Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/15/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert, PDSFraktion?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ja.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Ministerin, Sie sprachen gerade mit großer Euphorie von den Möglichkeiten der biologischen Wissenschaften. Sie haben einige Krankheiten genannt, die Ihrer Ansicht nach dadurch bekämpft werden könnten. Sie hatten auch angekündigt, von den UMTS-Geldern vieles in die entsprechenden Forschungsrichtungen zu stecken. Sie wissen doch aber so gut wie ich, dass sowohl innerhalb der Bevölkerung als auch innerhalb des Hauses, als auch innerhalb Ihrer eigenen Fraktion sehr große Vorbehalte und Ängste mit Biotechnologien - insbesondere der Gentechnik - verbunden sind. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie damit die Arbeit der Enquete-Kommission, die wir extra zu diesem Zweck eingesetzt haben, sehr stark präjudizieren? Schaffen wir damit nicht sehr einseitige Tatsachen, die dann unabhängig von den Ergebnissen der Enquete-Kommission - für den Fall, dass die Enquete-Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass die Gefahren wesentlich größer sind als die Chancen überhaupt nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein könnten?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Da ich selbst zu den Abgeordneten gehöre, die 1989/90 das Embryonenschutzgesetz auf den Weg gebracht haben, bin ich mir sehr wohl bewusst, dass wir bei der Anwendung der Gentechnik ethische Grenzen ziehen müssen. ({0}) Ich bin der Überzeugung, dass wir in unserem Land das Embryonenschutzgesetz aufrechterhalten müssen und kein therapeutisches Klonen zulassen sollten. Ich hoffe hier auf eine breite Zustimmung im Parlament. ({1}) Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir auch in der Verantwortung stehen, die Chancen, die uns diese Technologie bietet, im Interesse der Menschen zu nutzen, die an den Krankheiten leiden, die ich genannt habe. Wir wissen, dass wir wahrscheinlich nur über diesen Weg wirksame Therapien entwickeln können. Deshalb ist es kein Widerspruch, sondern es gehört beides zusammen: auf der einen Seite ganz klare ethische Grenzen in der Anwendung zu ziehen und auf der anderen Seite die Chancen zu nutzen. ({2}) Der Vorteil in unserem Land ist, dass wir inzwischen gelernt haben, dass es nicht darauf ankommt, Ja oder Nein zu sagen, sondern dass es darauf ankommt, den Weg so einzuschlagen, dass man die Chancen neuer Entwicklungen nutzt, aber auch ganz klar sagt, welche Anwendungen man nicht will, und dann in der Forschungsförderung und in der Gesetzgebung die entsprechenen Entscheidungen trifft. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Noch eine Rückfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich danke Ihnen für Ihre klare Aussage in Bezug auf die ethischen Grenzen, die Sie ziehen wollen. Gleichwohl zeigt die Erfahrung, Frau Ministerin, dass ethische Grenzen allein häufig nicht sehr haltbar sind, wenn die technischen und sonstigen Voraussetzungen dafür geschaffen sind, dass man andere Dinge tun kann als das, was Sie oder ich oder wir gemeinsam wünschen. Auch wenn Sie beispielsweise das therapeutische Klonen verbieten wollen, ist doch die Möglichkeit für wissenschaftliches Klonen eröffnet. Sie wissen so gut wie ich, dass man dann, wenn man wissenschaftlich klonen kann, auch therapeutisch und schließlich auch reproduktiv klonen kann. Das kann mit denselben Methoden, mit denselben Instrumenten und von denselben Menschen gemacht werden. Mein Problem ist, dass dann, wenn die technischen Möglichkeiten da sind, ethische Grenzen von Einzelnen bedauerlicherweise überschritten werden können und dies nie wieder rückgängig gemacht werden kann.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ich bin der Überzeugung, dass der Unterschied zwischen Menschen und Tieren gerade darin besteht, dass wir ganz bewusst entscheiden können, dass wir urteilen und auch werteorientiert handeln können. Deshalb wiederhole ich, dass wir die ethischen Grenzen nicht nur in Werturteilen, sondern auch in unseren Gesetzen ziehen müssen, wie wir es bereits getan haben. Die gesetzliche Grenze, die wir gezogen haben, soll aufrechterhalten werden. In den gesetzlichen Vorschriften wird im Übrigen nicht differenziert: In der Bundesrepublik ist Klonen generell untersagt. ({0}) - Im Embryonenschutzgesetz ist das Klonen generell untersagt und das soll auch so bleiben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Ministerin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Werner Lensing, CDU/CSU-Fraktion?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Aber selbstverständlich.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß, dass es heute primär um haushaltspolitische Fragen geht. Aber da wir hier gerade an einer Nahtstelle von Forschungspolitik und Ethik sind und über ethische Aspekte reden, möchte ich Sie, Frau Ministerin, noch Folgendes fragen: Können Sie sich vorstellen, dass in Ihrem Hause im Hinblick auf das weite Feld der Forschung, das wir gerade behandelt haben, eines Tages Handlungsbedarf insofern entstehen könnte, als dass wir im Bereich der Humanforschung vieles in der Bundesrepublik Deutschland nicht machen dürfen, was aber im Ausland erforscht wird, und wir gleichwohl mit Teilergebnissen, die im Ausland erzielt worden sind, anschließend in der Bundesrepublik Deutschland weiterarbeiten? Sehen Sie da nicht eventuell die Gefahr einer doppelten Moral?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Eine doppelte Moral ist immer schlecht. Deshalb halte ich zum Beispiel die Regelung, die in den USA gilt, für nicht erfolgversprechend und nicht gut. Das heißt, dass man zum Beispiel die Finanzierung der Arbeit mit embryonalen Stammzellen durch private Forschungsförderungsmittel zulässt, die durch staatliche aber nicht. Das halte ich nicht für eine gute Regelung. ({0}) Ich bin dabei schon der Auffassung, dass man eine klare Position haben sollte. Ich habe eine klare Position, dahin gehend, die verbrauchende Embryonenforschung nicht zuzulassen, so wie es auch im Embryonenschutzgesetz niedergelegt worden ist. Ich persönlich werde mich auch in Zukunft dafür einsetzen - so wie ich es auch in der Vergangenheit getan habe -, dass es dabei bleibt und dass dieses Gesetz in diesem Punkt nicht geändert wird. Herr Lensing, ich habe vorhin gesagt, dass die Tatsache, dass wir urteilsfähig sind und differenzieren können, uns als Menschen auszeichnet. Deshalb bin ich der Auffassung, dass man eine Position, von der man zutiefst überzeugt ist, vertreten muss, und zwar auch in internationalen Gremien. Das tue ich auch, im Übrigen gar nicht so erfolglos, weil zum Beispiel sehr viele meiner Forschungsministerkollegen in der Welt, im G-8-Kreis, aber auch im europäischen Bereich meine Position durchaus teilen. Von daher sind wir da nicht isoliert. Ich persönlich bin der Meinung: Wir sind in einer guten Position, die auf unseren humanistischen Weltbild basiert, das wir in Europa haben. Ich finde, es lohnt, sich dafür einzusetzen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade vor dem Hintergrund, den wir jetzt miteinander diskutiert haben, ist wohl jedem deutlich geworden, dass es wichtig ist, die Chancen dieser Technologie zu nutzen, aber auch klare Grenzen zu ziehen. Wir haben im Bereich der Genomforschung mehr Mittel eingesetzt und die Mittel in diesem Jahr auf 144 Millionen DM erhöht. Das bedeutet eine Steigerung der Fördermittel um 70 Prozent für diesen zentralen Bereich der Lebenswissenschaften. Damit nehmen wir hinter den USA bei der staatlichen Förderung den zweiten Platz ein. Also: Das ganze Gerede, wir stünden hier hintenan, ist schlichtweg falsch. Wir haben inzwischen den zweiten Platz deutlich zurückerobert. Ich glaube, das ist wichtig zum Nutzen der Menschen. ({2}) Bei der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft haben unsere Hochschulen eine Schlüsselrolle. Wir haben für die Hochschulen in den letzten Jahren bereits eine ganze Menge auf den Weg gebracht und setzen dies in diesem Jahr fort. Wir erhöhen zum einen die Mittel für den Hochschulbau auf rund 2,2 Milliarden DM. Das ist notwendig, weil hier in den vergangenen Jahren - gerade Anfang und Mitte der 90er-Jahre - erheblich gekürzt worden ist. Es passt einfach nicht zu einer modernen Hochschule, wenn der Putz von den Wänden bröckelt und man mit Geräten arbeiten muss, die 20 Jahre alt sind. Das geht nicht und deshalb haben wir die Mittel hier deutlich erhöht. ({3}) Wir erhöhen zum anderen auch die Mittel für das BAföG. Das Thema BAföG war in der ersten Hälfte der 90er-Jahre ein wirkliches Trauerspiel. Frau Pieper, ich sage ganz offen: Eine Opposition, die in den 16 Jahren ihrer Regierungsverantwortung nicht den kleinsten Finger dafür gerührt hat, dass das BAföG vernünftig ausgestattet wird, nehme ich ihre Kritik einfach nicht mehr ab. ({4}) Ich kann Ihnen versichern, Sie hätten in all den Jahren, in denen wir in der Opposition waren, unsere Unterstützung gehabt, wenn Sie ernsthafte Anträge zu einer nennenswerten Aufstockung gestellt oder eine Reform durchgeführt hätten. Wir hätten damals mitgestimmt; das kann ich für alle Kollegen zusagen. Aber Sie haben es nicht ein einziges Mal wirklich versucht. ({5}) Wir sanieren das BAföG von Grund auf. Damit gibt es einen neuen Anfang. Wir erhöhen die Freibeträge und die Bedarfssätze beim Höchstsatz um 7,3 Prozent. Wir sorgen durch die Begrenzung der Darlehensbelastung auf 20 000 DM dafür, dass die Jugendlichen aus den einkommensschwächsten Familien am Ende ihres Studiums nicht mit dem größten Schuldenberg dastehen. Genau das ist ja zurzeit der Fall.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper, F.D.P.-Fraktion?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Ja, das mache ich.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich als Abgeordnete danke Ihnen, Frau Ministerin, für die Gelegenheit, in einen Dialog mit Ihnen einzutreten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, Sie hätten zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion einer BAföG-Strukturreform zugestimmt. Ich möchte deshalb gerne wissen, warum Sie jetzt keine BAföG-Strukturreform, sondern nur eine weitere Novelle vorlegen wollen. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Frau Pieper, das, was wir vorlegen, ist eine BAföG-Strukturreform und keine weitere Novelle. ({0}) Wir werden das BAföG von Grund auf verändern. Wir werden das Gesetz erheblich entschlacken, sodass es auch wirklich wieder praktikabel ist und die Leute nicht mehr sagen: Das ist so kompliziert, dass ich einen BAföGAntrag erst gar nicht stelle. - Das ist im Augenblick - leider - oft der Fall. Ich hoffe, dass Sie alle dazu beitragen werden, dass die Akzeptanz für dieses Gesetz wieder wächst und dass es wieder ernst genommen wird. Wir werden mit dieser Strukturreform erreichen - auch deshalb ist es eine Strukturreform -, dass circa 80 000 Jugendliche wieder BAföG-berechtigt sind. Das ist eine große Zahl. Wenn Sie den Vorschlag gemacht hätten, die Freibeträge um 7,3 Prozent anzuheben, dann hätten wir dem zugestimmt. Wenn Sie das vorgeschlagen hätten, was ich jetzt vorschlage - die Begrenzung der Darlehensbelastung und damit des Schuldenbergs der Studierenden -, dann hätten wir das mitgetragen. Wenn Sie - wie wir jetzt - vorgeschlagen hätten, dass auch BAföG-Empfängern nach dem zweiten Semester ein längeres Auslandsstudium ermöglicht wird, dann hätten wir das mitgetragen. Wenn Sie die Gleichstellung von Studierenden in Ost und West vorgeschlagen hätten - das machen wir jetzt; das ist längst überfällig -, ({1}) dann hätten wir auch das - das kann ich Ihnen versichern - mitgetragen. Wenn Sie alle diese Vorschläge gemacht hätten, dann hätten wir Sie unterstützt, dann hätten wir sie jetzt nicht selber machen müssen und dann hätten wir das BAföG jetzt noch weiter verbessern können. Ich sage ganz offen: Ich finde es nicht besonders überzeugend, dass Sie uns jetzt sagen: „Es reicht aber nicht“, nachdem Sie selber 16 Jahre überhaupt nichts getan haben. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Ministerin, Kollegin Pieper möchte eine weitere Zwischenfrage stellen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Gut.

Cornelia Pieper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003208, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, gestehen Sie mir zu, dass ich noch nicht so alt aussehe, als ob ich schon 16 Jahre in diesem Parlament sitze? ({0}) Gestehen Sie mir des Weiteren zu, dass die F.D.P.-Bundestagsfraktion zusammen mit mir die Angleichung der Wohngeldzuschüsse für Studenten im Osten schon während der letzten Haushaltsberatung gefordert hat? Es gab damals einen sehr heftigen Disput hier im Plenum darüber. Ich frage auch: Ist es richtig, dass Ihre jetzige so genannte Strukturnovelle eine elternabhängige Förderung der Studenten vorsieht, obwohl Sie, Frau Ministerin, noch vor zwei Jahren eine elternunabhängige Förderung beim BAföG gefordert haben?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Minister:in)

Politiker ID: 11000305

Zu Ihrer ersten Frage kann ich nur sagen: Frau Pieper, es kommt darauf an, wann Sie Mitglied des Bundestages geworden sind. Wenn man in relativ jungen Jahren in den Bundestag gewählt wird - das trifft auf einen Teil der Abgeordneten zu -, dann kann man jung aussehen und trotzdem schon 16 Jahre Mitglied dieses Parlaments sein. Wie gesagt, es kommt darauf an, wann man zum ersten Mal Mitglied des Bundestages wird. ({0}) - Genau, wann man anfängt. Zur zweiten Frage: Die SPD-Fraktion hat sich über viele Jahre hinweg für zwei Dinge eingesetzt. Wir haben zum einen eine Grundsanierung des BAföG gefordert. Sie wissen genauso gut wie ich, dass dies absolut zwingend war. Deshalb war ich ja so verärgert, dass dies in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht gemacht worden ist. Wir haben zum anderen eine Änderung der Familienförderung gefordert. Allerdings bringt die Änderung der Familienförderung - um auch das ganz deutlich zu sagen - den einkommensschwächeren Familien keine müde Mark mehr ins Portemonnaie. Auch das wissen Sie genauso gut wie ich. Aber gerade die Förderung von Jugendlichen aus einkommensschwächeren Familien ist notwendig, weil wir festgestellt haben, dass sich zurzeit immer weniger junge Menschen, die aus solchen Familien kommen, ein Studium leisten können. Deshalb ist die von uns vorgelegte Strukturreform ein wichtiger Schritt für Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien. Sie können nämlich wieder sagen: Ich kann studieren, weil ich es finanzieren kann; denn ich erhalte ein vernünftiges BAföG. - Genau das werden wir mit unserer Strukturreform erreichen. ({1}) Wir werden zusätzlich zu dem, was ich bereits zur Strukturreform in der Antwort auf die Fragen von Frau Pieper gesagt habe, die Möglichkeit schaffen, Bildungskredite in besonderen Notsituationen in Anspruch zu nehmen. Daran arbeiten wir. Auch das halte ich für ein sinnvolles Ergänzungsinstrument. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind vor allem die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in unserem Land darüber entscheiden, wie fit unsere Hochschulen, unsere Gesellschaft und auch unsere Wirtschaft morgen sind. Deshalb müssen wir den bevorstehenden Generationenwechsel an unseren Hochschulen im Interesse der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen. Deshalb haben wir die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gestärkt und verstetigt. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist für uns eine Daueraufgabe und keine Sonderaufgabe, wie es von der alten Bundesregierung tituliert wird. Sie braucht eine langfristige Perspektive. ({3}) Wir gestalten die Hochschulfinanzierung in Zukunft berechenbarer und stellen die Förderung von Begabtenförderungswerken sowie Graduiertenkollegs und den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf eine verlässliche Grundlage. Damit bekommen unsere Hochschulen endlich die Planungssicherheit, die sie brauchen. Mit der von mir auf den Weg gebrachten Reform des öffentlichen Dienstrechts im Wissenschaftsbereich will ich erreichen, dass gute Leistungen in Lehre und Forschung honoriert werden und nicht an starren Strukturen, an Bürokratie oder Beamtenrecht scheitern. ({4}) Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Einführung von Juniorprofessuren und einer Besoldung für Professoren, die von den Leistungen und nicht nur vom Alter abhängt, dem wissenschaftlichen Nachwuchs neue Chancen eröffnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, junge Menschen brauchen eine gute und qualifizierte Ausbildung, damit sie ihr Leben meistern können. Das gilt für diejenigen, die studieren. Es gilt aber auch generell. Unser Land braucht gut ausgebildete Menschen. Wir brauchen sie, damit sich unsere Demokratie, unser Land, unsere Wirtschaft, weiterentwickeln können. Die Modernisierung der beruflichen Bildung und die Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes sind deshalb wesentliche Schwerpunkte dieses Haushaltes und unserer Arbeit. Ich bin sehr froh darüber, dass unsere Arbeit im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit Erfolge zeigt. Wir haben in den alten Bundesländern in diesem Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit eine fast ausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz. In den neuen Bundesländern sieht es noch nicht so gut aus. Hier mangelt es an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Aber auch hier haben wir endlich eine Trendwende geschafft. Denn wir haben zum ersten Mal einen spürbaren Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Es muss unser Ziel sein, betriebliche Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl zu haben. ({5}) Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bei den Kammern, aber auch bei vielen einzelnen Handwerksbetrieben und Unternehmen bedanken, dass sie hier mitgemacht und Ausbildungsplätze angeboten haben. ({6}) Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass es uns gelingt, dass die 3 000 Jugendlichen, die zu Beginn des Ausbildungsjahres noch unvermittelt waren, bis Ende September einen Ausbildungsplatz finden werden. Wir werden das Unsrige dafür tun, damit es gelingt. Damit machen wir unser Versprechen wahr, dass jeder Jugendliche, der kann und will, einen Ausbildungsplatz erhält. Wir haben in unserem Haushalt noch einen weiteren Schwerpunkt gelegt, nämlich auf den Ausbau von Bildung, Wissenschaft und Forschung in den neuen Ländern. Dafür werden wir auch künftig mehr als 3 Milliarden DM pro Jahr zur Verfügung stellen. Hier möchte ich zwei Programme nennen. Zum einen unterstützen wir mit dem Ausbildungsplatzprogramm Ost betriebliche Ausbildungsplätze in den neuen Bundesländern. Zum anderen haben wir die Initiative InnoRegio. Mit diesem neuen Förderansatz geben wir gerade den neuen Bundesländern wichtige Impulse. Mit diesem neuen Ansatz haben wir schon jetzt große Erfolge erreicht. Wir schaffen mit ihm etwas, was mir sehr wichtig ist: Wir schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verkaufserlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen wird die Bundesregierung voll und ganz zur Schuldentilgung einsetzen. So haben wir es angekündigt. Mit den Zinsersparnissen werden wir unsere Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung weiter verstärken, und zwar zusätzlich zu dem, was wir im Haushalt haben. ({8}) Damit werden wir unserer Politik der Modernisierung und der sozialen Gerechtigkeit zusätzlichen Schub geben. Wir sind mit dem Versprechen angetreten, unser Land zu modernisieren. Wir halten dieses Versprechen. ({9}) Ich sage ganz klar: Die Zeit der Sonntagsreden, wie wir sie in den 90er-Jahren erlebt haben, ist vorbei. Wir packen es an. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja Verständnis dafür, dass unsere Ministerin die Auffassung vertritt, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 1998 in Deutschland die heile Welt begonnen hat. ({0}) Diese Überzeugung hat sich aber noch nicht einmal bei allen Mitgliedern Ihrer Koalition verfestigt. ({1}) Beim Durchlesen von Zeitungsartikeln der letzten Tage habe ich festgestellt, dass der Kollege Berninger die Auffassung vertritt, dass die Bildungspolitik der Koalition blass geblieben ist. ({2}) Das wird uns der von mir sehr geschätzte Kollege Berninger heute sicher noch erläutern; er steht auf der Rednerliste. In Sachen Forschung und Technologie habe ich noch einmal den letzten Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands durchgesehen. Frau Ministerin, ich habe bemerkt, dass sich seit dem Regierungswechsel bei den wichtigsten Daten nichts geändert hat. Wir geben nach wie vor nur 2,3 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus. ({3}) Ich komme nachher noch auf die gar nicht so schlechten Zahlen Ihres eigenen Hauses zu sprechen. Aber es kommt natürlich auch auf die Gesamtbilanz an. Ich habe mir eine Übersicht des Bundeswirtschaftsministeriums, das Zuständigkeiten im Bereich von Forschung und Entwicklung übernommen hat, mitgenommen. Es behandelt dieses Gebiet absolut stiefmütterlich. Nach eigenen Angaben liegt die Steigerungsrate im Jahr 2001 im Vergleich zum Istergebnis des Jahres 1998 bei 0,5 Prozent. ({4}) Man könnte noch andere Ministerien heranziehen, um festzustellen: Die Gesamtbilanz ist nicht sehr gut. Frau Ministerin, ich lese in diesem Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands etwas, was ich für sehr bemerkenswert halte: Wir sind - das sagen Sie ja auch - bei den Spitzentechnologien dabei, etwas aufzuholen. Die Gründe, die von den Gutachtern genannt werden, sind sehr interessant. In diesem Bericht steht nämlich, das sei vor allem das Ergebnis von Deregulierung im Bereich von Telekommunikation und von Gentechnik. Bei der Deregulierung sind Sie bekanntlich besonders schwach. ({5}) Wir sollten uns hüten, zu glauben, dass wir alles in dieser Welt nur mit Geld verändern können. ({6}) Geld ist wichtig, aber nicht alles, Herr Kollege Tauss. Es kommt auch auf andere Dinge an. Trotzdem: Wir sind in den Haushaltsberatungen und daher will ich mit dem Geld beginnen. Sie haben nach der Wahl zugesagt - auf frühere Versprechungen will ich gar nicht eingehen -, die Ausgaben für Bildung und Forschung jährlich um 1 Milliarde DM zu erhöhen. Sie sind dann sehr schnell in Sparzwängen stecken geblieben. Auf dem Papier haben Sie das Versprechen im Jahr 1999 noch so ungefähr eingehalten. Jetzt liegen uns die Istzahlen vor - Frau Bulmahn, das haben wir Ihnen schon damals angekündigt -: Von dem zusätzlichen Geld haben Sie im Jahr 1999 - das ging auch gar nicht anders - 236 Millionen DM an den Finanzminister zurückgegeben. Im laufenden Haushaltsjahr wurde rechnerisch 1 Milliarde DM dazugelegt. Dann wurde gespart und es kam ein Minus von 340 Millionen DM heraus. Wenn ich das beim Taschengeld meiner Söhne so handhabe, dann halten die mich für völlig verrückt. ({7}) Man kann nicht 1 Milliarde DM zusätzlich ankündigen und weniger auszahlen. Ich sage ausdrücklich: Der in diesem Jahr vorhandene Zuwachs von 780 Millionen DM ist beachtlich. Ich möchte erwähnen, dass es durchaus ein Zuwachs an Ehrlichkeit ist, dass die Bundesministerin dieses Mal, da sie das Geld vielleicht tatsächlich noch bekommen wird, darauf verzichtet hat, von der zusätzlichen Milliarde zu reden und diese Summe sozusagen rechnerisch herbeizuzaubern. Wir entnehmen der Presse, Herr Kollege Tauss, dass gegenüber der alten Finanzplanung schon 411 Millionen DM mehr im Haushalt enthalten sind. Dabei handelt es sich offensichtlich um Gelder aus den Zinsersparnissen, die der Finanzminister eingeplant hat. Nach der neuen Finanzplanung sollen die Ausgaben unserer Bildungs- und Forschungsministerin für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2003 - das ist nach Ende dieses Fünfjahreszeitraums - um 2 Milliarden DM steigen. Das ist, gemessen an Ihren Versprechungen, ein ganz bescheidener Betrag. ({8}) Das sind 14 Prozent mehr; das bedeutet eine jährliche Steigerungsrate von nicht einmal 3 Prozent. Wir sollten die Chance, die sich aus den Zinsersparnissen ergibt, nutzen. Wir freuen uns, dass wir dabei auch die Unterstützung unserer eigenen Haushaltspolitiker haben, ({9}) - um diesem Ressort einen kräftigen Nachschlag zu geben. Frau Ministerin Bulmahn sollte sich im Übrigen da einmal bei unseren früheren Ministern Bötsch und Waigel bedanken, die die Privatisierung von Post- und Telekommunikationsleistungen gegen den Widerstand der damaligen Landesfürsten Schröder und Eichel durchgesetzt haben. ({10}) Deshalb können Sie heute diese Zusage einhalten. Meine Damen und Herren, wir als Opposition sollten nicht an allem herumnörgeln, ({11}) aber auch nicht auf die Knie fallen und diese Regierung nur noch loben und preisen. ({12}) Die Ministerin hat die BAföG-Mittel angesprochen. Frau Ministerin Bulmahn, dieses Mal habe ich die Unterlagen nicht dabei, aber ich habe die Debatten sehr intensiv verfolgt und meine Notizen aufgehoben. In meinen Akten befinden sich nach wie vor die Beschlüsse der Finanzministerkonferenz aus der letzten Legislaturperiode, bei der diese einstimmig festgelegt hat, dass eine BAföGReform kostenneutral sein muss, und festgestellt hat, dass alle Modelle, die vorgeschlagen wurden, nicht brauchbar und finanzierbar sind. Sie erinnern sich vielleicht: Die Bayern hatten ein Modell, Herr Rüttgers hatte ein Modell und Sie hatten damals noch ganz andere Vorstellungen, die Sie inzwischen beerdigt haben. Wenn Sie hier jetzt Vorwürfe erheben, müssen Sie sie schon gerecht verteilen. Sie wissen, dass sich im Zweifel auch bei der SPD nicht die Bildungspolitiker, sondern die Finanzpolitiker durchsetzen. ({13}) Die Bereitstellung der Mittel für die BAföG-Reform ist überfällig. Auch Herr Eichel hat eine Politik des Verzögerns betrieben, um dadurch zu sparen. Die Studierenden müssen jetzt fast zwei Jahre warten, bis sie echte Leistungsverbesserungen erhalten. ({14}) Die Aufstockung der Mittel - die nochmalige Aufstockung der Mittel, muss ich sogar sagen - für den Hochschulbau ist notwendig, auch wenn ich von herunterprasselndem und -fallendem Putz an den bayerischen Hochschulen nichts bemerke, weil wir sehr viel vorfinanziert haben. ({15}) Ich bin der Meinung, dass wir, wenn die Länder die Kofinanzierung sicherstellen können, hier sogar noch einmal Gelder aus den Zinsersparnissen drauflegen sollten. Daran hat auch der Bund ein Interesse, weil wir so die Investitionsquote des Bundes verbessern könnten, die sich ja zurzeit ganz miserabel entwickelt. ({16}) Ich habe gelesen, dass Frau Ministerin Bulmahn vorschlägt, 1 Milliarde DM aus den Zinsersparnissen verteilt auf fünf Jahre zusätzlich in die Genomforschung zu stecken. Hierbei sind wir uns völlig einig. Diesen Antrag, fünfmal 200 Millionen DM, also 1 Milliarde DM insgesamt, zusätzlich zu investieren, haben wir schon im letzten Jahr gestellt. Er ist damals leider abgelehnt worden. ({17}) Hier können wir uns sicher einigen. ({18}) Wir hoffen nur, dass Sie sich auch bei Ihren eigenen Finanzpolitikern durchsetzen. In der Informationstechnologie setzen Sie zugegebenermaßen einen Schwerpunkt. Das halten wir für richtig. Da wird einiges gemacht. Es hilft der Ministerin jedoch nicht, ihre Vorschläge bei den eigenen Finanzpolitikern durchzusetzen, wenn sie jetzt vorschlägt, jeder Schüler Dr. Gerhard Friedrich ({19}) solle einen Laptop erhalten. Das halte ich für völlig übertrieben. Das ist nicht solide. ({20}) Wenn Vertreter dieser Regierung eine Chance sehen, in den Medien eine Wirkung zu erzielen, dann verlieren sie schlicht und einfach die Bodenhaftung. ({21}) Wir schlagen für diesen Bereich etwas ganz anderes vor. Unser Bundeskanzler hat bei seiner Green-CardInitiative gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass man zunächst einmal etwas für den eigenen Nachwuchs tun muss. Wir sind ja nicht gegen eine begrenzte Lockerung des Anwerbestopps. Er hat dann den Vorschlag eines Bund-LänderProgramms gemacht. In diesem Zusammenhang hat er von 100 Millionen DM gesprochen. De facto gibt der Bund nur fünfmal 10 Millionen DM zu diesem Programm. Das, verteilt auf alle Bundesländer, wird weder in Berlin noch anderswo verhindern, dass in der Informatik der Numerus clausus eingeführt wird. Deshalb schlagen wir vor, in diesem Bereich noch einmal kräftig aufzustocken. Ein weiterer Vorschlag zur künftigen Haushaltsgestaltung. Staatliche Forschungsmittel sind nach Auffassung aller Sachverständigen möglichst im Wettbewerb zu verteilen. Insofern hat die Projektförderung einen gewissen Vorteil gegenüber der institutionellen Förderung. Nun sieht der Haushalt eine globale Minderausgabe von 265 Millionen DM vor. Es besteht immer die Gefahr, dass diese globale Minderausgabe dort erwirtschaftet wird, wo es am einfachsten ist, nämlich bei der Projektförderung. Deshalb werden wir bei den Haushaltsberatungen vorschlagen, diese globale Minderausgabe zu streichen. Das ist übrigens ein Antrag, den Sie, Frau Ministerin, wie ich gehört habe, früher in der Opposition regelmäßig selbst gestellt haben. ({22}) Also wird es hier einen großen Konsens geben. Ich muss leider zum Schluss kommen und vieles weglassen. Ich darf noch einen Vorschlag machen. Aus guten Gründen muten wir unseren Hochschulen und unseren Forschungseinrichtungen Evaluation, also Überprüfung, kontinuierliche Begutachtung, zu, um die Effizienz sicherzustellen. Frau Ministerin, diesmal habe ich mir bei der Durchsicht des Haushaltes auch die Anlagen angesehen und bei der Anlage 2 festgestellt, dass wir bei den Projektträgern 540 Mitarbeiter finanzieren, die Forschungsmittel vergeben. Nun vermute ich, dass auch einige der 934 Mitarbeiter Ihres Hauses an der Vergabe dieser Mittel beteiligt sind. Ein Fachmann hat - ich kann es aber nicht überprüfen - einmal hochgerechnet, dass wir insgesamt 7 Prozent der Projektmittel für Verwaltung ausgeben. Wenn wir also anderen Evaluation zumuten, dann sollten wir dies auch bei unserer eigenen Forschungsverwaltung tun. Das ist kein Vorwurf an Sie allein; das hat sich über Jahre aufgebaut. Es wäre aber ein Vorschlag, um für mehr Effizienz auch im staatlichen Sektor zu sorgen. Vielen Dank. ({23})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile nun dem Kollegen Matthias Berninger, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In jeder Haushaltsdebatte findet ein Streit darüber statt, wie viel diese Bundesregierung trotz Sparkurs zusätzlich für Bildung und Forschung ausgibt. Dieser Streit findet vor allem deshalb statt, weil Sie von der Opposition sich darüber ärgern, dass solche Zuwächse, wie wir sie jetzt im Bildungsbereich haben, in Ihrer Regierungszeit nicht erreicht worden sind. Vor diesem Hintergrund sehe ich dem Streit sehr gelassen entgegen. ({0}) Sie haben völlig Recht: Im Koalitionsvertrag steht, dass wir eine deutliche Aufstockung der Mittel für Bildung und Forschung wollen. Darüber hinaus wurde selbst in Regierungserklärungen des Bundeskanzlers die Forderung aufgestellt, die Investitionen in Bildung und Forschung zu verdoppeln. Wir können uns darüber streiten, ob diese Verdopplung der Investitionen in Bildung und Forschung in voller Höhe erreicht worden ist. Aber ich möchte in Erinnerung rufen: Angesichts der 1 500 Milliarden DM Schulden, die wir von Ihnen übernommen haben, war es eine Riesenleistung, die Zuwächse, die wir bei Bildung und Forschung erreicht haben, in den Haushalten der vergangenen Jahre zu sichern, und ist es ebenso eine Leistung, diese Sicherung in den nächsten Jahren fortzusetzen. ({1}) Herr Kollege Friedrich, Sie sagen, im letzten Jahr seien die Mittel um 375 Millionen DM gekürzt worden. Sie wissen genau, dass das nicht stimmt. Wir haben innerhalb des Bundeshaushalts eine Reihe von Veränderungen vorgenommen. Nur ein Beispiel: Der Darlehensanteil des BAföG wird nicht mehr aus dem Haushalt finanziert, sondern über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. ({2}) Ergebnis: 500 Millionen DM mehr Spielraum für Bildung und Forschung. Das können Sie hier nicht als Kürzung hinstellen. Auch diesen Streit hatten wir schon häufiger. Dr. Gerhard Friedrich ({3}) Entscheidend ist doch: ({4}) Wie sind die Zuwächse bei den einzelnen Titeln? Wenn Sie sich das anschauen, merken Sie: Die Spielräume in uns sehr wichtigen Forschungsbereichen und bei vielem im Bereich der Hochschulpolitik sind von dieser Bundesregierung erweitert worden. Die Bundesregierung hat auch die Unterstützung der Koalitionsfraktionen, dass das in Zukunft so bleibt. ({5}) Die BAföG-Reform ist in dieser Debatte schon ein wichtiges Thema gewesen. Die Kollegin Pieper hat dazu einige Fragen gestellt. Es bleibt hier festzustellen: Die Koalition hat versprochen, zum Frühjahr nächsten Jahres eine Strukturreform des bestehenden BAföG auf den Weg zu bringen. Wir hatten ehrgeizigere Ziele; das wissen Sie. Wir wollten eine grundsätzliche Reform der Ausbildungsfinanzierung. Damit sind wir im Januar gescheitert. Aber uns ist es gelungen, 1,4 Milliarden DM zusätzlich für das BAföG zu mobilisieren. Frau Kollegin Pieper, diese zusätzlichen Mittel bewirken, dass die durchschnittliche BAföG-Förderung nicht mehr 640 DM, sondern 730 DM beträgt und dass der BAföG-Höchstsatz anstatt bei etwas über 1 000 DM inzwischen bei 1100 DM liegt. Ich halte diese große Ausweitung des BAföG, die erreicht worden ist - verbunden mit dem Wegfall vieler Detailregelungen aufgrund der Vereinfachung, verbunden mit Regelungen, dass Studierende in Ost- und Westdeutschland das gleiche BAföG bekommen, verbunden mit der Deckelung der maximalen Darlehensschuld bei 20 000 DM -, für einen großen Erfolg, auch wenn ich mir mehr gewünscht hätte. Ich finde, das sollten Sie einmal zugeben. ({6}) Meiner Einschätzung nach ist dennoch Handlungsbedarf in der Bildungsfinanzierung gegeben. Neben dem über die Steuer finanzierten Teil der Unterstützung von Eltern, deren Kinder studieren, und neben dem BAföG wollen wir ein weiteres Element, nämlich einen elternunabhängigen Bildungskredit, einführen. Auch hierfür werden wir die Voraussetzungen im Haushalt 2001 schaffen, damit diejenigen, die durch den bisher vorhandenen Förderrost gefallen sind, auch eine Unterstützung bekommen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung Elternunabhängigkeit und ein weiterer Schritt in Richtung Entbürokratisierung. Ich wünsche mir dafür auch die Unterstützung der Opposition, insbesondere in den Ländern, Herr Kollege Friedrich - ich nenne in diesem Zusammenhang Bayern -, die sich bisher ein bisschen zieren, ein solches Programm in ihren BAföG-Ämtern mitzuverwalten, obwohl sie keinen Pfennig bezahlen müssen. Sie können noch eine ganze Menge in Ihren eigenen Ländern tun, damit die Studierenden ein weiteres Förderinstrument nutzen können, das dazu beiträgt, dass schneller studiert werden kann, dass der Studienortwechsel und das Studium im Ausland erleichtert werden und dass die Anschaffung zum Beispiel eines neuen Computers, wenn er für das Studium nötig ist, möglich wird. Dafür legen wir dieses Programm auf. Helfen Sie, dass es umgesetzt wird, statt hier zu schwadronieren! ({7}) Als wir die Verantwortung übernommen haben, lag der Hochschulbau brach. Die Mittel für den Hochschulbau waren viel zu gering - das haben Sie selber zugestanden -, weil Sie windige Vorfinanzierungsmodelle mit einigen Ländern vereinbart haben. Hier findet eine kontinuierliche Aufstockung der Investitionsmittel für den Hochschulbau statt. Wir können zwar mit dieser Maßnahme nicht groß in die Öffentlichkeit gehen und sagen, wir sind diejenigen, die das Allerbeste auf den Weg bringen. Aber trotzdem kann man deutlich machen, dass diese konkreten Hilfen bei den Hochschulen ankommen. Die Aufstockung der Hochschulbaumittel in kleinen Schritten - wir unternehmen diese kleinen Schritte nicht, weil wir nicht mehr machen könnten, sondern weil die Länder signalisieren: bitte nicht zu viel, wir können das nicht gegenfinanzieren - halte ich für sehr vernünftig. ({8}) Es ist schon angesprochen worden: Zusätzlich werden wir die UMTS-Milliarden auch dafür nutzen können, im Bildungsbereich weitere Spielräume zu eröffnen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einige Punkte hinweisen, die mir besonders wichtig erscheinen. Im Bereich der Gentechnik ist es vernünftig, hinsichtlich der Adultenstammzellen in die Genomforschung zu investieren und die Volkskrankheiten, die die Ministerin schon ansprach, zum Schwerpunkt unserer Forschungsförderung zu machen, weil wir da den Menschen konkret helfen können. Als die Ministerin vorhin diesen Punkt angesprochen hat, raunten aber einige Ihrer Kollegen - auch da unterscheiden Sie sich von Ihrer Parteivorsitzenden, Frau Merkel - gleich wieder, das sei grüne Gentechnik und, bei der Landwirtschaft würde sich nichts tun. Diese Bundesregierung - das hat die Ministerin dargestellt - fährt bei der Gentechnik einen sehr vorsichtigen Kurs. Wir sind nicht blind fortschrittsgläubig. So wie die Konsumenten kein Interesse daran haben, Nahrungsmittel, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen produziert werden, einfach so ohne Kenntnis der Risiken zu konsumieren - das ist ja bekannt; das ist die große Krise der grünen Gentechnik -, so wollen wir die ethischen und die übrigen Risiken mitbeachten. Wir wollen die neuen Chancen besonnen und nicht blind fortschrittsgläubig nutzen. Ich bin froh, dass sich die Koalition in dieser Frage einig ist. ({9}) Ein weiterer mir wichtiger Punkt ist die Situation an den Berufsschulen. Wir können in der Schulpolitik in den meisten Bereichen nichts machen, weil dafür die Länder zuständig sind. Hier müssen die Länder nach meiner Einschätzung noch deutlich mehr machen. Wenn alles gut läuft, können wir aber zumindest im Bereich der Berufsschulen etwas tun. Ich glaube, es wäre wichtig, die technische Ausstattung in den Berufsschulen zu verbessern. Warum? Weil sie dort am schlechtesten ist. Wir können damit gegen die Spaltung in Bezug auf die Nutzung der neuen Technologien - auch „digital divide“ genannt - einen wichtigen Schritt unternehmen. Wenn es uns gelänge, jährlich 500 der 6 600 Berufsschulen mit besseren Technologien auszustatten, würden wir viel dafür tun, dass diejenigen, deren Chancen, Zugang zur Informationstechnologie zu bekommen, bisher gering sind, neue Spielräume erhalten. Meine Fraktion steht einer solchen Überlegung sehr offen gegenüber. ({10}) Darüber hinaus glaube ich, dass jeder Student vom ersten Semester an zusammen mit dem Immatrikulationsausweis ein Notebook - ähnlich wie es heute ein Semesterticket gibt - in die Hand bekommen sollte. Warum? In die Studiengänge an den Hochschulen sollten die neuen Technologien von Anfang an mit einfließen. Es sollten neue Konzepte erarbeitet werden, die dann vielleicht auch in den Schulen dazu führen, dass man mit dem Computer besser arbeiten kann. Das Internet gibt uns große Chancen, unser Bildungssystem zu revolutionieren. Die Bundesregierung fängt damit nicht nur dadurch an, dass die Spitze des Bildungsministeriums weiß, wovon sie spricht, sondern auch dadurch, dass wir Fördermittel für den IT-Bereich einsetzen und hier einen Akzent setzen. Ich wäre sehr froh darüber, wenn es uns gelänge, einiges anzustoßen, was in den nächsten zehn oder 20 Jahren positive Wirkung entfalten könnte. ({11}) Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist, ist die Frage der Weiterbildung, sind die Herausforderungen des lebenslangen Lernens; auch darüber besteht Einigkeit in den Sonntagsreden aller Politiker, vor allem aber bei den Bildungspolitikern. Im Bereich des lebenslangen Lernens können wir noch in dieser Legislaturperiode neue Akzente setzen. Was auffällt, ist: Die Menschen sind bereit, für Weiterbildung mehr Geld auszugeben. Es ist aber so, dass der Staat Weiterbildung bisher nicht in der Form unterstützt, wie er viele andere Dinge unterstützt. Meiner Meinung nach sollten wir darüber nachdenken, so etwas wie ein Bildungssparen einzuführen, wie wir es vom Bausparen und von der Altersvorsorge kennen, damit Menschen mit geringem Einkommen, die bereit sind, Geld für Weiterbildung auszugeben, eine staatliche Unterstützung zum Beispiel für Computerkurse bzw. Umschulungen erhalten, um dadurch in der Lage zu sein, sich einen neuen Job zu suchen. In diesem Bereich müssen noch Akzente gesetzt werden. Wir sind uns darüber einig - Frau Schavan hat hier aus unserem Entschließungsantrag abgeschrieben -, dass es mehr Qualitätssicherung geben muss, Stichwort: Stiftung Bildungstest. Ich bin der Meinung, dass wir alle miteinander im Bereich der Weiterbildung einen zusätzlichen Akzent setzen sollten, und hoffe, dass wir in diesem Haus in dieser Sache einen Konsens finden. ({12}) Es stehen eine Reihe von Strukturreformen vor uns, die oft gar nicht sehr viel mit Geld zu tun haben, die aber sehr wichtig sind; daher meine Ungeduld, Herr Kollege Friedrich. In den nächsten acht Jahren geht die Hälfte aller Professoren in Rente. Unser Dienstrecht stammt aus dem 19. Jahrhundert. Wenn wir nichts tun, werden wir dieses verkrustete Dienstrecht auch noch im 21. Jahrhundert haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Jawohl, Herr Präsident. - Auch die Länder sind gefragt, wenn es darum geht, etwas dafür zu tun, dass eine Dienstrechtsreform zustande kommt. Hier bin ich ungeduldig. Ich wünsche mir, dass Sie genauso ungeduldig sind, damit wir in diesem Bereich die bestehende Reformchance nicht verpassen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sommerpause haben wir eine Bildungsministerin erlebt, die mit dem Füllhorn der UMTSMilliarden durch die Lande zog und alle Wünsche der Bildungs- und Forschungspolitiker dieses Landes erfüllen wollte. ({0}) Der vorgelegte Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums sieht anders aus, Frau Bulmahn. Er soll im nächsten Jahr auf 15,37 Milliarden DM wachsen. Das ist die von Ihnen angekündigte Steigerung um 780 Millionen DM. Diese Steigerung ist übrigens nicht kontinuierlich, wie Sie eben festgestellt haben. Im letzten Jahr waren es 100 Millionen DM weniger; da gab es kein Plus. Nun frage ich mich natürlich - das habe ich mir bei der Vorbereitung meiner Rede durch den Kopf gehen lassen -: Über welche Vorhaben sollen wir heute eigentlich mit Ihnen diskutieren? Über diejenigen, die Sie vollmundig ankündigen, oder über diejenigen, die wirklich konkret im Haushalt stehen? ({1}) Sie sprechen viel über die virtuelle Hochschule und die neuen Medien in der Bildung. Manchmal habe ich den Eindruck: Sie sind uns, aber auch Ihrem Ministerium in der virtuellen Welt verloren gegangen. So haben wir uns inzwischen an Ihre zweistufigen Vorschläge gewöhnt: erst ein buntes Feuerwerk bildungspolitischer Highlights und dann ein deutlich abgespeckter Vorschlag für den Hausgebrauch. ({2}) Das gilt zum Beispiel auch für den Vorschlag des Kollegen Berninger - dies toppte er soeben sogar noch für die Studenten -, alle Schüler mit Laptops auszustatten. 82 Milliarden DM sollte dieses Unterfangen nach ersten Berechnungen kosten, sozusagen alle UMTS-Erlöse auf einen Schlag. Dann kam die Version für den Alltag: Laptops für Bedürftige. Dafür wollen Sie nun jährlich 50 Millionen DM, 350 Millionen DM bis 2006 ausgeben. Frau Bulmahn, das hört sich schon ganz anders an, wobei ich mich mehr als über solch blumige Vorschläge gefreut hätte, wenn Sie uns Vorschläge über Leasing-Verträge, über Folgekosten beim Strom, über Softwareanpassung, Haftpflicht und über die ganz simple Frage, wie ich mit Kindern umgehe, die solche teuren Geräte zu Hause stehen haben, gemacht hätten. ({3}) Bildung und Forschung sind teuer, das wissen wir, und dazu steht die F.D.P. So haben wir - Frau Pieper hat es soeben erläutert - ein BAföG-Modell vorgelegt, das die Studienförderung strukturell angeht und nicht nachbessert wie Ihre Reparaturnovelle. ({4}) Aber natürlich ist eine solche Reform nicht für 500 Millionen DM zu haben. Hier hätten Sie ansetzen müssen - wie im Wahlkampf versprochen und wie übrigens auch von Herrn Berninger immer wieder betont. Sie haben sich stattdessen von Ihrer ureigenen programmatischen Idee einer elternunabhängigen und sozial gerechten BAföG-Reform verabschiedet. ({5}) Es ist eben leichter, Laptops anzukündigen, anstatt, wie es Herr Berninger in der letzten Debatte gesagt hat, eine wirklich mutige Reform anzugehen. Wo bleibt übrigens der Koalitionsvertrag auf diesem Gebiet? Wir stimmen mit Ihnen bei der Genomforschung völlig überein. 1 Milliarde DM zusätzlich für die deutsche Humangenomforschung wäre ein Schritt vorwärts für diese wirklich wichtige Schlüsseltechnologie. Ich hoffe sehr, dass der gute Wille Realität wird. Das allerdings, was Sie jede Woche mit immer fantastischeren Summen ankündigen, sind bisher reine Luftbuchungen. Das einzige, was wir wissen, ist, dass Sie 1,8 Milliarden DM gefordert haben, Frau Bulmahn, ob Sie diese auch bekommen, steht in den Sternen. Frau Bulmahn, Sie können sicher sein, dass Sie unsere Unterstützung haben, wenn es darum geht, den Finanzminister von der Notwendigkeit eines massiven Schubs für die Bildung zu überzeugen. Ich warne sehr davor, der Argumentation des Kollegen Berninger zu folgen, der laut ddp vor wenigen Tagen sagte, die Regierung müsse sich für das Wahljahr 2002 finanzielle Spielräume offen halten. ({6}) Meine Damen und Herren, unsere Studierenden, unsere Lehrenden und Forscher haben es nicht verdient, dass auf ihrem Rücken wahltaktische Spiele ausgetragen werden. ({7}) Auch ich möchte in diesem Zusammenhang an die Regierungserklärung 1998 von Bundeskanzler Schröder erinnern, die mit den schönen Worten endete: Wir werden die Investitionen in Forschung und Bildung in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Daran müssen Sie sich messen lassen, Frau Bulmahn, ob es Ihnen passt oder nicht. ({8}) Auf Ihrer Habenseite steht bisher eine Erhöhung des Haushaltsansatzes um 8,2 Prozent gegenüber den 14,2 Milliarden DM des letzten von Minister Rüttgers verantworteten Haushalts. Das ist ein Schritt nach vorn, da stimme ich zu, aber gemessen an Ihrem Versprechen, das Haushaltsvolumen zu verdoppeln, haben Sie sich weit vom Klassenziel entfernt. Ich vertrete eine Partei, die in Gestalt ihrer Minister nicht nur für die Bildung gekämpft hat, sondern sich auch durchgesetzt hat. Sie können sicher sein, dass ich Sie auch als Oppositionspolitikerin massiv unterstützen werde, wenn es um die Verbesserung der finanziellen Situation unseres Haushaltsplans geht. Wir sind an Ihrer Seite, wenn Sie für einen höheren Mittelansatz kämpfen, aber wir erwarten mehr als nur blumige Ankündigungen. ({9}) Wir beide wissen: Unsere Generation hat einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik zu bewältigen. Wir müssen mit einer Aufholjagd beginnen, um international zu einem attraktiven Bildungs- und Forschungsstandort zu werden. ({10}) - Roman Herzog sprach von einem Ruck, lieber Herr Tauss. Leider haben nur wenige etwas geruckt und viele sind sehr gemütlich im Sessel sitzen geblieben. Die F.D.P. will mehr als einen Ruck, wir wollen einen Sprint an die Spitze der Bildungspolitik. ({11}) Dazu brauchen wir nicht die Haushaltspolitik der tröpfelnden Gießkanne, ({12}) - sondern ein entschlossenes, schnelles und mutiges Angehen der drängendsten Probleme im Bildungsbereich. Stichwort Hochschulbau: Die Ausgaben für den Hochschulbau werden im Haushalt 2001 erhöht. Das ist ein erfreuliches Faktum - selbstverständlich -, aber gemessen am Bedarf ist die Steigerung völlig unzureichend. Sie kennen genauso wie ich das Votum des Wissenschaftsrats, der von einer doppelten Anzahl von Milliarden - 4,7 Milliarden DM - ausgeht. Wir alle wissen, dass im Osten das nachgebaut werden muss, was im Westen schon bald wieder renoviert werden muss. Das heißt, mit kleinen Trippelschritten kommen wir zwar weiter, aber weiß Gott nicht so weit, wie wir müssten. ({13}) Frau Bulmahn, begehen Sie nicht den Fehler, sich an Jürgen Rüttgers zu messen. ({14}) Dieser hatte zwar den klangvollen Beinamen des „Zukunftsministers“, aber im Kabinett war er ein Leichtgewicht. ({15}) Frau Ministerin, damit, Ihre Millionenhäppchen liebevoll jeweils dahin zu schieben, wo die Medienwirkung am größten zu sein scheint, laufen Sie Gefahr, ebenso zu scheitern wie Ihr Vorgänger. ({16}) Wir müssen endlich einsehen, dass Bildung die soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist - das Mega-Thema, bei dem wir einen massiven Schub und nicht Zückerchen für die jeweiligen medialen Highlights brauchen. Sie brauchen Mut, Frau Bulmahn. Geben Sie sich nicht mit Laptops zufrieden, gehen Sie an die Wurzeln unserer Bildungsprobleme heran. Das geht - hier stimme ich Herrn Berninger absolut zu - nicht immer nur mit Geld. ({17}) Was wir aus Ihrem Hause bisher zum Beispiel zum Hochschuldienstrecht sehen, ist kleinmütig und zaghaft. ({18}) Die leistungsbezogenen Elemente in der Besoldung reichen nicht aus. Das Fallbeil der Kostenneutralität hängt über der gesamten Reform. Die Entrümpelung der Prüfungs- und Studienordnungen ist nicht entschlossen genug. An die Schaffung schnellerer Promotionsverfahren haben Sie sich gar nicht erst herangetraut. ({19}) Das Thema Verbeamtung, Frau Bulmahn, ein Thema, das uns Liberalen besonders am Herzen liegt, umgehen Sie. Wir würden Sie dabei sehr massiv unterstützen. Ich habe mir vor einigen Tagen sehr interessiert Ihre Bemerkungen in der Sendung von Frau Christiansen zu diesem Thema angehört. Die Professoren brauchen nicht weiterhin verbeamtet zu werden. Wenn wir unsere Schulen und Hochschulen modernisieren wollen, brauchen wir Luft und das Abschneiden alter Zöpfe; weg mit alten Hierarchien. Wenn Sie aber den Vorschlägen der Expertenkommission folgen, die Sie eingesetzt haben, werden wir den gewünschten Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nicht erreichen; denn das ist kein Anreiz für Hochschulprofessoren. ({20}) Apropos Hochschule: Der schöne Titel „Zukunftsinitiative Hochschule“ beschreibt leider nur einen höchst konventionellen Ansatz. Sie wollen - so haben wir den Medien entnommen - 650 Millionen DM für die Anwerbung von Spitzenwissenschaftlern aus dem Ausland. Ich bitte Sie: Hören Sie auf das, was Ihnen der Präsident der Gesellschaft für Informatik, Professor Mayr, deutlich ins Stammbuch geschrieben hat: Das vorrangige Problem ist nicht, gute Köpfe importieren zu müssen, sondern deren Abwanderung aus Deutschland zu verhindern. ({21}) Die Belastung der Wissenschaftler mit Lehr- und Administrationsaufgaben liegt ein Mehrfaches über dem amerikanischer Universitäten. Ihr Hochschuldienstrecht in der bisherigen Form entlastet die Hochschullehrer aber nicht von Gremienaufgaben, sondern sieht sogar noch Zulagen für die Wahrnehmung von Gremienarbeit vor. Meine Damen und Herren, wenn unsere Hochschulen für ausländische Wissenschaftler attraktiver wären, müssten wir die Leute nicht mit Ihren 650 Millionen DM ködern, sondern sie würden uns die Bude einrennen, um hier zu forschen, zu lehren und zu studieren. ({22}) Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, wie viele Amerikaner und Japaner bei uns, wie viele Deutsche aber in deren Ländern tätig sind. Das Schrödersche Green-Card-System, die Leute im Ausland einzukaufen, greift zu kurz. Wir müssen unser Bildungssystem internationaler machen. Dies bedeutet eine massive Investition in die Ausstattung der Hochschulen. Den letzten Schub gab es Anfang der 90er-Jahre. Von der virtuellen, vernetzten Hochschule, von der die Frau Ministerin so gerne spricht, sind wir leider sehr weit entfernt. Die Lebenswirklichkeit der Studierenden und Professoren ist noch immer von überfüllten Hörsälen, der Verlosung von Laborplätzen, ausgeliehenen Büchern und Rissen in den Gebäuden geprägt. Sie wissen das genau, Frau Bulmahn. Trotzdem reicht Ihr Biss bisher nicht, sich gegen die Beharrungskräfte in den Institutionen durchzusetzen. ({23}) Sie laufen Gefahr, ähnlich wie Jürgen Rüttgers eine „Zukunftsministerin“ zu werden: viele Pläne, viel Zukunft, wenig konkrete Umsetzung. ({24}) Mit der Methode, kleckerweise, aber mediengerecht Geld anzukündigen, verbauen Sie sich die Chance zu einer wirklichen Strukturveränderung. Überlassen Sie - das ist meine herzliche und ganz persönliche Bitte an Sie - diese Art der Politik einem sehr prominenten Mitglied Ihres Landesverbandes. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit der F.D.P. dafür zu kämpfen, dass der Bildungs- und Forschungshaushalt endlich einen angemessenen Stellenwert erhält. ({25}) Wenn Sie wirklich eine Verdopplung wollen - wann, Frau Bulmahn, wenn nicht jetzt? Nutzen Sie diese Chance, machen Sie mehr Druck im Interesse der nachfolgenden Generationen! Ohne Fleiß kein Preis und ohne Druck kein Ruck! ({26})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Kollegin Maritta Böttcher, PDS-Fraktion, das Wort. ({0})

