Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Danke, Frau Ministerin. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem soeben aufgerufenen Themenbereich zu stellen.
Herr Kollege Funke, bitte.
Frau Ministerin, vielen Dank
für Ihren ausführlichen Vortrag. Wir beglückwünschen
Sie sehr zu dem vorliegenden modernen Gesetz; denn gerade in den letzten Jahren hat sich die Entwicklung von
der Inhaberaktie zur Namensaktie, also hin zum amerikanischen Modell, vollzogen. Dieser Entwicklung muss
man genauso Rechnung tragen wie dem, was heute in der
Informationstechnik möglich ist. Ich glaube, dass Sie mit
dem vorliegenden Gesetz die wesentlichen Grundlagen
dafür schaffen. Wir von der F.D.P.-Fraktion sagen Ihnen
sehr gerne zu, dass wir im Rechtsausschuss für eine
schnelle Beratung dieses Gesetzes sorgen werden.
Ich habe zwei Fragen. Erste Frage: Was halten Sie von
dem Vollmachtsstimmrecht in § 3 des VW-Gesetzes? Soll
die dortige Regelung aufgegeben werden?
Zweite Frage: Sie beabsichtigen, ein Übernahmegesetz
auf den Weg zu bringen. Inwieweit wird die Neutralitätspflicht, der die Verwaltung unterliegt, unter Umständen
durch das Führen eines Namensregisters untergraben,
weil der Vorstand jederzeit auf die Namen der Aktionäre
zugreifen und deren Entscheidungen beeinflussen kann?
Wie wollen Sie das regeln?
Frau Ministerin, bitte
sehr.
Danke schön, verehrter Kollege Funke, für die
grundsätzliche Zusage der Unterstützung. Vielleicht lässt
sich die eine oder andere Anregung im Rahmen einer Anhörung - ich weiß noch nicht, ob der Bundestag eine Anhörung wünscht - in das Gesetz aufnehmen.
Wir haben nicht die Absicht, das VW-Gesetz in diesem
Punkt zu ändern, weil es dort um eine andere Materie
geht. Sie wissen, dass sich gerade eine Arbeitsgruppe mit
den Übernahmeregelungen befasst. Aber die Überlegungen dieser Gruppe sind noch nicht so weit gediehen, dass
man schon sagen könnte, wie die Übernahmeregelungen
im Einzelnen aussehen werden.
Ich weiß nicht, ob sich Ihre Fragen bezüglich des Namensregisters ausschließlich auf die beiden eben dargestellten Bereiche bezogen oder ob ich Ihnen auch noch
darstellen soll, was im Gesetzentwurf zum Namensaktiengesetz dazu vorgesehen ist. Ich vermute, dass ich das
nicht tun soll, weil Sie das schon wissen.
({0})
Herr Kollege Funke,
bitte, eine zweite Frage.
Ich möchte gern noch einmal
auf das VW-Gesetz eingehen. Ich glaube, dass wir von unterschiedlichen Tatbeständen ausgehen. Es ist so: Bei VW
gibt es Inhaberaktien. Als Besitzer einer Inhaberaktie
kann man der Bank normalerweise eine 15-Monats-Vollmacht erteilen. Diese 15-Monats-Vollmacht ist im VWGesetz aber ausgeschlossen. VW ist als einzige Gesellschaft in Deutschland, ja sogar in ganz Europa von diesem
Ausschluss betroffen; insofern hat VW eine Sonderstellung. Für den Kapitalmarkt ist es eigentlich sinnvoll, dass
Derartiges einheitlich geregelt wird und dass eine Aktiengesellschaft, die wie jede andere auch ist, keine Sonderstellung einnimmt. Da Sie jetzt die 15-Monats-Vollmacht
für die Banken unbefristet ermöglichen, frage ich mich,
warum Sie jetzt überhaupt noch an dieser Sondervorschrift in § 3 des VW-Gesetzes festhalten wollen. Das ist
mir nicht ganz einsichtig.
Frau Ministerin, bitte.
Lieber Herr Funke, Sie wissen: Es gibt gewisse traditionelle Sonderregelungen. Mit einer solchen haben wir
es hier zu tun. Ich nehme Ihre Anregung gerne auf. Ein
entsprechendes Vorhaben gibt es bisher nicht; aber lassen
Sie uns doch einfach während der gesetzgeberischen
Überlegungen die Frage aufgreifen, ob es sinnvoll wäre
oder nicht.
Sie haben die Aufhebung der 15-Monats-Vollmachten
für die Banken angesprochen. Obwohl Sie es wissen, lassen Sie mich dazu noch ein Wort doch sagen. Es gibt zwei
Gründe, warum wir das getan haben: Auf der einen Seite
befreien wir hiermit die Wirtschaft von bürokratischen
Vorschriften - das ist gut -; auf der anderen Seite - deswegen ist diese Anregung aus dem Kreis der Aktionäre
gekommen - nehmen wir den Schutz der Aktionäre nicht
weg.
Wir erhöhen auch nicht unbedingt den Einfluss der
Banken, weil wir dafür sorgen, dass in jedem Jahr die Aktionäre darüber informiert werden müssen, ob eine Vollmacht gegeben wurde. Im Bereich der Namensaktie ist
das völlig unproblematisch möglich. Wir gehen auch davon aus, dass dieser Bereich durch die in Zukunft vorhandenen und sehr viel stärker eingesetzten elektronischen Möglichkeiten, so wie ich es ausgeführt habe, erheblich verbessert werden kann.
