Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Vielen Dank, Herr
Staatssekretär. Zu diesem Thema gibt es Wortmeldungen.
Als erster hat sich Herr Kollege Dirk Niebel gemeldet.
Herr Staatssekretär, ich freue
mich sehr, dass die Bundesregierung das Problem des so
genannten Niedriglohnsektors in ihre politische Arbeit
aufgenommen hat. Ich hätte mir das sehr viel früher gewünscht und möchte nun eine Frage an Sie stellen.
Die von Ihnen vorgestellten Modelle zielen alle darauf
ab, Arbeitsplätze oder Lohnnebenkosten zu subventionieren. Sie dienen aber nicht dazu, die Menschen als solche
zu fördern. Befürchten Sie nicht ebenso wie ich bei einer
Subventionierung von Lohnkosten oder Lohnnebenkosten Mitnahmeeffekte? Wäre es nicht Ihrer Ansicht nach
sinnvoller, durch einen direkten Zuschuss an die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein zusätzliches Beschäftigungspotenzial im Niedriglohnsektor zu
erschließen?
Herr Abgeordneter
Niebel, ich könnte Ihre Frage schlicht mit einem Nein beantworten. Ich will es aber nicht tun.
Erstens. Sie sehen aus der unterschiedlichen Anlage
dieser beiden Modelle, dass wir auf der einen Seite ein
Modell gewählt haben, bei dem unmittelbar der Arbeitgeber bezuschusst wird, und auf der anderen Seite ein solches, bei dem der betroffene Arbeitnehmer bezuschusst
wird. Durch dieses Vorgehen wollen wir beide Wirkungsweisen ausprobieren.
Zweitens. Wir haben in einem Modell, dem Saar-Modell, gewissermaßen keine finanzielle Förderung des Arbeitnehmers. Diese Förderung läuft über Qualifizierungsmaßnahmen.
Drittens. Auch ich hätte mir das alles viel früher gewünscht. Es hat viele Gelegenheiten gegeben, solche
Maßnahmen früher zu verwirklichen und sinnvoll auszuprobieren. Wir sehen das vor dem Hintergrund der
Schwierigkeiten, bestimmte Schwellen zu überwinden,
um damit Anreize zu einer zusätzlichen und wenn möglich langfristigen Erwerbsarbeit im ersten Arbeitsmarkt
zu schaffen.
Ich will kein Prophet sein: Man macht Modellversuche - diese heißen deswegen auch so -, um bestimmte Erfahrungen zu sammeln. Wir gehen davon aus, dass wir mit
den beiden Modellversuchen - zweimal in einem alten
Bundesland und zweimal in einem neuen Bundesland die entsprechenden Erfahrungen sammeln können, um
daraus Schlussfolgerungen für eine mögliche Veränderung von Gesamtsystemen ziehen zu können.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Niebel? - Bitte sehr. Die anderen Fragesteller habe ich notiert. Bitte kommen Sie miteinander
ins Gespräch.
Herr Staatssekretär, die von Ihnen vorgestellten Modelle und Ihre Ausführungen zu
meiner Frage gehen davon aus, dass in dem bestehenden
System von Entlohnung und Arbeitsproduktivität ein Problem darin besteht, dass Personen mit geringer Qualifikation nicht in die untersten Lohngruppen hineinkommen.
Ich denke, das Problem besteht vielmehr darin, dass
Arbeitsproduktivität und Entlohnung der untersten Lohngruppen nicht deckungsgleich sind. Würden Sie dem zustimmen bzw. aus welchen Gründen sehen Sie das anders?
Müsste der Ansatz daher nicht vielmehr dahin gehen,
durch einen direkten Zuschuss an Arbeitnehmer einen
Lohn existenzsichernd zu gestalten, der im Augenblick in
den untersten Lohngruppen nicht vorgesehen ist? Würden
Sie mir auch darin zustimmen? Könnten Sie mir weiter sagen, inwiefern Sie die Modellversuche des Landes BadenWürttemberg, die seit einem guten Jahr in diesem Bereich
laufen, in Ihre Entscheidungsfindung einbeziehen?
Zunächst muss ich sagen: Es gibt selbstverständlich einen Zusammenhang
zwischen Lohnhöhe und Produktivität, und es gibt einen
Zusammenhang zwischen Beschäftigungsproblemen im
niedrig produktiven Bereich. Die spannende Frage ist,
wie man damit umgeht. Das Problem einer Direktsubventionierung würde natürlich sofort flächendeckend zu Ergebnissen führen, die kein Mensch wollen kann.
Wir haben auch heute schon ganz normale Beschäftigung in - so würde ich es bezeichnen - gering entlohnten
Sektoren, die solche Niedriglohnsektoren sind. Wenn man
dazu übergeht, hier Subventionierungen vorzunehmen,
bekommt man sofort flächendeckende Mitnahmeeffekte,
die kein Mensch wollen kann.
Deswegen noch einmal der Hinweis darauf, dass wir
mit zwei unterschiedlich gelagerten Modellen, die wir
auch in größeren Regionen ausprobieren, genau untersuchen wollen, ob es denn zu entsprechenden Beschäftigungseffekten kommt. Das kann man vorher nicht prognostizieren - ich sage das noch einmal -, deswegen
führen wir Modellprojekte durch und deswegen gibt es
die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen, die wir
hier ausprobieren wollen.
Auf Ihren Hinweis auf ein Modell von Baden-Württemberg kann ich erwidern, dass es auch andere Landesmodelle gibt. Beispielsweise in Sachsen gibt es ein anderes Konzept. Man hat sich im Bündnis für Arbeit und auch
in den Folgegesprächen ausdrücklich für das Mainzer
Modell und das Saar-Modell entschieden. Diese Modelle
wollen wir nun ausprobieren, ohne damit andere Modelle
irgendwie qualifizieren oder bewerten zu wollen. Sie werden mir auch nachsehen, dass ich das hier nicht öffentlich
tun will.
Nun fragt Herr Kollege Schemken.
Herr Staatssekretär,
diese Maßnahme in der Verzahnung zwischen den Kommunen und der Arbeitsverwaltung ist sicherlich zu begrüßen. Nur verweise ich aus der jahrzehntelangen Erfahrung vor Ort darauf, dass es hier recht kompliziert ist. Es
ist sicherlich zu erklären, dass Arbeitslosenhilfe plus Sozialhilfe, wenn beide greifen, was bei Langzeitarbeitslosen oft der Fall ist, in die Betriebe mitgenommen wird.
Dadurch wird der Betrieb bei dem Bemühen entlastet,
diese Brücke zu bauen. Ich verstehe dies so. Wie soll das
vor Ort geschehen? In der Vergangenheit haben sich auch
die kommunalen Spitzenverbände sehr dagegen gewehrt.
Ist dies abgeklärt, und wie geschieht der Datenaustausch?
Der spielte bei diesen Fragen immer auch eine Rolle,
wenn man zu einer Abklärung oder zu einem Abgleich
kommen wollte.
Die weitere Frage: Mit welchem Programm wird dann
die Qualifizierung begleitet? Es handelt sich weitgehend
um Menschen, die länger aus dem Arbeitsprozess heraus
sind und bestimmt nicht direkt nach einer Maßnahme
nach dem Berufsförderungsgesetz bzw. nach F- und
U-Maßnahmen in eine Umschulungsmaßnahme von klassischem Charakter überführt werden können, weil hier sicherlich Trainingsmaßnahmen nötig sind. Kann man dies
dem Betrieb zumuten, und wie wird dieser Konfliktfall im
Alltag geregelt?
Herr Kollege Schemken,
was die erste Fragestellung angeht, habe ich versucht, bei
meiner Einführung schon darauf hinzuweisen, dass das
natürlich nur Sinn macht, wenn man die Beteiligten zusammen an einen Tisch bekommt. Das wird auch durch
eine entsprechende Organisation gewährleis-tet, dass
nämlich sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften als
auch die Arbeitsämter und die Sozialämter unmittelbar
vor Ort eingebunden werden. Es wird auch nur auf Antrag
Maßnahmen geben, die von beiden Seiten getragen werden. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass wir ja schon laufende Projekte der Kooperation zwischen örtlichen Arbeitsämtern
und Sozialämtern haben. Hier ist es in der Tat so, dass wir
durch die Schaffung gesetzlicher Grundlagen - einerseits
im SGB III und andererseits im BSHG - sicherstellen
müssen, dass die Kooperation auf andere Grundlagen gestellt wird. Dazu ist besonders wichtig, dass es zu einem
Datenaustausch kommt; darauf haben Sie schon hingewiesen. Aber Sie stoßen beispielsweise auch auf ein Problem, wenn Sie Leistungen aus einer Hand gewähren wollen. Wenn beispielsweise das Arbeitsamt nun die gesamte
Leistungsabwicklung übernimmt, dann gibt es dafür
keine rechtlichen Grundlagen. Wir werden in Kürze wahrscheinlich in der nächsten Woche - in diese Richtung
auch entsprechende gesetzliche Vorstöße unternehmen.
Hinsichtlich der Qualifizierung möchte ich darauf hinweisen, dass bei dem Saar-Modell nur der Arbeitgeber bezuschusst wird. Der Zuschuss für den Arbeitnehmer soll
in Form von Qualifizierungsgutscheinen gewährt werden.
Dies hängt natürlich von den Fragen ab: Wo befindet sich
die Stelle? Um welche Beschäftigung handelt es sich?
Wie muss der Arbeitnehmer für eine entsprechende Stelle
qualifiziert werden? Die Auswahl bleibt zunächst einmal
den Projekten vorbehalten, die am 1. September starten
und bei denen die Anträge entsprechend bearbeitet und
genehmigt werden müssen.
Ich bitte um Verständnis, dass wir erst im weiteren Verlauf dieser Projekte und unter Begleitung der örtlichen
Stellen, die das machen, darüber berichten können. Ich
möchte im Vorfeld dazu nichts sagen. Es ist auch nicht alles vorgeplant. Hinsichtlich der Qualifizierung stehen uns
bestimmte Instrumentarien im SGB III zur Verfügung.
Aber vielleicht sind auch andere Maßnahmen möglich,
die man sich allerdings genau anschauen und diskutieren
muss.
Jetzt hat das Wort der
Kollegen Dreßen.
Herr Staatssekretär, vielleicht
können Sie die Zweifel, die aus den beiden vorausgegangenen Fragen zu hören waren, zerstreuen, wenn Sie die
beiden Modellansätze - das Mainzer Modell und das Modell der Saar-Gemeinschaftsinitiative - etwas detaillierter
beschreiben und klarmachen, was eigentlich hinter diesen
Modellen steckt. Vielleicht sind Herr Niebel und Herr
Schemken, die Zweifel hatten, dann etwas besänftigt.
Im Rahmen des SaarModells wird dem Arbeitgeber ein Zuschuss gewährt darauf habe ich schon hingewiesen -, der degressiv gestaltet sein soll und der sich nach der Einkommenshöhe
richtet. Vorgesehen ist, dass bei einem Stundenlohn von
etwa 10 DM der volle Zuschuss gewährt wird. Die Zuschüsse werden degressiv bis zu einem Stundenlohn von
18 DM für sozialversicherungspflichtige zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse gewährt. Sie sehen also, dass
wir schon hier Sicherungsinstrumente eingebaut haben,
weil wir Mitnahmeeffekte vermeiden möchten. Deswegen muss es sich um zusätzliche Beschäftigung handeln.
Es ist im Bündnis für Arbeit auch verabredet worden, dass
es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
handeln muss. Der Zuschuss zum Arbeitnehmeranteil an
den Sozialversicherungsbeiträgen wird dem Arbeitnehmer nicht bar ausgezahlt; vielmehr kommt ihm dieser Zuschuss in Form von Qualifizierungsmaßnahmen zugute.
Beim Mainzer Modell erhalten nur die Arbeitnehmer
einen Zuschuss. Der Hintergrund, der hierbei eine Rolle
spielt - ich versuche, das ein bisschen zu erläutern -,
ist, dass es eine Beschäftigungslücke zwischen den
630-Mark-Arbeitsverhältnissen und den darüber liegenden Einkommen gibt. Die Situation ist folgende: Bei
630-Mark-Arbeitsverhältnissen zahlt der Arbeitgeber die
Renten- und die Krankenversicherung. Der geringfügig
Beschäftigte zahlt 7 Prozent wahlweise nur dann hinzu,
wenn er zusätzliche Leistungen haben möchte.
Ab 631 DM beginnt aber die volle Sozialversicherungspflicht. Dadurch entsteht - wenn man es unter dem
Strich zusammenrechnet - eine Lücke. Auch hier soll ein
degressiv verlaufender Zuschuss realisiert werden, dessen
Gewährung bei Einzelpersonen beim Zweieinhalbfachen
und bei Verheirateten beim Doppelten der Geringfügigkeitsgrenze endet. Dadurch werden die Sozialversicherungsbeiträge subventioniert. Bei einem Einkommen
von 631 DM bis 1 575 DM muss der Arbeitnehmer den
vollen Sozialversicherungsbeitrag leisten. Arbeitnehmer
dieser Einkommensgruppe erhalten einen Zuschuss für
ihren Beitrag. Der Sozialversicherungsbeitrag von Verheirateten wird bis zu Bruttolöhnen von 1 260 DM voll
und zwischen 1 260 DM und 3 150 DM abnehmend bezuschusst.
Zusätzlich sieht das Mainzer Modell einen degressiven
Zuschlag zum Kindergeld für erwerbstätige Geringverdiener - in Abhängigkeit vom Einkommen - in Höhe von
maximal 150 DM monatlich vor.
Über die Bezuschussung sollen also entsprechende Anreize geschaffen werden, beständige Beschäftigung anzunehmen.
Jetzt kommt der Kollege Gerald Weiß.
Herr Staatssekretär, es ist sicherlich erwägenswert, im Zuge eines
Unterstützungsmodells Angebot und Nachfrage in einem
schwierigen Segment des Arbeitsmarktes zusammenbringen zu wollen. Sie sagten: Wir wissen auch, wo die
Tücken liegen. Sie selber haben das Stichwort „Mitnahmeeffekte“ genannt. Habe ich es richtig verstanden, dass
die Absicherung gegen den Missbrauch durch Mitnahmeeffekte nur durch das Kriterium „zusätzliche Arbeitsplätze bei niedrigen Löhnen“ erfolgen soll? Haben Sie
also objektive Kriterien des Arbeitsplatzes - niedrige
Produktivität, Unterversorgung mit Arbeitskräften; es
gibt weitere denkbare Sicherheitskriterien - ins Modell
nicht eingeführt?
Zweite Frage: Es gibt ein gewisses Zahlengerüst und in
einem gewissen Umfang stehen Haushaltsmittel verschiedener Ebenen zur Verfügung. Haben Sie Vorstellungen
darüber, wie viel gering qualifizierte oder langzeitarbeitslose Arbeitnehmer Sie mit diesem Programm in den
nächsten Jahren erreichen wollen?
Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Zur ersten Frage. Wir ziehen als Sicherheitskriterium
ein, dass beim Mainzer Modell nur derjenige gefördert
wird, der nicht schon vorher bei demselben Arbeitgeber
beschäftigt war. Das Sicherheitskriterium wird bei sechs
Monaten liegen. Im Saar-Modell muss es sich um eine zusätzliche Beschäftigung handeln. Wir werden die Einhaltung sehr genau beurteilen können, da wir die Projekte unmittelbar vor Ort begleiten.
Schon die Grenzen der Einkommenshöhen - ich habe
sie genannt - zeigen, dass das Kriterium, es handele sich
um Jobs für gering Qualifizierte, ein bestimmtes Sicherheitspotenzial enthält. Ich sage ausdrücklich: Wir haben
etwas größere Regionen - ich erinnere an RheinlandPfalz mit vier Arbeitsamtsbezirken - nach dem Beschäftigungspotenzial ausgewählt. Es ist lange über den Anteil
von gering qualifizierten Langzeitarbeitslosen und das
damit zusammenhängende Beschäftigungspotenzial diskutiert worden.
Ich habe die Globalzahlen genannt. Wir werden für
dieses Jahr 60 Millionen DM zur Verfügung stellen. Wir
gehen davon aus, dass durch die jeweiligen Bundesländer
eine Kofinanzierung von 20 Prozent vorgenommen wird.
Wir werden mit den zur Verfügung gestellten Mitteln im
Rahmen der vorgegebenen Zeit insgesamt etwa 36 000
Förderfälle jährlich finanzieren können. Das ist ein Potenzial, mit dem man eine Menge anfangen kann. Ein Modell mit kleineren Größenordnungen würde keinen Sinn
machen. Nimmt man auf der Grundlage von jährlich
36 000 Fällen eine Hochrechnung bis zum Jahr 2004 vor,
dann stellt man fest, dass ein ganz schönes Potenzial zusammenkommt. Man sollte sich das im Einzelnen anschauen.
Noch einmal der Kollege Weiß, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, Sie haben im Ausschuss berichtet, dass die ersten Projekte im zweiten Halbjahr des Jahres 2000 bezuschusst werden könnten. Da das zweite Halbjahr in wenigen Tagen beginnt, sind Sie - das ist mein Eindruck nicht ganz im Zeitplan. Oder ist es so, dass Anfang Juli die
ersten Projekte bewilligt werden können?
Ich finde, dass wir sehr
gut im Zeitplan sind. Es ist natürlich jeder Opposition unbenommen, die Regierung dahin gehend zu kritisieren,
dass sie ihren Zeitplan nicht einhält.
({0})
Wir haben im laufenden Haushaltsjahr für diesen Gesamttitel 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Für
diesen speziellen Bereich stehen 60 Millionen DM zur
Verfügung, die entsprechend kofinanziert werden. Wir
mussten eine Reihe von Abstimmungen vornehmen, weil
ausdrücklich festgehalten worden ist, dass die Bündnispartner, die Sozialämter und die Arbeitsämter einbezogen werden. Es ging darum, das Vorhaben konzeptionell
vorzubereiten. Wir gehen davon aus, dass wir ganz zügig
starten können.
Nun kommt die Kollegin Irmgard Schwaetzer, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann werden zumindest in dem Modellversuch, der im Saarland läuft,
Löhne gezahlt, die unterhalb der tariflich vereinbarten
Mindestlöhne liegen. Ich habe Sie also richtig verstanden,
dass Sie davon ausgehen, dass es ein Beschäftigungspotenzial in dem Bereich der Entlohnung auch unterhalb der
Tarifverträge gibt.
Wäre es dann nicht sinnvoll, diesen Beschäftigungssektor in etwas breiterer Form zu erschließen, zum Beispiel dadurch, dass der Abschluss entsprechender Anstellungsverträge zugelassen würde und man gleichzeitig
aber, um sicherzustellen, dass für den Lebensunterhalt angemessene Einkommen erzielt werden, die Höhe der Anrechnung auf die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe
möglichst zusammenfasste - das war ja auch der Plan dieser Bundesregierung -, diese also nur zu einem bestimmten Anteil anrechnete?
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass dies besser geeignet wäre, die Beschäftigungslücke zwischen
630 DM und 1 500 DM oder aber 2 500 DM, je nachdem,
welche Maßstäbe man anlegt, zu schließen, als jetzt diese
Lohnzuschüsse oder aber Zuschüsse zu den Sozialversicherungskosten, wie das jetzt angelegt ist, zu zahlen?
Frau Schwaetzer, ich
will ausdrücklich noch einmal sagen: Wir zahlen keine
Lohnzuschüsse, sondern wir bezuschussen die Sozialversicherungsbeiträge. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt. Wenn Sie aus den Stundenlöhnen
von 10 DM bis 18 DM ableiten, dass das Löhne seien, die
unter Tarif lägen, dann muss ich Ihnen widersprechen. Es
gibt die prinzipielle Vereinbarung, dass nicht unter Tariflohn gezahlt wird. Wir kennen faktisch nur einen Mindestlohn, der in einer bestimmten Höhe definiert ist, nämlich den im Bereich der Bauwirtschaft; ansonsten kennen
wir nur das, was tarifvertraglich verabredet oder für
allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Wenn Sie sich
aber bestimmte Tarife anschauen - schauen Sie einmal in
den Bereich der Gastronomie, in den Bereich der Feinkeramik, in den Bereich des Einzelhandels -, dann werden Sie dort Löhne vorfinden, die in einer Größenordnung
von nur 10 DM bis 18 DM liegen.
Dort etwas zu tun macht also Sinn, aber das ist natürlich an eine bestimmte Ausganglage gekoppelt. Es muss
sich nämlich um Menschen handeln, die vor allem entweder Langzeitarbeitslose oder Sozialhilfeempfänger sind,
weil wir ja genau erproben wollen, ob wir damit sozusagen Schwellen beseitigen können, wodurch diese Zielgruppen deutlicher und sofort in den ersten Arbeitsmarkt
gelangen.
Da hinter Ihrer Fragestellung unausgesprochen eine
andere Frage steckt, was ich weiß, weil wir uns ein bisschen kennen, möchte ich Ihnen jetzt noch eine zweite Antwort geben: Es hat schon längere Auseinandersetzungen
über die Frage gegeben, ob man beispielsweise den Eigenbehalt bei Arbeit im Falle von Sozialhilfebezug oder
Arbeitslosenhilfebezug nicht erhöhen sollte. Ich erinnere
mich noch gut daran, dass die alte Regierungskoalition,
beispielsweise in der Person des damals für Sozialhilfeangelegenheiten zuständigen Ministers, den Versuch
unternommen hat, den Eigenbehalt bei Sozialhilfebezug
um 50 DM zu erhöhen. Da stößt man allerdings ganz
schnell auf ein Problem, das mit der unterschiedlichen
Systematik zusammenhängt. Das ist das Problem, dass
man, wenn man den Eigenbehalt erhöht, automatisch
auch die Zahl der Sozialhilfeberechtigten und die Kosten
der Sozialhilfe erhöht. Da wir uns hier in einer freundlichen Gemengelage zwischen Bund und Ländern befinden, brauche ich Ihnen die Weiterungen wohl nicht zu
nennen.
Jedes Modell muss scheitern - das sage ich von vornherein für diese Bundesregierung -, das dazu führt, dass
der Kreis der Anspruchsberechtigten für den Bezug von
Sozialhilfe erweitert wird. Das können wir einfach nicht
mittragen. Das wollen wir nicht. Das wäre auch kontraproduktiv zu dem, was wir mit den Modellen erreichen
wollen. Wir wollen damit nämlich gerade erreichen, dass
durch anders konstruierte Anreize Menschen aus dem Bezug von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe herausgeführt
werden. Die etwas schwierige Systemdebatte, die dahinter steckt, will ich aber jetzt nicht weiter vertiefen.
Wenn Sie sich das anschauen, dann werden Sie also
feststellen, dass sich dann, wenn man den Eigenbehalt um
50 DM erhöht, auch die Zahl der Bezugsberechtigten für
Sozialhilfe und die Sozialhilfekosten insgesamt erhöht.
Frau Schwaetzer.
Herr Staatssekretär, Sie haben sicherlich zu Recht die Diskussionen aus
der letzten Legislaturperiode angeführt. Dennoch ist Ihr
Modell - so wichtig das ist - möglicherweise nur dazu
geeignet, Menschen, die derzeit Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe beziehen, aus dieser Situation herauszuführen.
Es ist kein Instrument, das der Prävention dient. Genau
darauf zielte allerdings meine Bemerkung, was angestellt
werden müsste, um den Bereich zwischen 630 DM und
1 500 DM zu schließen, das heißt den Bereich der gering
Qualifizierten, die ja nach den im Moment angedachten
Lösungen - das wird sicherlich nicht das Ende sein - erst
einmal langzeitarbeitslos werden müssen, ehe sie die
entsprechende Hilfe bekommen.
Sie könnten aus der Systemdebatte herauskommen,
wenn Sie das Modell der Negativsteuer wählen. Damit
könnte eine Ablösung der Systemdebatte eingeleitet
werden.
Frau Schwaetzer, Sie
wissen selbst, dass wir heftige Debatten über die
Neuregelung der 630-Mark-Beschäftigungsverhältnisse
geführt haben. Wir haben diese Regelung durchgesetzt.
({0})
Wir sind sehr froh darüber, dass sich diese Regelung in der
Zwischenzeit als außerordentlich erfolgreich erwiesen
hat.
({1})
Das ist so, und es muss auch der Bundesregierung, wenn
die einen sozusagen ihr Modell einbringen, gestattet sein,
aufzuzeigen, wo sie erfolgreich ist.
Entgegen allen vorherigen Prognosen sind in der Zwischenzeit über 4 Millionen ordentliche Beschäftigungsverhältnisse von Personen, die ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und für die diese
kein Zusatzverdienst ist, registriert worden.
Man könnte fragen, wie denn die besagte Lücke entsteht. Sie entsteht dadurch, dass es auf der einen Seite Unterstützung gibt und auf der anderen Seite nicht, dass also
derjenige, der mehr als 630 DM verdient, netto sofort weniger herausbekommt als der, der weniger verdient. Wir
wollen aber probieren, ob das mit unserem Modell zu ändern ist. Es gibt andere, die sagen, dass man die Grenzen
deutlich erhöhen muss. Das schließt aber diese Lücke
nicht.
Dem Modell der Negativsteuer will sich diese Bundesregierung, wie Sie wissen, nicht nähern.
Jetzt kommt die Kollegin Erika Lotz.
Herr Staatssekretär, Sie hatten ausgeführt, dass schon in vier verschiedenen Ländern Modellversuche stattfinden, und hatten auch schon etwas zur
Finanzierung seitens des Bundes gesagt. Auch die Länder
haben ja, wie ich denke, ein Interesse daran, dass die
Menschen aus der Sozialhilfe bzw. der Langzeitarbeitslosig-keit herauskommen. Mich würde interessieren, ob
die Finanzierung nur vonseiten des Bundes geschieht oder
ob sich daran auch die Länder beteiligen und, wenn ja, in
welcher Höhe.
Wir erwarten eine Kofinanzierung von den beteiligten Ländern in Höhe von
20 Prozent. Das macht bei einem vom Bund vorgesehenen
Volumen von 60 Millionen DM in diesem Jahr eine finanzielle Beteiligung der Länder in Höhe von 12 Millionen DM nötig. So betragen die Gesamtmittel, die dieses
Jahr zur Verfügung stehen, 72 Millionen DM. Für die Folgejahre wird das entsprechend aufgeschlüsselt. Eine Kofinanzierung der beteiligten Länder ist also Voraussetzung. Dass es diese gibt, ist sichergestellt.
Nun kommt die Kollegin Frau Dr. Knake-Werner. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
ich nehme an, dass es Sie nicht wundern wird, wenn ich
jetzt sage, dass ich im Gegensatz zu einigen meiner Vorrednerinnen überhaupt nicht froh darüber bin, dass nun
die Ausweitung des Niedriglohnsektors in der Bundesrepublik noch durch Modellversuche der Bundesregierung
befördert wird.
Nun komme ich zu meiner Frage: Sie haben ja vorhin
bemerkt, dass man Modellversuche deshalb macht, weil
man Erfahrungen sammeln will, ehe man etwas in eine
breitere Praxis überführt. Wenn ich das Ganze bisher richtig verstanden habe, schlagen Sie für den Modellversuch
Modelle vor, die es bereits im Saarland und in RheinlandPfalz gibt. Was bitte ist jetzt das Neue, das Sie aus diesen
Modellen, die sich exakt an diesen Vorgaben orientieren,
erfahren wollen?
Frau Abgeordnete
Knake-Werner, ich kann verstehen, dass Sie nicht begeistert sind. Ich verstehe das gut, weil ich Ihre Grundeinstellung zu diesem Bereich kenne, die ich aber nicht ändern
kann und die Ihnen unbenommen bleibt.
({0})
Ich möchte aber heftig Ihrer Position widersprechen,
wir würden flächendeckende Versuche zur Einführung
des Niedriglohns durchführen. Es geht uns um etwas ganz
anderes. Es geht uns nämlich darum, zu erproben, ob es
mithilfe von bestimmten Instrumentarien Möglichkeiten
gibt, Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger im
ersten Arbeitsmarkt dauerhaft in Arbeit zu bringen.
Ich will Sie darauf hinweisen - auch das mag Ihnen
möglicherweise nicht gefallen -, dass sich die Bündnispartner daran beteiligen. Es handelt sich also um ein
Modell, das mit den Arbeitgeberverbänden, mit den Gewerkschaften und mit der Bundesregierung gemeinsam
aufgestellt worden ist. Die Saar-Initiative ist in diesem
Rahmen entwickelt worden. Wir werden sie jetzt auf eine
breitere Grundlage stellen und in größeren Zusammenhängen überprüfen. Ich habe schon die entsprechenden
Zahlen genannt. Bestimmte Modelle müssen flächendeckend erprobt werden. Da Sie vorhin die Gesamtzahlen
zur Kenntnis genommen haben, sollte Ihnen klar sein,
dass es sich um ein recht gutes Verfahren handelt.
Wir müssen alles tun - das ist die Position der Bundesregierung -, um die Systeme Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe daraufhin zu überprüfen, dass es nicht zu einem
Verharren in diesen Systemen kommt. Wir müssen möglicherweise zusätzliche Instrumente nutzen, um die Versorgungssysteme zu öffnen und um damit deutlich zu machen, dass man aus diesen Systemen in einer vernünftigen
Art und Weise in Beschäftigung kommen kann. Dieses
Ziel wollen wir damit erreichen. Wir schauen uns an, was
daraus wird. Wir können vorab keine Schlussfolgerungen
ziehen. Vorher muss es Modellversuche geben.
Frau Knake-Werner,
bitte.
Herr Staatssekretär,
ich habe schon verstanden, dass Sie diese Modellversuche
mit den Bündnispartnern abgesprochen haben. Ich finde
dieses Vorgehen so weit in Ordnung. Ich hätte mir nur eine
parlamentarische Debatte zu solch gravierenden Fragen
gewünscht.
Daher lautet meine zweite Frage: Habe ich Sie richtig
verstanden, dass der Titel „Modellversuche zur Erprobung neuer Wege in der Arbeitsmarktpolitik“, den wir bei
den letzten Beratungen zum Haushalt 2000 verabschiedet
haben und der 100 Millionen DM - diese Zahl haben Sie
selbst eben genannt - enthält, 60 Millionen DM sozusagen für die Erprobung zur Etablierung von Niedriglohnbereichen ausweist?
Sie können es ruhig
zehnmal wiederholen; ich widerspreche Ihnen trotzdem.
Es geht nicht um die Erprobung von Niedriglohnsektoren.
Es geht um etwas anderes.
Im Übrigen will ich Sie darauf hinweisen, dass wir dieses im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits mehrfach
deutlich gemacht haben.