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Tauss, ich werde versuchen, Ihnen keine schlaflose Nacht zu bereiten. ({0}) Der Haushalt des BMBF gehört zu den Gewinnern im Haushalt 2001, zumindest gemessen an den Kürzungen, die andere Ressorts hinnehmen mussten. ({1}) Gemessen jedoch an Ihren Versprechungen, gemessen auch an der Ausgabenstruktur, bleibt vieles offen. Wo ist zum Beispiel die versprochene jährliche Forschungsmilliarde geblieben, die ab 2000 zu 30 Prozent in den Haushalt des Wirtschaftsministeriums und zu 70 Prozent in den Haushalt des Bildungsministeriums fließen sollte? Wenn ich richtig sehe, bekommt der Wirtschaftsminister sogar weniger. Entsprechend fallen die Kürzungen aus. Zu den geschröpften Titeln gehören dort bezeichnenderweise Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern und die Förderung des Meister-BAföG. Da wir es auch im Einzelplan 30 wieder mit erheblichen Umstrukturierungen, Verschiebungen, Streichungen und Neueinführungen verschiedener Titel zu tun haben, ist schwer nachzuvollziehen, wo bestimmte Gelder hingeraten sind und wer am Ende tatsächlich leer ausgeht. Also, kurz gesagt, der ganze Einzelplan 30 bleibt immer noch ein Rechenkunststück. Die Aufstockung der globalen Minderausgabe, die Erwartungen von Einsparungen aus den Kapiteln 30 02 bis 30 07 für Mehrausgaben im Hochschulbau und die Einführung von Leertiteln, zu deren Finanzierung ebenfalls bereits Einsparungen bei anderen Titeln veranschlagt sind, stehen nicht gerade für Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Eine Priorität der Forschungsmilliarde soll die Finanzierung von Bildung und Forschung in den neuen Bundesländern sein. Das HSP III ist ausgelaufen, es wird nicht annähernd weitergeführt. Umfassende Finanzierungsalternativen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den neuen Bundesländern werden nicht sichtbar. Zu den Leitprojekten für Diagnose und Therapie in der Molekularmedizin gab es durch die Zwischenfrage meines Kollegen Dr. Ilja Seifert schon eine kleine Diskussion. Frau Bulmahn, ich bin der Auffassung, dass das, was Sie hier verdeutlicht haben, das Minimum sein muss. ({2}) Selbstverständlich erkennen wir an, dass die Bundesregierung mit diesem Haushalt eine Trendwende zumindest im BAföG-Etat vollziehen will. Für jede Mark, die Sie zusätzlich in die Ausbildung junger Menschen investieren, können Sie mit der Unterstützung der PDS-Fraktion rechnen. Sie müssen sich dennoch den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie mit Ihrer Vorlage weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Nach Ihren Vorstellungen wird der Bund 2001 rund 1,5 Milliarden DM für die Ausbildungsförderung ausgeben. Hinzu kommen die Darlehenszahlungen der Deutschen Ausgleichsbank. Zusammengerechnet wird der Bund also im nächsten Jahr rund 2 Milliarden DM bereitstellen. Damit haben Sie aber gerade einmal das Niveau von Mitte der 90er-Jahre erreicht. Die Vorschläge für eine Strukturreform der Ausbildungsförderung liegen seit Jahren auf dem Tisch und beruhen auf einer bestechend einfachen, aber, wie ich finde, nach wie vor pfiffigen Idee. Von heute auf morgen könnten wir jeder Studentin und jedem Studenten jeden Monat elternunabhängig zusätzlich mindestens 350 DM als Zuschuss ohne Rückzahlungsverpflichtung geben, indem wir eben Kindergeld und bislang gewährte Steuerfreibeträge in die Ausbildungsförderung überführen. ({3}) Wenn wir außerdem die BAföG-Ausgaben deutlich über das damals von Ihnen selbst als unzureichend kritisierte Niveau der 90er-Jahre hinaus anheben und dabei berücksichtigen, dass Jahr für Jahr Darlehensrückzahlungen ehemaliger Studentinnen und Studenten in Höhe von über 1 Milliarde DM an den Fiskus fließen, ließen sich über die von Ihnen vorgesehenen Verbesserungen hinaus zusätzlich sogar 500 DM pro Kopf bereitstellen. Sie führen die Öffentlichkeit aber bewusst in die Irre, ({4}) - wenn Sie sich heute damit brüsten, einen Teil der Zinsersparnisse aus den UMTS-Erlösen in die Ausbildungsförderung zu investieren, gleichzeitig aber verschweigen, dass Sie damit keine zusätzlichen Verbesserungen im BAföG finanzieren, sondern lediglich den BundeshausUlrike Flach halt von den bereits im Januar 2000 zugesicherten Mehrausgaben im BAföG-Etat entlasten möchten. ({5}) Lassen Sie uns gemeinsam einen ersten Schritt in eine wirklich strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförderung gehen und hören Sie auf mit der halbherzigen Kesselflickerei. ({6}) Selbstverständlich begrüßen wir auch das Vorhaben, alle Schulen - und bis 2006 jede Schülerin und jeden Schüler mit Computer bzw. Laptop auszustatten. ({7}) Natürlich können die für dieses Vorhaben notwendigen Gelder unmöglich von Bundesregierung und Kommunen allein aufgebracht werden. Aber machen wir uns doch nichts vor: Ohne die nicht unbedingt selbstlose Initiative der Wirtschaft wäre bei der Kampagne „Schulen ans Netz“ wahrscheinlich noch nicht allzu viel passiert. Die Kritik ist aber nicht so wichtig. Wichtig ist, wie fast immer, auch in diesem Punkt das Ergebnis. Wir halten daran fest: Auch für die neuen Medien muss die Schule wichtigster Bildungsträger bleiben, weil die sozialen Unterschiede sonst zu einem modernen Analphabetismus führen werden. ({8}) Im Übrigen, Herr Friedrich: Aus pädagogischer Sicht ist es schon wichtig, dass auf jeder Schulbank ein Laptop steht. ({9}) Wird schon der gesamte Einzelplan den Versprechungen nicht gerecht, mit denen die Bundesregierung auf dem Gebiet von Bildung und Forschung angetreten ist, so trifft dies für die berufliche Bildung und die Weiterbildung ganz besonders zu. Ausgerechnet dieses Kapitel ist von einer Kürzung der Mittel um 10,5 Millionen DM betroffen. Bezogen auf die Projektförderung dieses Kapitels steht die Regierung damit wieder so ziemlich auf dem Stand, den ihr die Regierung unter Helmut Kohl hinterlassen hat. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu Ihrer Ankündigung bei Ihrem Amtsantritt, Frau Ministerin, als Sie erklärten: Mein erster Schwerpunkt ist die Modernisierung der beruflichen Bildung. Nun weiß auch ich, dass Geld allein nichts mit Modernisierung zu tun hat. Betroffen von den Kürzungen sind in erster Linie das BIBB, dem rund 8 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen, und die überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die mit 9 Millionen DM weniger auskommen müssen. Kritik an diesen Kürzungen findet sich in den Erläuterungen des Titels selbst. Dort heißt es: Mit der Entwicklung einer kleinbetrieblichen mittelständischen Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern wächst der Bedarf an ergänzender überbetrieblicher Berufsausbildung und überbetrieblichen Fortbildungsmöglichkeiten... Es bleibt ein Geheimnis dieses Haushalts, wie ein wachsender Bedarf durch weniger Mittel gedeckt werden kann. Geht die Kürzung bei den überbetrieblichen Ausbildungsstätten hauptsächlich zulasten der Ausbildungswilligkeit bei den kleinen Unternehmen, so kommt die Bundesregierung mit der erneuten Aufstockung der Mittel für Sonderprogramme zur Schaffung von Ausbildungsplätzen in erster Linie der Ausbildungsunwilligkeit bei Teilen der großen Unternehmen entgegen. Diese erneute Aufstockung aus Steuermitteln, so sehr sie als Notlösung im Interesse derjenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, geeignet sein mag, steht im krassen Gegensatz zu der Litanei, mit der aus dem BMBF regelmäßig verkündet wird, dass die Wirtschaft nunmehr ihrer Verantwortung bei der Bereitstellung von betrieblichen Ausbildungsplätzen gerecht werde. ({10}) Dieser Haushalt und die aktuelle Zahl der noch nicht vermittelten Jugendlichen belegen das Gegenteil und machen ein weiteres Mal deutlich: An einer solidarischen Umlagefinanzierung führt kein Weg vorbei. Wenn die Bundesregierung die sich verweigernden Unternehmen auf diese Weise stärker in die Finanzierung der Ausbildung einbeziehen würde, hätte sie auch größeren Spielraum für die Förderung anderer dringlicher Reformschritte im Bereich der Bildung. Alle Fraktionen - F.D.P. und CDU/CSU waren jedoch nicht anwesend - haben gestern von der IG-MetallJugend vor dem Reichstag eine Gesetzesrolle erhalten. Ich sage Ihnen: Setzen wir dieses Gesetz endlich um! ({11}) Zum Thema Weiterbildung muss ich mich wegen der knappen Zeit auf einen Satz beschränken: Nehmen Sie Ihre Kompetenz auf diesem Gebiet konsequent wahr und legen Sie ein Rahmengesetz zur Weiterbildung vor! Insgesamt belegen die Zahlen des vorliegenden Entwurfs den fehlenden Mut der Bundesregierung, die Haushaltsmittel, wie hoch auch immer sie sein mögen, grundsätzlich neu zugunsten der Belange der Bildung umzuverteilen. Bildung als Investition in die Zukunft, als Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft und auch als Mittel zur Zurückdrängung neofaschistischen Gedankenguts bekommt so kaum die dafür notwendige materielle Basis. Frau Bulmahn, ich wünsche uns gemeinsam mehr Mut auf diesem Gebiet, damit wir endlich zu einer Trendwende im Bildungsbereich in unserem Land kommen. Danke. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion, das Wort.

Siegrun Klemmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001125, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Sie vor einem Jahr nach der Bedeutung der Abkürzung UMTS gefragt hätte, hätten sicherlich die meisten von Ihnen - auch ich - mit dem Kopf schütteln müssen. Seit der Versteigerung der Mobilfunklizenzen durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation weiß nun nahezu jedes Kind, dass hinter „UMTS“ nicht nur Frequenzen für Mobilfunktelefone stecken, sondern dass damit vor allem ein ordentlicher Batzen Geld verbunden ist. ({0}) Dieser Versteigerungserlös versetzt uns nun in die Lage, einen ganz kleinen Teil des von der christlichliberal geführten Bundesregierung in 16 Jahren angehäuften Schuldenberges abzubauen, ({1}) und lässt eindrucksvoll erkennen, warum der von uns eingeschlagene Weg der Haushaltskonsolidierung kein Selbstzweck, sondern haushalts- und finanzpolitisch sinnvoll ist. Weniger Schulden bedeuten nämlich weniger Zinsen. Weniger Zinsen bedeuten größeren politischen Gestaltungsspielraum für innovative und zukunftsträchtige Projekte. ({2}) Wir haben den von Ihnen geerbten Reformstau aufgelöst, indem wir die Probleme, die auch im Bereich Bildung und Forschung eklatant waren, nacheinander angegangen sind. Wir bringen eine BAföG-Reform auf den Weg. ({3}) Wir investieren in die Infrastruktur der Hochschulen und erhöhen dafür kontinuierlich die Mittel. Wir wagen uns an das Dienstrecht und reformieren es. Und wir widmen uns den Zukunfts- und Schlüsseltechnologien, ({4}) - die unseren wirtschaftlichen Wohlstand auch für die kommenden Generationen sichern werden. ({5}) Kurzum: Wir haben Wort gehalten und unsere Versprechen in die Tat umgesetzt. ({6}) Lassen Sie mich zum Anlass der Debatte zurückkehren, zur Einbringung des Haushaltes 2001 für den Bereich Bildung und Forschung. Wir können heute einen Einzelplan vorstellen, der bereits im dritten Jahr den Schwerpunkten der von uns geführten Bundesregierung Rechnung trägt: Erhöhung der Mittel für Bildung und Forschung - trotz Haushaltskonsolidierung. Der Gesamtumfang des hier zu debattierenden Einzelplans 30 ist gegenüber dem Haushaltsjahr 2000 um 5,3 Prozent - das ist mehr als 750 Millionen DM - gestiegen. Herausragender Eckpfeiler im Haushalt 2001 wird die BAföG-Reform sein. Im Vergleich zum letzten Jahr erhöhen sich die zur Verfügung stehenden Mittel um 425 Millionen DM. Berücksichtigt man den Länderanteil und den Anteil der Deutschen Ausgleichsbank, dann wird den Studierenden in Deutschland rechtzeitig zum Beginn des Sommersemesters 2001 knapp 1 Milliarde DM mehr zur Verfügung stehen. ({7}) Auch für die BAföG-Reform gilt: nicht nur mehr Quantität, sondern vor allem mehr Qualität! ({8}) Erstens erhöhen wir die Bedarfssätze spürbar, wodurch sich die Anzahl der Studierenden mit Förderanspruch vergrößert. Das leitet die seit langem notwendige Trendwende bezüglich der Anzahl der BAföG-Empfänger ein. ({9}) Während die Zahl der Studierenden, die unter der Vorgängerregierung staatliche Beihilfen zu ihrem Studium erhielten, von 605 000 im Jahre 1991 auf nur noch 340 000 dramatisch abgefallen war, werden wir diese Entwicklung stoppen und umkehren. Zweitens erhöhen wir die Freibeträge, die für die anrechenbaren Einkommen entscheidend sind. Hierbei schlägt vor allem die in Zukunft geltende Nichtanrechenbarkeit des Kindergeldes nachhaltig zu Buche. Das wird besonders Familien mit mittlerem Einkommen zugute kommen. Drittens erhöhen wir den BAföG-Höchstsatz von 1 030 DM auf 1 100 DM und tragen damit den steigenden Lebenshaltungskosten Rechnung. Viertens gilt künftig eine absolute Rückzahlungsobergrenze von 20 000 DM. Das nimmt vielen jungen Menschen die Angst, überhaupt ein Studium aufzunehmen bzw. ihren BAföG-Anspruch geltend zu machen. Sie werden nun Planungssicherheit haben und wissen, wie hoch die möglichen Rückzahlungsbelastungen sein werden. Fünftens vereinfachen wir die bürokratischen Antragsund Verwaltungsverfahren, weil wir einerseits die Förderungshöchstdauer der Regelstudienzeit anpassen und andererseits das komplizierte System der Freibeträge abschaffen. Sechstens - dieser Punkt wird von mir erst an sechster Stelle aufgeführt, war aber für uns von besonderer Priorität - stellen wir Studierende aus Ost und West endlich gleich und realisieren damit die längst überfällige innere Einheit auch auf diesem Gebiet. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, vor allen Dingen der rechten Seite: Das sind die Felder, die beim BAföG die Studierenden und ihre Eltern tatsächlich interessieren, weil sie die Verbesserungen im Portemonnaie spüren werden. Das interessiert sie mehr als die Frage, ob es sich um eine Strukturreform, eine Gesetzesänderung oder was auch immer handelt. ({11}) Beim Hochschulbau gehen wir mit unverminderter Beharrlichkeit einen Sektor an, der unter Ihnen jahrelang brachlag; davon war schon die Rede. Nachdem wir nach Regierungsübernahme die jährlichen Leistungen bereits von 1,8 auf 2 Milliarden DM erhöht und verstetigt haben, packen wir in diesem Jahr nochmals 150 Millionen DM drauf und stellen insgesamt 2,15 Milliarden DM zur Verfügung. Und wir fangen an, eine von Ihnen übernommene Altlast zu begleichen, indem wir endlich die Vorleistungen der Länder zurückzuzahlen beginnen. Ich erwähne diese beiden Punkte ganz besonders, weil sie Ihnen verdeutlichen, dass das Hochschulstudium wieder Priorität genießen soll. Gerade deswegen stehen wir zu unserem Versprechen, das Erststudium in Deutschland gebührenfrei zu belassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich denke, man kann Ihnen nicht oft genug vortragen: Der in unserem Land herrschende Wohlstand basiert auf einem Wissens- und Technologievorsprung. Der lässt sich nur erhalten und vor allen Dingen auch vergrößern, wenn unsere Fach- und Hochschulen, unsere Universitäten fähige und kompetente Absolventen hervorbringen. ({12}) Zu diesem Wissens- und Technologievorsprung gehört, dass wir in den zukunftsträchtigen Schlüsseltechnologien Spitzenpositionen ausbauen und sie dort erreichen wollen, wo wir noch Bedarf sehen. Daher schaffen wir Rahmenbedingungen, dass auf den Feldern - namentlich der Informations- und Biotechnologie -, die das Leben des 21. Jahrhunderts grundlegend bestimmen werden, eine herausragende Schwerpunktsetzung erfolgt. Der Haushaltsansatz für den Bereich Informationsund Kommunikationstechnologie sieht mehr als eine halbe Milliarde DM vor. Damit stellen wir ausreichend Ressourcen für diesen äußerst dynamischen Sektor, in dem die technischen Neuerungen in immer kleineren und schnelleren Zyklen verlaufen, bereit. Wesentlich dynamischer entwickelt sich die Biotechnologie und ist deshalb die nächste große Herausforderung. Hierbei handelt es sich zweifelsohne für viele Bürgerinnen und Bürger um eine noch unbekannte Größe. Gleichwohl wird die Entwicklung auf diesem Sektor ähnlich rasant verlaufen wie auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Ich denke, es bedarf keiner seherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass uns die nächsten Jahre, vor allen Dingen auch hier in diesem Haus, noch etliche, natürlich auch kontroverse Debatten bescheren werden. Doch unabhängig davon, wie - auch in der Öffentlichkeit - die Debatten verlaufen werden, birgt die Biotechnologie enorme Forschungs- und Entwicklungspotenziale. Die Bundesregierung erkennt die Zeichen der Zeit und veranschlagt im Ansatz 2001 220 Millionen DM für die Biotechnologie - das sind 7,3 Prozent mehr als im Vorjahr. ({13}) Die enge Kooperation mit der Wirtschaft, die zahlreiche Kompetenzzentren entstehen ließ, ist ursächlich für den Gründerboom in dieser Branche und bestätigt gleichzeitig, dass unsere Strategien und Konzepte sinnvoll, kreativ und wirtschaftlich viel versprechend sind. Der im Sommer vorgelegte Aktionsplan für die Genomforschung belegt, dass Deutschland in Europa an Großbritannien vorbeigezogen ist und sich im internationalen Vergleich hinter die Vereinigten Staaten an die zweite Stelle vorgearbeitet hat. Auch ein so heißes Eisen wie die Dienstrechtsreform werden wir auf den Weg bringen. Die von der Expertenkommission vorgelegten Vorschläge sehen unter anderem die Etablierung von Juniorprofessuren vor. Diese Neuregelung wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Gelegenheit bieten, bereits in jungen Jahren in eigener Verantwortung Lehrveranstaltungen zu leiten. Damit werden wir verkrustete Strukturen an Universitäten aufbrechen, die den nötigen Generationenwechsel beschleunigen sollen. Auch die Besoldung wird flexibler gestaltet und mehr dem Leistungs- als, wie bisher, dem Senioritätsprinzip unterworfen sein. Das versetzt die Hochschulen in die Lage, durch individuelle Budgetierung fähige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Wirtschaft für Institute der Hochschulen zu interessieren. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die vorgesehene Schwerpunktsetzung der Bundesregierung bei der Verwendung der Zinsersparnisse im Zusammenhang mit den UMTS-Erlösen ist zugleich investitions- und zukunftsfördernd. Dass Bildung und Forschung neben Städtebau und Verkehr auch hier Priorität genießen, setzt den bei Regierungsübernahme eingeschlagenen Weg konsequent fort. Allerdings bin ich der Meinung, heute und hier ist nicht der Ort, um über die genaue Höhe und die Verwendung der Mittel zu debattieren. Das ist den parlamentarischen Organen, insbesondere dem Haushaltsausschuss, für die Beratung der Haushaltspläne vorbehalten. Wir werden daher erst Ende November, wenn wir den Haushalt verabschieden, Genaueres dazu sagen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen die zentralen Eckpunkte des Einzelplans 30 vorgestellt. Herr Kollege Hilsberg wird zu den Bereichen Weiterbildung und berufliche Bildung noch etwas sagen. Mir als Haushälterin liegt besonders am Herzen, deutlich zu machen, dass der Bildungs- und Forschungsetat 2001 der höchste seit über 15 Jahren ist. ({14}) Ich empfehle daher der Frau Ministerin, auf gar keinen Fall in irgendeiner Weise in einen Wettbewerb mit Herrn Rüttgers einzutreten. Das ist nicht nötig; diesen Wettbewerb hat sie längst gewonnen. ({15}) Wir sind zu Recht stolz auf diesen Haushalt. Mit Fug und Recht lässt sich sagen: versprochen und Wort gehalten! ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Steffen Kampeter, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist jetzt schon der dritte Etat, der von der Frau Bundesbildungsministerin vorgestellt wird und mit dem man, abgesehen von der Botschaft, sie sei besser als im Vorjahr, nichts verbindet. Vor allem hat sie bis heute keine bildungs- und forschungspolitische Konzeption vorgelegt. Das ist schon ein schwaches Stück. ({0}) Es stimmt noch nicht einmal, dass die Investitionen in Bildung und Forschung wachsen; denn Tatsache ist, Frau Bundesministerin, dass Sie in Ihrem Etatentwurf für 2001 500 Millionen DM weniger für Investitionen zur Verfügung haben, als 1998 Herr Rüttgers für Investitionen in Bildung und Forschung ausgewiesen hatte. Davon muss die deutsche Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt werden, denn das ist eine Tatsache. ({1}) Selbst wenn ich mir den Aufwuchs des Forschungsetats anschaue und unter diejenigen Teile, die Sie vor einiger Zeit an das Wirtschaftsministerium abgegeben haben, und Ihre Forschungsansätze einen Strich ziehe, dann stelle ich fest, dass das, was Sie dazubekommen haben, der Wirtschaftsminister eingespart hat. In der Summe ist das keine erfolgreiche Forschungspolitik dieser Bundesregierung. ({2}) Sie haben vorhin gesagt, die Regierung Kohl habe keine müde Mark in Bildung und Forschung investiert. Das ist insoweit richtig, als zu der Zeit, zu der wir regiert haben, die Mark noch nicht müde, sondern hart war. Das ist ein entscheidender Unterschied. ({3}) Ihre politische Halbzeitbilanz fällt in unseren Augen eher beschämend aus. Ich will mit einem Zitat belegen, dass unsere Kritik auch in der Koalition geteilt wird. Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, also Ihr Koalitionspartner, wird im „Handelsblatt“ vom 7. September so zitiert: Trotz des erfreulicherweise steigenden Etats für Bildung und Forschung - dass auch das falsch ist, habe ich gerade belegt ist es noch nicht gelungen, das Thema jenseits der Sonntagsreden zum Schwerpunkt der Regierungspolitik zu machen. ({4}) Geld alleine, Frau Ministerin, macht halt nicht glücklich. Sie werden offensichtlich von Ihrer eigenen Koalition negativ bewertet. Sie reichen wohl für Sonntagsreden, aber nicht für tatsächliche Politik. ({5}) Fehlanzeige beispielsweise, wenn Sie sagen, Sie hätten uns hier eine forschungspolitische Konzeption vorgetragen. Fehlanzeige, wenn Sie meinen, Sie hätten beim Thema Gentechnologie die Meinungsführerschaft in Deutschland. Bei der Rechtschreibreform, einem Thema, das viele Menschen in Deutschland beschäftigt, sind Sie weggetaucht. Zur Bildungspolitik haben Sie hier außer Leerformeln nichts vorgetragen. Die Liste Ihrer politischen Fehlleistungen und Misserfolge ist lang. Ich weise nur darauf hin, dass die Kritik auch von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird. Laut einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts, kürzlich im „Stern“ veröffentlicht, ist eine Mehrheit der Deutschen der Auffassung, dass Sie aus Ihrem Amt scheiden sollten. Sie sind der sozialdemokratische Totalausfall im Kabinett Schröder. ({6}) Ich kann Ihnen daher die Aufzählung Ihrer Fehlleistungen in der heutigen Etatdebatte nicht ersparen. Das Erste, das von der Frau Kollegin Klemmer sehr charmant vorgetragen wurde, war die BAföG-Reform. Sie entspricht im Wesentlichen dem, war wir schon vor drei Jahren gemeinsam mit Ihnen hätten verabschieden können. Drei Jahre Verspätung für eine von Ihnen blockierte Reform kann im Jahre 2000 kein politischer Erfolg sein. ({7}) Auch in dieser Frage haben Sie nicht mehr die Unterstützung Ihrer Koalition. Der Kollege Berninger hat nämlich schon anlässlich dessen, was Sie als BAföG-Reform vorgestellt haben, gesagt, dies reiche noch nicht aus, vielmehr müsse im Anschluss an die BAföG-Reform, die Sie hier fälschlicherweise als Strukturreform dargestellt haben, eine Strukturreform der Bildungsfinanzierung kommen. Ich halte es für ein Stück aus dem Tollhaus, wenn hier behauptet wird, ein Kernelement Ihrer Bildungspolitik sei die BAföG-Reform, wenn vor Verabschiedung dieser BAföG-Reform die Reform der Reform schon von einem Vertreter Ihrer eigenen Koalition angekündigt wird. ({8}) Sie haben auch mehrfach verkündet, Sie wollten Studiengebühren verbieten lassen. Der Versuch ist gescheitert. Auch das ist ein Misserfolg Ihrer Politik. Wenn ich höre, dass die Dienstrechtsreform nun endlich komme, muss ich sagen: Ich kann es kaum mehr glauben. Sie haben uns das schon so oft angekündigt, aber nichts ist passiert. Im Sommer haben Sie aus der SPD-Bundestagsfraktion Kritik dafür bekommen. Ich zitiere aus dem „Handelsblatt“ wieder einmal einen Ihrer Bildungspolitiker, Herrn Berninger: In den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wächst die Unzufriedenheit mit dem Kurs von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Anlass sind die schleppenden Fortschritte bei der Dienstrechtsreform... Hintergrund sei die Sorge in den beiden Fraktionen, dass die Regierung bei dem derzeitigen Tempo in dieser Legislaturperiode kein großes Reformprojekt in der Bildungspolitik mehr verwirklichen kann. ({9}) Wenn Jürgen Rüttgers damals so von seiner eigenen Fraktion bzw. der Koalitionsfraktion eingeschätzt worden wäre, wäre er zurückgetreten. ({10}) Es ist bedauerlich, dass Sie nicht das notwendige politische Gewicht besitzen, die auch von uns für notwendig gehaltenen Flexibilisierungen im Dienstrecht durchzusetzen. Wir werden Sie bei der Umsetzung politisch unterstützen, Sie müssen aber erst in Ihrer eigenen Koalition Mehrheiten haben und uns einen Entwurf vorlegen, der dann von uns diskutiert werden kann. ({11}) Ich will auf einen weiteren Punkt kommen, nämlich die Internationalisierung der Hochschulen. Wir stellen fest - Sie haben es hier mehrfach beklagt -, dass die Internationalisierung der deutschen Hochschulen nicht ausreicht. So werden in den Vereinigten Staaten fünfmal so viele ausländische Doktoranden wie in Deutschland geprüft. ({12}) Wenn ich in den Haushalt sehe, stelle ich fest, dass Sie beispielsweise beim Deutschen Akademischen Austauschdienst Kürzungen vorgenommen haben, wenn man die Projektmittel hinzu nimmt, die der DAAD früher auch noch aus dem Hochschulsonderprogramm III bekommen hat. Sie reden viel von Internationalisierung, handeln aber nicht entsprechend. Sie hätten beispielsweise spielend mit dem Geld, das Sie haben, das Gastdozentenprogramm ausweiten können. Sie hätten auch mehr für die Modellprojekte der Internationalisierung tun können. Ihren Erkenntnissen, die Sie als Opposition hatten, als Sie im Oktober 1998 festgestellt haben, dass die Internationalität von Wissenschaft und Forschung die Erfordernisse der Gegenwart sind, folgt leider keinerlei konsequentes Regierungshandeln. ({13}) Etwas schwach und vage, Frau Bundesbildungsministerin, waren Ihre Ausführungen zu UMTS, also den „unheimlichen Mehreinnahmen trotz Schröder“. Ich kann es eigentlich verstehen, dass Sie sehr vage zu UMTS reden, denn als wir am 29. Juni 1994 im Deutschen Bundestag über die Grundgesetzänderung abgestimmt haben - ({14}) - Der Brüllfrosch der SPD-Fraktion Tauss hat ausschließlich die Aufgabe, hier zu stören, aber keine Beiträge zu liefern. Das ist einfach unerträglich. ({15}) Herr Tauss, auch wenn es Ihnen nicht passt: Am 29. Juni 1994 hat der Deutsche Bundestag über die Liberalisierung der Telekommunikation abgestimmt. Die SPD-Fraktion hatte Zustimmung signalisiert. Es gab eine namentliche Abstimmung und unter den 92 Abgeordneten der Kommunisten, der Grünen und der SPD, die versucht haben, die Liberalisierung im Deutschen Bundestag zu verhindern, war Edelgard Bulmahn an der Spitze und heute kassiert sie die Gelder ein. Damals versuchte sie, das zu verhindern. ({16}) Ich will darauf hinweisen, dass diese Abkassiererei noch auf einige Schwierigkeiten stoßen wird. Nach meinen Informationen hat Bundesfinanzminister Eichel Ihnen in dieser Woche einen Brief geschrieben, in dem er Sie auffordert, Ihre Ansprüche hinsichtlich der Zinseinsparungen, die durch die UMTS-Mittel möglich geworden sind, anzumelden. Dann soll es einen Kabinettsbeschluss geben und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion soll diesen Kabinettsbeschluss nur noch abnicken und ihn in die Haushaltsberatungen einbringen. ({17}) - Herr Kollege, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass Sie in dieser Frage zu einer Abnickerfraktion geworden sind. ({18}) Das übliche Verfahren wäre gewesen, dass die Fraktion der SPD gemeinsam mit der Fraktion der Grünen uns heute einen konkreten Vorschlag im Deutschen Bundestag vorlegt, in dem auf Mark und Pfennig belegt wird, wofür sie die durch den UMTS-Erlös frei werdenden Gelder ausgeben möchte. Aber jetzt wird das wieder am Parlament vorbei gemacht und ein Beschluss einfach exekutiert. Sie dürfen den dann abnicken. Ich würde mich schämen, in einer solchen Fraktion Mitglied zu sein. ({19}) Meine Fraktion wird im Rahmen der Haushaltsberatungen konkrete Vorschläge machen, wie wir den Bereich Bildung und Forschung durch Mittel aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums und aus dem Etat von Frau Bulmahn fördern. Wir werden Vorschläge über eine Offensive für die technologische Infrastruktur des 21. Jahrhunderts vorlegen, die eine Größenordnung von 1,5 Milliarden DM hat. Alle Mehrausgaben, die wir für diesen Bereich veranschlagen, sind durch Minderausgaben in anderen Bereichen gedeckt. ({20}) Es geht um die Revitalisierung der technologischen Mittelstandsförderung, die Verkehrstechnologie, die Umweltforschung, die Weltraumtransportsysteme, die industrienahe Forschung und die umweltfreundlichen Transporttechnologien sowie die Revitalisierung des deutschen Hochschulwesens. Wir leisten damit einen konstruktiven Beitrag zur Debatte, den wir von dieser Forschungs- und Bildungsministerin bisher vermisst haben. ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, dass wir in der Koalition über die Möglichkeiten diskutieren, wie wir die Mittel für Bildung und Forschung erhöhen können und welche Schwerpunkte wir setzen können, ist ein Zeichen dafür, dass wir überhaupt keine Abnickfraktion sind, dass wir uns vielmehr ernsthaft um mehr Mittel bemühen und dass wir zwar unterschiedliche Positionen vertreten, aber zu einem sehr guten Gesamtkonsens kommen. Eines haben Sie, meine Damen und Herren von der Union und auch von der F.D.P., immer wieder übersehen: Wenn Sie angebliche Kürzungen nennen, dann vermeiden Sie ganz geflissentlich, zu erwähnen, wohin zusätzliche Gelder für Bildung und Forschung geflossen sind, die nicht im Haushalt des BMBF auftauchen, beispielsweise die BAföG-Mittel oder die einigen 100 Millionen DM, die in den Etat des Wirtschaftsministeriums geflossen sind. Sie reden nicht davon, dass es dort einen deutlichen Zuwachs gegeben hat. ({0}) - Die Punkte, die Sie in der Energieforschung kritisieren, werden wir zusammen mit dem Parlament - wie auch schon im letzten Jahr - korrigieren. Es wird auch das Wirtschaftsministerium mit Sicherheit bemerken, dass aufgrund der Ölpreisentwicklung eine Erhöhung der Mittel für die Energieforschung notwendig sein wird. Bündnis 90/Die Grünen hat seine Wahlversprechen hinsichtlich der Forschungspolitik vollständig eingehalten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Fell, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Aigner von der CDU/CSU-Fraktion?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Fell, Sie haben gerade gesagt, dass Mittel in andere Ministerien verlagert worden seien. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. ({0}) - Ich frage, ob Sie zugeben, dass die Mittel für das Meister-BAföG in den Etat des Wirtschaftsministeriums verlagert worden sind, dass die Mittel von ursprünglich 167 Millionen DM auf 78 Millionen DM im Jahr 2000 gekürzt worden sind und dass sie nun erneut gekürzt werden sollen. Verstehen Sie das unter Neuinvestitionen und Erhöhung der Investitionen?

