen? ({2}) - Ich hatte den Satz eingeleitet mit „Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen“. Haben Sie das verstanden, Herr Kollege Austermann? Das ist auch eine Frage. ({3}) Würden Sie es bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich es auch als Zitat von Herrn Professor Homburg nicht stehenlassen kann, daß die Beamten des Finanzministeriums nicht an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes beteiligt gewesen seien? Nehmen Sie bitte zur Kenntnis - ({4}) - Würden Sie es bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir aus den Anhörungen sehr wohl wissen, wie die Äußerungen von Herrn Professor Homburg zu bewerten sind? ({5})

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt eine ganze Fülle von ({0}) Gesichtspunkten noch einmal eingebracht. Ich möchte auf all diese Gesichtspunkte antworten. Erstens. Die Art und Weise der Vorbereitung Ihres Gesetzentwurfes haben wir allerdings in dieser Woche in den beteiligten Ausschüssen des Deutschen Bundestages sattsam erlebt. Die Öffentlichkeit hat mittlerweile von diesem Chaos Kenntnis genommen. ({1}) Zweitens. Unser Anliegen ist, daß die Ansätze, die uns schon in der letzten Legislaturperiode zu einer Steuerreform geführt haben, jetzt nicht ganz verlorengehen. Wir beziehen uns dabei auf Kronzeugen aus Ihren eigenen Reihen. Jetzt stelle ich Ihnen eine Gegenfrage, die aber eine Antwort darstellt. In Ihrem „Eckwertepapier einer sozialdemokratischen Modernisierungs- und Reformpolitik“ formulierte der seinerzeitige Ministerpräsident und jetzige Bundeskanzler Schröder heute vor einem Jahr folgendes: ({2}) Privates Kapital meidet seit Jahren Deutschland als Investitionsstandort, weil hier die nominalen Steuersätze im europäischen Vergleich nicht wettbewerbsfähig sind. ({3}) Die ausländischen Investitionen in Deutschland sind inzwischen auf einen historischen Tiefstand gesunken. Diese Hindernisse werden wir beseitigen. Das hat Herr Schröder vor einem Jahr schriftlich niedergelegt, und heute wollen Sie Argumentationen bis hin zur Argumentation von Herrn Clement, daß im nächsten Jahr der Mittelstand und die Wirtschaft um 10 Milliarden DM ({4}) und in den nächsten drei Jahren um 30 Milliarden DM belastet werden - nicht entlastet werden -, mit Floskeln vom Tisch wischen. Das ist im Blick auf Investitionen, Arbeitsplätze und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schädlich. Um diesen Zusammenhang geht es. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? - Bitte.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jacoby, nachdem sich die Frau Kollegin Hendricks wieder gesetzt hat - weshalb Sie keine weitere Gelegenheit zur Beantwortung ihrer Frage hatten -, stelle ich die Frage erneut: Können Sie bejahen, daß Frau Kollegin Hendricks eine erschreckende Unkenntnis an den Tag gelegt hat, als sie die Steuerquote in Verbindung mit der Umsatzsteuer genannt hat? Da die Umsatzsteuer aber keine Belastung für die deutschen Unternehmen darstellt, ist es nicht statthaft, von einer solchen Differenz zwischen den Steuerquoten Deutschlands und der anderen europäischen Länder zu sprechen. ({0})

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Michelbach, ich möchte noch einmal bestätigen, daß Frau Staatssekretärin Hendricks Vergleichsmaßstäbe bemüht hat, die nicht richtig sind, und daß sie deshalb zu falschen Schlußfolgerungen kommt. Mit diesen falschen Schlußfolgerungen setzen wir uns in dieser Debatte im Deutschen Bundestag politisch auseinander. Das ist der Zusammenhang, um den es geht. ({0}) Deshalb stellen wir fest: Sie verlassen Ihre eigenen Ansätze und Ihre Kritik aus der Vergangenheit. Sie verabsäumen die Belange derjenigen, die nicht um ihrer selbst willen gestärkt werden sollten, sondern um deren Investitionen und Engagement willen, das wir für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland brauchen. Die von Ihnen heute vorgenommenen sogenannten Entlastungen, nämlich die Senkung des Eingangssteuersatzes und die Kindergelderhöhung, sind letztendlich, wie es vorhin schon meine Kollegin Hasselfeldt gesagt hat, nichts anderes als ein Etikettenschwindel. Dies führt für die Familien in Deutschland zu keiner Nettoentlastung. Denn all das, was Sie heute verabschieden wollen, wird nächstens durch das kompensiert, ({1}) was Sie hier an sogenannten Ökosteuern veranlassen, ({2}) nämlich durch mehr Zuzahlungen der Familien im nächsten Jahr in einer Größenordnung von 3 Milliarden DM. Das ist der Zusammenhang. ({3}) Deshalb nehmen die Stimmen aus Ihrem Bereich zu damit möchte ich schließen -, ({4}) die Ihre Politik in Frage stellen und kritisieren. Es ist ja nicht nur Ministerpräsident Clement, der mit Blick auf die unzureichenden Maßnahmen hinsichtlich des Handwerks, des Mittelstands, des Kleingewerbebereiches und dergleichen argumentiert. ({5}) Ich lese vielmehr dieser Tage in einer überregionalen Tageszeitung folgendes: Der Fraktionsvorsitzende der SPD im niedersächsischen Landtag, Herr Bundeskanzler, sagt, ({6}) es sei fahrlässig, daß in diesen Wochen ausschließlich über Einnahmeerhöhungen statt über Ausgabenkürzungen diskutiert werde. ({7}) In diesem Zusammenhang wolle er noch nicht einmal den Verzicht auf ein höheres Kindergeld ausschließen, ({8}) zumal dessen Wirkung ja gar keine Wohltat sei. - So also die Stimmen aus Ihrem Bereich. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jacoby, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Jacoby, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf zur ökologischen Steuerreform die im Rahmen einer höheren Energiebesteuerung vorgesehenen Steuereinnahmen durch die Senkung der Lohnnebenkosten vollkommen zurückgegeben werden und daß die Finanzierung des Kindergeldes davon vollkommen unabhängig erfolgt? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jacoby, ich bitte Sie, nach der Antwort gleich zum Schluß zu kommen.

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl. Ich will Ihnen wie folgt antworten: Die Umfinanzierung in Richtung Sozialversicherung trifft nur jene Arbeitsplatzbesitzer, die ihrerseits der Sozialversicherungspflichtigkeit unterliegen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Gruppen, die Sie in Ihren Plänen schlichtweg vergessen und aus Ihrem Blickfeld gerückt haben. Dies sind Alleinerziehende, Rentner und Studenten, ({0}) die nicht der Sozialversicherungspflichtigkeit unterliegen und nichts davon haben, daß Sie nächstens eine gigantische Umfinanzierung in Gang setzen, und über deren soziale Belange Sie sich hinwegsetzen. Das ist ein Mißstand, um den es ebenfalls geht. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage von Herrn Müller?

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Müller.

Klaus Wolfgang Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003195, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in einer zweiten Stufe, die im Koalitionsvertrag verankert ist, für die Gruppen, die Sie gerade angesprochen haben, soziale Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind, daß für Rentnerinnen und Rentner durch die Erhöhung der Nettoeinkommen ein Jahr später und für Sozialhilfeempfänger durch eine Erhöhung der Warmmiete ebenfalls eine Entlastung erfolgt? ({0})

Peter Jacoby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002690, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will Sie darauf hinweisen, daß dieser Tage zum Beispiel Frau Scheel, die Vorsitzende des Finanzausschusses, ihrerseits öffentlich gesagt hat: Die Maßnahmen, so wie sie bisher vorgesehen seien, würden nicht ausreichen; man müsse zusätzlich etwas tun. Ihre Frage ist mir noch einmal Veranlassung, auf folgendes hinzuweisen: Ihre Entwürfe sind zunächst einmal höchst fragwürdig und höchst kritisierbar. Wir sind es gewesen, die Sie im Rahmen der ersten Lesung auf diese Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht haben. Und jetzt versuchen Sie eine notdürftige Reparatur. - Das ist der Zusammenhang. ({0}) Genauso ist es bei der Teilwertabschreibung und bei der Frage Verlustvortrag/Verlustrücktrag. Zunächst waren die Vorschläge viel weitergehender; teilweise ist dies ja noch im Papier enthalten. Dann gab es eine erste Reparatur. Ich prophezeie Ihnen: Es wird weitere Reparaturen geben; denn das, was Sie auf den Weg gebracht hatten, war mit heißer Nadel gestrickt. Es war in vielen Fällen höchst fragwürdig und hatte in weiten Bereichen nichts mit der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu tun, wie sie nach den Petersberger Beschlüssen auszusehen hätte. Deshalb kritisieren wir das Verfahren, aber auch den Inhalt Ihrer Gesetzentwürfe, und deshalb lehnen wir diese Vorgehensweise und diese materiellrechtliche Regelung ab. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Nicolette Kressl von der SPD-Fraktion das Wort.

Nicolette Kressl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002706, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Anmerkung zu Ihnen, Herr Jacoby. Ich finde es schon rührend, wie Sie sich nun plötzlich um Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger kümmern, ({0}) nachdem Sie als Koalition diese Gruppe über Jahre verunglimpft haben, indem Sie über Lohnabstand und über zu hohe Leistungen und Leistungsmißbrauch diskutiert haben. ({1}) Zweitens. Familien steuerlich zu entlasten ist eines der entscheidenden Ziele sozialdemokratischer Politik. Für uns und diese Regierung ist diese Aufgabe vordringlich, zum einen weil wir Schritt für Schritt die Belastungen zurückführen müssen, die Sie den Familien bei Steuern und Abgaben über Jahre hinweg aufgebrummt haben, und zum anderen weil für uns die Familien zu den Leistungsträgern in der Gesellschaft gehören, die ein Recht auf eine gerechte und leistungsgerechte Besteuerung haben. Das Gesetz, das wir heute abschließend beraten, trägt dazu einen wichtigen Teil bei: mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit dem niedrigeren Eingangssteuersatz übrigens berücksichtigen wir dabei endlich die Menschen, die Sie bei der Entlastung völlig außen vor gelassen haben, als der Solidaritätszuschlag gesenkt wurde ({2}) und mit dem höheren Grundfreibetrag. Damit bleiben wir in der Kontinuität unserer Politik. Die Opposition bleibt übrigens ebenfalls in der Kontinuität ihrer Politik. ({3}) Sie haben nämlich schon immer die Familien mit Worten hochgehalten, dann aber fast nichts für ihre Entlastung getan. ({4}) Zu Ihrer Kontinuität in diesem Bereich gehört auch, daß Sie erst vor kurzem ganz verschämt den Zehnten Jugend- und Kinderbericht verstecken mußten, weil in diesem Bericht deutlich geworden ist, was Sie für die Familien nicht getan haben. ({5}) In diesem Bericht ist deutlich geworden, daß wir hier nicht über Belastungsverteilungen spekulieren müssen. Vielmehr hat Ihre Politik dazu geführt, daß Familien in diesem Land erhebliche Nachteile haben. Schon allein aus diesem Bericht ergibt sich die Notwendigkeit des Gesetzes, über das wir gerade diskutieren. Trotz dieser Fakten erzählen aber immer wieder Redner und Rednerinnen der jetzigen Opposition, manchmal Herr Thiele, manchmal Frau Frick, was sie alles scheinbar für die Familien getan haben. ({6}) Die Wirklichkeit aber ist eine andere, Herr Ramsauer. Die SPD hat Sie 1995 aus der Opposition heraus regelrecht dazu zwingen müssen, die Kindergelderhöhung vorzunehmen. ({7}) Wir alle hier erinnern uns doch noch an diese lächerlichen 30 DM, die Herr Waigel für die Erhöhung des Kindergeldes für das zweite Kind übrig haben wollte. ({8}) - Ja, später waren es 30 DM. Und freiwillig haben Sie das alles nicht gemacht. ({9}) Es gab doch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Steuerfreistellung des Existenzminimums, das Sie umsetzen mußten. ({10}) Mit dieser Umsetzung haben Sie sich dann auch noch Zeit gelassen, bis wir Sie endlich dazu getrieben haben. ({11}) Sie werden sich auch noch daran erinnern, daß Sie ohne die SPD im Bundesrat die bereits beschlossene Erhöhung des Kindergeldes auf 220 DM wieder einkassiert hätten. Das ist eine ganz delikate Form der Steuererhöhung, und die haben Sie dann ja auch umgesetzt. ({12}) Ihre Begründung war damals: „Wir hätten es ja gerne gemacht, aber die Haushaltslage ließ es einfach nicht zu.“ Sie wissen ganz genau, daß in dem Verfassungsgerichtsurteil eindeutig steht, die Haushaltslage reiche als Rechtfertigung nicht aus, um Familien nicht ausreichend steuerfrei zu stellen. Genau darum geht es heute: um eine verfassungsgemäße und leistungsgerechte Besteuerung von Familien. Was ich an Ihrer Argumentation übrigens für politisch sträflich halte, ist: Mit Ihrem scheinbaren Bedauern - „Wir würden ja so gerne, aber wir können nicht!“ erwecken Sie den Eindruck, als ginge es bei dieser Erhöhung des Kindergeldes um kleine Wahlgeschenke, sozusagen Almosen. Aber dafür, den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent zu senken, hätten Sie Geld gehabt. ({13}) Mit diesem Gesetzentwurf dagegen machen die Regierungsfraktionen deutlich, daß wir wissen, um was es geht: um gerechte Besteuerung und darum, über die Erhöhung des Kindergeldes die Leistung von Familien ein Stück anzuerkennen. Daß Sie das anscheinend immer noch nicht richtig kapiert haben, ist mir jetzt erst wieder in den Verhandlungen im Finanzausschuß klargeworden. Statt um Inhalte zu diskutieren - dazu haben Sie fast nichts gesagt -, haben Sie sich in Geschäftsordnungsdebatten geflüchtet. ({14}) Sie konnten nicht einmal in der Sache abstimmen, weil Sie mit der Nase immer noch in den Geschäftsordnungsakten steckten. ({15}) Bei dem wenigen Inhaltlichen, das dann kam, wurde wieder deutlich: Für Sie ist Kindergeld ein Bonbon, das man dann verteilt, wenn noch ein bißchen Geld übrig ist. Was für ein falsches Verständnis von gerechter Besteuerung ausgerechnet bei Ihnen! ({16}) Es geht nämlich nicht um Geschenke, sondern darum, den Familien netto das zu lassen, was sie sich erarbeitet haben und was ihnen entsprechend auch zusteht. Wir legen mit diesem Gesetzentwurf Schritte vor, die dazu hinführen, die ungleiche Lastenverteilung von Familien und von Menschen ohne Kinder, die seit langem größer geworden ist, auszugleichen. Daß dies nötig ist, macht der Kinder- und Jugendbericht sehr deutlich - ich zitiere daraus ein kleines Stück -: Familien brauchen gesicherte und vorhersehbare Rahmenbedingungen für ein Leben ohne andauernde Sorge um eine Verschlechterung der familialen Existenzbedingungen. Jetzt hören Sie gut zu: Gegen diesen Grundsatz ist in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten - das sind 15 Jahre, komisch, fast die Dauer Ihrer Regierungszeit immer wieder verstoßen worden, weil viele Änderungen von Steuer- und Versicherungsregelungen zu Lasten der Familien gegangen sind. ({17}) Wir haben Sie als Opposition immer wieder auf dieses Problem hingewiesen. ({18}) Das hat überhaupt nichts geholfen. Für uns ist es selbstverständlich und konsequent, daß wir unsere Mehrheiten jetzt dazu nutzen, daran endlich etwas zu ändern. ({19}) Behaupten Sie also nicht, es gebe keine steuerlichen Entlastungen. Es kann ja sein, daß die steuerlichen Entlastungen nicht dorthin gehen, wo Sie sie gerne hätten. ({20}) Aber daß uns diese Art der Schwerpunktsetzung nicht weitergebracht hat, wird an den Arbeitslosenzahlen und an der Steuer- und Abgabenbelastung deutlich, die Sie zurückgelassen haben. ({21}) Es mag auch sein, daß Ihnen unsere Prioritäten nicht gefallen. Aber glauben Sie tatsächlich, Sie hätten das Alleindefinierungsrecht dafür, wer in dieser Gesellschaft Leistung erbringt und wer leistungsgerecht besteuert wird? Das ist nicht der Fall. ({22}) Dieser erste Entlastungsschritt bewirkt auch, daß zum Beispiel eine Familie mit zwei Kindern mit einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 DM nach Splittingtabelle eine steuerliche Entlastung von fast 1 200 DM im Jahr bekommt. Was also soll das Gezetere, es werde nicht entlastet? Klar ist auch, daß dies ein erster Schritt in einem Gesamtpaket ist, in dem weiter entlastet wird, übrigens natürlich auch bei den Körperschaftsteuersätzen und den Sätzen für gewerbliche Einkünfte. Für uns ist es selbstverständlich, daß die Rahmenbedingungen für den Konsum und die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden müssen. Aber für uns ist auch selbstverständlich, daß sich diejenigen, die starke Schultern haben, nicht der Finanzierung dieser Gesellschaft und ihrer Aufgaben entziehen können. Wenn die Aufgaben wieder von mehr Schultern getragen werden, dann können wir die Lasten auf jeder einzelnen Schulter Schritt für Schritt reduzieren. Das ist die erkennbare Schrittfolge, für die dieses Gesetz den ersten Schritt darstellt. Wir werden diese Schritte sehr konsequent gehen. An dieser Grundlinie ändern natürlich auch Diskussionen um die Ausgestaltungsdetails nichts. Auf diesem Weg wissen wir sehr genau zwischen denen, die berechtigte Argumente vortragen - dazu ist der politische Dialog ja auch da -, und denen zu unterscheiden, die laut zetern können, weil sie sowieso schon starke Schultern haben und damit die entsprechende Möglichkeit, besonders lautstark zu zetern. ({23}) Dies ist unser erster Schritt zur Steuerentlastung, die wir mit Entlastungen in anderen Bereichen verzahnt haben. Das war doch auch Ihr entscheidender Fehler. Sie reden von Entlastungen in 1996 und vergessen, daß Sie in Wirklichkeit belastet haben. Sie haben den Menschen andere Belastungen durch die Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrags, durch Zuzahlungen im Gesundheitsbereich aufgedrückt. Jetzt müssen Sie hier nicht argumentieren, daß das für die Binnennachfrage nichts bringt. Natürlich nicht; denn Sie haben im Endeffekt zwar steuerlich entlastet, aber insgesamt belastet. Auch darüber sollten wir nachdenken. ({24}) Weil wir keine Wundermittelchen versprechen wollen, konzentrieren wir die Entlastungen in diesem ersten Schritt auf das, worauf es ankommt. Es ist auch politische Aufgabe zu sagen, wenn es nicht Geschenke für alle gibt, dann schauen wir, wo sie hin müssen. Das machen wir auch. ({25}) Dieser erste Schritt ist ein richtiger und passender Teil in dem Mosaik, das wir für eine sinnvolle und gerechte Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik zusammenfügen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, täten gut daran, dieses Gesetz nicht abzulehnen. Danke schön. ({26})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Hannelore Rönsch, CDU/CSU, das Wort.