({0})
- Doch, das haben wir deutlich gemacht; Sie werden es
gleich erkennen. - Ich will Ihnen verdeutlichen, worum es
bei diesem Titel geht. Unter der alten Bundesregierung
lautete ein Titel „Erprobung neuer Wege der Beschäftigung“. Damit wurden Modelle einerseits durch die Bundesanstalt für Arbeit oder andererseits durch den Bundesarbeitsminister gefördert. Wir haben diesen Titel geschlossen. Wir führen einen Teil dieser Modellprojekte
fort. Es sind 10 Millionen DM für einzelne innovative
Modellprojekte vorgesehen. Dafür haben wir den Titel
ausdrücklich geschlossen. 60 Millionen DM mit Kofinanzierung der beteiligten Länder werden genutzt, um diese
beiden Modelle erproben zu können.
Als dritter Punkt fallen unter diesen Titel die Modellprojekte zur Erprobung der Zusammenarbeit von Arbeitsverwaltungen mit Sozialämtern. Dafür sind aus diesem
Gesamttitel von 100 Millionen DM 30 Millionen DM zur
Verfügung gestellt. Diese Aufteilung ist von uns deutlich
dargestellt worden.
Angesichts Ihrer Bemerkung zur fehlenden parlamentarischen Debatte will ich darauf hinweisen: Das Arbeitsministerium hat einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Soweit wir in der Lage sind, werden wir laufend darüber berichten und diskutieren.
Es ist nun einmal so, Frau Knake-Werner: Auch bei den
anderen Projekten, die bisher finanziert worden sind,
müssen Modelle aufgestellt werden, für die es Richtlinien
der Bundesregierung oder des beteiligten Ministeriums
gibt. Dann erfolgt eine Ausschreibung und die Projekte
werden gemäß der Richtlinien gestartet. Dann kann man
sie entsprechend begleiten.
Das, was der Bundesregierung bisher an entsprechender parlamentarischer Begleitung möglich war, hat sie getan. Wir werden das in den nächsten Wochen auch weiterhin tun.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wir sind schon ein bisschen über die Zeit.
Das macht aber nichts. Ich möchte nur darauf hinweisen.
Mir liegen noch drei Wortmeldungen vor. Danach können
wir die Befragung abschließen. Das ist noch im Rahmen
dessen, was wir am heutigen Nachmittag leisten können.
An sich sind wir aber schon ein bisschen über die Zeit.
Konrad Gilges stellt die nächste Frage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Andres, meine Frage geht in eine Richtung, die
bereits eingeschlagen worden ist. Sie haben vier Modelle
angesprochen, aber daneben gibt es auch noch weitere
Modellversuche. Zum Beispiel im Arbeitsamtsbezirk
Köln hat der Verwaltungsausschuss einen Pluslohn beschlossen. Hierbei geht es um diejenigen, die eine besonders niedrige Tarifentlohnung haben. Sie wissen, dass es
Tarifverträge gibt, die für Landarbeiter einen Stundenlohn
von 9,60 DM vorsehen. Im Reinigungsgewerbe gibt
es einen Stundenlohn von 14,48 DM. Das macht bei
165 Stunden ein Bruttoeinkommen von rund 2 400 DM.
Nach Abzügen verbleibt den Betroffenen - Frau oder
Mann - bei einer 40-Stunden-Woche ein Nettomonatsentgelt von etwa 1 600 DM.
Der Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes vertritt
die Auffassung, dass es sinnvoll wäre, diesen Betroffenen,
damit sie überhaupt einen Anreiz zur Arbeit beziehungsweise zur Arbeitsaufnahme haben, auf diesen Lohn noch
etwas draufzulegen, damit sie einen Mindestnettolohn
von 2 000 DM haben, was nach unserer Einschätzung eine
Ebene ist, bei der es sich lohnt zu arbeiten. Ein Einkommen von netto weniger als 2 000 DM bei 40 Stunden pro
Woche kann man - das sage ich Ihnen - einem Arbeitnehmer nicht zumuten, weil das in der Nähe des Sozialhilfebezuges liegt.
Halten Sie es für notwendig, dass man diese Modelle
parallel zu den von Ihnen dargestellten auswertet, damit
wir einmal einen Vergleich haben, ob ein solches Modell
des Pluslohnes vielleicht genauso sinnvoll ist wie das Modell der Subventionierung von Sozialversicherungsbeiträgen und so weiter und so fort?
Herr Gilges, wir wollen
das auswerten, und das soll auch begleitet werden. Das ist
der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist - das habe ich in meinem Einleitungsvortrag schon gesagt -, dass es quer durch die Bundesrepublik schon Modelle der Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern und Sozialämtern gibt. Köln ist ein
solches.
Der dritte Punkt, um den es in diesem Zusammenhang
geht - auch das habe ich schon angekündigt -, ist, dass wir
faktisch die rechtlichen Grundlagen schaffen müssen, um
solche experimentellen Modelle durchführen zu können.
Das wollen wir tun.
Noch einmal: Es geht zum einen um die beiden in
größerem Maßstab auszuprobierenden Modelle, die ich
geschildert habe. Zum anderen geht es darum, dass in der
Bundesrepublik weitere Modelle - auf Orte begrenzt gefahren werden können und dass wir diese durch Institute wissenschaftlich entsprechend begleiten lassen und
auswerten wollen.
Anfang Juni hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit einen Runderlass an die Arbeitsämter herausgegeben,
in dem die Arbeitsämter ausdrücklich aufgefordert werden, sich an solchen Modellen zu beteiligen, damit die
entsprechenden Grundlagen zur Verfügung stehen.
Nun hat das Wort der
Kollege Julius Louven.
Herr Parlamentarischer
Staatssekretär, wir stimmen sicherlich darin überein, dass
nichts unversucht bleiben sollte, um zu mehr Arbeitsplätzen zu kommen. Sie haben auf die Frage des Kollegen
Niebel beklagt, dass es nicht schon früher Modellprojekte
gegeben habe.
Ich darf Sie daran erinnern, dass die vorherige Bundesregierung Modellprojekte aufgelegt hat, beispielsweise das Projekt „Neue Wege“. Ich darf Sie in diesem
Zusammenhang fragen: Haben sich diese Projekte, die
teilweise noch laufen, nicht bewährt, beziehungsweise
warum schließen Sie diese Projekte? Ich darf Sie weiter
fragen, ob die Ergebnisse dieser Projekte, die wissenschaftlich begleitet wurden, in die neuen Projekte einfließen.
({0})
Ich habe schon darauf
hingewiesen, dass wir diese Modellprojekte fortsetzen
wollen. Dafür ist ein bestimmter Finanzierungsanteil
vorgesehen, weil es nämlich keinen Sinn macht, Projekte
zu starten und sie dann irgendwann zu kappen. Ein Teil
der Projekte läuft noch. Sie werden auch entsprechend
evaluiert. Wir haben bei den Projekten ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Teilweise waren wir
der Auffassung, sie könnten noch nicht abschließend bewertet werden. Deswegen finanzieren wir sie weiter und
führen eine entsprechende Evaluation durch.
Um Ihnen das konkret zu sagen: Wir haben einen Teil
geschlossen, weil uns die Vergabemaßstäbe - es gibt einerseits den Strang Arbeitsverwaltung, andererseits den
Strang Bundesarbeitsministerium - nicht sinnvoll schienen. Wir haben die Aufgaben des zweiten Stranges, des
Bundesarbeitsministeriums, komplett an die Bundesanstalt für Arbeit weitergegeben, um uns bestimmten
Diskussionen, die Sie aus der letzten Legislaturperiode
kennen, zu entziehen. Es gibt jetzt klarere Verfahren. Wir
können zwar bestimmte Modellprojekte befürworten,
aber die Durchführung, die Abwicklung usw. werden von
der Bundesanstalt für Arbeit übernommen; deswegen gibt
es auch das Verwaltungsabkommen, das hier eine Rolle
spielt. Wir setzen die Projekte also fort und werten sie aus.
Ich will aber auf einen Zusammenhang hinweisen,
Herr Kollege Louven: Wenn man auf der einen Seite feststellt - was wir ja alle gemeinsam gemacht haben -, dass
die Verantwortung für aktive Arbeitsmarktpolitik und
auch für das Ausprobieren bestimmter Dinge, dass die Arbeitsämter selber Mittel einsetzen können, um vernünftige Wege auszuprobieren - ich nenne § 10 -, ein sinnvoller Weg zu sein scheint, der auch von sehr vielen Arbeitsämtern genutzt wird, dann muss man auf der anderen
Seite ebenso sehen, dass dadurch ein zusätzliches Instrument für anders geartete Modellprojekte auf Bundesebene
nicht mehr nötig ist.
Aus all diesen Gründen sind wir so verfahren, wie wir
es gesagt haben. Die Projekte, die angelaufen sind, werden zu Ende geführt und entsprechend finanziert. Sie werden wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Wir werden selbstverständlich den Deutschen Bundestag und den
entsprechenden Fachausschuss über alle Erfahrungen in
diesem Zusammenhang informieren. Sie wissen selbst,
dass es in bestimmten Fällen zum Beispiel Mahnungen
des Bundesrechnungshofs gegeben hat und wir dem nachgehen.
Nun folgt als Letzter
der Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, ich habe
mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie vorhin so
vehement die Negativsteuer von sich gewiesen haben. Sie
wissen sicher, dass Bundesarbeitsminister Riester bei der
Finanzierung der Eigenvorsorge in der Rente ein durchKonrad Gilges
gängiges Negativsteuersystem vorgeschlagen hat, das in
Bereichen, in denen ein höheres Einkommen erzielt wird,
als Freibetrag und in Bereichen, in denen ein geringeres
Einkommen erzielt wird, als direkter Zuschuss wirkt.
Weil Sie so vehement verneint haben, dass man in diesem Bereich ein Negativsteuersystem einführen könnte
und wir Brutto-Netto-Umkehrungen verhindern wollen,
indem wir Anreize schaffen, frage ich Sie - auch bei der
Green-Card-Diskussion haben Sie im Januar noch vehement verneint, dass hier Regelungsbedarf bestünde -: Wie
lange werden Sie noch bei der Ablehnung der Negativsteuer bleiben und wann können wir damit rechnen, dass
die Bundesregierung diesen Schritt auch im Bereich des
Arbeitsmarktes gehen wird?
Herr Abgeordneter
Niebel, wir könnten jetzt eine treffliche Diskussion
darüber führen, was Negativsteuer bedeutet und was
nicht. Ich habe die konkrete Frage von Frau Schwaetzer,
ob es nicht sinnvoller wäre, in dem Zusammenhang, den
wir hier diskutieren, auf dieses Modell überzugehen, verneint und ich denke, dass das auch richtig ist.
Ich danke dem Herrn
Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung
der Fragen.
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das
ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe nun die Fragestunde auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/3653 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung ist die Parlamentarische
Staatssekretärin Gila Altmann anwesend.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Werner Siemann
von der CDU/CSU-Fraktion auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der per
Dekret durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassenen Lockerung der Regelungen für die Ausfuhr nuklearer Materialien?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Siemann, Sie fragen nach einem Dekret des
russischen Präsidenten Putin. Von diesem Dekret ist die
Bundesregierung bislang nicht unterrichtet. Sie bemüht
sich zurzeit jedoch darum, Kenntnis darüber zu erlangen.
Unabhängig davon bedarf es für eine Einfuhr nu-klearer
Materialien aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland einer deutschen Einfuhrgenehmigung nach § 3 des
Atomgesetzes. Die Modalitäten hierfür sind unverändert.
Weitere Fragen zu
diesem Geschäftsbereich gibt es nicht. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. In diesem Fall steht zur Beantwortung Staatsminister Dr. Michael Naumann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk auf:
Welche kritischen Einwände und Änderungsvorschläge haben
die Länder und die betroffenen Einrichtungen bei einer Besprechung am 19. Juni 2000 über eine überarbeitete Fassung der Konzeption zur Kulturförderung des Bundes nach § 96 Bundesvertriebenengesetz gegenüber der Bundesregierung vorgetragen, und
wie wird die Bundesregierung diesen Vorschlägen und Einwänden
Rechnung tragen?
Herr Staatsminister, bitte.
Mit dieser Konzeption kommt die Bundesregierung einem seit langem vom Deutschen Bundestag
und vom Bundesrechnungshof geäußerten Wunsch nach
Übersichtlichkeit und Straffung der institutionellen
Förderungen und nach Verbesserung der Effizienz der Arbeit der Zuwender und Empfänger nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes nach, und dies insbesondere unter
Berücksichtigung der veränderten politischen Lage in Osteuropa und speziell in unseren östlichen Nachbarstaaten.
Es sind jetzt inhaltliche und finanzielle Entscheidungen zugunsten einer Entwicklungsperspektive für die
kontinuierliche Kulturarbeit zu treffen, die schon vor Jahren hätten getroffen werden müssen. Dabei ist es notwendig, festzustellen, dass sich aus Grundentscheidungen
hinsichtlich der Museen und Institute schmerzhafte Folgerungen für einige wenige Einrichtungen ergeben. Es ist
verständlich, dass einige mitfördernde Länder und vor allem die betroffenen Einrichtungen ihr Interesse artikulieren. Hier sind weitere Gespräche mit den betroffenen Ländern beabsichtigt.
Das neue Konzept der kulturpolitischen Fördermaßnahmen gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes war
schon in seiner ersten Fassung in der am 27. Oktober 1999
stattgefundenen Anhörung des Kulturausschusses des
Deutschen Bundestages alles in allem positiv aufgenommen worden. Eine endgültige Fassung wird dem Deutschen Bundestag nach Abwägung der in der Besprechung
am 19. Juni 2000 ausgetauschten Argumente kurz nach
der Sommerpause zugeleitet werden.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die kulturpolitischen Zuwendungen des Bundes nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes zwischen 1983 und 1998 von
4,3 Millionen auf 43,1 Millionen DM gestiegen sind. Zwischenzeitlich waren es sogar 55 Millionen DM. Während
der Amtszeit der vorigen Regierung bzw. ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende hat sich diese Förderung also
um das Zehnfache erhöht.
Ich will nicht verhehlen, dass ich versucht habe, in den
Akten des Bundeskanzleramtes nach Quellen für diese
neue Politik zu suchen. Eine solche Suche erübrigt sich im
Grunde genommen aufgrund des skandalösen, streckenDirk Niebel
weise offenkundig auch kriminellen Tatbestandes der Vernichtung von Akten - über 1 Million Seiten sind verschwunden - jedenfalls so lange, bis dieser Vorgang geklärt ist.
Die jetzt vorgesehenen Korrekturen sind auch im Zusammenhang mit der Haushaltssanierung zu sehen. Die
Kulturförderung nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes wird im Jahre 2001 bei rund 35 Millionen DM liegen.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.
Herr Staatsminister,
hat die Bundesregierung denn nicht beeindruckt, dass ihr
im Zuge der von Ihnen erwähnten Besprechung am
19. Juni 2000 laut Pressemeldungen ein einstimmig
gefasster Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft für
Flüchtlingsfragen und Integration, also ein Beschluss
aller Bundesländer, zur Kenntnis gebracht wurde, in dem
mit Enttäuschung festgestellt wird, dass die Erwartung,
die die Länder an die Bundesregierung hatten, nämlich zu
einem einvernehmlichen Konzept unter Mitwirkung der
betroffenen Länder und Institutionen zu gelangen, nicht
erfüllt wurde, in dem ferner festgestellt wird, dass die in
§ 96 des Bundesvertriebenengesetzes formulierte Forderung nach einem verantwortungsvollen Umgang sowohl
mit den historisch begründeten Kulturlandschaften als
auch mit der gewachsenen Vielfalt unbeachtet geblieben
ist, und in dem die Länder Grundsätze formuliert haben,
die sich in der überarbeiteten Konzeption Ihres Hauses
nicht wiederfinden?
Glaubt die Bundesregierung angesichts eines solchen
kulturpolitisch nicht unbedeutenden Feldes wirklich, eine
Konzeption durchsetzen zu können, die auch nach deren
Überarbeitung auf den einhelligen Widerstand aller Bundesländer - auch der sozialdemokratisch regierten Bundesländer - gestoßen ist?
Herr Abgeordneter, was den Widerstand der
sozialdemokratisch regierten Bundesländer betrifft, bin
ich der Meinung, dass es sich hier nicht um parteipolitische, sondern um kulturpolitische Auseinandersetzungen
handeln sollte.
({0})
Ich bin natürlich widersprüchliche Signale gewöhnt,
was die Kulturhoheit der Länder angeht. Jedes Mal, wenn
es um Zuwendungen des Bundes geht, die möglicherweise infrage gestellt werden, scheint die Kulturhoheit
nicht mehr das heiligste Gut der Verfassung zu sein. Umgekehrt aber bleibt es bei der unbestrittenen Verfassungspraxis der Kulturhoheit der Länder für Kulturfragen jeglicher Art. Um aber auf Ihre Frage präzise zu antworten:
Es gibt einen Beschluss der Länderarbeitsgemeinschaft
für Flüchtlingsfragen vom 14. Juni 2000, wonach die Länder insbesondere an Entscheidungen des Bundes mitwirken möchten und unter anderem die Förderungsvielfalt
des Bundes im Rahmen eines noch aufzunehmenden Dialogs aufrechterhalten wollen.
Es ist verständlich, dass sich eine vielfältige Bundesförderung auch finanziell entlastend auf die Länder auswirken kann. Im Vordergrund der Bundesförderung muss
aber die Zukunftssicherung - auch die wissenschaftliche
Zukunftssicherung - der Arbeit mit einer überschaubaren
und effizienten Förderungsstruktur stehen, verbunden mit
Professionalität und Vernetzung mit anerkannten musealen und wissenschaftlichen Einrichtungen.
Herr Koschyk, wenn Sie wüssten, wie viele Fahrten zu
Kirchweihen ich nicht genehmigt habe, die in der Vergangenheit ganz offenkundig dazugehörten, dann würden Sie
gerade diese Ausführungen verstehen.
Ausführliche Gespräche mit den betroffenen Ländern
waren aber schon im Juni, September und Oktober letzten
Jahres geführt worden, sodass nach der erneuten Erörterung am 19. Juni 2000 der Dialog zu einem Abschluss gebracht werden sollte und Entscheidungen auch auf unserer Seite zu treffen sind.
Noch eine Zusatzfrage? - Herr Kollege Koschyk, bitte sehr.
Mir scheint ein
Widerspruch zwischen Ihrer ersten und Ihrer zweiten
Antwort zu bestehen. Sie haben in Ihrer Antwort auf
meine Ausgangsfrage gesagt, dass Sie mit den Ländern
darüber weiterhin einen Dialog führen wollen. Nun habe
ich Sie so verstanden, dass Sie nach der Befassung am
19. Juni unbeeindruckt von der Entschließung aller Bundesländer zu einer Entscheidung kommen wollen und den
Vorbehalten aller Bundesländer gegen Ihre überarbeitete
Konzeption nicht Rechnung tragen wollen.
Herr Abgeordneter, mein Respekt vor den
Verfassungsorganen ist viel zu hoch, als dass Sie dies annehmen dürften. Ich habe in meiner Antwort auf Ihre Ausgangsfrage darauf hingewiesen - das können Sie nachher
im Protokoll nachlesen -, dass wir eine veränderte,
angepasste Konzeption nach der Sommerpause vorlegen
wollen. Diese Bundesregierung arbeitet auch im Sommer.
({0})
Jetzt stellt Herr Kollege Fromme eine Frage. Bitte sehr.
Herr
Staatsminister, halten Sie als Regierungsmitglied die Verwendung des Wortes „kriminell“ vor Abschluss eines
Strafverfahrens mit Ihrem Amtseid für vereinbar?
Selbstverständlich.
Damit haben wir den
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers erledigt und kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur
Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Zöpel zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Koschyk auf:
Ist der Bundesregierung die Studie eines an der London School
of Economics and Political Science tätigen Politikwissenschaftlers bekannt, der hinsichtlich der Rückgabe des konfiszierten
sudetendeutschen Eigentums vorgeschlagen hat, eine Regelung
zu verwirklichen, jene sudetendeutschen Alteigentümer, deren Eigentum nicht mehr rückübertragen werden kann, aus den
zurückzuzahlenden Lastenausgleichsmitteln begünstigter Alteigentümer zu entschädigen ({0}), und ist die Bundesregierung bereit, mit der tschechischen
Seite einen derartigen Verfahrensweg zu prüfen?
Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Herr Kollege, der Bundesregierung ist die zitierte Studie nicht bekannt. Im Übrigen
wird auf die Gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik
Deutschland und der Tschechischen Republik von 1997
verwiesen, die bilateralen Beziehungen nicht mit aus der
Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen
Fragen zu belasten.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
wie verträgt sich Ihre Antwort mit der von der Bundesregierung mehrfach bekundeten Rechtsauffassung,
dass die Konfiskation sudetendeutschen Eigentums im
Rahmen der Vertreibung von der Bundesrepublik als
völkerrechtswidrig angesehen wird und dass sowohl im
Deutsch-Tschechischen Nachbarschaftsvertrag als auch
in der deutsch-tschechischen Erklärung diese Frage ausdrücklich offen gehalten wird? Wie verträgt sich die
Antwort, die Sie mir gerade gegeben haben, mit dieser
auch von der jetzigen Bundesregierung bei Parlamentsanfragen immer wieder bekundeten Rechtsauffassung?
Im zweiten Teil meiner Antwort habe ich das Wort
„belasten“ erwähnt. Nicht belastende Regelungen im
Sinne Ihrer Frage sind damit nicht gemeint.
Herr Kollege
Koschyk noch einmal, bitte sehr.
Heißt das, dass sich
die Bundesregierung Kenntnis über die von mir genannte
Studie der doch immerhin renommierten London School
of Economics and Political Science verschaffen wird und
bereit ist, nach Begutachtung dieser Studie eine Bewertung vorzunehmen?
Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben sich
schon bemüht - bisher ist dies nicht von Erfolg gekrönt
gewesen -, die von Ihnen genannte Studie zu bekommen.
({0})
- Ja, dafür wäre ich Ihnen dankbar. Ich gebe offen zu: Ich
persönlich wäre auf die Idee gekommen, Sie anzurufen.
Aber ich bin für die Vorbereitung meiner Antworten nicht
zuständig.
({1})
Jetzt komme ich zu der Antwort: Wann immer die Bundesregierung zusätzliche Erkenntnisse erlangt, die vor allem zu das deutsch-tschechische Verhältnis nicht belastenden Regelungen offener Fragen führen, ist sie darüber
erfreut.
Nun freuen wir uns,
denn der Kollege Koschyk überreicht dem Herrn Staatsminister jetzt die Studie der London School of Economics
zu dieser Frage. Wir sind gespannt auf die Antwort der
Bundesregierung.
({0})
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Auswärtigen Amtes und kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Frage 4 wird schriftlich beantwortet, ebenso
Frage 5.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Plant die Bundesregierung, Erkenntnisse aus Modellprojekten
der Jugendsozialarbeit in die weitere Konzeption dergestalt einfließen zu lassen, dass sichergestellt ist, statt der Förderung immer
neuer gleicher oder sehr ähnlicher Modellprojekte die bereitstehenden Mittel einer dauerhaften Förderung der Jugendsozialarbeit
zur Verfügung stellen zu können?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Niebel, Modellprojekte im Kinder- und Jugendplan des Bundes werden durchgeführt, um Erkenntnisse zur Verbesserung von Konzeptionen und Methoden
der Praxis oder für die Gesetzgebung zu gewinnen. Die
Förderung der Jugendsozialarbeit dient dem Abbau der
Jugendarbeitslosigkeit als vorrangigem Ziel der Bundesregierung. Sie trägt dazu bei, jungen Menschen, die zum
Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigung in erhöhtem Maß auf
Unterstützung angewiesen sind, Hilfen anzubieten, die
ihre schulische und berufliche Ausbildung und Eingliederung in die Arbeitswelt sowie ihre soziale Integration fördern.
Die im Rahmen des seit 1976 mit unterschiedlichen
Schwerpunkten laufenden Modellprogramms „Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit“ geförderten Projekte
mit wissenschaftlicher Begleitung sind darauf gerichtet,
innovative Problemlösungen zu entwickeln, umzusetzen,
zu verstetigen und zu verallgemeinern. So wird zu einer
Reform lokaler Politik an der Schnittstelle von Bildungs-, Berufsbildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
beigetragen. Über Beiräte, aktuelle Publikationen, Fachveranstaltungen und regelmäßige Kommunikation sowie
über laufende Koordination der Arbeit der Ressorts wird
der Erkenntnistransfer gewährleistet, kann Doppelförderung vermieden und können Synergieeffekte genutzt werden.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Niebel?
Frau Staatssekretärin, Sie haben
angedeutet, dass dies seit 1976, auch unter den unterschiedlichsten Regierungskonstellationen, so gehandhabt
wird. Das halte ich für gut und richtig. Finden Sie es aber
nicht ebenso wie ich außerordentlich schade, dass, wenn
ein Modellprojekt ausläuft, das ergeben hat, dass das, was
damit ausprobiert worden ist, sinnvoll ist, trotzdem die
Mittel nicht ausreichen, um diese sinnvollen Erkenntnisse
im Bereich der Jugendsozialarbeit in ein dauerhaftes Instrument überzuleiten, und dass stattdessen die Träger
dieser Modellprojekte versuchen müssen, neue Modelle meistens sind es die alten Modelle mit leichten Veränderungen, um das Innovative herauszustellen und wieder
förderungswürdig zu sein - zu entwickeln? Sollten nicht
stattdessen die gewonnenen Erkenntnisse im täglichen
Leben umgesetzt werden können, und zwar über die
Dauer von drei Jahren hinaus?
Herr Kollege Niebel, politisches Handeln basiert auf
rechtlichen, haushaltsrechtlichen und auch sonstigen
Rahmenbedingungen. Wir seitens des Bundes dürfen nur
innovative modellhafte Projekte fördern; das wissen Sie
auch. Wir bemühen uns, über Publikationen und über
Fachveranstaltungen das, was sich bei der wissenschaftlichen Begleitung als gut erwiesen hat, weiterzugeben in
der Hoffnung, dass eine Anschlussfinanzierung stattfindet. Es ist leider nicht möglich, diese Anschlussfinanzierung als eine Dauerfinanzierung für lokale Projekte einzurichten. Das geht aus haushaltsrechtlichen Gründen
nicht; Sie wissen dies. Wir haben nur zwei Möglichkeiten:
Entweder verzichten wir auf innovative Projekte in diesem ganz wichtigen Bereich - solange wir junge Arbeitslose haben, sollten wir aber versuchen, das Unsrige zur
Lösung dieses Problems beizutragen -, weil wir die
Anschlussfinanzierung nicht sicherstellen dürfen, oder
wir machen weiter, wie es seit 1976 Praxis ist. Sie wissen,
wir haben je nach Zeitraum des Programms unterschiedliche Schwerpunkte, sodass verschiedene Bereiche erprobt werden.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege Niebel.
Frau Staatssekretärin, Ihrer Antwort entnehme ich, dass auch Sie mit der geübten Praxis
der letzten 24 Jahre nicht übermäßig glücklich sind. Sie
regieren nun seit anderthalb Jahren. Was haben Sie denn,
seit Sie regieren, unternommen, um auf die Länder einzuwirken und die Anschlussfinanzierung solcher Projekte
sicherzustellen?
Ich weiß nicht, ob wir jetzt über meinen Glückszustand
urteilen sollten. Außerdem interpretieren Sie mich falsch.
Eigentlich wollte ich deutlich machen, dass wir als Bund
eben nur zwei Möglichkeiten haben: Entweder stoßen wir
Innovatives an oder wir lassen es, weil wir im Nachhinein
nicht für die Verstetigung der Finanzierung zuständig
sind. Ich habe Ihnen gesagt: Ich bin für weitere innovative
Anstöße, gerade auch in diesem auf die Arbeitswelt bezogenen Bereich.
Insofern: Das hat nichts mit meinem Glückszustand zu
tun. Ich finde es vernünftig, dass seit 1976 arbeitsbezogene Jugendsozialarbeit gemacht wird.
({0})
- Keine Bundesregierung kann über Länderhaushalte bestimmen. Das ist nun einmal so.
Jetzt hat Frau Kollegin Dr. Höll eine Frage. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, in der
Tat können Bundespolitiker nicht über die Länderhaushalte bestimmen. Aber sie können natürlich statistisch erfassen, inwieweit Modellprojekte in einem gewissen Zeitraum fortgeführt werden. Es wäre interessant, wenn Sie
uns solche Zahlen - vielleicht für die letzten 10, 15 Jahre mitteilen könnten und wenn wir erführen, inwieweit Modellprojekte in anderen Regionen aufgegriffen und verwirklicht werden.
Wir reden hier über ein Programm, das seit 1976 läuft. Insofern können Sie, so glaube ich, nicht von mir erwarten,
dass ich Ihnen aus dem Stand mitteilen kann, wie viele der
Modellprojekte - im Moment laufen 23 Modellprojekte
im Rahmen dieses Programms; seit 1976 gab es also sehr
viele Einzelprogramme - erfolgreich waren. Ob Modellprojekte übernommen werden, hängt zunächst davon ab,
ob das Projekt erfolgreich gewesen ist; andernfalls lohnt
sich eine Verstetigung der Förderung nicht. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie viele in diesem langen Zeitraum
erfolgreich gewesen sind.
Ich werde mich einmal erkundigen, ob in unserem
Hause untersucht wurde, wie viele der Programme in irgendeiner Weise fortgeführt werden. Wenn ich dann die
Antwort habe, stelle ich sie Ihnen zur Verfügung.
({0})
Kollege Dr. Seifert.
Frau Staatssekretärin, die ursprüngliche Frage war ja, ob eine Verstetigung der laufenden Modellprojekte stattfindet. Sie haben darauf geantwortet, dass das nicht in der Verantwortung des Bundes liege. Wäre es dann nicht an der Zeit, gesetzliche
Regelungen dergestalt zu treffen, dass die institutionelle
Förderung solcher Jugendeinrichtungen zur Selbstverständlichkeit wird, auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene - insbesondere natürlich auf den unteren Ebenen?
Herr Kollege, Sie bieten uns eine sehr fragwürdige Aussicht an. Wenn wir jetzt sagen würden, dass wir all das,
was auf kommunaler Ebene in der Jugendarbeit stattfindet, zentral führen, dann bedeutete dies eine Aufgabe der
guten Arbeitsteilung, die wir in der Bundesrepublik
Deutschland haben. Es ist, so glaube ich, nicht vorstellbar,
dass eine „Zentralregierung“ - wenn ich uns einmal so bezeichne - von Berlin aus all das beurteilen kann, was in
den Kommunen der Bundesrepublik Deutschland Sinnvolles geschieht. Dieser Ansatz wäre prinzipiell nicht der
richtige. Aber Haushalts- und Verfassungsrecht lassen das
im Moment auch nicht zu.