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich von Erhöhung der Forschungsmittel spreche, dann sollten auch Sie, Frau Kollegin Aigner, zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der Forschungsmittel auch dort insgesamt gestiegen ist. Bezüglich der Kürzungen der Mittel für das MeisterBAföG werden wir unsere Position deutlich machen. Bündnis 90/Die Grünen hatten vor der Wahl die Erhöhung der Forschungsmittel um 2 Milliarden DM versprochen. Angesichts des vorliegenden Haushaltsentwurfes und der zu erwartenden zusätzlichen Mittel aus den UMTS-Erlösen können wir unser Versprechen vorzeitig einlösen. Angesichts der Lücken, die die alte Bundesregierung hinterlassen hat, müssen wir allerdings feststellen, dass wir von den erreichten Mittelzuwächsen nicht ablassen dürfen. Es ist zwingend erforderlich - darin sind wir uns mit der Ministerin einig -, dass auch in Zukunft an der Zukunftsmilliarde festgehalten wird. Es geht aber nicht nur darum, dass wir mehr Mittel zur Verfügung stellen. Es ist auch notwendig, dass wir die Schwerpunkte anders setzen. Das haben wir bereits getan. Vor allem im Forschungsbereich wurden die Mittel für solche Projekte gestärkt, bei denen der Nutzen der Gesellschaft im Vordergrund steht. Hier möchte ich einige Beispiele nennen. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses tut es mir gut, die positive Entwicklung bei der Friedens- und Konfliktforschung zu sehen. Wir haben die Bundesförderung der Friedensund Konfliktforschung wieder ins Leben gerufen, nachdem sie die alte Regierung faktisch beendet hatte. Zudem stellen wir im Jahr 2001 wieder umfangreiche Mittel für die Gründung eines neuen Friedensforschungsinstitutes zur Verfügung. ({0}) Ich freue mich, dass im Haushalt 2001 die Mittel für die Technikfolgenabschätzung erneut spürbar ansteigen. ({1}) So werden sie schon im Jahr 2000 mit 8 Millionen DM mehr als doppelt so hoch liegen wie bei der Regierungsübernahme. Auch bei der alten rot-grünen Forderung nach einer Stärkung kleinerer und mittlerer Forschungsinstitute auf dem Feld der Nachhaltigkeitsforschung lässt sich Vollzug melden. Das entsprechende Programm ist angelaufen und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet. Ich kann nur sagen: Weiter so, Rot-Grün. ({2}) Ich komme zur Biotechnologie und zur Genomforschung. Auch hier sind erneut Steigerungen vorgesehen. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen auch die Teile der Gentechnik, die ethisch vertretbar und deren Risiken überschaubar sind. Gerade in der Gesundheitsforschung sollten wir die Chancen sehen. Bei der Bekämpfung von Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Parkinson kann die Gentechnik möglicherweise eine große Rolle spielen. Andererseits wäre es aber nicht klug, alles auf die Karte der Gentechnik zu setzen. Die meisten Krankheiten sind nicht nur genetisch bedingt. Die anderen Faktoren müssen ebenso untersucht werden. Deshalb richten wir unser Augenmerk auch auf die Gesundheitsvorsorgeforschung. ({3}) Bündnis 90/Die Grünen werden die bei der rasanten Entwicklung der Gentechnik auftauchenden Fragen immer wieder neu bewerten. Das ist ein schwieriger Prozess, bei dem neben ökonomischen auch ethische Fragestellungen und der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung sein werden. Für unverantwortbar halten wir aber den Vorschlag aus den Reihen der CDU/CSU, die Gentechnik flächendeckend in der Landwirtschaft einzusetzen. Demnächst wird die CDU/CSU noch vorschlagen, den Menschen gentechnisch zu optimieren, um vermeintlich den Standort Deutschland zu stärken. ({4}) Ich bin sehr gespannt, was die konservativen Parteien noch konservieren wollen, wenn sie die Gene und somit den Kern des Lebens vollständig der Standortdiskussion unterwerfen. ({5}) Die F.D.P. hat der Union eines voraus: Die Werte, die außerhalb der Ökonomie liegen, spielen bei ihr schon längst keine Rolle mehr. Die Bewertung des Haushalts der Bundesministerin für Bildung und Forschung seitens der CDU/CSU - ich habe es eingangs schon erwähnt -, ist vor allem deswegen nicht richtig, weil Sie die vielen Fälle der Forschungsmittelerhöhung in anderen Haushalten einfach übersehen. Erwähnen will ich als Ergänzung die Forschungsmittel, die beispielsweise im Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu finden sind. Meine Damen und Herren, die deutlichen Erfolge grüner Forschungs- und Bildungspolitik ermutigen uns, zielstrebig weiter rot-grüne Grundsatzpositionen umzusetzen und nachhaltigen Innovationen den Weg zu bereiten. Ich danke Ihnen für das Zuhören. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Thomas Rachel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit vollmundigen Versprechungen ist die Regierung Schröder angetreten. Mit ihrem Wahlkampfslogan „Innovation und Gerechtigkeit“ hat die SPD versprochen, Forschung und Innovation in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. ({0}) Ihre Ankündigungen stehen aber im krassen Widerspruch zum Schneckentempo rot-grüner Politik in der Realität. ({1}) Im Bundestagswahlkampf hat die SPD eine Garantiekarte verteilt. „Bewahren Sie diese Karte auf und Sie werden sehen, dass wir halten, was wir versprechen“, heißt es auf dieser Karte. ({2}) Unter Punkt 4 können Sie lesen: „Die SPD verspricht die Verdopplung der Investitionen in Bildung und Forschung in fünf Jahren.“ Wir haben Ihre Garantiekarte aufgehoben und wir stellen fest, dass Sie Ihr Versprechen nicht halten. ({3}) Wenn Sie Ihre Zusage einhalten wollten, dann müsste der Bildungs- und Forschungsetat jetzt, nach den ersten zwei Jahren Ihrer Regierungszeit, schon bei 21 Milliarden DM liegen. Tatsächlich beträgt er aber nur 15 Milliarden DM. Ihre Halbzeitbilanz ist bescheiden - viel Lärm um nichts. ({4}) Von einer Bildungs- und Forschungsministerin kann man verlangen, dass sie ihr Amt nicht nur verwaltet, sondern auch - über ihr Ressort hinaus - als Anwältin für Innovation und Forschung geradesteht. Doch auch in diesem Punkt versagt die Ministerin. Die „Wirtschaftswoche“ hat ihr die Note „Fünf plus“ gegeben, ({5}) - in der „Welt am Sonntag“ wurde sie als „zweitschlechtestes Kabinettsmitglied“ tituliert. Das SPD-Magazin oder das SPD-nahe Magazin „Stern“ ({6}) gibt ihr die Note „ausreichend“. Herr Tauss, 56 Prozent der Bevölkerung - da wird Ihnen das Lachen vergehen fordern die Ablösung dieser Forschungs- und Bildungsministerin. Mit einem solchen Standing können Sie für Forschung und Innovation in der Bundesregierung nichts gewinnen. ({7}) In dieser Regierung fehlt die Priorität für Forschung und Innovation; denn Forschung braucht nicht hier und da ein bisschen mehr Geld, sondern eine nachhaltige Politik und eine klare Richtung. ({8}) Die Sozialdemokraten reden hier viel über das Geld des Staates. Dabei wird vollkommen übersehen, dass 70 Prozent der deutschen Forschungsausgaben in der Wirtschaft erfolgen. Viel mehr als auf das Geld kommt es somit auf die Rahmenbedingungen für Innovation und Forschung in diesem Lande an. Hier steht die Ampel, entgegen den Verbalbekenntnissen der Regierung, nicht auf Grün; vielmehr schimmert im tiefen Inneren der rot-grünen Seele die alte Feindlichkeit gegenüber neuen Techniken durch. ({9}) Konzeptionslosigkeit und Wurstelei stellen wir fest. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Erstens. Die Innovationspolitik der Regierung Schröder ist völlig zersplittert. Sie besteht aus zusammenhanglosen Einzelaktivitäten. Die Aufteilung der Forschungsförderung auf das Wirtschaftsministerium und das Forschungsministerium hat Chaos erzeugt. Mittlerweile scheinen das auch Politiker bei der SPD und den Grünen kapiert zu haben. Matthias Berninger von den Grünen ({10}) - fordert im „Handelsblatt“, dass Energieforschung wieder ins Forschungsministerium eingegliedert werden müsse. Zitat: Es zeigt sich..., dass man Grundlagenforschung und industrienahe Forschung immer weniger trennen kann, kritisiert Berninger die mangelhaften Zustände. ({11}) Unzufrieden ist auch der SPD-Politiker Stephan Hilsberg. Im „Handelsblatt“ kritisiert er - Zitat -: Angesichts der jetzigen Lage muss man sagen, dass die Industrieforschung im BMWF besser aufgehoben wäre. Auf diese Missstände hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits Ende 1998 aufmerksam gemacht; denn ein zentraler politischer Ansprechpartner für Wissenschaft und Forschung ist in dieser Regierung nicht auszumachen. ({12}) Aber wo ist Bulmahn? ({13}) Dem „Handelsblatt“ zufolge sorgt sich Frau Bulmahn - ({14}) Frau Bulmahn, vielleicht würden Sie dem Parlament einmal Ihr geneigtes Ohr schenken und nicht nur auf der Regierungsbank quatschen. Herr Präsident! ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Reden Sie bitte weiter.

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das „Handelsblatt“ vermutet, dass Frau Bulmahn in der Regierung schon zu viel Neid auf sich gezogen habe. Das „Handelsblatt“ kommentiert: Nun will Frau Bulmahn Wirtschaftsminister Müller nicht auch noch mit Forderungen nach Abtretungen ganzer Abteilungen ärgern. Wo bleibt Ihre politische Führungskraft, Frau Bulmahn? So wird man nie Anwältin für Forschung und Innovation in dieser Regierung. ({0}) Zweitens. In einer Anfrage vom 29. Juni dieses Jahres habe ich die Bundesregierung gefragt, wie sich der von der Regierung beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie mit dem weiterhin gültigen Energieforschungsprogramm vereinbaren lässt, denn darin ist die Kernenergieforschung enthalten. Bis heute - vom 29. Juni bis zum 15. September - war die Bundesregierung nicht in der Lage, diese Anfrage fristgerecht zu beantworten, obwohl in der Geschäftsordnung dieses Parlaments steht, dass die Regierung innerhalb einer Woche zu antworten habe. Ich finde, das ist ein Skandal, und es zeigt, wie diese Regierung mit dem Parlament umgeht. ({1}) Will die Bundesregierung hinter ihrer Sprachlosigkeit vielleicht ihre Konzeptlosigkeit verbergen? ({2}) Der ganze Vorgang zeigt, dass die rot-grüne Bundesregierung sich nicht auf ein abgestimmtes Konzept in der Energieforschung einigen konnte. So wird man kein Innovationsstandort auf Weltniveau. ({3}) Drittes Thema. Nach mehr als 30 Jahren Planungs- und Entwicklungszeit haben Sie das Aus für den Transrapid verkündet. Damit verlieren wir unseren Entwicklungsvorsprung in der Magnettechnik. ({4}) Viertens. Bei der Genehmigung des neuen Garchinger Forschungsreaktors FRM II sitzt der Umweltminister im Bremserhäuschen. Fünftens. Zu Beginn dieses Jahres hat die rot-grüne Koalition eine massive Erhöhung der Patentgebühren beschlossen. Diese Gebührenerhöhung trifft die Erfinder, die Tüftler, die kleinen Unternehmen, die Patentanmelder in den Hochschulen. Sie ist ein Hemmschuh für den Transfer von Forschungsergebnissen in wirtschaftsnahe Anwendungen. Denn Patente von heute sind die Arbeitsplätze von morgen. ({5}) Vor diesem Hintergrund sind die Schlagworte Innovation und Gerechtigkeit, die Sie vor der Wahl verkündet haben, nichts als blanker Hohn. Sechstes Thema. Als nächste wichtige Technologie droht die Kernfusion von Rot-Grün beerdigt zu werden. Bundeskanzler Schröder hat mit seiner seichten Rede in Greifswald zu überdecken versucht, dass in der Regierungskoalition totale Uneinigkeit bei der Fusionsforschung herrscht. So spricht der forschungspolitische Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, von einer Fehlinvestition in Greifswald, die man nicht mehr habe verhindern können, weil die Investitionen liefen. ({6}) Zukunftsträchtige Projekte bei der Fusionsforschung wollen die Grünen aber auf jeden Fall verhindern. Aber gerade in der Fusionsforschung wäre eine zukunftsweisende Kooperation mit den europäischen Partnern nötig. Stattdessen droht Deutschland in diesem Bereich in die Drittklassigkeit abzurutschen. Das kritisieren wir. ({7}) Siebtens. Neuestes Thema der Ministerin ist der Laptop für Schüler. Vielleicht wäre es ja wichtiger, dass wir erst einmal für jede Klasse auch wirklich einen Lehrer zur Verfügung hätten. Ich finde, damit sollten wir einmal anfangen, Frau Bulmahn. Im Übrigen verhält es sich so: Während Sie über Internet und Laptop lamentieren, wird im Bundesfinanzministerium die Besteuerung der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz vorbereitet. Während Sie vom Aufbruch in die Informationsgesellschaft sprechen, hat Finanzminister Eichel schon längst das Kassenhäuschen an jedem Internetarbeitsplatz errichtet. ({8}) Meine Damen und Herren, so werden die Arbeitnehmer in Deutschland von dieser Bundesregierung getäuscht. ({9}) Achtes Thema. Erst auf massiven Druck von Opposition und Wissenschaft will die Bundesforschungsministerin die Mittel für die Genomforschung erhöhen. Wir hatten bereits im letzten Jahr beantragt, 200 Millionen DM mehr hierfür in den Haushalt einzustellen. Sie haben das eiskalt abgelehnt. Der neu entdeckte Schwerpunkt Gentechnik ist wichtig, aber wir brauchen auch Fortschritte in der Anwendung. Sie betreiben hier innovationsfeindliche Politik. So musste das Robert Koch-Institut auf Anweisung von Gesundheitsministerin Fischer die Ausbringung einer gentechnisch veränderten Maissorte verbieten, obwohl dies von der EU-Kommission genehmigt war und ein positives Votum der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit vorlag. Mit einer solchen Politik wird diffuse Angst geschürt und das Vertrauen in wissenschaftliches Urteil und festgelegte Zulassungsverfahren untergraben. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Rachel, Sie müssen leider zum Schluss kommen. ({0})

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Diese Rahmenbedingungen für Innovationen schaden dem Standort Deutschland. Die rot-grüne Regierung hat sich in wichtigen Bereichen als Innovationshindernis entpuppt. Wir wollen Entscheidungen am wissenschaftlichen Urteil und nicht an ideologischen Vorstellungen orientieren. Wir appellieren an Sie: Kommen Sie heraus aus dem ideologischen Bremserhäuschen. Wir wollen, dass Deutschland als Wissenschaftsstandort eine der ersten Adressen der Welt wird. Deshalb kämpfen wir für eine ideologiefreie Modernisierung dieses Landes. Herzlichen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Rachel, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Kollegen Röspel, SPD-Fraktion?

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne.

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Rachel, Sie sprachen gerade an, dass wir es als kritisch angesehen haben, einen Insektengift produzierenden, gentechnisch veränderten Mais in die Landschaft ausbringen zu lassen, nachdem wir erkannt haben, dass immer mehr wissenschaftliche Hinweise darauf abzielen, dass nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge bekämpft werden, dass weiterhin Resistenzen entstehen und dass das Gift, das produziert wird, im Boden bleibt. Weil wir gesehen haben, dass da noch einige Fragen ungeklärt sind, haben wir die Ausbringung zunächst ausgesetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ihre Frage, bitte.

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage Sie, ob Sie es als technikfeindlich ansehen, wenn man neue wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt, die die Ausbringung dieses Maises als problematisch erscheinen lassen.

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihre Frage unterstellt, dass es hier tatsächlich andere wissenschaftliche Erkenntnisse gegeben hat. Dies ist falsch. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit, die nach unseren gesetzlichen Bestimmungen damit beauftragt ist, zu beurteilen, ob es Sicherheitsrisiken gibt oder nicht, hat dies eindeutig negativ beantwortet. ({0}) Außerdem hat die EU-Kommission ihr klares bejahendes Votum zur Ausbringung gegeben. Wir kritisieren hier, dass Sie, wenn - mit Ihrer Zustimmung - in einem ordnungsgemäßen, durch Wissenschaft begleiteten Prozess klare rechtliche Verfahren geschaffen wurden, um zu entscheiden, ob eine Maßnahme ergriffen werden darf oder nicht, diese Maßnahmen dann aus rein ideologischen Gründen unterbinden. Das ist Ideologiepolitik, die wir in diesem Bereich der Forschungspolitik nicht brauchen können. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Stephan Hilsberg, SPD-Fraktion.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hans Eichel hat hier vor drei Tagen die Einbringung des Haushalts 2001 mit den Worten begonnen, dieser Haushalt 2001 sei ein Haushalt der Konsolidierung und der Nachhaltigkeit und ein Haushalt der Stärke. Der Haushalt, den wir hier diskutieren, ist ein Beweis dafür. Recht hat der Mann! ({0}) Nachdem Sie hier versucht haben, so viele Nebelkerzen zu werfen, muss man jetzt wieder zu den Fakten zurückkehren. ({1}) Man kann es gar nicht häufig genug sagen: Nachdem dieser Haushalt unter Rüttgers innerhalb von vier Jahren um 400 Millionen DM zurückgegangen ist, haben wir ihn alleine um 780 Millionen DM aufgestockt. Das sind 5,3 Prozent mehr, als wir in diesem Jahr haben. Über BAföG will ich dabei gar nicht reden. Wenn Sie den Zeitraum nach 1998 zugrunde legen, haben wir sogar eine Aufstockung um 1,7 Milliarden DM vorgenommen. Das ist ein Plus von über 8 Prozent. Diese Leistung ist entscheidend, nicht das, was Sie hier an Nebelkerzen werfen. ({2}) UMTS ist in diese Rechnung noch gar nicht einbezogen. Wenn man diese Erlöse einbezieht, kommen hier 2 Milliarden DM hinzu. Damit haben wir nicht nur den höchsten Bildungs- und Forschungshaushalt, den es in der Bundesrepublik je gegeben hat, sondern das ist auch eine Trendwende. ({3}) In Ihrer Regierungszeit ist der Anteil der Bildungsund Forschungsausgaben kontinuierlich gesunken. Warum rufen Sie hier mit Krokodilstränen in den Augen, der Anteil der Bildungs- und Forschungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt sei gesunken, wenn Sie selber nicht mit gutem Beispiel vorangegangen sind? Wir sind das angegangen und machen das weiter. Der Anteil der Bildungsund Forschungsausgaben steigt von 3,11 auf 3,21 Prozent. Vorbild muss man sein, wenn man von den anderen verlangen will, sie müssten mehr machen! ({4}) Meine Damen und Herren von der Opposition, das, was ich von Ihnen an Kritik gehört habe, war häufig nur kleinkrämerisch und - diesen Eindruck hatte ich zum Teil schlicht und einfach von Neid geprägt. Herr Kampeter, mit Ihren Fähigkeiten des spitzen Bleistiftes, des Umbiegens und des Umwertens von Zahlen hätten Sie gut in eine statistische Behörde der DDR gepasst; da ist das nämlich permanent gemacht worden. ({5}) - Vielleicht etwas zu Ihrer Beruhigung. Auch von der PDS brauchen wir uns nichts sagen zu lassen. Bankrotteure sollten uns keine Ratschläge geben, wie man einen Haushalt aufzustellen hat, besonders wenn die Haushalte gut sind. Regen Sie sich also ab. Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass Sie uns permanent vorhalten, dass wir Ideen realisieren, die auch Sie möglicherweise schon im Auge gehabt haben. Natürlich ist es richtig, beispielsweise die Mittel für den Hochschulbau aufzustocken. ({6}) Aber genug von den Zahlen. Herr Friedrich, Sie haben völlig Recht: Geld ist nicht alles; es kommt auch auf die Inhalte an. Dann fangen wir mit denen an. Ich sage das auch mit Blick auf die Jugendlichen auf der Tribüne. ({7}) - Bleiben Sie doch ganz ruhig, Herr Kampeter. Es kommt auf die Fakten an. Herr Jagoda war nicht auf unserem Parteiticket. Er hat in diesen Tagen gesagt: Es gibt eine Entspannung am Arbeitsmarkt. Es gibt einen deutlichen Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsplätzen. ({8}) Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage schließt sich wieder. Das ist unsere Leistung und ein klares Zeichen dafür, dass unsere Politik, die Frau Ministerin Bulmahn in Richtung Modernisierung der Berufe begonnen hat, Erfolg hat und dass sie Früchte trägt. Im Übrigen ist es ein Erfolg des Konsenses im Bündnis für Arbeit und Ausbildung, ohne den diese Steigerung der Zahl der Lehrstellen nicht möglich gewesen wäre. Manchmal wird das Bündnis für Arbeit und Ausbildung als Gefahr für den Parlamentarismus angesehen. Ich glaube, dieses Bündnis für Arbeit und Ausbildung ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Man sollte auch diesen Punkt deutlich machen: Während es jetzt noch - das ist ein Problem - an Ausbildungsplätzen mangelt, werden die Unternehmen gerade in den strukturschwachen Gebieten in vier bis fünf Jahren ganz andere, für sie existenziellere Sorgen haben als heute. Denn dann wird es einen eklatanten Mangel an Lehrlingen geben. Deshalb kann man diesen Unternehmen insbesondere in den strukturschwachen Gebieten nur zurufen: Bilden Sie jetzt aus, bevor es zu spät ist! ({9}) Manchmal denke ich - das betrifft die gesamte Wirtschaft -, man müsste hinzufügen: Rufen Sie nicht immer dort nach dem Staat, wo Sie selbst verantwortlich sind! Den Hochschulbau habe ich schon erwähnt. Ich will aber noch erläutern, was hinter den Zahlen steckt. Im Jahr 2001 gibt es eine Aufstockung um 215 Millionen DM. Das ist seit 1998 eine Aufstockung um über 400 Millionen DM. Zusammen mit dem Kofinanzierungsanteil der Länder ergeben sich über 800 Millionen DM, die wir zu verantworten haben. Das waren wir und nicht Sie. Damit sind wir den Forderungen des Wissenschaftsrats an dieser Stelle nachgekommen. Schauen Sie sich einmal die Reaktion an den Hochschulen an! Mit Ihren Reden können Sie sich dort nicht blicken lassen. Es ist doch unseriös, was Sie sagen. ({10}) Diese Investitionsausgaben werden die Studienbedingungen für über 1 Million Studenten wie auch die Arbeitsbedingungen der Hochschullehrer nachhaltig verbessern. Es war falsch, wenn von der rechten Seite des Hauses in den letzten Jahren immer zu hören war, wir hätten zu viele Studenten. Das war doch letztlich bloß die Kapitulation angesichts der Tatsache, dass Sie es nicht geschafft haben, die Aufbauarbeit an den Universitäten und Hochschulen zu leisten. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wir brauchen bessere und leistungsfähigere Hochschulen und Fachhochschulen; denn die Bedeutung wissenschaftlicher Ausbildung nimmt genauso wie die Bedeutung der Weiterbildung in unseren Tagen zu und nicht ab. An dieser Stelle ein Wort zum Meister-BAföG. Sie selber wissen ganz genau, dass Sie die Urheber der Probleme beim Meister-BAföG waren und dass das Problem nicht darin besteht, dass wir zu wenig Geld bereitstellen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass das Geld nicht abfließt. Ich gebe Ihnen hier Brief und Siegel, dass wir dieses Problem im Haushalt 2001 mindern und schließlich lösen werden. ({11}) Ich will noch einen weiteren Punkt erwähnen. Wir haben über handwerkliche Fähigkeiten geredet. Aber wir wissen auch - zu diesem Punkt sollten Sie sich ebenfalls äußern -, dass handwerkliche Fähigkeiten allein heutzutage immer weniger ausreichen, um das Leben zu meistern, um Herausforderungen anzunehmen und um die Chancen, die sich in dieser Informationsgesellschaft zunehmend bieten, zu erkennen und zu nutzen. Deshalb muss unser Bildungssystem insgesamt weiterentwickelt werden. Wir brauchen mehr die Fähigkeit des Einzelnen zum eigenen Denken und zur selbstständigen Orientierung. Wir brauchen seine Fähigkeit, mit Mut, Ausdauer und Zuversicht sein eigenes Leben zu meistern. Das muss im Vordergrund des Bildungssystems stehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Abhängigkeiten aufgelöst werden, damit an ihre Stelle Selbstverantwortung und auch Freude am eigenen Handeln treten können. Daher ist es auch so wichtig, dass wir das Studium der Kinder wieder stärker, als Sie es vermocht haben, vom Geldbeutel der Eltern entkoppeln. ({12}) Begabung hat sicherlich etwas mit Vererbung zu tun. Aber vor allem hat sie etwas mit den sozialen Randbedingungen zu tun, die ihre Entfaltung behindern oder ermöglichen können. Wir Sozialdemokraten wollen - Rot-Grün realisiert das -, dass die Begabung aller Menschen - ob sie jung oder alt, Junge oder Mädchen sind, deutschstämmig sind oder aus dem Ausland kommen - in unserer Gesellschaft wieder aufblühen und sich entfalten kann. ({13}) Dass die Bundesregierung - durch die Bank weg allen dem Bund quasi alleine gehörenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie die Max-PlanckGesellschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Helmholtz-Gemeinschaft der Großforschungseinrichtungen eine Aufstockung zwischen drei und fünf Prozent gewährt, ist kein Zufall. Darüber haben Sie aber überhaupt nicht geredet. Mir ist völlig klar, warum. Warum sollten Sie auch? Denn das sind Leistungen, die Sie nie zu verbuchen hatten. ({14}) Diese Aufstockungen folgen nicht nur der Logik, dass Forschung ein Innovationsmotor ist. Wir alle wissen, dass Investitionen in Forschung Investitionen in Arbeitsplätze von morgen sind. Diese Aufstockungen haben auch etwas mit der hohen Wertschätzung zu tun, die Wissenschaft und Forschung in unserem Land traditionell genießen und brauchen und die wir weiterhin garantieren werden. Denn je offener und aufgeklärter die Wissenschaft an die Erforschung und Behandlung der offenen Fragen unserer Zeit herangeht - davon haben wir genug -, desto offener und aufgeklärter kann unsere demokratische Gesellschaft an die Lösung ihrer Zukunftsprobleme herangehen. Das betrifft zum Beispiel das Energieproblem, das ohne eine verstärkte Erforschung alternativer und erneuerbarer Energien wohl nicht lösbar ist. ({15}) Das ist der Knackpunkt bei der Fusionsforschung; Sie werfen da nur Nebelkerzen. Übrigens, das Europäische Parlament hat nichts anderes gesagt als wir. Wir sind nicht gegen die Fusionsforschung; um das hier einmal deutlich zu sagen. ({16}) Wir fragen nur: Stimmen an dieser Stelle die Gewichtungen und müssen wir nicht angesichts des Umstandes, dass die Ergebnisse der Fusionsforschung - wenn überhaupt erst in 50 Jahren vorliegen, schon für die Zeit davor brauchbare Lösungen liefern, die unser Energieproblem lösen können? Oder haben Sie alle übersehen, was in der „Bild“-Zeitung oder sonstwo stand, dass nämlich der Nordpol bereits zu schmelzen beginnt? Das ist ja nur eine Kleinigkeit gemessen an den Problemen, die vor uns liegen. ({17}) Richtig ist übrigens auch, dass man mit den Strukturen von gestern heute keine moderne Forschung mehr betreiben kann. Deshalb war es so wichtig, dass sich Frau Bulmahn an die Fusion von GMD und FhG gemacht hat. ({18}) Wir sollten dem erfolgreichen Fortgang dieser Fusion ein gutes Gelingen wünschen. Auch ist richtig, dass sich die Helmholtz-Gemeinschaft der Großforschungseinrichtungen in Richtung des Aufbaus neuer Programmforschungsstrukturen begeben hat. Ganz besonders freut mich übrigens dabei, dass auch sie dann in den Genuss kommt, nicht mehr Jahr für Jahr anderthalb Prozent ihrer Stellen kürzen zu müssen, wie wir das bereits bei der Max-Planck-Gesellschaft realisiert haben. Wir hoffen, dass das auch so bleibt, denn Forschungsstrukturen kann man nicht so behandeln wie x-beliebige Verwaltungseinheiten. Bei dieser Gelegenheit ein Wort zur Blauen Liste der Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft. Auch hier wäre eine deutliche Aufstockung der Mittel nötig gewesen. Aufgrund der Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern ist aber nur ein gemeinsames Vorgehen möglich. Wenn sich hier - ich sage das sehr deutlich und mit großem Ernst - die Haltung der ostdeutschen Sitzländer nicht ändert, dann wird der Transformationsprozess der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft, der sich ja auf der Zielgeraden befindet, einen schweren Rückschlag erleiden, an dem wir alle kein Interesse haben können. ({19}) - Wieso? Auch Sachsen und Thüringen sind damit gemeint. Schauen Sie sich doch die Bilanzen einmal an! ({20}) - Frau Flach, ein Name ist übrigens auch ein Programm. An Ihrer Stelle hätte ich diese Bemerkung nicht gemacht. Ihre Meinung, dass mein Hinweis auf die Sorge, in der ostdeutschen Forschungslandschaft passiere etwas Schlechtes, gar nicht stimmt - denn da sei ja alles in Ordnung -, zeigt ({21}) - Sie haben nicht anders reagiert -, dass Sie überhaupt keine Ahnung von der ostdeutschen Forschungslandschaft haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir befinden uns mitten auf dem Weg in die Bildungsgesellschaft. Ich habe schon festgestellt: Bildung und die Fähigkeit des Einzelnen, sich stärker selber orientieren zu können, werden angesichts der Globalisierung eine immer größere Rolle spielen. Wir haben in den letzten zwei Jahren den Müll, den Sie uns hinterlassen haben, weggeräumt. Wir stehen vor einer neuen großen Bildungsoffensive. Der Haushalt, dessen Beratung in erster Lesung wir jetzt abschließen, ist dafür ein notwendiger, erfolgreicher und großer Schritt. Dafür bedanken wir uns. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention gebe ich jetzt das Wort dem Kollegen Steffen Kampeter von der CDU/CSU-Fraktion.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hilsberg, Sie haben mich persönlich wegen meiner Kritik an der Forschungspolitik der Bundesregierung angesprochen. Deswegen möchte ich meine Kernkritik noch einmal kurz vortragen: In den Jahren 1998 bis 2001 gehen - dies ist im Haushaltsplan ausgewiesen - die Investitionen in Bildung und Forschung um 500 Millionen DM zurück. Folgerichtig wird das Versprechen, die Investitionen in Bildung und Forschung zu verdoppeln, in mehrfacher Hinsicht gebrochen. Das sind die Tatsachen. ({0}) Wenn Sie mich angesichts dieser berechtigten Kritik an der Halbzeitbilanz der Forschungspolitik in die Nähe des menschenverachtenden Systems der DDR rücken, dann halte ich das für unangemessen. So etwas kann natürlich in einer Debatte passieren. Ich halte es jedoch weiterhin für notwendig, diese miese Politik kräftig zu kritisieren. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zur Erwiderung, Herr Kollege Hilsberg.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kampeter, in den zehn Jahren, in denen ich hier im Parlament bin - zur deutschen Einheit habe ich vielleicht ein kleines Stück beitragen können; ich habe sie immer begrüßt -, habe ich eines bemerkt, nämlich dass die Methoden, mit denen man hier Politik betreibt, keineswegs harmlos und schön sind und dass sich nicht alle Politiker der Wahrheit verpflichtet fühlen. ({0}) Das hat nichts mit Parallelen zur DDR zu tun. Aber mit Ihren Fähigkeiten - das möchte ich betonen -, Zahlen, Daten und Fakten zu verleugnen und umzudrehen, hätten Sie im Statistischen Amt der DDR reüssieren können. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegen nicht vor. Wir kommen deshalb zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, Einzelplan 06. Das Wort hat als erster Redner Bundesminister Otto Schily.