Hannelore Rönsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001870, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gehört schon einiger Mut dazu, dieses Steuerbelastungsgesetz, das Sie uns heute vorgelegt haben, als Entlastung der Familien zu verkaufen. ({0}) Im Gegensatz zu einigen meiner Kollegen habe ich durchaus Verständnis dafür, daß der Finanzminister an dieser Debatte nicht teilnehmen will; ({1}) denn das, was uns heute von der Regierungskoalition geboten wurde, ist eine schlichte Zumutung. Sie haben ein sogenanntes Steuerentlastungsgesetz vorgelegt, und dies ist nichts anderes als eine großangelegte semantische Täuschung der Familien. ({2}) In 78 Einzelpunkten werden Familien von Ihnen zur Kasse gebeten. Frau Kollegin Kressl, ich nehme es Ihnen nicht übel, weil Sie Neuling im Parlament sind - ({3}) - Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, die Sie soeben gelacht haben und schon länger dem Parlament angehören, nehme ich übel, daß Sie diese neue Kollegin nicht darüber aufgeklärt haben, was - ({4}) - Schon vier Jahre dabei? Um so schlimmer, dann hätten Sie vielleicht das eine oder andere an Familienpolitik schon mitbekommen müssen. ({5}) Ich werde dies heute nicht noch einmal wiederholen; denn dann hatten Sie ja in vier Jahren Gelegenheit, in den unterschiedlichen Ausschüssen zu sehen, was die alte Bundesregierung für die Familien geleistet hat. Sie haben sich damit gebrüstet, eine Kindergelderhöhung für das erste und das zweite Kind vorzulegen. Was tun Sie denn für die Familien mit mehr als zwei Kindern? Nichts! ({6}) Die werden durch das heute zu beratende Steuerbelastungsgesetz und durch das Energiebesteuerungsgesetz, das wir demnächst beraten werden, vielfach zur Kasse gebeten. ({7}) Sie haben davon gesprochen, daß der Grundfreibetrag erhöht wird. Haben Sie einmal nachgerechnet, was das bringt? Das sind schlappe 3,50 DM. Dafür lohnt sich der Weg von da drüben bis hierher gar nicht. Im Wahlkampf haben Sie versprochen: Das Kindergeld wird erhöht. Ich gehe einmal davon aus, daß Sie vorher nachgerechnet und gemerkt haben, daß dies 5,8 Milliarden DM kostet. Jetzt wissen Sie nicht, wie das Ganze finanziert werden soll. ({8}) In dieser neuen Koalition ist das Chaos so groß, daß Mittwoch und Donnerstag noch einmal beraten werden mußte. Da wurde von den Grünen gesagt, man sei sich gar nicht klar darüber, welche haushaltsrechtlichen Auswirkungen dieses Vorhaben hätte. Da weiß doch die eine Linke nicht, was die andere Linke tut. Aber uns wird heute zugemutet, ein solches Gesetz in Abwesenheit des Finanzministers zu beraten. Ich bin auch erstaunt darüber, daß sich die Grünen heute hier hinstellen und dieses Gesetz vollmundig unterstützen, obwohl sie am Donnerstag abend noch gar nicht wußten, wohin die Reise geht. ({9}) Hier weiß doch überhaupt keiner, was heute wirklich beraten wird und wie das Ganze finanziert werden soll. ({10}) Ihr Geheimnis wird es bleiben, wie Sie Familien unterstützen und entlasten wollen. Ich werde Ihnen jetzt am Beispiel einiger Ihrer Einzelmaßnahmen deutlich machen, wo Sie Familien in Zukunft zusätzlich belasten. Die Familien sind ganz besonders betroffen von der Streichung des pauschalen Vorkostenabzugs, von der Reduzierung des Erhaltungsaufwands und den Abschreibungsmöglichkeiten beim Wohnungsbau, beim Eigenheimbau und beim Mietwohnungsbau. Nehmen wir einmal die durchschnittliche Familie in Deutschland mit zwei Kindern und einer Wohnung mit 80 Quadratmetern. Sie geben dieser Familie für ein Kind im Monat 30 DM mehr Kindergeld. Eine Mieterhöhung von nur 1 DM pro Quadratmeter belastet diese Familie zusätzlich mit 960 DM im Jahr. Ihre Kindergelderhöhung von jährlich 720 DM für zwei Kinder wird dann allein durch die Mietkostensteigerung aufgefressen. Ich nenne ein weiteres Beispiel; da gehen Sie der Familie so richtig ans Eingemachte. Bisher war der Sparerfreibetrag auf 6 000 DM festgelegt. Jetzt sind es nur noch 3 000 DM. ({11}) Das heißt, Sie tasten den Notgroschen der Familie an. Es ist schändlich, daß Sie so etwas als Familienpolitik bezeichnen. ({12}) Mit diesem Steuerbelastungsgesetz wollen Sie ein weiteres ungeliebtes Kind beseitigen, nämlich das Ehegattensplitting. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen schon gesagt, daß man das gar nicht so ohne weiteres antasten darf. ({13}) - Herr von Larcher, Ihre Zwischenrufe waren noch nie sehr sinnvoll; deshalb werde ich auch nicht weiter darauf eingehen. - Mit der Kappung des Ehegattensplittings wollen Sie die Familie treffen, bei der sich ein Ehepartner der Familienarbeit und der Kindererziehung widmet. Es entspricht nämlich nicht Ihrem Familienbild, daß eine Frau und Mutter zu Hause bleibt, ihre Kinder erzieht und sich der Familienarbeit widmet. ({14}) Dafür wollen Sie sie bestrafen. Wie die Frau Staatssekretärin dazu kommt, sehr lautstark zu behaupten, die Kaufkraft würde durch dieses Gesetz gestärkt, bleibt ihr Geheimnis. Bei jeder der 78 Einzelmaßnahmen geht es der Familie direkt oder indirekt ans Portemonnaie. Wie dadurch Kaufkraft gestärkt werden soll, kann ich mir nicht erklären. Wenn Sie die Experten aller Verbände, die heute morgen schon angesprochen worden sind, und die Wirtschaftswissenschaftler einmal genau anhören, dann werden Sie noch mitbekommen, daß die Ihnen prognostizieren, daß die Zahl der Arbeitslosen auf Grund Ihrer Maßnahmen schleichend steigen wird. Es ist für mich unverständlich, wie Sie dies alles so hinnehmen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem heute vorgelegten Steuerbelastungsgesetz ist aber erst der Anfang beim Abkassieren gemacht. ({15}) Es kommt noch ein weiteres Gesetz, das Sie auch semantisch sehr schön verkleidet und „Ökosteuergesetz“ genannt haben. Wie dieses Gesetz für Ökologie, für Natur greifen soll, wird ebenfalls Ihr Geheimnis bleiben. All das, was in dieses Gesetz eingeht, wird für die Senkung der Sozialbeiträge herangezogen. Ich finde es nicht verkehrt, daß man Sozialbeiträge senkt. Aber nennen Sie dieses Gesetz entsprechend dem, was es bewirkt, nämlich Energiebesteuerungsgesetz. Mit diesem Energiebesteuerungsgesetz, mit neuen Steuern auf Gas, auf Heizöl, auf Strom, auf Benzin, wird der Bürger zusätzlich vielfach belastet. Das wird sich auch bei der Familie auswirken: auf den Schulbus, wiederum auf die Miete, auf das Brot, auf den Metzger, auf das Schwimmbad für die Kinder. In keiner Weise Entlastung erfahren die Rentner, die Studenten und die Sozialhilfeempfänger, die keine Sozialbeiträge zahlen und daher an keiner Stelle eine Kompensation erhalten. ({16}) Wir sind in unserer Fraktion nach langen Beratungen übereingekommen, dieser Kindergelderhöhung nicht zuzustimmen. Diese 30 DM für die Ein-Kind-Familie 60 DM bei zwei Kindern - haben diese Familien zwar verdient, weil Sie ihnen permanent in die Tasche greifen, aber wir sorgen uns um die Menschen. ({17}) Wir sehen, wie Sie durch Ihre Gesetze die Menschen ständig neu belasten und wie Sie vor dem 7. Februar 1999, dem Termin der Hessen-Wahl, den Bürgern unredlich das eine oder andere verschweigen. ({18}) Wir werden diesen Gesetzentwurf heute ablehnen, weil er unredlich und unsolide ist, weil er von den Bürgern selbst bezahlt wird und den Familien keine Entlastung bringt. ({19}) Einige meiner Kollegen werden diesen Gesetzentwurf heute trotz der Kindergelderhöhung, die darin enthalten ist - einige tun sich sehr schwer damit -, ablehnen. Bringen Sie ein besseres Gesetz ein! Besinnen Sie sich auf einen guten Weg! Wir haben Ihnen mit unseren Petersberger Beschlüssen gute Vorgaben gemacht. ({20}) An dieser Stelle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wäre es für Ihre Fraktion schon einmal sinnvoll, auch Sachverstand von außen einzuholen; ({21}) denn dann wüßten Sie, daß die von uns vorgelegte Steuerreform in breiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland, bei Wirtschaftswissenschaft und Industrie, bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf höchste Akzeptanz gestoßen ist. ({22}) Fragen Sie doch auch einmal bei den Grünen nach, die unserer Steuerkonzeption sehr entgegengekommen sind! ({23}) - Die Wahl verloren, die Wahl gewonnen, lieber Herr von Larcher: Wir nehmen die Oppositionsrolle an, ({24}) Hannelore Rönsch ({25}) aber wir werden Sie kontrollieren und Ihnen auf die Finger schauen. ({26}) Was Sie in diesen Tagen bisher geboten und geleistet haben, ist ein Skandal für das Votum, das der Wähler Ihnen gegeben hat. ({27}) Sie reden sich heraus, daß Sie 100 Tage Zeit brauchen. ({28}) Sie sind so unvorbereitet in diese Regierung gestolpert, daß unser Land heute darunter leidet. ({29}) Sie hatten sich auf die Übernahme der Regierung nicht vorbereitet, und wir haben heute die Konsequenzen zu tragen. Das werden wir, die Opposition, Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir werden das Mandat, das der Bürger uns gegeben hat, hier kraftvoll vertreten. ({30})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun Kollege Reinhard Schultz von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön! ({0})