Nun rufe ich die
Frage 7 des Kollegen Jochen-Konrad Fromme auf:
Welchen Rechtscharakter haben die seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des
Modellprojekts „Entwicklung neuer Kooperations- und Koordinationsstrukturen - Aktives Wohnen älterer Menschen“ an die jeweiligen Projekte übergebenen 20 Förderurkunden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Fromme, ich gehe davon aus, dass sich Ihre
Frage auf das bundesweite Modellprogramm „Altenhilfestrukturen der Zukunft“ bezieht. Die zwanzig aufgrund
der Ausschreibung des vergangenen Jahres für das Programm ausgewählten Projekte werden jeweils durch Verwaltungsakt in Form eines Zuwendungsbescheides
gemäß den §§ 23 und 44 der Bundeshaushaltsordnung gefördert.
Zusatzfrage, bitte
sehr.
Frau Staatssekretärin, geben Sie mir Recht, dass das Anfertigen von
Verwaltungsakten einschließlich der notwendigen Veröffentlichung Aufgabe der Regierung und nicht des Parlamentes ist?
Ja, natürlich. Die Zuwendungsbescheide werden ausgestellt und dem jeweiligen Träger zugestellt.
Herr Kollege, zweite
Frage.
Wenn Sie sagen, dass das Aufgabe der Regierung ist, geben Sie mir
dann Recht, dass das Aushändigen eines Bescheides über
die Förderung im Rahmen dieses Programmes durch den
Abgeordneten Wilhelm Schmidt am 14. Mai dieses Jahres
ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung ist? Oder steht dieser neuerdings als bezahlter Mitarbeiter im Dienste der
Bundesregierung?
Lieber Herr Kollege, dieses ist nie passiert. Ich weiß nicht,
worauf Sie sich beziehen.
({0})
- Eben. Damit ich Ihre Frage, in der die Modellprogramme falsch bezeichnet waren, überhaupt nachvollziehen konnte, habe ich mir die Mühe gemacht, zu sehen, aus
welchem Wahlkreis Sie kommen und worauf sich die
Frage überhaupt beziehen kann. Ich bin so auf Salzgitter
gekommen und habe den Zeitungsartikel gefunden, den
Sie meinen.
Nun ist die Bundesregierung nicht für das verantwortlich, was örtliche Journalistinnen und Journalisten schreiben. Ich stelle hier nur fest, dass wir am 4. Mai 2000 seitens der Bundesregierung den Zuwendungsbescheid zugestellt haben. Es gibt dazu keine Förderurkunden,
Plaketten oder irgendetwas. Es geht hier schlichtweg um
einen Zuwendungsbescheid und dieser wurde von uns zugestellt.
Damit haben wir diesen Geschäftsbereich abgearbeitet. Ich danke der Frau
Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung
der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Wolf-Michael Catenhusen zur Verfügung.
Die Frage 8 der Abgeordneten Ulrike Flach wird
schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 9 der Abgeordneten Maritta
Böttcher auf:
Möchte die Bundesregierung der auf den bundesweiten Demonstrationen des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren am
7. Juni 2000 artikulierten Forderung nach einer bundeseinheitlichen Studiengebührenfreiheit ohne Wenn und Aber Rechnung tragen, und wenn ja, in welcher Weise?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau
Kollegin Böttcher, die Bundesregierung begrüßt die in
dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
25. Mai 2000 über die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums enthaltene Vereinbarung, das Studium bis zum
ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss - also Masters - grundsätzlich gebührenfrei zu halten. Wir sehen darin einen wichtigen Schritt zur
Erreichung des Zieles, das auch die Bundesministerin
Bulmahn wiederholt öffentlich ausgesprochen hat, nämlich Studiengebührenfreiheit bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zu einem zweiten Abschluss sicherzustellen.
Nun rufe ich die
Frage 10 der Abgeordneten Maritta Böttcher auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Weigerung der Regierungschefs der Länder, der Kultusministerkonferenz einen Auftrag zur Erarbeitung eines Staatsvertrages zur
Regelung der Studiengebührenfrage zu erteilen, und sieht sie nach
dieser Weigerung die Notwendigkeit einer verbindlichen bundesgesetzlichen Regelung?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau
Böttcher, die Bundesregierung begrüßt es sehr, dass die
Ministerpräsidenten in der Sache die Vereinbarung der
Kultusministerkonferenz der Länder, das Studium bis
zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten, unterstützen. Das ist eine wichtige politische Entscheidung.
Es ist daran zu erinnern, dass sowohl das Schul- wie
auch das Hochschulwesen der Bundesrepublik Deutschland in weiten Bereichen auf derartigen Vereinbarungen
der Kultusministerkonferenz der Länder beruhen. Dies
hat sich in jahrzehntelanger Staatspraxis auch unter dem
Gesichtspunkt der Verlässlichkeit staatlichen Handelns
für den Bürger bewährt. Die Bundesregierung sieht deshalb zurzeit keinen Handlungsbedarf für den Bundesgesetzgeber.
Im Übrigen beteiligen wir uns natürlich auch nicht an
öffentlichen Spekulationen über zukünftig theoretisch
mögliche Änderungen der Beschlusslage der Kultusministerkonferenz. Wenn in Zukunft ein Regelungsbedürfnis
auftreten sollte, wird der Bundesgesetzgeber natürlich auf
seine Regelungskompetenzen im Bereich des Hochschulrahmenrechtes zurückgreifen.
Auch diese Frage ist
beantwortet. Dann verlassen wir den Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Wir
danken dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung
der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Angelika
Volquartz ({0}) auf:
Welche Gründe führten zur Ablösung des Präsidenten der
Bundeszentrale für politische Bildung und wie ist es vor diesem
Hintergrund zu erklären, dass die Arbeitsweise des Präsidenten innerhalb des kontrollierenden Kuratoriums nie Gegenstand kritischer Auseinandersetzung war?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Vizepräsidentin, zur Frage 11
folgende Antwort: Der vorgesehene Wechsel im Amt des
Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung ist
ebenso wie die vorgesehene Veränderung der Leitungsstruktur Bestandteil der fachlichen und der organisatorischen Neuausrichtung der Bundeszentrale für politische
Bildung.
Über den grundlegenden Erneuerungsbedarf bei der
Bundeszentrale für politische Bildung besteht weiterhin
und weithin eine parteiübergreifende Übereinstimmung.
Das Reformkonzept des Bundesministeriums des Innern
sieht unter anderem notwendige neue Themenschwerpunkte, eine verstärkte Ansprache der jungen Generation
und der Zielgruppen in den neuen Ländern sowie einen
Ausbau der neuen Medien vor. Der inhaltliche Neubeginn
wird durch den vorgesehenen personellen Neubeginn an
der Spitze der Bundeszentrale für politische Bildung wesentlich gefördert.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin.
Herr Staatssekretär, ist das Ministerium also der Meinung, dass die eingeleiteten Neuerungen unter der Leitung des jetzigen Präsidenten Dr. Reichert nicht auf dem richtigen Weg sind und
dass Herr Dr. Reichert nicht in der Lage ist, die vom Kuratorium begleiteten und befürworteten Neuerungen
durchzuführen?
Frau Kollegin, Sie wissen, dass
mit der inhaltlichen Veränderung auch eine organisatorische Veränderung notwendig ist. Die organisatorische
Veränderung ist nur durch personelle Erneuerungen umsetzbar.
Im Übrigen muss man ganz deutlich sagen, dass vor
diesem Erneuerungsprozess, vor Einbringung der veränderten Themenschwerpunkte, die wir jetzt verfolgen wollen, und vor der Veränderung der Arbeit natürlich eine
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Analyse durchgeführt wurde, die gewisse Mängel mehr
als deutlich gemacht hat. Diese Mängel sind zu verantworten, auch von dem bisherigen Präsidenten.
Zweite Zusatzfrage,
bitte sehr.
Herr Staatssekretär, warum ist das in dem erforderlichen Maße nie im Kuratorium erörtert und dort diese Kritik nicht deutlich angebracht worden? Warum ist es dem jetzigen Präsidenten
in persönlichen Gesprächen vorher nicht erläutert worden?
Sie wissen, Frau Kollegin, dass
mit dem bisherigen Präsidenten Gespräche geführt worden sind, auch was seine zukünftige Verwendung anbelangt. Das hat auch Akzeptanz gefunden. Ich weiß, dass
die Frage der Qualität der Arbeit der Bundeszentrale für
politische Bildung im Kuratorium nicht nur in dieser, sondern auch in der vergangenen Legislaturperiode Gegenstand der Diskussionen und Beratungen gewesen ist. Sie
können sich daran nur nicht erinnern, weil Sie damals diesem Kuratorium noch nicht angehört haben. Insofern,
denke ich, gibt es einen Zusammenhang zwischen dem
Thema Personalführungsspitze und dem, was bisher als
Ergebnis zu verzeichnen war.
Das hat nun zwei Kollegen der CDU auf den Plan gerufen. Wer von Ihnen will
zuerst fragen? - Bitte sehr, Herr Kollege Wolf.
Sie haben gerade die Tatsache geschildert, dass mit dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung jetzt Gespräche über seine
Nachfolgeverwendung geführt worden sind. Wenn man
Kritik an seiner Amtsführung hat, warum hat man mit ihm
nicht rechtzeitig, bevor diese Entscheidung getroffen
worden ist, Gespräche darüber geführt, was er gegebenenfalls an der Bundeszentrale für politische Bildung
hätte verändern sollen? Diese Gespräche sind ja nicht geführt worden.
Herr Kollege, Sie wissen, dass mit
dem Präsidenten, Herrn Reichert, nicht nur jetzt, sondern
auch vorher Gespräche geführt worden sind. Ich denke,
das ist korrekt so.
Eine zweite Frage
dürfen Sie nicht stellen.
Nun hat Kollege Holetschek eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
wie können Sie mir Ihre Äußerungen im Zusammenhang
damit erklären, dass der Bundesinnenminister im Kuratorium ausdrücklich die Arbeit des jetzigen Präsidenten gelobt und für gut befunden hat? Warum ist vor diesem Hintergrund ein Wechsel notwendig?
Zur Arbeit des Präsidenten kann
ich im Grunde genommen nur das sagen, was wir vorgefunden haben - dies hat der Präsident nicht alles allein zu
verantworten, das wäre auch zu vereinfachend -: minimale Akzeptanz und minimale Nutzung von als Flaggschiffe ausgebenen Publikationen, deutlich zu wenige
oder verspätete Angebote bei aktuellen politischen Themen, völlig überalterte Teilnehmerschaft bei Seminarangeboten etc. Ich könnte diese Analyse noch weiter fortsetzen. Sie können dabei nicht behaupten, dass das nichts
mit dem Thema Personal und Führung zu tun hätte.
Deswegen halte ich es für richtig, deutlich zu machen,
dass die Vergangenheit mit dem Thema Personal im Zusammenhang steht und dass die Neustruktur auch mit Personal in Verbindung zu bringen ist. Sie wissen, dass wir
die Struktur und somit auch die Leitungsstruktur verändern. Das hat seinen guten Sinn.
Ich rufe die Frage 12
der Abgeordneten Angelika Volquartz auf:
Wird angesichts der Verpflichtung der Bundeszentrale für politische Bildung zu überparteilicher Haltung ({0})
die Position des Präsidenten - wie bei vergleichbaren anderen Positionen auch - öffentlich ausgeschrieben, und wenn nein, warum
nicht?
Frau Kollegin Volquartz, nach
§ 8Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes besteht für die Leiter der den Bundesministerien unmittelbar nachgeordneten Behörden, wie zum Beispiel der Bundeszentrale für
politische Bildung, keine Ausschreibungspflicht. Es war
bisher die Praxis keiner Bundesregierung - ich betone:
keiner Bundesregierung -, diese Funktionen öffentlich
auszuschreiben. Die Verpflichtung der Bundeszentrale für
politische Bildung zu Ausgewogenheit und überparteilicher Haltung kann, wie es die Vergangenheit gezeigt hat,
auch dann erfüllt werden, wenn ein Präsident amtiert, der
ohne Ausschreibung ins Amt gekommen ist.
Ich möchte weiter ausdrücklich betonen: Zukünftig
wird die Besetzung des Amtes des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung auf fünf Jahre befristet
erfolgen. Nach § 6 Abs. 1 des Erlasses über die Bundeszentrale für politische Bildung kontrolliert das parlamentarische Kuratorium die politisch ausgewogene Haltung
und die politische Wirksamkeit der Arbeit der Bundeszentrale.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin Volquartz?
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung nicht für erforderlich, bei
dieser wichtigen Personalentscheidung und bei den von
der Bundesregierung beabsichtigten Strukturentscheidungen bei der zu Überparteilichkeit verpflichteten Bundeszentrale für politische Bildung die Entscheidung auf eine
parteiübergreifende Vertrauensbasis zu stellen? Sollte
dies der Fall sein: Warum hat es dann die Bundesregierung unterlassen - wenn sie die Stelle schon nicht ausschreiben will -, die Opposition rechtzeitig zu informieren und in die Entscheidungsfindung einzubinden, um einen Konsens, wie er in der Vergangenheit üblich war,
herzustellen?
Was die Frage der personellen Besetzung anbelangt, so ist diese Ihnen bekannt. Ich bin vor
allen Dingen von den Qualitätsmerkmalen der ausgewählten Person im Rahmen dieser Personalentscheidung
überzeugt. Insofern hält die Bundesregierung ihre getroffene und Ihnen bekannte Entscheidung für richtig.
Eine zweite Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass wir als CDU/CSU-Fraktion im Gegensatz zur Regierungskoalition - von den strukturellen und personellen Veränderungen erstmalig am Tag
der möglichen Entscheidung im Kuratorium erfahren haben? Geben Sie mir insofern Recht, dass das eben von Ihnen Ausgeführte deshalb nicht zutreffen kann?
Der Zeitpunkt, zu dem Sie die entsprechenden Informationen erhalten haben, entzieht sich
meiner Kenntnis. Sie wissen, dass es im Kuratorium auch
Diskussionen über die Art und Ausgestaltung der Bundeszentrale für politische Bildung gegeben hat. An diesen
Diskussionen haben auch Sie sich beteiligt. Ich sehe hier
deshalb keinen Mangel.
Herr Kollege Wolf,
Sie haben eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Ich möchte etwas über die
besondere Qualifikation der auserwählten Person, deren
Berufung wir aus der Presse erfahren mussten, wissen:
Was qualifiziert den neuen Mann, dessen Stelle Sie nicht
ausschreiben wollen, im Vergleich zum bisherigen Präsidenten so sehr, dass Sie diesen personellen Wechsel anstreben? Wenn die Presseberichte stimmen - davon gehe
ich einmal aus -, handelt es sich bei der zu berufenden
Person um einen früheren SPD-Bundestagsabgeordneten,
der nicht mehr gewählt worden ist. Inwieweit hat denn das
bei der Qualifikation, die Sie jetzt in den Vordergrund
stellen, eine besondere Rolle gespielt?
Herr Kollege Wolf, erstens muss
ich Sie dahin gehend korrigieren, dass dieser Betroffene
von sich aus auf eine Kandidatur für den Deutschen Bundestag verzichtet hat. Insofern ist Ihre Aussage falsch,
dass er nicht mehr gewählt worden ist.
Ich sage ganz deutlich: Es muss auch in Ihrem Interesse
sein, dass eine solche berufliche Vergangenheit, also die
Vergangenheit als Bundestagsabgeordneter, kein Hindernis sein sollte und sein darf, beispielsweise eine solche
Position zu übernehmen. Das Gegenteil sollte eigentlich
der Fall sein. Deswegen sage ich noch einmal nachdrücklich: Auch das ist ein Qualitätsmerkmal, das für diese Personalentscheidung spricht.
Herr Kollege
Holetschek hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
können Sie mir einen Widerspruch erklären? Sie haben
vorhin auf die Frage der Abgeordneten Volquartz geantwortet, wir seien rechtzeitig informiert gewesen, und
dann haben Sie weiterhin gesagt, es würde sich Ihrer
Kenntnis entziehen, dass wir erst am Tag der Kuratoriumssitzung die Information erhalten haben. Das widerspricht sich ja wohl.
Welche Information Sie jetzt meinen und an welcher Stelle sie Ihnen zugänglich gemacht
worden ist, das können wir gern detailliert aufarbeiten.
Ich weiß jedenfalls auch von einer Kuratoriumssitzung, in
der Sie durch eine Vorlage genauestens darüber informiert
worden sind, wie beispielsweise die neue Struktur dieser
Bundeszentrale aussehen soll. Interessanterweise ist es ja
so, dass Sie im Grunde genommen keine Kritik daran
üben, dass die Veränderungen mit den notwendigen neuen
Schwerpunkten herbeigeführt werden, sondern Sie ziehen
sich jetzt an einer Frage hoch - so will ich es sehr vorsichtig sagen -, die ganz woanders anzusiedeln ist. Deswegen muss man sie so bewerten, wie wir sie bewerten.
Nun hat der Kollege
von Klaeden eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben aus der Untersuchung der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung zitiert und sicherlich
den einen oder anderen kritischen Punkt genannt. Aber
meinen Sie nicht, dass es auch zu Ihrer Fürsorgepflicht
gehört, zu sagen, dass die Untersuchung unter anderem
durch das Meinungsforschungsinstitut Allensbach ergeben hat, dass das Ansehen der Bundeszentrale für politische Bildung außerordentlich hoch ist, dass die Qualität
der Materialien, die dort erstellt werden, nicht nur von der
Überparteilichkeit her, sondern auch von dem wissenschaftlichen Stand her außerordentlich hoch ist? Müsste
das nicht vielleicht auch, wenn hier schon auf diese Weise
Begründungen gesucht werden, warum Herr Reichert
nicht weiter beschäftigt wird, im Parlament eine entsprechende Erwähnung finden? Und können Sie sich vor diesem Hintergrund auch vorstellen, dass, wenn man meint,
an seiner Person Kritik üben zu müssen, und wenn man
meint, dass tatsächlich ein derart großer qualitativer Unterschied zwischen dem vorherigen und dem jetzt neuen
oder avisierten Präsidentschaftskandidaten vorliegt, es
uns doch ein wenig seltsam vorkommt, dass man bei der
Neuberufung nicht den Weg einer Ausschreibung gegangen ist?
Es ist unstreitig, dass die Gutachten und auch die Beschäftigung mit der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung ergeben haben, dass es
Korrekturbedarf gibt, insbesondere um die Aufgaben für
die Zukunft zu gestalten. Wenn die bisherige Arbeit trotzdem ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit genießt,
spricht das für die Bundeszentrale, aber es spricht nicht
dafür, dass man keine Veränderungen herbeiführt. Diese
sind dringend notwendig.
Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir brauchen eine organisatorische Veränderung, die auch eine
personelle Veränderung zur Folge hat. Deswegen - das
sage ich Ihnen noch einmal ausdrücklich -, ist es auch
notwendig, diese Veränderung herbeizuführen. Im Übrigen ist Herr Reichert nicht beschäftigungslos. Er hat mit
seiner Zustimmung eine Weiterbeschäftigung im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums gefunden.
Jetzt hat der Kollege
Enders eine Frage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, stimmen
Sie mir zu, dass zwischen der Beurteilung der qualitativen
Arbeit in der Vergangenheit und dem Mengenproblem,
das Allensbach klar gemacht hat, also einer geringen
Akzeptanz in der Abnahme der Produkte, ein großer Unterschied zu sehen ist und dass gerade dies auch ein Teil
der Kritik des Kuratoriums ist?
Herr Kollege Enders, dem stimme
ich zu und füge hinzu: Das beste Produkt taugt nichts,
wenn es keine Abnehmer findet. Deswegen muss man
auch darüber nachdenken, wie man beispielsweise die
Produkte an Mann und Frau bringt, und zwar genau dort,
wo man sie absetzen möchte und wo es notwendig ist. Das
ist ein Aspekt, der ebenfalls deutlich geworden ist und der
verändert werden muss.
Frau Kollegin Janz,
bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie mir
sagen, ob die Stelle des Präsidenten in der Vergangenheit
überhaupt schon einmal ausgeschrieben worden ist, und
ist Ihnen bekannt, welche politische Funktion der jetzige
Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung früher
ausgeübt hat?
Frau Kollegin Janz, ich habe in einer meiner Antworten deutlich gemacht, dass diese Stelle
bisher noch nie ausgeschrieben worden ist. Ich möchte Ihnen auch deutlich sagen: Von 1952 bis 1974 wurde die
Bundeszentrale für politische Bildung von CDU-Direktoren geleitet, ohne dass ein ähnlicher Vorwurf wie jetzt erhoben worden wäre. Bis 1992 gab es dann ein Dreierdirektorium, das sich in der Arbeit eher blockiert als gegenseitig gefördert hat. - Ich will das nicht fortsetzen.
Ich sage Ihnen deutlich - das sollten insbesondere die
Kolleginnen und Kollegen der Union zur Kenntnis nehmen -, dass wir durch die Befristung der Amtszeit des
Präsidenten eine Veränderung herbeiführen. Die Amtszeit
des Präsidenten beträgt jetzt fünf Jahre. Genau das zeigt,
was wir wollen: Wir wollen Leistung und Qualität für die
zukünftige Bundeszentrale für politische Bildung.
({0})
Frau Kollegin, Sie haben Ihr Kontingent an Zusatzfragen ausgeschöpft.
Ich rufe jetzt die Frage 13 des Abgeordneten Aribert
Wolf auf:
Warum plant die Bundesregierung für die künftige Leitungsstruktur der Bundeszentrale für politische Bildung eine nicht plurale politische Zusammensetzung - anders als dies bei den Landeszentralen für politische Bildung der Fall ist -, und wie begründet sie dies?
Es tut mir Leid, wenn ich mich bei
der Beantwortung dieser Frage wiederhole; denn sie betrifft den gleichen Komplex.
Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts zur fachlichen und organisatorischen Neuausrichtung der Bundeszentrale für politische Bildung ist die organisatorische
Straffung der Behörde. Hiervon kann die Leitungsstruktur der Behörde nicht ausgenommen werden. Die politische Ausgewogenheit der Arbeit der Bundeszentrale für
politische Bildung wird durch die Gesamtheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter garantiert und durch ein parlamentarisches Kuratorium überwacht.
Eine plurale politische Zusammensetzung der Leitung
der Bundeszentrale für politische Bildung hätte zur Folge,
dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages in der
Leitung der Bundeszentrale vertreten sein müssten. Eine
derartige Ausweitung des Leitungsbereichs widerspräche
völlig den Grundsätzen einer effizienten Organisationsstruktur.
Herr Kollege Wolf,
Sie haben eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Die Auffassung, dass Pluralität immer mit dem Vertretensein aller Parteien gleichzusetzen ist, vermag ich nicht nachzuvollziehen. Wir
müssen nur unser eigenes Präsidium anschauen: Dort
sitzen momentan ein Schriftführer von der Opposition
und einer von der Regierung. Das ist eine plurale Zusammensetzung.
Aber wir wechseln
alle zwei Stunden, Herr Kollege.
Aber es wird immer so gewechselt, dass stets einer von der Regierung und einer von
der Opposition im Präsidium vertreten ist.
Herr Staatssekretär, die wissenschaftlichen Untersuchungen über die Arbeit der Bundeszentrale für politische
Bildung, auf die Sie sich bezogen haben, besagen eindeutig, dass die Bundeszentrale einen hohen Akzeptanzgrad
hat, weil sie als parteipolitisch neutrale Ausbildungseinrichtung angenommen wird. Ich frage Sie - vor allem vor
dem Hintergrund, dass jetzt ein ausgewiesener Parteipolitiker der SPD an die Spitze der Bundeszentrale berufen
wird -: Wäre es eigentlich so schwierig gewesen, zumindest einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten zu installieren, um die parteipolitische Neutralität zu wahren?
Ich könnte Ihnen jetzt die Gegenfrage stellen, wie der berufliche Werdegang des bisherigen Präsidenten, Herrn Reichert, gewesen war und wie
seine Verbindungen insbesondere zur Parteipolitik aussahen. Ich stelle Ihnen diese Frage nicht, weil ich nicht mit
gleicher Münze heimzahlen möchte.
Lieber Herr Wolf, wenn Sie über Pluralität reden, habe
ich den Eindruck: Die Pluralität ist immer dann hergestellt, wenn Sie von der CDU/CSU sich als Partei und
Fraktion wiederfinden. Ansonsten ist Ihnen die Pluralität
ziemlich egal. Das kann nach meiner Meinung keine Haltung sein.
Ich verwahre mich dagegen - ich nenne jetzt den Namen -, Herrn Krüger als Parteipolitiker zu bezeichnen.
Sie müssten seinen Werdegang berücksichtigen. Gerade
weil er einen Werdegang hat, der sehr stark in Verbindung
mit den neuen Bundesländern steht, und wir dort einen
Schwerpunkt setzen wollen, ist das eine ausgezeichnete
Personalentscheidung.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Wenn Sie einen Schwerpunkt bei den neuen Ländern setzen wollen, wie erklären
Sie sich dann, dass Sie parallel zur Neuordnung den
Rückzug der Bundeszentrale für politische Bildung von
ihrer Außenstelle Berlin festgelegt haben?
Sie wissen, dass wir bei der
Außenstelle Berlin eine Veränderung vornehmen. Sie
bleibt allerdings in Berlin - es verbleiben dort Aufga
ben - präsent. Ich denke, das ist richtig, gut und notwendig. Wir sollten keine - so nenne ich es einmal - personellen Wasserköpfe erhalten, wo sie nicht notwendig sind.
Insofern trifft Ihr Vorwurf nicht zu.
Sie merken, dass wir
uns ein bisschen im Kreis bewegen? Deswegen bitte ich
Sie, bevor Sie weitere Zusatzfragen stellen, sich die
nächsten Fragen anzusehen.
Jetzt hat die Kollegin Ostrowski eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär
Körper, geben Sie mir angesichts der umfangreichen Debatte über das wichtige Problem der Leitungsstruktur der
Bundeszentrale für politische Bildung Recht, dass es darüber hinaus zentrale gesellschaftliche Probleme in der
Bundesrepublik gibt?
Frau Kollegin, ich kann Ihnen
überhaupt nicht widersprechen; ich kann Ihnen nur zustimmen. Es ist ganz wichtig, dass die Bundeszentrale für
politische Bildung ihre Arbeit in diesem gesellschaftlichen Kontext effektiv und effizient leistet; deswegen haben wir die notwendigen Veränderungen herbeigeführt.
Dazu war ein Stück politischen Muts erforderlich. Aber
gerade in dem von Ihnen geäußerten Sinne war dieser
Schritt richtig.
Wir sind noch bei der
Frage 13. Der Kollege Enders hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Körper, ich
habe eine Frage zu den Landeszentralen. Ist es richtig,
dass zum Beispiel in Baden-Württemberg ein ehemaliger
Staatssekretär der CDU die Landeszentrale nach dem Organisationsmuster der Bundeszentrale leitet? Ist es richtig,
dass ein ehemaliger Minister der CDU die Landeszentrale
in Sachsen leitet? Im Übrigen leitet in Niedersachsen nach
meiner Kenntnis - ich bitte um Bestätigung - ein ehemaliger Bürgermeister der CDU die Landeszentrale. Stimmen diese Informationen?
Äußert sich die Neutralität nicht viel stärker in den einzelnen Beiträgen, die die Bundeszentrale herausgibt?
Wird die Neutralität nicht viel stärker dadurch gewahrt,
dass bestimmte Themen von unterschiedlichen Blickrichtungen aus angegangen werden?
({0})
Herr Kollege Enders, das ist alles
richtig.
Was die Ausrichtung bzw. die Neutralität der Arbeit angeht, ist es notwendig, dass wir die Fähigkeit erhalten, auf
neue Entwicklungen einzugehen. Die Bundeszentrale für
politische Bildung kann einen sehr wichtigen Beitrag bei
der Bekämpfung der leider vorzufindenden rechtsextremistischen Erscheinungen leisten, die bestimmte regionale Schwerpunkte haben. Gerade für die Bundeszentrale
für politische Bildung ist es notwendig, solche Entwicklungen aufzunehmen und in der gebotenen Neutralität und
Objektivität zu bearbeiten.
Ich komme noch einmal zu Ihrer ersten Frage nach der
Leitung der Landeszentralen für politische Bildung. Die
von Ihnen gewählten Beispiele sind völlig richtig.
({0})
Nun kommt die Kollegin Volquartz, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ich möchte nur eine kurze Anmerkung machen. Ihre
Behauptung Niedersachsen betreffend trifft nicht zu.
Was trifft nicht zu?
Es stimmt einfach
nicht, dass ein ehemaliger Bürgermeister die Landeszentrale leitet.
Bis unlängst war das so. Das ist
richtig.
Ich habe noch eine
Frage zur Außenstelle. Sie haben gesagt, der Wasserkopf
solle abgebaut werden. Ist es richtig, dass Herr Krüger beabsichtigt, mehrere neue Mitarbeiter mitzubringen, während gleichzeitig ein massiver Personalabbau in der Bundeszentrale für politische Bildung geplant ist?
Was die Personalentwicklung bei
der Bundeszentrale für politische Bildung anbelangt, sind
Ihnen die Zahlen und Fakten bekannt. Sie sind bei den
Haushaltsberatungen deutlich geworden. Inwieweit Herr
Krüger neue Akzente, beispielsweise bei dem von Ihnen
angesprochenen Personal, setzen will, das müssen Sie ihn
und nicht mich fragen.
Ich rufe die Frage 14
des Kollegen Aribert Wolf auf:
Ist die Tatsache, dass ein Parteipolitiker an die Spitze der Bundeszentrale für politische Bildung treten soll, in Übereinstimmung
zu bringen mit zahlreichen öffentlichen Äußerungen von Regierungsvertretern?
Herr Staatssekretär, bitte.
Für die beabsichtigte Berufung
des künftigen Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung spielt es keine Rolle, ob dieser einer Partei
angehört; entscheidend ist allein fachliche und persönliche Qualifikation. Der künftige Präsident garantiert - aus
den Erfahrungen seiner bisherigen politischen und beruflichen Laufbahn - eine enge Verbindung zu den künftigen
Schwerpunkten der politischen Bildungsarbeit der Bundeszentrale, insbesondere der in den neuen Bundesländern sowie der in Bezug auf die junge Generation. Auch
das ist wichtig.
Leider, Frau Vizepräsidentin, wiederholt sich das jetzt
ein bisschen. Dafür kann ich nicht.
({0})
Erste Zusatzfrage.
Ich will jetzt nicht Faust zitieren: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube“, sondern ich möchte die Bundesregierung fragen, was für sie eigentlich wichtiger ist, eine möglicherweise effizientere, weil monolithische Spitze oder die parteipolitische Neutralität der von der Bundesebene aus betriebenen politischen Bildung.
({0})
Ihre Frage verstehe ich so, dass
ich wie folgt darauf antworten möchte: Wichtig ist, dass
die Bundeszentrale für politische Bildung insbesondere
für die Herausforderungen, die aufgrund neuer Entwicklungen entstehen, gewappnet ist und entsprechende Arbeit
leistet.
({0})
Die zweite Zusatzfrage.
Dann frage ich noch einmal, um das deutlicher zu machen: Wie wichtig ist es für
die Bundesregierung, dass die politische Bildung, die von
der Bundesebene aus betrieben wird, parteipolitisch neutral abläuft?