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Nach guter parlamentarischer Tradition bietet die Etatdebatte die Gelegenheit, den Rückblick auf ein vergangenes Etatjahr mit einem Ausblick zu verbinden. Leider haben wir für eine solche Debatte immer nur ein sehr enges zeitliches Korsett zur Verfügung. Das will ich an dieser Stelle einmal anmerken. Ich erlaube mir die Anregung, einmal darüber nachzudenken, ob wir dieses enge Korsett nicht erweitern sollten, ({0}) ob wir uns nicht mehr Zeit für die Etatdebatte nehmen sollten, damit wirklich Argument und Gegenargument, Rede und Gegenrede stattfinden können, damit es auch möglich wird, die eigene Auffassung kritisch zu überprüfen. Denn die parlamentarische Debatte dient dem demokratischen Dialog. ({1}) Dann wird auch das Parlament in seiner Funktion als Legitimationsinstrument für Politik wieder an Bedeutung gewinnen. Ich sage im Übrigen in aller Bescheidenheit: Die Zeit, die mir zugewiesen ist, reicht nicht aus, um die umfangreiche Erfolgsbilanz des Bundesministeriums des Innern vorzutragen. ({2}) Ich muss mich also auf einige wenige Stichpunkte beschränken. Ich stelle die Sportpolitik sehr bewusst an den Anfang. ({3}) Sie wissen, ich bin ein enthusiastischer Sportminister und es macht mir sehr viel Spaß, auf diesem Gebiet tätig zu sein. Ich denke, es ist eine der erfreulichsten Nachrichten dieses Jahres, dass wir im Jahre 2006 als vereintes Deutschland Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft sein dürfen. ({4}) Es eint uns, wenn wir Franz Beckenbauer und dem Deutschen Fußball-Bund dazu herzlich gratulieren. Ich möchte das mit den besten Genesungswünschen an den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bunds, Egidius Braun, verbinden. ({5}) In diesem Zusammenhang darf ich Folgendes erwähnen: Der Bundeskanzler hat mir im Kabinett Vorhaltungen über das schlechte Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft gemacht. Ich habe in Demut meinen Kopf gesenkt. ({6}) Aber es gibt auch eine erfreuliche Nachricht von der europäischen Fußballmeisterschaft: Wir haben eine große Leistung für die Sicherheit bei diesem großen Sportereignis in Belgien und Holland erbracht. ({7}) Ich glaube, darauf können wir sehr stolz sein. Wir haben dafür sehr viel Anerkennung bekommen. Ich möchte deshalb an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten des Bundesgrenzschutzes und den Beamtinnen und Beamten der Länderpolizeien meinen sehr herzlichen Dank zum Ausdruck bringen. Sie haben ihn verdient. ({8}) Die Sportförderung lässt sich auch an Zahlen ablesen. Ich denke, es ist eine Erwähnung wert, dass der Bundesminister des Innern in seinem Etat die Sportförderung auf einem sehr hohen Niveau fortsetzt. Wir werden im kommenden Haushaltsjahr 10 Millionen DM mehr für die Sportförderung aufwenden, also sogar mehr als im Olympiajahr 2000. Ich will eine Zahl herausgreifen. Sie steht im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft. Die Bundesregierung wird für die Sanierung und Modernisierung des Olympiastadions in Berlin insgesamt - das ist eine gewaltige Summe - 383 Millionen DM zur Verfügung stellen und den Umbau des Zentralstadions in Leipzig mit 100 Millionen DM fördern. ({9}) Ich glaube, das ist eine gute Nachricht für diejenigen, die in unserem Land sportbegeistert sind. Wir haben die Mittel auch in anderen Bereichen aufgestockt. Ich will nur einen erwähnen: Wir werden für die Dopingforschung 900 000 DM zusätzlich zur Verfügung stellen. ({10}) Meine Damen und Herren, wir sollten den hohen Stellenwert des Sports immer wieder betonen. Er hat eine Integrationskraft in der Gesellschaft. Dies verbinde ich mit einem Appell an die Länder, den Sportunterricht bitte nicht zu vernachlässigen. ({11}) Der Sportunterricht ist gerade in einer Welt, in der Kinder und Jugendliche stärker an technischen Geräten ausgebildet werden, von herausragender Bedeutung. Wir werden auch ein spezielles Programm „Sport gegen Gewalt“ auflegen. Auch in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus spielt der Sport eine große Rolle. Auch in diesem Zusammenhang ist Dank angebracht, so für Einzelinitiativen von Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamten, die sich in dieser Richtung betätigen. Ich glaube, dies ist ein gutes Mittel, dem Rechtsextremismus entgegenzuwirken. ({12}) Damit bin ich beim Thema Rechtsextremismus. Ich glaube, dass die Etatdebatte wegen des eigentlich benötigten Zeitbedarfes nicht ausreicht, um dieses Thema eingehend und umfassend zu behandeln. Wir haben uns vorgenommen, dieses Thema genauer zu diskutieren, dazu wird also noch Gelegenheit sein. Ich möchte aber auf einige aktuelle Fragen eingehen. Zunächst will ich deutlich sagen, dass ich die Kritik an manchen Statistiken für berechtigt halte. Dies muss man offen einräumen. Dazu ist eine Überprüfung veranlasst. Ich werde dafür sorgen, dass diese Überprüfung auch konsequent durchgeführt wird. Dass das Engagement des Bundesministers des Innern in diesem Fall außer Zweifel steht, sehen Sie daran, dass manches von dem, was dazu jetzt an neuen Überlegungen öffentlich geworden ist, aus Forschungsergebnissen von Professor Pfeiffer stammt, den ich beauftragt habe, an dem periodischen Sicherheitsbericht mitzuwirken. Dass an dieser Stelle auch einige Schwierigkeiten auftreten, sollten wir ebenfalls nicht leugnen. Im Übrigen ist das Bundesministerium des Innern natürlich auf das Material angewiesen, das ihm von dezentraler Stelle zur Verfügung gestellt wird. Wir wollen aber ein ungeschminktes Bild. Niemand kann ein Interesse daran haben, Sachverhalte zu beschönigen oder beiseite zu schieben. ({13}) Auch wenn es manchmal weh tut und für die einzelne Kommune schwierig ist, das Ganze darzustellen: Wir brauchen ein ungeschminktes, nicht beschönigtes Bild dieser Wirklichkeit. Nun stellt sich die Frage: Was tun wir gegen Extremismus, welche Mittel setzen wir ein? Hier gibt es nicht die Alternative Repression oder Prävention. ({14}) Dies ist eine falsche Alternative. Beides gehört zusammen. Wir müssen entschlossen repressive Mittel einsetzen. ({15}) Ich habe gestern das Verbot der Organisation „Blood & Honour“ bekannt gegeben. Wir müssen gegen Organisationen, die dieses Gift bei Jugendlichen ausstreuen, mit aller gebotenen Härte vorgehen. ({16}) Aber wir sollten auch nicht verkennen, dass es in der Gesellschaft eine positive Bewegung gibt. Es gibt erfreulicherweise viele Initiativen. Ich will nur zwei von vielen erwähnen. Das erste Beispiel: Bei mir hat sich ganz spontan ein Bürger aus München gemeldet und gesagt, angesichts des schrecklichen Anschlages in Düsseldorf stelle er den zwei Schwerstverletzten für die Dauer von zwei Jahren eine Übergangshilfe zur Verfügung - eine wirklich rühmenswerte, spontane Reaktion. ({17}) Das zweite Beispiel ist eine Anzeige von Bayern München und der Opel AG. Dies ist eine gelungene Anzeige, um zu zeigen, wie wichtig Zuwanderung für unser Land und gerade für den Sport in unseren Fußballstadien ist. ({18}) Wir werden unserer Verantwortung als Bundesregierung gerecht werden und unsere Anstrengungen in diesem Zusammenhang verstärken. Ich darf darauf hinweisen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht die Gefahren des Rechtsextremismus wahrlich nicht verharmlost hat. Der neue Präsident hat dies in seinen Worten sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Bundeskriminalamt wird im Herbst eine Tagung veranstalten, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Viele andere Maßnahmen sind in die Wege geleitet. Eine Maßnahme, die mir wichtig ist, will ich erwähnen, nämlich die Reform der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Arbeit in dieser Bundeszentrale muss auch einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus setzen. Deswegen haben wir einen erBundesminister Otto Schily heblichen Teil der Mittel für die Bundeszentrale für diese Arbeit zur Verfügung gestellt. ({19}) Meine Damen und Herren, wir müssen aber wissen: Es gibt kurzfristige Maßnahmen, es gibt Verbotsmaßnahmen. Wir werden sehr sorgfältig prüfen, ob wir zu einem Verbot der NPD gelangen können. Wenn es eine Chance gibt, werden wir dieses Verbotsverfahren einleiten. Dann ist es aber wichtig, dass sich alle drei Verfassungsinstitutionen, ({20}) - um diesem Antrag Nachdruck zu verleihen, an dem Antrag beteiligen ({21}) sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag und die Bundesregierung. Aber es gehört mehr dazu. Es gehört etwas dazu, was Professor Heitmeyer einmal die „Kultur der Anerkennung“ genannt hat. Wir müssen nicht nur auf das achten, was der Staat tut. Die Polizei kann die gesellschaftlichen Probleme nicht lösen. Das kann sie nicht. Sie wird meistens dann tätig, wenn bestimmte Dinge schon in die falsche Richtung gelaufen sind. Also müssen wir dafür sorgen, dass in der Gesellschaft eine Atmosphäre entsteht, die nicht etwa erlaubt, dass irgendwo in unserem Land so genannte befreite Zonen entstehen, in denen der Staat mit dem Gewaltmonopol des Staates zurückweicht. Das können wir nicht dulden. ({22}) Der Frieden im Innern ist ein hohes Gut. Die innere Sicherheit ist ein hohes Gut. Wenn Sie die Zahlen für den kommenden Etat lesen, werden Sie erkennen: Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung gerecht. Sie stärkt die Sicherheitsinstitutionen Bundesgrenzschutz, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Zu einer modernen Sicherheitspolitik gehört auch, dass wir die Fragen, die die neue Informationstechnik angehen, sehr ernst nehmen. Vor wenigen Tagen bin ich mit dem Leiter des FBI zusammengekommen. Wir haben auch mit den Vereinigten Staaten eine enge Zusammenarbeit verabredet, damit bestimmte Inhalte von Websites, antisemitische, rassistische, nazistische Inhalte, aus dem Internet verschwinden. ({23}) Ich kann wegen der Kürze der Zeit nicht auf alles eingehen. Eine kurze Bemerkung sei aber der Frage gewidmet, wie wir mit den berechtigten Ansprüchen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zurechtkommen, an dem wirtschaftlichen Erfolg teilzuhaben. Sie wissen, wir haben - wie ich finde - einen sehr ausgewogenen Tarifabschluss, auf eine längere Frist angelegt, zustande gebracht. Ich glaube, das war ein großer Erfolg der Tarifpolitik, weil dieser Abschluss vor allen Dingen den Ländern und den Kommunen die Möglichkeit verschafft, über einen längeren Zeitraum eine solide Finanzplanung zu haben. Das gilt auch für den Bund. An dieser Stelle wird sicherlich die Frage gestellt werden, wie wir es mit den Beamten halten. Wir werden eine Lösung für die Beamten finden, die sich weitgehend an diesen Tarifabschluss anlehnt. Allerdings müssen wir auch sehen, dass wir eine Annäherung an die Regelung bei den Renten finden. Ich muss natürlich auch Rücksicht auf meinen Kollegen Eichel nehmen, auf die Sparerfordernisse, die von dieser Seite geltend gemacht werden, an denen ich mich solidarisch beteilige. Ich will zum Schluss Folgendes sagen - ich glaube, wenn man über innere Sicherheit redet, darf man diesen Gesichtspunkt nicht vernachlässigen -: Sie werden in den letzten Monaten vielleicht festgestellt haben, dass ich mich als Mitglied der Regierung bei einem bestimmten Thema sehr bewusst zurückgehalten habe, weil ich der Meinung bin, dieses Thema ist in erster Linie Angelegenheit des Parlaments, der ihm möglichen Institutionen und der Aufklärung, die auf diese Weise zustande kommen kann. Ich will Ihnen aber in aller Offenheit sagen: Für mich ist Kern der inneren Sicherheit in einer Demokratie die Rechtsstaatlichkeit. ({24}) Wir müssen uns bewusst werden, dass wir die innere Sicherheit nur aufrechterhalten können, wenn die innere Legitimität unseres Staatswesens außer Frage steht, wenn Recht und Gesetz gilt. ({25}) Das muss man gerade in diesen Tagen besonders betonen. Ich freue mich, dass die sächsische Staatsregierung diesen Hinweis gerade jetzt auch gegeben hat. Sehr vernünftig! ({26}) - Das gilt für jede Richtung, Herr Bosbach. Wenn es da Kritik zu üben gilt, werden Sie mich an Ihrer Seite finden. Aber ich will Ihnen noch etwas sagen. Wir dürfen auch da nicht das Normengefüge außer Acht lassen. Hier ist manches in einen Nebel geraten. Ich will Ihnen etwas vorlesen, damit Sie wissen, was ich meine, nämlich einen Auszug aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1979: Der Gefahr, dass anonyme Großspender durch ins Gewicht fallende finanzielle Zuwendungen auf die längerfristige Zielsetzung der begünstigten Partei oder sie berührende innerparteiliche Entscheidungen von Einzelfragen einzuwirken versuchen, um so indirekt mehr oder minder großen Einfluss auf die staatliche Willensbildung zu gewinnen, begegnet das Grundgesetz durch das in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG an die Parteien gerichtete Gebot, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben. ... Diesem Verfassungsgebot - hören Sie bitte gut zu! kommt zentrale Bedeutung zu. Es zielt darauf ab, den Prozess der politischen Willensbildung für den Wähler durchschaubar zu machen und ihm offen zu legen, welche Gruppen, Verbände oder Privatpersonen durch Geldzuwendungen auf die Parteien politisch einzuwirken suchen. Es ist also nicht etwa eine Ordnungswidrigkeit oder ein Gesetzesverstoß, sondern ein Verfassungsverstoß, wenn darüber hinweggegangen wird. ({27}) Meine Damen und Herren, wie soll eine Rechtsordnung bestehen, wenn sich jemand anmaßt, sich über dieses Verfassungsgebot hinwegzusetzen? ({28}) Wie sollen wir von dem kleinen Mann auf der Straße verlangen können, dass er sich an Gesetz und Recht hält, wenn sich andere darüber erheben? Ich habe keinen Namen erwähnt und werde dies auch nicht tun. ({29}) Im Übrigen wird die Sache nicht besser, wenn es sich um eine Persönlichkeit handelt, die große historische Verdienste erworben hat, die ihm niemand abspricht. Im Gegenteil, dadurch wird es schlimmer; denn diese Persönlichkeit ist ja zu Recht Vorbild für viele junge Menschen. ({30}) Gerade eine solche Persönlichkeit trägt besondere Verantwortung. Ich sage ein Zweites: Es darf in unserem Lande nicht sein, dass, wenn ein Strafverfahren bzw. ein Ermittlungsverfahren zur Debatte steht, bei dem es um einen Millionenschaden geht, gesagt wird: Millionenschaden hin oder her, wir stellen das Verfahren möglicherweise wegen Geringfügigkeit ein. - Ich habe genug forensische Erfahrung, um zu wissen, dass man kleine Handwerker, die in ihrer Notlage die AOK-Beiträge nicht entrichtet haben, erbarmungslos wegen Untreue verurteilt. ({31}) Es kann nicht sein, dass es Privilegien gibt, wenn es um so hohe Summen geht. Das ist für mich keine Geringfügigkeit, es ist eine Aus- und Verdehnung der Vorschrift in § 153 der Strafprozessordnung. Wenn wir wirklich wollen, dass unsere Verfassungsordnung so, wie wir sie gemeinsam festgelegt haben, Bestand hat - sie hat immerhin Erfolgsgeschichte geschrieben -, dann muss eines gelten: Gleiches Recht für alle. ({32}) „Das Recht sie sollen lassen stahn“ - das ist die Grundlage und das Fundament unserer Demokratie, meine Damen und Herren. Vielen Dank. ({33})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Zeitlmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nun in 13 Jahren Parlamentszugehörigkeit schon manche Etatrede eines Innenministers gehört, ({0}) - aber selten eine ({1}) - ich sage einmal -, die so an den Kernthemen der Innenpolitik vorbeimarschiert ist, wie die, die Sie gerade gehalten haben. ({2}) - Schreien Sie doch nicht gleich, bevor Sie mehr als zwei Sätze gehört haben. Mir fällt bei dieser Rede, Herr Minister Schily, doch eines auf, insbesondere beim letzten Abschnitt, in dem Sie sich mit einer hoch brisanten Frage beschäftigen, ({3}) - nämlich der Tatsache, über das Parlament Einfluss auf gewichtige Einrichtungen wie zum Beispiel Staatsanwaltschaften zu nehmen. ({4}) Ich halte das für eine höchst schwierige Geschichte, die dort abgelaufen ist. Es kann nicht sein, dass wir in einer Republik der geteilten Gewalten gegenseitig dahin gehend Druck machen, ({5}) - was richtig und falsch ist. Ich würde umgekehrt Äußerungen von Gerichten, die Druck auf die Exekutive oder Legislative ausüben wollen, genauso wenig für richtig halten. Ich habe zur Rechtsprechung und zu den Gerichten volles Vertrauen, dass die dritte Gewalt mit Schwierigkeiten in unserem Lande fertig wird. ({6}) - Entschuldigung, es wird doch noch zulässig sein, dass man an die Prinzipien dieses Rechtsstaates, nämlich an die Gewaltenteilung, erinnert und darauf hinweist, dass man zumindest nicht als Bundesverfassungsminister Druck ausüben sollte. Wir sind hier zur Halbzeit einer Regierungskoalition, um die Thematik Innenpolitik zu diskutieren. Der Bundesinnenminister hat vieles im Bereich des Sports und im Bereich der allgemeinen Thematik behandelt, aber er ist meines Erachtens auf die Kernproblematik seiner bisherigen Tätigkeit in den letzten zwei Jahren wenig eingegangen. ({7}) Es gibt, wenn man die zwei Jahre Revue passieren lässt, nicht sehr viele Aktivposten. Sie haben als großes Highlight in Ihrer Koalitionsvereinbarung eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes angekündigt, haben entsprechend heftige Vorschläge gemacht und sind dann natürlich kläglich gescheitert. Sie mussten hier einen Kompromiss akzeptieren. Ich habe den Eindruck, dass aus diesen Erfahrungen in vielen anderen Themenbereichen bei Ihnen der Schwung weg ist und man sich weitgehend bemüht, Brandherde und Kritik zu vermeiden, und man daher möglichst wenig tut, um möglichst wenig anzuecken. ({8}) Im Bereich des Themas Zuwanderung ist außer der Berufung einer Kommission im Kern nichts passiert. Wir haben über viele Monate gehört, in dieser Wahlperiode werde dieses Thema nicht angegangen. Viele Monate gab es nur Beschwichtigung: Wir machen in dieser Legislaturperiode nichts. Dann irgendwann kam Druck von oben. Der Bundeskanzler hat erklärt, natürlich könne und müsse man darüber reden. Nun wird mit einer Kommission versucht - ich sage es einmal so -, eine Atempause einzulegen. ({9}) - Dazu können Sie von mir gerne eine Äußerung bekommen. Als freier Abgeordneter habe ich kein Problem, auch Kolleginnen infrage zu stellen. ({10}) Herr Schily - der Kollege hat das angesprochen -, wenn Sie die Dame ({11}) - zur Vorsitzenden einer Kommission für Frauen- und Familienfragen ernannt hätten, hätte ich keine Einwände. Aber hinter die Tatsache, sie in einem Beritt zur Vorsitzenden zu machen, in dem sie zeit Ihrer Parlamentszugehörigkeit keine Fachkenntnis erworben hat, mache ich dann doch ein Fragezeichen. ({12}) Aber noch eines zur Kommission. Es hätte auch Alternativen gegeben. ({13}) Herr Minister Schily, wenn Sie im Bereich des Zuwanderungsrechts und des Asylrechts offene Fragen gehabt hätten, hätten Sie doch Sachverständige einsetzen, ihnen klare Prüfaufträge erteilen können - von mir aus fünf Wissenschaftlern und fünf Praktikern, ({14}) - Sie haben in Ihrem Haus welche -, sie in Klausur schicken und sagen können: Binnen vier Wochen möchte ich zu folgenden Kernfragen Ergebnisse haben. ({15}) Nichts dergleichen. Man hat viele Gutmenschen aus dieser Republik - Bischöfe und andere mehr - zusammengerufen, ({16}) - und erwartet nun zu einer Kernthematik Ergebnisse. Interessant, dass in Ihrem Haushalt zwölf neue Stellen ausgewiesen sind, die nur der Kommission dienen sollen. Warten wir es ab. Ich habe große Zweifel daran, dass man unter Zuhilfenahme von solchen Kommissionen schneller und besser zu Ergebnissen kommt. Ich hätte mir die Alternative vorstellen können. ({17}) Herr Minister Schily, Sie haben sich dann zu einem Thema geäußert, das uns natürlich alle interessieren muss und interessiert, nämlich die Problematik Radikalismus. Es ist überhaupt keine Frage, dass Sie in diesem Parlament die volle Unterstützung haben, wenn Sie Radikalismus bekämpfen. ({18}) Nur eins möchte ich auch sagen: Alle Aktionen der letzten Monate erwecken den Eindruck, als gäbe es in dieser Republik nur noch Rechtsextremismus. ({19}) - Ich will gar nichts verharmlosen. Ich habe gerade erklärt: Wir unterstützen jeden Kampf gegen Extremismus. ({20}) Aber ich habe genauso klar erklärt - als zum Beispiel diese Aktion zwischen Däubler-Gmelin und Schily lief, die sich nur gegen Rechts gewandt hat -: Wir hätten uns sofort mit jedem Aktionsbündnis einverstanden erklärt, wenn es sich gegen jegliche Radikalität in diesem Land gerichtet hätte, gegen Rechts und Links ({21}) - ich füge hinzu: auch gegen Ausländerextremismus. ({22}) Meine Damen und Herren, ich habe überhaupt keinen Grund, hier irgendetwas zu wiederholen, was ich gerade gesagt habe, aber es wird möglich sein, dass man ein paar Zahlen erwähnt: ({23}) Es gibt in unsrem Lande nach dem Verfassungsschutzbericht des Jahres 1999 34 200 Linksextreme, 51 400 Rechtsextreme und 60 000 Ausländerextremisten. Ich zitiere nur den Verfassungsschutzbericht. ({24}) Und: Es gibt laut Verfassungsschutzbericht 1999 711 linksextreme und 746 rechtsextreme Gewalttaten ({25}) - zu der Statistik sei gesagt: In dem Jahr 1999 gab es, was linksextreme Gewalttaten anbelangt, keinen Castortransport; warten Sie einmal ab, wie die Statistik aussieht, wenn wieder Castortransporte stattfinden ({26}) - und es gab 391 ausländerextreme Gewalttaten. Jetzt sage ich Ihnen: Wenn Sie heute Programme vorstellen, die gegen beide Richtungen und zudem gegen die der ausländerextremen Richtung vorgehen, haben Sie unsere Unterstützung. ({27}) Ich sage noch einmal: Es wird doch in diesem Lande möglich sein, dass man die Dinge zumindest zurechtrückt. ({28}) Es kann doch nicht sein, dass man auf einem Auge blind ist und nur den einen Teil der Medaille sieht. Ein Punkt ist mir in den letzten Wochen noch aufgefallen: Sie, Herr Minister, denken daran - ich glaube, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ -, die Aufgaben des BGS auszuweiten. Man kann ja mit uns über alles reden. Wenn es Sinn macht, warum auch nicht? Ich hätte nur ganz gerne, dass man solche Gesetzesankündigungen nicht immer zuerst in öffentlichen Medien liest und die Dinge dann im Innenausschuss abwiegelt. ({29}) Ich glaube, es gäbe Anlass, das gesamte Thema Bekämpfung des Radikalismus bis hin zur Änderung des Versammlungsrechtes schleunigst einmal zu debattieren. Ich gebe zu bedenken, dass Sie Vorschläge von unserer Seite bisher eigentlich immer nur abgelehnt haben, ohne eigene Vorschläge zu bringen - das geht in diesen zwei Jahren eigentlich laufend so. Ich erinnere mich an Bereiche des Asylrechts und des Ausländerrechts. Auch hinsichtlich des Zuwanderungsrechts AZR haben wir bisher von Ihnen keine eigenen Vorstellungen gehört, sondern nur negative Äußerungen zu unseren Vorschlägen. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen - Sie sind ja immerhin Beamtenminister -: Ich finde es bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede keinen Satz darüber verloren haben, dass Sie den deutschen Beamten in diesem Jahr eine Nullrunde und damit ein Sonderopfer zugemutet haben. ({30}) Dazu hätten Sie schon ein paar Sätze sagen müssen. Dies spielt dann auch bei der Frage eine Rolle, wie Sie das nächste Tarifergebnis übertragen werden. Es sollte in unserem Lande gerecht zugehen. Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Demokratie und ein bisschen mehr Hören auf das, was von der Opposition kommt, könnten Ihnen nicht schaden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({31})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Cem Özdemir vom Bündnis 90/Die Grünen.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit der Haushaltsberatung nutzen, dem Innenminister und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken. Ich nutze die Gelegenheit zugleich, dafür zu danken, dass in den Zeiten knapper Kassen auch das Innenministerium seinen Beitrag dazu geleistet hat, mit den finanziellen Ressourcen dieser Republik verantwortungsvoll umzugehen. Dass es nicht immer einfach ist, wissen wir. Dass man beim Sparen auch intelligent sparen kann, ohne dass man „totspart“, belegt dieser Haushalt auf eine sehr eindrückliche Art und Weise. ({0}) Ein Beispiel dafür, wie man im Haushalt trotz knapper Kassen Akzente und Schwerpunkte setzen kann, ist der Haushalt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Ich bin froh darüber, dass auch zehn Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung ein klares Signal gesetzt wurde und die Mittel, die der Bund dafür aufwendet, in ähnlicher Höhe erhalten werden konnten. Für uns ist die Arbeit des oder der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen nicht beendet. Nach wie vor besteht eine große Notwendigkeit für diese Arbeit; ({1}) - das belegt die riesige Zahl von Anfragen, die täglich den Bundesbeauftragten erreichen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch eines klar machen: Wir alle wären falsch beraten, wenn wir glaubten, dieses Kapitel betreffe nur die neuen Länder. Wir haben gerade aus der Arbeit des Bundesbeauftragten sehr eindrücklich erfahren, dass auch die Geschichte der alten Bundesrepublik Deutschland mehr oder weniger von der Stasi mit geschrieben wurde. ({2}) Ich sage das auch als jemand, der aus der Friedensbewegung kommt. Wenn ich mir rückblickend anschaue, wer früher wo war, dann wird mir manchmal ganz angst und bange. Insofern kann ich, wie ich glaube, im Namen des ganzen Hauses sagen, dass wir dieser Behörde weiterhin viel Erfolg wünschen. Ich denke auch, dass sich alle weiterhin dafür verwenden werden, dass dort jede Mark gut angelegtes Geld ist. ({3}) Lassen Sie mich zu einem weiteren sehr ernsten Thema kommen, das der Innenminister angesprochen hat, nämlich zum Thema Rechtsradikalismus. Wir sollten alle miteinander dafür sorgen, dass es sich hier nicht um ein Sommerlochthema handelt. Vielmehr sollten wir uns darum bemühen, dass dieses Thema ganz oben auf der Agenda bleibt, ({4}) und zwar auch dann, wenn die rechtsradikalen Anschläge, die wahrscheinlich leider weitergehen werden, ganz hinten in den Zeitungen veröffentlicht werden und wenn sich Anschläge nicht nur gegen Nichtdeutsche richten, sondern zunehmend auch gegen Schwule und Lesben, gegen Obdachlose, gegen Langhaarige, gegen Punks, gegen so genannte Zecken, wie die Rechtsradikalen sagen. Auch dann ist das Parlament in der Verantwortung und in der Pflicht, sich mit diesem Thema in angemessener Form zu beschäftigen. ({5}) Ich warne auch davor, zu Schnellschüssen zu tendieren. Ich weiß, der Druck aus der Öffentlichkeit ist da. Gleichwohl können wir jetzt nicht mit einer schnellen Lösung kommen. Der Innenminister hat ein bisschen seine Skepsis durchklingen lassen, was eine Fokussierung auf das NPD-Verbot bewirken würde. Es ist sicherlich richtig, ein NPD-Verbot in Erwägung zu ziehen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es ein solches Verbot nicht isoliert geben kann. Ich warne all diejenigen, die sich davon erhoffen, dass es eine einfache Lösung für die Bekämpfung des Rechtsextremismus gäbe. Die Sympathisanten und Wähler der NPD und diejenigen, die NPD-Sprüche auf den Lippen haben, werden wir dadurch nicht wegbekommen. Wir werden einen längeren Atem brauchen, um den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Wir brauchen einen Dreiklang aus Prävention, Repression und Stärkung der Zivilgesellschaft. ({6}) Ich danke all jenen, die sich tagein, tagaus für die Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzen. Manchmal droht der Zungenschlag aufzukommen, dass sich in den neuen Ländern quasi nur noch Rechtsradikale bewegten. Dem ist eindeutig nicht so. Es gibt viele Menschen in den neuen Ländern, die sich in vorbildlicher Weise für Zusammenleben, Toleranz und gegenseitigen Respekt einsetzen. All denen gebührt der Dank unseres Hauses. ({7}) Stellvertretend für alle nenne ich die Aktion Courage, die Amadeo-Antonio-Stiftung, die regionalen Stellen für Ausländerfragen und die Aktion Zuflucht, in denen sich viele Menschen in ihrer Freizeit in vorbildlicher Weise für die Zivilgesellschaft, die Bürgergesellschaft einsetzen. Ich glaube, das Thema wäre nicht vollständig behandelt, wenn ich nicht auch noch ein paar Worte darüber verlieren würde, dass es nicht angehen kann, dass Opfer rechtsradikaler Gewalt und deren Angehörige von Abschiebung betroffen sind, wie dies in Brandenburg ganz offensichtlich der Fall zu sein scheint. ({8}) Dies darf nicht der Fall sein. Wir müssen alle miteinander dafür sorgen, dass das, was Bundestagspräsident Thierse zu Recht angesprochen hat, nicht eintritt. Das wäre eine Blamage für das gesamte Land, eine Schande für unsere Republik, wenn Opfer rechtsradikaler Gewalt abgeschoben werden. Dann hätten die Rechtsradikalen tatsächlich ihr Ziel erreicht. ({9}) Ich bin froh, dass der Innenminister die Entschlossenheit dieser Bundesregierung klar gemacht hat, indem er die Organisation „Blood & Honour“ schnell verboten hat. Das ist eine richtige Maßnahme, die die Rechtsradikalen, so glaube ich, verstehen. ({10}) Ich warne auch davor, dass wir auf den Rechtsextremismus mit einem Abbau von Bürgerrechten reagieren. Das wäre genau das falsche Signal. Eine Bekämpfung des Rechtsextremismus muss mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgen. Wir brauchen auch keine neue Bannmeile: die Regelung, die wir haben - der geschützte Bereich um das Parlament -, reicht völlig aus und hat sich bewährt. ({11}) Wenn Sie den Blick nach draußen werfen - manche haben es auch gehört -: Die Junge Union aus Ihrem Bundesland, Herr Zeitlmann, demonstriert heute, ich weiß nicht wofür oder wogegen, vielleicht demonstriert sie für diese Bundesregierung. Jedenfalls sind wir dafür, dass solche Demonstrationen auch in einer Sitzungswoche stattfinden können, wenn sie von Organisationen sind, die Teil unserer Demokratie sind, wozu ich die Junge Union ausdrücklich rechne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Özdemir, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Marschewski?

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Özdemir, halten Sie es weiterhin für richtig, dass Rechtsradikale unter dem Brandenburger Tor demonstrieren oder teilen Sie nicht vielmehr unsere Auffassung, dass das eine Schande für unser Volk ist?

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, jeder verurteilt diese Demonstrationen. Das Bild, das im Ausland auf Deutschland fällt, ist skandalös. Was mich aber mehr ärgert, ist das Bild, das wir in dieser Republik von uns selber haben. Wir müssen uns überlegen, wie wir dazu beitragen können, dass solche Demonstrationen nicht mehr stattfinden. ({0}) Jede dieser Demonstrationen hat bisher Gegendemonstrationen ausgelöst. Das heißt: Es haben sich viel mehr Menschen gefunden, die gegen die NPD demonstriert haben, als die NPD selbst aufgeboten hat. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Heilinstrumente unserer Gesellschaft funktionieren, dass die Wahrnehmung in unserer Gesellschaft vorhanden ist. Ich will aber nicht verhehlen, dass es auch bei uns Überlegungen gibt - ich weiß, dass es diese auch im Innenministerium und anderen Fraktionen gibt -, ({1}) - durch das Strafgesetzbuch, zum Beispiel durch den § 86, unter den die Verwendung nationalsozialistischer Symbole fällt, auch die Verwendung naziähnlicher Symbole unter Strafe zu stellen. Sie kennen in diesem Zusammenhang das Beispiel „88“ für „Heil Hitler“ und andere Dinge. Auch solche Dinge würden dann unter Strafe gestellt, damit die Polizei flexibler damit umgehen kann. Was ich aber nicht möchte, Herr Marschewski: Ich möchte nicht, dass Demonstranten, die für das HolocaustMahnmal demonstrieren wollen, nicht mehr demonstrieren können, weil wir einen geschützten Bereich geschaffen haben. ({2}) Ich möchte, dass demokratische Organisationen auch am Brandenburger Tor demonstrieren können. Das müssen wir gewährleisten. Wenn Sie dafür eine Lösung haben, wie wir das hinkriegen, können wir uns gerne darüber unterhalten. ({3}) Ich möchte zum Abschluss dieses Themas noch auf eines hinweisen: Statt einer immer währenden Diskussion über neue Gesetzesverschärfungen, beispielsweise über die verstärkte Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes anstelle des Jugendstrafrechtes - übrigens: das Jugendstrafrecht bietet ausreichend Gelegenheit, um angemessen zu reagieren, deshalb braucht es hier keine Änderungen -, brauchen wir Richter, die schnell und entschlossen agieren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich sagen: Das Vorgehen in Dessau, bei dem die Täter zwei Monate nach der Tat verurteilt worden sind, ist genau der Weg, den wir brauchen. Was wir nicht brauchen, ist das, was gegenwärtig in Guben passiert. Dort schleppt sich das Verfahren seit über einem Jahr dahin. Auf diese Weise bekommen die Rechtsradikalen das Signal, nachträglich vor Gericht noch eine Tribüne zu haben und so noch andere auf ihre Schandtaten aufmerksam machen zu können. Das ist der falsche Weg. ({4}) Also: Der Rechtsstaat bietet genug Möglichkeiten, wir brauchen keine Verschärfungen beim Demonstrationsrecht und beim Versammlungsrecht. Was wir brauchen ist eine konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. ({5}) Lassen Sie mich noch ein paar wenige Worte zum Verfassungsschutz sagen. Sie wissen, dass ich aus einer Fraktion komme, die traditionell eine sehr skeptische bis kritische Haltung zum Verfassungsschutz hat. ({6}) - „Sehr vorsichtig formuliert“, Herr Kollege Westerwelle. Das hat sich auch nicht geändert. Ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, Herrn Fromm, der zum Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ernannt wurde, zu gratulieren. Ich bin froh darüber, dass er gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Akzentverschiebung hinsichtCem Özdemir lich der Bekämpfung des Rechtsextremismus angekündigt hat. Das ist der richtige Weg. Umso weniger verstehe ich es daher, dass beispielsweise die Jungdemokraten - das müsste Ihnen von der F.D.P. eigentlich ein Anliegen sein; da war doch einmal was ({7}) - nach wie vor beobachtet werden. Das ist nicht notwendig. Wir brauchen den Verfassungsschutz nicht, um die Jungdemokraten zu beobachten. ({8}) Wir brauchen den Verfassungsschutz auch nicht, um die DKP zu beobachten. Das ist nur Beschäftigungstherapie. Es wäre besser, wenn wir die dort eingesetzten Ressourcen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus verwenden würden. Wir können künftig keine innenpolitischen Debatten mehr führen, ohne nicht auch ein paar Sätze über das Internet zu verlieren. Alles, was es in der Gesellschaft gibt, gibt es auch im Internet. Das Internet ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist also nicht schlimmer als die Gesellschaft. Darum ist es falsch, wenn wir jetzt so tun, als ob im Internet schlimmere Dinge passieren als in der Gesellschaft. Ein großes Lob an die Hosts, die sich jetzt - vielleicht zu spät - bereit erklärt haben, all diejenigen, die rechtsradikale Domains haben, herauszuwerfen. Ich warne aber davor, wie in China einen Zentralrechner dazwischenzuschalten und damit den Datenfluss im Internet zu verlangsamen. Ich möchte keinen zentralen Rechner in der Bundesrepublik Deutschland haben, mit dem eingehende E-Mails kontrolliert werden. Das würde sich nicht mit dem vertragen, wofür das Internet steht. Wir müssen aufpassen, dass wir bei der Bekämpfung von extremistischen Tendenzen nicht mit Mitteln agieren, die sich nicht mit der Demokratie vertragen. ({9}) Lassen Sie mich zum Ende meiner Redezeit auf ein Thema kommen, das uns hoffentlich auch noch im zweiten Teil der Legislaturperiode beschäftigen wird. Die Diskussion über den Volksentscheid ist erneut angestoßen worden. Eine jüngste Umfrage hat ergeben, dass 75 Prozent ({10}) - unserer Bevölkerung sich ausdrücklich für die direkte Demokratie aussprechen. Herr Bosbach, wenn Ihnen dieses Thema so wichtig ist, warum fürchten Sie sich dann vor der Bevölkerung? Wenn Ihnen dieses Thema wichtig ist, dann lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir Elemente einer direkten Demokratie einführen können. Das Angebot ist ehrlich gemeint. Wir sind auch bereit, die Diskussion über Hürden, Quoren und die Ausgestaltung eines mehrstufigen Verfahrens der direkten Demokratie zu führen. Sie haben Ihre Themen; wir haben unsere Themen. Wir fürchten uns nicht vor der Bevölkerung. ({11}) Wir fürchten uns auch nicht vor Mehrheitsentscheidungen. Leider hat Ihre Fraktion an der Reise des Innenausschusses in die Schweiz nicht teilgenommen. Sie hätten dort sehr viele eindrückliche Erfahrungen machen können. Überall dort, wo es direkte Demokratie gibt - ob nun in der Schweiz oder im wunderschönen Bayern; Sie müssten es eigentlich wissen, Herr Zeitlmann -, hat sich die direkte Demokratie bewährt. Ich verstehe nicht, warum das, was in Bayern gut funktioniert und von den Grünen bis hin zur CSU angenommen wird, im Bund schlecht funktionieren soll. Das müssen Sie, bitte schön, der Bevölkerung erklären. ({12}) Die Mehrheit Ihrer Wählerinnen und Wähler möchte die direkte Demokratie. Hören Sie auf Ihre Wählerinnen und Wähler! Vielleicht nützt es Ihnen etwas. ({13}) Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt eingehen, der im Zusammenhang mit dem Thema der direkten Demokratie steht. Wir brauchen auch ein Gesetz zum Schutz der Informationsfreiheit. Deshalb bin ich froh, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr - meine Fraktion setzt sich ja seit langem dafür ein - ein Gesetz zum Schutz der Informationsfreiheit angekündigt hat. Die Amerikaner haben ein solches Gesetz seit Ende der 60erJahre. Ein solches Gesetz wäre ein wichtiges Signal für die Abkehr vom Obrigkeitsstaat. Danke sehr. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Guido Westerwelle von der F.D.P.Fraktion.

Dr. Guido Westerwelle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002944, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben hier eine ausgeglichene Bilanz vorgelegt. ({0}) Das ist für einen Oppositionspolitiker eine wichtige Bemerkung in einer Haushaltsberatung. Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass das, was im Zusammenhang mit vielen anderen Etats zu Recht an der Regierung kritisiert wird, nämlich dass über die Köpfe des Parlaments und der Abgeordneten hinweg entschieden wird, im Bereich der Innenpolitik nicht der Fall ist. Die Zusammenarbeit ist konstruktiv und sachlich. Ihre Politik, Herr Minister, ist überwiegend pragmatisch, meistens rational und manchmal sogar liberal. ({1}) Deswegen möchte ich ausdrücklich anerkennen, dass Sie die Zusammenarbeit gut pflegen. Darüber freuen wir uns sehr. ({2}) Cem Özdemir, Sie müssen nicht gleich feuchte Finger bekommen. Bleiben Sie ruhig. Wenn etwas konstruktiv läuft, dann muss man es auch ausdrücklich anerkennen. Wir haben mit der Regelung der Staatsangehörigkeit eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen gemeinsam bewältigt. ({3}) Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis. Das wird auch von der Fraktion der Freien Demokraten ausdrücklich anerkannt. Wir hoffen und setzen darauf, dass die Zusammenarbeit bei der wichtigen Frage der Migration, bei der wichtigen Frage der Zuwanderungspolitik fortgesetzt wird. Auch hier werden wir an einem überparteilichen Konsens arbeiten. Nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege Zeitlmann - bei allem Respekt gegenüber Frau Kollegin Süssmuth -, ist man versucht, ihr politisches Asyl anzubieten. ({4}) - Da die Abgeordneten der CDU/CSU gerade rufen: Ihr dürft sie haben, ({5}) - betone ich ausdrücklich: Wir nehmen sie gerne, wenn sie denn möchte. ({6}) Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass Ihr Bild bemerkenswert ist. Wenn Frau Süssmuth eine Kommission für Familie und Frauen geleitet hätte, wäre das in Ordnung gewesen. ({7}) Trennen Sie sich doch endlich von dem Frauenbild der drei Ks: Kinder, Küche, Kirche. ({8}) Das ist heute nicht mehr so. Das passt auch nicht mehr. Meine Damen und Herren, wir müssen - das ist der Ausblick auf die nächste Zeit - in der Migrationspolitik eine Lösung finden. Das ist ein herausragendes Anliegen. Wir müssen es schaffen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode, dafür zu sorgen, dass wir ein Zuwanderungssteuerungsgesetz bekommen. Auch hier liegt ein Gesetzentwurf der Freien Demokraten vor, der auf den Entwurf der rheinland-pfälzischen Landesregierung zurückgeht. Ich kann an Sie nur appellieren, diesen Entwurf zur Grundlage zu machen, weil ich ihn in diesem Hause und in der Gesellschaft für konsensfähig halte. Man sollte die Kommission, die Sie, Herr Minister, zu Recht eingesetzt haben, nicht nutzen, um das Thema auf die lange Bank zu schieben. ({9}) Wir werden darauf achten, dass das nicht das Vehikel für die Vertagung in die nächste Legislaturperiode wird. ({10}) Wir wollen in dieser Legislaturperiode eine bessere Kontrolle und Steuerung der Zuwanderung, die sich auch an den wohlverstandenen nationalen Interessen unseres Landes ausrichtet. ({11}) Meine Damen und Herren, das Thema Extremismus ist angesprochen worden. Das ist eines der wichtigsten Themen, das im Rahmen einer solchen Debatte zu besprechen ist. Das ist auch notwendig. In einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen, Herr Minister. Ich glaube, dass Sie das falsch einschätzen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt: Wenn es eine Chance für ein Verbotsverfahren der NPD gibt, dann werden wir diese Chance ergreifen. Das ist der falsche Ansatz. Erst wenn Sie die Sicherheit haben, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD verbieten wird, dürfen Sie diesen Verbotsantrag stellen, Herr Minister. ({12}) Denn ein Vabanquespiel vor dem Bundesverfassungsgericht ist leichtsinnig. Man stelle sich vor, die Verfassungsorgane beantragten das Verbot der NPD und das Verfassungsgericht würde diesem Verbotsantrag nicht folgen. Das wäre der Stempel der Verfassungsmäßigkeit der NPD, geradezu ein Zulaufprogramm für die NPD. Korrigieren Sie diesbezüglich Ihre Haltung, Herr Innenminister. Hier liegen Sie eindeutig falsch. ({13}) Erst wenn Sie die Sicherheit haben, dürfen Sie einen solchen Antrag stellen. Meine Damen und Herren, ich glaube auch, dass Ihr Ansatz, den Sie vorgetragen haben, den Sie vorgestern exekutiert haben, richtig ist, wonach Sie sich auf das Vereinsverbotsverfahren konzentrieren. Wir begrüßen Ihre Entscheidung ausdrücklich, dass Sie die Organisation „Blood & Honour“ und die angegliederten Nebenorganisationen verfolgen beziehungsweise verbieten. Das ist der richtige Weg. ({14}) Der Vorzug ist aber auch, dass Sie bei einem Vereinsverbotsverfahren nicht das hohe verfassungsrechtliche Risiko eingehen, das durch Art. 21 bei den Parteien vorhanden ist. Das ist der klügere Weg. Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass Sie diesen Weg gehen sollten. Es ist in diesem Hause völlig unstreitig, dass politischer Extremismus, gleich von welcher Couleur, verfolgt werden muss. Das ist einerseits eine Frage der Prävention. Das ist andererseits eine Frage der besseren Bildung, übrigens auch einer werthaltigen Bildung. Dies ist in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiges Thema. Das ist aber auch eindeutig eine Frage der Repression. Ich teile Ihre Einschätzung: Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes der starke Staat, der starke Rechtsstaat gefordert. Wenn jemand Brandbomben auf Minderheiten wirft, ist das kein Grund für irgendwelche psychotherapeutischen Erklärungsversuche. Vielmehr muss das zu einem klaren, effizienten Strafverfahren vor Gericht führen, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({15}) Da Sie hier zu Recht die Vorbildfunktion des öffentlichen Lebens angesprochen haben, möchte ich Ihnen ausdrücklich sagen: Da haben Sie sich meiner Meinung nach, als Sie sich von Ihrem Manuskript gelöst haben, deutlich vergaloppiert. Es ist vielleicht am Privatmann Otto Schily, aber nicht am deutschen Innenminister im Deutschen Bundestag, der Bonner Staatsanwaltschaft direkt oder auch durch die Blume Empfehlungen zu geben, wann sie ein Verfahren nach § 153a StPO einzustellen hat oder nicht. ({16}) Das ist hier nicht die Kanzel für solche Empfehlungen. Das darf kein Abgeordneter und erst recht kein Minister in diesem Hause. So etwas bleibt nicht ohne Auswirkungen. Sie sollten das korrigieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie es so meinen. ({17}) Aber es muss bei den Ermittlern so ankommen. Es ist nicht an Ihnen, hier etwas Derartiges zu sagen. ({18}) Last not least möchte ich noch einen weiteren Punkt ausdrücklich ansprechen, der von Herrn Kollegen Zeitlmann, wie ich finde, völlig zu Recht erwähnt wurde: In diesem Bereich der Beamtenpolitik besteht zwischen uns ein ganz klarer Dissens. Da das hier eine konstruktive innenpolitische Debatte sein soll - so verstehen wir unsere Oppositionsarbeit -, will ich ganz klar sagen: Es ist ein Fehler, die Entwicklung der Gehälter der Beamten von den Vereinbarungen im öffentlichen Dienst abzukoppeln. Dieses Vorhaben ist mit dem Wort Sonderopfer in der Tat richtig und präzise beschrieben. Es geht in die falsche Richtung. Sie sollten umkehren! ({19}) Wir möchten, dass in der Logik der bisherigen Politik der Innenministerien weitergehandelt wird. ({20}) Das liegt auch im Interesse der Beamtinnen und Beamten, deren Dienstherr Sie sind. Sie sollten sich vor Ihre Beamten stellen und nicht die verlängerte Hand von Herrn Eichel sein. Ich danke Ihnen. ({21})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke von der PDS-Fraktion das Wort.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schily, auch ich meine, dass Ihre Bilanz, die Sie heute im Rahmen der Haushaltsdebatte zu ziehen versucht haben, eher matt und schwach war. Wenn Sie heute zugestehen, dass Sie die Statistiken über die Zahl der Straftaten überprüfen lassen wollen, dann nehme ich das erst einmal positiv zur Kenntnis. Aber ich möchte Sie einfach darauf aufmerksam machen, dass meine Fraktion seit zehn Jahren versucht, parlamentarische Kontrolle auszuüben, wenn es um Aktivitäten von Rechtsextremisten, wenn es um Straftaten und vor allen Dingen wenn es um die Opfer geht. Ich meine, dass Ihr Ministerium den Rechtsextremismus systematisch verharmlost hat, nicht nur in der Zeit, in der Sie regieren, sondern auch in den Jahren davor. ({0}) Ich könnte das an zig Beispielen belegen. Leider wird dieser Trend unter Ihrer Regierung ungebrochen fortgesetzt. Das kann man zum Beispiel anhand der Zahlen der Opfer und auch anhand der Antworten auf viele Anfragen beweisen, die zeigen, dass Sie einfach nicht wahrhaben wollen, dass Rechtsextremismus in vielen Institutionen und Organisationen verbreitet ist und dass Sie bisher nichts dagegen getan haben. ({1}) Ich habe heute auch ein Wort von Ihnen an die Opfer vermisst. Ich habe vermisst, dass Sie sich bei den Opfern entschuldigen ({2}) - und dass Sie hier tatsächlich haushaltsrelevante Maßnahmen vorstellen, die endlich einen Opferschutz darstellen und vor allen Dingen die Opfer entschädigen, die zurzeit beispielsweise mit Nebenklagen und Ähnlichem viele Gelder aufbringen müssen und keine Unterstützung finden. ({3}) Herr Innenminister, ich meine, dass man die Wahl seiner Worte wirklich prüfen muss. Um ein Beispiel zu geben: Sie haben im Sommer im „Spiegel“ auf die Frage, warum so viel gegen die RAF getan wurde, aber nichts gegen den Rechtsextremismus, gesagt: Wir reagieren nicht matt ... Heute handelt es sich um eine sehr diffuse Szene - Einzeltäter, Exzess-Taten sind darunter, häufig spielt der Alkohol eine Rolle. Ich meine, dass auch das eine Verharmlosung ist. Wenn Sie nur einmal den Bericht Ihres eigenen Verfassungsschutzes läsen, dann vernähmen Sie von dort ganz andere Töne, was die Strukturen und die Organisiertheit von Rechtsextremisten angeht. Wenn Sie sich anschauen, was gestern im „Tagesspiegel“ und in der „Frankfurter Rundschau“ an Todesfällen dokumentiert wurde, dann werden Sie sehr genau feststellen können, dass Rechtsextremisten aus Organisationen der Skinheads immer und teilweise sogar aus der NPD dabei waren. Dagegen, meine ich, gilt es anzugehen. Nicht mit Verboten von Kleinstgruppen, wie es gestern geschehen ist, ist es getan, auch wenn das ein richtiger Schritt in die richtige Richtung war. Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Gegenwehr gegenüber dem Rechtsextremismus. Wir brauchen eine Ächtung von Fremdenfeindlichkeit und rechter Gewalt in der gesamten Gesellschaft. ({4}) Nun zum Haushalt: Während des Sommerlochs hat die Bundesregierung den Eindruck zu erwecken versucht, sie würde 400 Millionen DM im Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ausgeben. Die Presse hat sich diese Zahlen genauer vorgenommen - „Spiegel“, „Tagesspiegel“ und „Berliner Zeitung“ - und hat davon gesprochen, dass diese Zahlen irreführend sind und nicht den Tatsachen entsprechen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage, die gerade auf meinem Schreibtisch gelandet ist, lese ich jetzt, dass Sie sogar 635 Millionen DM für den Kampf gegen den Rechtsextremismus ausgeben wollen. Wer sich diese Antwort genauer anschaut, wird feststellen, dass auch hier wieder etwas vorgetäuscht wird. Sie führen nämlich in Ihrer Übersicht die politische Bildung von Zivildienstleistenden, den Deutschen Entwicklungsdienst, die Kosten für die Eingliederung von Aussiedlern, sogar Mittel für Städtebau und Geld für neue Unternehmen als Beispiele für den Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. Ich habe mich, ehrlich gesagt, gefragt, warum Sie nicht gleich den Etat der Bundeswehr, die Mittel für den Kosovo-Krieg und den Etat des Bundesgrenzschutzes auch noch mit aufgenommen haben. Irgendwo scheint es mir doch wirklich übertrieben zu sein, was hier formuliert worden ist. ({5}) Meine Fraktion hat seit Jahren bei allen Haushaltberatungen immer wieder Anträge gestellt, mehr Mittel für Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zur Verfügung zu stellen. In den vergangenen Jahren hat das Innenministerium gerade einmal 2 Millionen DM dafür zur Verfügung gestellt; in diesem Jahr sollen es ganze 2,5 Millionen DM sein. Außerdem sind - der Minister hat es erwähnt - 1,8 Millionen DM für die Bundeszentrale für politische Bildung vorgesehen. Ob man angesichts dieser Zahlen von einer Reform sprechen kann, möchte ich infrage stellen. Eines ist aber völlig klar: Diese Mittel reichen nicht aus, um wirkliche Aufklärungsarbeit im Bereich Rechtsextremismus, Antisemitismus und vor allen Dingen im antirassistischen Bereich zu leisten. ({6}) Deswegen werden wir auch im Rahmen der Beratungen dieses Haushalts erneut unsere Anträge zur Ausweitung der Aufklärungsarbeit einbringen. Ich komme zu einem weiteren Punkt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin, Sie sollten allmählich zum Schluss kommen.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, ich werde mich jetzt kurz fassen. Wer Rechtsextremismus wirklich bekämpfen will, muss die Ursachen bekämpfen. Dazu gehört auch, dass sämtliche Gesetze, die Ausländer diskriminieren bzw. schlechter als Deutsche stellen, endlich geändert werden. In den vergangenen Jahren war auch dies ein Boden, auf dem Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wachsen konnten. Ansonsten wünsche ich mir natürlich, dass die Bundesregierung nicht nur Feierstunden mit einem Bündnis für mehr Toleranz initiiert, sondern tatsächlich ein breites gesellschaftliches Bündnis initiiert, das Aktionsbereitschaft zeigt sowie Aufklärung bietet, und die Mittel tatsächlich für die Opfer und den Opferschutz eingesetzt werden. Danke. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat jetzt der Kollege Ludwig Stiegler von der SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Ludwig Stiegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Du brauchst nicht schon wieder Angst zu haben. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurden hier Zeugnisnoten ausgegeben. Für meine Fraktion kann ich sagen: Innen und Sport gut. ({0}) Man muss sich einmal anschauen, von welchen Voraussetzungen wir ausgehen mussten. 1 500 Milliarden DM Schulden haben Sie hinterlassen, 82 Milliarden DM an Zinsen. ({1}) 156 000 DM zahlen wir pro Minute für Ihre Schulden. Da trauen Sie sich noch, das Maul aufzureißen! Das ist doch unerhört! ({2}) Vielmehr müssten Sie dem Innenminister Gold, Weihrauch und Myrrhe dafür geben, dass er mit dieser Erbschaft, die er eigentlich hätte ausschlagen müssen, fertig geworden ist. So sieht doch die Situation aus. ({3}) - Das ist okay, aber die Schwarzen haben Weihrauch genug. ({4}) Vor diesem Hintergrund ist das Innenministerium mit den Aufgaben hervorragend fertig geworden. Es sind gewaltige Einsparungen vorgenommen worden, ohne dass zentrale Belange vernachlässigt worden sind. ({5}) Das verdient Anerkennung und deshalb sollten wir dem Innenministerium, seinen Mitarbeitern und seiner versammelten Führungsmannschaft wirklich herzlich danken, dass sie mit Ihrer Hinterlassenschaft so gut fertig geworden sind und dass sie gute Akzente gesetzt haben. ({6}) Sie haben die Strukturreformen eingeleitet. Auch das, was Jochen Welt bei der Aussiedlerintegration an neuen Leistungen geschaffen hat, ist vorbildlich. Darüber freuen wir uns und dafür bedanken wir uns. ({7}) Es bleibt die Aufgabe, den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Auch das ist ein Erbe. Ich habe am Wochenende einmal in alten Jahrgängen der „Politischen Vierteljahresschrift“ nachgelesen und festgestellt, dass dieses Thema seit Jahrzehnten immer wieder angesprochen wird. Es gab richtige Wellen des Rechtsextremismus und jedes Mal ist das Thema wieder eingeschlafen. Das Haus war vor der Sommerpause noch nicht sonderlich interessiert, den von der Koalition vorbereiteten Antrag - wir haben ein Jahr daran gearbeitet - zu beraten. ({8}) In der Sommerpause ist die Gesellschaft aufgewacht. ({9}) Wir haben unseren Antrag vor der öffentlichen Diskussion eingebracht, Sie haben jetzt irgendetwas nachgelegt. Das ist der Unterschied zwischen unseren Fraktionen. Es ist eine Bewusstseinsschärfung erfolgt. Wir brauchen die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und die Erhöhung der Mittel; es muss einen Kampf um die Köpfe geben. Dazu gehört, dass die Bundeszentrale diese Aufgaben übernimmt. Ich rate der Bundeszentrale, die neuen Mittel zum Beispiel dafür zu verwenden, mit den Justizvollzugsangestellten über die Resozialisierung der verurteilten Jugendlichen zu sprechen. Da schaut es in manchen Bereichen düster aus. Wir müssen sehen, was mit diesen Leuten in der Zukunft geschieht. Ich danke dem Innenminister auch für die BGSHotline, die wesentlich dazu beiträgt, dass es in diesem Land keinen öffentlichen Raum gibt, den Minderheiten, Ausländer oder wer auch immer nicht ohne Angst und Furcht betreten können. Das ist unser Auftrag. ({10}) Der Haushalt 2001 setzt Prioritäten bei der inneren Sicherheit. Ich denke etwa daran, wie Sie früher mit Beförderungsproblemen im BGS umgegangen sind. Damals haben sich die Kinder von Grenzschutzbeamten, etwa bei uns an der Grenze, gefragt: Was hat mein Vater angestellt, dass er im Verhältnis zur Polizei so schlecht dasteht? Diese Zeiten haben ein Ende. ({11}) Dafür danke ich dem Innenminister und auch Günter Graf, der sich bei uns darum gekümmert hat, dass wir endlich etwas für die BGS-Beamten tun und dass wir im Bereich der inneren Sicherheit trotz der bestehenden Probleme vorankommen. Auch die Sportförderung kann sich sehen lassen. Während wir hier zusammensitzen, läuft die Eröffnungsfeier der Olympiade. Ich glaube, wir alle wünschen unseren Athleten, dass sie so fröhlich agieren, wie der Innenminister sie entlassen hat, dass sie Erfolge heimbringen und dass sie ein Bild unseres Landes zeichnen, über das wir uns freuen können. ({12}) - Da können Sie ruhig mitklatschen. Ich denke an die Leistungen im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006. Es ist schmerzlich für meine schwarzen Brüder und Schwestern, dass der „Kaiser“ den Kanzler und den Innenminister lobt. Das ist jedoch bezeichnend. Der „Kaiser“ ist ja keiner primären sozialdemokratischen Umtriebe verdächtig. Aber wenn er zu dem Eindruck kommt, dass Otto Schily und Gerhard Schröder eine hervorragende Arbeit für den Sport geleistet haben, dann müssen Sie das wenigstens zähneknirschend anerkennen. ({13}) Ich liefere Ihnen gerne eine Knirschschiene für die Nacht, wenn es Ihnen zu schwer fällt. ({14}) Ich danke auch dafür, dass der Goldene Plan Ost fortgeführt wird, dass die Baumaßnahmen vorankommen, dass wir im internationalen Bereich und im Dopingbereich vorangekommen sind. ({15}) - Wir haben eine gute Bilanz. Auf den Sportbereich können wir wirklich stolz sein. Wir haben die Integrationsbemühungen in Bezug auf die Aussiedler verstärkt; da habe ich schon Jochen Welt angesprochen. Das gilt aber auch für die Integration der Ausländer. Ich hoffe, dass nächste Woche auch die Verhandlungen über die Arbeitserlaubnis vorankommen, damit wir in diesem Bereich endlich Gerechtigkeit erlangen und einen Beitrag zum inneren Frieden leisten können. Ich hoffe auch, dass die Neukonsolidierung des Bundesamtes in Nürnberg mit dem neuen Präsidenten dazu beiträgt, dass wir viele Probleme - etwa bei der Umsetzung des neuesten Urteils des Bundesverfassungsgerichtes - lösen können. ({16}) Ich danke dem Innenminister, ({17}) - dass er dazu beigetragen hat, dass das Amt neue Zukunftsperspektiven hat. Wir haben wirklich Anlass, fröhlich zu sein. ({18}) Sie, Herr Zeitlmann, haben jahrelang dem Herrn Kanther zu Füßen gelegen, ({19}) - an seinen Lippen gehangen. ({20}) Auch der Hinterausgang war besetzt. ({21}) Dabei haben Sie übersehen, dass der Mann wie Dorian Gray zwei Gesichter hatte. Er hat hier law and order gepredigt, aber heimlich ist er zu einem Experten für organisierte Kriminalität geworden. ({22}) Das ist Ihre innenpolitische Tradition und muss an dieser Stelle angesprochen werden. ({23}) Der Kanther hatte wenigstens so viel Ehrgefühl, aus dem Parlament auszuscheiden, während andere Eidesbrecher von Ihnen groß gefeiert werden. ({24}) Ich kann den Innenminister in diesem Punkt nur unterstützen: Wenn von Ihrer Seite unverhohlen zu Blockaden aufgerufen wird, wenn von Ihrer Seite der Verfassungsbruch eines ehemaligen Bundeskanzlers gutgeheißen wird, ({25}) - dann ist das kein Beitrag zur inneren Sicherheit, sondern ein Anschlag auf die innere Sicherheit. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen und deshalb hier ganz bescheiden auftreten. ({26}) Vielen Dank und gute Besserung! ({27})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Geis, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Wort Verleumder nicht zum parlamentarischen Sprachgebrauch gehört. ({0}) Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein von der CDU/ CSU-Fraktion.