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Verständnis dafür, daß es nicht ganz einfach ist, sich an die Oppositionsrolle zu gewöhnen und Stilfragen durch das Herausarbeiten inhaltlicher Unterschiede bei gleichzeitigem Konsens im Verfahren zu lösen. Sie haben Ihre Rolle in dieser Woche maßlos mißbraucht. Das betrifft nicht nur den Vorsitzenden im Haushaltsausschuß, der sich entgegen dem Votum der Mehrheit geweigert hat, bestimmte Verfahren einzuhalten. Das geschah nur deshalb, weil Sie erreichen wollten, daß damit kein Votum des mitberatenden Haushaltsausschusses zustande kommt, da Sie das gesamte Gesetzgebungsverfahren torpedieren wollen. Das war nicht das einzige. Sie haben heute morgen erneut mit fadenscheinigen Begründungen zu verhindern versucht, daß die erste Stufe der Steuerreform pünktlich zum 1. Januar 1999 in Kraft tritt. ({0}) Sie haben durch eine Orgie von Einladungen an sogenannte Sachverständige - zu zwei Dritteln Lobbyisten - im Zusammenhang mit der Anhörung zur zweiten und dritten Stufe der Steuerreform am kommenden Montag und Dienstag dafür gesorgt, daß wir nicht in der Lage sein werden, sozusagen zur besseren Erkenntnisgewinnung mit den Sachverständigen ins Gespräch zu kommen. Vielmehr wird das ein Schaulaufen von Lobbyisten werden, von dem Sie sich einen publizistischen Gewinn versprechen, das uns aber in der Sache keinen Schritt weiterbringen wird. ({1}) Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie im Verfahren unter Kollegen nicht wieder zu einem vernünftigen Stil zurückfinden, wie wir Beratungen organisieren, werden wir von unserer verfahrensgestaltenden Mehrheit auch in den Ausschüssen komplett Gebrauch machen. ({2}) Das bedeutet zum Beispiel, daß wir festlegen könnten, daß bei Anhörungen im Finanzausschuß maximal 40 Sachverständige, den Kräfteverhältnissen entsprechend, eingeladen werden. Sie können sich dann Ihre Lobbyisten aussuchen. Wir werden vernünftige Sachverständige benennen. Dann ist ein Gespräch wieder möglich. Das werden wir auch tun, wenn Sie so weitermachen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich höre hier immer wieder von der PDS über die F.D.P. bis hin zur publizistischen Begleitung, wir sollten uns ein Herz fassen und beherzte, große Schritte unternehmen, um dem ganzen Volk mehr Steuer- und Abgabenentlastungen zu bringen. Das würde auch ich gerne tun; das ist keine Frage. Ich glaube, wir alle würden das über die Steuersenkungsschritte und über die angekündigte Abgabensenkung von 2,3 Prozent bis zum Jahr 2002 hinaus gerne tun. Nur, die abgewählte Regierung war uns ein Beispiel dafür, daß große Sprüche nicht mit großen Schritten verwechselt werden dürfen. ({4}) Denn von Ihren großen Sprüchen ist nichts, aber auch gar nichts übriggeblieben, was die Absenkung von Steuer- und Abgabenbelastungen angeht. ({5}) Sie wußten ganz genau - auch der Kollege Waigel wußte das genau -, daß die Länder aus ihrer Verantwortung heraus solche großen Schritte, wie Sie sie in Richtung Abgrund machen wollten, nicht mitmachen konnten. Deswegen waren Sie auch froh darüber, daß die Länder standgehalten haben, damit das Schlimmste abgewendet werden konnte. Wir gehen konstruktiv an das Vorhaben. Wir wollen Schritt für Schritt in genau dem Umfang entlasten, wie wir die Einnahmeausfälle durch Einnahmen an anderer Stelle decken können. Wir müssen erst einmal mit dem aufräumen, was Sie uns an hohen Belastungen insbesondere für die kleineren Einkommen und die mittleren und kleineren Unternehmen hinterlassen haben. ({6}) Wir haben zwar die niedrigste Steuerquote in Europa, aber wir haben gleichzeitig gerade für den Normalverdiener im Bereich der Beitragsbemessungsgrenzen Hannelore Rönsch ({7}) Steuer- und Beitragsbelastungen, die über 60 Prozent der Bruttoeinnahmen wegfressen. Das werden wir schrittweise ändern. ({8}) Wir haben gleichzeitig die Situation, daß die veranlagte Einkommensteuer in den letzten Jahren geradezu zu einer Restgröße verkommen ist, weil sich Gutverdienende über den Umweg der Bereicherungsmaschine West - das ist der eigentlich ehrliche Ausdruck für das Werk „Aufbau Ost“ - ihren Steuersatz selber festsetzen konnten. ({9}) Wir haben bei großen exportstarken bilanzierenden Unternehmen kaum noch einen nennenswerten Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens, im Gegensatz zum Handwerker, zum Einzelhändler und zum kleinen Unternehmen, das vom Binnenmarkt lebt. Wir sehen das gut am Beispiel der Banken; das war vorhin kurz erwähnt worden. Welchen Beitrag leisten die privaten Geschäftsbanken, die international tätig sind, zum Beispiel im Vergleich zu den Sparkassen, die im Inland tätig sind? Zwischen beiden liegen Welten, was die Steuerbeteiligung an der Finanzierung des Gemeinwesens angeht. ({10}) Im Jahressteuergesetz 1996 hatten wir auf Druck der SPD-geführten Länder und auf Grund von Vorlagen der SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam den Familienlastenausgleich reformiert. ({11}) Selbst diese Entlastung ist durch Beitragserhöhungen bei den Sozialversicherungen mehr als komplett aufgefressen worden. Selbst da hat es nicht zu einer Entlastung gereicht. Leider gab es bei den Unternehmen ähnliche Effekte, die zu einer völligen Verzerrung im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit geführt haben. Ich spreche von den großen internationalen Ketten gegenüber den angestammten kleinen und mittleren Unternehmen in unseren Regionen, die vom Binnenmarkt leben. Wir müssen diese Entwicklung schrittweise stoppen und umkehren. Das ist eine Herkulesaufgabe, und es wäre unehrlich, zu sagen, daß man das in einem Streich machen könnte. ({12}) Ich bin sehr stolz darauf, daß wir nicht unter Inanspruchnahme von 100 Tagen, sondern innerhalb von wenigen Wochen in der Lage sind, nicht nur einen kompletten Reformvorschlag vorzulegen, den jede Wählerin und jeder Wähler vor den Hessenwahlen nachlesen kann - darauf möchte ich Sie, Frau Rönsch, hinweisen -, ({13}) sondern auch die erste Stufe dieses Reformvorschlages innerhalb weniger Wochen - pünktlich zum 1. Januar 1999 - umzusetzen. Das hat unsere Vorgängerregierung nicht ein einziges Mal hinbekommen: weder der Sache noch dem Tempo nach. ({14}) Warum Sie auf die Tränendrüse drücken, wenn es um den Mittelstand geht, verstehe ich nicht. ({15}) Unabhängig davon, daß in diesem dreistufigen Reformwerk sowohl die Körperschaftsteuersätze als auch die Besteuerung der gewerblichen Einkünfte generell gesenkt werden - das ist eindeutig mittelstandsfördernd -, kündigen wir - das ist ein Befreiungsschlag für die nächsten beiden Jahre - eine von der Rechtsform unabhängige Unternehmensbesteuerung in Höhe von maximal 35 Prozent an. Das hat sich in dieser Form vor uns keine Regierung getraut. ({16}) Zu diesem Paket, zu diesen Überlegungen gehört auch die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit dem Verhältnis zwischen der privaten Einkommensteuer und den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit um? Wie soll das Verhältnis aussehen? - Herr Präsident, könnten Sie bitte einmal für ein bißchen Ruhe sorgen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bitte darum, die Gesprächsrunden in den Gängen aufzulösen und dem Redner die Gelegenheit zu geben, seine Rede zu Ende zu führen, und ihm auch zuzuhören. ({0})

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu diesem Paket der von der Rechtsform unabhängigen Unternehmenssteuer gehört auch die Frage: Wie gehen wir mit der Gewerbesteuer um, die wir gerade noch vor kurzem im Grundgesetz als eine wesentliche Einnahmeform für die Gemeinden verankert haben, über deren Höhe sie alleine entscheiden können. In diesen Zusammenhang passen auch die Überlegungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Clement, nämlich im Rahmen der von der Rechtsform unabhängigen Unternehmenssteuer darüber nachzudenken, welche Spielräume es für die Vergrößerung des Kreises der Gewerbesteuerpflichtigen gibt - also Revitalisierungsvorschläge, wie sie der nordrhein-westfälische Finanzminister Schleußer bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen hat - und welche Spielräume so gewonnen werden, dann zum Beispiel auch die Gewerbesteuerfreibeträge anzuheben? Ich halte das für einen sehr konstruktiven Ansatz, wenn er in ein Gesamtpaket eingebracht wird. Das hat nichts mit der ersten Stufe zu tun; vielmehr hat es etwas mit dem zu tun, wie wir uns im nächsten Jahr auf die von der Rechtsform unabhängige Unternehmensbesteuerung einigen. ({0}) Reinhard Schultz ({1}) Das wird für viele Unternehmen befreiend sein - egal, ob Einzelkaufmann, Personengesellschaft, Aktiengesellschaft oder GmbH. Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir das sowohl im Interesse der betroffenen Unternehmen und der Arbeitgeber als auch mit Blick auf die Regelmäßigkeit der Einnahmen für den Staat ausgewogen hinbekommen werden. ({2}) Es sind noch zwei weitere Punkte im Zusammenhang mit dem zweiten „Vorläufergesetz“ zu behandeln. Sie haben uns gezwungen, dazu noch eine zweite Runde zu machen. Das ist eigentlich ganz „witzig“: So müssen Unternehmen in dem Augenblick, in dem sie erfahren, daß ihre Rückstellungen für Pensionen nicht ausreichen, ihre Rückstellungen schlagartig erhöhen. Das kann für Unternehmen, die ihre Bilanz randgenäht machen und kaum Erträge ausweisen, zur Katastrophe führen. Deswegen haben wir vorgeschlagen, das über drei Jahre zu strecken. Die Verbände der Wirtschaftsprüfer ebenso wie die mittelständische Wirtschaft begrüßen das. Wer sich dagegen wehrt, sind F.D.P. und CDU/CSU im Finanzausschuß. Das ist schon ein beachtenswerter Vorgang. Noch beachtenswerter ist die Diskussion um die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege. Es gibt große Erfolge der Steuerfahndung bei der Frage, in welchem Umfang sich Steuerpflichtige durch Auslandsanlagen der Zinsbesteuerung entziehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schultz, ich bitte, zum Schluß zu kommen.

Reinhard Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002791, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum letzten Satz. - Wir hatten im Finanzausschuß den Eindruck, daß es gerade die F.D.P. war, die durch Verhinderung eines pünktlichen Inkrafttretens dieses Gesetzes eine De-facto-Amnestie für Tausende von Steuersündern - für ihre Klientel - erreichen wollte. Das werden wir nicht mitmachen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Es liegen zahlreiche schriftliche Erklärungen zur Ab- stimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vor. Wir nehmen diese Erklärungen zu Protokoll.*) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Abstimmungen eintreten, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für folgenden Hinweis: Wir werden nachher drei namentliche Abstimmungen durchführen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind die Abstimmungsurnen ab sofort nicht mehr bestimmten Buchstabengruppen zugeordnet. ({0}) --------- *) Anlagen 2 bis 12 Sie können also eine beliebige Urne für Ihre Stimmabgabe nutzen, am besten die Urne, die Ihnen am nächsten positioniert ist. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, Drucksachen 14/23 und 14/125. Der Finanzausschuß empfiehlt, einen Teil des Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung mit der Bezeichnung „Steuerentlastungsgesetz 1999“ anzunehmen und die übrigen Teile des Entwurfs späteren Beschlußfassungen vorzubehalten. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer für diesen Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/138 stimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag bei Zustimmung der PDS-Fraktion und zwei Enthaltungen in der PDS-Fraktion mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung auf Drucksache 14/125 Nr. 1 zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion bei einigen Enthaltungen in der CDU/CSU-Fraktion ({1}) angenommen. Die dritte Beratung und Schlußabstimmung folgt nun. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. - Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er- gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgege- ben.*) Wir setzen die Beratungen fort und kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/140. Die Frakti- on der F.D.P. hat ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann bitte ich, mit der Abstimmung zu beginnen. - Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme bei dieser zweiten namentlichen Abstimmung ---------- *) Seite 716 C Reinhard Schultz ({2}) noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird ebenfalls später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Ab- stimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/137. Die Fraktion der PDS verlangt namentliche - das ist die dritte - Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung - Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus- zählung zu beginnen. Auch dieses Ergebnis werde ich Ihnen später bekanntgeben.**) Es liegt das Ergebnis zu der Abstimmung über das Steuerentlastungsgesetz 1999, Drucksachen 14/23 und 14/125, vor: Abgegebene Stimmen 563. Mit Ja haben gestimmt 328, mit Nein haben gestimmt 220, Enthaltungen 15. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. ({3}) ---------- **) Seite 721 C **) Seite 723 B Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 347 nein: 219 enthalten: 015 Ja SPD Brigitte Adler Gerd Andres Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({4}) Klaus Barthel ({5}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({6}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({7}) Bernhard Brinkmann ({8}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({9}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({10}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({11}) Lilo Friedrich ({12}) Harald Friese Anke Fuchs ({13}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({14}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({15}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({16}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Walter Hoffmann ({17}) Iris Hoffmann ({18}) Frank Hofmann ({19}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({20}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Christian Lange ({21}) Detlev von Larcher Christine Lehder Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({22}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({23}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({24}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({25}) Jutta Müller ({26}) Christian Müller ({27}) Andrea Nahles Volker Neumann ({28}) Gerhard Neumann ({29}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Renè Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({30}) Birgit Roth ({31}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({32}) Ulla Schmidt ({33}) Silvia Schmidt ({34}) Dagmar Schmidt ({35}) Wilhelm Schmidt ({36}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({37}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({38}) Brigitte Schulte ({39}) ({40}) Volkmar Schultz ({41}) Ilse Schumann Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({42}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({43}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({44}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({45}) Jürgen Wieczorek ({46}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({47}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({48}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Hanna Wolf ({49}) Waltraud Wolff ({50}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({51}) Marieluise Beck ({52}) Volker Beck ({53}) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({54}) Joseph Fischer ({55}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Antje Hermenau Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger ({56}) Kerstin Müller ({57}) Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({58}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({59}) Werner Schulz ({60}) Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Ludger Volmer Sylvia Ingeborg Voß Helmut Wilhelm ({61}) Margareta Wolf ({62}) PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Manfred Müller ({63}) Rosel Neuhäuser Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Nein CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Renate Blank Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({64}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Hartmut Büttner ({65}) Dankward Buwitt Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({66}) Axel E. Fischer ({67}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({68}) Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Norbert Hauser ({69}) Hansgeorg Hauser ({70}) Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Thomas Kossendey Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({71}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Walter Link ({72}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({73}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({74}) Julius Louven Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({75}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({76}) Elmar Müller ({77}) Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({78}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Marlies Pretzlaff Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({79}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Klaus Riegert Franz Romer ({80}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({81}) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Dietmar Schlee Andreas Schmidt ({82}) Hans Peter Schmitz ({83}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Heinz Seiffert Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({84}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({85}) Hans-Otto Wilhelm ({86}) Gert Willner Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({87}) Werner Wittlich Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({88}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich Leonhard Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Dirk Niebel Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({89}) Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Enthalten CDU/CSU Ilse Aigner Dr. Heribert Blens Monika Brudlewsky Wolfgang Dehnel Maria Eichhorn Dr. Hans-Peter Friedrich ({90}) Klaus Holetschek Dr.-Ing. Rainer Jork Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Dr. Paul Krüger Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({91}) Horst Seehofer Gerald Weiß ({92}) Aribert Wolf Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({93}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Bühler ({94}), Klaus, CDU/CSU Hoffmann ({95}), Jelena, CDU/CSU Maaß ({96}), Erich, CDU/CSU Die Ergebnisse der beiden weiteren namentlichen Abstimmungen gebe ich Ihnen bekannt, sobald sie vorliegen. Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Die Zukunft der Bundeswehr vor dem Hintergrund von Äußerungen des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. Ludger Volmer, zur Entbehrlichkeit eines stehenden Heeres Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Werner Siemann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In das seit Jahren schon verworrene Konzept der Bündnisgrünen paßt die Äußerung von Herrn Staatsminister Volmer aus dem Auswärtigen Amt, die Bundeswehr abzuschaffen. Er reiht sich damit nahtlos in das Verwirrspiel seines Außenministers und Parteivordenkers Fischer ein. Dieser hat schon in den vergangenen Tagen in den USA und bei der NATO für genügend Irritationen gesorgt, als er glaubte, den Großmächten im Alleingang vorschreiben zu müssen, daß die Nuklearstrategie der NATO mit einem Verzicht auf den Ersteinsatz geändert werden müsse. Die Auftritte der Bundesminister Scharping und Fischer vor dem Auswärtigen Ausschuß und vor dem Verteidigungsausschuß haben diesen Dissens innerhalb der Regierung nicht beseitigt, sondern nur noch verdeutlicht. ({0}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Wie eine Ohrfeige muß es für Sie, Herr Staatsminister, gewirkt haben, daß der Regierungssprecher Heye Ihren Vorschlag, Deutschland benötige kein stehendes Heer mehr, als Ihre Privatmeinung als Bundestagsabgeordneter abstempelte. Jedenfalls entspreche der Vorschlag nicht der Auffassung der Bundesregierung. Es stellt sich nun für uns alle die sicherlich berechtigte Frage: Woran können wir erkennen, ob Sie als Staatsminister, Abgeordneter oder Privatmann einen Beitrag zum politischen Geschehen abgeben? Ich denke, Sie sollten diesen Punkt aufklären, um zumindest in der Zukunft ernst genommen zu werden. Noch nie hat sich eine neue Bundesregierung so durch Konfusion, Verwirrung, Enttäuschung von viel Hoffnung hervorgetan und so viel Unbedachtes und Unausgewogenes von sich gegeben wie die jetzige Bundesregierung. Sie, Herr Volmer, passen sich dem nahtlos an. ({1}) Ihre Wahl des Begriffes von der „Entbehrlichkeit eines stehenden Heeres“ zeigt auch, wie es um Ihre Kenntnisse in militärischen Dingen bestellt ist. Selbstverständlich gehören auch Luftwaffe, Marine und zivile Mitarbeiter zur Bundeswehr. Stehende Heere wurden im übrigen im 17. Jahrhundert aus der Taufe gehoben und aus geworbenen Berufssoldaten sowie ausgehobenen Untertanen rekrutiert. Ein Blick in ein ordentliches Nachschlagewerk hätte zu Ihrer Aufklärung sicherlich beigetragen. ({2}) Unsere Bundeswehr ist keine Armee von Söldnern und zum Wehrdienst gepreßten Bürgern. Wer hier keinen Wehrdienst leisten will - ich bin allerdings davon überzeugt, daß die Wehrdienstleistung erste Bürgerpflicht ist -, muß als Wehrdienstverweigerer adäquaten Ersatzdienst leisten. Diese Regelung halte ich auch in der Zukunft für richtig. Wir sind nämlich vom ewigen Frieden weit entfernt und haben auch die Insel der Seligen noch lange nicht erreicht. Die Krisenherde der Welt erinnern uns täglich daran. Namen wie Milosevic, Saddam Hussein und Gaddafi sprechen für sich. Friedensengel oder auch Friedenstauben kann ich unter ihnen nicht finden. Wie sicher beurteilen Sie, Herr Staatsminister im Auswärtigen Amt, eigentlich die Lage in den Staaten der früheren Sowjetunion? In der politischen Entwicklung dieser Staaten, in ihrer wirtschaftlichen Situation und in der Unzufriedenheit ihrer Einwohner mit dem jeweiligen Staat steckt ein gewaltiges und unberechenbares Konfliktpotential, welches wir uns immer vor Augen führen müssen. Wenn Sie meinen, aus der Reduzierung der Streitkräfte Geld für andere Vorhaben freisetzen zu sollen, dann beurteilen Sie meines Erachtens die aktuelle Lage völlig falsch. Sie erwecken damit berechtigte Zweifel an Ihrer Qualifikation für das Amt eines Staatsministers im Auswärtigen Amt. ({3}) Es ist zu einfach, den Erhalt der Bundeswehr und die Mitgliedschaft in der NATO auf die Frage von Kosten zu reduzieren. Sicherheit, Frieden und Freiheit kann man nicht in Mark und Pfennig ausrechnen. Eine Konzeption hat sich an der aktuellen, realen sicherheitspolitischen Lage und nicht an der Verfügbarkeit von Mitteln auszurichten. Zudem dürfen Streitkräfte nicht als Experimentierfeld der Politik mißbraucht werden. ({4}) Soldaten, zivile Mitarbeiter und deren Familien dürfen nicht Spielball ideologisch geführter Auseinandersetzungen sein. ({5}) Der Gedanke der Abschaffung unserer Bundeswehr zeugt von einer Verkennung von Realitäten. Solange Menschen mit all ihren Schwächen wie falsch verstandenem Ehrgeiz, Größenwahn, Sucht zur Selbstzerstörung, Rücksichtslosigkeit und Niedertracht agieren, brauchen wir unsere Bundeswehr, wenn wir unsere Freiheit lieben. Ein Verzicht darauf wäre gleichbedeutend mit Verlust von Freiheit, welche 17 Millionen Menschen unseres Volkes gerade vor neun Jahren für sich erstritten haben. Dies kann und darf niemand aufs Spiel setzen, auch nicht Sie, Herr Staatsminister Volmer. ({6}) Wir brauchen keine Berufsarmee, und wir wollen auch keine Berufsarmee. Das heißt aber nicht, daß wir überhaupt keine Armee brauchten. Die allgemeine Wehrpflicht ist Wesensmerkmal unserer Bundeswehr und muß dies auch sein. Ich will damit zum Ausdruck bringen, daß der Schutz und die Sicherheit nicht Sache der Bundeswehr und des NATO-Bündnisses allein sein können. Vielmehr sind für den Schutz des Vaterlandes alle seine Bürger verantwortlich und gefordert. Wer die Streitkräfte aufgibt, muß sich die Frage gefallen lassen, ob er diesen Staat opfern will. Wer sich nicht verteidigen kann, begibt sich seiner Sicherheit. ({7}) - Schön, daß Sie auf diese Rede schon so reagieren, meine Damen und Herren. Niemand kennt die Wechselfälle der Geschichte. Nur wer sich verteidigen kann, wird ernst genommen. Nur wer Freiheit und Recht schützen kann und anderen dabei zur Seite steht, findet selbst Freunde und Bündnispartner. Nur der kann frei verhandeln und Frieden sichern sowie ihn gestalten. Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. ({8}) In seiner Rede zum 30jährigen Bestehen der Bundeswehr hat der frühere Bundespräsident von Weizsäcker am 12. November 1995 folgendes geäußert: Wer für das Gemeinwesen im ganzen politisch verantwortlich ist, darf den Bürgern den Schutz nicht verweigern. Wer sich in ein Lamm verwandelt, ruft Wölfe auf den Plan. Dies sollten wir bei unseren Äußerungen und Entscheidungen nicht vergessen. Die Bundeswehr ist für mich, für die CDU/CSU-Fraktion auch ein Modell für die Zukunft. Die CDU/CSU-Fraktion steht hinter unseren Soldaten. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Siemann, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Das Wort hat als nächster Redner der Kollege Peter Zumkley von der SPD-Fraktion. ({1})