({0})
Diese Frage können Sie wohl nur
deshalb stellen, weil sich Ihr Verständnis von einer parteipolitischen Orientierung darauf bezieht, wie Sie das
vielleicht machen; aber das dürfen Sie nicht anderen unterschieben.
({0})
Was Sie hier unterschwellig behaupten, das hätten andere
jahrelang, jahrzehntelang umgekehrt behaupten können.
Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wer den Lebensweg des bisherigen Präsidenten vom persönlichen
Referenten bis hin zu verschiedenen politischen Verwendungen kennt, der kann eine solche Frage eigentlich nicht
stellen.
Nach meiner Auffassung ist es also notwendig, bei einer Personalentscheidung die Qualifikation in den Vordergrund zu stellen. Insofern - das sage ich noch einmal
mit aller Deutlichkeit - ist an der gefundenen Entscheidung überhaupt nichts zu kritisieren.
({1})
Die Frage 15 wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 16 des Kollegen Klaus
Holetschek auf:
Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, ursprünglich die
Schließung der Außenstelle der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin durchsetzen zu wollen, obwohl im Abschlussbericht zur Evaluation der Behörde ein solches Vorgehen nicht angeraten wurde, und welche konzeptionellen Veränderungen plant
die Bundesregierung augenblicklich bei der Außenstelle?
Da wir mit dieser Frage beim Thema bleiben, hoffe ich,
dass nicht allzu viele Zusatzfragen gestellt werden.
Die Bundeszentrale für politische
Bildung wird ihre Aufgaben auch künftig in Bonn und
Berlin wahrnehmen. Es entfällt vor allem die Bezeichnung „Außenstelle“ im Bereich von Berlin mit den damit
verbundenen organisatorischen Konsequenzen. Auch
dazu habe ich vorhin schon etwas gesagt.
In Berlin bleibt eine Informations- und Kontaktstelle
bestehen. Eine eigenständige Außenstelle ist nicht mehr
erforderlich, da ein Teil der Aufgaben der Außenstelle entweder weggefallen ist oder anderweitig wahrgenommen
wird. So bestehen nicht nur in Berlin, sondern inzwischen
auch in den neuen Ländern funktionsfähige Landeszentralen für politische Bildung, deren Fehlen im Jahre 1992
eine wesentlicher Grund für die Errichtung der Außenstelle in Berlin war. Außerdem ist die Lehrerfortbildung,
die im Einvernehmen mit den Kultusministern der neuen
Länder eingerichtet worden war, inzwischen eingestellt
worden, da der Bedarf nunmehr von den neuen Ländern
selbst gedeckt werden kann.
Ferner hat sich herausgestellt, dass der Besucherdienst
der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin nur in
geringem Umfang angenommen wird, da Besuchergruppen in Berlin vielfältige andere attraktive Angebote vorfinden.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Veranstaltungen der politischen Bildung in Berlin und in den neuen
Ländern, soweit sie mit Bundesmitteln gefördert werden,
in erster Linie von den Einrichtungen der politischen Bildung vor Ort in den neuen Ländern durchgeführt werden,
um dem Bedarf der Menschen besser gerecht zu werden.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Holetschek.
Herr Staatssekretär,
erläutern Sie mir bitte, was unter einer Informations- und
Kontaktstelle zu verstehen ist.
Das heißt, dass die Bundeszentrale nach wie vor in Berlin präsent sein wird und dass,
wie es der Name schon sagt, hier Kontakte gepflegt werden können. Diese Arbeit kann durchgeführt werden.
Ich habe ja auch versucht, Ihnen zu erklären, dass ein
Teil der Arbeit der bisherigen Außenstelle schlichtweg
weggefallen ist. Diese Umorganisation entspricht dem,
was für die Arbeit hier in Berlin erforderlich und notwendig ist.
Noch eine Frage? Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
mit wie viel Personal wird diese Informations- und Kontaktstelle besetzt sein? Oder ist es so zu verstehen, dass
hier ein besserer Prospektständer installiert werden soll?
Diese Kontaktstelle in Berlin wird
auch personell besetzt sein. Es wird sich also nicht nur um
einen, wie Sie es gerade sagten, Prospektständer handeln.
Nun kommt die
Frage 17 des Kollegen Klaus Holetschek:
Wie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund einer
künftig stärkeren Ausrichtung der Bundeszentrale für politische
Bildung auf die neuen Länder sicherstellen, dass die von der Berliner Außenstelle aufgebauten Verbindungen innerhalb Berlins in
den neuen Ländern und Osteuropa aufrechterhalten werden, und
durch wen soll in Zukunft die Betreuung der monatlich rund 3 000
Einzelbesucher ({0}) erfolgen, die die Außenstelle derzeit verzeichnet, insbesondere in Anbetracht der völligen
Auslastung des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Zur Betreuung der zahlreichen
Einzelbesucher, die vor allem an den Publikationen der
Bundeszentrale für politische Bildung interessiert sind,
wird eine Informations- und Kontaktstelle in Berlin fortgeführt. Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort zu
der vorherigen Frage.
Eine Zusatzfrage? Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
werden dadurch anderen Institutionen erhebliche Mehrkosten dadurch entstehen, dass sie Aufgaben übernehmen
müssen, die bis jetzt, zum Beispiel im Rahmen der Betreuung von Besuchergruppen, von der Bundeszentrale
wahrgenommen wurden? Gibt es hierzu Zahlen oder
Überlegungen?
Herr Kollege Holetschek, das
kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann Ihnen jetzt zwar
nichts zum Thema Zahlen sagen; ich denke aber, dass es
sich hierbei um einen unerheblichen Tatbestand handelt.
Zweite Frage.
Wurde einmal berechnet, ob Mehrkosten dadurch entstehen, dass es diese
Außenstelle nicht mehr gibt? Es könnte ja ein höherer
Aufwand durch Dienstreisen und vieles andere mehr entstehen.
Nein, weil diese Veränderung der
Organisation keine verstärkte Reisetätigkeit verursacht.
Vielmehr entspricht der Zuschnitt der Kontaktstelle Berlin damit eher den dann zu erledigenden Aufgaben. Es
wäre völlig falsch anzunehmen, dass dadurch die Reiserei
von Beschäftigten der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert würde. Das ist nicht in unserem Sinne. Gerade deshalb haben wir ja den neuen Aufgabenzuschnitt
vorgenommen.
Frau Kollegin
Volquartz hat noch eine Frage, bitte sehr.
Bezüglich der personellen Veränderungen, die ja auch die Außenstelle betreffen, möchte ich fragen, ob es an der Spitze als Vizepräsident einen Vertreter einer anderen Partei geben wird
oder ob das ebenfalls ein SPD-Mitglied sein wird?
({0})
Welche personelle Besetzung
meinen Sie?
Sie nehmen doch
personelle Umstrukturierungen vor, indem Sie beispielsweise die Außenstelle verkleinern und weitere Überlegungen zum Personalabbau anstellen. Meine Frage lautete also: Werden Sie eine Umsetzung einer der jetzigen
führenden Persönlichkeiten an der Spitze vornehmen oder
wird es einen Neuen oder eine Neue geben und, wenn ja,
welcher Partei wird der- oder diejenige angehören?
Wenn es das, was wir mit der
Kontaktstelle Berlin vorhaben, notwendig macht, auch
personelle Konsequenzen folgen zu lassen, werden wir
diese ziehen. Im Übrigen - das gilt für den gesamten Bereich der Bundeszentrale für politische Bildung - steht die
Qualifikation der Bewerber für zu besetzende Ämter an
vorderster Stelle und nicht die Frage der parteipolitischen
Zugehörigkeit. Das ist Ihre Denke, nicht unsere.
({0})
Die Fragen 18 und 19
werden schriftlich beantwortet.
Damit verlassen wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Wir danken Herrn Staatssekretär
Körper für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb
auf. - Wo ist Herr Kolb?
({0})
- Dann müssen Sie die Frage nicht beantworten. Das
Gleiche gilt auch für die Frage 21. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Wie lauten die Bedingungen der bis zum 31. März 2002 befristet erteilten Genehmigung für die Ermäßigungen der Energiesteuersätze für das produzierende Gewerbe bei der Ökosteuer durch
die EU-Kommission im Februar 2000 im Wortlaut, und warum
wurde der genaue Wortlaut dem Finanzausschuss und der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich gemacht?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Bei den ermäßigten Energiesteuersätzen für das produzierende Gewerbe handelt es
sich um staatliche Beihilfen im Sinne des Europarechts.
Die EU-Kommission hat die gesetzlichen Regelungen für
das produzierende Gewerbe in der Form genehmigt, wie
sie notifiziert worden sind und wie sie nach der Genehmigung in Kraft getreten sind.
Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, sämtliche
beihilferechtlich relevanten Tatbestände der ökologischen
Steuerreform vor dem 31. März 2002 der EU-Kommission erneut zur Genehmigung vorzulegen. Darüber hinaus
sind keine Bedingungen mit der beihilferechtlichen Genehmigung verbunden.
Die EU-Kommission hat in den beiden vorliegenden
Genehmigungsschreiben angekündigt, die Entscheidungen im Internet zu veröffentlichen. Die EGKS-Entscheidung wurde bereits ins Internet eingestellt. Für die den
EG-Vertrag betreffende Genehmigung ist dies bislang
noch nicht geschehen. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass noch eine Teilentscheidung zur steuerlichen Begünstigung von GuD-Kraftwerken aussteht.
Im Übrigen habe ich veranlasst, dass die bereits vorliegenden Genehmigungsschreiben dem Finanzausschuss
des Deutschen Bundestag zugeleitet werden.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, Sie bestätigen also, dass für die GuD-Kraftwerke
noch keine Ausnahmegenehmigung veröffentlicht wurde.
Sehen Sie nach den Aussagen, die der zuständige EUKommissar Monti gemacht hat, überhaupt noch eine
Chance, nach dem 31. März 2002 eine erweiterte Ausnahmegenehmigung für all diese Ausnahmetatbestände
zu erreichen?
Herr Kollege Michelbach,
die Genehmigungsfähigkeit von staatlichen Beihilfen
zum Beispiel in Ökosteuergesetzen richtet sich nach dem
Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Dieser Umweltrahmen wird zurzeit von der EUKommission überarbeitet. Die Bundesregierung hat aufgrund von intensiven Verhandlungen mit der Kommission
Anlass zu der Annahme, dass der neue Umweltrahmen ihr
die Möglichkeit eröffnet, ermäßigte Energiesteuersätze
für die Unternehmen des produzierenden Gewerbes auch
weit über den 31. März 2002 hinaus zu realisieren.
Noch eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, wie hoch ist die zusätzliche Belastung durch die Ökosteuer für die Wirtschaft, wenn Ihre Annahme nicht eintritt und die Ausnahmeregelungen hinsichtlich der produzierenden Betriebe von der EU-Kommission nicht
verlängert werden? Jetzt beträgt die Belastung durch die
Ökosteuer für diese Betriebe nur ein Drittel. Dann aber
würden diese Betriebe mit zusätzlichen Kosten belastet
werden.
Herr Michelbach, die Antwort auf Ihre Frage hätte spekulativen Charakter. Ich
möchte eine solche Antwort für die Bundesregierung
nicht geben.
Ich rufe die Frage 23
des Abgeordneten Hans Michelbach auf:
Wie wird das Ökosteueraufkommen nach dem Jahr 2003 Verwendung finden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Mit den Gesetzen zur Einführung und Fortführung der ökologischen Steuerreform
wurden die Stufen der Reform bis zum Jahre 2003 festgelegt. Die aus diesen Reformstufen fließenden Einnahmen
werden nach den Vorstellungen der Regierungskoalition
auch über das Jahr 2003 hinaus für eine Absenkung der
gesetzlichen Lohnnebenkosten verwendet.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Ihre Botschaft höre ich wohl. Aber ich kann der Tagespresse entnehmen, dass Ihr Koalitionspartner, die Grünen, dieses Ökosteueraufkommen für andere Zwecke einsetzen möchte, insbesondere für Umweltaufgaben im
Verkehrsbereich. Inwieweit besteht nach Ihrer Meinung
die Möglichkeit, dass diese Intention Ihres Koalitionspartners umgesetzt wird, dass ab dem Jahre 2003 die Ökosteuer nicht zur Gänze für die Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt wird?
Herr Kollege Michelbach,
es gibt einzelne Stimmen in beiden Koalitionsfraktionen,
die eine Änderung der Zweckbestimmung für die Zukunft
wünschen. Es handelt sich aber in beiden Koalitionsfraktionen um Einzelstimmen. In ihrer Gesamtheit sind sie
entschlossen, auch in Zukunft das Aufkommen aus der
Ökosteuer für die Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden.
Zweite Zusatzfrage,
bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, Sie sagen, dass die Einnahmen durch die Ökosteuer
voll für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet
werden. Wenn im Jahr 2003 das Ökosteueraufkommen
etwa 32 Milliarden DM betragen wird, dann müsste demnach - die Richtigkeit Ihrer Aussage vorausgesetzt - der
Rentenversicherungsbeitrag nur 18 Prozent betragen. Inwieweit wollen Sie im Jahre 2003 den Rentenversicherungsbeitrag mithilfe der Ökosteuer auf 18 Prozent senken?
Herr Kollege Michelbach,
Ihnen dürfte aus früheren Diskussionen bekannt sein, dass
die Ökosteuer dazu dient, den Rentenversicherungsbeitrag zu senken, was in zwei Stufen schon um insgesamt
1,1 Prozentpunkte geschehen ist. Sie wird aber auch in
Zukunft zur Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge beitragen müssen, die anderenfalls weiter wachsen müssten. In diesem Fall würde es sich im Prinzip um
die gleiche Operation handeln wie jene, die die alte Bundesregierung im April 1984 vorgenommen hat, als sie den
Mehrwertsteuersatz um einen Punkt erhöht hat, was ausschließlich dazu gedient hat, den Rentenversicherungsbeitrag nicht über die damalige Rekordhöhe von 20,4 Prozent steigen zu lassen. Immerhin ist es uns mittlerweile
gelungen, den Rentenversicherungsbeitrag auf 19,3 Prozent zu senken. Wir werden mit dem Aufkommen aus der
Ökosteuer auch noch weitere Senkungsschritte herbeiführen können. Aber rein rechnerisch wird es wegen der
Belastung der Rentenversicherung unter anderem aufgrund der demographischen Entwicklung sicherlich nicht
zu einer Absenkung auf 18 Prozent kommen können.
Nun haben Sie weitere Zusatzfragen provoziert. Die erste Zusatzfrage stellt
der Kollege Storm.
Frau Staatssekretärin,
trifft es zu, dass die aufgrund der Erkenntnisse aus den Berechnungen, die im Zusammenhang mit den Rentenkonsensgesprächen angestellt worden sind, im Jahreswirtschaftsbericht angekündigte weitere Beitragssatzsenkung
in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Ökosteuer um 0,8 Prozentpunkte bis zum Jahre 2003 nicht
mehr realisierbar ist?
Herr Kollege Storm, ich
kann aus den Rentenkonsensgesprächen von mir aus
keine Mitteilungen machen. Ich habe nur einmal an den
Rentenkonsensgesprächen auf der Ebene der Partei- und
Fraktionsvorsitzenden teilgenommen, als es insbesondere
um die steuerliche Förderung der zukünftigen privaten
Altersvorsorge ging. Im Übrigen bin ich über den Stand
der Rentenkonsensgespräche aus eigener Kenntnis nicht
informiert.
Das war auch scharf
an der Grenze, ob das noch zur Frage passt. Aber ich lasse
hier fast alle Fragen zu. - Jetzt hat der Kollege Niebel das
Wort.
Vielen Dank für die Vorbemerkung, Frau Präsidentin. Das erleichtert mir die Fragestellung.
Frau Staatssekretärin, sehen nicht auch Sie die große
Gefahr, dass durch die Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge aufgrund der Mittel aus der so genannten
Ökosteuer die Notwendigkeit, strukturelle Veränderungen
im Rentenversicherungssystem durchzuführen, gemindert wird, dass also quasi der Leidensdruck nicht groß genug ist, um schnell zu handeln?
Herr Kollege Niebel, ich
weiß nicht, welchen Leidensdruck Sie sich vorstellen. Sie
tun so, als ob der bestehende Leidensdruck nicht groß genug sei. Die Bundesregierung ist in der Tat mit einem sehr
mutigen Reformkonzept vorangeschritten, das in sehr vielen gesellschaftlichen Gruppen auf Widerstand stößt.
Dass man vor diesem Hintergrund von mangelndem Leidensdruck spricht, zeugt schlechterdings - so sage ich einmal - von einer etwas beschränkten Wahrnehmung.
Nun hat der Kollege
Tauss noch eine Frage.
Frau Staatssekretärin, würden Sie
freundlicherweise, wenn ich Sie darum bitten dürfte, den
wissbegierigen Kolleginnen und Kollegen auf der anderen Seite erläutern, dass das Aufkommen aus der Ökosteuer in einem ganz erheblichen Maße auch dazu eingesetzt wurde, die Herausnahme versicherungsfremder
Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu
finanzieren, wozu die alte Regierung zu keinem Zeitpunkt
Mut und Kraft fand?
({0})
Herr Kollege, das ist so
richtig. Dadurch, dass die Mittel aus der Ökosteuer die
Bundesregierung in die Lage versetzen, den Bundeszuschuss um dieselbe Summe zu erhöhen, sind die versicherungsfremden Leistungen in der Tat - insbesondere
die Auffüllbeträge für die Renten der Rentner in den
neuen Bundesländern, aber auch das, was nach Definition
als versicherungsfremde Leistung gilt, nämlich die Anrechnung von Kindererziehungszeiten - aus der Rentenversicherung herausgenommen worden.
Nun rufe ich die
Frage 24 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ein Aktionsprogramm aufzulegen zur Abmilderung strukturpolitischer Auswirkungen im ostbayerischen Raum durch den zu erwartenden Abbau von öffentlichen Dienststellen im Rahmen der EU-Osterweiterung beim Zoll,
bei der Bundeswehr einschließlich Standortverwaltungen, bei der
Bahn, der Post und in der Wirtschaft?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Hofbauer, die
Bundesregierung hält ein gesondertes Aktionsprogramm
für den ostbayerischen Raum nicht für erforderlich. Der
ostbayerische Grenzraum ist Fördergebiet der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“ bzw. EU-Ziel-2-Fördergebiet. Dieses förderpolitische Instrumentarium reicht aus, um einen
Strukturwandel wirksam flankieren zu können.
({0})
Frau Staatssekretärin,
teilen Sie meine Auffassung, dass durch die angesprochenen Maßnahmen insbesondere im Bereich des Zolls und
der Bundeswehr einschließlich der Standortverwaltungen
sowie durch die bereits beschlossenen Maßnahmen bei
der Bahn in ganz erheblichem Umfang Stellen abgebaut
werden müssen, was erhebliche strukturelle Auswirkungen für die Region hat, die die Region aus sich heraus
nicht bewältigen kann? Die Programme, die Sie angesprochen haben, gelten bereits jetzt. Aber es kommen zusätzliche Eingriffe auf die Region zu. Deswegen besteht
hier eine besondere Situation hinsichtlich der Beitrittsländer, der man gerecht werden muss. Können Sie diese Auffassung teilen?
Nein, Herr Kollege
Hofbauer. Die förderpolitischen Instrumentarien, die
schon jetzt gelten, sind die Fördermöglichkeiten, die in
der Europäischen Union überhaupt zur Verfügung stehen.
Ich darf darauf hinweisen, dass die Erfahrung des Abbaus
von Bundesbehörden oder auch Standorten der Bundeswehr nicht neu ist und dass dieser auch schon in vielen anderen Bundesländern stattgefunden hat. Ich darf daran erinnern, dass mit der Öffnung der Binnengrenze nach Westen im Jahre 1993 in ganz erheblichem Maße zum
Beispiel Stellen beim Zoll an den Westgrenzen weggefallen sind. Obwohl Hunderte von Stellen weggefallen sind,
haben diese Gebiete häufig nicht einmal die Kriterien für
die Förderung nach Ziel 2 oder nach der Gemeinschaftsaufgabe erfüllt. Ein zusätzliches Aktionsprogramm außerhalb des bestehenden Förderrahmens, der sowohl auf
deutscher Seite wie auch nach den EU-Richtlinien möglich ist, ist also nicht vorstellbar.
Herr Kollege
Hofbauer, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
besteht nicht ein Unterschied zwischen der Öffnung der
Westgrenze damals und der Öffnung der Ostgrenze heute,
bei der es sich um ganz andere Dimensionen handelt?
Hier geht es um die Öffnung des Grenzgürtels zu den Ostblockländern - Gott sei Dank; ich möchte diese Entscheidung nicht kritisieren -, durch die sehr große Einschnitte
erfolgen und ganz andere Dimensionen zu erwarten sind.
Es geht dabei nicht um ein paar Hundert Stellen, sondern
beim Zoll geht es nach meinen Informationen allein im
Grenzgürtel in Ostbayern um 3 500 bis 4 000 Stellen.
Herr Kollege Hofbauer, ich
bin jetzt etwas überfragt, wie viele Stellen es im ostbayerischen Raum sind. Wir haben jedoch an den Grenzen zu Polen und Tschechien zusammen, also zu unseren
Nachbarn, die wir demnächst in die EU werden aufnehmen können, zurzeit etwa 5 500 Bedienstete des Zolls im
so genannten Grenzaufsichtsdienst. Das heißt, die Zahl
von 3 500 Bediensteten im ostbayerischen Raum ist vielleicht etwas zu hoch angenommen. Aber das will ich nicht
mit Sicherheit sagen, da ich es nicht genau weiß.
Natürlich werden die genannten 5 500 Stellen im Grenzaufsichtsdienst nicht auf Dauer erhalten werden können.
Andererseits werden sie auch nicht vollständig ersatzlos
abgebaut werden; denn aus Gründen der Sicherheit werden gleichwohl ins Hinterland verlagerte Kontrollen stattfinden. Es wird also niemand mehr an der Grenze stehen,
sondern es werden, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten,
im Hinterland Kontrollen durchgeführt werden, jedoch
nicht in dieser großen Anzahl, wie das auch an den Westgrenzen der Fall war.
Im Übrigen, Herr Kollege Hofbauer, ist es für den ostbayerischen Raum an der tschechischen Grenze vielleicht
eine Chance - das Gleiche gilt natürlich für den sächsischen und den brandenburgischen Raum im Hinblick auf
die Grenze zu Polen -, dass wir Mitgliedsländer für die
Europäische Union gewinnen, die als Handelspartner von
besonderem Interesse sein können, da die Märkte dort
nicht so gesättigt sind, wie sie bei unseren westlichen
Nachbarn gesättigt waren.
Wir kommen damit
zur Frage 25 des Abgeordneten Klaus Hofbauer:
In welchem Umfang werden bei den in Frage 24 genannten Institutionen in dieser Region Dienstposten in Zukunft wegfallen,
und wo wird das gegebenenfalls der Fall sein?
Herr Kollege Hofbauer, bei
der Bundeswehr einschließlich Standortverwaltungen
und der Bundeszollverwaltung kann ein möglicherweise
auf die ostbayerischen Regionen entfallender Dienstpostenabbau derzeit nicht beziffert werden. Die Deutsche
Bahn AG und die Deutsche Post AG sind keine öffentlichen Dienststellen, sondern dem Gesellschaftsrecht verpflichtete Aktiengesellschaften, die zwar zu 100 Prozent
im Eigentum des Bundes stehen, auf deren unternehmerische Einzelentscheidungen der Bund jedoch keinen unmittelbaren Einfluss hat. Weder die Deutsche Bahn AG
noch die Deutsche Post AG planen im Zusammenhang
mit der EU-Osterweiterung den Abbau von Arbeitsplätzen.
Es gibt keine Zusatzfragen.
Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich und danke
der Frau Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 26 des Abgeordneten
Dr. Michael Meister auf:
Aus welchen Gründen ist die seit der Einführung der Krankenversicherung der Landwirtschaft gesetzlich geregelte Finanzierung der Altenteilerleistungen aus dem Agrarhaushalt geändert
worden?
Herr Kollege Meister, mit einem Betrag von rund 2 Milliarden DM pro Jahr gehören die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu den größten
Ausgabeposten des Einzelplanes 10. Sie konnten deshalb
im Rahmen der zur Haushaltssanierung notwendigen
Maßnahmen nicht unberücksichtigt bleiben.
Ursprünglich war für das Jahr 2001 in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung eine Änderung der
Beitragsbemessungsgrundlagen vorgesehen. Um die mit
dieser Umstellung verbundenen Schätzrisiken auffangen
zu können, hatten die landwirtschaftlichen Krankenkassen ihr Vermögen in den letzten Jahren erheblich aufgestockt, und zwar um ein Vielfaches der bei den übrigen
Krankenkassen im Durchschnitt vorhandenen Finanzreserven.
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde aber
aus praktischen Erwägungen heraus auf diese Umstellung
verzichtet. Im Rahmen der Umsetzung des Zukunftsprogramms 2000 der Bundesregierung wurde beschlossen,
dass sich die aktiven Mitglieder der landwirtschaftlichen
Krankenversicherung im Jahre 2000 einmalig mit einem
Betrag von 250 Millionen DM an der Finanzierung der
Leistungsaufwendungen für die Altenteiler beteiligen.
Der Bundeszuschuss verringert sich entsprechend. Im Regelfall ist hierfür eine Beitragserhöhung nicht erforderlich. Diese Mittel können vielmehr aus dem angesammelten Vermögen der landwirtschaftlichen Krankenkassen erbracht werden.
Nach Kenntnis der Bundesregierung hat zum 1. Januar
2000 nur eine der 20 landwirtschaftlichen Krankenkassen
ihre Beiträge nennenswert erhöht. Für die Zeit ab dem
Jahr 2001 ist vorgesehen, dass der Bund die durch die
Beiträge nicht gedeckten Leistungsaufwendungen für die
Altenteiler wieder uneingeschränkt übernimmt.
Zu einer ersten Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Meister.
Herr Staatssekretär, aus welchem Grund ist man, wenn, wie Sie darstellen,
von der Landwirtschaft ein Sonderopfer verlangt werden
muss, nicht so vorgegangen, wie man das bei den allgemeinen Krankenkassen tut? Dort gibt es den Risikostrukturausgleich, mit dem versucht wird, geeignete Anhaltspunkte für einen Verteilerschlüssel zu definieren, indem
die Zahl der Versicherten in Bezug auf Alter und Geschlecht, also die Versichertenstruktur, Berücksichtigung
findet. Aus welchem Grund ist man bei dem Sonderopfer,
das man mit diesen 250 Millionen DM der Landwirtschaft
auferlegt, nicht nach einem Verteilungsmaßstab vorgegangen, der sich zum Beispiel an der Zahl der aktiven
Mitglieder, die ja letztlich aus ihrem Betriebseinkommen
die Beiträge finanzieren müssen, in der jeweiligen
landwirtschaftlichen Krankenkasse orientiert?
Herr Kollege, es handelt sich hier um kein Sonderopfer.
Denn bei den Krankenkassen der Landwirte besteht die
Sonderregelung - sie gilt bei den gesetzlichen Krankenkassen nicht -, dass der Bund die durch eigene Beiträge
nicht gedeckten Aufwendungen der Altenteiler übernimmt. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung leistet
das die Versichertengemeinschaft.
Dieser Bundeszuschuss richtet sich nach dem Umfang
der Leistungsaufwendungen für die Altenteiler. Daher
war es sozial gerechtfertigt, die einzelnen Kassen in dem
Maße, wie sich der Bund an der Finanzierung ihres Defizits beteiligt, auch beim Abzug in Höhe von 250 Millionen DM zu belasten.
Zu einer zweiten Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Meister.
Ich möchte noch
einmal dahin gehend nachfragen, ob die Bundesregierung
beabsichtigt, an der nach meiner Auffassung nach wie vor
ungeeigneten Art und Weise des Verteilungsschlüssels
Veränderungen vorzunehmen, um zumindest für die Zukunft, also über den August dieses Jahres hinaus, Änderungen im Interesse der aktiven Landwirte durchzuführen.
Diese Frage habe ich vorhin schon mit beantwortet. Wie
Sie wissen, handelt es sich um eine einmalige Maßnahme,
die das Jahr 2000 betrifft. Ab dem Jahr 2001, also ab
nächstem Jahr, werden, wie im Gesetz fixiert, die durch
eigene Beiträge nicht gedeckten Leistungsaufwendungen
für die Altenteiler durch den Bund in vollem Umfang
übernommen.
Damit kommen wir
zur Frage 27 des Abgeordneten Michael Meister:
Wie begründet die Bundesregierung den Verteilungsmaßstab,
der sich nach den Ausgaben der Altenteiler und nicht nach Anzahl
der Mitglieder oder nach den Einnahmen der aktiven Landwirte
richtet, was im Ergebnis zu überproportionalen Belastungen einzelner landwirtschaftlicher Krankenkassen führen könnte?
Herr Kollege Meister, die Höhe der auf jede landwirtschaftliche Krankenkasse entfallenden Bundesmittel richtet sich nach ihren Leistungsaufwendungen für Altenteiler, vermindert um die von den Altenteilern entrichteten
Beiträge und sonstigen Einnahmen. Je höher der Anteil
der Altenteiler an der Zahl der Versicherten und den Leistungsausgaben einer landwirtschaftlichen Krankenkasse
ist, desto höher ist auch der rechnerisch auf jedes aktive
Mitglied entfallende Bundesmittelbetrag. Deshalb ist es
sachgerecht, den Anteil der einzelnen landwirtschaftlichen Krankenkassen an der einmalig im Jahr 2000 zu
erbringenden Bundesmitteleinsparung in Höhe von
250 Millionen DM nach ihrem Anteil an diesem Defizit in
der Altenteilerkrankenversicherung zu bemessen.
Zur ersten Nachfrage
des Kollegen Meister, bitte.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass der Bundesregierung bekannt
ist, dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen regional
eine sehr unterschiedliche Struktur haben; ich nenne zum
Beispiel den Anteil der Nebenerwerbslandwirte. Im Bereich der Krankenkassen herrscht ja Wettbewerb; es ist
also auch die Möglichkeit gegeben, die Krankenkasse zu
wechseln. Deshalb ist auch bei einmaligen Belastungen,
von denen Sie sprechen, bereits die Frage zu stellen, ob
nicht etwa in Ballungsräumen, in denen der Anteil von
Nebenerwerbslandwirten relativ hoch ist, davon auszugehen ist, dass gerade diejenigen, die hohe Beiträge zahlen
und wenig Leistungen in Anspruch nehmen, diese Krankenkassen verlassen, während die anderen, die eher Leistungsbezieher sind, dort verbleiben, wodurch ein zusätzliches Ungleichgewicht in die landwirtschaftlichen
Krankenkasse hineingetragen würde. Beabsichtigt die
Bundesregierung, dagegen Vorkehrungen zu treffen?