Carl Detlev Hammerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne eine Vorbemerkung ma- chen, die meines Erachtens sehr wichtig ist. Herr Minis- ter, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass ich mit Be- amten Ihres Ministeriums und mit einem großen Teil der Kollegen gesprochen habe. Alle sind sich darin einig: Der Haushalt Ihres Einzelplanes ist a) unübersichtlich, b) sehr spät gekommen - dazu werde ich gleich noch etwas sagen - und auch sehr kompliziert. Deswegen kann ich angesichts der haushaltspolitischen Themen, über die der Bayer Stiegler gesprochen hat, nachvollziehen, dass er den Haushalt nicht verstanden hat. Es ist unvorstellbar. ({0}) Ich bin nur in einem Punkt mit Ihnen einverstanden. Wir müssen den Sport fördern und den betreffenden Menschen helfen. Was ist aber definitiv geschehen? Ich kann Sie ja verstehen, Herr Minister Schily. Der Kanzler hat Sie mit seinen Ideen derart überrascht, dass Sie von Ihren alten Standpunkten eingeholt werden. Sie waren nämlich gegen die Beihilfe für die Polizei - das ist nicht in Ihrem Einzelplan vorhanden -, aber auch gegen die Unterstützung bezüglich der Stadien. Können Sie sich daran erinnern, wie wir uns darum bemüht haben? „Kaiser“ Franz ist von Ihnen in diesem Zusammenhang erwähnt worden, Herr Kollege Stiegler. ({1}) Er hat inzwischen eine weitere Forderung gestellt, nämlich nicht nur für die Sanierung und Modernisierung des Zentralstadions in Leipzig, sondern auch des Olympiastadions in München als Stadion für die Fußballweltmeisterschaft Mittel zu gewähren. ({2}) Ich bin einmal gespannt, wie sich das weiterentwickeln wird. Aber in Ihrem Haushalt kann ich die Summe von 383 Millionen DM, die Sie ins Gespräch gebracht haben, überhaupt nicht erkennen. ({3}) Über diesen Punkt müssen wir in den Einzelberatungen sicherlich noch klar und deutlich sprechen. Dazu bin ich bereit. Ihr Haushalt wird durch Kürzungen im investiven Bereich geprägt. Dies kann kein Bürger der Bundesrepublik Deutschland verstehen. Ich weiß nicht, wie sorgfältig Sie Ihren eigenen Haushalt gelesen haben. Er wird um 7,8 Prozent gekürzt. Diese Kürzung findet man in allen Bereichen. ({4}) Sie haben mit großer Anerkennung von den BGS-Beamten und ihrer Arbeit gesprochen. Auch ich möchte sie ausdrücklich erwähnen und ihnen ganz herzlich für ihre großartige Arbeit danken. Wenn ich den Katalog an Horrorszenen in Bezug auf die Kürzungen im investiven Bereich hier vortragen würde, wären Sie verzweifelt. ({5}) Ich nenne nur einen Bereich: Wir haben uns bereits des Öfteren mit den unvorstellbaren Missständen an den Bahnhöfen, was die Unterbringung der Bundesgrenzschutzbeamten angeht, auseinander gesetzt. Dieser Bereich des Haushalts wird um 2 Millionen DM gekürzt. Beim Bundesgrenzschutz kommt ein weiterer Punkt hinzu: Sie haben in Ihren Haushalt für diesen Bereich 125 Millionen DM eingestellt und sprechen von ausgabenmindernden Wirkungen. Ich sehe das überhaupt nicht ein; Herr Stiegler spricht ja immer davon, der Haushalt sei sicher. ({6}) Vielmehr kommt es zu unvorstellbaren Ausgabenbelastungen. Dazu hören Sie gleich noch mehr. Ich habe in Frankfurt mit Vertretern der Bahn gesprochen: Es wurde in diesem Zusammenhang nichts mit dem Vorstandsvorsitzenden Mehdorn abgesprochen. Vielmehr wird es wahrscheinlich Ihrerseits einen Erlass bzw. eine Verordnung geben, dass der Bahn die Kosten für den Bundesgrenzschutz zwangsweise aufgedrückt werden. ({7}) Aufgabe des Staates ist es, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Bahnhöfe und die Schienen in der Bundesrepublik Deutschland, solange sie Staatseigentum sind, ohne Wenn und Aber gesichert werden. Ich hoffe, dass in dieser Hinsicht etwas passiert. Die Situation der Bahn ist doch im Moment folgendermaßen: Sie wird nicht nur durch die Ökosteuer bzw. die „K. O.-Steuer“, sondern auch durch die Stromsteuer belastet. Nun kommen auch noch die Kosten für den BGS hinzu. Dies gibt es in anderen Eisenbahnunternehmen der Welt nicht. Deswegen ist es meines Erachtens wichtig, dass wir uns mit dieser Thematik beschäftigen. Herr Minister Schily, ein weiterer Bereich, der meines Erachtens sehr wichtig ist, sind die zusätzlichen Flugsicherheitsgebühren. Man kann darüber natürlich diskutieren. Aber Sie sollten die Öffentlichkeit schon klar und deutlich darauf hinweisen, was Sie vorhaben. Die Flugsicherheitsgebühren an den Flughäfen werden von 305 Millionen auf 442 Millionen DM erhöht. Das ist eine Erhöhung um knapp 50 Prozent. In Zukunft wird es also nicht nur die Ökosteuer, die Stromsteuer, also die „K. O.Steuer“, sondern auch noch eine Mallorca-Steuer geben. Sie, die Sie da oben auf der Tribüne sitzen, wissen nun, was in Zukunft auf Sie noch zukommt. Ich glaube, dass wir uns als Opposition in diesem Bereich noch klar und deutlich melden werden. Darauf werde ich in jeder Veranstaltung hinweisen. ({8}) Diese Horrorliste lässt sich beliebig fortsetzen. Ich hoffe nur, Herr Minister, dass Sie in den Gesprächen, die wir in Kürze im Zuge der Haushaltsberatungen haben werden, hier und dort gewisse Signale geben. Mir geht es genauso wie Ihnen: Meine Redezeit ist zu kurz. Ich könnte Ihnen noch einen großen Teil anderer Dinge erklären. ({9}) Das kann ich heute nicht leisten; denn meine Redezeit ist zu Ende. Damit möchte ich schließen. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren liegen nicht vor. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz, Einzelplan 07, und zum Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht. Als erste Rednerin hat die Bundesministerin Frau Dr. Däubler-Gmelin das Wort.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Minister:in)

Politiker ID: 11000347

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekanntlich haben sich die Bundesregierung und die rotgrüne Koalition vorgenommen, den schädlichen und lange andauernden Reformstau aufzulösen. Damit soll zum Ersten endlich wieder deutlich werden, dass unser Recht auf der Seite der Schwächeren steht. ({0}) Damit sollen zum Zweiten wichtige Gebiete unseres Rechtes und unsere rechtsstaatlichen Institutionen so modernisiert werden, dass sie ihren grundgesetzlichen Auftrag für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch in Zukunft gut erfüllen können. Dieser grundgesetzliche Auftrag, diese Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ist nämlich von zentraler Wichtigkeit. Damit wollen wir zum Dritten beim Aufbau unseres Europa, das künftig ein gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes sein soll, die Gestaltungselemente und Strukturen, das heißt mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr sozialstaatliche Demokratie, so einbringen, wie sie sich nach unserer Erfahrung in den vergangenen 50 Jahren bei uns in der Bundesrepublik bewährt haben. ({1}) Wir haben in den letzten beiden Jahren - wir nähern uns bald der Halbzeit der Legislaturperiode - sehr deutliche Akzente gesetzt, die diese Weichenstellung unterstreichen. Lassen sie mich zum ersten Teil - Recht auf der Seite der Schwächeren - sagen: Der Täter-Opfer-Ausgleich ist einer der Bereiche; die Ächtung der Gewalt in der Erziehung und Hilfe für Alleinerziehende sind weitere Beispiele. Lassen Sie mich an dieser Stelle hinzufügen: Es ist ungeheuer wichtig, immer wieder zu sagen, dass der Bundesrat hier nicht unter Anleitung einer Mehrheit von Kollegen aus den Justizministerien, die der Opposition angehören - ich meine jetzt nicht die F.D.P. -, Einspruch einlegen sollte. Das wäre ganz falsch und würde das dringend erforderliche Signal zur Gewaltbekämpfung in unserer Gesellschaft deutlich konterkarieren. ({2}) Ich appelliere gerade an die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Wenn Sie Einfluss haben, nutzen Sie diesen Einfluss, damit die klare Aussage „Das Recht steht auf der Seite der Schwächeren“ auch in diesem Bereich deutlich wird. ({3}) Das Gewaltschutzgesetz und das Sanktionengesetz kommen im Herbst. Das wissen Sie. Das erste soll geschlagenen Frauen und ihren Kindern nicht mehr nur die Möglichkeit belassen, ins Frauenhaus zu gehen - so wichtig und wertvoll diese Institutionen sind, um erste Hilfe zu leisten -, sondern es wird diesen Frauen die Möglichkeit eröffnen, in der Wohnung zu bleiben, in der sie bisher gewohnt haben. Wir werden darüber hinaus auch gerichtliche Kontaktverbote in diesem Gesetz vorschlagen. Ich glaube, damit sind wir wieder ein Stück weiter. Das Sanktionengesetz, über das wir schon viele Diskussionen geführt haben, wird eine Reihe von Vorschlägen bringen. Über diese wird noch im Einzelnen zu diskutieren sein. Mir ist unter dem Gesichtspunkt „Das Recht muss auf der Seite der Schwächeren stehen“ ganz besonders das wichtig, was wir hier zusätzlich für die Opfer wollen und vorschlagen. Wir wollen, dass 10 Prozent der Geldstrafen endlich dafür zur Verfügung stehen, dass Opfern von Kriminalität geholfen werden kann. ({4}) Diese gehen heute bisweilen leer aus. Wir alle haben gerade in den letzten Monaten - zu Recht - darauf hingewiesen, dass Zivilcourage auch gegen Rechts erforderlich ist. Wer aber erfahren hat, wie Menschen, die diese Zivilcourage aufgebracht haben und denen dabei etwas passiert ist, manchmal allein gelassen wurden, der weiß, wovon ich rede. Hier ist ein weiterer Schritt erforderlich. Meine Damen und Herren, es muss auch darum gehen, dass Opfer von Straftaten, die Schäden erlitten haben, eine leichtere Möglichkeit erhalten, diese Schäden auch ersetzt zu bekommen. Das ist der zweite Punkt, auf den ich Sie hinweisen möchte. Nehmen wir den Schwerpunkt Modernisierung. Wir haben mit der außergerichtlichen Streitschlichtung begonnen, weil wir der Auffassung sind, dass es im täglichen Leben zum Beispiel Streitigkeiten unter Nachbarn gibt, bei denen es viel besser ist, eine Lösung zu finden, die zum Rechtsfrieden beiträgt, statt vor Gericht zu gehen und die Sache streitig entscheiden zu lassen. ({5}) Das ist bereits Gesetz. Es gibt jetzt eine ganze Reihe von Ländern, die anfangen, Modelle der außergerichtlichen Streitschlichtung zu entwickeln. Deshalb erwähne ich das. Wir wissen: In den vergangenen Jahren ist im Bereich der Mediation, vor allem der Mediationspraxis und der Mediationswissenschaft, von Anwälten, von Instituten und von Menschen, die ganz besonders viel davon verstehen, eine Menge an nützlichen Erkenntnissen zusammengetragen worden, die jetzt für die Praxis verfügbar gemacht werden sollten. Ich bitte Sie auch hier: Nutzen Sie Ihren Einfluss in den Ländern, die solche Gesetze der außergerichtlichen Streitschlichtung wollen, aus, damit sie die Mediation und alles, was dazu dient, den Rechtsfrieden wieder herzustellen, auch tatsächlich in Anspruch nehmen und verbindlich einbeziehen. Ein weiterer Punkt: Wir haben die Präsidialverfassung verändert und Gerichte geöffnet. Auch das war, obwohl es sehr streitig war, sehr wichtig. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Dass wir sehr viele wichtige Modernisierungsvorhaben wie die Justizreform, die Einführung der Namensaktie, die Anerkennung von Lebenspartnerschaften, Änderungen im Mietrecht oder eine Reform der Finanzgerichtsordnung bereits auf den Weg gebracht haben - sie sind zum Teil schon im Gesetzgebungsverfahren -, das wissen Sie. Im Herbst werden wir hier in diesem Hause sehr viele Schwerpunktaufgaben zu diskutieren haben. All dies dient der Modernisierung, dient dazu, dass die Institutionen unseres Landes und dass auch unsere Rechtsordnung ihren grundgesetzlichen Auftrag auf Dauer gut erfüllen können. Lassen Sie mich von den Projekten, die im Herbst anstehen, drei wichtige ansprechen. Ich schließe mich meinem Vorredner, Bundesinnenminister Schily, an, der gesagt hat, dass wir für die Diskussion darüber erheblich mehr Zeit haben müssten. Hier kann man jetzt nur mit wenigen Worten informieren, statt in Ruhe das Für und das Gegen in Einzelheiten vorzutragen. Wir setzen nur die Biopatentrichtlinie um. Dies ist ein ganz wichtiges Werk, und zwar ganz einfach deshalb, weil es hier darum geht, geistige Leistungen durch Änderungen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zu schützen und gleichzeitig Forschung und Innovationen zu fördern, aber auch die ethischen Grenzen dessen, was wir machen dürfen, festzulegen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Diskussion hier schon sehr viel früher in Gang gekommen wäre, zum Beispiel in den zehn Jahren, in denen die Biopatentrichtlinie auf europäischer Ebene beraten wurde. Ich lade ausdrücklich alle ein, sich an der Diskussion zu beteiligen. Wir werden hier eine zielgenaue, klare Gratwanderung, die diese drei Gesichtspunkte zusammenbringt, unternehmen müssen. Das können wir am besten gemeinsam. Ich nenne einen zweiten Bereich, der ebenfalls mit dem Schutz geistiger Leistungen zusammenhängt: das Urheberrecht. ({6}) - Ich komme gleich zu dem Dank, keine Sorge. - Auch hier liegt eine Menge Arbeit vor uns. Wir müssen, eingebettet in die rechtlichen Regelungen, die in Europa und weltweit entwickelt, erarbeitet und ausverhandelt wurden - man kann das nicht mehr nur national machen -, Urheber im digitalen Zeitalter bzw. im Zeitalter der Informationsgesellschaft besser schützen. Ich bedanke mich übrigens ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen auch der CDU/CSU und der F.D.P. dafür, dass sie sich in den letzten Wochen, als es diesen kurzen Aufschrei von dem einen oder anderen aus Industrieverbänden gegeben hat, die meinten, das gelte nicht für sie - sie sind zwar der Auffassung, dass man dann, wenn man einen Kassettenrecorder kauft, eine Abgabe leisten muss, die den Urhebern zugute kommt, dass dies aber bei den modernen Vervielfältigungsgeräten nicht so sein sollte -, dazu geäußert und dem klar widersprochen haben. Das finde ich gut. In allen Parteien gab es auch andere Stimmen; aber das Urheberrecht ist auch ein schwieriges Gebiet. Es gibt noch einen dritten Punkt, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte und der uns ebenfalls in diesem Herbst beschäftigen wird. Er hat ebenfalls mit Modernisierung und dem Aufbau eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa zu tun: die Modernisierung des Schuldrechts. Jeder Jurist und jede Juristin hat sich seit dem ersten Semester der juristischen Ausbildung immer wieder damit beschäftigt und geht nahezu täglich damit um. Aber wir wissen ganz genau: Europa der Bürger, Europa der Wirtschaft, Europa des Handels bedeutet, dass die Einflüsse aus Europa immer stärker werden. Wir müssen - damit fange ich nun an - verschiedene europäische Richtlinien umsetzen: die Fernabsatzrichtlinie, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und einige andere, mit deren Nennung ich Sie jetzt nicht erschrecken will. Diese greifen massiv in die Kaufbeziehungen und damit in unser Schuldrecht ein. Wir hatten seit langem - das ist sehr gut - eine gute Grundlage, auf der auch die Richtlinien verhandelt worden sind, nämlich die Ergebnisse der Schuldrechtskommission, die Anfang der 90er-Jahre eingesetzt wurde und ihre Ergebnisse vorgelegt hatte. Jetzt stehen wir vor einer schwierigen Weichenstellung. Wir müssen entscheiden: Wollen wir bei der Umsetzung des EU-Rechts, wo doch das System des EU-Rechts anders ist, unser bürgerliches Recht, unser Kaufrecht und unser Schuldrecht noch stärker verkomplizieren oder sind wir bei der Modernisierung so mutig zu sagen: Wir nehmen das, was die Schuldrechtskommission vorgeschlagen hat, dazu und setzen das einmal richtig, aber gründlich um? Um diese Weichenstellung wird es in diesem Herbst gehen. Ich werde Ihnen in den kommenden Tagen einen ersten Entwurf zur Diskussion zusenden. Ich bitte Sie, sich auch hier an der Modernisierung zu beteiligen. Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz für 2001, klein, wie er ist, und sparsam, wie wir sein müssen, spiegelt diese Schwerpunkte und andere wider. Mir wäre es lieber, wir müssten nicht so viel sparen. Ich sage das, weil unser Kollege Bundesfinanzminister im Saal ist, der eine Sparpolitik betreibt. ({7}) - Das macht er ja nicht freiwillig, sondern im Interesse der Bevölkerung und einfach deswegen, weil er mit Ihrer Erbschaft fertig werden muss. ({8}) Der wird das genauso sehen. Wir haben das, was wir machen konnten, erreicht. ({9}) - Ich weiß, es gefällt Ihnen nicht. ({10}) Wenn ich in Ihrer Situation wäre, würde ich jetzt ebenfalls heftig widersprechen. Aber alle Leute wissen mittlerweile, welchen Schuldenberg und welches Erbe Sie uns hinterlassen haben. Ich denke, darüber brauchen wir jetzt nicht zu streiten. ({11}) Wir schaffen - verehrter Herr Geis, das wird Sie besonders interessieren - im Haushalt 2001 die Voraussetzungen dafür, dass das Menschenrechtsinstitut, das wir geplant haben und das die rot-grüne Koalition will, im nächsten Jahr anfangen kann zu arbeiten. Das bedeutet, dass wir nicht nur durch Reden, sondern auch durch Tun sehr deutlich machen, wie viel wir von den Menschenrechten halten. Übrigens gilt das nicht nur im Inland. Lassen Sie mich dazu ergänzen, dass ich jeder Polizistin und jedem Polizisten, jedem Staatsanwalt und jedem Richter dankbar bin, der oder die im Rahmen seines oder ihres Verantwortungsbereiches deutlich macht, dass Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund von uns nicht geduldet werden. ({12}) Menschenrechtspolitik und der Schutz der Menschenrechte sind nicht allein bei uns im Inland wichtig. Wir sind der Meinung, sie müssen auch, und zwar mit deutscher Beteiligung, über die deutschen Grenzen hinaus unterstützt werden. ({13}) Deswegen bin ich der Auffassung, es ist hoch an der Zeit, dass die Einsetzung eines internationalen Strafgerichtshofs endlich auch vom Parlament beschlossen wird. ({14}) Mein Appell geht an alle Seiten des Hauses, das nicht mehr zu verzögern, sondern es wirklich zu beschleunigen. Dass wir den Rechtsstaatsdialog mit der Volksrepublik China intensivieren, wird - auch das weiß ich - vom gesamten Haus getragen. Das möchte ich an dieser Stelle ebenfalls erwähnen. Das tun wir natürlich nicht nur wegen des bilateralen Nutzens, sondern wir machen das auch, weil wir der Auffassung sind, dass wir dadurch auf der globalen Ebene zu einem gemeinsamen Verständnis von Grund- und Menschenrechten beitragen können, das wir in einer Welt, die immer stärker zusammenwächst, dringend brauchen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zur Modernisierung sagen. Das gilt vor allem für einen Bereich, nämlich das Deutsche Patent- und Markenamt, das uns 1998, als wir die Regierung übernommen haben, schon als Sorgenkind angekündigt worden war, ({15}) - als Sorgenkind mit ganz großen Problemen, obwohl die Menschen, die dort arbeiten, voll motiviert sind und obwohl sie sich jede Mühe geben, als Sorgenkind deshalb, weil wir seit 1991 sehen mussten, dass die Zahl der Anmeldungen von Patenten erfreulich stieg und steigt - Zeichen ökonomischer Innovationsbereitschaft und auch von Wirtschaftskraft -, die Zahl der Marken auch, während aber die Zahl der Stellen beim Deutschen Patent- und Markenamt von der Vorgängerregierung in erheblichem Maße gesenkt wurde. Das kann nichts werden, wenn sich die Schere öffnet. Hinzu kommt eine völlig unzulängliche Ausstattung mit Computern oder mit Mitteln einer modernen Arbeitsorganisation. ({16}) Sie werden wissen, wovon ich rede. Im Haushalt - das sage ich jetzt nur für die Leute, die nachlesen wollen -, den Herr Waigel für das Jahr 1999 vorgeschlagen hatte, wäre es mit den Stellenstreichungen weitergegangen. ({17}) Wir haben hier schon 1999 dank der Unterstützung auch des Herrn Bundesfinanzministers eine - wenn auch nur leichte - Trendwende erreicht. Wir konnten für 2000 sehr viele zusätzliche Patentprüferstellen einrichten. Wir haben auch etwas Geld für die Ausstattung mit Computern, an denen Patentprüfer arbeiten sollen, bekommen. Wir sind schon sehr weit bei der Verbesserung in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnologie und eine moderne Arbeitsorganisation. Ich sage Ihnen: Das, was mich 1998 beinahe zu Tränen gerührt hat, die gezackte Gebührenmarke, werden wir ins Euro-Zeitalter ebenso wenig mit hinübernehmen wie das veraltete Kostenverrechnungssystem. ({18}) Warum sage ich das? Die dringend nötigen Verbesserungen waren und sind ohne eine Gebührenerhöhung nicht möglich. Das will ich hier auch einmal deutlich ansprechen: Hätte die Union ihre Verpflichtung früher wahrgenommen ({19}) - und das Patent- und Markenamt nicht in diesen Zustand kommen lassen ({20}) - und hätte sie den Mut gehabt, Herr Feibel, die seit 1976 nicht mehr erhöhten Gebühren vernünftig, mittelstandsBundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin freundlich und erfinderfreundlich anzupassen, wie wir das jetzt mussten, dann wäre es für uns viel leichter gewesen und dann wären wir jetzt weiter. ({21}) Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Wir brauchen noch ein wenig Zeit. Was wir aber überhaupt nicht brauchen, ist, dass diejenigen, die an diesem Zustand schuld sind, jetzt meinen, beckmesserisch auftreten zu können. Wir brauchen die Unterstützung des ganzen Hauses und des Haushaltsausschusses, um noch mehr zu erreichen. Alles andere wäre unseres Landes unwürdig. Lassen Sie mich mit einem Dank an all jene schließen, die an dem Ziel, einen einheitlichen Rechtsraum in Europa zu schaffen, mitgearbeitet und mitgewirkt haben. Sie alle wissen, wie schwer es ist, die Abwicklung des Tagesgeschäfts im europäischen Raum voranzubringen. Wir wussten dies, als Sie die Verantwortung hatten, und Sie wissen es jetzt, da wir sie haben. Wir haben Eurojust auf den Weg gebracht. Zusätzlich verbessern wir die Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, damit sie zum Beispiel ihren Schaden leichter ersetzt bekommen, wenn sie einen Verkehrsunfall im Ausland haben, auch bei Gerichtsprozessen und anderen Problembereichen helfen wir ihnen. Auch der E-Commerce gehört dazu. Eines aber will ich besonders herausstellen, und zwar die Europäische Grundrechte-Charta. Ich weiß aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Parteien, dass deren Schaffung vielen von ihnen ein ähnlich großes Anliegen war und ist. Dennoch war immer wieder Skepsis zu vernehmen, als wir Deutschen, als gerade ich im Rahmen der deutschen Präsidentschaft darauf gedrungen habe, die Europäische Grundrechte-Charta auf den Weg zu bringen. Ich stelle heute mit großer Freude fest, dass die Charta auf einem guten Wege ist, und darf denen, die uns im Konvent vertreten, ausdrücklich danken. Mein Dank richtet sich an Herrn Professor Meyer - ich sehe ihn hier vor mir -, der dort den Bundestag vertritt, ({22}) aber auch an die Adresse von Professor Herzog, der heute nicht anwesend ist. Ich glaube, ohne die beiden wären wir nicht so weit, wie wir heute sind. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Europa nicht allein als Europa der Wirtschaft und Europa des Euro bekannt ist, sondern zum Europa der Bürgerinnen und Bürger und zum Europa der gemeinsamen Werte wird. Das brauchen wir alle. Ganz herzlichen Dank. ({23})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Bosbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch den Justizhaushalt des Bundes wird nur zu einem geringen Teil eine ganz zentrale und vitale Staatsaufgabe finanziert. Justiz ist vornehmlich Ländersache und die Zivilgerichtsbarkeit hat durch die Einnahme von Gebühren zur Freude aller Finanzminister eine hohe Selbstfinanzierungsquote. Die Arbeit der Ziviljustiz ist keineswegs, wie gerne behauptet wird, durch stetig steigende, sondern durch tendenziell leicht fallende Fallzahlen, relativ kurze Verfahrenszeiten und geringe Rechtsmittelquoten gekennzeichnet. Aber - dieser Umstand, Frau Ministerin, verdient eine besondere Beachtung - die eingelegten Rechtsmittel haben eine relativ hohe Erfolgsquote von fast 50 Prozent. ({0}) Schon diese Zahl belegt, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, die Überprüfung vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafter Urteile unnötig zu erschweren. ({1}) Die Regierung plant Änderungen in der Zivilprozessordnung, die so tief greifend sind, dass die konkrete Gefahr besteht, dass der Recht suchende Bürger zukünftig nicht mehr in dem Umfang Recht erhält, wie unbedingt notwendig, ({2}) - dass der bewährte Gerichtsaufbau unnötig ins Wanken gerät ({3}) - und dass unser auch im internationalen Vergleich vorbildliches Rechtssystem nachhaltig geschädigt wird. ({4}) Entgegen anders lautenden Behauptungen, Frau Justizministerin, ist die von Ihnen mit Hochdruck betriebene Reform der ZPO nicht bürgerfreundlich, sondern bürgerfeindlich. ({5}) Sie macht den Zivilprozess nicht schneller, sondern bürokratischer. Sie sorgt nicht für mehr Recht, sondern muss fast zwangsläufig zu mehr Ungerechtigkeit führen. Unser Rechtssystem würde nicht reformiert, sondern deformiert. Wieso soll ein Berufungsgericht ein angegriffenes Urteil nur dann korrigieren dürfen, wenn „ernstliche“ Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung besteht? Welchen vernünftigen, dem Bürger vermittelbaren Grund gibt es dafür, beim Vorliegen von Zweifeln an der Richtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen die Berufung nicht durchzuführen? Sie können nicht ernsthaft wollen, dass in all denjenigen Fällen, in denen ein Einzelrichter oder gar ein Richterkollegium Zweifel an der richtigen Tatsachenfeststellung der ersten Instanz hat, das auf diesen Feststellungen basierende Urteil nicht mehr überprüft werden darf. Das wäre nicht Politik für, sondern gegen den Bürger. Warum wollen Sie das bewährte Prinzip aufgeben, dass nun einmal sechs Augen mehr sehen als zwei Augen? Wenn erstinstanzlich vor den Landgerichten zukünftig mehr Einzelrichter als Kammern entscheiden sollen, dann muss sich daraus der zwingende Schluss ergeben, dass zumindest in der nächsten, möglicherweise letzten Instanz mehr als nur ein Richter Recht spricht. Auch Ihnen kann nicht entgangen sein, dass Ihre Pläne von der gesamten Fachwelt, von allen, von Richtern, von Anwälten, von den Justizministern der Länder, gleich welcher Couleur, je nach Temperament und Interesse milde oder hart kritisiert, jedenfalls komplett abgelehnt werden. ({6}) Gegen diejenigen, die tagtäglich mit der ZPO arbeiten müssen, und gegen die Länder kann eine Reform keinen Erfolg haben. Niemand spricht Ihnen, Frau Professor, ein hohes Maß an Intelligenz ab. ({7}) Bitte seien Sie aber auch klug und ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück! Suchen Sie stattdessen das Gespräch mit der Fachwelt und mit den Kolleginnen und Kollegen der Länder für eine Reform, die dem Recht dient und nicht der Rechtskultur unseres Landes und den Recht suchenden Bürgern schadet! ({8}) Kommen wir von der Rechtspolitik zur sozialdemokratischen Rechtspraxis in Nordrhein-Westfalen und in diesem Hause. Punktgenau drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wurde bundesweit publik, dass unser Kollege Ronald Pofalla in dem Verdacht steht, Steuern hinterzogen zu haben. Unter Vortäuschung falscher Tatsachen wurde unser eigener Immunitätsausschuss veranlasst, die Immunität des Kollegen Pofalla aufzuheben. Der Skandal war perfekt. ({9}) Heute wissen wir: Einen Skandal des Kollegen Ronald Pofalla hat es zu keiner Sekunde gegeben. Aber wir wissen jetzt genau, dass es skandalöse Verhältnisse in dem Teil der nordrhein-westfälischen Justiz gibt, der nicht weiß, dass er nicht der SPD, nicht Herrn Müntefering, nicht Herrn Dieckmann, sondern nur dem Recht zu dienen hat. ({10}) - Das ist Ihnen peinlich. Sie hätten natürlich große Freude daran, wenn ich jetzt, wie die Frau Ministerin, über die gezackte Gebührenmarke reden würde. Genau deswegen tue ich Ihnen den Gefallen nicht. ({11}) Am 2. August 2000 hat das Landgericht Kleve rechtskräftig festgestellt, dass es nie - ich betone: nie - einen begründeten Tatverdacht gegen den Kollegen Pofalla gegeben hat. Das Gericht hat alle - komplett alle Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse für rechtswidrig erklärt. ({12}) Bei dieser Lage will man uns allen Ernstes weismachen, dass es nur ein Zufall sei, dass die beiden gegen den Kollegen Pofalla ermittelnden Staatsanwälte nicht aus der zuständigen Staatsanwaltschaft in Kleve kommen, sondern erst Anfang des Jahres aus dem Landesjustizministerium nach Kleve versetzt wurden. ({13}) Einer der beiden Helden soll in Kürze als leitender Oberstaatsanwalt Behördenchef in Kleve werden. - Befehl ausgeführt. ({14}) Die zweite Koryphäe soll ihm in zwei Jahren nachfolgen. Gibt es hier im Parlament tatsächlich irgendjemanden, der bei diesen Versetzungen und Beförderungen an einen Zufall glaubt? Warum wurde auf dem sozialdemokratischen Dienstweg vom Generalstaatsanwalt in Düsseldorf über den Landesjustizminister, über die Bundesministerin der Justiz bis zum Präsidenten des Deutschen Bundestages und von dort zur Vorsitzenden des Immunitätsausschusses nicht ein einziges Mal gründlich überprüft, ob tatsächlich ein Tatverdacht vorliegt ({15}) - und ob die Behauptung der Staatsanwaltschaft, es sei wegen drohender Verjährung geboten, die Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen sofort zu genehmigen, tatsächlich richtig ist? Ein kurzer Blick in § 78b des Strafgesetzbuches hätte genügt, um festzustellen, dass diese Behauptung im Hinblick auf den Kollegen Pofalla grober Unfug ist. Gibt es hier im Deutschen Bundestag irgendjemanden, der nur an eine Kombination von Schlamperei und Dummheit glaubt? Minister Dieckmann sagt, er hätte persönlich von dem Treiben seiner Staatsanwälte keine Kenntnis gehabt. Glauben wir das einmal und warten wir ab, ob er die Wahrheit sagt. ({16}) Warum hat sich eigentlich bis zur Stunde keiner der beteiligten sozialdemokratischen Würdenträger bei dem Kollegen Pofalla entschuldigt? ({17}) Sie können das heute in dieser Debatte nachholen. Minister Schily ist leider gegangen: Ich hätte ihm gerne gesagt: Wer die Parteispendenaffäre erwähnt und zum Fall Pofalla schweigt, hat ein gespaltenes Rechtsverständnis. ({18}) Die parteipolitische Wertung der Parteispendenaffäre ist die eine Sache. Wenn aber ein Innenminister der Bundesrepublik Deutschland einerseits Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zitiert und andererseits dann das Plenum und sein Amt dazu benutzt, auf die unabhängige Justiz in einem ganz konkreten Fall aus parteipolitischen Motiven Druck auszuüben, dann geht das entschieden zu weit und ist scheinheilig. ({19}) Noch ein kurzes Wort zum Thema rot-grünes Rechtsverständnis. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht sind elementare Grundrechte. Sie gelten sogar dann, wenn sich der Volkszorn gegen eine rot-grüne Regierung richtet. - Nur zur Klarstellung. Klar ist auch, dass derjenige, der demonstrieren will, das Recht beachten muss und vor allen Dingen keine Straftaten begehen darf. Für diesen Fall hat der Kanzler mit der ganzen Härte des Gesetzes gedroht. Aber eines muss ebenfalls klar sein: Man kann nicht die aufgebrachten Bergarbeiter, die in Bonn die F.D.P.Zentrale attackieren, den Verkehr lahm legen, das Regierungsviertel blockieren und die Bannmeile durchbrechen, bejubeln und mit Durchhalteparolen unterstützen und protestierenden Brummifahrern, die um ihre Existenz bangen, mit der Staatsmacht drohen. ({20}) So verhilft man dem Recht nicht zur Geltung. ({21}) In wenigen Tagen erfolgt die Sachverständigenanhörung zu dem Herzensanliegen des Kanzlers, unter dem Arbeitstitel „eingetragene Lebenspartnerschaften“ homosexuellen Paaren den Weg zum Standesamt und zur Eheschließung zu ermöglichen. Den Mut, das Kind beim Namen zu nennen, hat die Koalition nicht. Mit minimalen Ausnahmen übertragen Sie die eherechtlichen Regelungen und die damit verbundenen Wirkungen. Sie schaffen eine vollständige Kopie der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, die Sie jedoch zur Beruhigung der Bevölkerung nicht Ehe, sondern anders nennen. Gleichzeitig behaupten Sie zur Rechtfertigung des Angriffs auf Ehe und Familie, dass diese Initiative wegen des Gleichheitsgebotes des Grundgesetzes aus Gründen der Gerechtigkeit dringend geboten sei. Diese Argumentation belegt, dass Sie von dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung eine falsche Vorstellung haben. ({22}) Gleichbehandlung bedeutet, nur Gleiches gleich zu behandeln, und im Umkehrschluss; Ungleiches ungleich zu behandeln. ({23}) Eine schematische automatische Übertragung von Rechtsvorschriften und damit verbundenen Rechtswirkungen von einem gesellschaftlichen Bereich auf den anderen ohne Rücksichtnahme auf fundamentale Unterschiede ist kein Gebot des Artikel 3 Grundgesetz, sondern ein Verstoß dagegen. Macht es Sie eigentlich kein bisschen nachdenklich, wenn nicht nur die Union und mit ihr große Teile der Bevölkerung, sondern auch die beiden großen christlichen Kirchen und viele namhafte Familien- und Staatsrechtler Ihren Gesetzentwurf mit guten Argumenten ablehnen? Sie sagen: Der Ehe werde nichts genommen; deshalb werde Artikel 6 des Grundgesetz nicht verletzt. Richtig ist das Gegenteil: Es ist gerade das politische Ziel der rotgrünen Pläne, dem traditionellen, bewährten Leitbild der Ehe und Familie die gesetzliche und gesellschaftliche Vorrangstellung zu nehmen. ({24}) - Sie sollten den Mut haben, das auch zuzugestehen. Sie geben das Ziel des besonderen Schutzes des Staates für Ehe und Familie auf und wollen alle Formen des Zusammenlebens einebnen. ({25}) Es soll zukünftig gerade keine Vorrangstellung von Ehe und Familie vor anderen Formen des Zusammenlebens geben. Ehe und Familie sind jedoch die Keimzelle jeder staatlichen Gemeinschaft. Darum stehen sie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Wir sind gern bereit, mit Ihnen offen darüber zu diskutieren, wie dies auf geeignete Art und Weise geschehen kann. Wir wollen in schwierigen Lebenssituationen helfen und sind selbstverständlich bereit, dort Konsequenzen zu ziehen, wo es die gleichgeschlechtlichen Partner nach der derzeitigen Rechtslage nicht schaffen, ihre Probleme zu lösen. ({26})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Bosbach, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wenn Sie aber weiterhin Ihren Plan verfolgen, auch homosexuellen Paaren unter der Überschrift „eingetragene Lebenspartnerschaften“ die Eheschließung zu ermöglichen, dann werden Sie zwangsläufig scheitern und möglicherweise denjenigen, denen Sie helfen möchten, nicht helfen können. Danke fürs Zuhören. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem, was Sie, Herr Bosbach, hinsichtlich des Kollegen Pofalla gesagt haben. Wenn Herrn Pofalla in diesem Zusammenhang Unrecht geschehen sein sollte, ({0}) - dann bedauern wir dies. Aber die Vorwürfe insbesondere gegen das Bundesjustizministerium, ({1}) - die Sie aus diesem Vorfall abgeleitet haben, sind völlig unangemessen. ({2}) Das Bundesjustizministerium ist nicht die Prüfbehörde für Tätigkeiten der Landesjustizverwaltung in NordrheinWestfalen. ({3}) Was da geschehen ist, müssen wir uns alle genau anschauen; da haben Sie Recht. Wenn wir weiterhin darüber diskutieren wollen, müssen wir diesen Sachverhalt sehr präzise untersuchen und genau feststellen, wer da was verbockt hat. Der Reformstau in der Rechtspolitik löst sich allmählich auf. Endlich, muss man sagen. Statt auf Flickschusterei, wie sie noch unter Schwarz-Gelb mit diversen Rechtspflegeentlastungsgesetzen üblich war, setzt RotGrün auf eine Komplettreparatur der Justiz. Meine Damen und Herren von der Union, selbst Ihr bayerischer Parteifreund, Herr Justizminister Weiß, erkennt offenbar die Zeichen der Zeit. Schauen Sie nur, wie er sich im aktuellen „Focus“ geradezu erleichtert und erfreut über unser Gesetz zur außergerichtlichen Streitbeilegung äußert. Damit wird nämlich auch in Bayern ermöglicht, dass die überlasteten Gerichte nicht mehr mit jedem Bagatellfall belästigt werden. Schlichten statt Richten, das ist rotgrüne Rechtspolitik in diesem Bereich, auf die man offensichtlich auch in Bayern lange gewartet hat. Konsequent und zügig treibt diese Koalition die notwendigen Modernisierung der Justiz voran. Nach der Einführung der außergerichtlichen Streitschlichtung bei Bagatell- und Nachbarschaftsstreitigkeiten und nach der Reform der Präsidialverfassung haben wir jetzt eine Reform des Zivilprozesses auf den Weg gebracht. Wir stärken dabei die Eingangsgerichte qualitativ und personell. Deswegen werden in Zukunft die Korrekturzahlen, die Sie vorhin im Hinblick auf Rechtsmittel erwähnt haben, anders ausfallen. Die erstinstanzlichen Entscheidungen werden eine höhere Qualität haben und deshalb auch häufiger als heute Bestand haben. ({4}) Es ist schon absurd, wenn uns jetzt von Ihnen vorgeworfen wird, Rot-Grün betreibe mit dieser Reform den Abbau von Rechtsstaatlichkeit. ({5}) Das Gegenteil ist richtig. Gegen 40 Prozent der erstinstanzlichen Urteile steht heute kein Rechtsmittel zur Verfügung, sieht man vom Gang nach Karlsruhe wegen Verwehrung rechtlichen Gehörs ab. Damit machen wir Schluss. Wir schaffen auch in diesen Fällen bei groben Rechtsfehlern eine rechtliche Überprüfbarkeit. Das ist eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und eine Verbesserung für die Recht suchenden Bürger. ({6}) Die Menschen beschweren sich im Zusammenhang mit der Justiz am meisten über Verzögerungen. Das ist auch klar, wenn in einem Amtsgericht die Richterinnen und Richter durchschnittlich bis zu 650 Fälle im Jahr zu bearbeiten haben. Da leidet auch beim fleißigsten Richter manchmal die Qualität der Entscheidung. ({7}) Das werden wir verbessern, ohne an falschen Stellen Einschnitte vorzunehmen. Als Bündnisgrüne haben wir erreicht, dass, wenn notwendig, Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz auch in der Berufungsinstanz überprüft werden können. Der Richterbund findet das überflüssig; der Anwaltschaft ist damit das Fenster zur nächsten Instanz noch nicht weit genug aufgestoßen. Diese kontroverse Kritik zeigt, dass wir eine gute und ausgewogene Lösung gefunden haben. ({8}) Diese Koalition hat den Mut, den Rechtsstaat von Grund auf zu modernisieren, wo dies geboten ist. Es ist auch an einem Punkt geboten, den Sie in Ihrer Rede erwähnt haben: die eingetragene Partnerschaft. Es ist einfach nicht hinzunehmen, dass es in unserer Gesellschaft eine Gruppe gibt, nämlich die Schwulen und Lesben, die kein Recht haben, ihre Partnerschaften als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaften unter rechtlichem Schutz zu leben. Es ist ein Skandal, dass dieser Zustand schon seit Jahrzehnten unter der Geltung des Grundgesetzes andauert, obwohl uns die Gerichte inzwischen sagen, dass sich auch die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft auf den Schutz des Grundgesetzes berufen kann, nämlich auf die Handlungsfreiheit, den Schutz der Menschenwürde und die Gleichheit vor dem Gesetz. Das hat uns Karlsruhe 1993 ausdrücklich ins Stammbuch geschrieben. ({9}) Sie haben ja ein Verständnis des Artikel 6 des Grundgesetzes, den Sie hier immer vortragen, das ein bezeichnendes Licht auf die Familienpolitik der CDU wirft. Für Sie ist Artikel 6 des Grundgesetzes in seiner Bedeutung nur noch ein Ausgrenzungsartikel, nicht ein Artikel, bei dem wir sagen: Wir fördern Partnerschaftlichkeit und Familie. Für Sie geht es nur darum, andere Lebensformen, die Ihrem Leitbild nicht entsprechen, auszugrenzen und zu diskriminieren. ({10}) Das ist nicht unser Verständnis. Diese Koalition hat wie keine andere Koalition zuvor für die Familie gearbeitet: beim Erziehungsgeld, beim Kindergeld und bei der Steuerreform. Deshalb haben wir es, um familienfreundlich zu sein, nicht nötig, andere Lebensformen auszugrenzen und zu diskriminieren. ({11}) Wissen Sie, Herr Bosbach, man muss sich ja schon manchmal über die Diskussion in unserem Land in Bezug auf solche Themen wundern. Da wird ein Buhei gemacht! ({12}) In anderen Ländern, zum Beispiel den Niederlanden, Skandinavien oder Frankreich, diskutiert man solche Fragen ergebnisorientiert und viel gelassener. Ich will auf eine dpa-Meldung dieser Woche hinweisen, wonach unser Nachbarland Niederlande in dieser Frage viel, viel weiter geht und trotzdem sehr gelassen damit umgeht. Das Niederländische Zweite Haus hat diese Woche mit 107 zu 33 Stimmen beschlossen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Dieses Gesetz wurde unter Zustimmung der Sozialdemokraten, der Grünen, der Liberalen aller Schattierungen und von einem Teil der Christdemokraten beschlossen. ({13}) Dort hat man anerkannt, dass der Respekt des Rechts auch vor den homosexuellen Partnerschaften nicht Halt machen kann. Wenn man dagegen in Ihre Vorschläge, Herr Bosbach, sieht, wo Sie vereinzelt sagen, Sie wollten den Homosexuellen helfen, erkennt man, dass das folgende Sachverhalte betrifft: auf dem Totenbett, im Krankenhaus, in der Justizvollzugsanstalt und im Gerichtssaal. Da sehen Sie die Homosexuellen und da wollen Sie ihnen ein bisschen helfen. (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Was spricht denn dagegen? Die Menschen wollen aber ihre Partnerschaft begründen und ihr Leben gestalten, und das findet nicht nur an diesen Orten statt, auch wenn das offensichtlich noch Ihrem etwas zurückgebliebenen Bild von dieser sozialen Gruppe entspricht. Wir packen die notwendigen Reformen auch in anderen Bereichen an und werden sie in diesem Jahr auf den Weg bringen bzw. durchsetzen: zum Beispiel die Reform des Mietrechts und des strafrechtlichen Sanktionensystems. Das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung, das wir hier beschlossen haben, setzt ein wichtiges Zeichen, und ich hoffe, dass Sie das im Bundesrat mitmachen. Wir müssen ein Signal gegen die Gewalt in der Gesellschaft setzen. Wir wollen festhalten, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. ({14}) Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention. Wir durchbrechen die Spirale der Gewalt, weil wir aus den Untersuchungen über gewalttätige kriminelle Jugendliche wissen, dass ein großer Teil derjenigen, die bei Körperverletzungsdelikten auffällig werden, in ihrer Kindheit im Elternhaus Opfer von Gewalt gewesen sind. Wenn wir dagegen wirklich etwas machen wollen, müssen wir unmissverständlich klarmachen: Gewaltmittel sind keine Erziehungsmittel. Genau da setzen wir ein Zeichen. ({15}) Bei der Sanktionenrechtsreform, die noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird, werden wir den Gerichten das Instrument der gemeinnützigen Arbeit an die Hand geben. „Schwitzen statt Sitzen“ ist das Motto. Das ist besser, als die ohnehin belasteten Gefängnisse mit Leuten zu füllen, denen die Mittel zur Bezahlung ihrer Geldstrafen fehlen. Auch die Aufwertung des Fahrverbotes zur Hauptstrafe ist sinnvoll. Die Mobilitätseinbuße schmerzt den gut verdienenden Täter wesentlich mehr als eine Geldstrafe, die er locker wegsteckt. In den Diskussionen der letzten Wochen wurden aber auch Forderungen nach höheren Strafen für rechtsextremistische Täter laut. Ich möchte dazu ganz klar Volker Beck ({16}) sagen: Spezielle Sanktionen für rechtsradikale Täter oder Sonderstraftatbestände aus Gesinnungsgründen lehnen wir ab. Eine derartige Sonderbehandlung wäre verfassungswidrig. ({17}) Ein Gesinnungsstrafrecht würde die Rechtssicherheit und das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz erheblich gefährden. Ich möchte eindringlich davor warnen, im Rahmen der Rechtsextremismusdebatte allzu sehr auf solche populistischen Schnellschüsse zu setzen. Sagen Sie - Herr Geis, Sie nicken so freundlich - das bitte Herrn Schelter in Brandenburg, der solche Vorschläge gemacht hat. ({18}) Wir haben gesehen, der Rechtsstaat ist in der Lage, konsequent und angemessen zu reagieren. Wer in Deutschland fremde Mitbürgerinnen und -bürger durch die Straßen hetzt, sie beleidigt, verletzt und tötet, der kann dafür hinreichend bestraft werden. Im Rahmen der Strafzumessung müssen die Gerichte das Motiv „Ausländerhass“ sogar strafverschärfend berücksichtigen. ({19}) Wir haben an den Urteilen, die in Sachsen-Anhalt gefällt wurden, gesehen, dass auch entsprechend reagiert wird. Es wurde einmal Lebenslänglich und zweimal eine Jugendstrafe von neun Jahren verhängt. Völlig zu Recht! Das war ein klares Signal des Rechtsstaates, dass solche Gewalttaten von uns nicht hingenommen werden und dass derjenige, der sie begeht, außerhalb dieser Gesellschaft steht. Wir brauchen also zwar keine neuen Gesetze, aber wir brauchen jede Menge kreative Maßnahmen, um die Zivilgesellschaftlichkeit zu stärken und um denjenigen zu helfen, die Opfer von solchen Gewalttaten werden. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({20})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort für die F.D.P.-Fraktion hat der Kollege Rainer Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesjustizministerium ist trotz seiner geringen Größe und des geringen Volumens seines Haushalts ein bedeutendes Haus und ist hinsichtlich der Wahrung unseres Rechtsstaates, der rechtlichen Rahmenbedingungen unserer Wirtschaft und der Wahrung der Freiheitsrechte des Bürgers aus unserer Gesellschaft - Gott sei Dank - nicht mehr wegzudenken. Damit verbunden sind natürlich hohe Ansprüche an das Bundesjustizministerium, aber auch an Sie, Frau Ministerin. Diese hohe Messlatte ist auch an Ihr Vorhaben einer Justizreform anzulegen, die Sie zurzeit betreiben. Eine Justizreform macht nur dann Sinn, wenn der Rechtsschutz des Bürgers gewährt bleibt und wenn sie nicht gegen die Beteiligten, sondern mit ihnen gemeinsam durchgeführt wird. Nichts davon wird durch Ihre angebliche Justizreform erfüllt. ({0}) Der Rechtsschutz des Bürgers wird in der zweiten Instanz drastisch verkürzt. Rechtsanwälte, Richter und praktisch alle mit dem Rechtswesen verbundenen Verbände lehnen diese Reform ab. Auch die Mehrzahl der Länder hat sich in die Reihen der Kritiker begeben. Sie sollten unter diesen Umständen Ihren Entwurf schleunigst zurückziehen. Schließlich ist der Rechtsfrieden unserer Gesellschaft ein äußerst wichtiges Gut. Ehe man grundlegende Veränderungen vornimmt, muss eine ausführliche Diskussion erfolgen. Diese Diskussion haben Sie, Frau Ministerin, zwar angekündigt, aber Sie haben diese Ankündigung nicht wahr werden lassen; ({1}) denn die Anwaltsvereine, die Anwaltskammern und die Richterschaft sind nicht rechtzeitig informiert worden. ({2}) Deswegen ist es zweckmäßig, hier noch einmal genau zu fragen: Was brauchen wir für eine Justizreform? Wir brauchen im Grunde genommen noch eine grundlegende Diskussion. Mit großer Sorge sieht unsere Fraktion, dass das Patent- und Markenamt zurzeit über 100 000 Anträge nicht bearbeitet hat. Diese Zahl wird nach Auskunft des Präsidenten dieses Amtes weiter steigen. Aber die Wirtschaft und die Rechteinhaber sind auf eine zügige Abarbeitung der Anträge schon aus Gründen der Konkurrenz mit den internationalen Wettbewerbern angewiesen. Die F.D.P. wird daher bei den Haushaltsberatungen Anträge stellen - Frau Ministerin, hören Sie doch zu, dann kann man das vielleicht auch gemeinsam regeln -, das Personal weiter aufzustocken, damit beim Patent- und Markenamt ordnungsgemäß gearbeitet werden kann. ({3}) Frau Ministerin, wir sind auch bereit, Ihren zusätzlichen Wunsch zu unterstützen, einen Arbeitsstab für die Beilegung internationaler Sorgerechtsstreitigkeiten, insbesondere in Kindschaftssachen, einzurichten. Wir werden das im Haushaltsausschuss und auch im Rechtsausschuss unterstützen. Genauso unterstützen wir Ihre Vorschläge zum Täter-Opfer-Ausgleich und Ihren Kampf gegen die Gewalt in der Familie. ({4}) Mit Sorge sehen wir dagegen, dass Sie Ihre Ankündigung, die Sie schon vor zwei Jahren in diesem Hause gemacht haben - nämlich bei der Regierungserklärung -, eine fünfte und sechste Urheberrechtsnovelle einzubringen, bis heute nicht umgesetzt haben. Sie haben sich lediglich positiv zu einem Gesetzentwurf einiger Professoren zum Urhebervertragsrecht - das hat nichts mit dem Urheberrecht zu tun - geäußert. Dies ersetzt natürlich nicht das Einbringen eines eigenen Gesetzentwurfs in den Volker Beck ({5}) Deutschen Bundestag. Das Urheberrecht ist bei Ihnen wenigstens zurzeit leider noch schlecht aufgehoben. ({6}) Eine Reihe von Gesetzentwürfen, wie zum Beispiel das Mietrecht, die Änderung des Strafvollzugsgesetzes zur Gefangenenentlohnung, die Verbesserung der Juristenausbildung, die Änderungen zu Art. 16 und 12a des Grundgesetzes, bedürfen wegen ihrer grundlegenden Bedeutung ausführlicher Diskussion und eines möglichst breiten Konsenses innerhalb des Bundestages, mit dem Bundesrat und sicherlich auch mit der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang darf ich ausdrücklich betonen, dass der Ton und die Argumentationsweise von Ihnen - im Gegensatz zur früheren kollegialen Zusammenarbeit im Deutschen Bundestag - der Sache nicht immer dienlich gewesen sind. Ich will es bei dieser etwas vornehmen Umschreibung belassen. Das Justizministerium ist immer ein Hort sachgerechter Mitprüfung der Gesetzesvorhaben der anderen Fachressorts gewesen. Die Prüfung der Rechtsförmlichkeit der Gesetzesvorhaben anderer Häuser hat ja einen guten Sinn. Mit Sorge betrachte ich, dass gerade im letzten Jahr diese Prüfung allzu häufig wegen der Nichteinhaltung von Fristen durch andere Häuser nicht möglich gewesen ist. Sie haben das einfach widerspruchslos hingenommen. Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass die Vertreter Ihres Hauses im Rechtsausschuss erklären mussten, dass sie die Änderungsanträge und Vorlagen anderer Häuser auch vorher nicht gesehen haben, geschweige denn sie haben prüfen können. Gerade Sie als Justizministerin sollten darauf achten, dass in Zukunft wieder geordnete Beratungsgrundlagen im Rechtsausschuss vorhanden sind, denn nur so können wir unserem gemeinsamen Ziel, die Rechtsordnung den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Änderungen anzupassen, gerecht werden. Dazu wünsche ich Ihren hervorragenden Mitarbeitern und auch Ihnen, Frau Ministerin, Erfolg. Vielen Dank. ({7})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die PDS-Fraktion hat die Kollegin Dr. Evelyn Kenzler das Wort.