Peter Zumkley (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002608, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wegen einer Äußerung, die, wie man hört, eher beiläufig in einem Gespräch gefallen ist, an dem auch Journalisten beteiligt waren, ({0}) eine Aktuelle Stunde zu beantragen, weist im Grunde auf den Mangel an wichtigeren Themen in der Opposition hin. ({1}) Herr Kollege Glos, glauben Sie es mir: Es gibt wichtigere Themen als das. ({2}) Herr Volmer hat den Begriff des stehenden Heeres gebraucht, der tatsächlich aus der Zeit der preußischen Wehrgesetzgebung von 1814 stammt ({3}) und natürlich überhaupt nicht auf die Bundeswehr übertragen werden kann. Da aus den Erklärungen des Staatsministers hervorgeht, daß er die Bezeichnung „stehendes Heer“ als einen Begriff in Anführungszeichen gebraucht hat, gehe ich davon aus - ich weiß das von Herrn Volmer auch -, daß dies völlig unbestritten ist. ({4}) Vor beinahe 200 Jahren hatte dieser Begriff nämlich eine völlig andere Bedeutung. In dieser Frage sind wir gar nicht auseinander, Herr Kollege Siemann. Das stehende Heer sollte der staatlichen Macht, die nicht demokratisch legitimiert war, ein mannstarkes Volksheer für die Zwecke der Politik zur Verfügung stellen, nicht nur auf Verteidigung beschränkt, nicht nur defensiv. Unser Politikverständnis heute ist ein völlig anderes. Die rechtliche Grundlage für die Bundeswehr liegt in unserer Verfassung. In Art. 87 a des Grundgesetzes steht: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes ermöglicht die Einordnung des Bundes in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit zur Wahrung des Friedens. Diesen Weg sind wir gegangen, und wir werden ihn auch weiter gehen. ({5}) Der Koalitionsvertrag berücksichtigt diese rechtliche und politische Grundlage der Bundeswehr. Der Vertrag enthält die zentrale und unverzichtbare Rolle des Bündnisses und der Bundeswehr. An diesen Koalitionsvertrag werden wir uns halten. In der Koalitionsvereinbarung steht auch, daß vor Abschluß der Arbeit der Wehrstrukturkommission keine Sach- und Haushaltsentscheidungen über die Bundeswehr getroffen werden, die die zu untersuchenden Bereiche wesentlich verändern oder neue Fakten schaffen würden. Daran wird sich die Regierungskoalition halten. Unser Blick richtet sich dabei nach vorne. Die Neuausrichtung der NATO und die Neuausrichtung der Bundeswehr müssen in Einklang stehen. Die Bundeswehr muß auch künftig gemeinsam mit unseren Freunden und Partnern ({6}) ihre Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung in internationalen Einsätzen zur Friedenssicherung und Krisenbewältigung sowie zur Hilfeleistung in Katastrophenfällen angemessen wahrnehmen können. Dafür werden wir kontinuierlich die Voraussetzungen erhalten und verbessern. Wir brauchen und wollen eine Bundeswehr, deren Soldaten gut ausgebildet sind und die effektiv strukturiert sowie modern ausgerüstet ist. ({7}) Sie muß ihre Aufgaben erfüllen können und zugleich den bestmöglichen Schutz für unsere Soldaten gewährleisten. Es kommt deshalb auch darauf an, daß die Bundeswehr mit unseren Bündnispartnern kompatibel bleibt, so wie das in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo zur Zeit erforderlich ist. Nur gemeinsam mit dem Bündnis können wir den sicherheitspolitischen Herausforderungen begegnen. Unsere Bundeswehr beruht auf der allgemeinen Wehrpflicht. Diese hat sich bewährt und dazu beigetragen, unserem Land und dem Bündnis den Frieden zu bewahren. Es gibt keinen Grund, die Wehrpflicht grundsätzlich in Frage zu stellen oder sie gar leichtfertig aufzugeben. Wir werden sie weiterentwickeln müssen. Dabei zählen wir auch auf die Arbeit der Wehrstrukturkommission, die unter anderem auch die Wehrform überprüfen wird. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten im alltäglichen Geschäft gewisse Dinge nicht immer gleich so hoch hängen. Nachdenken muß weiterhin erlaubt sein. Es kommt allerdings darauf an, die Bundeswehr als Instrument unserer Außen- und Sicherheitspolitik zu erhalten und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich gebe Ihnen jetzt die beiden noch ausstehenden von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der F.D.P.-Fraktion auf Drucksache 14/140. Abgegebene Stimmen 579. Mit Ja haben gestimmt 232, mit Nein haben gestimmt 346, Enthaltung 1. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 577; davon ja: 230 nein: 345 enthalten: 001 ungültig: 001 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Renate Blank Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Sylvia Bonitz Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Hartmut Büttner ({1}) Dankward Buwitt Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({2}) Axel Fischer ({3}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich ({4}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({5}) Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Norbert Hauser ({6}) Hansgeorg Hauser ({7}) Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({8}) Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Walter Link ({9}) Eduard Lintner Dr. Klaus Lippold ({10}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({11}) Julius Louven Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer ({12}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({13}) Elmar Müller ({14}) Günter Nooke Franz Obermeier Eduard Oswald Norbert Otto ({15}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({16}) Katherina Reiche Erika Reinhardt Klaus Riegert Franz Romer ({17}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt Rossmanith Adolf Roth ({18}) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Dietmar Schlee Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({19}) Andreas Schmidt ({20}) Hans Peter Schmitz ({21}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Erika Steinbach Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Thomas Strobl Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß ({22}) Gerald Weiß ({23}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({24}) Hans-Otto Wilhelm ({25}) Gert Willner Willy Wimmer ({26}) Werner Wittlich Aribert Wolf Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller F.D.P. Hildebrecht Braun ({27}) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Paul K. Friedhoff Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich Leonhard Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Dirk Niebel Günter Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto ({28}) Cornelia Pieper Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Nein SPD Brigitte Adler Gerd Andres Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({29}) Klaus Barthel ({30}) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({31}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({32}) Bernhard Brinkmann ({33}) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({34}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({35}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({36}) Lilo Friedrich ({37}) Harald Friese Anke Fuchs ({38}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({39}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({40}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({41}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Walter Hoffmann ({42}) Iris Hoffmann ({43}) Frank Hofmann ({44}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({45}) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Christian Lange ({46}) Detlev von Larcher Christine Lehder Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({47}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({48}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({49}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({50}) Jutta Müller ({51}) Christian Müller ({52}) Andrea Nahles Volker Neumann ({53}) Gerhard Neumann ({54}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Renè Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({55}) Birgit Roth ({56}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({57}) Ulla Schmidt ({58}) Silvia Schmidt ({59}) Dagmar Schmidt ({60}) Wilhelm Schmidt ({61}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({62}) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({63}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Brigitte Schulte ({64}) ({65}) Volkmar Schultz ({66}) Ilse Schumann Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({67}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({68}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({69}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Hans-Joachim Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({70}) Jürgen Wieczorek ({71}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese ({72}) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({73}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Hanna Wolf ({74}) Waltraud Wolff ({75}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gila Altmann ({76}) Marieluise Beck ({77}) Volker Beck ({78}) Matthias Berninger Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({79}) Joseph Fischer ({80}) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Antje Hermenau Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger ({81}) Kerstin Müller ({82}) Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({83}) Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({84}) Werner Schulz ({85}) Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({86}) Margareta Wolf ({87}) PDS Monika Balt Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Fred Gebhardt Wolfgang Gehrcke-Reymann Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Carsten Hübner Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Manfred Müller ({88}) Rosel Neuhäuser Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Enthalten CDU/CSU Dr. Heribert Blens Ungültig CDU/CSU Dr. Sabine Bergmann-Pohl Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abgeordnete({89}) Behrendt, Wolfgang, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU Bühler ({90}), Klaus, CDU/CSU Hoffmann ({91}), Jelena, CDU/CSU Maaß ({92}), Erich, CDU/CSU Des weiteren das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der PDS-Fraktion auf Drucksache 14/137. Abge- gebene Stimmen 577. Mit Ja haben gestimmt 25, mit Nein haben gestimmt 549, Enthaltungen 3.*) Wir setzen die Aktuelle Stunde fort. Als nächster Redner hat Staatsminister Ludger Volmer das Wort.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde beantragt, um vor dem Hintergrund meiner angeblichen Äußerung zum „stehenden Heer“ ihre traditionelle Sichtweise der Sicherheits- und Militärpolitik ausbreiten zu können. ({0}) ------ *) Aus technischen Gründen erfolgt der Abdruck der Abstimmungsliste im Stenographischen Bericht der 13. Sitzung, als Anlage 2. Leider hat die Opposition aber aus einem Elefanten eine Mücke gemacht. Statt eine Debatte über eine moderne Friedenspolitik anzunehmen, die laut Immanuel Kant beim „stehenden Heer“ beginnt, unterläuft sie diese, indem sie sich über unbotmäßige Begriffe erregt. Diese Banalisierung wird dem höchst überfälligen Thema nicht gerecht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer nicht die „FAZ“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Bild“-Zeitung, sondern die „HAZ“, die „Berliner Zeitung“ und die „taz“ gelesen hat, weiß, was ich wirklich gesagt und gemeint habe. ({1}) Deren Korrespondenten nämlich waren bei meinem Hintergrundgespräch die gesamte Zeit über anwesend und haben korrekt berichtet. Doch ich will mich nicht bei den Gepflogenheiten mancher Zeitungen und den Lesegewohnheiten der Opposition aufhalten, sondern Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms meine Auffassung, die in voller Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag steht, auch hier gern erläutern. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Selbstverständlich gehört die Landesverteidigung zu den wichtigen Hoheitsaufgaben jeder Regierung. Sie muß sich aber an einer zeitgemäßen Bedrohungsanalyse orientieren, die die Gefahrenlage realistisch beschreibt, und darf sich nicht hinter historisch überholten Feindbildern verschanzen. ({2}) Und sie muß im Sinne des Friedensgebotes des Grundgesetzes alle Möglichkeiten nutzen, um militärische Gewaltanwendung zu vermeiden. Zudem muß sie Konzepte für die neuen Herausforderungen entwickeln, die jenseits des Verteidigungsauftrags ein Engagement erfordern. Niemand kann heute doch ernsthaft bestreiten, daß der Verteidigungsfall um ein Vielfaches unwahrscheinlicher geworden ist als die Notwendigkeit, sich bei der regionalen Krisenbewältigung nützlich zu machen. ({3}) Das macht den Verteidigungsauftrag nicht obsolet. Doch aus der entscheidend verbesserten Sicherheitslage und den neuen internationalen Verpflichtungen leitet sich notwendig die Frage nach einem zeitgemäßen sicherheitspolitischen Instrumentarium ab. Man darf nicht aus falschem Traditionalismus und aus Reformscheu eine überlebte Struktur, die einst durchaus ihre Berechtigung gehabt haben mag, konservieren. In diesem Zusammenhang möchte ich die Frage stellen: Warum hat der ehemalige Verteidigungsminister Rühe uns nicht berichtet, daß es Partnern im Ausland unverständlich ist, daß Deutschland noch über starke Kampfpanzerverbände verfügt, obwohl selbst nach Aussage von Herrn Rühe unser Land nur noch von Freunden umgeben ist? Wo und gegen wen sollen denn in Mitteleuropa noch Panzereinsätze stattfinden? Und warum hat uns Herr Rühe nicht mitgeteilt, daß an uns die Frage gerichtet wird, gegen wen die Bundesmarine noch die Ostseezugänge verteidigen soll. ({4}) Solche Fragen nach dem Auftrag der Bundeswehr ebenso wie die nach Umfang, Struktur, Ausbildung und Ausrüstung der Streitkräfte müssen in der geplanten Wehrstrukturkommission beraten werden. Hinzu kommt, daß die KSE-Verhandlungen über Obergrenzen bei der konventionellen Bewaffnung, wenn sie denn endlich erfolgreich abgeschlossen werden, auch von uns eine deutliche Reduzierung verlangen werden. ({5}) Der Landesverteidigung steht eine real erhöhte Beteiligung beim internationalen Krisenmanagement gegenüber. Hier muß nach den geeigneten Instrumenten gefragt werden. Diese Debatte hat sich in den letzten Jahren auf die militärischen Einrichtungen verengt, die nach dem Ende des kalten Krieges ein neues Selbstverständnis suchten. In einigen Fällen haben diese tatsächlich eine Gewaltspirale unterbrochen und einen Waffenstillstand herbeigezwungen. Gefragt werden muß aber, ob es nicht Alternativen gegeben hätte, die bei frühzeitigem entschlossenen Eingreifen ebenso effektiv gewesen wären. Der jüngste Fall, die Kosovo-Krise, beweist jedenfalls, daß es zur militärischen Drohung kam, weil frühzeitige Warnungen vor einer Zuspitzung der Lage nicht ernst genommen wurden. Die Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag die Konfliktprävention an die erste Stelle ihrer sicherheitspolitischen Aussagen gerückt. Frühwarnung, präventive Diplomatie, friedenserhaltende Maßnahmen und der Wiederaufbau demokratisch-zivilgesellschaftlicher Strukturen - das sind die Instrumente zur Bewältigung von Regionalkonflikten, die der Entwicklung und Stärkung bedürfen. Hier muß eine Außenpolitik, die sich als Friedenspolitik versteht, besonders ansetzen. ({6}) In der Kosovo-Verifikationsmission der OSZE beweist sich der Bedarf der internationalen Gemeinschaft an neuen Instrumenten. Dem SFOR-Einsatz in BosnienHerzegowina wird eine ähnliche Mission folgen müssen. Eine Reihe von OSZE-Langzeitmissionen hat erfolgreich an der Prävention oder Eindämmung von bewaffneten Konflikten mitgewirkt. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß trotz wachsender Bedeutung solcher Einsatzkräfte die institutionellen Voraussetzungen noch unklar sind. Rekrutierung, Ausbildung, Ausrüstung und Umfang müssen präziser definiert werden. Ihre Finanzierung darf nicht an militärpolitischer Besitzstandswahrung scheitern. ({7}) Diesem Ansatz entsprechend hat die Bundesregierung, vertreten durch Außenminister Fischer und mich, bei der jüngsten Ministerratstagung der OSZE in Oslo die Einrichtung eines Ausbildungs- und Trainingszentrums für Peacekeeping vorgeschlagen. Bei vielen Soldaten ist die Motivation hoch, gemeinsam mit Zivilisten, Männern und Frauen, an solcher Form von Friedenseinsätzen mitzuwirken. Ich möchte die Opposition einladen, diese Motivation nicht zu zerreden, sondern uns bei der Entwicklung solcher neuen friedenspolitischen Ansätze im kritischen Dialog zu unterstützen. Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Günther Nolting von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja schon bezeichnend, daß bei der Rede des Staatsministers Volmer die eigene Fraktion, die Grünen, und die PDS Beifall klatschen - und der Koalitionspartner schweigt. ({0}) Das scheint mir doch sehr bezeichnend zu sein. Herr Staatsminister, wenn Sie sich hier hinstellen und von „angeblichen Äußerungen“ sprechen, so kann ich nur festhalten, daß Sie der Presse unterstellen, falsch berichtet zu haben. ({1}) Darauf wird man an anderer Stelle noch einmal zurückkommen können. Die Journalisten werden sich über Ihre Aussage ganz bestimmt gefreut haben. Sie beweisen genau das, was wir einer rotgrünen Bundesregierung vorausgesagt haben: Nur wenige Wochen nach der Amtsübernahme der Regierung Schröder ist die außen- und sicherheitspolitische Geisterfahrt in vollem Gange, und am Steuer sitzen Fischer und Volmer. ({2}) Diese Regierung hat es binnen kürzester Zeit geschafft, alte Freunde und Partner Deutschlands wie zum Beispiel Italien und die Türkei zu verärgern ({3}) und enorme Irritationen bei den Verbündeten in Washington, in London und in Paris auszulösen. ({4}) Bei den Antrittsbesuchen zum Beispiel des Kanzlers Schröder bei unseren Partnern gibt es ja gegenteilige Bekundungen. Hier ist von „Kontinuität“ gesprochen worden. Aber von dieser Kontinuität ist nichts mehr geblieben. Sie haben die bisher bewährte Außen- und Sicherheitspolitik verlassen, die über Jahrzehnte durch die liberalen Außenminister, Scheel, Genscher und Kinkel, gewährleistet war. ({5}) Der Außenminister und der Verteidigungsminister sind in der Frage der NATO-Strategie, einer elementaren sicherheitspolitischen Frage, völlig unterschiedlicher Meinung ({6}) und konnten dies in den Ausschußsitzungen des Bundestages vorgestern nicht einmal vordergründig überspielen, obwohl Sie, Minister Scharping, sich sehr viel Mühe gegeben haben. Aber es ist Ihnen nicht gelungen, diese Unterschiede zu überdecken. ({7}) Und Minister Fischer? Sonst vor Selbstbewußtsein strotzend, hatte er es nötig, sich im Ausschuß mehrfach hinter einer angeblichen Position Frankreichs zu verstekken. Die Krönung aller Ignoranz war - das hat sich auch heute wieder erwiesen -, daß der selbsternannte Sicherheitspolitiker und vermeintliche Bundeswehrexperte Ludger Volmer über die Presse wissen ließ, daß Deutschland keine Landstreitkräfte mehr benötige. Aber wir haben ja heute gehört: Das war alles nicht so gemeint, die Presse hat hier falsch berichtet. Das Entscheidende ist doch, daß hier nicht irgendwer solch einen Unsinn verbreitet, sondern daß es sich hier um ein Regierungsmitglied der Bundesrepublik Deutschland handelt. Herr Kollege Zumkley, als Koalitionspartner hätten Sie zumindest darauf ein wenig eingehen sollen. Das habe ich in Ihrer Rede leider vermißt. ({8}) Hier reden Amtsinhaber, die in der Regierungsverantwortung des größten Landes in der EU und des zweitgrößten Mitglieds in der NATO stehen. ({9}) Angesichts dessen hätte ich von Ihnen erwartet, daß Sie etwas zu dieser unverantwortlichen Rede sagen. ({10}) Ich habe die Vermutung - damit wiederhole ich das, was ich schon im Verteidigungsausschuß gesagt habe -: ({11}) Es ist doch wohl kein Zufall, daß sich Herr Fischer und Herr Volmer gerade zum jetzigen Zeitpunkt äußern wenn man weiß, daß drei Tage nach der Außenministerkonferenz, auf der dieses Thema ja auch behandelt werden soll, der Bundesparteitag der Grünen stattfindet. Es ist doch offensichtlich so, daß sich der Außenminister und sein Staatsminister heute schon in Position bringen, um auf dem Bundesparteitag entsprechend auftreten zu können. ({12}) Wenn diese Geisterfahrt, Herr Kollege Nachtwei, weitergeht, bewegt sich Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik auf einem Sonderweg. Ich sage für die F.D.P.-Bundestagsfraktion dazu: Wir wollen diesen Sonderweg nicht. Wir wollen keine Sonderrolle in der Außen- und Sicherheitspolitik für Deutschland. ({13}) Wer kann denn diese Entwicklung überhaupt noch stoppen? Etwa der Aufpasser im Auswärtigen Amt, Herr Verheugen? Vielleicht der Verteidigungsminister? Ich denke, hier ist Richtlinienkompetenz gefragt. Ich frage für die F.D.P.-Fraktion: Wo ist der Kabinettschef? Wo ist Schröder? ({14}) Wir verlangen von einem Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland, daß er die Richtlinienkompetenz ausübt und außenpolitischen Unfug unterbindet. ({15}) Herr Staatsminister Volmer, Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie nicht eine andere Laufbahn einschlagen möchten. Mit einem Staatsminister wie Herrn Volmer ist einfach kein Staat zu machen. Herr Präsident, ich komme zum Schluß. Der Bundeskanzler ist aufgefordert, zu handeln und Ordnung in seine Regierung zu bringen. Herr Zumkley, Sie verweisen ebenso wie der Staatsminister ständig auf den Koalitionsvertrag. Ich kann nur festhalten: Sie haben sich mit diesem Koalitionsvertrag auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Sie halten krampfhaft daran fest und versuchen, damit alles zu überdecken. Sie werden erleben: Die Irritationen, die wir jetzt erfahren, werden nicht die letzten sein. Wir werden uns darüber weiterhin in dieser Art und Weise unterhalten, auch wenn Sie glauben, wir brauchten dazu keine Aktuelle Stunde. Vielen Dank. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Heidi LippmannKasten, PDS-Fraktion, das Wort. ({0})