Nein. Bei der Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen
Krankenkasse handelt es sich um eine Pflichtmitgliedschaft ohne Kassenwahlrecht. Man kann die Krankenkasse nicht ohne weiteres verlassen.
Es gibt eine zweite
Frage des Kollegen Meister, bitte.
Ich habe mich
zwar eben auf die Nebenerwerbslandwirte bezogen, was
bedeutet, dass sie einen Hauptberuf haben; aber ich
denke, dass wir das stehen lassen können.
Ich habe noch eine zweite Frage, die sich auf das Ausmaß der Betroffenheit bezieht. Sie haben in Ihrer ersten
Antwort dargestellt, dass nur eine landwirtschaftliche
Krankenkasse ihre Beiträge erhöhen musste. Dennoch
möchte ich nachfragen, ob Sie nicht ein Ungleichgewicht
etwa darin sehen, dass in Hessen eine doppelt so hohe Belastung für das einzelne in der landwirtschaftlichen Krankenkasse versicherte Mitglied im Vergleich zum Bundesdurchschnitt besteht. In Hessen entfällt auf das einzelne
Mitglied ein Beitrag von etwa 1 600 DM, während es im
Bundesdurchschnitt nur etwa 800 DM sind. Glauben Sie
vor diesem Hintergrund nicht, dass der Verteilungsschlüssel infrage gestellt werden sollte?
Nein. Ich nehme auf meine Antwort auf die erste Frage
Bezug. Es war für uns sozial ausgewogen und sachgerecht, dass die einmalige Kürzung im Jahr 2000 in der Relation erfolgen musste, in der in der Vergangenheit aufgrund des prozentualen Anteils der Altenteilerlasten die
Bundeszuwendungen erfolgten. Da es sich, wie gesagt,
um eine einmalige Aktion handelt und im Übrigen auf die
Rücklagen der Krankenkassen verwiesen werden konnte,
hielten wir in diesem Punkt die Entscheidung für sachgerecht.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär,
so wie ich die Diskussion eben verstanden habe, gibt es
regionale Unterschiede. Nach welchen Kriterien begründen sich denn diese Unterschiede?
Die Beiträge der Landwirtschaft zur Krankenkasse wie
auch zur Unfallversicherung hängen in den einzelnen Regionen von der Struktur der Betriebe ab und sind am Ende
ein Solidarausgleich innerhalb des jeweiligen Kassengebietes, aber nicht darüber hinaus.
Damit kommen wir
zur Frage 28 des Kollegen Andreas Storm:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Änderungen im Zuschussrecht der landwirtschaftlichen Alterssicherung etwa in den höchsten Zuschussklassen zu Beitragssteigerungen von 111 Prozent führen und damit existenzbedrohende
Ausmaße annehmen?
Sehr geehrter Herr Kollege Storm, die Bundesregierung
hat bei ihrem Amtsantritt eine Schuldenlast von 1,5 Billionen DM vorgefunden. Deshalb gibt es zur Politik der Bundesregierung, Maßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu ergreifen, keine Alternative. Um den notwendigen Gesamtsparbetrag aufzubringen, müssen die
Haushalte aller Bundesressorts einen Einsparbeitrag erbringen, der ihrem Anteil am Bundeshaushalt entspricht.
Der Anteil der Bundesmittel für die Agrarsozialpolitik am
Agrarhaushalt des Bundes beträgt rund zwei Drittel. Deshalb konnten sie bei den notwendigen Einsparungen nicht
ausgenommen werden.
Bei der Ausgestaltung der Sparmaßnahmen wurde jedoch darauf geachtet, soziale Härten und insbesondere
eine übermäßige Belastung einzelner Personengruppen zu
vermeiden. Deshalb ist im Haushaltssanierungsgesetz unter anderem eine maßvolle Anhebung des Einheitsbeitrages vorgenommen worden. Damit werden alle Beitragszahler in der Alterssicherung der Landwirte an den unausweichlichen Einsparungen beteiligt.
Neben der Anhebung des Einheitsbeitrages und einer
Reihe weiterer Maßnahmen mussten allerdings auch beim
Beitragszuschuss Einschnitte vorgenommen werden. Der
auf die Alterssicherung der Landwirte entfallende Einsparbetrag hätte anders nicht erbracht werden können.
Durch diese Änderungen beim Beitragszuschuss ergibt
sich eine effektive Mehrbelastung gegenüber 1999, die im
Einzelfall bis zu 111 Prozent betragen kann. Das ist bedauerlich. Angesichts des zwingenden Bedarfs der Konsolidierung des Bundeshaushaltes, den diese Bundesregierung nicht zu verantworten hat, ist dies aber leider
unabänderlich.
Aus dieser Beitragsmehrbelastung in der Alterssicherung ergibt sich keine Existenzbedrohung für die landwirtschaftlichen Betriebe. Jedoch verlangen die in der
jüngeren Zeit beschlossenen Reformmaßnahmen, also
das Zukunftsprogramm 2000 und die ökologische Steuerreform, der deutschen Land- und Forstwirtschaft insgeDr. Michael Meister
samt eine erhebliche Anpassungsleistung ab, die durch die
Bundesregierung unterstützt werden soll.
Es gibt eine erste Zusatzfrage des Kollegen Storm. Bitte.
Herr Staatssekretär,
nachdem Sie in Ihrer Antwort bestätigt haben, dass Beitragssteigerungen bis zu 111 Prozent zu erwarten sind,
möchte ich Sie fragen: Es war ja erklärtes Ziel der
Bundesregierung, die Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme zu reduzieren. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung die Erwerbstätigen bzw.
Versicherten im Bereich der Landwirtschaft hiervon ausnehmen will?
Nein, sie nimmt sie nicht aus. Bei der Darstellung des
Sachverhalts ist natürlich darauf hinzuweisen, dass trotz
dieser Maßnahmen das Beitrags-Leistungs-Verhältnis in
der landwirtschaftlichen Alterskasse noch immer günstiger ist als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist
etwas, auf das man nicht genug hinweisen kann. Vor diesem Hintergrund erschien uns die Entscheidung an dieser
Stelle noch vertretbar, zumal es hier wie in keinem anderen Bereich auch zu Beitragszuschüssen kommt. Im
Jahr 2000 gibt es zum Beispiel bei der untersten Beitragsklasse - darauf nehmen die 111 Prozent Bezug - einen
monatlichen Zuschuss in Höhe von 205 DM. Das gibt es
in keinem anderen vergleichbaren System.
Auch der Kollege
Meister hat eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal nachfragen. Sie haben eben
in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Storm gesagt,
dass auch die Landwirtschaft für den Konsolidierungsbeitrag herangezogen werden muss, zum einen im Bereich der Sozialversicherung, zum anderen durch die
Ökosteuer. Und Sie haben erwähnt, dass die Bundesregierung den Landwirten helfen will, diese Inanspruchnahme
zu bewältigen. Könnten Sie einmal konkret sagen, in welchen Bereichen die Bundesregierung der Landwirtschaft
Hilfe gewährt, um diese Belastungen zu kompensieren?
Die gesamte Agrarpolitik der Bundesregierung ist in die
Zukunft weisend. Ich nenne die Agenda 2000 und ähnliche Entscheidungen. Wir gehen davon aus, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft insgesamt besser
wird.
Auf der anderen Seite habe ich in meiner Antwort eingeräumt, dass es in einigen Bereichen zu Belastungen
kommt. Allerdings ist mir nicht bekannt, dass es seitens
der Opposition zu den Sparmaßnahmen der Bundesregierung alternative Vorschläge gegeben hätte, zum Beispiel
die, bei anderen Haushaltspositionen, etwa bei Positionen
im Haushalt des Bundesverteidigungsministers, zu streichen, bei den Renten stärker einzusparen oder die Mehrwertsteuer deutlich zu erhöhen, um das strukturelle Defizit des Bundeshaushaltes abzubauen. Von solchen Vorschlägen ist mir nichts bekannt.
Eines wäre nicht gegangen, nämlich so weiterzumachen wie in der Vergangenheit. Dann hätten wir einen mit
der Verfassung nicht konformen Bundeshaushalt vorlegen
müssen. Das hat sich von selbst verboten. Aus diesem
Grunde musste auch der Agrarbereich an den Sparmaßnahmen beteiligt werden.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Steiger.
Herr Staatssekretär,
verstehe ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen
Meister richtig, dass die Hilfsmaßnahmen, die Sie anführen, nur Rhetorik sind?
Nein, Sie verstehen das völlig falsch. Das Problem ist,
dass die Agrarpolitik der alten Bundesregierung seit langer Zeit - man muss schon fast sagen: seit 1982 - darauf
ausgerichtet war, das, was am Markt weniger verdient
wurde, durch öffentliche Gelder auszugleichen. Diese Politik aufrechtzuerhalten ist der alten Bundesregierung in
den letzten Jahren immer schwerer gefallen. Sie war jetzt
einfach nicht mehr fortzusetzen. Insofern hat es eine
Neuausrichtung der Agrarpolitik gegeben. Dies wird den
Bauern auf längere Zeit gesehen mehr helfen als schaden.
Natürlich ist das eine Umorientierung. Unser Ziel ist, dass
die Bauern zukünftig am Markt mehr Geld verdienen anstatt Hilfen aus öffentlichen Kassen zu beziehen.
Auch Herr Kollege
Storm hat noch eine Zusatzfrage. Ihm stehen als Fragesteller selbstverständlich zwei Zusatzfragen zu.
Herr Staatssekretär, Sie
haben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Meister
eben beklagt, dass es keine alternativen Einsparvorschläge gebe. Nun ist es ja so, dass die landwirtschaftlichen Alterskassen schon vor Jahresfrist einen Vorschlag
gemacht haben, mit dem erhebliche Einsparungen bei den
Verwaltungskosten möglich sind, nämlich wenn hinsichtlich der Einkommen ein Datenabgleich mit den Finanzbehörden stattfindet. Es sind deshalb erhebliche Einsparungen möglich, weil die Widerspruchsquote in diesem Bereich bei 70 Prozent liegt, also ganz beachtlich ist.
Ich frage Sie deshalb: Warum ist die Bundesregierung auf
diese Anregung der landwirtschaftlichen Alterskassen
bisher überhaupt nicht eingegangen?
Weil wir als Bund in dem Bereich auf die Verwaltung
keinen Einfluss haben. Die Aufsicht über die landwirtschaftlichen Alterskassen obliegt den Ländern. Wir als
Bund sind bemüht, im Rahmen einer Neustrukturierung
im gesamten Sozialbereich unseren Einfluss zu stärken.
Dies ist bisher an dem Widerstand der Länder gescheitert.
Ich interpretiere Ihre Frage aber so, dass wir bei dem
Bemühen, in dem Bereich zu einer Neustrukturierung zu
kommen - um am Ende damit viel Geld einzusparen -,
auf Ihre Unterstützung bauen können.
Damit kommen wir
zur Frage 29 des Abgeordneten Andreas Storm:
Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Belastungen rückgängig zu machen, etwa durch eine Zuführung von Mitteln aus der
Ökosteuer, wie dies in der gesetzlichen Rentenversicherung geplant ist?
Sehr geehrter Herr Kollege Storm, zunächst will ich darauf hinweisen, dass im Gesetz über die Alterssicherung
der Landwirte Regelungen enthalten sind, aufgrund deren
der Beitrag der Landwirte mit dem Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung verknüpft ist. Infolge eines höheren Bundeszuschusses - aus den Einnahmen der
Ökosteuer - konnte dieser Beitragssatz zum 1. Januar
2000 gesenkt werden. Diese Verknüpfung hat also dämpfend auf den Beitragsanstieg in der Alterssicherung der
Landwirte gewirkt.
Es ist nicht vorgesehen, die in der Alterssicherung der
Landwirte vorgenommenen Einsparmaßnahmen wieder
rückgängig zu machen. Der Bundesregierung ist bewusst,
dass ihre haushalts- und finanzpolitischen Beschlüsse der
Land- und Forstwirtschaft erhebliche Anpassungsleistungen abverlangen. Gerade wegen der besonderen Belastung durch die Ökosteuer soll ein besonderer Steuersatz
für den in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff eingeführt und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gestärkt
werden. Der notwendige Prozess einer Anpassung an den
stärkeren Wettbewerb im Rahmen der EU-Agrarpolitik
soll so erleichtert werden.
Der Steuersatz beträgt 0,57 DM pro Liter Dieselkraftstoff. Dies entspricht einer Begünstigung von 23 Pfennig
pro Liter Dieselkraftstoff im Jahr 2001. Die Begünstigung
wird mit den weiteren Stufen der Ökosteuer bis zum Jahr
2003 auf 35 Pfennig pro Liter anwachsen, was Mindereinnahmen bei der Mineralölsteuer in einem Volumen von
rund 700 Millionen DM zur Folge haben wird. Dies wird
zu einer Entlastung der Landwirtschaft führen.
Im Energiebereich bestehen zwischen den EU-Mitgliedstaaten aufgrund unterschiedlicher Steuersätze für in
der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff erhebliche Wettbewerbsunterschiede. Als grundsätzliche Lösung strebt die Bundesregierung deshalb weiterhin eine EU-weite Harmonisierung der Besteuerung von
Dieselkraftstoff für Arbeiten in der Landwirtschaft, im
Gartenbau, in der Fischzucht und in der Forstwirtschaft
an.
Die durch den Wegfall der Gasölverbilligung ab dem
Jahre 2002 frei werdenden Mittel bleiben dem Agrarhaushalt in vollem Umfang erhalten. Sie sollen eingesetzt
werden, um die Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ auf bisherigem Niveau zu verstetigen. Damit
kann die Gemeinschaftsaufgabe einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum leisten.
Eine erste Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Storm.
Herr Staatssekretär,
wenn ich Ihre umfangreiche Antwort im Hinblick auf die
Frage auf ihren Kern reduziere, haben Sie ausgeführt,
dass hier nicht wie in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Teil der durch die Ökosteuer erzielten Mittel zugeführt wird und dies auch nicht beabsichtigt ist. Ich frage
Sie deshalb im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit,
auf die Verteilungswirkungen, die die Bundesregierung
angeblich im Auge hat: Wie können Sie es für sozial vertretbar halten, wenn einerseits die Landwirtschaft durch
die Ökosteuer überdurchschnittlich belastet wird, andererseits aber die Beitragszahler aus der Landwirtschaft
nicht durch eine direkte Beitragssatzminderung bedingt
durch das Ökosteueraufkommen entlastet werden?
Auf den ersten Teil Ihrer Frage möchte ich antworten: Der
Vorwurf ist insofern nicht gerechtfertigt, als der Beitrag
der landwirtschaftlichen Alterskasse vom Beitragssatz der
gesetzlichen Rentenversicherung abgeleitet ist und sich
damit in der landwirtschaftlichen Alterskasse die Entlastungswirkung analog zur Rentenversicherung ergibt. Allerdings wird das am Ende durch die Sparmaßnahmen bei
der Alterskasse nicht wirksam. Bei der vorangegangenen
Beantwortung der Fragen habe ich dargelegt, aus welchen
Gründen auch im Agrarsozialbereich gespart werden
muss. Denn dieser umfasst mittlerweile 70 Prozent des
Einzelplanes 10.
Trotzdem - das ist die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit - ist das Beitrags-Leistungs-Verhältnis der
landwirtschaftlichen Alterskasse immer noch deutlich
günstiger als das der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Besserstellung betrug früher etwa 20 Prozent. Als
Konsequenz dieser Maßnahmen verringert sich diese Vergünstigung auf etwa 10 Prozent, aber es bleibt noch eine
Besserstellung. Das Negative daran ist, dass eine Besserstellung der Landwirtschaft hinsichtlich des Beitrag-Leistungs-Verhältnisses um 20 Prozent natürlich besser ist als
eine um 10 Prozent und dies in Einzelfällen auch zu Härten führte. Aber hier muss ich auf die Begründung der
Sparmaßnahmen verweisen.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Meister. Bitte.
Herr Staatssekretär, zunächst haben Sie darauf hingewiesen, dass die den
Landwirten durch die Ökosteuer entstehenden Belastungen zum Teil durch die Gasölbeihilfe kompensiert werden. Diese haben Sie expressis verbis genannt. Dazu
möchte ich nachfragen: Ist es nicht vielmehr so, dass die
ursprüngliche Dieselrückvergütung den Landwirten mehr
als die jetzige Ökosteuererhöhung und die damit verbundene Lohnnebenkostenentlastung, von der insbesondere
Familienbetriebe kaum profitieren, gebracht hätte? Jetzt
haben sie Mineralölsteuer plus Ökosteuer minus die reduzierte Gasölbeihilfe. Dies führt zu keiner Entlastung, sondern zu einer zusätzlichen Belastung der Landwirtschaft.
Man muss den Sachverhalt in zwei Teile trennen. Auf der
einen Seite stehen die Auswirkungen der Haushaltskonsolidierung. Diese bewegen sich in dem Rahmen, den ich
dargestellt habe, einschließlich der Kürzungen im Bereich
der Gasölbeihilfe. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass
es zu Zeiten der alten Bundesregierung zwischen 1990
und 1995 Mineralölsteuererhöhungen bei Diesel um
17 Pfennig pro Liter gegeben hat, ohne dass im gleichen
Zeitraum die Gasölrückerstattung angehoben worden ist.
Also hier sind in der Vergangenheit ähnliche Entscheidungen getroffen worden.
Wenn wir jetzt diese Änderung im Mineralölsteuergesetz vornehmen wollen und damit die Landwirtschaft teilweise von den Auswirkungen der Ökosteuer entlasten,
dann hat das den Grund, dass die Anteile der Energiekosten an der Erzeugung im landwirtschaftlichen Bereich im
Vergleich zu anderen Volkswirtschaftszweigen unverhältnismäßig hoch sind und nicht überwälzt werden können.
Am Ende wird das Ganze dazu führen, dass die Landwirtschaft um etwa 700 Millionen DM entlastet wird.
Kollege Storm macht
von seiner Chance Gebrauch, die zweite Frage zu stellen.
Herr Staatssekretär, Sie
hatten in der Antwort auf meine erste Nachfrage ausgeführt, die Versicherten in der landwirtschaftlichen Alterskasse würden dadurch entlastet, dass die Rentenanpassung in der landwirtschaftlichen Alterskasse an die Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung
gekoppelt ist. Nun haben Sie in diesem und im nächsten
Jahr die Rentenformel ausgesetzt. Die Rentner bekommen nur Rente nach Kassenlage,
({0})
also eine Rentenanpassung, die sich nicht an der Nettoeinkommensentwicklung der Beitragszahler orientiert.
Herr Staatssekretär, das bedeutet doch, dass die Rentner auch an dieser Stelle einen Verlust erleiden und an keiner Stelle, wie Sie es darstellen, einen Gewinn erzielen.
Denn die Rentenanpassung ist doch niedriger, als sie es
wäre, wenn die Rentner an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben würden.
Wir haben soeben über die Beitragsseite diskutiert, nicht
über die Gewährung der Rente oder der Altersbezüge der
Landwirte. Auf der Beitragsseite gilt selbstverständlich,
dass aus dem Aufkommen der Ökosteuer auch der Beitrag
zur landwirtschaftlichen Alterskasse in dem gleichen
Maße abgesenkt wird wie der Beitrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung. Davon bleibt die Frage der Erhöhung der Rente und der Alterskassenbezüge unberührt.
Das heißt, das Entscheidende ist, dass die Landwirtschaft,
was die Absenkung der Beiträge durch die Ökosteuer anbelangt, in gleicher Weise berücksichtigt wird.
Wir kommen zur
Trifft es zu, dass das strukturwandelbedingte Defizit in der
landwirtschaftlichen Unfallversicherung bei jährlichen Gesamtaufwendungen von rund 1,7 Milliarden. DM deutlich über 700
Millionen. DM beträgt?
Frau Präsidentin, die Fragen 30 und 31 stehen in sachlichem Zusammenhang. Deshalb bitte ich darum, diese beiden Fragen gemeinsam beantworten zu können.
Dann rufe ich auch die
Frage 31 des Abgeordneten Wolfgang Steiger
({0}) auf:
Wenn ja, warum werden die Bundesmittel zur Beitragsentlastung dennoch erheblich gekürzt?
Sehr geehrter Herr Kollege Steiger, für die Gewährung
von Bundeszuschüssen zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist ein wie auch immer begründetes und
quantifiziertes strukturwandelbedingtes Defizit nie sachliche Rechtfertigung oder Anlass gewesen. Die zweckgebundenen Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind dafür bestimmt, eine Senkung der
Unternehmerbeiträge und damit eine kostenmäßige Entlastung landwirtschaftlicher Betriebe herbeizuführen.
Diese Zielsetzung ist den Erläuterungen des Bundeshaushaltsplanes und den jährlichen Zuwendungsbescheiden
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten zu entnehmen.
Der Begriff des strukturwandelbedingten Defizites
geht auf ein Gutachten des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahre 1983 zurück. Der Inhalt des Gutachtens war seit Erstellung nicht Grundlage für die Höhe
der Bundesmittelgewährung. Die Fortschreibung eines
vom Ifo-Institut berechneten strukturwandelbedingten
Defizites anhand des in diesem Gutachten entwickelten
Verfahrens würde bei Berücksichtigung der neuen Länder
für das Jahr 2000 einen Betrag von 728 Millionen DM ergeben.
Auch die Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen
Unfallversicherung mussten im Rahmen der Haushaltskonsolidierung gegenüber 1999 um 50 Millionen DM auf
nunmehr 500 Millionen DM abgesenkt werden. Nur so
konnte gewährleistet werden, dass das BML seinen Beitrag zu den dringend notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung leisten konnte. Für den Zeitraum der
mittelfristigen Finanzplanung soll diese Höhe der Bundesmittel beibehalten werden.
Eine erste Nachfrage,
bitte, Herr Kollege Steiger.
Herr Staatssekretär,
wenn man den gesamten Fragenkomplex von der Frage
26 bis zu dieser Frage sieht, muss man doch zu dem
Schluss kommen, dass unter dem Stichwort Ökosteuer,
sowie durch die Belastungen aus der Agenda 2000 und
aus dem jetzt diskutierten Problemkreis auf die Landwirtschaft enorme Belastungen zukommen. Es stellt sich dann
doch die Frage, ob mit Ihrer Politik nicht ein Strukturwandel herbeigeführt werden soll, durch den die bäuerlichen Kleinbetriebe und vor allem die Nebenerwerbsbetriebe beseitigt werden sollen. Teilen Sie diese Auffassung?
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Ich will zur Begründung meine Antworten auf die vorangegangenen Fragen anführen: Es stimmt nicht, dass die Agenda 2000 so
negative Auswirkungen haben wird, wie immer behauptet
wurde. Dies wird angesichts der aktuellen Preisentwicklung in einigen Bereichen auch von niemandem mehr angeführt. Ganz abgesehen davon hat die Agenda 2000 die
Europäische Union in die Lage versetzt, bei den WTOVerhandlungen gut dazustehen und die Osterweiterung zu
meistern.
Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass es keine Alternative zu der Entscheidung gab, die Kompensation von
Einkommensverlusten aus öffentlichen Geldern nicht
weiter fortzusetzen. Dies bedeutet natürlich Belastungen
und Härten. Auf längere Sicht wird es aber zu einer besseren Zukunftsorientierung der Landwirtschaft führen.
Eine zweite Nachfrage, Herr Kollege Steiger.
Wie begründen Sie
denn Ihre optimistische Sicht auf die Zukunft?
Sie müssen nur einmal mit jungen Landwirten diskutieren. Diese sagen Ihnen eindeutig, sie wollten nicht mehr
diese Abhängigkeit vom Staat, wie sie in der Vergangenheit üblich war; sie wollen vielmehr am Markt ihr Geld
verdienen. Man muss einmal unterscheiden: Will man unternehmerisch tätig sein, kann man nicht bei jedem Problem sofort fragen, wie viel Geld man aus öffentlichen
Mitteln erhält.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Landwirtschaft auch vonseiten der Europäischen Union unterstützt
wird. Allein die Ausgleichszahlungen im Rahmen der
Agenda 2000 belaufen sich für die Landwirtschaft in
Deutschland auf 12 Milliarden DM pro Jahr. Wenn man
die diversen Zahlungen aus dem Agrarhaushalt, die trotz
der eben diskutierten Kürzungen noch verbleiben, hinzunimmt, dann fließen aus dem europäischen Haushalt sowie dem Bundeshaushalt öffentliche Gelder in Höhe von
knapp 20 Milliarden DM. Vor diesem Hintergrund läuft
die Behauptung ins Leere, die rot-grüne Regierung tue
nicht genug für die Landwirtschaft.
Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Dreßen.
Herr Staatssekretär, wenn Sie
diese Debatte verfolgen und dabei den Antrag der Opposition zum Agrarbericht berücksichtigen, in dem sehr
viele Steuervergünstigungen gefordert werden: Würden
Sie mir darin zustimmen, dass wir, wenn alle Bereiche so
handeln würden, einen Gesamthaushalt in Höhe nicht von
480 Milliarden DM, sondern von 800 Milliarden DM
bräuchten, um diese Wünsche überhaupt zu erfüllen? Halten Sie es in diesem Zusammenhang nicht für richtiger,
einmal der alten Regierung vorzuwerfen, wie zergliedert
die Sozialversicherungssysteme im Bereich der Landwirtschaft sind und dass in diesem Bereich etwas hätte getan werden müssen?
Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur zustimmen. Ich sehe
regelmäßig Kopfnicken in den Bauernversammlungen,
wenn ich die Landwirte mit der Tatsache konfrontiere,
dass eine Weiterführung der bisherigen Politik bedeuten
würde, mit Kreditaufnahmen eine Konsumtion im landwirtschaftlichen Bereich zu finanzieren, deren Lasten die
Kinder der heutigen Bauernfamilien in der Zukunft zu tragen hätten.
Nun eine Zusatzfrage
des Kollegen Meister.
Herr Staatssekretär, ich entsinne mich, dass diese Bundesregierung angetreten ist, die Situation am Arbeitsmarkt durch Senkung
der Lohnnebenkosten zu verbessern. Wir haben jetzt über
drei Versicherungsbereiche - Krankenkasse, Unfallversicherung und Altersversicherung - diskutiert. Für alle drei
Bereiche haben Sie dargelegt, dass die Beitragssätze - in
einem Bereich sogar um bis zu 111 Prozent - steigen werden. Glauben Sie, dass das von Ihnen Vorgetragene im
Einklang mit den Zielen dieser Bundesregierung und der
Koalitionsvereinbarung steht, nämlich die Lohnnebenkosten zu senken und damit mehr Arbeit in Deutschland
zu schaffen?
Herr Kollege, wir sind auch angetreten, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Ich habe deutlich gemacht, dass das Beitrags-Leistungs-Verhältnis in der Landwirtschaft trotz der
Maßnahmen immer noch günstiger ist als in der gesetzlichen Rentenversicherung, um ein Beispiel zu bringen.
Das Gleiche gilt für die Krankenversicherung mit der
Übernahme der Altenteilerleistungen durch den Bund und
es gilt auch für die Unfallversicherung. Nur im landwirtschaftlichen Bereich gibt es einen Zuschuss; in den anderen Bereichen lediglich das Gemeinlastverfahren, bei dem
die Belastungen zwischen den einzelnen Sektoren ausgeglichen werden. Insofern geht der Vorwurf ein Stück ins
Leere.
({0})
Damit ist dieser Geschäftsbereich ab geschlossen.
Sämtliche Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung werden
schriftlich beantwortet. Deshalb kommen wir jetzt zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Karl-Josef
Laumann auf:
Trifft es zu, dass künftig nur noch vier Wehrbereichsverwaltungen vorgesehen sind, und wenn ja, wie werden diese dann
räumlich aufgeteilt?
Ich verweise darauf, dass nur noch reichlich drei Minuten zur Beantwortung zur Verfügung stehen.
Ja, ich will mich bemühen, das
schnell zu klären. Herr Kollege Laumann, Sie stellen eine
Frage, die viele Kollegen, die Standorte in ihrem Wahlkreis haben, jetzt stellen. Ich kann Ihnen ausdrücklich sagen: Gemäß dem Eckpfeilerpapier „Die Bundeswehr sicher ins 21. Jahrhundert“ von Anfang Juni dieses Jahres
wird die territoriale Wehrverwaltung im Gleichklang mit
der territorialen Wehrorganisation gestrafft. Hierzu wird
die Zahl der Wehrbereichsverwaltungen von sieben auf
vier reduziert. Die Zuständigkeitsbereiche und die Standorte der verbleibenden Wehrbereichsverwaltungen werden im Rahmen der Feinausplanung festgelegt.
Herr Kollege
Laumann, bitte eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Ihre Kabinettskollegin Frau Wieczorek-Zeul hat in
einer Pressemitteilung in Wiesbaden veröffentlicht, dass
die Wehrbereichsverwaltung Wiesbaden erhalten bleibe
und die Wehrbereichsverwaltung Düsseldorf aufgelöst
werde. Wie stehen Sie zu dieser Pressemitteilung Ihrer
Kabinettskollegin, und glauben Sie, dass Sie dann allen
Ernstes hier im Parlament sagen können, dass Sie noch
keine Planungen in dem Bereich haben?
Lieber Herr Kollege Laumann,
erstens - das muss ich freundlicherweise sagen - steht es
jedem frei gewählten Parlamentarier dieses Landes, auch
Ihnen, zu, sich für seine Standorte einzusetzen. Dass die
Abgeordnete von Wiesbaden, die zufällig auch noch Ministerin ist, diese Behauptung aufgestellt hat, höre ich von
Ihnen. Sie hat es uns weder in irgendeiner Weise mitgeteilt noch gibt es irgendwelche ernst zu nehmenden Überlegungen. Wir sind zu diesem Zeitpunkt wirklich noch
nicht so weit. Ich könnte mir vorstellen, dass es andere
Kollegen - sehen wir uns nur die Kampagnen an, die im
Moment die CSU in Bayern macht - ähnlich tun. Nein,
wir können es Ihnen zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht
sagen.
Jetzt rufe ich die Frage 36, des Kollegen Karl-Josef Lauman auf:
Ist bei den Privatisierungsabsichten im Bereich der Standortverwaltungen auch ein Market Testing, ähnlich wie beim Gerätehauptdepot in Rheine-Kanalhafen, vorgesehen, um auch den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine faire Chance zur Optimierung einzuräumen?
Ich bitte wiederum um eine kurze Antwort.
Aber selbstverständlich werde
ich auch die zweite Frage schnell beantworten. - Herr
Kollege Laumann, die territoriale Wehrverwaltung befindet sich in einem Prozess der Optimierung und Rationalisierung. Das klingt gut, darum bemühen wir uns ja eigentlich, aber jetzt wollen wir wirklich auch Ernst machen. Was heißt das? Wir versuchen wirklich intensiv, die
Aufwendungen für den Betrieb zugunsten neuer Investitionen zu verringern.