Dr. Evelyn Kenzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003159, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind bekanntermaßen Abrechnungsdebatten im doppelten Sinne. Abgesehen von der Frage, ob im kommenden Jahr das geplante Budget in vernünftiger Relation zu den anstehenden Aufgaben angesetzt wird und sachgerecht eingesetzt werden soll, geht es gerade in der ersten Lesung um eine inhaltliche Bilanz, zumal - wie die Fußballer sagen würden - gerade die zweite Halbzeit angepfiffen wurde. Die hektischen Aktivitäten des Ministeriums kurz vor Beginn der Sommerpause, um den Entwurf zum ZPO-Reformgesetz noch in der ersten Halbzeit in Richtung Tor zu bewegen, zeigen, dass man sich in der Jerusalemer Straße mächtig ins Zeug gelegt hat, um die Halbzeitbilanz positiv zu beeinflussen. Wie sieht diese Bilanz aus? Bei einigen Gesetzgebungsvorhaben der Koalition ist durchaus das eine oder andere Positive erreicht worden. Es bleibt jedoch in den verbleibenden zwei Jahren noch viel zu tun, zum Beispiel in den Bereichen der Verbraucherinsolvenz, des Sanktionensystems oder auch des Grundstücksrechts. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die wichtigen Vorhaben in dieser Legislaturperiode zu tatsächlichen Reformen geführt werden bzw. überhaupt realisiert werden können. Fraglich erscheint mir dabei insbesondere, wieweit die Bundesregierung bei ihren Reformvorhaben in der Rechtspolitik an ihren eigenen inhaltlichen Zielvorstellungen festhalten kann. Bei der Mietrechtsreform mussten Sie, Frau Ministerin, bereits an zwei wichtigen Punkten, nämlich bei der Modernisierungsumlage und bei den verkürzten Kündigungsfristen für Mieter, deutliche Zugeständnisse machen, um den Entwurf überhaupt durch das Kabinett zu bringen. Auch wenn ich weiß, dass größere und große Projekte ohne Kompromisse kaum zu haben sind, hoffe ich doch, dass die nächsten Projekte nicht unter dem mächtigen Druck der Vermieterverbände einseitig zulasten der Mieter gehen. ({0}) Sie werden dazu in Kürze auch einen ausführlichen Änderungsantrag unserer Fraktion erhalten. Die Geschichte der Justizreform in Deutschland ist im Wesentlichen eine Geschichte des Scheiterns. Sie ist auch eine Leidensgeschichte der jeweils amtierenden Justizminister. Im Gegensatz zu früheren Reformvorhaben sind die Voraussetzungen aber heute besser; denn wir verfügen dank qualifizierter rechtstatsächlicher Untersuchungen über eine gute Datenbasis. Deshalb begrüße ich auch die geplanten Mehrausgaben für Forschungen und Untersuchungen. Daten allein reichen aber nicht aus. Ich will heute nicht über die Gründe des Widerstandes gegen die Reform orakeln. Auch hier wird es naturgemäß ohne Zugeständnisse nicht abgehen. Ich sehe vor allem das Problem, dass wir jetzt zwar einen Entwurf vorzulegen haben, der vor allem die Rechtsmittelreform beinhaltet, dass jedoch die zweite Seite der Medaille, die angekündigte Reform der Gerichtsverfassung, das heißt vor allem die Frage der zu begrüßenden Dreistufigkeit, bisher nur durchscheint. Wenn jedoch, wie es sich gegenwärtig abzeichnet, bei der Rechtsmittelreform von den ursprünglichen Vorstellungen immer weiter abgewichen wird oder abgewichen werden muss, gerät das Gesamtkonzept, einschließlich eines dreigliedrigen Gerichtsaufbaus, ins Wanken. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass am Ende beide Seiten nicht mehr zusammenpassen. Um nicht missverstanden zu werden: Ich sehe durchaus begründeten Änderungsbedarf beim vorliegenden Entwurf, gerade im Hinblick auf die zweite Instanz. Die Reform des Zivilprozesses und der Gerichtsverfassung sind jedoch zwei Seiten einer Medaille und müssen deshalb aus einem Guss entstehen. Hinzu kommt, dass diese Reform, wenn sie funktionieren soll, Geld kosten wird. Wenn uns Recht und Rechtsstaat teuer sind, wie Sie, Frau Ministerin DäublerGmelin, zum Beispiel auf dem rechtspolitischen Kongress Ihrer Partei 1997 in Mainz selber gesagt haben, so muss auch offen und ehrlich über die Kosten gesprochen werden. ({1}) Denn nur wenn die Finanzierung mit den Ländern zufriedenstellend geregelt werden kann, kann die Reform einen deutlichen Schritt nach vorne machen. Zu fragen ist auch, wie die Bürgerinnen und Bürger angesprochen werden können, die die Reform doch in erster Linie angeht. Ich weiß sehr wohl, wie schwer es ist, die Bevölkerung für die Justiz insgesamt zu interessieren, über den konkreten Einzelfall hinaus. Selbst die Diskussion im Plenum fand praktisch nur unter Juristen statt. Als hätte es sich bis in die Kuppel herumgesprochen, gibt es kaum einmal interessierte Bürger, die diesen Fragen hier Aufmerksamkeit zuwenden. Erfreulicherweise sieht der neue Haushalt für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesjustizministeriums eine deutliche Steigerung vor, die hoffentlich auch für solche Zwecke verwendet wird. ({2}) Wenn Politik ein starkes beharrliches Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich bedeutet, dann hat in der Rechtspolitik zunächst ein gelegentliches, jetzt allmählich stärker werdendes Klopfen begonnen. Frau Ministerin, Sie haben sich für die zweite Halbzeit nach dem, was Sie eben hier ausgeführt haben, viel vorgenommen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge, habe jedoch auch Skepsis, ob Sie sich dabei nicht verheben werden. Dort, wo das Recht tatsächlich zu mehr Recht für die Schwächeren wird und werden soll, werden Sie in meiner Fraktion einen Verbündeten haben. ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002669, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich möchte Sie eigentlich bitten, die Sitzung zu unterbrechen, bis der Herr Bosbach wieder da ist. Erst eine solche Brandrede zu halten und dann abzuhauen gibt ein ganz schlechtes Bild ab. ({0}) Da ich aber offensichtlich die Unterbrechung nicht bekomme, muss ich ihn in Abwesenheit tadeln. ({1}) Wenn, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Falle Pofalla etwas falsch gelaufen ist, dann, da können Sie versichert sein, werden wir uns nicht gegen eine Aufklärung stellen. ({2}) Sie aber, Herr Rechtsanwalt Bosbach, wo auch immer Sie sich jetzt in diesem Hause nach Ihrer Schandrede verstecken, ({3}) sollten eines wissen: Vorverurteilungen in die eine wie in die andere Richtung sind hier nicht angebracht. ({4}) Wenn Sie hier berichten, sollten Sie auch wissen: Es war nicht nur die Staatsanwaltschaft, es war ein deutsches Amtsgericht, welches dem Immunitätsausschuss einen Beschluss vorgelegt hat. Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Immunitätsausschuss gar nicht anders entscheiden konnte. ({5}) Wo waren denn da Ihre Leute? ({6}) Ihre Brandrede zeigt doch, dass Sie eine ganz erbärmliche Justizpolitik vertreten. Da ist nichts an Form, nichts an Format, sondern nur Hetze, nur Bösartigkeit, nur Unwissen, ({7}) - nur, Herr Geis, übelste Polemik. ({8}) Wir, meine Damen und Herren, werden unsere Reformpolitik heute sachlich darstellen. Wir werden unsere Reformpolitik weiter betreiben. ({9}) Die Menschen in diesem Land haben nämlich verstanden, dass nach 16 Jahren Stillstand dieser Tu-nichts-Koalition endlich wieder etwas geschehen muss. ({10}) Mit einigem Stolz können wir auf eine gute Bilanz verweisen. ({11}) Wir haben sicher keine Gesetze am Fließband produziert, was die Opposition ja manchmal kritisiert, aber wir haben mit Verstand Gesetze mit Inhalt gemacht. Die Gesetze, die wir verabschiedet haben, überzeugen durch Inhalt und Qualität. Dabei setzen wir, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, unsere Schwerpunkte genau in den Bereichen, die die Vorgängerregierung entweder nicht erkannt oder sträflich vernachlässigt hat. Das sind die Gebiete des Gesellschaftsrechts, des Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts, besonders aber die ordentliche Gerichtsbarkeit, die dringend der Reform bedarf. ({12}) Wir haben einen mutigen Schritt getan, indem wir das Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften in einer viel beachteten ersten Lesung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht haben. Hier hat sich gezeigt, dass die rot-grüne Rechtspolitik arbeitsfähig und zukunftsorientiert ist. Wir haben das Ende der Diskriminierung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung eingeläutet und damit für einen großen Personenkreis neue gesellschaftliche Perspektiven geschaffen. ({13}) - Herr Beck hat sich bei mir entschuldigt. - Wir erwarten von allen Parteien hier im Bundestag, dass sie nicht nur polemisieren, sondern es so wie Ihre Vorsitzende machen, die ja schon auf die Schwulen und Lesben Ihrer Partei zugegangen ist, und mit uns über das Thema sachlich reden. Die Bürgerinnen und Bürger der mittel- und ostdeutschen Bundesländer finden in uns einen Anwalt ihrer Sache. So haben wir im Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz die Stellung der Opfer verbessert und ihre Rechte gestärkt. Mit dem Grundstückrechtsänderungsgesetz wollen wir den Ländern und Kommunen mehr Planungssicherheit geben. Es ist für mich völlig unverständlich, dass dieses Gesetz von der Mehrheit im Bundesrat blockiert wird. ({14}) Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Koalition, eine zukunftsorientierte Planung unserer Ministerin und eine solide und gründliche Fleißarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizministerium werden weitere Früchte unserer Arbeit bringen. Dank der neuen Offenheit der Justizministerin im Gesetzgebungsverfahren wissen diejenigen, die es angeht, dass wir insbesondere das Insolvenzgesetz ändern und die Zugänge für die Verbraucherinsolvenz öffnen. Herr Pick - - Er ist auch nicht da; ({15}) alle, die ich ansprechen will, sind nicht da. ({16}) Herr Professor Pick, ich wollte Sie gerade loben: So sehen insbesondere die Väter des Insolvenzgesetzes aus der 12. Legislaturperiode, dass es hier weitergeht. ({17}) Wir wollen eine Chance für die gutwilligen Schuldner eröffnen, damit sie wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen können. ({18}) Das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung stellen sich derzeit immer wieder als Hemmnisse einer prosperierenden Wirtschaft dar. Dafür haben Sie 16 Jahre lang kein Auge gehabt. Dies in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen zu verbessern wird eines unserer Ziele sein. Ebenso werden wir uns - da bin ich anderer Ansicht als Sie, Herr Funke - dem Urheberrecht mit besonderer Aufmerksamkeit widmen. ({19}) Ich lade Sie als Fachmann besonders zu den Gesprächen ein. Wir unterstützen den Weg unserer Bundesjustizministerin, die Personaldecke im Deutschen Patent- und Markenamt zu verbessern. Wir wissen, dass es hier seit langem einen Schwachpunkt gibt, den wiederum Sie mitverursacht haben. ({20}) Wir wissen, dass hier eine moderne technische Ausstattung notwendig ist. Hier kann die Frau Ministerin alle Unterstützung von uns erwarten. ({21}) Eine unserer wichtigsten Aufgaben wird es jedoch sein, die ordentliche Gerichtsbarkeit so zu modernisieren, ({22}) - dass sie bürgernah und effizienter wird und sich im europäischen Wettbewerb behaupten kann. Wenn Herr Bosbach - ich habe das eben in die Debatte geworfen - selbst lesen und nicht lesen lassen würde, wie er es offensichtlich getan hat, ({23}) dann würde er merken, dass der Entwurf, wie wir ihn von der Koalition eingebracht haben und wie er mittlerweile als Regierungsentwurf im Bundesrat vorliegt, durchaus eine sehr positive Beachtung gefunden hat. ({24}) Ihr Herr Röttgen hat vom Deutschen Richterbund eins übergebraten bekommen, weil er ihn falsch zitiert hat. ({25}) Ich verstehe aber auch, dass wir die Politik nicht auf den Deutschen Richterbund übertragen dürfen. Wir haben diesen Koalitionsentwurf eingebracht, weil wir wissen, und zwar nicht erst seit gestern, dass die Justiz reformbedürftig ist. ({26}) Sie wissen das ebenfalls, denn Sie haben einen Entwurf eingebracht, dessen Vorschriften sich zu etwa 40 Prozent mit unseren Vorschlägen decken. Nur, heute tun Sie so, als ob Sie von nichts mehr wüssten. Aber es ist ja bei Ihnen in der Union nichts Neues, dass man vergisst, was man gestern gesagt hat. ({27}) Es ist hier wenig hilfreich, immer nur Nein zu sagen. Heribert Prantl, den Sie sicherlich alle kennen und schätzen, hat gesagt: Die deutsche Justiz ist nicht das Paradies auf Erden und die Zivilprozessordnung ist auch nicht die Heilige Schrift. Er hat im „Deutschen Anwaltsblatt“ 9/2000 - Bosbach sollte das lesen -, zum Besten gegeben -

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hartenbach, bevor Sie weiterzitieren, muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Alfred Hartenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002669, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Schade, Frau Präsidentin, dass Sie mich hier stoppen. Ich komme jetzt zum Schluss. Gestatten Sie mir noch ein Wort.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Aber wirklich nur ein kurzes!

Alfred Hartenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002669, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wirklich nur ein Wort. Wenn Sie immer nur Nein sagen, kommen wir nicht weiter. ({0}) Bringen Sie doch auch einmal wieder etwas Positives hier ein, nicht nur schwarze Kassen, Meineide und Falschaussagen. ({1}) Ich kann Ihnen eines sagen: Wir werden das gemeinsam schaffen. Ihnen, Frau Ministerin, danke ich sehr herzlich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich bitte Sie, dies auch Ihrer Leitungsebene und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitzuteilen, die ich genauso schätze wie Herr Funke. Deswegen habe ich ihm eben eine Kusshand zugeworfen; Sie wissen das.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hartenbach, das war jetzt wirklich ein sehr, sehr langes Wort.

Alfred Hartenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002669, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Langmut, Frau Präsidentin, und wünsche noch ein schönes Wochenende. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Redner in dieser Debatte zum Geschäftsbereich Justiz ist der Kollege Albrecht Feibel für die Fraktion der CDU/CSU.

Albrecht Feibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Bürgerinnen und Bürger! Herzlich willkommen hier bei uns im Reichstag! ({0}) Vorhin wurde noch gesagt, es gebe keine interessierten Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen also das Gegenteil feststellen. Da der Bundesfinanzminister anwesend ist, möchte ich noch eine Bemerkung zu seinen Äußerungen in diesen Tagen machen - die Kollegen von den Koalitionsfraktionen haben sich dem angeschlossen -, bevor ich etwas zu der Frau Justizministerin sage. Es geht mir um die 50 Pfennig, die unter der CDU/CSU-Regierung als Steuer auf die Treibstoffkosten aufgeschlagen wurden. Lieber Herr Bundesminister, Sie verschweigen zweierlei: Erstens. Die Steuererhöhungen wurden in fast allen Fällen auch mit Zustimmung der SPD durchgeführt, ({1}) - wobei aber Ihre Änderungsanträge - ich habe mir das extra angeschaut - lediglich formaler Natur waren. Sie hatten nie das Ziel, diese Erhöhungen nicht in dieser Größenordnung durchführen zu wollen. Zweitens. Sie wissen - aber verschweigen es -, dass diese Steuererhöhungen nicht willkürlich waren, sondern dass es darum ging, damit die Kosten des Golfkrieges, der Bahnreform und der deutschen Einheit mit zu finanzieren. ({2}) Wie wir wissen, hat die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt 1998 wichtige Reformen der Vorgängerregierung zurückgenommen, ({3}) - beispielsweise Rentenreform und Gesundheitsreform. Bisher konnten wir allerdings nicht feststellen, Herr Bundesminister, dass die Regierung Schröder die damaligen Steuererhöhungen zurückgenommen hätte. Die Bundesregierung von SPD und Grünen kritisiert zwar, kassiert aber diese Erhöhungen munter weiter. Während sie kritisiert, sattelt sie weitere Belastungen drauf. ({4}) - Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Das tut Ihnen natürlich weh. ({5}) Diese Politik führt zu gewaltigen Belastungen der Familien. Dieser Punkt muss doch immer wieder angesprochen werden. Wer in diesem Jahr für die Heizkosten 2 000 DM gezahlt hat, der zahlt im nächsten Jahr 4 000 DM. Herr Kollege Hartenbach, das ist Ihre soziale Politik. ({6}) Sie verstehen unter sozialer Politik, dass Sie die Familien, und gerade die mit geringem Einkommen, mit ihrer Ökosteuer - die diese Bezeichnung ja gar nicht verdient - doppelt belasten. ({7}) Trotz einer leichten Verbesserung der Arbeitsmarktzahlen ist das Arbeitslosenproblem immer noch bedrückend. Ich nehme an, auch Sie stimmen dem zu. Auch Frau Engelen-Kefer vom DGB kritisiert die Stagnation auf dem Arbeitsmarkt: zu wenig neue Arbeitsplätze und zu viele ältere Langzeitarbeitslose. Da hilft kein Schönreden, wir haben immer noch rund 4 Millionen Arbeitslose. Daraus folgt: Die Bundesregierung muss alles tun, um das notwendige Wirtschaftswachstum zu fördern, damit das Problem der Arbeitslosigkeit wirksam angegangen werden kann. ({8}) - Hören Sie ruhig einmal zu! Sie haben sich vorhin über den Kollegen Bosbach aufgeregt. Sie sollten wissen, dass er vorhin unterwegs war, um den Kollegen Beck von den Grünen zu suchen. Deswegen war er nicht anwesend. ({9}) Wichtiger Impulsgeber für das Wirtschaftswachstum und für neue Arbeitsplätze ist die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Deshalb - Frau Ministerin, vielleicht hören Sie jetzt einmal zu - kommt dem Patentund Markenwesen in diesem Zusammenhang ganz besondere Bedeutung zu. ({10}) Das erkannte die Frau Ministerin im letzten Jahr noch und führte dann aus: ({11}) Soweit die Frau Ministerin im letzten Jahr. Diese 49 neuen Stellen haben Sie zwar versprochen, aber weder in 2000 geschaffen, noch haben Sie die Absicht, dies in 2001 zu tun. ({12}) Tatsächlich sind es nämlich weniger Stellen, die Sie in München schaffen werden, obwohl die Zahl der Patentanmeldungen enorm gestiegen ist. Von 1999 bis 2000 haben Sie in Wirklichkeit nicht 49 Stellen, sondern lediglich 10,5 neue Stellen geschaffen. ({13}) Von 2000 zu 2001 wollen Sie 32,5 neue Stellen schaffen. Frau Ministerin, Sie sollten ruhig zuhören. ({14}) Das sind von 1999 bis 2001 knapp 2 Prozent mehr Stellen. Gleichzeitig sind die am Jahresende bestehenden Überhänge an nicht bearbeiteten Patentanmeldungen das waren 1995 noch 70 000 - auf mehr als 100 000 gestiegen. Das heißt, die Überhänge sind um 30 Prozent gestiegen. Diese Steigerung von 30 Prozent wollen Sie mit einer Personalaufstockung in Höhe von 2 Prozent ausgleichen. Meine Damen und Herren, Erfindungen, Entwicklungen und neue Marken sind ungeheuer wichtig zur Stärkung des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Diese Zusammenhänge sollte man ernst nehmen. Die Bundesregierung sollte ein realistisches Verhältnis zwischen der Zahl der Beschäftigten und der Zahl der zu bearbeitenden Anträge herstellen. Von einer solchen Annäherung sind Sie, Frau Ministerin, meilenweit entfernt. Dieser Zustand schadet dem Wirtschaftswachstum und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. ({15}) - Herr Stiegler, damals gab es am Jahresende nur 40 000 bzw. 50 000 Überhänge. Heute sind es 100 000. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Diese Überhänge haben Sie abzubauen, indem Sie Personal einstellen. ({16}) Sie schaffen viel zu wenig neue Stellen. Gleichzeitig haben Sie, Frau Ministerin, die Gebühren für die Patentanmeldungen und für die Patentbearbeitungen kräftig erhöht. Diese Gebührenerhöhungen werden aber nicht zu einer beschleunigten Bearbeitung der Anträge genutzt. Sie belasten die Antragsteller stattdessen zusätzlich zu den ungebührlich langen Wartezeiten. ({17}) - Wenn das wirklich falsch sein sollte, könnten Sie es ja nachher richtig stellen. In einer Zeit, in der Erfindungen insbesondere im Kommunikationsbereich eine immer kürzere Halbwertszeit haben, müssen unsere Erfinder zwei oder drei Jahre warten, wenn sie ihr neues Produkt patentgeschützt auf den Markt bringen wollen. Das ist eine unerträgliche Situation. Durch solche Personalengpässe wird die Wirtschaftsentwicklung bewusst und vorsätzlich ausgebremst sowie Innovationskraft geschädigt und nicht gefördert. Der Haushalt des Deutschen Patent- und Markenamtes ist - ohne Bundesmittel - bei den Einnahmen und Ausgaben nicht nur ausgeglichen, er würde sogar einen Überschuss ausweisen, wenn nicht von diesen Einnahmen auch noch das Bundespatentgericht finanziert werden müsste. Frau Ministerin, wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, dass das DPMA eine angemessene Personalausstattung erhält, die die Chance eröffnet, die Bearbeitungszeiten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Lösen Sie Ihre Versprechungen ein und setzen Sie dieses Amt in den Stand, die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken zu helfen! Wenn man auf der anderen Seite den Ansatz, den Sie in Ihrem Etat für Öffentlichkeitsarbeit vorsehen, betrachtet, dann ist festzustellen: Da sieht die Welt ganz anders aus. ({18}) 1999 hatten Sie 443 000 DM für Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen. In diesem Jahr waren es 475 000 DM. Für das Jahr 2001 erhöhen Sie diesen Ansatz um 50 Prozent auf 675 000 DM. ({19}) Dieses Geld sollten Sie besser zur Förderung der Arbeit im Deutschen Patent- und Markenamt einsetzen als für Ihre Öffentlichkeitsarbeit. Vielleicht können Sie uns einmal erklären, was mit diesem Geld geschehen soll. ({20}) Jedenfalls können Sie sich nicht länger mit der bestehenden Erblast herausreden. Seit zwei Jahren tragen Sie für das Deutsche Patent- und Markenamt in München die Verantwortung. Seit zwei Jahren ist nichts Wesentliches geschehen, um dort eine beschleunigte Bearbeitung der Anträge zu erreichen. Danke schön. ({21})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Feibel, dies war Ihre erste Rede im Plenum des Deutschen Bundestages. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen möchte ich Sie dazu recht herzlich beglückwünschen. ({0}) Gestatten Sie mir ein Kompliment: Sie haben bei Ihrer ersten Rede auf Anhieb Ihre Redezeit eingehalten. ({1}) Das ist eine Eigenschaft, über die wir fast alle nicht so recht verfügen. Weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz liegen nicht vor. Wenn ich den Saal recht überschaue, gibt es auch keine weiteren Suchmeldungen nach Abgeordneten, die wir während der Debatte ja reichlich hatten. Wir kommen deshalb zur Schlussrunde. Ich erteile zunächst dem Bundesfinanzminister Hans Eichel das Wort. Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen ({2}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor sehr gelichteten Reihen möchte ich ein paar kurze Schlussbemerkungen machen: Erstens. Was hätten Sie, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, nur gemacht, wenn Sie das Thema Ökosteuer nicht gehabt hätten? ({3}) Wie hätten Sie dann, nach all dem, was Sie hier geboten haben, die Haushaltsdebatte geführt? ({4}) Es war eine ziemlich lustlose, teilweise kabarettistische Veranstaltung; um den Haushalt ging es nur wenig. ({5}) - Ich bin bereit, Herr Rexrodt, zu differenzieren. Ich bin dazu ausdrücklich bereit. - Es ging immer nach demselben Motto: Überall, bei jedem Einzelplan, müsste es ein wenig mehr sein, insgesamt aber wird zu wenig gespart und viel zu viel ausgegeben, außerdem wurde bei den Steuern viel zu wenig gesenkt. ({6}) Im Übrigen haben Sie mit den Schulden gar nichts zu tun. ({7}) Nachdem ich das nun zum zweiten Mal in diesem Hause erlebe, verstehe ich, dass die Finanzlage des Bundes so zustande gekommen ist, wie sie sich heute darstellt. ({8}) Sie können aber sicher sein: Genauso werden wir das nicht weitermachen. Deswegen sind wir auf Konsolidierungskurs gegangen, den wir nunmehr im zweiten Jahr halten. Das ist eine Grundsatzentscheidung; denn nur derjenige, der Ausgabendisziplin übt, wird die Finanzen in Ordnung bringen. Nur derjenige, der Ausgabendiszplin übt, hat auch die Chance, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Dass das keine buchhalterische Frage ist, hat inzwischen das ganze Land verstanden. Die Menschen haben verstanden, dass es um die Zukunft unserer Kinder und der nächsten Generationen geht, dass wir etwas für deren Bildung tun und ihnen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen müssen, ihnen anstatt immer neue Schulden aufzuhäufen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. ({9}) Deswegen gehen wir zunächst konsequent den Weg zu einem Haushalt ohne neue Schulden. Heute tun wir den zweiten Schritt; ihm müssen noch mehrere folgen, bis wir einen ausgeglichenen Haushalt - ich hoffe, in 2006 - erreicht haben. Dann erst beginnt der Abbau der Staatsverschuldung. Wir werden lernen müssen - ich wiederhole das -, uns auch über die Grenzen hinweg zu orientieren. Zu dem Zeitpunkt, da wir erst den Gipfel der Staatsverschuldung erreicht haben, sind andere Länder - Dänemark ist so ein Fall - schon fast frei von ihrer Staatsschuld. Wer sich überlegt, ({10}) - was das für die Chancen der jungen Dänen im Verhältnis zu den Chancen der jungen Deutschen bedeutet, wird darüber nachdenken, was ihn seine Kinder eines Tages fragen werden, wenn wir diesen Weg nicht endlich konsequent gehen werden. Deswegen bitte ich um etwas mehr Seriosität und Konsequenz in den Haushaltsberatungen. ({11}) Es kann sich keiner, der in diesen Beratungen ernst genommen werden will, mehr erlauben, nur die Einnahmeseite oder nur die Ausgabeseite zu betrachten. Denn man muss das eine immer im Zusammenhang mit dem anderen sehen. Zweitens. Dieser Haushalt ist der Haushalt, der die größte Nettoentlastung von Steuern und Abgaben, die es je in der Geschichte der Bundesrepublik innerhalb eines Jahres gegeben hat, verkraften muss. ({12}) Die Nettoentlastung beträgt innerhalb eines einzigen Jahres 45 Milliarden DM, das sind 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. So etwas hat es noch nie in Deutschland gegeben und so etwas gibt es gegenwärtig auch nirgendwo anders in Europa. Wir haben eine Steuerreform gemacht, die nachhaltig - dann jährlich - zu einer Entlastung von 93,5 Milliarden DM führt. Und um noch einmal Ihr altes Märchen mit Zahlen zu widerlegen: Davon kommen 65 Milliarden DM bei den privaten Haushalten an, 30 Milliarden DM bei den kleinen und mittleren Unternehmen, während die Großunternehmen sogar mit einer kleinen zusätzlichen Belastung dabei sind. Aber deren Problem war nie die objektive Steuerlast, sondern das im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähige Steuerrecht und Steuersystem. Auch das haben wir geändert. ({13}) Nun noch wenige Bemerkungen zur Ökosteuer. Herr Feibel, auf Ihre Bemerkungen muss ich zurückkommen; die waren gottvoll. Solch eine gute Vorlage habe ich selten bekommen; das war schon fast ein Elfmeter. Sie sagen - wenn ich Sie daran erinnern darf -, Sie hätten die Mineralölsteuer wegen des Golfkrieges erhöht. Dazu kann ich nur sagen: Dieser war auch in Ihrer Regierungszeit schon lange vorbei. Wenn das der Grund gewesen wäre, hätten Sie schon lange vorher die Mineralölsteuer zurückführen müssen. Das ist übrigens wie mit der Sektsteuer. Diese hätten Sie auch schon lange abschaffen können, denn diese ist vor dem Ersten Weltkrieg wegen der Reichskriegsflotte eingeführt worden. ({14}) - Ja, aber daran sehen Sie, dass man mit einer solchen Argumentation nicht weiterkommt. ({15}) In einem Punkt haben Sie völlig Recht: Im Unterschied zu Ihnen, wenn Sie in der Opposition sind, haben wir auch einmal zugestimmt, wenn wir etwas für vernünftig hielten. Da davon die Rede ist, wer was zu verantworten hat, habe ich mir angesehen, wie das mit der Mineralölsteuer zu den verschiedenen Regierungszeiten war.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Minister, gestatten Sie zuvor eine Zwischenfrage?