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur der NATO, sondern auch der Bundeswehr soll offensichtlich der Todesstoß versetzt werden. „Volmer fordert die Abschaffung der Bundeswehr“, so klingt das Feldgeschrei von Ihnen rechts hier im Hause. Dazu gehört auch der außen- und sicherheitspolitische Unfug, den Herr Nolting gerade verzapft hat. ({0}) Mit dieser Aktuellen Stunde soll wieder einmal ein Ritual zelebriert werden. Bekenntnisse werden verlangt. Wer nicht bedingungslos ja und amen zur Bundeswehr sagt, der wird verdächtigt, dieses Land schutzlos werden zu lassen, im schlimmsten Fall sogar fremden Mächten zu überlassen und wird automatisch zum Vaterlandsverräter. Die PDS wird sich diesem Ritual nicht unterwerfen und keine Denkverbote akzeptieren. ({1}) Militär und Bundeswehr sind für uns keine Themen, bei denen alle in Reih und Glied zu stehen haben. ({2}) Ganz im Gegenteil: Die große Koalition, die wir in den vergangenen Wochen im Verteidigungsausschuß und auch hier im Haus zum Teil erlebt haben, ist überaus bedenklich. Von daher begrüßen wir jetzt andersartige Einlassungen. ({3}) Es ist schon verwunderlich, wie wenig über die Erfahrungen, die man in diesem Jahrhundert mit militärischer Abschreckung gemacht hat, nachgedacht wird. Es mag ja sein, daß die Abschreckung der Nuklearwaffen funktioniert hat, aber auch in den Zeiten der Ost-WestKonfrontation wurden in der sogenannten dritten Welt grausame Kriege geführt. Ebenso gibt es genug aktuelle Beispiele: in der Türkei und in Kurdistan, zwischen Israel und Palästinensern, zwischen Serben und KosovaAlbanern. Gewalt führt zur Gegengewalt, Rüstung führt zur Nachrüstung, und die Konflikte bleiben. Wir müssen nach Auswegen aus der Spirale der Gewalteskalation suchen und darüber nachdenken, die Abrüstung weltweit voranzubringen, Rüstungsexporte zu drosseln und endlich ganz einzustellen und die zivile Krisenprävention auf Punkt eins der Tagesordnung zu setzen. ({4}) In diesen Rahmen gehören auch die Bundeswehr ebenso wie die NATO und die WEU und die atomare First-use-Option auf den Prüfstand. Darüber sollten wir ernsthaft diskutieren. ({5}) Von daher ist es zu begrüßen, wenn über die Zukunft der Bundeswehr durch die Kommission im Rahmen einer breiten gesamtgesellschaftlichen Debatte diskutiert wird. Staatsminister Volmer hatte geäußert, daß wir territorialen Angriffen nicht mehr ausgesetzt sein werden. Diese Feststellung ist nicht neu, Sie sagten es schon. Auch Herr Rühe hat ausgeführt, daß Deutschland nur noch von Partnern und Freunden umgeben sei. Auch er vertrat die Position, daß die Bundeswehr nie mehr im Alleingang, sondern nur noch im multilateralen Verband eingesetzt werden soll. Herr Volmer ist nun dankenswerterweise einen Schritt weitergegangen und hat daraus eine vorsichtige Schlußfolgerung formuliert, nämlich: Dieses Land braucht kein stehendes Heer mehr. Wir gehen noch einen Schritt weiter und sagen: 340 000 Mann unter Waffen sind zuviel. ({6}) Die Bundeswehr muß und kann erheblich verkleinert werden, sicherlich schrittweise und sozial verträglich. Aber welche rationalen Erwägungen sprechen dagegen, daß für eine Übergangszeit 100 000 deutsche Soldaten mehr als genug sind? Die Wehrpflicht kann abgeschafft werden; denn diese ist laut Grundgesetz eine Ausnahme und kein Dauerzustand. Wenn es im kalten Krieg einen berechtigten Grund hierfür gab oder gegeben haben sollte, so ist er heute zweifelsohne obsolet. ({7}) Die PDS fordert die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht nicht nur deshalb, weil sie ein Anachronismus und ein entscheidendes Hindernis für eine personelle Reduzierung der Bundeswehr ist, sondern vor allem auch deshalb, weil Wehr- und Zivildienst staatliche Zwangsdienste sind, die freiheitlich-demokratischen Prinzipien widersprechen. ({8}) Meine Damen und Herren, wir wissen, daß unsere Vorschläge für Sie schwer verdaulich sind; denn eine drastische Reduzierung der Bundeswehr würde auch erhebliche Einschnitte in der Rüstungswirtschaft nach sich ziehen. Doch statt auch hierüber Denkverbote zu erteilen, sollten wir ernsthaft über Konversionsprogramme nachdenken. ({9}) Für die Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ erwarten wir klare Aufträge, zum Beispiel wie der Streitkräfteumfang schrittweise und sozial verträglich reduziert werden kann - mit der Option der Abschaffung der Wehrpflicht -, wie die Struktur entsprechend dem Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes verändert werden muß, was an Bewaffnung ausreicht und auf welche Prestigeobjekte man verzichten kann. Hierüber wollen und müssen wir diskutieren. Wir dürfen diese Themen nicht länger tabuisieren. Stellen Sie sich einmal vor, inwieweit unsere Vorschläge den Rüstungsetat entlasten würden. Stellen Sie sich einen Schritt weiter vor, ein großer Teil dieser Mittel würde für Projekte der Krisenprävention, der nachhaltigen Entwicklung in den Ländern des Südens oder auch für den wirtschaftlichen Aufbau in Osteuropa investiert werden. Dies wäre eine auf Konfliktverhütung gerichtete Politik. Wir würden alle davon profitieren. ({10}) Es ist gut, daß diese Debatte jetzt in Gang gekommen ist. Wir werden sie spätestens bei der Vorlage des Rüstungshaushalts 1999 fortsetzen. Danke schön. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Kollegin Verena Wohlleben von der SPD-Fraktion. ({0})