Es ist klar, dass die Bundeswehr schon immer nach § 7
der Bundeshaushaltsordnung verpflichtet ist, Organisation, Betrieb und Verfahren strikt an den Kriterien
Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu orientieren. Diese
Grundsätze verpflichten jede Verwaltung, auch die Bundeswehrverwaltung, zur Prüfung, ob die Aufgaben kostengünstig privatisiert werden können oder ob sie überhaupt noch notwendig sind; auch das halte ich für einen
ganz wesentlichen Punkt.
Das Programm der internen Optimierung bei den
Standortverwaltungen ist angelaufen. Wir wollen es fortführen, aber letztendlich wollen wir Kostenvergleiche haben, bei denen klar wird, dass wir auch unsere öffentlichen Aufgaben wirtschaftlicher gestalten können.
Auf Ihre konkrete Frage nach dem Market-TestingVerfahren kann ich Ihnen sagen, dass es zurzeit nicht
durchgeführt wird.
Eine kurze Nachfrage,
bitte, Herr Kollege Laumann.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie sich denn vorstellen, dass die Bundesregierung den Standortverwaltungen die Möglichkeit
gibt, wie es etwa in dem Depot im Rheine-Kanalhafen geschehen ist, ihre Leistungsfähigkeit gegenüber der privaten Wirtschaft zu beweisen? Ja oder nein?
Ausdrücklich kann ich mir das
vorstellen, und ich muss Ihnen auch ehrlich sagen: Vor allen Dingen kann ich mir vorstellen, dass alle unsere
öffentlichen Verwaltungen sich an zwei Grundsätze halten, indem sie sich zwei Fragen stellen Erstens: Ist die
Aufgabe heute noch notwendig? Zweitens: Kann ich sie
wirtschaftlicher gestalten? Das gilt auch für alle zivilen
Verwaltungen der Bundeswehr. Es gilt eigentlich für jede
öffentliche Verwaltung.
Ich bedanke mich, vor
allem für die Kürze der Antworten, Frau Parlamentarische
Staatssekretärin.
Die noch offenen Fragen 37 bis 41 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung werden
auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die
noch ausstehenden Fragen zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen werden ordnungsgemäß schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zur Reduktion
der Investitionen im Bundeshaushalt 2001 und
zu den sich aus geringeen Aufträgen ergebenden Wirkungen auf den Mittelstand
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Dietrich Austermann.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die heutige Aktuelle Stunde aus Sorge um die Entwicklung der Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes in unserem
Land beantragt. Wir leiten unsere Sorge aus dem Entwurf
des Bundeshaushalts für das kommende Jahr ab. Ich freue
mich deswegen, dass auch der zuständige Staatssekretär
aus dem Wirtschaftsressort hier ist, weil es ihn besonders
angeht, wenn Veränderungen vorgenommen werden sollen, die ziemlich erschreckend für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes sind.
({0})
Ich erinnere an das, was der Bundesfinanzminister auf
der Veranstaltung des BDI noch gestern Abend gesagt hat:
Er sprach von Budgetkonsolidierung, von der Sicherung
sozialer Systeme und davon, dass Wachstum und Investitionen deutlich gefördert werden sollten.
({1})
Von all dem ist im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr nichts zu erkennen:
({2})
Die Ausgaben für Investitionen werden kräftig zusammengestrichen; sie sinken im Vergleich zu diesem Jahr um
3 Milliarden DM und im Jahr 2004 um 5,5 Milliarden DM.
({3})
Damit erreicht die Investitionsquote einen traurigen Negativrekordwert von 10,3 Prozent, der nur noch von
Schleswig-Holstein übertroffen wird.
Noch bitterer wäre es allerdings geworden, wenn das
Bundesverwaltungsgericht heute nicht entschieden hätte,
dass die Verträge über den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen in Ordnung seien. Dies lässt die Kampagnen, die
Sie in Bezug auf dieses Geschäft lange vorbereitet und
durchgeführt haben, endlich in sich zusammenfallen.
Mit dem Bundeshaushalt 2001 und dem Finanzplan
werden ökonomisch eindeutig falsche Signale gesetzt.
({4})
Das hängt wohl damit zusammen, dass die Popökonomen
in der Bundesregierung weiterhin das Sagen haben. Absichtsvoll schlecht wird der Mittelstand behandelt. Gemessen an Ihren eigenen Forderungen - Förderung des
Mittelstandes, Voranbringen des Technologie- und Forschungsstandortes, Verdoppelung der Forschungsinvestitionen - muss man leider feststellen:
({5})
überall Fehlanzeige; es geht an der Realität vorbei.
Die Leistungs- und die Wettbewerbsfähigkeit kleiner
und mittlerer Unternehmen wurden unter unserer Regierung 1998 mit 1,3 Milliarden DM gefördert. Im kommenden Jahr sind es nur noch 508 Millionen DM. Das ist fast
nur noch ein Drittel. Daran wird deutlich, dass es diese
Regierung insgesamt nicht gut mit dem Mittelstand in unserem Lande meint. Das hat Folgen für die Arbeitsplätze,
für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Beschäftigung.
Gleiches gilt im Übrigen auch für die zur Chefsache erklärte Angelegenheit Aufbau Ost.
({6})
- Ja, so kann man es verstehen. - Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern
werden um 30 Millionen DM zurückgefahren. Die Ausgaben für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
regionalen Wirtschaftsstruktur“ werden sogar um
300 Millionen DM zurückgefahren. Die Ausgaben für die
anderen Förderbereiche gehen um 300 Millionen DM
zurück. Dann bleibt noch eine globale Minderausgabe
von 250 Millionen DM. Angesichts dieser Entwicklung
bleibt dem Beauftragten der Bundesregierung für die
neuen Bundesländer, Herrn Schwanitz, eigentlich nichts
anderes übrig, als zurückzutreten, wenn er es mit seiner
Aufgabe, die Interessen der neuen Bundesländer zu vertreten, ernst meint.
({7})
Der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie wird brutal zusammengestrichen: Von
16,8 Milliarden DM im Jahre 1998 bleiben im nächsten
Jahr nur noch 10,8 Milliarden DM übrig. Wie Sie damit
wirkungsvolle Mittelstands- und Technologieförderung
betreiben wollen, bleibt Ihr Geheimnis. Herr Mosdorf und
Herr Diller, ich hätte den Bundesfinanzminister hier gerne
persönlich anwesend gesehen, um ihm das deutlich zu
machen. Aber ich bin überzeugt, Sie tragen das weiter.
Wenn man berücksichtigt, dass noch eine globale Minderungsausgabe vorgesehen ist, und die Entwicklung bei
der Deutschen Ausgleichsbank einbezieht, dann wird einem klar, dass die Mittel für die mittelständischen Betriebe - das heißt für die Betriebe, die Ausbildungs- und
Arbeitsplätze zur Verfügung stellen - immer geringer
werden. Das ist deshalb so bedeutsam, weil das Wachstum
in Deutschland, das etwa dem des Jahres 1998 entspricht,
einseitig exportorientiert ist und weitgehend am Mittelstand, an der inländischen Stabilität und an der Nachfrage
im Inland vorbeigeht. Es wird also deutlich: Zwischen
Anspruch und Wirklichkeit rot-grüner Politik klaffen
Welten.
Bezogen auf die Steuerpolitik findet das eine entsprechende Ergänzung. Im nächsten Jahr wird die Ökosteuer
noch einmal 8 Pfennig mehr betragen.
({8})
Drei mal 8 Pfennig mehr Ökosteuer sind dann insgesamt
schon 24 Pfennig.
({9})
Man versucht, diese Feststellung zurückzuweisen, indem
man sagt, dafür seien ganz andere verantwortlich. Gleichzeitig bringt man eine Steuerreform auf den Weg, die
ebenfalls am Mittelstand vorbeigeht.
Dies geschieht, obwohl der Bundesfinanzminister, wie
wir mehrfach nachgewiesen haben, im Geld schwimmt.
Er stellt sich hier her, als hätte er ausgefranste Hosen an.
In Wirklichkeit ist aufgrund von Entscheidungen früherer
Jahre - Privatisierungserlöse und anderes mehr - die Situation so, dass er zweifelsohne dazu beitragen könnte,
wesentlich mehr zu einer Steuerreform, die diesen Namen
auch verdient, beizutragen und Mittel für eine kräftige
Anschubfinanzierung zur Verfügung zu stellen; zumal die
Kritik an der Steuerreform aus vielen Bereichen - selbst
von den SPD-Ländern, vom Handwerk, von den Bauern,
von der BDI und von der BDA - immer größer wird.
Eine andere Geschichte - die Kollegen werden noch
darauf hinweisen - sind die Ausgaben für Verkehrsinvestitionen. Im Bereich Verkehrs- und Bauwesen werden
Kürzungen im Bereich der notwendigen Infrastruktur
fortgesetzt. Ein Anti-Stau-Programm wird angekündigt;
dennoch gibt es innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre
kein einziges neues Projekt. Die Ausgaben im Verkehrsetat gehen um 5 Milliarden DM zurück. Der Kollege
Kalb wird dazu noch etwas sagen.
Frau Kollegin Schulte, Sie wissen es am besten: Für die
Finanzausstattung der Bundeswehr reicht das Geld hinten
und vorne nicht. Für die Reform, für die natürlich zunächst einmal mehr Geld zur Verfügung gestellt werden
muss, gibt es keine zusätzlichen Mittel. Unter Einbeziehung des Kosovo-Einsatzes heißt das: Scharping stehen
im nächsten Jahr 500 Millionen DM weniger zur Verfügung.
Das Fazit: Der Rückgang des nominalen Investitionsvolumens ergänzt sich mit Preiseffekten zu einem
schmerzhaften Auftragsrückgang mit zwangsläufigem
Kapazitäts- und verstärktem Arbeitsplatzabbau.
Wir reden heute über den Haushaltsentwurf des Jahres
2001. Nach dem, was ich gesagt habe, ist klar: Dieser Entwurf ist in einer Weise gestaltet, dass er für die weitere
ökonomische Entwicklung unseres Landes unbrauchbar
ist.
({10})
Dies kann nur bedeuten: Wir fordern den Bundesfinanzminister auf, diesen Etat zurückzuziehen und einen neuen
vorzulegen,
({11})
der die ökonomischen Notwendigkeiten in diesem Lande
aufgreift und dafür sorgt, dass nicht der Konsum, sondern
die Investitionen steigen
Herr Kollege
Austermann, Sie müssen zum Schluss kommen.
- und dass mehr
für Wachstum und Beschäftigung getan wird.
Ich bedanke mich für das Zuhören.
({0})
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Hans Georg Wagner.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Jugendarbeitslosigkeit wird erfolgreich bekämpft,
({0})
das Kindergeld ist erhöht worden und das Erziehungsgeld
wird im nächsten Haushalt erhöht. In diesem Haushaltsplanentwurf stehen lauter gute Dinge drin; deswegen begrüßen wir nachdrücklich die Vorlage der Bundesregierung und sagen ihr unsere Unterstützung zu.
({1})
Der Haushalt bewegt sich im Rahmen der Eckwerte,
die wir im Bundestag mit Mehrheit beschlossen haben.
Davon wird auch im weiteren Verfahren nicht abgewichen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir im November zu einem guten Abschluss kommen. Die heutige
vorgezogene Debatte wäre eigentlich unnötig gewesen.
Herr Kollege Austermann, ich möchte auf einige
Punkte eingehen, die Sie immer wieder vorbringen. Sie
vergleichen unsere Haushalte immer mit dem verfassungswidrigen Haushalt des Jahres 1996. In Karlsruhe
liegt eine Klage vor, über die noch nicht entschieden worden ist. Der damalige Haushalt war verfassungswidrig;
Sie selbst haben im Bundestag die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt. Ziehen Sie
also bitte keinen Vergleich mit dem, was nicht sein soll;
denn unsere Haushalte sind alle verfassungsgemäß. Wenn
man die Zahlen bis 2004 sieht, dann sind sie noch
verfassungsgemäßer, weil wir dann bei einem Unterschied von 48 Prozent zwischen der Nettokreditaufnahme
und den dann zu tätigenden Investitionen liegen.
({2})
Das heißt, wir bewegen uns absolut im Rahmen der Verfassung. Es ist ein Haushalt, wie er besser nicht sein kann.
Wir sind stolz, die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes - es ist der dritte, den wir voll zu verantworten
haben - feststellen zu können. Wir erfüllen alle zugesagten Aufgaben.
Wenn Sie sagen, die Forschungsmilliarde fehle, dann
bitte ich Sie, doch einmal in den Haushaltsplan hineinzuschauen. Es ist schrecklich, dass Sie einfach immer wieder durch nichts bewiesene Behauptungen aufstellen. Bereits ein einfacher Blick in den Haushalt zeigt Ihnen:
500 Millionen DM mehr bei Frau Bulmahn und 500 Millionen DM mehr bei dem Wirtschaftsminister ergeben zusammengezählt 1 Milliarde DM mehr an Forschungsgeldern. Allein für Mittelstandsforschung werden im Haushalt etwa 70 Millionen DM mehr veranschlagt. Sie
müssen sich dies nur einmal ansehen!
({3})
Wenn Sie sagen, die Privatisierungserlöse müssten anders verwendet werden, wir verwendeten sie falsch, dann
sage ich Ihnen: Sie haben alle Privatisierungserlöse zur
Schließung Ihrer Haushaltslöcher verbraucht und sie niemals für konstruktive Politik verwendet. Wir machen das
völlig anders. Wenn Erlöse eintreten sollten, dann verwenden wir sie dafür, dass endlich auch einmal positive
Dinge gemacht werden, das heißt, dass damit nicht nur die
Haushaltslöcher, die Sie verursacht haben, geschlossen
werden müssen.
Jetzt noch etwas zur Nettokreditaufnahme und zur Verschuldung insgesamt. Man muss ehrlich sein, Herr Kollege Austermann: Die Nettokreditaufnahme bedeutet
mehr Schulden. Wenn im Haushaltsentwurf 2001 eine
Nettokreditaufnahme von 46,1 Milliarden DM vorgesehen ist, dann sind das also 46,1 Milliarden DM mehr
Schulden. Wir bauen diese Schulden bis spätestens zum
Jahre 2006 ab, das heißt, wir führen die Nettokreditaufnahme bis zum Jahre 2006 auf Null zurück. Erst danach
beginnen wir damit, Ihren Schuldenberg abzubauen. Erst
im Jahre 2006 wird es uns möglich sein, Ihren Schuldenberg von 1,5 Billionen DM und die 82 Milliarden DM
Zinsen im Jahr abzubauen. Denken Sie daran: Das ist Ihr
Schuldenberg, der dann nach acht Jahren Regierung von
SPD und Grünen abgebaut werden kann.
({4})
Ein Wort noch zum Verteidigungshaushalt. Begreifen
Sie denn nicht, dass wir hier das von Ihnen hinterlassene
absolute Chaos in der Verteidigungspolitik beseitigen?
({5})
Die technologische Ausrüstung der Bundeswehr ist doch
so, dass sie nirgendwo eingesetzt werden kann. Das ist Ergebnis Ihrer Verteidigungspolitik. Wir sind dabei, dies zu
korrigieren,
({6})
um die Bundeswehr auch für die Einsätze fit zu machen,
für die sie im Rahmen der NATO und der Vereinten Nationen gebraucht wird.
Sie haben gesagt, im Verkehrshaushalt sänken die
Investitionsausgaben. In der Tat, wenn man das so rechnet wie Klein Fritzchen, dann stimmt das auch, Herr Kollege Austermann. Man muss dabei allerdings berücksichtigen, dass von den insgesamt 6,1 Milliarden DM für den
Transrapid, der nun nicht von Hamburg nach Berlin, sondern möglicherweise irgendwo sonst in der Bundesrepublik gebaut wird, nur bis zu 1 Milliarde DM benötigt wird,
und zwar für die Ertüchtigung der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin. Das ist natürlich eine Reduzierung bei den Investitionen.
Wenn ich noch andere Maßnahmen wie etwa die Aktualisierung des Bundesverkehrswegeplans betrachte,
dann stelle ich fest, dass Sie auch dort ein Chaos hinterlassen haben. Der Bundesverkehrswegeplan war das
Lügenbuch der Nation,
({7})
war das Lügenbuch der alten Koalition, mit dem Sie der
Bevölkerung draußen vorgegaukelt haben, diese OrtsumHans Georg Wagner
gehung werde gebaut, jener Autobahnabschnitt werde gebaut, diese Schienenstrecke werde gebaut,
({8})
- Herr Kollege, Sie haben davon keine Ahnung -, obwohl
der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahre 2050 unterfinanziert ist. Die letzten Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans bis zum Jahre 2012 könnten frühestens im
Jahre 2050 umgesetzt werden.
Das war Ihre Politik. Die haben wir beendet. Deshalb
ist dies ein guter Haushaltsentwurf, den wir unterstützen
werden.
({9})
Für die F.D.P.-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Günter Rexrodt.
({0})
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, ich wollte
diese Diskussion eigentlich der anstehenden Generaldebatte über den Haushaltsentwurf überlassen, aber nun
muss ich Sie fragen, warum Sie hier damit anfangen, uns
gegenüber von „Ihren Schulden, die wir übernommen haben und mit denen wir aufräumen mussten“ zu reden. Obwohl wir es alle wissen, muss ich es mit Blick auf die Zuschauer hier doch sagen: Was heißt hier „Ihre Schulden“?
Wir alle wissen, weshalb die Schulden entstanden sind.
Wir haben x-mal darüber diskutiert, dass es nie eine
Alternative zu dem gab, was wir in der Finanzpolitik gemacht haben.
({0})
Fahren Sie doch einmal durch die neuen Länder und
schauen Sie sich dort die Infrastruktur an!
({1})
Da fehlt vielleicht noch das eine oder andere, aber da
gibt es Autobahnen, da gibt es neue Bundesstraßen, neue
Landstraßen, da gibt es eine Telekommunikationsinfrastruktur.
({2})
Das ist sozusagen eine Explosion, die dort finanziert worden ist.
({3})
Da ist das Geld hingeflossen und das ist gut für die Menschen in den neuen Ländern und das ist gut für unser gemeinsames Vaterland.
({4})
Da ist das Geld hingeflossen und da haben wir richtig investiert. Kommen Sie also nicht mit den alten Hüten an!
({5})
- Herr Wagner, nun einmal langsam! - Dann kommen Sie
her und sagen - hierüber werden wir, wie gesagt, die Klingen noch in der Generaldebatte kreuzen -, Sie hätten aufräumen müssen, Sie müssten es tilgen. Ich sage Ihnen: Sie
müssen es tilgen mit dem Geld, das Sie aus Privatisierungen bekommen, die Sie bis aufs Messer bekämpft haben.
({6})
Sie haben die Privatisierung bekämpft in der Telekommunikation, Sie haben sie bekämpft im Energiebereich,
Sie haben sie bekämpft, als es um die Post ging und um
vieles andere mehr. Ich könnte das alles aufzählen. Heute
fließen da die Milliarden. Darüber sollten wir froh sein.
Das ist okay. Ob das die Lizenzen sind, ob das die Veräußerungen aus der Telekommunikation und bei der Post
sind - ein dreistelliger Milliardenbetrag! Es ist okay, dass
Sie das vornehmlich für den Abbau der Schulden verwenden. Diese Politik tragen wir ja auch mit. Aber stellen
Sie sich hier nicht hin und sagen Sie hier nicht: „Ihre
Schulden“ und „Unser Geld, mit dem wir aufräumen“.
Das ist nicht zutreffend. Wir haben richtig investiert. Sie
hätten es nicht anders machen können. Sie hätten vielleicht noch mehr in den Konsum fließen lassen.
({7})
Damit bin ich auch bei meinem Stichwort: Der Grund
für die Debatte, die wir heute führen, ist der erschreckende Niedergang der Investitionsquote. Die Investitionsquote ist der Teil des Haushalts, der sich in einer Vermehrung des Volksvermögens niederschlägt. 90 Prozent
werden im Jahre 2004 verfressen, konsumiert werden.
({8})
Das ist ein historisches Tief. Wenn man mit so hohen Ansprüchen einen Haushalt aufstellt, dann muss man auch
einer solchen Diskussion im Parlament standhalten.
Warum geht das Geld in den Konsum? Weil Sie mit den
Leistungsgesetzen nicht klarkommen. Ich sage ja nun
nicht, dass wir das in der Vergangenheit mit einem großen
Wurf gemeistert hätten. Auch wir haben uns bei den Leistungsgesetzen schwer getan. In alter Verbundenheit mit
den Kollegen von der CDU/CSU sage ich: Die haben sich
damit besonders schwer getan. Wir von der F.D.P. sind
zwar wenige, aber wir sind gut.
({9})
Wir haben vor dem Aus-dem-Ruder-Laufen der Leistungsgesetze immer gewarnt und den Finger immer in die
Wunde gelegt. Das war schon damals so. Sie aber, meine
Damen und Herren, haben nur verteilt. Sie, Herr Kollege
Wagner, verbraten auch einen Teil des Geldes, das Sie mit
der so genannten Ökosteuer einnehmen, im Konsum. Die
Ökosteuer - das wissen wir alle - ist gar keine Ökosteuer,
sondern eine Rentensteuer. Einen Teil der Rentensteuer
verbraten Sie über den Haushalt im Konsum. Das ist nicht
gut!
Heute Morgen, Herr Kollege Metzger, habe ich lesen
können, dass Sie gesagt haben, das werde in Zukunft besser. Wenn Sie sagen, es werde in Zukunft besser, geben
Sie damit zu, dass es zumindest für 2001 und für den Finanzplanungszeitraum bis 2004, wie Sie ihn ausgewiesen
haben, über alle Maßen kritisch ist.
({10})
Es trifft vor allem den Mittelstand, Herr Kollege Mosdorf.
Die Mittelstandsförderung des Bundeswirtschaftsministeriums und anderer Ministerien ist enorm heruntergefahren worden. Sie stagniert jetzt bei 1,5 Milliarden DM.
Das ist ein Rückgang gegenüber 1998 um 40 Prozent.
({11})
Das trifft die kleinen und mittleren Unternehmen, diejenigen, die auf die Dispositionen des Staates angewiesen
sind.
Wenn die Investitionsquote heruntergeht, dann betrifft
das den Mittelstand in doppelter Hinsicht: nicht nur insofern, als er unter den Kürzungen im Haushalt des Wirtschaftsministeriums leidet, sondern auch dadurch, dass
dieser zugleich der potenzielle Auftragnehmer von Aufträgen wäre, die jetzt im Straßen-, Eisenbahn- und Wasserstraßenbau und auf anderen Gebieten nicht mehr vergeben werden. Sie setzen im Haushalt falsche Akzente.
Wenn man sich ihn vornimmt und sachverständig die einzelnen Positionen durchgeht, dann kann man die Probleme nicht mehr damit abtun, dass man pauschal sagt:
Wir tilgen eure Schulden mit unserem Geld. Dann muss
man sich an dem messen lassen, was da wirklich schwarz
auf weiß steht. Da sehen Sie in der rot-grünen Koalition
schlecht aus.
({12})
Deshalb sollten Sie den Mund angesichts dieses Haushalts nicht so voll nehmen. Er muss an dem gemessen
werden, was drinsteht.
Ich sage noch einmal: Wir werden darauf achten und
darauf drängen, dass Investitionen und damit die Vermehrung des Volksvermögens wieder den Stellenwert im
Haushalt bekommen, den sie verdienen.
({13})
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Oswald
Metzger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rexrodt, Sie sind klein und haben den Finger immer
in die Wunde gelegt? Wer 29 Jahre am Stück Regierungsverantwortung innehatte, und zwar in zwei Koalitionen
({0})
- nicht Sie persönlich, sondern Ihre Fraktion -, und in dieser Zeit zwei Höhepunkte der staatlichen Neuverschuldung mit zu verantworten hatte, nämlich in jüngster Vergangenheit nach der Wiedervereinigung und davor in den
70er-Jahren, sollte nicht den Mund spitzen, sich hinstellen und die heutige Regierung dafür attackieren, dass sie
schon in den letzten zwei Jahren mit Konsolidierung ernst
gemacht hat. Nach allen harten Parametern - da brauchen
Sie nur die Ihnen nahe stehende Wirtschaftspresse zu lesen - machen wir doch unsere Hausaufgaben gut: Wir
senken systematisch die Nettoneuverschuldung; dabei liegen wir genau im Plan. Wir halten die Investitionen auf relativ hohem Niveau.
Weil der Kollege Austermann durch die Lande zieht
und immer darauf hinweist, dass in der letzten Legislaturperiode das Ausgabevolumen des Bundes unter der alten
Koalition, relativ gesehen, stagnierte habe, sage ich Ihnen, Herr Kollege Fuchtel: Der Mann vergisst, dass 1996
eine Umstellung des Kindergeldes stattgefunden hat.
Plötzlich stellte das Kindergeld anstatt einer Ausgabenposition in Höhe von fast 23 Milliarden DM pro Jahr eine
Einnahmeverkürzung dar.
Wenn Sie mit dieser Argumentation der deutschen Bevölkerung klarmachen wollen, dass wir nicht sparen, weil
unser Haushalt steigt - der Anstieg liegt allein schon in
der volkswirtschaftlichen Entwicklung und in der Zunahme der - wenn auch niedrigen - Inflationsrate begründet -, dann sage ich: Wir sind, relativ gesehen, besser. Wenn Sie den Haushalt des Jahres 1998 mit dem Etat
des Jahres 2001 vergleichen, dann werden Sie feststellen,
dass - bereinigt um die Sonderfaktoren Postunterstützungskassen, deren Ausgaben 1998 im Bundeshaushalt
noch nicht eingestellt waren, und bereinigt um die Zuschüsse an die Rentenversicherung für Kindererziehungszeiten, die über 23 Milliarden DM ausmachen - die Investitionsquote 1998 bei 12,8 Prozent und 2001 bei 12,9 Prozent liegt. Das sind die Fakten.
Die Koalitionsfraktionen, Sozialdemokraten wie
Grüne, werden natürlich Acht geben - dies ist unser gemeinsames Begehren -, dass sie im investiven Bereich
nicht nachlassen. Das ist keine Frage. Sie können sich darauf verlassen, dass wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens im Herbst in den Koalitionsfraktionen
genau prüfen werden, ob wir nicht in dem einen oder anderen Fall - beispielsweise im Bereich des Verkehrs, der
Altbausanierung und des Wohnungsbaus - durch Umschichtung Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen können.
Eines ist für uns auf jeden Fall klar: Wir werden die
Eckpunkte des Etats einhalten, weil wir mit dem Marsch
aus dem Verschuldungsstaat Ernst machen wollen.
({1})
Das hat höchste Priorität für diese Koalition. Nur dieser
Konsolidierungskurs macht es überhaupt möglich, dass
wir derzeit im Vermittlungsausschuss zwischen Regierung und Opposition über die größte Steuerentlastung der
letzten Jahrzehnte in dieser Republik diskutieren können.
Es geht nur noch um die Frage, wie hoch die Entlastung
sein wird und ob die Union und die F.D.P. in diesem Vermittlungsverfahren im Bremserhäuschen sitzen oder ob
sie tatsächlich den Aufschwung der deutschen Volkswirtschaft mittragen, der sich - wie Herr Kollege Wagner
eben richtig gesagt hat - auch an den niedrigeren Arbeitslosenzahlen und an höheren Steuereinnahmen ablesen
lässt. So weit zum Thema Solidität.
Eine weitere Bemerkung zu den Lizenzgebühren, die
Sie, Herr Kollege Rexrodt, zu Recht angesprochen haben.
Aus Ihrem politischen Lager gab es vor zwei, drei Monaten die Versuchung, das Geld für Steuersenkungen einzusetzen.
({2})
Dieser Vorschlag entspricht der Politik, die Sie unter dem
Finanzminister Theo Waigel mit zu vertreten hatten, als
Einnahmeerlöse aus dem Postbereich als Einmalerlöse im
Bundeshaushalt eingestellt werden mussten, um überhaupt einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen.
Wenn Sie diese Einmalerlöse nicht eingesetzt hätten, hätte
der damalige Etat nicht im Einklang mit dem Grundgesetz
gestanden.
Die heutige Koalition will - seriöserweise - mit den
Einmalerlösen aus dem Postunternehmensbereich Schulden tilgen, weil wir genau wissen - und die Verantwortung dafür tragen -, dass die Bundesregierung, unabhängig davon, welche Partei sie in den nächsten Jahrzehnten
stellen wird, für die früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Pensionen in den nächsten 40 bis 45 Jahren zahlen muss. Versicherungsmathematisch abgezinst kommt
nach der Barwertmethode eine Last von über 170 Milliarden DM auf den Bund zu.
Wenn wir heute mithilfe der Einmalerlöse die Schulden tilgen und dadurch die Zinsausgaben der Zukunft
bremsen, dann ist genau das der langfristige Deckungsbeitrag, um dem Obligo des Bundes gegenüber den früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Postunternehmen gerecht zu werden. Auch das ist Seriosität und Solidität.
Wenn man diese Solidität, die trotzdem eine, relativ gesehen, hohe Investitionsquote ermöglicht, beibehalten
kann, wenn sich die Koalitionsfraktionen im Herbst in den
parlamentarischen Beratungen noch damit auseinander
setzen werden, die Investitionsquote anzuheben, dann
brauchen wir uns nicht zu genieren und können sagen:
Gute Leistung der Regierung beim Aufstellen der Regierungsvorlage. Im Haushaltsausschuss werden wir sie
noch weiter verbessern.
Vielen Dank.
({3})
Für die PDS-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist zweifelsohne ein volkswirtschaftlich außerordentlich wichtiges Thema, das die
Union hier zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht hat. Aber irgendwie - das muss ich auch sagen - ist
das auch ein wenig schizophren - diejenigen, die uns
zuhören und zuschauen, werden das ebenfalls so empfinden -: Das, was die Unionsparteien, als sie noch Regierungsparteien waren, gemacht haben, kritisieren sie heute.
Das, was die heutigen Koalitionsparteien früher kritisiert
haben, machen sie jetzt. Es muss doch richtig bleiben,
Kollege Austermann, dass sich die investiven Ausgaben
im Bundeshaushalt in den Jahren 1996 bis 1998, also noch
unter der Regie der Union, von 61 Milliarden auf
57,1 Milliarden DM, also beträchtlich, wie ich finde,
reduziert haben. Was nun allerdings nach den Vorstellungen des rot-grünen Haushalts für das Jahr 2001 geschehen
soll, nämlich eine Absenkung innerhalb eines Jahres um
2,9 Milliarden DM, ist schon ein starkes Stück und eine
bittere Fortsetzung des Trends, den Sie in den vergangenen Jahren eingeschlagen hatten,
({0})
wobei die Zahlen, die Investitionen betreffend, im Haushaltsentwurf für das Jahr 2001 auch noch geschönt sind.
Darin sind, wie der Kollege Metzger in einer Pressemitteilung ausgeführt hat, Gewährleistungen enthalten, die
weiß Gott nicht als Investitionen zu werten sind.