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Nein. Jetzt macht die Mineralölsteuer je Liter Benzin 1,10 DM aus. Herr Stoiber hat - ich glaube, es war vorgestern Abend - von „Luxussteuer“ gesprochen, die besonders die kleinen Leute treffe, was wir zu verantworten hätten. Meine Damen und Herren, von diesen 1,10 DM sind zuzeiten der Regierungsführung der CDU/CSU ({0}) - 79 Pfennig und zuzeiten der großen Koalition, an der wir unter Ihrer Führung beteiligt waren, 3 Pfennig - diese können Sie draufrechnen, wenn Sie wollen, Herr Austermann; Sie können es auch lassen - beschlossen worden. Unter unserer Führung waren dies 28 Pfennig. ({1}) Ich wiederhole: Von den 1,10 DM verantworten Sie 79 Pfennig ({2}) - und wir 28 Pfennig. Damit wir dies nur richtig festhalten: Abzocke in Sachen Mineralölsteuer haben allein Sie betrieben. ({3}) Sie haben ungeheuer viel Gelegenheit, über dieses Thema zu reden. Sie können natürlich sicher sein, sehr verehrter Herr Austermann, dass wir dafür sorgen werden, dass jeder Haushalt im Lande dieses Tableau in die Hand bekommt. ({4}) Alle Sozialdemokraten - ich vermute, auch alle Grünen werden das gerne sehen. Weil Ihr Debattenbeitrag, Herr Rexrodt, diesmal freundlicher war - das habe ich gern zur Kenntnis genommen -, will ich nur in aller Freundschaft darauf hinweisen: Es gibt eine Partei, die noch mehr beteiligt war, und das ist die F.D.P. ({5}) Die F.D.P. war nämlich meistens in der Regierung und an 85 Prozent der Mineralölsteuererhöhungen beteiligt. ({6}) Dies werden wir gelegentlich sagen müssen, wenn Sie wieder Aktionen an den Zapfsäulen machen. Dies sage ich nur, damit richtig verstanden wird, wie es angesichts der Veranstaltungen, die Sie gegenwärtig machen, mit Ihrer Glaubwürdigkeit aussieht. ({7}) Es gibt einen großen Unterschied: Sie haben - dagegen will ich gar nichts sagen - die Mineralölsteuer wegen des Golfkriegs erhöht. Wir - das gebe ich zu - erhöhen die Mineralölsteuer, um die Rentenversicherungsbeiträge zu senken. ({8}) Hier sind wir am entscheidenden Punkt. Zu allem, was Sie an Wohltaten versprechen, müssen Sie immer auch sagen, wie Sie das finanzieren wollen. Etwas anderes wird man Ihnen nicht durchgehen lassen, denn die finanzpolitische Debatte hat in diesem Punkt sehr an Seriosität gewonnen. Wenn Sie ernst genommen werden wollen, werden Sie das zugeben müssen. ({9}) Es reicht nicht, zu sagen: Wir wollen die nächste Stufe der Ökosteuer - das sind in der Tat 5 Milliarden DM - nicht. Vielmehr müssen Sie auch sagen, dass dies entweder dazu führt, dass der Rentenversicherungsbeitrag wieder steigt - dies werden Sie gegenüber den Menschen, die Rentenversicherungsbeiträge bezahlen, ausrechnen müssen -, ({10}) - oder dass neue Schulden gemacht werden. Dazu sage ich Ihnen dezidiert: Genau das machen wir nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({11}) Dass das Konzept im Übrigen vernünftig ist, bestätigen Ihnen zurzeit - wenn Sie einmal in die Zeitung schauen so ziemlich alle Wirtschaftsforschungsinstitute und alle Wirtschaftswissenschaftler. Da sagt heute - ich nehme nur einen für viele - der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, das bekanntlich in München sitzt und ansonsten Gutachten schreibt, die vor allem der Bayerischen Staatsregierung gefallen, zu dieser Frage: Wenn man mit der Ökosteuer die Rentenbeiträge und damit die Lohnkosten senken kann und damit Arbeitsplätze schaffen kann, mag man das durchaus positiv sehen. - So sehen es die Wirtschaftsforschungsinstitute durchweg. ({12}) Wenn Sie sich außerdem den europäischen Vergleich ansehen, stellen Sie fest, dass Deutschland nicht nur beim Preis, sondern auch beim Steueranteil unterhalb des Durchschnitts in der Europäischen Union liegt. Das wollen wir bei der Gelegenheit auch einmal festhalten, meine Damen und Herren. ({13}) Und noch eines - das ist schon ein ziemliches Stück aus dem Tollhaus: Vorgestern, pünktlich zu Ihrer Debatte, erhöhen die Mineralölkonzerne ({14}) - die Preise für Benzin um 4 Pfennig und für Diesel um 5 Pfennig. Haben wir da irgendetwas mit der Ökosteuer gemacht? Sie sollten sich den Zusammenhang zwischen Besteuerung und Preispolitik der Konzerne einmal genauer anschauen. Dass ich als Sozialdemokrat eines Tages der Christlich Demokratischen Union und - mit Verlaub auch der F.D.P. etwas über die Regeln der Marktwirtschaft erzählen muss, habe ich mir auch nicht träumen lassen. ({15}) - Seien Sie ganz vorsichtig! Sogar Herr Gysi hat dazu in Ihre Richtung eine zutreffende Bemerkung gemacht - und der kommt aus der Planwirtschaft. Passen Sie auf, dass Sie da nicht hinmarschieren! ({16}) Der Sachverhalt ist ja ganz einfach - Sie wissen das auch -: Die Unternehmen nehmen, was der Markt hergibt. ({17}) Allerdings - das ist das Problem und deshalb hätten Sie, Herr Feibel, diesen Beitrag nicht leisten dürfen -: Wissen Sie, wo die Preise am stärksten gestiegen sind? Beim Heizöl. Sie haben gesagt, im vorigen Jahr betrug die Rechnung für die Winterperiode 2 000 DM, dieses Jahr 4 000 DM. In dieser Zeit gab es keinen Pfennig Steuererhöhung! ({18}) Die letzte Steuererhöhung beim Heizöl hat am 1. April 1999 stattgefunden. ({19}) In der Ökosteuer ist das Heizöl überhaupt nicht drin. ({20}) - Lachen und Zurufe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr verehrter Herr Koppelin, die Mehrwertsteuer ist das letzte Mal unter Ihrer Verantwortung erhöht worden. Das wollen wir auch noch festhalten. ({21}) Wir wollen also festhalten: Wenn voriges Jahr das Heizöl bei 50 Pfennig pro Liter lag, wenn am 1. April 1999 für viele Jahre letztmalig die Mineralölsteuer auf das Heizöl um 4 Pfennig erhöht worden ist ({22}) - und jetzt der Liter Heizöl bei 1 DM liegt, dann stellen wir fest, dass es die höchste Preiserhöhung gerade dort gibt, wo die Steuer überhaupt keine Rolle spielt. ({23}) Auch in Bezug auf die Mineralölsteuer müssen Sie aufpassen, was da im Moment passiert. Die größten Erhöhungen werden beim Diesel vorgenommen. ({24}) - Ich darf vielleicht einen Moment um Ruhe bitten. Es ist ein bisschen unruhig bei den Herren da drüben, ({25}) - auch wenn ich verstehen kann, dass denen das nicht gefällt. ({26}) Beim Diesel gibt es inzwischen auf den Steueranteil von 74 Pfennig einen Aufschlag von über 1 DM, denn der Preis beträgt schon fast 1,80 DM. Beim Benzin haben wir einen Steueranteil von 1,10 DM, während der Preis bei knapp über 2 DM liegt. Was passiert also? - Hier wird auf kaltem Weg, weil man bei Diesel noch Spielräume für Preiserhöhungen sieht, der Preis ordentlich mehr angehoben. Man stellt fest, dass der Preis für Diesel langsam an den Preis für das Benzin herankommt. Das hat aber mit der Steuer gar nichts zu tun, ({27}) - denn die Steuer beim Diesel ist wesentlich niedriger und ist auch nicht stärker erhöht worden als beim Benzin. Muss man Ihnen denn wirklich erklären, dass das ausschließlich eine Frage dessen ist, welchen Preis man am Markt erzielen kann? Deswegen ist auch völlig klar: Wenn wir den Platz räumen, dann rücken die nur nach. Das ist die eiserne Konsequenz der Marktwirtschaft. ({28}) Deswegen ist es schon ein dreistes Stück, wenn Sie an den Tagen, an denen die Mineralölkonzerne die Preise hochtreiben, in Ihren Reden gegen die Bundesregierung zu Felde ziehen. Hätten Sie nur einige Worte über das Verhalten der Konzerne gefunden, hätten Sie den Interessen der Autofahrer und Bürger im Lande besser gedient. ({29}) Nun zu der „Belastung der Familien“. Herr Feibel, Sie sind zwar neu im Parlament, aber auch das hätten Sie nicht sagen dürfen. Es war doch das Bundesverfassungsgericht, das Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, die Familie während Ihrer Regierungszeit verfassungswidrig hoch besteuert zu haben. ({30}) Und wir sind es, die den Mangel, den Sie zu verantworten haben, jetzt mit unseren Gesetzen beseitigen. ({31}) Ich will Ihnen auch sagen, wie wir Abhilfe schaffen, nämlich durch die dreistufige Steuerentlastung, die wir bereits durchgesetzt haben - damit beziehe ich das InKraft-Treten der letzten Stufe zum 1. Januar 2001 ein und durch die eine Durchschnittsverdienerfamilie mit zwei Kindern eine Entlastung in Höhe von 2 600 DM im Jahr erfährt. Darin enthalten ist auch die zweimalige Erhöhung des Kindergeldes. Und nachdem Sie zehn Jahre lang beim Wohngeld nichts getan haben - damit komme ich zum nächsten Punkt -, erhöhen wir zudem mit unserem Haushalt für das Jahr 2001 das Wohngeld. Wir erhöhen die BAföG-Leistungen. ({32}) Auch in diesem Bereich haben Sie zehn Jahre lang nichts getan - mit fürchterlichen Folgen. Im Jahr der deutschen Einheit wurden noch 605 000 Studentinnen und Studenten durch das BAföG gefördert, am Ende Ihrer Regierungstätigkeit waren es nur noch 340 000. Das ist Bildungsabbau im gröbsten Sinne. Das haben Sie zu verantworten. ({33}) Das ist schlimm für unseren künftigen Wohlstand; denn wer so wenig in die Bildung junger Leute investiert und Kinder aus Familien mit geringem Einkommen dadurch am Studieren hindert, versündigt sich am künftigen Wohlstand dieses Volkes, meine Damen und Herren. ({34}) Der Anteil des Haushaltes für Forschung und Bildung wird gerade durch unsere Konsolidierungspolitik systematisch erhöht. Auch das wollen wir festhalten: Sie haben uns einen Haushalt hinterlassen, wo dessen Anteil am Bundeshaushalt 3,11 Prozent betrug. Bei uns erreicht dieser Anteil im nächsten Jahr bereits 3,21 Prozent. Nein, meine Damen und Herren, dies ist ein Haushalt, der die Zukunft sichert, und wir haben Erfolg damit. ({35}) Das Wirtschaftswachstum war seit über zehn Jahren nicht so hoch wie heute; das ist die Wirklichkeit. Die Beschäftigung baut sich auf, wie dies seit der Wiedervereinigung nicht mehr der Fall war. Wir werden 170 000 neue Beschäftigte in diesem Jahr und 270 000 im nächsten Jahr haben. ({36}) Und die Preise sind, obwohl man da aufpassen muss, nach wie vor stabil. Deswegen sind wir auf dem richtigen Weg. Es muss Ihnen schon zu denken geben, wenn die internationale Bewertung Deutschlands auf dem Weg zur Weltspitze so ausfällt, dass Deutschland bereits in einem Jahr, nämlich von 1998 auf 1999 - das war also nach dem Regierungswechsel -, von Platz 6 auf Platz 3 gestiegen ist, vor uns nur noch Finnland und die Vereinigten Staaten. Und das, obwohl die Einkommen- und Unternehmensteuern zu hoch waren! In diesem Bereich greift jetzt unsere Reform. Ich bin gespannt, wie die Bewertung Deutschlands nächstes Jahr aussieht. Heute ist im „Handelsblatt“ zu lesen: Manager geben dem Standort Deutschland Bestnoten, die Arbeit der Bundesregierung wird von Führungskräften positiv bewertet, die Investitionsbereitschaft wächst. Und zum Schluss steht dort: Sie äußern sich über den Standort Deutschland so positiv wie nie seit Beginn der Umfragen Anfang 1999. Wir sind also auf dem richtigen Wege. Es wäre gut, wenn Sie draußen nicht versuchten, das Volk aufzuhetzen. Bei allem Ärger der Menschen, den ich verstehen kann, muss ich nämlich sagen: Eine Verantwortung tragen auch Sie, nämlich die, die enorm positive Entwicklung in Deutschland nicht wieder in Gefahr zu bringen durch unsinnige Aktionen, die uns keinen Deut weiterbringen. ({37}) Meine Damen und Herren, gehen Sie einmal davon aus: Diese Bundesregierung hält Kurs. Diese Bundesregierung hat schon im vorigen Jahr gegen alle Ihre Widerstände und auch gegen Lobbyisten den notwendigen Konsolidierungskurs durchgesetzt. Damit sich da keiner täuscht: Was wir im vorigen Jahr an Standhaftigkeit erprobt haben, hält auch dieses Jahr. ({38})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, Sie haben sich möglicherweise versprochen. Deswegen möchte ich richtig stellen, was beim Publikum eventuell als Falschaussage angekommen ist. Sie haben behauptet, an der Höhe des Heizölpreises habe die Bundesregierung keine Schuld. Im letzten Jahr sei von Ihrer Seite aus nichts passiert. Nun weiß ich, dass die Haushaltspolitiker immer das letzte Jahr für das Jahr nehmen, in dem man sich befindet, wobei das neue das eigentlich gültige Jahr ist. Erstens. Die Ökosteuer hat natürlich, wie Sie genau wissen, auch das Heizöl verteuert: 4 Pfennig im Jahre 1999. Diese Verteuerung setzt sich fort. ({0}) Zweitens. Über die Mehrwertsteuer sind Sie ein Trittbrettfahrer der OPEC und der anderen Organisationen, die die Preise treiben. ({1}) Drittens. Auch die Euro-schädliche Politik, über die vor allen Dingen in der Wirtschaftsdebatte gesprochen worden ist, trägt natürlich dazu bei, dass sich die Preise so entwickelt haben. Die Relation Euro-Dollar ist zum Teil auch auf das Versagen der Bundesregierung zurückzuführen. ({2}) Nun haben Sie sich auf den wirtschaftlichen Sachverstand berufen. Dazu lese ich Ihnen ganz kurz vor, was ein wirklich anerkannter Sachverständiger im Bereich der Wirtschaft, der Vorstandschef des größten deutschen Unternehmens, Herr von Pierer - übrigens auch aus München, wie das Institut, das Sie erwähnt haben -, ({3}) - heute in einer Zeitung dazu sagt: Die Ökosteuer lähmt unseren Aufschwung. Dies kann man ganz leicht nachvollziehen. Darauf möchte ich mich beschränken. Das, was an Energiepreisverteuerung innerhalb eines Jahres auf Bürger und Betriebe zukommt, summiert sich mit Ökosteuer, Mehrwertsteuer und höheren Preisen für Gas und Heizöl auf ein Gesamtvolumen von 65 Milliarden DM im Jahr. Dies übersteigt bei weitem das, was es möglicherweise am 1. Januar 2001 durch die Steuerreform an Bürgerentlastung geben wird. ({4}) Jeder Vermieter denkt heute darüber nach, den Bürgern die Heizkostenabrechnung im nächsten Jahr dadurch zu erleichtern, indem er die Vorauszahlungen erhöht. Auch der Bund müsste das tun und tut es wahrscheinlich auch. Wenn die Situation so ist, wie können Sie dann versuchen, den Bürgern vorzumachen, dass Sie mit alldem nichts zu tun haben? ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zur Erwiderung, Herr Bundesfinanzminister Eichel, bitte.

Hans Eichel (Minister:in)

Politiker ID: 11003522

Erstens. Herr Austermann, ich wiederhole: In den Heizölpreisen, von denen Herr Feibel gesprochen hat, nämlich in der Steigerung von 2 000 DM aus der vorherigen Heizperiode auf 4 000 DM in dieser Heizperiode, steckt kein Pfennig Erhöhung über die Ökosteuer drin, weil das Heizöl in dem betreffenden Gesetz überhaupt nicht enthalten ist. Die letzte Erhöhung - in den nächsten Jahren ist keine geplant - hat am 1. April 1999 stattgefunden und betrug 4 Pfennig. ({0}) Also steckt in der Verdoppelung des Heizölpreises ich wiederhole das - von der vorherigen Heizperiode zu dieser Heizperiode kein einziger Pfennig Steuererhöhung durch die Bundesregierung. ({1}) Zweiter Punkt. Natürlich ist die Mehrwertsteuer enthalten. Es ist übrigens erstaunlich - das war auch zu Ihrer Zeit so -: Wann immer irgendwo Preise erhöht werden, betrifft das auch die Mehrwertsteuer. Das war 35 Jahre lang so, als Sie den Finanzminister gestellt haben. Das haben Sie als Problem übrigens nie entdeckt. Das entdecken Sie erst, seitdem Sie nicht mehr den Bundesfinanzminister stellen. ({2}) Aber der entscheidende Punkt ist doch ein ganz anderer. Es ist nicht so, dass die Mehrwertsteuer insgesamt steigt. Auch das gehört zu Ihren Märchen. Das Problem, das an dieser Stelle entsteht, ist doch ganz einfach: Die Leute haben nicht mehr Geld in der Tasche, sondern sie sind wegen der Preispolitik der OPEC und der Konzerne gezwungen, mehr Geld für Kraftstoff auszugeben, Geld, das sie an anderer Stelle nicht ausgeben können. Die Mehrwertsteuer wächst doch gar nicht überproportional. Die Mehrwertsteuer wächst völlig unabhängig davon, wie sich im Einzelnen das Preisgefüge im Land entwickelt. Das ist doch der einfache Sachverhalt. ({3}) Sie wissen das ganz genau. Das ist zu der Zeit, als Sie den Finanzminister gestellt haben, nicht anders gewesen. Deswegen halte ich fest: Dort, wo überhaupt kein Pfennig Ökosteuererhöhung enthalten ist, ist die Preistreiberei am allerschlimmsten; beim Diesel, für den die Mineralölsteuer niedriger ist, ist die Preistreiberei höher als beim Benzin. Deswegen sage ich: Es ist ein einfaches Gesetz der Marktwirtschaft, dass sich jeder nimmt, was er kriegen kann. Das ist der Punkt. Der Spielraum, den Sie schaffen, wenn Sie Steuern nicht erheben, bewirkt, dass das die Kassen der Konzerne füllt. ({4}) Im Übrigen darf man ja noch einmal darüber nachdenken, wie das funktioniert: Morgens fängt ein Mineralölkonzern an und am selben Tag sind dann ruck, zuck alle Tankstellen und alle Konzerne umgestellt. Darüber darf man doch noch einmal nachdenken, das ist doch eine spannende Sache. ({5}) Darüber einmal zu reden hätte Ihnen doch angestanden, wenn Sie das schon zum Thema machen wollen. ({6}) Wenn es Ihnen ein Herzensanliegen ist, frage ich noch einmal: Wieso haben Sie eigentlich zehn Jahre lang das Wohngeld nicht erhöht? Das hätten Sie getan, wenn Ihnen die Mieterinteressen irgendetwas bedeutet hätten. ({7}) So, Herr Austermann, geht das doch nicht. Ich verstehe ja, dass Sie jetzt eine Kampagne machen, aber ich sage Ihnen: Wir werden den Leuten präzise die Wahrheit sagen. ({8}) Eins lassen wir Ihnen nicht durchgehen: das, was die Kassen bei den Konzernen füllt, uns noch auf die politische Rechnung zu schreiben. Da hört der Spaß auf. Sehen Sie sich einmal an - es sind übrigens weniger die OPEC-Staaten -, wie bei den Konzernen von 1999 auf 2000 die Gewinne explodiert sind: Sie haben sich im Schnitt mindestens verdoppelt. Darüber müssen Sie einmal ein Wort reden. Das ist auch eine spannende Veranstaltung, wenn wir über die Frage reden, wer hier die Preise treibt. ({9})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anmeldungen zu Kurzinterventionen, die mich gerade erreichen, kommen einfach zu spät. Bekanntlich darf man nur eine Kurzintervention auf eine Rede hin machen und sich nicht auf eine andere Kurzintervention beziehen. Der nächste Redner in der Debatte ist der Kollege Hans Jochen Henke für die CDU/CSU-Fraktion.

Hans Jochen Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003146, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Eichel, ich möchte Sie zuerst direkt ansprechen. Auch wenn Sie es nicht glauben: Wenige Tage vor dem 3. Oktober 2000 stehen wir ohne Wenn und Aber zu allen Leistungen wie zu allen Lasten, die aus zehn Jahren Wiedervereinigung resultieren. Wir stellen fest: Der von Helmut Kohl und Theo Waigel eingeschlagene Weg zur Vollendung der deutschen Einheit war wichtig und richtig - auch gerade gegen Zauderer und Verweigerer. ({0}) Ich habe zu wenig Zeit, ({1}) - aber zwei Zitate will ich bringen. Minister Eichel Herbst 1989: Die Bereitschaft kann weder bei unseren westlichen noch bei unseren östlichen Nachbarn geweckt werden, die Einheit Deutschlands auf die Tagesordnung der Weltpolitik zu setzen. ({2}) Eichel in der „Frankfurter Neuen Presse“ genau vor zehn Jahren: Einheit bringt Ländern untragbare Last! ({3}) Es war und bleibt richtig, Schulden und Altlasten der DDR zu übernehmen und Folgelasten der Wiedervereinigung auch gegen egoistische Länderinteressen entschlossen beim Bund zu schultern. Es ist gelungen, die größte finanzielle Belastung in so kurzer Zeit zu bestehen - und dies ohne diejenigen, die vor Währungs- und Kreditmarktrisiken und vor der Überforderung der Leistungsfähigkeit aller Beteiligten gewarnt haben. Es ist und bleibt eine einmalige historische Leistung. ({4}) Vor dem Hintergrund kann es nicht die Aufgabe einer inzwischen nicht mehr amtierenden Regierung gewesen sein, aber es ist auch nicht allein Aufgabe der jetzt amtierenden Regierung, diese Herausforderung abzutragen. Am Ende ist dies auch nicht entscheidend. Das Ganze war und bleibt eine Generationen-, ja wahrscheinlich eine Jahrhundertaufgabe und -herausforderung. In diesem Lichte erkennen wir die Leistung an und zollen allen Menschen in Ost und West und denjenigen, die konsequent Verantwortung in dieser Zeit getragen haben, Dank. ({5}) Es gehört auch zur Ehrlichkeit dieser Haushaltsdebatte, festzuhalten, dass trotz dieser Sondersituation, Herr Eichel, gleichzeitig der Weg über die Maastricht-Kriterien und über den europäischen Stabilitätspakt bis hin zu einer europäischen Währung gegangen werden konnte. Werte rot-grüne Koalitionäre, ohne die Haushaltskonsolidierung, begonnen in den 80er-Jahren, ohne stabilitätsorientierte Euro-Grundlagen und eine sparsamste, zielgerichtete Haushaltsführung in den 90er-Jahren wäre das alles nicht möglich gewesen. Der amerikanische Botschafter John Kornblum hat bei mehreren Gelegenheiten erklärt, er kenne keine andere historische Leistung, die in so kurzer Zeit bewältigt worden wäre, wie die Wiedervereinigung. Jeweils fügte er dann sehr nachdenklich hinzu, er wisse nicht, wie die amerikanische Nation in einer vergleichbaren Situation mit einer solchen Herausforderung umgegangen wäre. Ob in diesem Lichte, verehrte Koalitionäre von Rot-Grün, die vom Bundeskanzler bemühte „deutsche Krankheit“ überhaupt angeführt werden kann, mögen andere entscheiden. Sie mögen dann aber insbesondere die Beiträge von den Ministerpräsidenten Lafontaine, Schröder und Eichel mit ihren Errungenschaften von der Steuer- über die Gesundheits- und die Lohnnebenkosten- bis hin zur Arbeitsmarktspolitik angemessen würdigen. ({6}) Ich habe mir zu den Bereichen Gesundheit, Rentenreform, Pflegeversicherung und den Strukturreformen bei Telekom, Post und Bahn sowie zum Investitionsförderungsgesetz so viele Punkte aufgeschrieben, dass es den Zeitrahmen sprengen würde, und möchte nur einige Reformen in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre herausstellen. ({7}) Ihr nach der Wahl einsetzender Reformeifer führte unter Schröder/Lafontaine, Gott sei es geklagt, in eine völlig andere, verquere Richtung: Ökosteuer, Rücknahme von Rentenreform und zusätzliche Belastungen mit weit reichenden Konsequenzen für den Haushalt 2001 und alle Folgehaushalte sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. ({8}) Sie haben entscheidende Fehler Ihrer eigenen ersten Regierungsphase bis heute nicht korrigiert. Wenn manBundesminister Hans Eichel cher Finanzspielraum nicht so ist, wie Sie es gern hätten, ist es darauf - vor allem auf die verheerende Ökosteuer zurückzuführen. ({9}) Der Minister hat ja vorhin gerade selber die besten Argumente für die Abschaffung der Ökosteuer geliefert. Sie belasten im Jahre 2004 nach fünf Stufen den Markt und die Bürger mit zusätzlich 33 Milliarden DM jährlich. ({10}) Dies passiert in einer Zeit, in der Ihre Jahrhundertsteuerreform angeblich nachhaltige Entlastungen für die Menschen in unserem Lande bringen soll. Wirklichkeit ist aber nach Ihren eigenen Planansätzen, dass die Steuereinnahmen des Bundes trotz Ihrer Jahrhundertreform in diesem Jahr erstmals die 400-Milliarden-DM-Schallgrenze überschreiten werden und in den nächsten Jahren sage und schreibe auf mehr als 450 Milliarden DM pro Jahr anwachsen werden. Dabei ist die von Ihnen fälschlicherweise vorgenommene Abkoppelung vom Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts und von den Zuwächsen bei den Steuern eingerechnet, was noch nie der Fall war, was sich auch als falsch, als „Arm-Rechnen“ herausstellen wird. ({11}) Ich sage an dieser Stelle nur: Eichel weiß, warum er uns keinen Nachtragshaushalt liefert: weil sich die Öffentlichkeit insbesondere unter Berücksichtigung von UMTS- und anderen Privatisierungserlösen staunend die Augen darüber reiben würde, welch historisch einmalige Einnahmesituation in diesem Jahr gegeben ist. Nur haben die Weichen andere gestellt, die Vorleistungen andere erbracht. ({12}) Wenn wir gerade bei der Steuerreform sind: Die Zeit in jenen 48 Stunden um den 14. Juli hätten Sie besser für nachhaltige Verbesserungen der Reform verwandt, statt Ländern Leistungen in Aussicht zu stellen, die zusätzliche Ausgaben verursachen und mit Blick auf die Zukunft des neu zu ordnenden Länderfinanzausgleichs neue und nicht kalkulierbare Risiken für den Bund zeitigen werden. Auf diesen Merkposten werden wir rechtzeitig zurückkommen. ({13}) Wir sind der Meinung, dass die falsch angelegte Ökosteuer zurückgenommen werden muss, weil sie eben nicht geeignet ist, eine dauerhafte Gegenfinanzierung der Renten sicherzustellen und weil sie trotz Ihrer anders lautenden Beteuerungen nicht nur zur Gegenfinanzierung der Renten herangezogen wird. ({14}) Sie dient zur allgemeinen Haushaltsdeckung und ist ein schlichtes, blankes Abkassieren. ({15}) Wer demnächst näherungsweise 100 Milliarden DM einschließlich Umsatzsteueranteile - ohne Ökosteuer aus Mineralölsteuereinnahmen erwirtschaften wird, hat doch wahrhaftig genügend Steuerungs- und Gestaltungsspielräume, auch für ökologische Steuerungsmaßnahmen. Im Übrigen haben Sie Ihr Ökosteuerkonzept bei der Verabschiedung ganz anders dargestellt und sich selbst beschränkt. Sie wollten nämlich nur eine Stufe einführen und alles andere im europäischen Kontext machen. Nur reden Sie davon heute nicht mehr. Das heißt: Sie handeln eigentlich gegen Ihre eigenen Vorgaben. ({16}) Seien Sie konsequent und nehmen Sie das Geld, das Sie aus den Zinsersparnissen durch die ausdrücklich von diesem Haus einvernehmlich mitgetragene Sondertilgung aus den UMTS-Erlösen und weitere Privatisierungen erwirtschaften und setzen Sie es zielgerichtet ein. Herr Minister Eichel - auch darüber werden wir noch reden -, in Wirklichkeit sind es ja mehr als 5 Milliarden DM. Es ist auch nicht notwendig, die Investitionen auf einer historisch einmalig niedrigen Stufe anzusiedeln. Dies hat verheerende Wirkungen für den Standort Deutschland, die Wettbewerbsfähigkeit, die Wirtschaft und die Zahl der Arbeitsplätze. Der Ansatz beläuft sich auf 10,4 Milliarden DM. Das gab es nie und wird es hoffentlich in der Zukunft auch nie wieder geben. Diese Regierung hat angekündigt, die Spielräume sollten größer werden. Just zu unserer heutigen Beratung kommt eine volkswirtschaftliche Schätzung der Einkommensbelastung durch den Bund der Steuerzahler. Das ist eine völlig neutrale Seite. ({17}) Wer dieses Tableau nimmt und die Zahlen von 1998 und 2002 vergleicht - das wollen Sie nicht hören -, wird feststellen: Es wird für die Bürger weder im Jahre 2000 noch im Jahre 2003 und auch nicht im Jahre 2005 nachhaltige Entlastungen geben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. ({18}) Die aktuelle Haushaltssituation ist aus Gründen, für die nicht Sie, sondern andere verantwortlich sind, besser, als Sie es je zu träumen wagten. In den zwei Jahren Ihrer Regierungszeit ist außer beim Herunterfahren und Sparen eine klare Linie nicht erkennbar gewesen. Die nachhaltigen Strukturprobleme sind nicht gelöst. Schröder ist im Kleinen, wie bei Holzmann, Österreich und der Green Card, groß. Ob er auch im Großen nicht, wie bisher, klein bleiben wird, muss sich erweisen. Herr Eichel und ich haben gestern Abend einen sehr interessanten Vortrag über die Situation des Euro und die Ursachen für seine Schwäche gehört. Der Redner hat wenige Meter von hier - sehr kompetent festgestellt, dass die Entscheidung der Märkte über den Wert einer Währung im Grunde eine Abstimmung über die Solidität und Seriosität der Politik ist. Das sollten diejenigen, die Verantwortung für den Standort Deutschland und die Leitwährung tragen, beachten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege, würden Sie bitte zum Schluss kommen.

Hans Jochen Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003146, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, ich komme zum Schluss. Die Risiken Ihrer Fiskalpolitik liegen voll beim Bürger, dem Steuerzahler und der Wirtschaft, und zwar mit unverändert hohen Steuer- und Abgabenlasten, mit wachsenden Zins-, Inflations- und Währungsrisiken, mit real gekürzten Renten und mit nur geringfügigen Tarifverbesserungen. ({0}) Es ist mehr und Nachhaltigeres gefordert als das, was Sie bisher gebracht haben. Wenn Herr Schröder wirklich meint, zum Jahresende könne Redaktionsschluss bei allen Reformen sein,

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Henke, ich bitte Sie, nun wirklich zum Schluss zu kommen.