Verena Wohlleben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lippmann-Kasten, ich denke, wir arbeiten zusammen im Verteidigungsausschuß und nicht im Rüstungsausschuß. Sollte das anders sein, bitte ich Sie, das irgendwann einmal öffentlich mitzuteilen. ({0}) - Das ist richtig. Aber Ihr Beitrag, ({1}) Herr Nolting, trägt auch nicht gerade zur konstruktiven Zusammenarbeit für die Zukunft unserer Bundeswehr bei. ({2}) - Die vertragen wir sehr wohl; allerdings muß sie konstruktiv sein. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat einmal gesagt: Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. ({3}) Ich füge hinzu: Weil es eben nicht überall Frieden gibt und weil es die Welt nicht gibt, die ich mir wünsche, die wir uns wünschen, nämlich friedvoll, gerecht, ohne Krieg - wir werden es dieser Tage in allen Reden zu Weihnachten hören -, brauchen wir Sicherheitspolitik. Und zur Sicherheitspolitik gehört auch unsere Bundeswehr. ({4}) Ich bin stolz darauf, daß wir unsere Bundeswehr haben und danke an dieser Stelle allen Soldatinnen und Soldaten, allen Zivilbeschäftigten und - auch allen ihren Familien -, allen Angehörigen der Bundeswehr für ihre Bereitschaft, dort Dienst zu tun. ({5}) Aufgabe unserer Bundeswehr ist es, die Landesverteidigung und die Verteidigung im Bündnis zu gewährleisten und damit zum Frieden beizutragen. Das tut die Bundeswehr mit internationalen Einsätzen zur Friedenssicherung und Krisenbewältigung. Gerade diese Aufgaben unserer Bundeswehr erfordern ein ausgeprägtes Bewußtsein für die politische Dimension militärischen Urteilens und Handelns. Dieser Dienst, sei es Wehrdienst oder Dienst als Zeit- oder Berufssoldat, als zivile Mitarbeiterin oder ziviler Mitarbeiter, ist ein Dienst für die Gemeinschaft. Das muß immer wieder ins Gedächtnis gerufen und kann gar nicht oft genug wiederholt werden. ({6}) - Herr Nolting, im Moment spreche ich alle an, Sie eingeschlossen. Ich würde gerne in Ruhe fortfahren und bitte Sie, Herr Nolting, Ihr kleines Schlägerkäppchen abzunehmen und ein bißchen zuzuhören. ({7}) Dieser Dienst ist ein Beitrag zur äußeren Sicherheit unseres Landes - Herr Rossmanith, Sie sind auch noch an der Reihe - und garantiert den Bürgerinnen und Bürgern Frieden und Freiheit. Er signalisiert aber auch die Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland, für den Erhalt von Frieden und Freiheit, für den Erhalt der Unversehrtheit unseres Territoriums, für die Verteidigung der Menschenwürde und für die Durchsetzung internationaler Abkommen einzutreten. Dieser Dienst ist ethisch begründet und sicherheitspolitisch notwendig. Weil sich unsere Bundeswehr dazu bekennt, diesen Dienst zu leisten, stehen wir in sozialer Verantwortung für die Soldatinnen und Soldaten, für die zivilen Mitarbeiter und für die Angehörigen. Sie haben es verdient, daß mit ihnen anständig und fürsorglich umgegangen wird. Darauf haben sie einen Anspruch. Sie haben Anspruch auf eine solide Planung, auf Planungssicherheit; das ist die Voraussetzung. Bundeswehrstandorte und Kommunen, Wehrindustrie und die Öffentlichkeit brauchen diese Planungssicherheit. Die Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer zukunftsorientierten und zukunftssicheren Struktur der Streitkräfte. Es muß klar sein, daß Finanzen, Personalstärke, Struktur und Ausrüstung in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen. ({8}) Politik und Staat müssen dafür sorgen, daß entsprechende Rahmenbedingungen für die Soldaten, Standorte und Regionen gegeben sind. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Mensch muß im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. Für uns stehen die Soldatin und der Soldat wie auch die Zivilbeschäftigten im Zentrum unseres Handelns, ({9}) und zwar bei unseren Überlegungen und Entscheidungen, aber auch schon beim Denkansatz. Für die zukünftige Gestaltung der Bundeswehr lassen wir uns von dem Grundsatz leiten, daß der sozialen Gerechtigkeit für alle Angehörigen der Bundeswehr und ihren Familien bei allen zu treffenden Maßnahmen Vorrang einzuräumen ist. Deswegen danken wir dem Bundesminister der Verteidigung, Herrn Rudolf Scharping, daß er sich dafür ausgesprochen hat, der Planungssicherheit Vorrang zu geben. Eine interne Bestandsaufnahme wird gemacht; erst dann wird analysiert und danach, Ende 2000, werden Empfehlungen ausgesprochen. Die Bundeswehr kann getrost mit uns in die Zukunft gehen. Ich füge hinzu: Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind auch in der Verteidigungspolitik, in der Sicherheitspolitik und für unsere Bundeswehr zuverlässige Partner. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Breuer von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man diese Debatte, von der ich gehört habe, daß die Grünen sie außerhalb dieses Saales als lustige Debatte bezeichnet haben, verfolgt, stellt man fest: Der Eindruck, den sie vermitteln wollten, trügt nicht. ({0}) Ich habe den Eindruck, daß die Kollegen der SPD den Artikel in der „Hannoversche Allgemeinen Zeitung“, den Herr Volmer als absolut korrekt ({1}) bezeichnet hat, gar nicht gelesen haben. Ich zitiere aus dem Artikel von Herrn Urschel: In zwei bis drei Jahren könnten in Tageszeitungen Anzeigen etwa folgenden Inhalts erscheinen: „Krisenreaktionskräfte gesucht. ({2}) Die Bundesrepublik Deutschland stellt wehrfähige junge Männer ein, die gemeinsam mit Gleichgesinnten im Auftrag der Vereinten Nationen an verschiedenen Orten der Welt Krisenherde beseitigen helfen. Bewerber melden sich beim Auswärtigen Amt, Berlin, oder beim Verteidigungsministerium, Bonn.“ ({3}) - Das finden Sie hervorragend. ({4}) Die Frage lautet nicht mehr - so schreibt der Journalist weiter, daß die Bundeswehr heute nach Meinung von Herrn Volmer dieses Bild habe -: Wo steht der Feind, wie bekämpfe ich ihn? ({5}) Die Frage müsse nun lauten: Wo ist das Problem, wie löse ich es? Meine Damen und Herren, wer ein solches Bild von der Bundeswehr hat und wer den Einsatz der Bundeswehr beispielsweise in Bosnien-Herzegowina so sieht, der gehört nicht auf den Sitz eines Staatsministers im Auswärtigen Amt. ({6}) Wer dieses krause Zeug wie Sie, Frau Kollegin Wohlleben, hier mit „Seid getrost!“ und „Frohe Weihnachten!“ quittiert, der verfehlt seine Aufgabe in dieser rotgrünen Koalition, wo Sie doch bisher behauptet haben, daß Sie die Bundeswehr in Ordnung halten wollen. ({7}) Das ist völlig verfehlt. Das Spiel, das Sie von den Sozialdemokraten hier betreiben wollen: „Die Grünen können krauses Zeug erzählen, auch auf dem Sitz eines Staatsministers im Auswärtigen Amt, und wir Sozialdemokraten vertreten die reine Lehre“, geht nicht auf. Denn Sie stehen in dieser Koalition dafür Schmiere, daß dieses krause Zeug überhaupt geäußert werden kann. ({8}) Es ist schon sehr bemerkenswert, was hier auf der Regierungsbank vorgeht. Ich habe beobachtet, daß am Anfang dieser Debatte der deutsche Außenminister, Herr Fischer, hier im Raume war. ({9}) - Auch ich frage mich jetzt, wo er ist. Er ist rechtzeitig gegangen, weil er entweder es nicht ertragen kann - das würde mich allerdings wundern -, welch krauses Zeug durch diesen Staatsminister erzählt wird, ({10}) oder möglicherweise in die Versuchung käme, dazu Stellung zu beziehen. ({11}) Ich will eines sagen: Wenn Sie, Herr Verteidigungsminister Scharping, ({12}) heute in dieser Debatte nicht Stellung beziehen und wenn Sie nichts dazu sagen, daß die SPD-Fraktion mit derartigen lapidaren Erklärungen aus dem Saal geht, dann werfe ich Ihnen in Zukunft vor, daß Sie derartige Dinge offenbar mitzutragen bereit sind. Das dürfen Sie so nicht stehenlassen. ({13}) Meine Damen und Herren, worum geht es denn? Es geht darum, daß Herr Staatsminister Volmer offenbar nicht verstanden hat, daß er nicht mehr im Auftrag seiner grünen Fraktion oder grünen Partei irgendwelchen Fundi-Kram erzählen kann. ({14}) Er ist jetzt im Amt eines Staatsministers der Bundesrepublik Deutschland. Und das ist etwas fundamental anderes, Herr Volmer. ({15}) Es geht nicht auf, im Namen der Bundesrepublik Deutschland Dinge zu erklären, die man so nicht stehenlassen kann. ({16}) Wenn Herr Pressesprecher Erdmann vom Auswärtigen Amt gesagt hat, es habe nicht der Staatsminister Volmer gesprochen, sondern der Abgeordnete Volmer, dann bedeutet das doch offenbar, daß ein Bediensteter des Auswärtigen Amtes in der Lage ist, die Äußerungen eines Staatsministers zu bewerten. Allerdings möchte ich Ihnen auch deutlich sagen: Es ist einem Abgeordneten nicht erlaubt, etwas Dümmeres zu erzählen, als es einem Staatsminister erlaubt ist. ({17}) Gehen Sie davon aus, daß wir das, was hier geschieht, sehr genau beobachten werden. ({18}) Die Bundeswehr macht einen hervorragenden Dienst im Dienste des Friedens in den Ländern, in denen sie bisher eingesetzt worden ist. ({19}) Sie hat ein hohes Bewußtsein und Einfühlungsvermögen in das, was dort im Land geschieht und was für die Menschen dort wichtig ist. Wer ein so krauses Zeug erzählt, der vergeht sich an den hohen Verdiensten der Bundeswehr und an den hohen Verdiensten von Soldaten dieser Demokratie. ({20})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluß.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Nachtwei von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Erklärungen des Kollegen Volmer und des Kollegen Zumkley haben sehr deutlich gemacht, daß die „Opposition Üb“ versucht, hier künstlich Aufregung zu schaffen. ({0}) Zugleich wollen Sie in Ihrem Übungsstadium eine sehr schlechte Tradition der letzten Legislaturperiode fortsetzen, indem Sie nämlich versuchen, sicherheitspolitische Debatten auf die Ebene von Bekenntnisdebatten herunterzudrücken. ({1}) Dadurch wollen Sie eine offene Diskussion von vornherein blockieren und Geschlossenheit gegenüber dem parteipolitischen Gegner demonstrieren. ({2}) Das ist Ihre alleinige Taktik. Daß Sie dabei auf das Instrument der Verdrehung von Aussagen - auch bezogen auf den Artikel in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ - zurückgreifen, finde ich schon empörend. Sie von der Opposition brauchen uns wahrhaftig nicht zu belehren, daß die Landesverteidigung selbstverständliches Recht eines jeden Staates ist und daß Landesverteidigung heutzutage - Gott sei Dank - nur noch kollektiv - im Rahmen der Bündnisverteidigung - organisiert ist. ({3}) Sie brauchen uns wahrhaftig nicht zu belehren, daß die Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage in den nächsten 10 oder 20 Jahren heute nicht absehbar ist. Um diese Fragen, die überdies im Koalitionsvertrag eindeutig behandelt wurden, geht es heute doch gar nicht. Es geht heute um eine andere Frage, die der Kollege Volmer angesprochen hat, nämlich die um den Stellenwert und das Gewicht der Landesverteidigung und der Bündnisverteidigung im Zusammenhang von militärischer und nichtmilitärischer Krisenbewältigung. Das ist die selbstverständliche Frage. ({4}) Es ist altbekannt und hier völliger Konsens: Die Gefahr von raumgreifenden Offensiven gegenüber dem deutschen Gebiet und gegenüber dem Gebiet des Bündnisses ist nicht nur höchst unwahrscheinlich, sondern auf absehbare Zeit auch nicht mehr gegeben. Das ist Fakt. Das heißt, daß es einen - bitte hören Sie auf die Wortwahl - akuten Verteidigungsbedarf auf mittlerer Frist nicht gibt. Damit stehen natürlich auch Fragezeichen hinter der Legitimation der bisherigen Wehrform - ganz logisch. Für dieses alte Konfliktszenario sind wir allerdings in einer Weise gewappnet, die relativ weit über das hinausgeht, was wir zur Zeit der Blockkonfrontation hatten. Ganz anders sieht es allerdings bei dem Konliktszenario aus, das inzwischen vorherrschend ist, nämlich den innerstaatlichen Konflikten. Dafür werden militärische Krisenreaktionskräfte aufgebaut. Aber was - auch das wissen Sie - eindeutig fehlt, was mangelhaft ausgebildet ist und bei dem ein enormer Rückstand besteht, sind die Mittel für eine nichtmilitärische und eine friedliche Konfliktbewältigung. Die Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ wird selbstverständlich diese Schlüsselfragen nach der Lage und nach dem Auftrag der Bundeswehr und ihren entsprechenden Mitteln systematisch und gründlich bearbeiten. Das soll bekanntlich nicht in Form eines Konklaves, sondern eingebunden in eine breitere gesellschaftliche Debatte geschehen. In dieser öffentlichen Diskussion sind Beiträge der Militärs und der Politiker nicht nur erwünscht, sondern auch unbedingt notwendig. Die Erfahrungen - ich habe es vorhin schon angesprochen - mit dem Konflikt und dem Krieg in ExJugoslawien haben grundsätzlich gezeigt, wie mangelhaft der vorbeugende Brandschutz in der internationalen Politik entwickelt ist und wie hochkompliziert das Peacebuilding über einen erzwungenen Waffenstillstand hinaus ist. Ich erinnere mich an so manche regelrecht erschütternde Berichte des früheren Außenministers Kinkel und des früheren Verteidigungsministers Rühe nach ihrer Rückkehr aus Bosnien, in denen sie feststellten, daß man allein mit Brücken aus Beton keinen Frieden bauen kann und daß hier noch mehr geschehen muß. Daß sich die neue Bundesregierung auf diesen Feldern der internationalen Krisenbewältigung besonders engagieren will und erste Schritte eingeleitet hat, ist nicht nur sehr ermutigend, sondern wird mit Sicherheit die Unterstützung gerade auch der Bundeswehrangehörigen und - wie ich hoffe - der Vertreter einer konstruktiven Opposition finden. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Rossmanith von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Volmer hat zwar Kant angesprochen, aber er hat ihn sicherlich nicht gelesen; ({0}) denn sonst wäre ihm diese Aussage nicht gelungen. Der Philosoph Immanuel Kant hielt in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ im Jahre 1795 den grausamen Herrschern seiner Zeit die Forderung entgegen, stehende Heere sollten mit der Zeit ganz aufhören. Aber Kant hat auch hinzugefügt: Ganz anders ist es mit der freiwilligen, periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von außen zu sichern. ({1}) Ich glaube, das ist ein ganz klares Plädoyer Kants für die Wehrfähigkeit von Demokratien, die er als die einzige Staatsform zur Wahrung der Freiheit ansah, ({2}) allerdings auch ein Plädoyer des Philosophen gegen die Gefahren von Hochrüstung, von der wir uns nach Wegfall des Ost-West-Konflikts in großen Schritten entfernt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese Entwicklung sollten wir nach der schon lange ausstehenden Ratifizierung des Start-II-Abrüstungsabkommens durch die Duma sofort über einen Abrüstungsfolgevertrag weiter vorantreiben. Während Sie, Herr Verteidigungsminister Scharping, gerade dabei sind, eine Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ zusammenzustellen, ist der Herr Staatsminister im Auswärtigen Amt schon wesentlich weiter. Ganz ohne Kommission stellt er nämlich fest, daß die Bundeswehr schlicht und einfach keine Zukunft mehr hat. Er macht klar, daß Landesverteidigung für ihn kein Thema mehr ist, allenfalls denkt er noch ein bißchen an eine Blauhelmtruppe. Diese würde er dann am liebsten, so wie es auch im Koalitionsvertrag nachzulesen ist, gleich direkt den Vereinten Nationen unterstellen. Wahrscheinlich wollte Herr Staatsminister Volmer mit seiner radikalen Entwaffnungskampagne vor seinen grünen Freunden nicht hinter der Initiative seines Außenministers zurückstehen. Dieser - ich bedaure auch, daß er bei der Debatte heute nicht anwesend ist - stellt ja gerade durch seine Äußerungen - trotz der beschwörenden Feststellungen des Bundesministers der Verteidigung, ein Ausscheren aus dem Bündniskonsens komme für Deutschland überhaupt nicht in Betracht - die transatlantischen Beziehungen auf eine völlig unnötige Belastungsprobe. Dabei wird natürlich bei den Verbündeten Mißtrauen geweckt. Das wird noch durch die Gewichtung verstärkt, die die rotgrüne Koalition der OSZE geben will. Auch darauf ist Herr Staatsminister Volmer eingegangen. Ich glaube, daß immer deutlicher wird, daß das Versprechen von der außenpolitischen Kontinuität nichts anderes als der Versuch eines Täuschungsmanövers seitens Rotgrün war. ({3}) In kurzer Folge gehen die sicherheitspolitischen Sprengladungen im Koalitionsvertrag hoch und werden zur Gefahr für die fein ausgewogene Statik der eurotransatlantischen Sicherheit. Wie damals die Solzialdemokraten beim NATO-Doppelbeschluß scheint die rotgrüne Regierung bereit zu sein, funktionierende Sicherheitsinstrumente schlicht und einfach gegen Visionen einzutauschen. ({4}) Wer ein stehendes Heer für verzichtbar hält, beraubt unser Land seiner Wehrfähigkeit. Wer auf das notwendige Mindestmaß von nuklearer Abschreckung verzichtet, erhöht geradezu das Risiko konventioneller Konflikte. Wer strategische Grundelemente der NATO in Frage stellt, ohne funktionierende Alternativen zu haben, mißachtet den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande auf Sicherheit, die zu garantieren auch mit eine Verpflichtung von uns Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist. Denn wir sind es ja, die unseren Soldaten und den Zivilbediensteten der Bundeswehr diesen Auftrag gegeben haben. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Kurt Palis von der SPD-Fraktion das Wort.