Was bis 2004 geschehen soll, nämlich eine weitere Absenkung der Investitionsquote auf 10,3 Prozent, bedeutet
den Tiefststand seit dem Jahre 1990. Nicht nur in Schleswig-Holstein ist das möglicherweise heute so, sondern
das war auch zu Unionszeiten im Jahre 1990 so. Damals
hatten wir auch 10,3 Prozent.
Also, ich möchte nur darum bitten, ein bisschen fairer
mit diesen Dingen umzugehen und sich sachlich dazu zu
äußern.
Die Bundesregierung, speziell der Bundeskanzler persönlich, wollte sich am spürbaren Abbau der Massenarbeitslosigkeit messen lassen. Herr Kollege Wagner, Sie
dürfen, wenn Sie von einem rasanten Abbau der Arbeitslosigkeit sprechen, nicht immer nur die alten Bundesländer im Blick haben. In den neuen Bundesländern ist die
Arbeitslosigkeit zur Stunde genauso hoch, wie sie 1991
war. Das, so finde ich, ist im Haushaltsentwurf für 2001
völlig ungenügend berücksichtigt.
({1})
Wenn der Abbau der Massenarbeitslosigkeit nicht vorrangig über demographische Effekte, über eine Bereinigung
der Arbeitsmarktstatistik, durch Einrichtung von Niedriglohnsektoren erfolgen soll, dann ist ein Investitionsschub notwendig. Das haben die Haushälter der Bündnisgrünen und der SPD vor Jahren ebenso gesehen als sie in
der Opposition waren.
Ich zitiere einmal aus der Rede von Oswald Metzger
vom 2. September 1998. Er rügte, dass die von CDU/CSU
und F.D.P. getragene Regierung die Investitionsausgaben
seit Jahren zurückgefahren habe. Wörtlich sagte er:
Verflixt noch mal, es ist doch nicht nur die Höhe der
nominalen Staatsquote entscheidend, sondern auch
ihre Zusammensetzung. Sie müssen den Investitionen wieder Vorrang geben.
Richtig, sage ich, aber leider wohl vergessen.
Hans Georg Wagner entgegnete mir vor knapp einem
Jahr, nämlich am 15. September 1999, an diesem Pult auf
meine Kritik, im Bundeshaushalt 2000 sinke die Investitionsquote, wörtlich - ich zitiere -:
In Wirklichkeit aber bleibt es bei den 58 Milliarden DM, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung
zur Finanzierung der Investitionen jährlich vorgesehen haben. Daran wird nichts geändert. Wir werden
jedem Versuch widerstehen, etwas daran zu ändern.
Dazu kann ich nur sagen: Dann ist der Widerstand recht,
recht schlaff ausgefallen.
({2})
Mit semantischen Klimmzügen, von denen man hier
und dort hört, von der Art, Bildungsausgaben, die in der
Tat ein wenig angehoben werden, seien Zukunftsinvestitionen - das sind sie selbstverständlich -, darf man den
Investitionsbegriff nicht verwässern. Tatsache ist, dass
insbesondere die vor allem im Osten, aber auch in den alten Bundesländern Not leidende Bauwirtschaft auf noch
weniger Aufträge hoffen kann als bisher. Die Zahl der Firmeninsolvenzen in diesem Bereich wird steigen, qualifizierte Menschen bleiben arbeitslos. Dabei ist der Nachholbedarf in der Infrastruktur insbesondere in den neuen
Bundesländern trotz aller Fortschritte gerade in den letzten Monaten von verschiedenen Instituten auf dreistellige
Milliardenbeträge beziffert worden.
Es geht auch darum, dass ein Zurückfahren öffentlicher
Investitionen weniger private Investitionen anschiebt. Es
geht auch darum, dass die ostdeutschen Länder und
Kommunen aufgrund ihrer Finanzschwäche den Rückgang der Investitionen im Bundeshaushalt nicht ausgleichen können. Ganz im Gegenteil: Die Steuerreform der
Regierung belastet die Gemeinden überproportional.
Die PDS, meine Fraktion, wird in den Haushaltsberatungen keine Erhöhung der Neuverschuldung fordern.
Aber wir werden uns mit dem Umfang und dem Tempo
des Abbaus der Neuverschuldung nicht einverstanden erklären. Wir werden darauf bestehen, dass man einen Vergleich anstellt, was wichtiger und volkswirtschaftlich
sinnvoller ist: im Interesse kurzfristiger Effekte, nämlich
einer größtmöglichen Zinsersparnis, unkalkulierbare
langfristige Negativwirkungen stagnierender oder reduzierter Ausgaben in Zukunftsbereichen hinzunehmen oder
aber im Bereich von Bildung, Forschung, Infrastruktur
und Umwelt etwas draufzulegen.
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss.
Wir lehnen es auch ab, Einmalerlöse aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen komplett zur Schuldentilgung einzusetzen. Hier sehen wir Spielraum, um insbesondere Investitionen im Bereich der Schiene, aber auch
im Wohnungsbau vorzunehmen.
Danke.
({0})
Nächster Redner ist
der Kollege Manfred Hampel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Neues Spiel, neues Glück. Dieser Gedanke ist mir gekommen, als ich von der Ankündigung
dieser Aktuellen Stunde gehört habe, die von der
CDU/CSU-Fraktion beantragt worden ist. Genau vor einem Jahr, im Sommer 1999, hat uns die Opposition mit
sehr viel Theaterdonner nachweisen wollen, dass wir erstens das Sparvolumen von 30 Milliarden DM nie erreichen würden
({0})
- natürlich haben wir es erreicht, schauen Sie sich doch
den Haushalt an - und dass es zweitens gar nicht so viel
sei, dass es nur 7,5 Milliarden DM seien. Heute kräht kein
Hahn mehr danach; das ist längst vergessen. Und was machen Sie jetzt? - Jetzt versuchen Sie, ein neues Kaninchen
aus dem Zylinder zu zaubern; jetzt entdecken Sie auf einmal fehlende Investitionen.
Darauf gehe ich noch ein, aber vorab möchte ich etwas
zum Kollegen Rexrodt sagen; aber er ist nicht mehr da.
({1})
- Ja, der muss jetzt Geld verdienen. - Es wird immer gesagt, die neuen Bundesländer seien an der hohen Verschuldung schuld. Das kann man nicht unwidersprochen
hinnehmen; das stimmt nur zu einem gewissen Teil.
Schauen Sie sich an, wie wir im vergangenen Haushalt die
Nettoneuverschuldung abgebaut haben und wie wir das in
diesem Haushalt tun. Trotzdem werden die Leistungen für
die neuen Bundesländer auf hohem Niveau fortgeführt.
Das hätte die alte Regierung genauso gut leisten können.
({2})
Also stimmt es nur zum Teil, was der Kollege Rexrodt
hier ausgeführt hat.
Noch ein Wort zu den Investitionen: Nominell - das ist
richtig - fehlen 2,9 Milliarden DM; 2000 waren es
57,5 Milliarden DM, 2001 sind es 54,6 Milliarden DM.
Aber wenn Sie versuchen, die Summe aufzugliedern,
dann werden Sie feststellen, dass 600 Millionen DM davon Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen sind, die
Sie immer als investive Maßnahmen in den Haushalt eingestellt haben und die bei uns zur Bundesanstalt für Arbeit übergehen und von ihr geleistet werden. Diesen Posten können Sie schon einmal abhaken.
({3})
Zweitens gibt es 400 Millionen DM Einsparungen bei
den Baumaßnahmen hier in Berlin. Dagegen können Sie
doch auch nichts haben! Sie können doch nichts dagegen
haben, wenn wir sagen, der Umzug von Bonn nach Berlin wird um 400 Millionen DM billiger.
Der nächste Punkt - der Kollege Wagner hat schon darauf hingewiesen -: Einsparungen von rund 1 Milliarde DM beim Transrapid. Dann sind Sie schon bei 2 Milliarden DM.
({4})
- Die Industrie wollte doch nicht mitspielen; das liegt
doch nicht an der Politik!
({5})
Ich möchte noch auf ein paar andere Dinge eingehen,
zunächst auf die nicht investiven Zukunftsausgaben, die
natürlich in einem erheblichen Maße investiven Charakter haben bzw. Investitionen nach sich ziehen. Der Bereich Forschung, Entwicklung, Innovation im Mittelstandsbereich, Existenzgründungen wird um 35 Millionen DM auf fast 900 Millionen DM aufgestockt. Diese
Mittel sind zwar nicht in den Investitionshaushalt eingestellt, ziehen aber Investitionen nach sich. Das sind Mittel - Herr Kollege Austermann, Sie haben ja vor allem auf
den Mittelstand hingewiesen -, die die kleinen und mittleren Unternehmen dringend benötigen und die sie so bekommen.
Nächster Punkt: Förderung erneuerbarer Energien. Sie
wissen selber, wie wir in der letzten Zeit mit den Solarprogrammen rumgemacht haben.
({6})
Das wird fortgesetzt, ebenso wie andere Maßnahmen.
Auch das steht im Haushalt nicht als Investition, hat aber
in erheblichem Maße investiven Charakter.
Die Mittel für das Programm Inno-Regio werden um
20 Millionen DM aufgestockt und die für die Forschungszusammenarbeit von Unternehmen werden von 262 auf
280 Millionen DM erhöht. Das alles sind Maßnahmen, die
sich auf das Investitionsgeschehen bei kleinen und mittleren Unternehmen positiv auswirken und die ein positiver
Beitrag zu diesem Haushalt sind.
Ich denke, wir sollten uns nicht vor der Sommerpause,
sondern während der ersten Lesung des Haushaltes 2001
mit diesem Problem auseinander setzen.
({7})
Sie haben vergangenes Jahr und auch in diesem Jahr immer wieder versucht, im Vorhinein Haushaltsdebatten zu
führen. Diese Debatten sind völlig sinnlos und überflüssig wie ein Kropf.
({8})
Nächster Redner ist
der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Staatssekretärin, ich spreche über den Bundeshaushalt und nicht über
den bayerischen Haushalt. Denn der ist so hervorragend,
dass man sich daran ein Beispiel nehmen sollte. - Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es
ist bereits angedeutet worden, dass insbesondere bei den
Verkehrsinvestitionen massiv gespart wird. Der Haushalt
des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wird massiv zurückgefahren, der Verkehrsbereich
sogar überproportional.
({0})
Der zuständige Fachminister selber stellt fest, dass in seinem Haushalt die Investitionen um 2 Milliarden DM sinken. Das ist nur die Hälfte der Wahrheit. In Wirklichkeit
ist es noch sehr viel mehr; ich werde gleich darauf eingehen.
Herr Kollege Wagner, man wird die Probleme, die sich
aus einer mangelnden Finanzausstattung im Hinblick auf
Verkehrsinvestitionen ergeben, nicht lösen können, indem
man, wie Sie es soeben dargestellt haben, sagt: Man muss
daher noch weniger Mittel in den Haushalt einstellen. Sie
sparen am falschen Platz. Sie gefährden die Zukunft und
die bereits getätigten Investitionen. Das führt zu einem
Substanzverlust, zu einer Gefährdung der Entwicklung
wirtschaftsschwacher Regionen und letztlich auch - direkt und indirekt - zu Gefährdungen von Arbeitsplätzen.
Zudem enthalten Sie den entsprechenden Regionen bzw.
Menschen mit dem Ausbleiben von Investitionen die
Schaffung neuer Arbeitsplätze vor.
Die Verkehrsinvestitionen - um es deutlich zu sagen sinken auf einen historischen Tiefstand. Da ist nicht mehr
von Modernisierung - ein Schlagwort, das Sie gerne in
den Mund nehmen - die Rede. Das ist ein Substanzverlust, eine Vernichtung von volkswirtschaftlichem Vermögen und, wie es Kollege Rexrodt genannt hat, die Weigerung, neues volkswirtschaftliches Vermögen zu schaffen.
({1})
Beim Straßenbau schaffen Sie es, innerhalb von zwei
Jahren nochmals um 600 Millionen DM zu kürzen. Das
bedeutet nach Auskunft des zuständigen Ministeriums,
dass im Grunde genommen in den alten Bundesländern
keine einzige neue Maßnahme mehr gestartet werden
kann.
({2})
Es kann also keine neue Ortsumgehung gebaut werden
und es kommt zu keiner Entlastung der Bürger bzw. der
Städte und Dörfer, geschweige denn zu Anbindungen von
Wirtschaftsregionen. Das alles kann nicht erreicht werden, weil Sie dafür keine Mittel zur Verfügung stellen.
Völlig inakzeptabel ist Ihr Verhalten beim Kapitel
„Ausbau der Schienenwege der Bundeseisenbahnen“.
Hier weisen Sie zwar vorsichtig nach, dass Sie im Haushalt 2001 eine geringfügige Steigerung der Mittel vorsehen. Vorhin war jedoch die Rede vom Transrapid. Der Bau
der Transrapidstrecke Hamburg-Berlin ist gestrichen
worden. Die dafür vorgesehenen Mittel haben Sie - bis
auf einen kleinen Restbetrag - einkassiert. Das sind über
800 Millionen DM pro Jahr. Sie wissen aber ganz genau,
dass Sie jetzt wegen des Streichens der Transrapidstrecke
die Schienenstrecke Hamburg-Berlin neu ausbauen müssen, wofür Sie im nächsten Jahr 1 Milliarde DM benötigen. Das Streichen der Mittel für die Transrapidstrecke
geht also zulasten des Schienenwegeausbaus.
({3})
- Nein, das ist kein Quatsch. Diese Mittel benötigen Sie
schon im nächsten Jahr für den Ausbau dieser Strecke.
({4})
Herr Kollege Metzger nickt zustimmend; der weiß das.
({5})
Zum Zweiten: Für das Bundeseisenbahnvermögen sehen Sie wider besseres Wissen einen Betrag vor, der deutlich unter dem Bedarf liegt, nämlich um rund 4,3 Milliarden DM. Das heutige Urteil ermöglicht Ihnen, die Einnahmen aus dem Verkauf der Eisenbahnerwohnungen zu
kassieren. Aber ich hoffe, dass Sie diese Einnahmen,
wenn man schon Zinslasten einsparen muss, auch in diesem Jahr noch realisieren werden. Also ist das, was im
Haushalt 2000 steht, Makulatur. Sie bräuchten eigentlich
11 Milliarden DM, haben aber nur 6,8 Milliarden DM eingesetzt. Das heißt, hier gibt es eine Lücke.
Nun haben die Experten mittels Buchungstricks etwas
ganz Schlaues gemacht: Sie haben beim Titel 891 01
„Baukostenzuschüsse für Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes“ einen neuen Haushaltsvermerk aufgenommen: „Einsparungen dienen bis
zur Höhe von 1,15 Milliarden DM zur Deckung von
Mehrausgaben bei folgendem Titel: 634 01.“ Damit noch
nicht genug: Gleichzeitig haben sie einen Deckungsverbund zu den anderen Investitionstiteln im Bereich der
Schienenwege hergestellt und eine Sperre in Höhe von
1,35 Milliarden DM beim Titel 861 01 und eine Sperre
von 1 Milliarde DM beim Titel 891 02 verfügt. Damit erlaubt sich der Finanzminister, das Geld, das er vorher
beim Titel 634 01 nicht bereitstellen wollte, hier zu erwirtschaften. Da es aber bereits einkassiert war, wird noch
mehr an Investitionen gefährdet, als es vorher schon ganz
offenkundig war. Das ist nicht hinnehmbar. Sie verhöhnen
damit all die Menschen, die mobil sein müssen, weil sie
nur so ihrer Erwerbstätigkeit nachkommen können.
Herr Kollege Kalb,
Sie müssen zum Schluss kommen.
Sie kassieren bei
ihnen durch die Ökosteuer und andere Maßnahmen immer mehr ab und enthalten ihnen zugleich die notwendigen Investitionen vor. In den alten Bundesländern passiert
auf diesem Gebiet praktisch nichts mehr.
({0})
Nächster Redner ist
der Kollege Matthias Berninger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich betreibe
Haushaltspolitik erst seit annähernd zwei Jahren.
({0})
Gleichwohl sind mir Debatten in der Form, in der sie zum
Teil von der Opposition geführt werden, einfach deshalb
zuwider, weil Sie wider besseres Wissen Behauptungen
aufstellen, die man so nicht aufstellen darf. Herr Kollege
„Barthel“ Kalb hat hier über Verkehrsinvestitionen geredet. Das ist ein außerordentlich wichtiges und sensibles
Thema, bei dem die Bundesregierung etwas tun muss.
Aber Sie dürfen die Leute nicht an der Nase herumführen.
({1})
Sie haben es aufgrund der Transrapid-Diskussion, die
das Investitionsrisiko voll zulasten der Bahn hätte gehen
lassen, über Jahre versäumt, die Verbindung zwischen
Hamburg und Berlin schnell zu machen.
({2})
Den Menschen in Berlin und Hamburg ist es doch völlig
egal, mit welchem öffentlichen Verkehrsmittel sie von
A nach B kommen; Hauptsache ist, sie können diese
Strecke möglichst schnell zurücklegen.
Diese Bundesregierung hat zusammen mit der Wirtschaft und der Bahn AG eine klare Entscheidung getroffen: Wir werden die Schienenstrecke so ausbauen, dass
man in vertretbarer Zeit von Hamburg nach Berlin und
umgekehrt fahren kann. Nun wissen Sie ganz genau, dass
man nach einer solchen Entscheidung nicht in einem Jahr
1 Milliarde DM ausgeben kann.
({3})
Der Bundesverkehrsminister wird in diesem Jahr und
auch in den Folgejahren jeweils 250 Millionen DM ausgeben, damit diese Strecke möglichst schnell ertüchtigt
werden kann. Damit ist den Menschen gedient. Das ist
eine sehr gute Investition. Sie aber irren völlig, wenn Sie
glauben, dass hier keine Anstrengungen unternommen
würden. Wir tun so viel, wie möglich ist, begeben uns aber
nicht in das Wolkenkuckucksheim, in dem Sie sich offenbar immer noch befinden.
({4})
Eine Aktuelle Stunde verdient dieses Thema in der Tat;
denn vor ein paar Stunden hat das Bundesverwaltungsgericht eine sehr wichtige Entscheidung getroffen, als es urteilte, dass der Bund die Eisenbahnerwohnungen, die bisher zum Bundeseisenbahnvermögen gehören, tatsächlich
veräußern kann. Das macht den Weg für Investitionen im
Verkehrsetat frei.
({5})
Jetzt kommt der entscheidende Punkt, den Sie überdenken
müssen: Ihre Bundesregierung wollte die Eisenbahnerwohnungen um 1 Milliarde DM unter Marktwert an eine
Firma namens WCM verhökern, die allein in einem Jahr
Ihrer Partei 3,6 Millionen DM gespendet hat.
({6})
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen an dieser
Stelle Ihre alte Position überdenken, wenn Ihnen Investitionen so wichtig sind.
({7})
Ich halte es für wichtig, dass die Bundesregierung aufgrund der Entscheidung des Gerichts den Mieterinnen
und Mietern letzten Endes zweierlei sagt: dass man bei
der Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen erstens die
sozialen Interessen aller Mieter wahrt und zweitens am
Markt den maximal erreichbaren Ertrag erzielen will.
Dieser liegt im Moment bei 5,5 und nicht bei 4,5 Milliarden DM. Diese 1 Milliarde DM mehr wollen wir vom
Bündnis 90/Die Grünen für Investitionen im Verkehrsbereich einsetzen. Sie können dies unterstützen. Sie können
von Ihrem alten Fehler Abstand nehmen und ihn wieder
gutmachen, indem Sie diese Linie unterstützen. Dann
kann tatsächlich mehr Geld für Investitionen im Verkehrsetat mobilisiert werden. Herr Austermann hat aber
schon angedeutet, dass er das nicht will. So schlecht geht
die CDU mit ihren alten Spendern nun wirklich nicht um.
({8})
- Herr Kollege, ich rede die ganze Zeit zum Thema. Das
wissen Sie auch. Der entscheidende Punkt ist, dass ich mir
hinsichtlich dieses Themas in anderer Form Gedanken
mache als Sie. Dieses Blabla und das Operieren mit
falschen Zahlen, wie Sie es tun, halte zumindest ich für
nicht akzeptabel.
({9})
Ich will auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Ihre Darstellung im Zusammenhang mit den Investitionen ist eine Milchbubenrechnung. Jede Mark, die wir
mehr für Investitionen ausgeben, ist gut für Arbeitsplätze.
Jede Regierung, egal ob es Ihre war oder ob es diese ist,
hat natürlich das Ziel, möglichst viel für Investitionen
auszugeben. Auch wir werden in den Haushaltsberatungen versuchen, dieses Ziel zu verwirklichen.
Es gibt aber einen Unterschied zu Ihrer Politik - nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis! -: Ihre Politik war
eine Politik des Schuldenmachens. Investitionen hatten
bei Ihnen nur eine Funktion. Sie mussten möglichst so
hoch sein, dass sie Ihre Neuverschuldung einigermaßen
abgedeckt haben. Das war der Grund.
({10})
Ob sie sinnvoll waren, ob es Buchungstricks waren oder
ob sie tatsächlich stattgefunden haben, war nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend war: Die Schulden beliefen sich auf eine bestimmte Höhe und dann wurde, weil
das Grundgesetz es so vorschreibt, gewaigelt und gewaigelt, bis die Investitionen dieses Niveau erreicht hatten.
({11})
Dennoch lag Ihre Investitionsquote nicht höher als die
dieser Bundesregierung. Es gibt aber einen Unterschied:
Ihre Sorgen haben wir nicht; denn wir senken Jahr für Jahr
die Nettoneuverschuldung. Unser Ziel für das Jahr 2006
ist nicht nur, dass Deutschland die Weltmeisterschaft ausrichtet, sondern auch, dass wir einen ausgeglichenen
Haushalt haben.
Entlang unserer beiden Leitplanken, nämlich mehr
Geld für Investitionen einzusetzen und nicht weiter neue
Schulden zu machen, also nicht immer auf Pump zu investieren, sondern den Haushalt ins Gleichgewicht zu
bringen, werden wir unsere Politik aufbauen. Das sollten
Sie loben und unterstützen, statt hier zu blockieren, wie
etwa bei der Unternehmensteuerreform oder der Sanierung der Rentenkassen, und damit den Kurs der Bundesregierung weiter zu gefährden. Vor allen Dingen sollten
Sie aufhören, Schauveranstaltungen wie die am heutigen
Nachmittag zu organisieren, bei denen Sie am Ende ohnehin den Kürzeren ziehen.
Vielen Dank.
({12})
Nächster Redner ist
der Kollege Steffen Kampeter für die Fraktion der
CDU/CSU.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diese Aktuelle Stunde
beantragt, weil in der Haushaltspolitik der rot-grünen Regierung so ziemlich alles schief läuft, was schief laufen
kann.
({0})
Deswegen müssen wir heute über die Fehlentwicklungen
reden, die es bei den öffentlichen Finanzen gibt.
Die Auswirkungen auf die Beschäftigung sind ja dramatisch. Seit der Regierungsübernahme der rot-grünen
Schröder-Truppe haben wir 730 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte weniger, also weniger Menschen,
die Beiträge und Steuern zahlen, und das, obschon durch
die 630-Mark-Regelung eine ganze Reihe von Leuten zusätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
Diese dramatische Entwicklung ist Auswirkung der rotgrünen Haushaltspolitik, die sich in dem Entwurf für den
Bundeshaushalt 2001 weiter fortsetzt. Wir beklagen insbesondere, dass der Teil der öffentlichen Ausgaben, die
dauerhaft für Wachstum und Beschäftigung im privaten
Sektor sorgen können, also die Investitionen, zurückgeht.
Hätte es einer Begründung für die Aktuelle Stunde bedurft, die über unsere guten Argumente hinausgeht, so hat
der Kollege Metzger, der haushaltspolitische Sprecher der
Grünen, der hier vorhin geredet hat, sie heute mit seinem
Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geliefert. Dort steht nämlich:
Die Kritik der Union, im nächsten Bundeshaushalt
gebe es zu wenig Investitionen, hält Metzger für berechtigt.
Hört, hört, für berechtigt hält er das, was wir hier kritisieren.
({1})
Problematisch sei auch, dass rund 5 Milliarden DM
der knapp 55 Milliarden DM Investitionsausgaben
nur Gewährleistungen darstellten, also Gelder, die
für Bürgschaften bereitstünden und damit nicht für
echte Investitionen.
Schattenbuchung, Falschinformationen - und dies bestätigt vom haushaltspolitischen Sprecher einer der Regierungsfraktionen. Eine bessere Steilvorlage für die
Richtigkeit unserer Argumente konnte heute doch nicht
geliefert werden.
({2})
Was Sie machen - die Neuverschuldung durch Reduzierung der Investitionen senken zu wollen -, ist eben
falsch. Sie müssen endlich einmal den politischen Mut haben, auch den staatlichen Konsum zu senken, um damit
die Investitionsquote zumindest relativ wieder zu steigern.
Angesichts der Rahmenbedingungen müsste diese Koalition vor Kraft kaum laufen können. Denn wie der Kollege Rexrodt zu Recht darauf hingewiesen hat, stellt sich
die Einnahmeseite nicht aus eigener politischer Leistung
so gut dar. Der Finanzminister handelt eher als „Hans im
Glück“. Er profitiert von politischen Entscheidungen, die
die von F.D.P. und Union geführte Bundesregierung, insbesondere im Bereich Privatisierung und Deregulierung,
durchgesetzt hat. Wenn wir heute darüber reden, dass
120 Milliarden DM zusätzlich in die Staatskasse fließen,
ist dies das Ergebnis einer Entscheidung im Zuge der
Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte, die
CDU/CSU und F.D.P. herbeigeführt haben
({3})
und die Sie bis zuletzt immer bekämpft haben. Ich habe
manchmal den Eindruck, Herr Kollege Wagner, dass es,
wenn es nach Ihnen gegangen wäre, Mobiltelefone nur für
sozialdemokratische Funktionäre gegeben hätte und die
übrige Bevölkerung hätte zugucken sollen. Wir wollten,
dass Telekommunikation nicht zu einem Luxusgut wird.
Wir haben diese Märkte liberalisiert. Das einzig Ärgerliche daran ist, dass jetzt der „Hans im Glück“ 120 Milliarden DM zusätzlich in seine Schatulle bekommt.
Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, mit der Steuerreform Ihre miese Haushaltspolitik ein bisschen auszubügeln und Investitionssignale zu setzen: Unsere Forderung: stärkere Senkung des Spitzensteuersatzes! Wir fordern, diese blödsinnige Unterscheidung von guten und
schlechten Gewinnen aufzugeben und nicht weiter zwischen Unternehmern und Unternehmen zu trennen. Wir
hoffen, dass im Vermittlungsausschuss durch unsere Initiativen endlich eine investitionsfreundliche, bessere Alternative in der Steuerpolitik durchgesetzt wird.
({4})
Das ist ein zentraler Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Sie wollen nur Ihre Ideologie durchsetzen;
wir wollen kooperativ mitarbeiten.
({5})
Mit einer Mär muss endlich Schluss sein: bei Bildung
und Forschung gebe es eine Investitionsoffensive. Das ist
falsch. Das Volumen des Entwurfs für den Bildungsetat
im Jahre 2001 liegt unter dem Gesamtvolumen des Bildungsetats von 1998. Sie haben versprochen, in dieser Legislaturperiode eine „Zukunftsmilliarde“ in Bildung und
Forschung zu investieren - ein bisschen beim Wirtschaftsetat und ein bisschen beim Forschungsetat. Wenn
ich die Ausgaben dieser beiden Haushalte aber zusammenzähle - Herr Kollege Mosdorf, Sie wissen es genauso
gut wie ich -, ergibt sich für 2001 eine Summe, die knapp
eine Viertelmilliarde unter dem Ansatz für das Jahr 2000
liegt. Auch in diesen beiden Etats gibt es also keine Steigerung der Investitionen. Ihre „Zukunftsmilliarde“ ist ein
groß angelegter Wählerbetrug. Ihr Versprechen wird nicht
umgesetzt. Dieser Haushalt belegt es.
({6})
Angesichts der Tatsache, dass der Etat für Bildung und
Forschung früher Ausdruck dessen war, wie viel für
kleine und mittlere Unternehmen, den Technologiemotor
unserer Volkswirtschaft, ausgegeben wurde, habe ich mir
einmal die Erklärung der Frau Forschungsministerin zu
diesem Thema durchgelesen. Da ist viel die Rede von den
Milliardeninvestitionen und den großen Summen, die
sie bewegt, aber es gibt kein einziges Wort zu speziell mittelstandsorientierten Forschungsprogrammen. Die sind
nämlich alle herausgefallen.
({7})
Sie interessieren sich nur noch für Großforschungseinrichtungen. Das mag ein wichtiger Impuls sein, aber die
vielen anderen Bereiche, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, vergessen Sie einfach. Bei Ihnen
stehen die Großen an der ersten Stelle.
Herr Kollege
Kampeter, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Deswegen war es
wichtig, auf einige dieser Fehlentwicklungen im Haushaltsentwurf 2001 hinzuweisen. Wir werden dies beherzt
herausstellen und Herrn Metzger beim Wort nehmen, der
vor der Presse immer etwas anderes erklärt, als er durch
Abstimmungen im Ausschuss bekundet hat. Mal gucken,
wo seine Anträge zur Steigerung der Straßenverkehrsinvestitionen sind, wie er es heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angekündigt hat!
({0})
Es spricht jetzt für die
SPD-Fraktion die Kollegin Jelena Hoffmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf der
Bundesregierung zum Haushalt 2001 ist gerade fertig gestellt worden, da trommeln die Oppositionskollegen bereits zum Aufstand. Man muss sich schon fragen, was hinter Ihrem Aktionismus steckt.
({0})
Unterschätzen Sie Ihre Wählerinnen und Wähler nicht!
Sie sind nämlich nicht dumm. Sie werden mit der Zeit verstehen, dass Sie sich mit uns nicht in der Sache auseinander setzen wollen, sondern reinen Populismus betreiben.
({1})
Anstatt eine solche Aktuelle Stunde zu beantragen, hätten Sie lieber eine Nachhilfestunde bei Hans Eichel nehmen sollen.
({2})
Liebe Oppositionskollegen, Sie denken sehr oft betriebswirtschaftlich und versuchen, volkswirtschaftlich
zu handeln. Aber das geht nicht. Das müssen auch Sie
endlich einmal verstehen. Sie betrachten den Haushaltsplan einseitig, ohne die volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf unsere zukünftige gesamte Politik in Betracht zu
ziehen.
({3})
Herr Kollege, Sie vergessen die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung im Lande und auch die finanzpolitische
Ausgangslage.