Hans Jochen Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003146, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- werden Sie erheblich zu kurz gesprungen sein. Ich danke Ihnen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Matthias Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur wegen des zehnten Jahrestages ist die deutsche Einheit in der Tat in Verbindung mit diesen Haushaltsberatungen ein sehr wichtiges Thema. Ich denke, hier muss noch einiges gerade gerückt werden. Die CDU bekennt sich zu den Schulden, die sie gemacht hat. In Ordnung. Die Schulden in Höhe von 1 500 Milliarden DM werden im Rahmen der Beratungen über das Sparpaket von den CDU-Kollegen zum Teil noch bestritten. ({0}) Es wurde gesagt, das alles sei eine Hinterlassenschaft von Helmut Schmidt. In diesem Punkt haben Sie nach einem Jahr dazugelernt. Nicht schlecht! Sie sagen dann aber wieder Halbwahrheiten. Im Zuge der deutschen Einheit, also seit 1990, sind die Lohnnebenkosten um 6,5 Prozentpunkte gestiegen. Was bedeutet das für den Durchschnittshaushalt? Jeden Monat haben Sie von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 150 DM zur Finanzierung der deutschen Einheit verlangt. ({1}) - Sie haben auch jeden Monat 150 DM von den Betrieben zur Finanzierung der deutschen Einheit verlangt. Damit haben Sie wesentlich zu der hohen Arbeitslosigkeit beigetragen, die uns und damit auch den Haushalt beinahe in den Ruin getrieben hätte. Vor diesem Hintergrund finde ich es eine Unverschämtheit, wenn Sie hier eine Diskussion über die kleinen und mittleren Einkünfte beginnen. Sie haben die deutsche Einheit auf dem Rücken der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen finanziert. Das ist das Hauptproblem, mit dem wir heute zu kämpfen haben. ({2}) Hier gibt es auch eine Verbindung zur Ökosteuer. Die rot-grüne Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Lohnnebenkosten wieder zu drücken, ({3}) - und zwar unter 45 Prozentpunkte. ({4}) Wir haben den Wählerinnen und Wählern reinen Wein eingeschenkt, indem wir ihnen gesagt haben: Wir erhöhen die Ökosteuer und stecken die daraus erzielten Gelder in die Rentenversicherung, mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken. ({5}) Das haben wir nicht gesagt, weil wir uns irgendwann einmal etwas Lustiges überlegt haben; wir machen das vielmehr deshalb, weil die hohen Lohnnebenkosten, die Sie uns hinterlassen haben, eine erdrückende Last sind, mit der wir seit der Regierungsübernahme 1998 zu kämpfen haben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, bevor Sie hier gegen die Ökosteuer polemisieren. Wenn Sie das nicht tun, machen Sie eine unseriöse Politik. Mit den Mehreinnahmen von 100 Milliarden DM durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen - diesen Privatisierungserlös verwenden wir übrigens auch deshalb zur Schuldentilgung, weil das die Haushälter während der letzten Haushaltsberatungen gefordert haben - tilgen wir gerade einmal die Schulden von acht Monaten der Amtszeit von Helmut Kohl, acht Monate von 16 Jahren! Vor diesem Hintergrund muss man noch einmal unterstreichen: Der einzig gangbare Weg ist, die erzielten Mehreinnahmen zum Senken der Schuldenlast zu verwenden. Dennoch wird es bis zum Jahr 2006 dauern - damit hebe ich ein weiteres Kernproblem in dieser Haushaltsdebatte deutlich hervor -, bis wir Haushalte aufstellen können, ohne neue Schulden machen zu müssen. Wir werden trotz des Sparkurses noch 145 Milliarden DM an Schulden machen müssen, bevor wir das Ziel erreichen, für das Hans Eichel eisern steht und für das er in den Fraktionen die volle Unterstützung hat, dass in Deutschland ausgeglichene Haushalte aufgestellt werden können. Wie gesagt, erst nach 2006 beginnen wir, den Schuldenberg Jahr für Jahr systematisch abzutragen. Trotzdem fordern Sie die Aussetzung von Steuern. Sie können sich selber ausrechnen, welche Konsequenzen das hätte. Die Konsequenzen der Aussetzung von Steuern sind neue Schulden. Das bedeutet, es dauert länger, bis der Haushalt im Gleichgewicht ist; das bedeutet, es werden mehr Geld der Bürgerinnen und Bürger und mehr Steuereinnahmen auf die Zahlung von Zinsen verwendet. ({6}) Auch vor diesem Hintergrund finde ich die von Ihnen angestoßene Ökosteuerkampagne eine Unverschämtheit. Ich möchte Ihnen einen weiteren Grund nennen, warum ich es eine Unverschämtheit finde, hier die Ängste der Bürgerinnen und Bürger zu schüren. Das Konzept der Bayerischen Staatsregierung, das von der CDU/CSUFraktion übernommen wurde ({7}) - mit dem Titel „Die bessere Alternative - Eine Steuerreform für Wachstum und Beschäftigung“, ist Ihnen wohl bekannt. Damit haben Sie uns vor der Sommerpause genervt, als Sie glaubten, Sie könnten die Steuerreform blockieren. ({8}) - Sie waren also dabei, als das Konzept ausgearbeitet wurde. ({9}) Das finde ich ganz hervorragend, Herr Kollege Kalb. Sie wollten den Bürgerinnen und Bürgern, den Pendlern, auf deren Kosten Sie derzeit Stimmung machen, eine um 20 Pfennig gekürzte Entfernungspauschale zumuten. Aber das erwähnen Sie nicht in Ihrer Ökosteuerkampagne. Seien Sie stolz darauf! ({10}) Wir können über alles reden. Wir können auch über die Frage diskutieren, ob die Entfernungspauschale sinnvoll ist. Ökologen argumentieren, sie trage zur Zersiedelung der Landschaft bei. Ich finde es aber falsch ({11}) - Herr Kollege, Sie können mir eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie ein Problem mit dem haben, was ich sage -, wenn Sie Stimmung gegen die Ökosteuer machen, obwohl Sie selber die Pendler massiv belasten wollten. ({12}) Nebenbei gesagt: Es ist ein gravierender Unterschied, ob die Pendler mit 20 Pfennig oder mit noch nicht einmal 2 Pfennig, wie es jetzt durch die Ökosteuer geschieht, belastet werden. Das muss man hier auch noch sagen. Das, was Sie den Leuten zumuten wollten, wäre mehr als das Zehnfache gewesen. ({13}) Trotzdem haben Sie die Stirn, eine solche Kampagne vom Zaum zu brechen. Mich ärgert das tierisch, weil ich finde, dass dies das Unglaubwürdigste ist, was man machen kann. ({14}) Sie machen Kampagnen und reden über den hohen Steueranteil bei dem Mineralölpreis. Sie behaupten, dass es beim Preis einen Steueranteil in Höhe von 70 Prozent und einen Rohölanteil von 30 Prozent gibt. In Ihrer Amtszeit betrug der Steueranteil 80 Prozent und der Rohölanteil 20 Prozent. Das heißt nichts anderes, als dass das Problem der Preissteigerung nicht an der Ökosteuer liegt, sondern daran, dass die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe gegangen sind. Insofern sind wir der falsche Adressat für Ihre Kritik. Das muss noch einmal sehr deutlich gesagt werden. ({15}) Ich möchte noch einmal auf die 145 Milliarden DM neuen Schulden zurückkommen, die wir in dieser und der nächsten Legislaturperiode abbauen wollen. Den Betrag von 145 Milliarden DM wollen die Koalitionsfraktionen möglichst noch senken. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Nettoneuverschuldung unter 45 Milliarden DM zu drücken. Wir können das vergessen, wenn wir jetzt anfangen, blindlings irgendwelche Steuern auszusetzen. Wir erreichen das nur, wenn der eiserne Sparkurs eingehalten wird, wenn die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent gesenkt werden, damit wir Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung auslösen, und wenn es uns gelingt, die Mittel für Investitionen im Bundeshaushalt wieder nach oben zu treiben. Als zum ersten Mal über den Kabinettsentwurf zum Haushalt geredet wurde, haben wir gesagt, dass wir uns alle wünschen, dass es in diesem Haushalt mehr Investitionen gibt. Niemand bestreitet, dass echte Investitionen in Straße, in Schiene, in Altbausanierung Arbeitsplätze schaffen. Wir haben aber gesagt, dass wir keine Investitionen zum Preis von neuen Schulden machen wollen. Der Kollege Henke sagte, dass die Investitionsquote bei 10,4 Prozent liege. Lieber Kollege Henke, am Ende der Haushaltsberatungen werden wir eine Investitionsquote von 12,1 Prozent erreichen. Dies werden echte Investitionen sein und keine Buchungstricks wie bei der Investitionsquote des Kollegen Waigel. ({16}) Sie haben Dinge als Investitionen bezeichnet, die alles waren, aber keine Investitionen. Wir wollen echte Investitionen. Wir wollen die Angleichung der Mittel für die Schiene an die für die Straße. Wir wollen dort, wo es nötig ist, in den Straßenbau investieren, damit Staus bekämpft werden und die Anwohner vom Lärm entlastet werden. Wir wollen ein Altbausanierungsprogramm, das zum Klimaschutz beiträgt und den Menschen eine höhere Wohnqualität gibt. Wir wollen das alles aber nicht zum Preis von neuen Schulden. Daran werden wir festhalten. Davon weichen wir keinen Millimeter ab. Sie sollten sich überlegen, warum Sie das so selten thematisieren. Mein Eindruck ist, dass Sie das nur aus einem Grund tun: Sie wissen genau, dass wir Recht haben. Gerade die konservativen Haushaltspolitiker wissen genau, dass das Ihre Achillesferse ist. Wir machen keine Politik auf Pump, wie es die Regierung Kohl getan hat. Es ist nicht so, dass die Roten und die Grünen nicht mit Geld umgehen können. Sie sind es, die es nicht konnten! Das ist Ihre Achillesferse. ({17}) Zum Abschluss der Haushaltsberatungen dieser Woche muss das deutlich gemacht werden. Die Haushaltsdebatte zeigt doch: Die Koalitionsfraktionen sind sich über zwei Dinge einig. Sie wollen die UMTS-Milliarden zur Schuldensenkung verwenden. Sie wollen den Haushalt im Gleichgewicht halten und Spielräume für neue Investitionen schaffen. Das ist die eine Sache, über die wir uns einig sind. Die andere Sache ist: Wir wollen die Lohnnebenkosten so weit wie möglich senken. Wir Grüne halten an dem Ziel fest: unter 40 Prozent. Was ist Ihr Alternativkonzept? Sie fabulieren über Steuererleichterungen. Das hat der Kollege Stoiber schon im letzten Jahr gemacht. Am Ende des Jahres waren sie nicht so hoch. Sie blenden Risiken aus, zum Beispiel die Postunterstützungskasse, den Kurs der Telekom-Aktie, was sich natürlich auch auf den Haushalt auswirkt. Sie haben kein Alternativkonzept auf den Tisch gelegt. Wenn Sie Alternativkonzepte vorlegen, wie dieses wundersame Steuerkonzept, dann sind es Konzepte, die wirklich zulasten der kleinen und mittleren Einkommen gehen, die die Menschen tatsächlich belasten. Das lassen Sie in solchen Situationen unter den Tisch fallen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({18}) Zum Schluss möchte ich noch etwas dazu sagen, wofür die UMTS-Milliarden ausgegeben werden sollen. Das müssen wir in den Koalitionsfraktionen beraten. Es muss im Kabinett beraten werden. ({19}) Wir werden auch dafür Sorge tragen, dass die Koalitionsfraktionen den Oppositionsfraktionen und damit dem gesamten Parlament die Möglichkeit geben, darüber seriös zu beraten. Das ist bisher unter den Tisch gefallen. ({20}) Mir ist es wichtig, dass Sie unsere Vorschläge nicht in der letzten Minute prüfen müssen, sondern dass Sie vernünftig mitberaten können. Wir werden uns als Parlamentarier dafür einsetzen, schon aus Gründen der Kollegialität. ({21}) - Ich habe Ihnen gerade schon gesagt, welches Parlamentsverständnis ich habe, Herr Kollege Kalb. Ich bin der Meinung, dass wir darüber in Ruhe beraten müssen. Ich glaube, es wird uns gelingen, ein vernünftiges Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung und für einen Haushalt im Gleichgewicht zu schnüren. Vielen Dank. ({22})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die F.D.P.-Fraktion spricht jetzt der Kollege Jürgen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister schloss seine Rede mit der Bemerkung ab, diese Regierung und natürlich vor allem er hielten Kurs. Herr Bundesfinanzminister, das kam mir so wie bei Kolumbus vor: Auch er hat immer Kurs gehalten; aber als er ankam, wusste er nicht, wo er war. ({0}) So ist das auch bei Ihnen. Der Haushalt des Bundesfinanzministers Eichel ist wie eine Medaille, die bekanntlich zwei Seiten hat. Ich will die eine Seite beleuchten, die aus Sicht der F.D.P.-Fraktion durchaus positiv ist: Der Bundesfinanzminister will die Schulden des Bundes senken. Wir finden, dass er dabei durchaus auf dem richtigen Weg ist. ({1}) - Hören Sie doch einfach einmal zu! - Wir denken, er ist durchaus auf dem richtigen Weg, wenn er die 100 Milliarden DM aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen allein für die Senkung der Schulden des Bundes benutzt. Mein Kollege Rexrodt hat schon am ersten Tag der Debatte gesagt: Das werden wir voll unterstützen. - Über das, was mit den Zinsersparnissen zu geschehen hat, müssen wir uns im Haushaltsausschuss noch unterhalten. Ich bin der Auffassung, man könnte sie genauso zur Schuldensenkung oder zur Förderung des Mittelstandes verwenden. Ich kann mir auch noch das eine oder andere vorstellen. Wir sollten sie nur nicht verkleckern. Ich persönlich bin eher für Schuldensenkung. Herr Bundesfinanzminister, mit der Einnahme aus der Versteigerung der Lizenzen sind Sie ein wahrer Hans im Glück. Man könnte fast sagen: Sie sind wie ein Lottospieler, der alle Zahlen falsch getippt hat, aber trotzdem den Hauptgewinn bekommt. ({2}) Denn diese Einnahmen durch die Versteigerung der Lizenzen war nur möglich, weil die frühere Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. die Privatisierung der Post vorgenommen hat, und das gegen den erbitterten Widerstand von Sozialdemokraten und Grünen. ({3}) Während die Grünen zu dieser Zeit sogar das Handy für Teufelszeug gehalten haben, trat der heutige Bundesfinanzminister im Bundesrat massiv gegen die Privatisierung ein. ({4}) Ich sage noch einmal: Gut, dass unsere alte Koalition nicht dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten gefolgt ist. Aber es wird noch interessanter. Ich rate - leider ist keiner vom Bundespresseamt da -, einmal die ganzen Reden, die Herr Eichel im Bundesrat gehalten hat, als Broschüre herauszugeben. Die Republik würde staunen, was Sie alles gesagt haben. Ich kann Ihnen heute nur eine kleine Kostprobe davon geben. ({5}) Herr Eichel sagte im Bundesrat als hessischer Ministerpräsident: Aufgabe der Postreform ist nicht die Sanierung des Bundeshaushaltes. Es muss sichergestellt werden, dass Verkaufserlöse bei der Post verbleiben und zur Erfüllung ihres Auftrages wieder eingesetzt werden können. Kein Verständnis hätte ich dafür, wenn die Verkaufserlöse an den Bund abgeführt würden. ({6}) So Hans Eichel als Ministerpräsident. Als Haushaltspolitiker der F.D.P. bin ich natürlich froh, dass wir Herrn Eichel nicht gefolgt sind. Herr Bundesfinanzminister, da Sie uns hier einige Vorhaltungen gemacht haben - Sie werfen uns vor, früher nicht gespart zu haben -, erlauben Sie - es ist noch nicht lange her, genau drei Jahre - noch eine Kostprobe. Da haben Sie der damaligen Bundesregierung im Bundesrat vorgeworfen - ich habe das Protokoll bei mir -, sie spare zu viel. Sie sagten, Sie seien es leid, über das Sparen zu reden. Sie haben den Wohnungsbau, das BAföG und eine ganze Liste weiterer Punkte aufgeführt ({7}) - und behauptet, wir brächten die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in Gefahr, wenn wir weiterhin so sparten. Das haben Sie uns noch vor drei Jahren vorgeworfen. Stellen Sie sich nicht hier hin und halten Sie nicht solche Reden, wie Sie es heute getan haben! ({8}) Herr Bundesfinanzminister, Sie sind in einem Punkt unehrlich: ({9}) Sie vergleichen sich immer mit Theo Waigel. Zu dessen Politik könnte man zwar das eine oder andere sagen, aber Sie müssen sich mit Ihrem Vorgänger vergleichen. Der hieß Oskar Lafontaine und schmiss das Geld zum Fenster raus. ({10}) Der Bundesfinanzminister - das ist jetzt die andere Seite der Medaille des Haushaltes - behauptet - das hat er auch heute gemacht; wir unterstützen das -: Es muss gespart werden. Wenn man sich den Haushalt anschaut, dann erkennt man: Er spart gar nicht. Bei Eichel bekommt das Wort „sparen“ eine völlig neue Bedeutung: Abkassieren und das Geld in den eigenen Haushalt stecken, das ist für ihn sparen. Er hat auch davon gesprochen - dabei können wir ihm teilweise sogar folgen -, man dürfe nicht zu viele Wohltaten verteilen und man müsse wissen, wie die Gegenfinanzierung aussieht. „Gegenfinanzierung“ ist übrigens sein Lieblingswort. ({11}) - Nein, hören Sie doch einfach einmal zu! Ich war bei Ihrer Rede, glaube ich, der Ruhigste und das war verdammt schwer. Ich wäre dankbar, wenn Sie auch bei mir zuhören würden. ({12}) Bei Eichel sieht es folgendermaßen aus: Wenn aus seiner eigenen Fraktion oder aus der Koalition der Wunsch geäußert wird, Wohltaten - ich benutze den Ausdruck, den Sie gebraucht haben - zu verteilen, dann sagt er: „Okay, das machen wir; aber wir brauchen die Gegenfinanzierung.“ Die Bürgerinnen und Bürger bekommen dann 1 000 DM in die eine Tasche und aus der anderen nimmt er ihnen 1 300 DM heraus. Das ist dann die „Methode Eichel“ der Gegenfinanzierung. ({13}) Real sieht es nämlich so aus - darauf wurde schon unter anderem vom Kollegen Rexrodt in seiner Rede hingewiesen -: Bürger und Unternehmen zahlten im Jahre 1999 etwa 376 Milliarden DM an den Bund; im Jahre 2004 werden es bereits fast 450 Milliarden DM sein. Das sind Gelder, die die Steuerzahler zahlen, Herr Minister. Sie müssen doch immer wieder überlegen, was Sie von dieser großen Summe an den Bürger zurückgeben können. ({14}) Wir als Freie Demokraten sind überhaupt der Auffassung, dass der Bürger besser mit dem Geld umgehen kann, als Sie es können. Nun - das möchte ich noch einmal unterstreichen machen wir uns schon um die hohen Mineralöl- und Heizölpreise Sorgen. Herr Minister, Sie können nicht einfach sagen, die Bürger müssten das so tragen oder, wie es der Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein sagte, auf die Urlaubsreise verzichten. So geht es nicht. ({15}) Angesichts des Vorschlags von den Grünen aus Schleswig-Holstein, auf die Urlaubsreise zu verzichten, ({16}) - fällt mir noch etwas ein - Herr Kollege Metzger, ich sehe Sie gerade -: Nach einer Forsa-Umfrage, die ich kürzlich gelesen habe, könnte sich jeder vierte Deutsche vorstellen, mit Joschka Fischer Urlaub zu machen. Daraus wird dann nichts, kann ich Ihnen da nur sagen. ({17}) Wenn wir uns über Ökosteuern sowie Benzin- und Heizölpreise unterhalten, dann darf ich Ihnen doch noch einmal wieder zu Gehör bringen - das habe ich diese Woche ja schon einmal gemacht -, was der jetzige Bundeskanzler als niedersächsischer Ministerpräsident in einem dpa-Interview 1997 gesagt hat. Er hat gesagt: Für die Bürger in den Flächenstaaten ist ein höherer Benzinpreis eine erhebliche Mehrausgabe. Die SPD muss in Kauf nehmen, dass die Leute dann die Schnauze von uns voll haben. Das hat Schröder gesagt. ({18}) Wir Freien Demokraten sind davon überzeugt, dass Sie ein Konzept anbieten werden, in dem es Entlastungen für die Bürger geben wird. Sie halten diesen Druck ja gar nicht aus; das wissen wir. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Bundeskanzler, der ja den Ruf hat, auch ein Freund der großen Autobosse zu sein, gerne in die Geschichte als Heizöl- oder Benzinkanzler eingehen will. Das kann ich mir bei ihm nicht vorstellen. Wir werden einmal die nächsten Tage abwarten, was da kommen wird. Die Grünen werden dann wieder alles schlucken; davon sind wir fest überzeugt. Nun noch ein paar Punkte zum Haushalt, Herr Minister. ({19}) Schauen Sie sich einmal Ihren Verteidigungshaushalt an. Ich weiß, wie schwer das ist. Aber mit diesem Verteidigungshaushalt ist eine Reform der Bundeswehr nicht möglich. Das steht eindeutig fest. Wie Sie uns das noch verkaufen wollen, zumal die entsprechenden Ergänzungen aus dem Ministerium, Frau Staatssekretärin, fehlen, werden wir ruhig abwarten. Wo setzt der Haushalt für Forschung und Bildung Akzente? Ich kann Ihnen aufgrund der Zeit nur wenige Punkte nennen. Wo setzt er Akzente? Ich habe dazu nichts gehört. ({20}) Straßenbau und vieles andere findet nicht statt. Deswegen sage ich zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir werden interessante Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss haben. Die Freien Demokraten werden sich daran beteiligen; das ist selbstverständlich. Wir werden aus der Oppositionsrolle heraus versuchen, unsere Vorstellungen darzulegen. Unsere Vorstellungen sind ganz klar: wo es möglich ist, Arbeitsplätze schaffen, Arbeitsplätze schaffen und nochmals Arbeitsplätze schaffen. Diese Linie werden wir verfolgen. Vielen Dank für Ihre Geduld. ({21})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Von der ersten Minute dieser einwöchigen Redeschlacht bis zu den letzten Minuten findet hier offenbar vor allen Dingen eines statt: nämlich gegenseitige Schuldzuweisungen der früheren Koalition an die jetzige und der jetzigen an die frühere. Dabei wird mitunter auch noch Lautstärke mit Argumentationsstärke verwechselt. Ich kann Ihnen nur sagen: Wer arbeitslos ist, als Bauarbeiter oder in einem anderen Beruf seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, wer als Elternpaar für seinen zwölfjährigen Sohn bzw. seine zwölfjährige Tochter sich darum Sorgen machen muss, ob in vier Jahren eine Lehrstelle zu finden ist, wer als Rentner bzw. Rentnerin mit um 0,6 Prozent angehobenen Rentenbezügen in diesem Jahr eine 1,8-prozentige Inflationsrate verkraften muss oder wer als Pendler - in Ostdeutschland sind das immerhin 500 000 Menschen - mit den explodierenden Spritkosten konfrontiert ist, dem nützen gegenseitige Schuldzuweisungen überhaupt nichts. ({0}) Der möchte Lösungsangebote haben, damit er sich zwischen den jeweiligen politischen Kräften entscheiden kann. Was konkrete Lösungsangebote anbetrifft, sah das hier eher mager aus. Ich habe gehört, dass den Rentnern empfohlen wird, sich Energie sparende Heizgeräte anzuschaffen, und den Pendlern empfohlen wird, endlich einmal einen ADAC-Lehrgang für Sprit sparendes Fahren zu besuchen. Das kann man alles empfehlen, aber insgesamt sind das, wie ich finde, ärmliche Vorschläge. ({1}) Herr Minister, in dieser Schlussrunde wäre Gelegenheit gewesen zu sagen: Denken Sie nicht vielleicht doch an eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale? ({2}) Wie wollen Sie den öffentlichen Personennahverkehr so entlasten, dass er auch noch von den Leuten genutzt werden kann, die nicht besonders viel Geld in der Tasche haben? Und haben Sie nicht vielleicht doch vor - hoffentlich; man konnte im Sommer so etwas hören -, die Nettolohnformel für die Anpassung der Renten wieder einzuführen? Heute wäre Gelegenheit gewesen, solche Signale zu senden; ({3}) - denn die Bürgerinnen und Bürger, die uns zugehört und zugeschaut haben, warten auf Signale. Herr Minister, Sie sagen: Sollen doch die Brummifahrer, sollen doch die von den Spritpreisen betroffenen Menschen ihren Frust bei der OPEC und bei den Ölkonzernen ablassen. - Diese haben aber leider keine gewählten Vertreter. Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes sitzen hier. Daher muss hier die Debatte dazu stattfinden und daher muss hier eine Antwort gegeben werden. ({4}) Ich finde es reichlich absurd, wenn der Außenminister dieser Koalition vor der UNO sagt: Wir müssen alles tun, um die schädlichen Marktkräfte in der Welt einzudämmen - was ich natürlich unterstreiche. Aber wenn die eigene Regierung zu Hause sagt: „Gegen diese schädlichen Marktkräfte können wir leider nichts tun, die müssen wir hinnehmen“, ist das ein bisschen absurd. ({5}) Nie ist in diesem Hause - ich kann mich jedenfalls nicht erinnern - innerhalb einer Woche so häufig von den Interessen künftiger Generationen die Rede gewesen wie dieses Mal. Das ist zu begrüßen. Es ist natürlich richtig, dass die Interessen künftiger Generationen bei der Verteilung öffentlicher Steuergelder schon heute vertreten werden. Das ist unbestritten und das unterstützen wir. Wir unterstützen als PDS - das mögen Sie vielleicht nicht erwartet haben - den eingeschlagenen Kurs der Haushaltskonsolidierung, wenngleich wir sagen: Das Ganze darf nicht zum Selbstzweck werden. Schon heute wirft Ihnen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor, dass ein übergroßer Spareifer auch Probleme für die Zukunft aufwerfen kann. ({6}) Diesen Aspekt werden wir in den weiteren Haushaltsberatungen stark beachten. Also: Haushaltskonsolidierung in jedem Falle, aber sie darf nicht zum Selbstzweck werden. Es sind ja nicht nur die Finanzschulden, die die junge Generation belasten. Unsere Kinder und Kindeskinder sind auch belastet, wenn ihre, in vielen Fällen hoch qualifizierten, Eltern arbeitslos sind, wenn ihre berufserfahrenen Großeltern frühverrentet werden. ({7}) Das ist für die junge Generation eine Bürde. Daher muss es dabei bleiben, dass Zukunftssicherung nicht erst mit der Haushaltskonsolidierung beginnt, sondern schon mit der Bekämpfung der aktuellen Arbeitslosigkeit. ({8}) Dabei stößt mir zweierlei bitter auf; ich will es in aller Kürze noch hier andeuten. Sie setzen, wie die frühere Koalition, darauf, dass die Arbeitslosigkeit durch Steuersenkungen für die Unternehmen bekämpft werden kann und muss, was Sie auch tun. ({9}) Außerdem setzen Sie auf die Einführung neuer Technologien und anhaltenden Exportboom. Es bleibt jedoch dabei, dass sehr viele Unternehmen trotz sinkender Steuern noch in diesem Jahr in Konkurs gehen werden. ({10}) Es bleibt auch dabei, dass es in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Arbeit gibt, die leider nicht rationalisierbar ist: Auch wenn Sie die Unternehmensteuern auf null zurückfahren würden, würden Private in bestimmten Bereichen keine Arbeit anfassen. Ich nenne nur den sensiblen Bereich Kinder- und Jugendarbeit, in dem es in diesem Lande geradezu brennt. Jeder von uns bekommt Briefe von betroffenen Verbänden und Vereinen. Eine Vereinsvorsitzende aus dem Be-reich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat mir geschrieben, dass sie morgen vor die dann ge-schlossenen Räume treten und den Kindern - es sind meis-tens verhaltensgestörte Kinder - sagen muss: Kinder, es liegt nicht an euch, aber es gibt kein Geld. ({11}) Sie sagt zu mir: Wenn Sie mich kennen, ahnen Sie, wie mir zumute sein wird. - Ich kann es ihr nachfühlen. Wir als PDS werden daher ein Modellvorhaben in die Haushaltsberatungen einbringen, um zu zeigen, wie man im Bereich Kinder- und Jugendarbeit feste Stellen schaffen kann. Das kann man nicht den Kommunen überlassen, weil es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Luft, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die sich ergebenden Kosten sind nicht höher, als zum Beispiel die Steuerbefreiung für Flugbenzin ausmacht. Aufgrund meiner abgelaufenen Redezeit kann ich ein weiteres Problem nicht mehr ansprechen. Nur so viel möchte ich noch sagen: Wenn Sie das Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit weiter so finanzieren - wir haben uns diesbezüglich immer mit Kritik zurückgehalten -, dann wird es die Steuerzahler nach drei Jahren 6 Milliarden DM gekostet haben, ein beträchtlicher Batzen Geld. Wenn Sie sich endlich entschließen würden, die Unternehmen, die sich aus der Finanzierung der Ausbildung heraushalten, mit einer Ausbildungsplatzumlage zu belegen,

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin, ich muss Sie noch einmal ermahnen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

- dann würden wir jedes Jahr 2 Milliarden DM für andere Zwecke im Haushalt zur Verfügung haben. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Redner ist der Kollege Hansgeorg Hauser für die CDU/CSU-Fraktion.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Am Ende der mehrtägigen Debatte zur Einbringung des Haushalts 2001 bleibt eine wichtige Frage unbeantwortet. ({0}) Wer die Debatte zur Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung verfolgt hat, fragt sich unwillkürlich, was aufseiten dieser Regierung und der sie tragenden Regierungsfraktionen denn nun größer sei: die Blindheit, die Sturheit oder die Arroganz. ({1}) Trotz eindeutiger Zahlen über die eklatanten Preissteigerungen in allen Energiebereichen tut die Regierung so, als wäre alles ganz normal verkraftbar. Der Anstieg der Inflation wird nicht zur Kenntnis genommen. Die Belastungen der Wirtschaft werden als das übliche Gejammere dargestellt. Die Sorgen der Bürger, insbesondere der kleinen Leute, werden damit abgetan, dass soziale Härtefälle mit ein paar Mark Ausgleich geregelt werden könnten und das natürlich in der für Sozialdemokraten typischen Art: mit riesigem bürokratischem Aufwand und mithilfe der Erfindung neuer Beihilfen. Es wird wahrscheinlich ein neuer Bezugsscheinbürokratismus kreiert werden. ({2}) Es ist bezeichnend, dass man das Ganze auf die Sozialhilfe abwälzen will; denn die zahlen die Kommunen. Die Regierung ist dafür nicht zuständig. Diese Regierung ist offensichtlich blind und taub gegenüber Warnungen, dass die anspringende Konjunktur einen deutlichen Schaden erleiden könnte. So gesehen ist es natürlich verständlich, dass der Bundeskanzler einen niedrigeren Euro als gut für die Wirtschaft bezeichnet und sich damit seines soeben gewonnenen Titels wahrhaft würdig erweist. Sicher ist es richtig, dass ein Teil der Preissteigerungen nicht alleine die Regierung zu vertreten hat. Aber, sehr verehrter Herr Bundesfinanzminister, nach Ihrem dramatischen Auftritt vorgestern, ({3}) - muss ich sagen: Sie hätten schon einmal an das Geschachere zwischen Ländern und Bund zur Finanzierung der Einheit erinnern können. Der Bund hatte als einzige Möglichkeit nur die Erhöhung der Mineralölsteuer, weil dies die einzige Steuer ist, die ihm zufließt. Die anderen Steuern hätten alle nur mit Beteiligung der Länder erhöht werden können. Diesen Punkt sollten Sie schon einmal richtig stellen. ({4}) Aber der auf die Regierung zurückzuführende Anstieg aufgrund der Erhöhung der Mineralölsteuer und der auf den Bund entfallende Anteil bei der Mehrwertsteuer sind ein wesentlicher Teil dieser Preissteigerungen. Absolut alleine zu vertreten hat die Regierung den Unfug mit der Ökosteuer. Es ist schon mehrfach ausgeführt worden, dass diese Steuer weder ökologisch sinnvoll noch steuersystematisch vertretbar und schon gar nicht sozial gerecht ist. Was hat denn der Rentner davon, dass die Beiträge gesenkt werden? - Gar nichts. Er darf nur die Kosten dafür tragen. Diese Politik machen Sie, obwohl Sie doch immer die kleinen Leute vertreten wollen. Die Regierung vertritt stur die Haltung, dass diese Steuer notwendig ist und eines ihrer Meisterstücke darstellt. Lenkungseffekte für ein besseres ökologisches Verhalten sollen von ihr ausgehen. Der Bürger hat aber längst gemerkt, dass es - wie einst bei dem 5-Mark-Beschluss der Grünen - nur auf eines hinausläuft: Man will dem Bürger vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat, wann und wie oft er mit dem Auto fahren darf, wie schnell er unterwegs sein darf und welches Auto er letzten Endes fahren darf. Dass die ökologische Lenkungswirkung ein Märchen ist, hat sich längst herausgestellt. Bei der unlogischen Konstruktion des Gesetzes, wonach beispielsweise regenerative Energiequellen nicht von der Besteuerung ausgenommen sind und obendrein öffentliche Verkehrsmittel zusätzlich belastet werden, ist dies kein Wunder. Auch - wie immer wieder behauptet wird - die ausschließliche Verwendung der Einnahmen zur Finanzierung des Zuschusses an die Rentenkasse ist längst aufgedeckt und nimmt Ihnen niemand mehr ab. Diese systemwidrige Finanzierung wird Sie nicht davor bewahren, im Rentenbereich erhebliche Kostenreduzierungsmaßnahmen durchzuführen und die Augen gegenüber den Generationsveränderungen aufzumachen. Herr Bundesfinanzminister, wie alle Vorredner aus meiner Fraktion kann ich Sie nur auffordern, den Unfug mit der Ökosteuer endlich zu beenden. ({5}) Dazu gibt es eine gute Gelegenheit: Stimmen Sie unserem Entwurf eines Ökosteuerabschaffungsgesetzes, das wir einbringen werden, zu. ({6}) Diese Aufforderung wird in einer arroganten Art und Weise missachtet und einfach nur als Druck von der Straße diffamiert. Das wird Ihnen sicher noch einmal Leid tun. Wer den Brummifahrern vorwirft, sie würden Maßnahmen vorbereiten, die den Straftatbestand der Nötigung erfüllen, zeigt, dass er von deren Sorgen keine Ahnung hat. ({7}) Der Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, des BGL, Hermann Grewer, ist ein sehr besonnener und intelligenter Mensch. ({8}) Ihm vorzuwerfen, er erarbeite Aufmarschpläne, und ihn damit mit Chaoten und Gewaltdemonstranten gleichzustellen ist eine Unverschämtheit. ({9}) Wenn in ihrer Existenz gefährdete Bürger zu Demonstrationen aufrufen, dann regt sich der Bundeskanzler auf. Als in Hannover die Chaoten randalierten, hat dies den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten wenig gekümmert. ({10}) Wenn Sie den Bürgern vorschlagen, langsamer zu fahren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn dieser Rat von den Brummifahrern befolgt wird. ({11}) Die Folgen können Sie verantworten. Der Gipfel der Arroganz - das ist schon erwähnt worden - ist die Äußerung des Vorsitzenden der Grünen in Schleswig-Holstein, dass auf den Urlaub verzichtet werden müsse. Die „Bild“-Zeitung hat es richtig erkannt, als sie fragte: Sind die Sorgen der Menschen, die um ihre Existenz bangen, Nebensache? Angesichts eines Kanzlers, der im Himmel schwebt, eines Finanzministers, der vor Kraft nicht mehr laufen kann, ({12}) - und eines Außenministers, der die Freundschaft mit einem Nachbarstaat zerstört hat und sich lieber mit dem Ölmulti Gaddafi trifft, ist es kein Wunder, dass sich die Bevölkerung fragt, ob diese Regierung noch etwas mit ihren Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben will. ({13}) 80 Prozent der Deutschen lehnen die Ökosteuer ab. Eine Umfrage der „Woche“ hat ergeben, dass 60 Prozent sogar bereit sind, die Regierung mit Aktionen in die Knie zu zwingen. Das sollte Ihnen die Augen öffnen und Sie zu einer Umkehr von diesem falschen Weg bewegen. Auch bei der Steuerreform ist nach anfänglicher Euphorie schnell Ernüchterung eingetreten. Sie haben in den Sommermonaten Ihren Triumph genossen, Verhandlungspartner über den Tisch gezogen zu haben und auf Teufel komm raus eine Steuerreform umzusetzen. Erste Reparaturarbeiten werden bereits vorgenommen. Denn nichts anderes ist das Steuersenkungsergänzungsgesetz, das wir jetzt beschließen sollen. Das Urteil über die Steuerreform bleibt unsererseits trotzdem bestehen: Entlastungen kommen zu spät. Die vorgesehenen Steuersatzsenkungen sind ungerecht, weil nicht rechtsformneutral verteilt, und der Systemwechsel vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren bringt erhebliche Komplizierungen und führt zu neuen Ungerechtigkeiten. Lassen Sie mich ganz kurz drei Beispiele aufführen, die zeigen, dass diese Gerechtigkeitslücke zu einem Scheunentor geworden ist: Veräußerungsgewinne - Sie kennen das Thema - werden in dreifacher Hinsicht vollkommen unterschiedlich behandelt. Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Beteiligungsveräußerung steuerfrei belassen. Bei einer natürlichen Person, die einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft hat, gilt das Halbeinkünfteverfahren. Kommt es zu einer Veräußerung eines Einzelunternehmens oder einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, wird das Ganze voll besteuert. ({14}) Ein weiteres Beispiel sind die Steuerbelastungen bei gewerblichen Einkünften. Auch diese werden vollkommen unterschiedlich behandelt. Gewerbliche Einkünfte aus einer Personengesellschaft oder einem Einzelunternehmen unterliegen in voller Höhe der Einkommensteuer, wenn der Spitzensteuersatz erreicht wird. Dieser Satz beträgt im Jahre 2001 immerhin noch 48,5 Prozent. Die Gewinne der Kapitalgesellschaften werden mit 25 Prozent besteuert. Hier ist es ein großer Unterschied, ob die Gewinne im Inland erwirtschaftet werden oder ob sie beispielsweise aus einer Beteiligung im Ausland stammen, denn die Erträge aus der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften sind in Deutschland völlig steuerfrei. International tätige Unternehmen werden sich daher künftig sehr genau überlegen, ob sie Investitionen in Deutschland oder im Ausland tätigen. Genau an dieser Stelle wird Ihr Anliegen, dass die Steuerreform einen beschäftigungspolitischen Erfolg erzielt, zum Scheitern verurteilt sein. Die Überlegungen, ob künftig mehr im Ausland investiert werden soll, sind bereits in vollem Gange. Dazu trägt auch bei, dass künftig Auslandsverluste im Inland nicht mehr geltend gemacht werden können, mit dem Ergebnis, dass risikobehaftete Investitionen eher in Deutschland durchgeführt werden und ertragreiche Investitionen eher im Ausland. Experten tüfteln vielfach, weil sie alle den Schluss gezogen haben, dass beim Schritt über die Grenze die früheren Personengesellschaftsstrukturen an Bedeutung verlieren und durch Konzernsachverhalte ersetzt werden. Hansgeorg Hauser ({15}) Durch den Wegfall des Anrechnungsverfahrens und den Übergang auf das Halbeinkünfteverfahren steigt die Attraktivität von Auslandsinvestitionen. Daher wird den Mandanten in allen großen Kanzleien empfohlen, im Ausland und nicht mehr im Inland zu investieren. Herr Poß, Sie können den Menschen - Sie haben am Wochenende auf Ihrem Parteitag Gelegenheit dazu - erklären: Früher haben die großen Gesellschaften relativ wenig Steuern gezahlt - so haben Sie es immer behauptet -, jetzt zahlen sie gar keine mehr. Das ist der Erfolg Ihrer Politik. ({16}) Genauso ist es bei den Dividenden. Bei deren Besteuerung gilt die gleiche Problematik. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben nichts kapiert! Auch hier sind diejenigen mit niedrigen Steuersätzen künftig wesentlich schlechter gestellt als diejenigen mit höheren Steuersätzen, denn diese werden künftig kräftig entlastet. Das ist der Erfolg Ihrer Steuerreform. Ich hoffe, Sie erzählen auch das auf dem Parteitag der SPD. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Redner in dieser Haushaltsdebatte ist der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion.

Hans Georg Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002406, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört zu den Absonderlichkeiten dieser Debatte, dass ausgerechnet der Heizer des Schuldenzugs von Herrn Waigel in dieser Form über die Bundesregierung herzieht. ({0}) Als Sie geschürt haben, sind die Schulden gestiegen. Herr Kollege Hauser, erinnern Sie sich bitte daran. Zu den Absonderlichkeiten dieser Debatte gehört auch, dass vonseiten der CDU/CSU und F.D.P. überhaupt kein konkreter Vorschlag zum Haushalt gekommen ist. Ich bedaure das. Nur Frau Luft hat einige Punkte genannt, die durchaus diskussionswürdig sind. Wir hätten gern über Vorschläge diskutiert, wenn nicht ständig durch die Debatte über die Ökosteuer vom Thema abgelenkt worden wäre. Auch dazu werde ich gleich noch etwas sagen. ({1}) Ich gehe zunächst auf etwas ein, das mich als Sozialdemokrat furchtbar geärgert und tief getroffen hat. ({2}) - Ich bin sonst sehr hart im Nehmen, Herr Kollege Repnik. Ich halte viel aus und ich teile viel aus. Wenn sich aber ein Herr Merz hier hinstellt und die Sozialdemokratie im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands diffamiert, dann erwarte ich, dass Frau Merkel endlich einmal den Mund aufmacht, ihn zurechtweist und sich bei allen Sozialdemokraten in Deutschland entschuldigt. ({3}) Ich nenne Ihnen Herbert Wehner, der Mann für Mann aus den Gefängnissen der DDR geholt hat, als Sie noch gar nicht daran dachten, mit den Herrschenden zu reden. Soll ich an den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt erinnern? Muss ich andere wie Helmut Schmidt nennen? Hätte Helmut Schmidt durch seine Gespräche mit den Führern der DDR nicht für Verständigung gesorgt, hätte Helmut Kohl nicht den roten Teppich in Bonn ausrollen können, über den Herr Honecker schreiten konnte. Erhard Eppler, Hans-Jochen Vogel und viele andere, Tausende von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben sich bemüht. Sie haben mit heißem Herzen für die Wiedervereinigung gekämpft, die dann die Menschen in der DDR - und nicht Sie - verwirklicht haben. Sie waren das nicht, Sie waren wie auch wir nur Zuschauer im Westen. ({4}) - Sie haben das auch noch fortgesetzt, Herr Kollege Kalb. Die Sozialdemokratie hat hier im Deutschen Bundestag der Verabschiedung des Einigungsvertrags einstimmig zugestimmt, während 13 Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU den Einigungsvertrag abgelehnt haben. Es ist scheinheilig, wie Sie sich hier aufführen. ({5}) Wie ist das mit den Blockflöten, die hier noch am Mittwoch geklatscht haben? Die Blockflöten waren an jeder SED-Regierung der DDR beteiligt. Es gab nie eine Alleinregierung der SED. Es war immer die Bauernpartei dabei. Es war immer die Ost-CDU, die bei Ihnen gelandet ist, an der Regierung beteiligt. Sie waren am Mord durch den Schießbefehl an der Mauer beteiligt. Sie waren immer beteiligt, wenn irgend eine Schmutzigkeit gegen die Menschen in der DDR gemacht wurde. Damit sollten Sie einmal in Ihren Reihen aufräumen. ({6}) Nun zur Ökosteuer. Ein schlimmeres und makabereres Spiel als das, was Sie zurzeit mit den Betroffenen treiben, hat es in der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben. Das ist ein ganz makaberes Spiel. Ich gebe nur wieder, was Martin Hüfner, der Chefvolkswirt der bayerischen Hypovereinsbank, im ZDF gesagt hat. Er hat gesagt: Die Ökosteuer muss bleiben. Nun kann es sein, dass Sie zu einem bestimmten Konzern - hier denke ich an Elf Aquitaine und an die Minol-Übernahme, die Übernahme der Tankstellen der ehemaligen DDR - natürlich eine besondere Affinität besitzen. Dies wird zumindest in den Büchern in Frankreich behauptet. Denn wo sonst sollen die ganzen Spenden herkommen, über die Herr Kohl nicht zu sprechen wagt? Elf Aquitaine Hansgeorg Hauser ({7}) ist immerhin ein großer Benzinkonzern, der natürlich die Preise auch erhöht. ({8}) - Herr Kollege, er ist inzwischen in Lyon angesiedelt, Sie können mal hinfahren und gucken. Reden Sie einmal mit Ihren Spenderfreunden, vielleicht senken sie in diesem Zusammenhang ja die Preise. Heute morgen hat der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Hans Werner Busch, laut ddp erklärt, er befürworte die Ökosteuer. Im „Deutschlandradio Berlin“ begründet Busch dies heute mit den positiven Effekten der Ökosteuer auf den Arbeitsmarkt. Er führte weiter aus, eine Abschaffung hätte eine Erhöhung der Beiträge und damit eine Erhöhung der Lohnnebenkosten zur Folge. Die Entwicklung der Arbeitsplätze wäre gefährdet. Und Herr Busch ist kein ausgewiesener Sozialdemokrat, eher ein F.D.P.-Mann, wie wir wissen. Wenn Sie schon über diese ganzen Erhöhungen reden: Der Biodiesel hat zur Zeit die höchsten Preissteigerungen und dies hat mit unserer Ökosteuer überhaupt nichts zu tun. Fragen Sie einmal Ihre Landwirtsfreunde, die heute auf dem Traktor sitzen und hier in der Gegend herumfahren, warum sie den Biodiesel so teuer machen. Warum machen sie ihn denn nicht billiger, wenn das wirklich ein Produkt sein soll, das weltweit verbreitet werden soll? Ich schenke es mir, noch einmal darauf einzugehen, was hier die Frau Kollegin Merkel gesagt hat. Interessanterweise hat sie als Parteivorsitzende von Dienstagmittag bis eben, als sie verschwunden ist, standhaft den Mund gehalten. Zum Haushalt oder zur politischen Auseinandersetzung hat sie offenbar gar nichts zu sagen. Ich bedaure das außerordentlich, denn ich würde gern hören, wo es mit der CDU eigentlich langgeht. Aber das ist nicht erkennbar. Ich werde auch Herrn Merz nicht mehr zitieren, der im November 1998 noch gesagt hat, durch die Ökosteuer sollten Einnahmen erzielt werden, um Sozialabgaben zu reduzieren. Dies hat Herr Merz gesagt. Am Mittwoch hat Herr Merz jetzt eines gefordert - das ist klar -, nämlich die Nettokreditaufnahme in Deutschland um 22 Milliarden DM zu erhöhen; denn der Wegfall der Ökosteuer würde einen Wegfall von 22 Milliarden DM bedeuten. ({9}) Er sagte dazu, dass wir diese Summe auf die Nettokreditaufnahme draufschlagen müssten, damit wir die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge überhaupt halten könnten. Das ist die Logik seiner Ausführungen. ({10}) Nach dem, was die CDU hier vorgetragen hat, entspricht das einer Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge auf 21 Prozent. Mit den 22 Milliarden DM kämen wir dann an die denkwürdige Grenze des Artikel 115 des Grundgesetzes: Der Haushalt wäre verfassungswidrig. ({11}) Was Herr Merz hier vorschlägt, ist eine Aufforderung an die Koalition, das Gesetz zu brechen. ({12}) Dies ist eine Aufforderung an die Koalition, die Nettokreditaufnahme so zu erhöhen, dass der Haushalt 2001 verfassungswidrig wird. Für wie doof halten Sie uns eigentlich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU? ({13}) Dass wir einen solchen Blödsinn nicht mitmachen, ist doch wohl selbstverständlich. Herr Gysi - um auch hier einen Punkt aufzugreifen schlägt vor, man solle von den Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von 100 Milliarden DM 10 Milliarden DM für andere Zwecke verwenden. Dazu kann ich nur sagen: Er muss sich das Haushaltsgesetz für das Jahr 2000 durchlesen. Auch die PDS muss dieses Gesetz einhalten. Darin steht ausdrücklich, dass die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in den Bundeshaushalt zur Schuldentilgung aufgenommen werden, und zwar in ihrer Gesamtheit. Man kann keinen Teil davon wegbrechen und damit machen, was man will. Auch dies gehört zur Redlichkeit der Politik. Herr Gysi - auch wenn er nicht mehr im Saal ist -, wir haben nicht vor, die Bundesanstalt für Arbeit hinsichtlich der AB-Maßnahmen schlechter zu stellen. Dies bleibt für die neuen Länder genauso, wie auch die Finanzhilfen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, die Sie infrage gestellt haben, erhalten bleiben. ({14}) - Gut, wir können darüber diskutieren. Dies sollte alles so bleiben, wie es war. Herr Austermann hat mir gesagt, er müsse früher weg. Ich habe ihm aber ordnungsgemäß gesagt, ich würde ihn jetzt beschimpfen. Er hat heute morgen Ihr Leib- und Magenblatt, die „Bild“-Zeitung, zitiert. Er legte dem armen Herrn Pierer die Überschrift der „Bild“-Zeitung in den Mund und behauptet, er hätte gesagt: „Die Ökosteuer lähmt unseren Aufschwung“. Jetzt lese ich einmal nach, was Herr Pierer in dem Interview wirklich gesagt hat. Er sagte auf eine entsprechende Frage: Davon halte ich gar nichts! Man sollte sich über die Ökosteuer noch einmal unterhalten. - Ist das so schlimm? Aber Austermann zitiert Pierer. Pierer habe gesagt, weg mit der Ökosteuer, sie lähme die Wirtschaft. Nachdem Herr Pierer der CDU eine Telefonanlage finanziert hat - Siemens spendierte ja der CDU eine Telefonanlage -, kann es sein, dass das die Dankbarkeitsretourkutsche war. ({15}) Das ist über einen Konzern bekannt geworden. Die Anlage ist in Potsdam installiert worden. - Herr Koppelin, Sie beugen sich interessiert vor. Ich verstehe: Sie wollen wissen, wie Sie für die F.D.P. Geld einsparen können. ({16}) Das geht bis zu Herrn Däke. Herr Däke ist Ihnen bekannt. Er ist Ihr Kronzeuge vom Bund der Steuernichtzahler. Er erklärt, man solle doch bitte das Kfz-SteuerÄnderungesetz von 1997 aufheben. Er meinte, uns ans Leder zu können bei einem Gesetz, das Sie verabschiedet haben. Er geht also mittlerweile gegen Sie. Seien Sie also bitte vorsichtig, wenn Sie ihn als Kronzeugen aufrufen. Er ist in der Tat ein schlechter Kronzeuge dafür, wenn es um irgendwelche steuerlichen Überlegungen geht. Kurzum, meine Damen und Herren, wir haben bei diesem Haushalt Folgendes festzustellen: Der Regierungsentwurf verlässt heute, in diesen Minuten, die Regierung und wird zum Entwurf des Parlamentes. Sie brauchen sich deshalb gar keine Gedanken zu machen. Wir Abgeordnete werden alles ordnungsgemäß beraten, wie es sich im Deutschen Bundestag gehört. Wir werden diesen grundsoliden Haushalt mit unserer und - so hoffe ich jedenfalls - mit Ihrer Mitwirkung verabschieden und die Konsolidierung fortsetzen. Ich bin sicher, dass wir auf gutem Wege sind, insbesondere im Interesse unserer Kinder und Kindeskinder. Schönen Dank. ({17})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/4000 und 14/4001 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung angelangt. Ich möchte mich ausdrücklich bei all denjenigen bedanken, die es bis zum Ende des Sitzungsmarathons dieser Haushaltswoche ausgehalten haben. Mein Kompliment an Sie. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 27. September 2000, 13 Uhr, ein. Ich wünsche allen, auch Ihnen oben auf der Tribüne, ein interessantes Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.