Kurt Palis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001673, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht immer, wenn jemand unkonventionelle Gedanken äußert, sind diese auch uneingeschränkt brauchbar. Querdenken erregt Aufmerksamkeit und manchmal auch die Gemüter. ({0}) Stimmen Sie mir zu, Herr Kollege Nolting? ({1}) Herr Nolting, wenn Sie zum Beispiel an die sporadisch geäußerten sicherheitspolitischen Verirrungen Ihres Fraktionskollegen Koppelin denken, ({2}) müßten Sie zustimmen. ({3}) - Herr Nolting, weisen Sie es zurück. Ich werfe es Ihnen noch einmal zu: Das war der Versuch, sich gemeinsam an Erlebtes zu erinnern. Meine Damen und Herren, ich habe in den vergangenen Wochen, sowohl vor als auch nach der Wahl, zahlreiche Gespräche mit Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr geführt. Die Frage nach der Zukunft der Bundeswehr wurde jedesmal gestellt. Auch die Angehörigen treibt die Sorge um: Müssen wir wieder umziehen? Wie lange bleibt diesmal unser Standort erhalten? Welche Zukunftsperspektive habe ich, wenn ich als junger Mensch heute zum Bund gehen will? Die Menschen erbitten von uns Orientierungshilfe. ({4}) Sie erwarten Planungssicherheit für ihre berufliche und damit natürlich auch für ihre persönliche Zukunft. Diese Forderung ist nach den Jahren der permanenten Umstrukturierung und der daraus folgenden Ungewißheit, für die Sie, Herr Breuer, ja gestanden haben, nur allzu berechtigt. ({5}) Wir Politiker bestehen gegenüber unseren Soldaten auf dem Primat der Politik, und zwar aus wichtigen Gründen. Ich brauche diese hier nicht auszuführen. ({6}) Aber für mich ergibt sich daraus - darauf wird meines Erachtens viel zu selten hingewiesen - die Verpflichtung der Politik, sowohl mit unseren Bürgern in Uniform als auch mit den Zivilbeschäftigten und mit den Familien fürsorglich umzugehen. ({7}) Dies müssen wir uns besonders dann klarmachen, wenn es um Fragen geht, die die Existenzgrundlagen von Menschen betreffen. Dann muß unsere Devise zugegebenermaßen lauten: Erst nachdenken, dann querdenken. ({8}) Mit der Einsetzung der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ durch den Bundesverteidigungsminister wird die neue Regierung dies gewährleisten. Vor dem Abschluß der Arbeit dieser Kommission und der politischen Diskussion der Ergebnisse wird es keine substantiellen Veränderungen im Bereich der Bundeswehr geben. Diese Zusage gilt auch angesichts der schwierigen Haushaltslage, die uns die alte Regierung hinterlassen hat. Dies verdeutlichen auch die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag, die ich zitieren darf: Vor Abschluß der Arbeit der Wehrstrukturkommission werden unbeschadet des allgemeinen Haushaltsvorbehalts keine Sach- und Haushaltsentscheidungen getroffen, die die zu untersuchenden Bereiche wesentlich verändern oder neue Fakten schaffen. Zu diesen Aussagen stehen die neue Regierung und die sie tragenden Fraktionen weiterhin. ({9}) Die Politik dieser Regierung im Hinblick auf die Bundeswehr und ihre Zukunft wird sich an diesen Aussagen und Festlegungen orientieren. Dafür steht auch unser neuer Verteidigungsminister Rudolf Scharping. ({10}) Abschließend wage ich zu behaupten, daß bei aller Ergebnisoffenheit, die der Herr Minister für die Arbeit der Kommission „Zukunft der Bundeswehr“ reklamiert, die folgenden drei Aufträge der Streitkräfte erhalten bleiben werden: Landes- und Bündnisverteidigung in Zentraleuropa, Krisenreaktionen und Verteidigung im Bündnis außerhalb Zentraleuropas und Kriegsverhinderung durch Abschreckung und Stabilitätsbewahrung. Dafür ist das Heer unverzichtbar. Die Welt ist nicht friedlich, noch nicht. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Wolfgang Bötsch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Wolfgang Bötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000228, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich drei Tage vor der Bundestagswahl mit meinem Wahlkreiskontrahenten Walter Kolbow, der inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium ist ({0}) - er hat es verdient, - eine Podiumsdiskussion zu bestreiten hatte, waren wir uns einig, daß es wenig Sinn macht, sich dort groß über Fragen der Sicherheitspolitik auseinanderzusetzen, weil wir beide der Auffassung waren, daß es dabei zwischen uns nicht viel zu streiten gäbe. ({1}) Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, daß es so wenige Wochen nach der Wahl zu dieser Aktuellen Stunde kommen wird. ({2}) Ich glaube, er hat seine Auffassung nicht geändert, sondern offensichtlich manövrieren die Grünen die SPD in wirklich schwierige Situationen hinein - dieses Mal in der Person des Herrn Staatsministers Volmer. Das überrascht nicht, denn er war ja nun keine Liebeswahl für das Außenministerium, sondern er sollte in der Nähe des Herrn Fischer plaziert werden, damit der ihn etwas unter Kontrolle hat. Das war ja wohl der Sinn dieser Übung. ({3}) Die SPD hat auch heute zu Herrn Volmer so gut wie nichts ausgeführt. ({4}) Die Kollegin Wohlleben hat ja offenbar mehr oder weniger Versatzstücke aus der Weihnachtsansprache des Bundeskanzlers ({5}) bzw. aus dem Tagesbefehl des Verteidigungsministers an die Soldaten zu Weihnachten verlesen. Das hat sich alles ganz prima angehört, das kann man auch fast alles unterstreichen; nur zum Thema der heutigen Aktuellen Stunde hat sie nichts gesagt. ({6}) Ich dachte eigentlich, meine Damen und Herren, daß es für uns selbstverständlich ist, daß für ein politisch geeintes Europa jeder seinen Verteidigungsbeitrag, und zwar einen deutlichen, zu leisten hat. ({7}) Der Parteivorsitzende der CSU, Theo Waigel, hat am vergangenen Montag beim Franz-Josef-StraußSymposium der Hanns-Seidel-Stiftung fünf gleichermaßen einfache wie klare Grundsätze dafür formuliert: Erstens. Kein Mitglied der Union kann sich alleine verteidigen. Zweitens. Die Sicherheit Europas ist unteilbar. Drittens. Europa muß gleichberechtigter Partner Nordamerikas bleiben. Viertens. Europas strategische Handlungsfähigkeit ergänzt, ersetzt aber nicht die Allianz. Und fünftens. Atlantische und europäische Sicherheit müssen dieselben Strukturen nutzen. Meine Damen und Herren, in diesen Punkten wird ein erfolgversprechender Weg aufgezeigt, der zu einer Vertiefung der auf gemeinsamen Werten und Interessen beruhenden Sicherheitspartnerschaft zwischen Europäern und Amerikanern führt und einer Stärkung der NATO und nicht deren Schwächung dient. Äußerungen wie die des Staatsministers Volmer führen aber nicht nur im Innern, sondern auch im Äußeren zu Irritationen. Damit setzt er im Grunde genommen Vorstellungen seiner Politik um; er hat nämlich geglaubt, die Demonstration mit 300 000 Teilnehmern im Bonner Hofgarten, die Demonstrationen in Mutlangen und das Händchenhalten entlang der Autobahn hätten die Sicherheit garantiert und nicht unsere Streitkräfte im Verbund der NATO. ({8}) Das Gedankengut kommt bei ihm nach wie vor zum Durchbruch. Wer eine solche Verunsicherung betreibt, versündigt sich an unserer Sicherheit und an der Verteidigungsbereitschaft unserer Soldaten. ({9}) Wer mir dann sagt, Herr Volmer habe seine persönliche Meinung bzw. seine Privatmeinung geäußert, dem entgegne ich: Staatsminister im Auswärtigen Amt ist keine Hobbyveranstaltung, wo einer seine persönlichen Meinungen zum Besten gibt, sondern da spricht er für die Bundesrepublik Deutschland. Wenn die dpa-Meldung stimmt, daß die Verteidigung seiner Ansicht nach in Zukunft nicht durch Kampftruppen sichergestellt werden soll, sondern daß diese Aufgaben im Bereich zwischen Militär, Polizei und Diplomatie angesiedelt sein müssen, ({10}) dann kann ich nur die Frage stellen: Diplomaten mit schweren Waffen oder Soldaten im Diplomatenlook? Er hat bei seinen Überlegungen nur noch die freiwillige Feuerwehr ausgelassen. ({11}) Meine Damen und Herren, ich glaube, in diesen Fragen muß ganz schnell Klarheit durch den Außenminister oder durch den Verteidigungsminister hergestellt werden. Am besten geschieht dies durch den Bundeskanzler, weil es so aussieht, als seien sich der Verteidigungsminister und der Außenminister in diesen Fragen auch nicht einig. Vielen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat die Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bötsch, lassen Sie mich ein persönliches Wort an Sie richten. Sie haben gesagt, kein Mitglied der Union kann sich selbst verteidigen. Ich habe Verständnis dafür. Aber in dem Fall wären wir solidarisch mit Ihnen, wenn die Angriffe aus den eigenen Reihen zu stark würden. ({0}) Wir haben hier heute etwas über Querdenken gehört. Aber ich möchte zunächst einmal versuchen, die Beiträge der Opposition zu verstehen oder einzuordnen. ({1}) Ganz offensichtlich verharren Sie in einem sicherheitspolitischen Anachronismus - das ist nicht neu; sonst wären Sie nicht abgewählt worden -, der Ihnen den Blick nicht nur für die Zukunft der Bundeswehr, sondern auch dafür versperrt, die internationalen Herausforderungen der Friedenssicherung, der Prävention überhaupt anzuerkennen, um dementsprechend Antworten geben und diesen Herausforderungen nachkommen zu können. ({2}) Ich habe den Eindruck, daß Sie, weil Sie mit Ihrer neuen Rolle noch nicht klarkommen, krampfhaft versuchen, den in der abgewählten Regierung ständig vorhanden gewesenen Konflikt zwischen Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium künstlich der neuen rotgrünen Regierung aufzudrücken. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das sage ich gerade Ihnen, Herr Kollege Breuer. ({3}) Sie haben jahrelang nicht verstanden, daß es eine Aufgabenteilung gibt, eine Aufgabenteilung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung, das für Bundeswehr, Sicherheitspolitik und Verteidigung zuständig ist, und dem Auswärtigen Amt, das für die Aufgabe der Konfliktprävention und der Moderation zuständig ist. Daß Sie es nicht verstanden haben wundert mich nicht; denn Ihr Außenminister war dazu nicht in der Lage. Insofern war es Zeit, daß der Staatsminister im Auswärtigen Amt diesen Punkt sehr offen und konstruktiv angesprochen hat. ({4}) Ich will Ihnen noch einmal sagen, was die Zeichen der Zeit denn sind. Es geht nicht um Blindheit, und es geht nicht darum, Denkverbote der früheren Regierung fortzuführen. Wir werden überprüfen müssen, ob wir bei der aus meiner Sicht - wenn man es mit den anderen Streitkräften innerhalb der NATO vergleicht - überdimensionierten Bundeswehr, ({5}) einer Bundeswehr, die zugegebenermaßen - ich glaube, keiner kann das bestreiten - als panzerüberlastig zu bezeichnen ist und die ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat, als ihr im Moment immer unterstellt wird - Sie haben die Arbeit im Untersuchungsausschuß betreffend Bundeswehr und Rechtsextremismus vom Gedanken her vielleicht überhaupt nicht begleitet -, ({6}) nicht tatsächlich über innere Führung, politische Bildung und Tradition reden müssen. Es stellt sich die Frage, ob da nach der Zeit von Bundesverteidigungsminister Rühe nicht tatsächlich Reparaturbedarf besteht. Wir wollen diese Aufgaben mit der Bundeswehr zusammen erledigen; denn wir haben erlebt, daß es, wenn man die Bundeswehr als Apparat für die eigene Parteipolitik instrumentalisiert, nach hinten losgeht. Damit tun Sie weder den Bundeswehrangehörigen noch den Zivilbeschäftigten noch unserem Bündnis innerhalb der NATO einen Gefallen; denn das, was Herr Volmer vorgestellt hat und was Sie hier kritisieren, ist doch das, was unsere NATO-Partner, zum Beispiel in Dänemark, längst machen. Wir wollen endlich mit unseren Bündnispartnern diesen Schritt der Anpassung gehen, rechtzeitig Mittel für die Verhinderung von Kriegseinsätzen bereitzustellen, um so eine präventive Sicherheits- und Außenpolitik zu gestalten. ({7}) Wir wollen - Herr Kollege Breuer, auch wenn Sie das nicht verstehen wollen - eine präventive Sicherheitspolitik. Wir wollen den Bundeswehrangehörigen sagen können: Auch wenn ihr dafür ausgerüstet und ausgebildet seid, werdet ihr erst dann in Kampfeinsätze geschickt, wenn alle präventiven Maßnahmen gescheitert sind. Erst dann sollten wir das Recht haben, die Streitkräfte in einen schwierigen Einsatz zu schicken. Man muß aber jetzt damit anfangen, diese präventiven Maßnahmen zu operationalisieren und nicht alle Konflikte auf dem Rücken der Bundeswehr auszutragen. ({8}) Diese präventive Sicherheitspolitik werden wir innerhalb der nächsten Jahre konkretisieren. Jeder Bündnispartner und jeder in Deutschland, der sich diesem Weg verweigert, wird vor der Zukunft Deutschlands in einer sicheren Umgebung innerhalb Europas und innerhalb der NATO die Augen verschließen und sich selbst isolieren. Das ist Ihr Weg. Wenn Sie ihn unbedingt gehen wollen, dann tun Sie es. Mir würde es aber leid tun. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Verteidigung, Herr Scharping.