Doch unsere Strategie zeigt erste Erfolge: Sie von der
Opposition werden das natürlich nicht gerne hören, aber
die Konjunktur erlebt einen kräftigen Aufschwung. Nach
der Asienkrise hat sich die deutsche Exportwirtschaft stabilisiert, auch die Binnenkonjunktur befindet sich im Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Ich weiß nicht, woher Sie, Herr Kampeter, die Zahlen nehmen, aber die Zahl
der Erwerbstätigen hat sich im ersten Quartal dieses Jahres um 115 000 erhöht.
Wenn wir davon ausgehen, dass der Mittelstand in
Deutschland durch unsere Steuervorhaben um fast
15 Milliarden DM entlastet wird, dann können Sie doch
nicht sagen, dass wir den Mittelstand in seiner Entwicklung behindern, es sei denn, Sie behindern unsere Mittelstandspolitik, indem Sie zum Beispiel die Steuerreform
blockieren.
({4})
Auch auf die privaten Haushalte entfallen steuerliche
Entlastungen in Höhe von 23 Milliarden DM. Das ist eine
nicht gering zu schätzende Spritze für die Binnennachfrage, für die Binnenkonjunktur. Dies kommt natürlich
auch den kleinen und mittleren Unternehmen - auch im
Osten, Frau Pieper - zugute, weil sie im Wesentlichen regional agieren.
Ich denke manchmal, dass Sie selber überhaupt nicht
verstehen, was Sie fordern. Einerseits wollen Sie hier
mehr öffentliche Investitionen, andererseits verlangt Herr
Merz tagein, tagaus eine drastische Senkung des Spitzensteuersatzes. Dies bedeutet - das müssen Sie endlich einmal begreifen - Steuermindereinnahmen.
({5})
- Moment einmal! - Sie müssen sich erst einmal untereinander darauf verständigen, was Sie wollen, bevor Sie
solche Aktuelle Stunden veranlassen. Davon abgesehen
soll und will der Mittelstand das Geld auf dem Markt erwirtschaften.
Mehr Schulden zulasten unserer Gesellschaft, zulasten
unserer Kinder sind mit uns und vor allem mit Hans
Eichel nicht zu machen.
({6})
Endlich müssen auch Sie verstehen: Je weniger Schulden
wir haben, umso mehr Freiräume bleiben uns für die Gestaltung anderer staatlicher Aufgaben, zum Beispiel die
Förderung des Mittelstandes. Das, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, können Sie in den Tabellen,
in den Unterlagen, die auch Ihnen zur Verfügung stehen,
nicht übersehen haben. Sehen Sie sich einmal die Titelgruppe 05 - Forschung und Entwicklung, Innovationen
im Mittelstand - an! Herr Hampel ist schon darauf eingegangen. Wir fördern wirklich das, was zu fördern ist. Wir
machen eine ganz gezielte Förderung des Mittelstandes.
Ich gehe auf die Zahlen jetzt nicht ein, aber diese können
Sie nachlesen.
Die entsprechenden Ausgaben in diesem Haushalt steigen vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 um etwa 5 Prozent.
Dies steht dort auch. Dies ist keine Einmalaktion. Sehen
Sie sich die Verläufe bis 2004 an! Fast 1 Milliarde DM
wird die Förderung des Mittelstandes in diesem Bereich
betragen. Nur so können wir die Zukunft unseres Mittelstandes gestalten.
Ich bitte Sie herzlich: Hören Sie auf mit diesem Aktionismus! Das bringt nichts. Lassen Sie uns ganz sachlich
und konkret über die Haushaltsvorhaben unserer Regierung diskutieren!
Danke.
({7})
Nächster Redner ist
der Kollege Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines ist heute interessant,
nämlich dass die Grünen die Situation realistischer einschätzen als die Roten. Das will etwas heißen.
({0})
Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt.
Herr Kollege Wagner, ich halte es schon für ein Problem, wenn einerseits dem Steuer- und Beitragszahler so
hohe Lasten aufgebürdet werden und andererseits, beispielsweise bei mir im Schwarzwald, in den nächsten Jahren kein einziger Quadratmeter Straße gebaut wird. Die
Bürger haben damit langsam ein Problem. Unter unserer
Regierung war es wenigstens noch so, dass immer irgendwo irgendetwas gegangen ist. Das schaffen Sie eben
nicht mehr.
({1})
Bei Ihnen sollten die Alarmglocken läuten, wenn jetzt
darüber gesprochen wird, dass die Investitionsquote immer weiter sinkt. Man muss sich auch mit dem befassen,
was dieses Jahr stattfindet. Es ist nicht viel wert, immer
darüber zu reden, was unter anderen Bedingungen gewesen wäre. Vielmehr müssen wir jetzt feststellen: Die Investitionsquote sinkt. Das ist schädlich für unsere Wirtschaft
({2})
und es schafft natürlich auch nicht die Arbeitsplätze, die
wir brauchen, schon gar nicht beim Mittelstand. Hier
muss mehr geschehen. Darum setzen wir uns dafür ein,
dass die Investitionsquote gesteigert wird.
({3})
Sie müssten bei der Konsumquote entsprechende Einschränkungen zustande bringen. Dann kommen Sie auf
einen Nenner, der vernünftig ist, aber nicht so.
Kollege Hampel schließlich rechtfertigt das Ganze
auch noch, wenn der Verschiebebahnhof zu den Sozialkassen weiter fortschreitet. Das ist ebenfalls eine völlig
falsche Linie. Einer der zentralen Vorwürfe der CDU/
CSU ist, dass Sie in diesem Haushalt wieder eine Politik
der Verschiebebahnhöfe erster Güte betreiben. Das muss
ganz deutlich gesagt werden; denn das wird langsam zur
Methode.
Im letzten Jahr haben Sie die Beiträge zur Rentenversicherung für die Arbeitslosenhilfeempfänger drastisch
gekürzt. Im Haushalt 2001 sollen die Beiträge zur
Krankenversicherung der Arbeitslosenhilfeempfänger in
Milliardenhöhe gekürzt werden. Hier wurde zwar der
Minister etwas abgebügelt, aber ich sage Ihnen: Wenn es
zu unserer Regierungszeit so gewesen wäre, dass 1,2 Milliarden DM plus wahrscheinlich 400 Millionen DM globale Minderausgaben in diesem Bereich gekürzt worden
wären, dann hätten Sie den Untergang des Sozialstaates
ausgerufen.
({4})
Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Krankenversicherungsbeiträge. Die Krankenkassen sprechen
schon davon, dass sie die Beiträge um 0,1 bis 0,4 Prozent
erhöhen müssen. Das wiederum schlägt sich auf die Lohnzusatzkosten nieder.
({5})
Eine solche Politik, die dem Mittelstand das Leben
schwerer macht, wollen wir nicht. Wir sollten die Zusatzkosten abbauen und nicht durch solche Maßnahmen der
Verschiebung wieder aufbauen.
({6})
Das ist eine kontraproduktive Politik für den Mittelstand. Es ist natürlich auch für die aktuelle gesundheitspolitische Diskussion äußerst schädlich. Schon jetzt erleben die Patienten ein ständiges Spießrutenlaufen im Labyrinth der Budgets.
({7})
Sie brauchen sich überhaupt nicht zu wundern, wenn das
Ganze weiter eskaliert, falls Sie bis zur dritten Lesung
nicht etwas Vernünftiges auf die Beine stellen.
({8})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Thema Arbeitsmarktpolitik. Es ist der größte Witz, wenn die Sache
jetzt so dargestellt wird, als sei es Ihre Leistung, dass die
Arbeitslosenquote sinkt. Sie wissen genauso gut wie wir,
Jelena Hoffmann ({9})
dass hier die Demoskopie den wesentlichen Beitrag
leis-tet.
({10})
Die Aufblähung der Arbeitsmarktpolitik, die Sie betreiben, tut ihr Übriges. Ich sage Ihnen: Hätten Sie den Mut,
zu sagen, wir lassen das, was wir politisch gewollt haben,
im Bundeshaushalt, das andere kommt in den Arbeitslosenversicherungshaushalt und dann senken wir die
Beiträge, so hätten Sie mit Sicherheit etwas Vernünftiges
auf den Weg gebracht. Aber dazu sind Sie leider nicht
fähig.
Was erleben wir jetzt im Augenblick? In meinem Wahlkreis haben wir 3,9 Prozent Arbeitslose, im Erzgebirge
25 Prozent. Sie wenden aber die gleichen arbeitsmarktpolitischen Instrumente an wie früher, obwohl sich die Beschäftigungssituation vollständig geändert hat.
({11})
Hätten Sie doch jetzt den Mut und würden für Leute, die
aus den neuen Bundesländern kommen und arbeitslos
sind, eine Sonderaktion machen! Sie sollten für drei Jahre
zum Arbeiten in die alten Bundesländer gehen. Dann
bekämen wir eine Entwicklung, die uns etwas Vernünftiges beschert, nicht so, wie Sie die Sache angehen. Allein
einen Verschiebebahnhof zu gestalten ist alte und nicht
neue Politik. Damit werden Sie keine guten Ergebnisse erzielen.
({12})
Für die Bundesregierung spricht der Parlamentarische Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Siegmar
Mosdorf.
Lieber Herr Kollege Fuchtel, Sie haben eben von „Demoskopie“ gesprochen, meinten aber wahrscheinlich „Demographie“. Ihr
Beitrag war insgesamt von diesem Niveau.
({0})
Es erstaunt mich, dass Sie noch nicht einmal zwischen
„Demographie“ und „Demoskopie“ unterscheiden konnten. Ich verstehe aber: Sie wohnen in der Nähe von Allensbach und da ist man natürlich geneigt, immer nur von
„Demoskopie“ zu reden. Außerdem haben Sie sowieso
nur die Umfragezahlen im Kopf.
Wir dagegen haben die Wirtschaftsdaten im Kopf und
die sind gut und werden immer besser.
({1})
Wir haben in den Neunzigerjahren ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent gehabt und werden in diesem Jahr ein
Wachstum von 3 Prozent haben. Der Aufschwung ist da
und wir können sagen: Das wirtschaftliche Ankurbelungsprogramm der Bundesregierung zeigt Wirkung. Da
sollten eigentlich auch Sie, Herr Fuchtel, klatschen.
({2})
Es gibt den berühmten Satz von Philipp Rosenthal:
„Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert Unternehmen
und Volkswirtschaften. Wer zu früh an die Kosten denkt,
tötet Kreativität.“ Sie haben beides fertig gebracht. Sie haben zum einen überhaupt nicht an die Kosten gedacht diese sind galoppiert und entsprechend ist die Verschuldung auf das jetzige Niveau gestiegen - und zum anderen
haben Sie den Etat für Forschung und Technologie real
um 30 Prozent gesenkt.
Wir drehen dies gerade um, indem wir versuchen, die
Verschuldung massiv zu begrenzen. In diesem Zusammenhang treffen wir, Herr Austermann, auch Entscheidungen, die nicht vergnügungssteuerpflichtig sind.
({3})
Wir machen richtig große Sparanstrengungen, die auch
ungemütlich sind. Wir machen das, weil wir der Meinung
sind, das Land brauche Luft, um sich wieder bewegen zu
können. Deshalb wollen wir bis zum Jahre 2006 auf eine
Nettoneuverschuldung von Null kommen. Ich bin mir sicher, dass trotz dieser ungemütlichen Entscheidungen die
Wähler sagen werden: Es ist verantwortungsvoll, diese
Entscheidung jetzt zu treffen. Deshalb ist der Konsolidierungskurs des Bundesfinanzministers vollständig richtig.
({4})
Herr Austermann, ich kann nichts dafür, dass Sie in
Schlewig-Holstein nichts geworden sind. Das ändert
nichts daran, dass Sie bei uns Hospitant werden. Sie sind
ein kluger und interessanter Mann. Das ist keine Frage.
Seien Sie doch einmal fair, Herr Austermann - wir beide
sitzen zusammen im Verwaltungsrat der Deutschen Ausgleichsbank -: Sie wissen genauso gut wie ich - wir können das den Kollegen ja zusammen mitteilen -, was sich
im Augenblick im Bereich der Existenzgründer und des
Venture Capital abspielt, ist unglaublich positiv für unser
Land.
({5})
- Ja, das ist sowieso ein ganz kluger Kopf. Karl Diller
könnte ohne ihn im Haushaltsausschuss gar nicht auskommen. Das ist gar keine Frage.
Ich lese Ihnen einmal vor, was der Ifo-Report morgen
als neueste Umfrage vorlegen wird:
Von den großen Industriebereichen verzeichnen in
erster Linie die Investitionsgüterhersteller, die sowohl von der lebhaften Weltkonjunktur als auch von
der regen inländischen Investitionstätigkeit profitieren, die deutlichsten Verbesserungen.
Das ist der Punkt, um den es geht: Sie - obwohl Sie eigentlich keine Etatisten sein wollen - konzentrieren sich
auf einen Haushalt; gleichzeitig schreitet die konjunkturelle Entwicklung voran, die Investitionsneigung nimmt
zu und die Mittelständler investieren. Dabei sagen wir
ganz im Sinne einer sinnvollen Philosophie: Es muss
nicht alles vom Staat ausgehen, vielmehr müssen die Rahmenbedingungen so sein, dass die Investitionskonjunktur
in Gang kommt; und sie kommt in Gang. Deshalb ist es in
Ordnung, dass man diesen Spagat macht, nämlich den
Haushalt zu konsolidieren, die Steuern zu senken und
trotzdem Mittel für Investitionen in Zukunftsbereiche vor allem Forschung und Technologie, die uns besonders
wichtig sind - zu mobilisieren.
Zu dem Bereich Forschung und Technologie möchte
ich noch etwas sagen: Wir haben genau aus dem Grund,
weil Sie den Forschungs- und Technologieetat um real
30 Prozent gekürzt haben, während andere Länder aufgeholt haben, entschieden, jedes Jahr eine Innovationsmilliarde draufzulegen.
({6})
- Herr Kampeter, Sie haben eine sehr laute Rede gehalten,
aber Sie waren nicht überzeugend.
({7})
Das war nett gemeint, aber es ist wahr: sehr laut, aber
nicht überzeugend.
Ich erläutere Ihnen das noch einmal anhand der Zahlen.
Wir setzen die Innovationsmilliarde - Sie können uns dabei helfen - in wichtigen Hochschulbereichen ein. Frau
Bulmahn - Herr Austermann weiß dies auf jeden Fall - arbeitet jetzt die Warteschleifen bei Hochschulprogrammen
der Fachhochschulen, Universitäten und Hochschulen ab,
da in diesem Bereich über Jahre nichts passiert ist. Wir
sind jetzt dabei zu investieren, und zwar massiv zu investieren.
({8})
Ich finde es richtig, gerade jetzt, wenn man weiß, dass
wir bei Informatiklehrstühlen eine zehnfache Überzeichnung - das gibt es ja nicht nur an der Börse - von Studenten haben, die keine Studienplätze finden.
({9})
- Jetzt hören Sie doch auf mit dieser alten Geschichte!
Erwin Teufel hat 1996 und 1997 in Karlsruhe an der besten Informatik-Universität, die wir in Deutschland haben,
die Mittel gekürzt.
({10})
- Erkundigen Sie sich erst einmal genau nach dem Sachverhalt! Das ist immer ganz hilfreich.
Jetzt sage ich Ihnen noch einmal: Wir engagieren uns
besonders stark bei Forschung, Entwicklung und Innovation im Mittelstandsbereich. Wir werden die Mittel für
Forschung, Entwicklung und Technologie im KMU-Bereich von 849 Millionen DM im Jahr 2000 auf 1 Milliarde DM im Jahr 2004 erhöhen. Das ist eine ganze Menge
angesichts der Tatsache, dass wir ansonsten sparen. Das
ist eine gezielte Investitionsförderung in ganz gezielten
Bereichen.
Ich lese es Ihnen noch einmal vor: Erhöhung des Beteiligungskapitals Technologieunternehmen in unserem
Haus von 60 Millionen DM im Jahr 2000 auf 145 Millionen DM im Jahr 2004. Im Multimediasektor - ganz
wichtig - erhöhen wir von 47 Millionen DM im Jahr 2000
auf 70 Millionen DM im Jahr 2004. Bei Forschungskooperation, Innovationskompetenz - Herr Wagner hat
darauf hingewiesen - steigern wir von 262 Millionen DM
auf 300 Millionen DM im Jahr 2004.
Wir reden nicht nur über Investitionen, wir reden nicht
nur über Forschung und Technologie,
({11})
sondern wir machen große Anstrengungen. Herr
Kampeter, wenn Sie uns dabei helfen wollen, sind wir Ihnen ja dankbar dafür. Wir brauchen natürlich immer Unterstützung.
Ich habe mir die Zahlen gerade geben lassen und sage
jetzt noch eines. Ihr Einzelplan 30 sah folgende Entwicklungskurve vor: Im Jahr 2000 hatten Sie für den Einzelplan 30, Forschung und Bildung, einen Anteil am Gesamthaushalt von 3,10 Prozent vorgesehen und Sie wollten auf 2,97 Prozent im Jahr 2002 heruntergehen.
({12})
Wir gehen von 3,05 Prozent auf 3,28 Prozent hoch und
stärken enorm das, was in Forschung und Bildung notwendig ist.
({13})
Ich will Ihnen noch eines sagen: Wir versteigern jetzt
die UMTS-Lizenzen. Herr Rexrodt weiß, wovon ich rede.
Ich will ich gar nicht darüber reden, welche Diskussion
wir darüber hatten - Sie selber gehörten nicht dazu -, ob
wir überhaupt versteigern sollten.
({14})
- Ich rede jetzt nicht vom Auktionator. - Es gab viele, die
gesagt haben, Lizenzen könne man auch so vergeben. Wir
haben schon damals gesagt: Guckt euch mal an, wie die
das in Amerika gemacht haben! In Chicago und Los Angeles hat man schon auf regionaler Ebene versteigert, also
lasst uns das auch machen.
Ich will nicht über 120 Milliarden DM reden. Das sind
Fantasiezahlen, die nicht realistisch sind. Aber der Bundesfinanzminister hat jetzt 20 Milliarden DM in den
Haushalt eingestellt und ganz getreu seiner Linie gesagt:
Die werden systematisch zur Schuldentilgung verwendet.
Aber von den frei werdenden Zinsmitteln in Höhe von
1 Milliarde DM nimmt er 500 Millionen DM für Verkehr
und 500 Millionen DM für Forschung und Technologie.
Das ist genau die Linie, um die es geht.
Ich finde, meine Damen und Herren, Sie sollten diese
Linie unterstützen. Dann wird der Aufschwung sich verstetigen und dann wird Deutschland eine positive Entwicklung nehmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({15})
Für die CDU/CSUFraktion spricht jetzt der Kollege Hans Jochen Henke.
Frau Präsidentin!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär Mosdorf entgegne ich mit
einer Fragestellung. Die Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 2001 erfolgte zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft. Was haben Deutschland und Italien gemeinsam, Herr Mosdorf? Bei der Fußball-Europameisterschaft nicht so viel - die Italiener sind nämlich noch drin,
wir sind draußen -, aber bei der Wirtschafts- und Strukturpolitik haben wir, denke ich, sehr viel gemeinsam. Da
sind wir beide nämlich auf den hintersten Plätzen.
({0})
Ich meine, dass diese regierungs- und koalitionsamtliche Freude darüber, dass es derzeit konjunkturell aufwärts
geht, eigentlich stark gedämpft werden müsste, wenn Sie
intensiv darüber nachdenken würden, welche strukturpolitischen Maßnahmen Sie ergreifen müssten, um
tatsächlich originär, und zwar bei uns zu Hause, Wachstumsimpulse zu generieren.
Das schlägt sich durchaus in den Daten und in der Konzeption des Haushalts 2001 nieder. An zwei Stellen ist er
bemerkenswert: Erstens. Der Haushaltsentwurf ist rechtzeitig verabschiedet worden. Zweitens. Sie haben in der
Tat - das bestreiten wir gar nicht - Sparziele verfolgt, die
ihren Niederschlag im Entwurf gefunden haben. Nur,
Herr Mosdorf und Herr Diller, ich sage Ihnen: Das hätten
wir unter den jetzt bestehenden Rahmenbedingungen
auch geschafft. Wahrscheinlich wären wir sogar hier und
in anderen Bereichen sehr viel weiter als Sie.
({1})
Nur, das Problem liegt ganz woanders:
({2})
Ihre Politik ist von den Rahmenbedingungen her, die Sie
setzen, überhaupt nicht kalkulierbar. Die Unternehmen
und insbesondere der Mittelstand, um dessen Interessen
im Zusammenhang mit den daraus resultierenden
Arbeitsplätzen es in der heutigen Debatte vorrangig geht,
haben - Gott sei es geklagt - nicht nur mit den Risiken des
Marktes, sondern in den letzten beiden Jahren in zunehmendem Maße - das ist an zahllosen Beispielen ablesbar - auch mit dem wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischen Zickzackkurs dieser Regierung zu kämpfen.
({3})
Wenn ich mir den Haushaltsentwurf 2001 anschaue
und ihn an dem messe, was Finanzminister Eichel ständig
erklärt, nämlich dass er in Einklang mit den Steuerreformzielen umgesetzt werden solle, dann muss ich feststellen, dass er und die mittelfristige Finanzplanung eine
völlig andere Sprache sprechen. 75 Milliarden DM an
Entlastungen sind bis 2005 in Aussicht gestellt. Wenn Sie
sich im Haushaltsentwurf 2001 die mittelfristige Finanzplanung für die Steuereinnahmeentwicklung anschauen,
dann werden Sie eine erstaunliche Entdeckung machen:
Sage und schreibe 160 Milliarden DM Mehreinnahmen unter Berücksichtigung der 75 Milliarden DM an so genannten Steuervergünstigungen - werden im Jahre 2005
zu gewärtigen sein. Da kann von Entlastung keine Rede
sein. Für Freude ist nach meiner Meinung überhaupt kein
Platz.
Diejenigen, die Verantwortung tragen, sollten darüber
nachdenken, wie sie mit der steuer- und strukturpolitischen Kritik solide und seriös umgehen, die von 68 Wissenschaftlern - leider Gottes etwas spät; aber in der Sache
umso mehr berechtigt - geübt worden ist.
({4})
Wenn der Bundesfinanzminister auf der gestrigen Veranstaltung des BDI erklärt, es gehe im Wesentlichen darum, die nächste Generation vor einer Schuldenfalle zu
bewahren, dann meine ich: Darüber sind wir längst hinaus. Die Weichen - das ist wiederholt ausgeführt worden - haben wir rechtzeitig gestellt.
({5})
Es geht um etwas anderes. Es geht darum, die nächste Generation, die Wirtschaft und vor allen Dingen den Mittelstand vor Fallen zu bewahren, die Sie, der Bundesfinanzminister und sein Vorgänger Lafontaine gestellt haben,
dessen falsche Weichenstellungen Sie beibehalten haben.
({6})
Der Haushalt 2001, werte Kolleginnen und Kollegen von
der Koalition, trägt nach wie vor sehr viel mehr die Handschrift von Oskar Lafontaine, als Ihnen lieb ist. Seine
Weichenstellungen finden nach wie vor in allen Bereichen, vor allem im konsumtiven Bereich, ihren nachhaltigen Niederschlag. Weder der Finanzminister noch der
Wirtschaftsminister und auch nicht die Koalition hat es
geschafft, die Weichen in wesentlichen Bereichen anders
und neu zu stellen.
Wo sind denn die bemerkenswerten Veränderungen im
Bundeshaushalt, die Ihre Regierung angeblich durchgesetzt hat? Wo haben Sie denn wirklich strukturelle Veränderungen herbeigeführt? Die Ausgaben für Investitionen
waren nie so niedrig wie heute. Die Zuschüsse an die
Sozialversicherungen waren nie so hoch wie heute. Die
Zahl der Steuern wurde durch die ungerechte Ökosteuer
erhöht, die sich heute immer mehr als falsch und überflüssig erweist. Was ist mit Ihrem feierlichen Versprechen, die zweite Stufe der Ökosteuer erst bei entsprechendem Mitziehen der europäischen Partner im Interesse
der Unternehmen und der Steuerzahler umzusetzen? Aus
diesem Versprechen ist nichts geworden.
Herr Kollege Henke,
kommen Sie bitte zum Schluss!
Erlauben Sie mir
eine letzte Anmerkung:
({0})
Der Kollege Kampeter hat meinen Namensvetter, Hans
Eichel, als „Hans im Glück“ bezeichnet. Am Anfang
wurde Hans Eichel „Der blanke Hans“ genannt; jetzt ist er
der „Hans im Glück“. Mir fällt ein Vergleich ein, der heute
wahrscheinlich sehr viel besser passt, nämlich der Vergleich mit Hänsel und Gretel.
Herr Kollege Henke,
zum Märchenerzählen fehlt jetzt wirklich die Zeit; wir
sind in einer Aktuellen Stunde.
Er ist relativ gut
genährt und hält ein dünnes Hölzchen heraus, um der
rot-grünen Koalition vorzumachen, wie vermeintlich
schlecht es ihm geht. Ihm geht es besser, als Sie denken
und als er Ihnen glauben machen möchte.
({0})
Letzter Redner in der
Aktuellen Stunde ist der Kollege Christian Lange, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Opposition, wir sind im Herbst 1998 mit der
Vorgabe angetreten, uns daran messen zu lassen, ob wir
die Arbeitslosigkeit senken oder nicht. Schauen Sie sich
bitte einmal die Tatsachen an: Die Arbeitslosenquote lag
im Oktober 1998 - es geht um die Bilanz am Ende Ihrer
Regierungszeit - bei 11,2 Prozent; im Mai 2000 lag sie bei
9,3 Prozent. Ist das nicht ein Erfolg?
({0})
Es wäre doch einmal ein Grund, der Bundesregierung zu
gratulieren. Die Jugendarbeitslosigkeit lag im Oktober
1998 bei 10,8 Prozent und im Mai 2000 bei 8,3 Prozent.
Das sind die Messwerte, die uns interessieren.
({1})
Bei den Haushaltsberatungen wurde der Schwerpunkt
auf die Förderung der Erneuerungsfähigkeit der Wirtschaft gelegt. Sie haben es gehört: Ziel ist es, durch Innovationen und Existenzgründungen die Arbeitslosigkeit
weiter zu senken. Frau Kollegin Hoffmann hat auf die
115 000 neuen Stellen hingewiesen. Die „Financial Times“ sprach sogar von 155 000 neuen Arbeitsplätzen.
Auch das ist doch einmal ein Grund zur Freude. Man
könnte doch einmal sagen: Herzlichen Glückwunsch,
liebe Bundesregierung!
({2})
Gleichzeitig sind wir dabei, den Haushalt zu sanieren.
Wir haben vor, im Jahre 2006 keine Nettoneuverschuldung mehr vorzunehmen. 1,5 Billionen DM Schulden
heißt: Mehr als 150 000 DM Zinsen pro Minute. Ich habe
einmal nachgerechnet: Während dieser segensreichen Aktuellen Stunde gibt die Bundesrepublik Deutschland sage
und schreibe 9 Millionen DM an Zinsen aus. Damit ist
noch keine einzige müde Mark an Tilgung gezahlt. Das ist
das Ergebnis Ihrer Politik. Es wurde Zeit, dass wir diesen
Schutt aufräumen. Dabei sind wir auf einem guten Weg.
({3})
Hinzu kommt, dass wir einen kräftigen Aufschwung
haben. Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen:
({4})
Die Prognosen - sie sind so günstig wie schon lange nicht
mehr - liegen bei 2,8 bis 3 Prozent. Ganz erfreulich ist dabei, dass auch die Binnenkonjunktur anzieht. Davon profitiert besonders das Handwerk.
Lassen Sie uns an dieser Stelle einen tieferen Blick in
den Bundeshaushalt werfen, zum Beispiel in den Haushalt
des Bundeswirtschaftsministeriums - Herr Kollege
Henke, Sie haben die Rahmenbedingungen angesprochen -, etwa in den Bereich kleinerer und mittlerer Unternehmen. Bei der Förderung von Lehrgängen und bei
der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Handwerk
kann von Kürzungen keine Rede sein.
({5})
Sie können nicht davon sprechen, dass bei der Innovationsförderung Investitionen zurückgefahren wurden.
({6})
Innovationsförderung als Schwerpunkt der Fördermaßnahmen begründet sogar die Erhöhung von Investitionen
für den Ausbau und die Ausrüstung der Technologietransferstellen. Der Haushaltsplan gibt für das Jahr 2000
8,7 Millionen DM und für das Jahr 2001 10,5 Millionen DM an. Diese Investitionen kommen den kleinen
und mittleren Unternehmen ganz besonders zugute.
Ich bitte zu beachten, dass die Mittel für die Beratungsförderung im Handwerk, einem ganz wichtigen Bereich - wir wollen ja Existenzgründungen fördern -, die
bisher auf verschiedene Titel verteilt waren, ebenfalls
nicht gekürzt - davon kann überhaupt keine Rede sein -,
sondern weiterhin massiv gefördert werden. Das ist gut
so; denn davon werden Existenzgründer in großem Umfang profitieren.
Die Mittel für Bildung und Forschung steigen - das ist
erwähnt worden - um 5,4 Prozent. Davon werden nicht
nur die Studierenden durch etwas mehr BAföG, sondern
indirekt auch die Bezieher von Meister-BAföG profitieren. Dasselbe gilt also auch für den gewerblichen Bereich,
dass sich die Erhöhung des Darlehens und der Zuschüsse
entsprechend auswirken wird. Es ist doch ein Grund zur
Freude, dass wir für die Studierenden und die gewerbliche
Wirtschaft etwas tun. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie
dazu einmal etwas Positives sagen. Das hätte zur Wahrheit gehört.
({7})
Ich habe noch überhaupt kein Wort zur Steuerreform
gesagt.
({8})
Die Bilanz zeigt, dass die Steuerreform in großem Umfang gerade kleine und mittlere Unternehmen entlastet.
Von 2001 bis 2005 liegt die Gesamtentlastung bei
44,9 Millionen DM.
({9})
Das macht für die Privathaushalte eine Entlastung von
23,3 Milliarden DM, für den Mittelstand von 14,8 Milliarden DM und für die Großunternehmen von 6,8 Milliarden DM aus.
Das Jahr 2001 wird für Familien, aber auch für kleine
und mittlere Unternehmen die größte Nettoentlastung in
der Geschichte der Bundesrepublik bedeuten. Das ist ein
Grund zur Freude, meine Damen und Herren.
({10})
Da sollten Sie doch einmal applaudieren und sollten das
nicht am laufenden Band mies machen.
Wenn ich mir dann noch die Gesamtbilanz anschaue,
76 Milliarden DM Entlastung von 1999, Antritt dieser
Bundesregierung, bis 2005, davon allein 20,8 Milliarden DM für den Mittelstand, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass der Mittelstand in der Tat der Schrittmacher
der Konjunktur in unserem Lande ist. Das wird auch so
bleiben, und zwar wegen der erfolgreichen Haushalts-,
Steuer- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung.
Herzlichen Dank.
({11})
Die Aktuelle Stunde
ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen
Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 29. Juni 2000, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.