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kleine Mißverständnisse können ja entstehen. Wenn sie nicht sozusagen so konstruiert würden, wie manche es in dieser Debatte getan haben, dann würde die Diskussion einfacher. ({0}) Dies sage ich auch, um dem Kollegen Breuer einen Hinweis darauf zu geben, daß man zwar so mit Themen umgehen kann, aber nicht unbedingt sollte. Es ist die klare Politik der Bundesregierung, daß die Fähigkeiten unseres Landes und des gemeinsamen Bündnisses, auch die der Europäischen Union und der Westeuropäischen Union, gestärkt werden sollten, gegen Krisen vorbeugend vorzugehen, ihre Ursachen frühzeitiger zu erkennen und konsequenter zu handeln. Wenn in dieser Frage zwischen der CDU/CSU - ich hoffe: auch der F.D.P. - und der Koalition, für die dieser Punkt ohnehin selbstverständlich ist, keine Differenz besteht, dann müssen Sie verstehen, daß es konsequent ist, zum Beispiel die Fähigkeiten der Vereinten Nationen und auch die der NATO auf diesem Felde zu steigern. ({1}) Sie werden dann weiterhin verstehen, daß es konsequent ist, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen das anzubieten, was der Außenminister und der Verteidigungsminister bei ihren Besuchen angeboten haben, nämlich speziell ausgerüstete und speziell ausgebildete Einheiten für eine schnellere Reaktion, zum Beispiel für eine der Vereinten Nationen, zur Verfügung zu stellen. ({2}) Sie wissen, daß auch andere Länder dieses tun. Der Beitrag Deutschlands ist für die Vereinten Nationen außerordentlich wichtig; er wird ja auch von Ihnen begrüßt. Da ich sehr dafür eintrete, ohne parteipolitische Vordergründigkeiten zu diskutieren - zwar leidenschaftlich in der Sache, aber ruhig im Ton, was immer besser ist als umgekehrt -, ({3}) will ich Ihnen noch sagen, daß diese Politik der Bundesregierung nicht nur bei den Vereinten Nationen respektiert und bei den Bündnispartnern gut aufgenommen wird, sondern daß wir diese Politik auch konsequent umsetzen werden. Falls Sie in die Vergangenheit schauen, werden Sie erstaunt feststellen, daß ich als erster Bundesminister der Verteidigung zu den Vereinten Nationen gehe. Ich will jetzt nicht auf einzelne Personalentscheidungen zurückkommen. Ich will aber sagen, daß - um es einmal etwas unpräzise zu sagen - der Rückzug des Generals Eisele bei den Vereinten Nationen nicht gerade ein sehr gutes Signal war. ({4}) Da Sie ja immer ein bißchen schneller reden als denken, ({5}) will ich Ihnen noch den Hinweis geben, daß diese Politik nicht „mehr UNO und weniger NATO“ bedeutet, sondern daß sie bedeutet, daß alle internationalen Institutionen mit ihren ganz spezifischen Verantwortungen ihre Fähigkeit steigern sollten, Krisen frühzeitig zu erkennen, wirksam gegen ihre Ursachen vorzugehen und schneller in diesem Sinne zu handeln. Mit Blick auf manche Diskussionsbeiträge wäre es übrigens gut, wenn man diese politische Linie nicht in einen Gegensatz zur Bundeswehr und zu ihren Aufgaben brächte; denn die Bundeswehr hat zum Beispiel in Bosnien, in Georgien, in Kambodscha und im Sudan bewiesen - sie wird es hoffentlich auf friedliche Weise auch im Kosovo beweisen können -, daß sie schon heute fähig ist, in diesem Sinne Aufgaben zu übernehmen und sie wirksam zu erfüllen. ({6}) Vor diesem Hintergrund kann ich alle Mitglieder des Hauses, gleich welche Ämter sie ansonsten bekleiden mögen, nur bitten, diese Politik der Bundesregierung nicht in einen Gegensatz zu den Aufgaben der Bundeswehr und ihren nachgewiesenen Fähigkeiten zu bringen, im Interesse von Gewaltfreiheit und Friedenssicherung zivile Entwicklungen überhaupt zu ermöglichen. ({7}) Dann haben Sie hier im übrigen Debatten über die Aufgaben der Bundeswehr geführt. So etwas gibt ja immer auch Anlaß, allerlei Bemerkungen über das zu machen, was sich in Zukunft ergeben könnte. Ich möchte Ihnen dazu nur folgendes sagen: Die Koalition hat sich verpflichtet, der Bundeswehr zunächst die notwendige Sicherheit zu geben. Jeder, der das in seinen Reden hier im Hause in Zweifel zieht, redet gegen die erklärte Politik der Bundesregierung. Auch das soll klar ausgesprochen sein. ({8}) Die Arbeit der Kommission ist nämlich nicht eine Vorbereitung intellektueller Natur, um schon gefaßte Vorurteile zu begründen, sondern sie ist eine Anstrengung, die sicherheitspolitische Lage unseres Landes und des Bündnisses mit Blick auf die Aufgaben des Landes und des Bündnisses - diese sind ja nicht voneinander zu trennen - sorgfältig zu analysieren und dann daraus Konsequenzen zu ziehen. Dabei warne ich alle Neugierigen vor dem Trugschluß, aus der verbesserten sicherheitspolitischen Situation unseres Landes könne automatisch gefolgert werden, daß man die zum Teil hier angedeuteten und in der Öffentlichkeit diskutierten Konsequenzen locker vom Hocker ziehen könnte. Das wird nicht gehen. Die historisch einmalige Situation der Bundesrepublik Deutschland, nach dem Beitritt Polens und der Tschechischen Republik - ich will auch Ungarn nicht vergessen - von Freunden und Bündnispartnern umgeben zu sein, ist für Deutschland und die Kernaufgabe der Landesverteidigung ein gewaltiger Fortschritt. Für das Bündnis und die andere Kernaufgabe der gemeinsamen Sicherheit der Bündnispartner verbietet sich aber ein Blickwinkel, der an den territorialen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland halt macht. ({9}) Wir haben diesem Bündnis etwas zu verdanken; wir haben ihm auch etwas zu geben. ({10}) Vor diesem Hintergrund muß jeder, der sicherheitsund außenpolitische Erfordernisse betrachtet, nicht nur Deutschland und seine unmittelbaren territorialen Nachbarn betrachten, sondern das Bündnis und dessen territoriale Nachbarn. ({11}) Anderenfalls kann man nicht erfassen, welche Aufgaben sich der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr stellen. ({12}) Ich kann gut verstehen, daß man in den ersten Wochen einer neuen Bundesregierung auch nur den leisesten Verdacht auf Mißverständnisse und unterschiedliche Auffassungen nutzt. Aber ich rate Ihnen, bei der Konstruktion des Verdachtes und der Verwendung des immer wieder reklamierten Wortes, nun müsse aber bitte schön der Bundeskanzler Klarheit schaffen, etwas vorsichtiger zu sein. Das wirkt ein bißchen lächerlich. Der Kollege Volmer hat - im übrigen in völliger Übereinstimmung mit einer Linie, die zwischen dem Bundesaußenminister und mir völlig unstrittig ist - hier klargemacht, daß eine bestimmte Berichterstattung mit seinen Auffassungen nicht übereinstimmt. Dann nehmen Sie es doch einfach einmal so, wie es ist. ({13}) Er sagt es Ihnen hier im Parlament, und deswegen macht es keinen Sinn, immer wieder darin herumzubohren, es sei denn - ich bitte Sie, sich einmal zu überlegen, was Sie hier zum Teil veranstalten -, man versucht, das öffentlich gemeinsam proklamierte Ziel von sozialer und planerischer Sicherheit für die Bundeswehr, für die Soldaten und Zivilangestellten einschließlich ihrer Familien, in Mißkredit zu bringen und jeden Vorwand dafür zu nutzen, um Unsicherheit zu säen. Das kann nicht im Interesse unseres Landes, seiner Sicherheit und der Bundeswehr liegen. Stellen Sie die Sache einfach ein. Herr Volmer hat die Angelegenheit klargestellt. Damit ist das in meinen Augen geklärt. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach der Geschäftsordnung jetzt eine neue Runde der Debatte eröffnet werden könnte. - Ich höre aber, daß darauf verzichtet wird. ({0}) Als abschließende Rednerin hat die Kollegin Ursula Lietz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der eine oder andere mag zu Beginn dieser Legislaturperiode geglaubt haben, daß es in der Außen- und Sicherheitspolitik möglicherweise einen weitestgehenden Konsens über alle Parteigrenzen hinweg geben könnte. Die Bundesregierung hat Kontinuität und Verläßlichkeit versprochen. Wir haben bereits wenige Tage nach dem Regierungswechsel feststellen müssen, daß die vollmundigen Zusagen des Bundeskanzlers und seiner Regierungsmitglieder reine Lippenbekenntnisse waren. ({0}) Sie, Herr Zumkley, erklären sogar, daß die Frage der zukünftigen Strukturen der Bundeswehr heute nicht das wichtigste Thema sei. Das hat mich schon erschüttert; das muß ich wirklich sagen. ({1}) Staatsminister Volmer, um dessen Äußerungen zur Bundeswehr es hier heute geht, hat ebenfalls innerlich überhaupt noch nicht nachvollzogen, daß es in der Politik in seiner neuen Rolle als Regierungsmitglied um Verantwortung für unser Land und dessen Gestaltung geht und nicht um Sprüche, welche die eigene grüne Basis und deren Fundis ruhigstellen. Verständnis habe ich dafür, daß der eine oder andere Grüne angesichts des bevorstehenden Parteitages einen Spagat zu machen versucht. Aber damit können Sie nicht regieren, meine Damen und Herren von den Grünen. ({2}) Daß dies im Auswärtigen Amt ebenfalls so gesehen wird, zeigt die Reaktion des Sprechers des eigenen Amtes, der die Aussagen von Herrn Volmer als persönliche Äußerungen des Abgeordneten bewertet und nicht etwa als eine offizielle Regierungsmeinung. Herr Volmer, dies müßte Ihnen eigentlich peinlich sein, wenn Sie eine Schmerzgrenze hätten. Ich finde es beschämend, daß ein Staatsminister von einem Beamten des eigenen Hauses in dieser Art und Weise abgekanzelt werden muß. Insgesamt entsteht bei mir als jemandem, der in diesem Parlament neu ist, der Eindruck, daß in dieser Regierung niemand mehr so recht weiß, wer eigentlich für was und für wen spricht. Die Grünen selbst bezeichnen diese Regierung als Chaostruppe. Das kann ich nachvollziehen. Das ist vielleicht eine erste Form von Selbsterkenntnis. So habe ich mir und so haben sich viele und immer mehr Menschen in diesem Lande verantwortungsvolle Politik für Deutschland wirklich nicht vorgestellt. Der Verteidigungsminister ist auf die Bemerkungen, die Herr Volmer gemacht hat, überhaupt nicht eingegangen. Er hat sich mit ihnen nicht auseinandergesetzt, obwohl Herr Volmer in der „Berliner Zeitung“ sehr deutlich bezweifelt hat, daß die Sicherheitsaufgaben von der jetzigen Bundeswehr bewältigt werden können. Das ist schon bemerkenswert. Angesichts dessen müssen wir uns als CDU/CSU-Fraktion hinter die Bundeswehr stellen, wie wir das in der Vergangenheit immer getan haben. ({3}) Herr Volmer ist der Meinung, daß seine politischen und ideologischen Gründe, die Bundeswehr abzuschaffen, wie es seine Parteifreunde von den Grünen erhoffen, richtig seien. Die Stärkung der UNO durch Aufstellung von „Stand-by-Forces“ soll die NATO schwächen - das ist die eigentliche Absicht ({4}) und im Ergebnis völlig überflüssig machen. Genau diese beiden Ziele - Abschaffung der Bundeswehr und der NATO - sind ein grüner Traum, der mit der Realität der Welt leider nichts zu tun hat. ({5}) Frau Beer, Sie haben vorhin übersehen, daß es die Dänen waren, die mit Panzern nach Bosnien gekommen sind. Auch das sollten Sie wissen. ({6}) Wo wären wir heute in Bosnien ohne die Soldaten der Bundeswehr und ohne die internationale Gemeinschaft? Wie anders als mit der überzeugenden Androhung militärischer Gewalt hätten wir Diktatoren und selbsternannte Revolutionäre wieder zur Räson bringen können, um Frieden und Freiheit in der Welt ein Stück weit sicherer zu machen? Es gibt eben nicht, wie Sie eben gesagt haben, Herr Volmer, nur Freunde in Europa und in der Welt; das erleben wir täglich. ({7}) Mit Ihren Äußerungen haben Sie es geschafft, erneut Unruhe in die Bundeswehr zu tragen. Gleichzeitig ist der Verteidigungsminister einmal mehr krampfhaft bemüht, den Soldaten der Bundeswehr Planungssicherheit und Ruhe vorzugaukeln. Täuschen Sie sich nicht! Die Soldaten und die zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr schauen sehr genau hin, was diese Regierung mit ihnen vorhat und wie sie sie und ihre Familien behandelt. ({8}) Es scheint inzwischen in der rotgrünen Koalition Methode zu sein: Grüne Politiker verkünden sicherheitspolitischen Unsinn in aller Welt, und der rote Verteidigungsminister muß die grünen Scherben mühsam wegräumen. Dies wird auf Dauer nicht reichen, um ein Land wie Deutschland erfolgreich und für die Partner berechenbar und verläßlich zu regieren. Kein halbwegs ernstzunehmendes Land dieser Welt leistet sich die hanebüchene Forderung nach der Abschaffung seiner eigenen Streitkräfte, meine Damen und Herren. Auch da sind wir einzigartig. ({9}) Zu einer verantwortungsvollen Politik gehört auch eine angemessene Sicherheitsvorsorge. Gesicherte Verteidigungsfähigkeit sichert politische Handlungsfähigkeit. Ich fordere für meine Fraktion den Bundeskanzler auf, die sicherheitspolitische Kontinuität in diesem Lande wiederherzustellen, den Scherbenhaufen endlich aufzukehren und klare Signale zu setzen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluß, Frau Kollegin.

Ursula Lietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bürger unseres Landes, insbesondere die Soldaten und ihre Familien, haben ein Anrecht auf die Verläßlichkeit dieses Hauses und dieser Regierung. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich gratuliere Ihnen, Frau Lietz, zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Dezember 1998, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.