({0})
Gibt es weitere Fragen
zu diesem Themenkomplex? - Das ist nicht der Fall. Ich
rufe dann den offenen Teil der Regierungsbefragung auf.
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob sie sich mit der dramatischen Geiselnahme in Südostasien beschäftigt hat. Können Sie uns
Auskunft geben, wie die Situation der Geiseln ist? Welche
Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, noch aktiver zu
werden? Mir ist völlig klar, dass es bestimmte Auskünfte
nicht geben kann, um die Geiseln nicht zu gefährden.
Aber wenn sich das Kabinett heute damit beschäftigt hat,
dann wäre ich für einen allgemeinen Bericht dankbar.
Herr Staatsminister
Bury antwortet für die Bundesregierung.
Herr Kollege Koppelin, selbstverständlich hat sich die
Bundesregierung auch heute mit diesem Thema in der Kabinettssitzung beschäftigt. Der Bundesaußenminister hat
über die Mission von Herrn Solana berichtet, der heute
zurückgekehrt ist und der dort - den Umständen entsprechend - erfolgreiche Gespräche führen konnte. Ihm
wurde in den Gesprächen mit dem philippinischen Präsidenten zugesichert, dass die philippinische Regierung auf
keinen Fall militärische Gewalt einsetzen will - das war
für uns ein wichtiger Punkt - um das Leben der Geiseln das hat höchste Priorität - nicht zu gefährden.
Es ging in dem Gespräch darum, humanitäre Versorgungsmöglichkeiten zu verbessern. Außerdem ging es um
die Entsendung von Beauftragten mit dem Ziel, eine umgehende Freilassung der Geiseln, insbesondere von Frau
Wallert, zu erreichen. Ich bedaure, dass in diesem Punkt
bis zur Stunde noch keine Fortschritte erzielt werden
konnten.
Der Bundesaußenminister hat insgesamt, was die Situation angeht - ich zitiere ihn -, „äußerst vorsichtigen
Optimismus“ geäußert. Es ist gut, dass es gelungen ist nicht zuletzt dank der Bemühungen des Asien-Beauftragten der Bundesregierung -, Nahrungsmittel, Medikamente und Wasser zu den Geiseln zu bringen.
Wir haben durch das Engagement von Herrn Solana
und durch die Gespräche, die er geführt hat, jetzt faktisch
einen Schritt in Richtung internationale Vermittlung getan. Es gibt Vermittlungsversuche einer gemischten humanitären Gruppe, der Vertreter des Roten Halbmondes
und der frühere Botschafter Libyens in Manila angehören,
die Kontakt zu den Entführern aufnehmen soll. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt arbeitet sehr gut, auch im
Kontakt mit den anderen Ressorts, und wir tun das, was
aus Sicht der Bundesregierung möglich ist, um rasche
Fortschritte zu erzielen.
Zu einer Nachfrage
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Herr Staatsminister, können Sie Meldungen von heute Morgen bestätigen, wonach
die Vertreter des Roten Kreuzes nicht die Chance bekommen haben, die kranke deutsche Geisel mitzunehmen,
sondern unverrichteter Dinge wieder gehen mussten?
Wie ich Ihnen gerade sagte, ist es bisher leider nicht
gelungen, die Freilassung der erkrankten Geisel zu erreichen. Insofern kann ich entsprechende Meldungen leider
nicht dementieren.
Gibt es darüber hinaus
Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege Hauser,
bitte.
Ich möchte die
Bundesregierung fragen, ob die Verhandlungen zwischen
der Bundesregierung und der Bundesstadt Bonn über den
so genannten Bonn-Vertrag für den Zeitraum 2000 bis
2003, die Staatsminister Naumann am 30. Juni 1999 in einer Fragestunde bereits als de facto abgeschlossen bezeichnet hat, nunmehr auch tatsächlich und nicht nur de
facto abgeschlossen sind und wann mit der Unterzeichnung des Bonn-Vertrages gerechnet werden kann. Es ging
um das Jahr 1999, nicht um das Jahr 2000.
Zur Beantwortung
bitte Herr Staatsminister Naumann.
Herr Abgeordneter Hauser, die Bonn-Vereinbarung berührt die Belange mehrerer Ressorts,
({0})
zum Beispiel die des Bundesministeriums der Finanzen,
die meines Ressorts sowie die des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung unter Federführung
des Bundesfinanzministeriums und der Bundesstadt Bonn
sind noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Abgeschlossen sind aber seit Juni 1999 die in der Zuständigkeit
meiner Behörde liegenden Verhandlungen über die Kulturleistungen des Bundes in den Jahren 2000, 2001, 2002
und 2003. Nur auf diesen Teil der Bonn-Vereinbarung bezog sich meine Antwort vom 30. Juni 1999, die Sie eben
zitiert haben.
Kollege Hauser, bitte,
eine Nachfrage.
Auch wenn ich
das damals falsch verstanden haben muss - aber ich werde
selbstverständlich gern noch einmal nachlesen, ob das
tatsächlich so zu verstehen war -,
({0})
möchte ich die Frage anschließen: Welche Überlegungen
gibt es in Ihrem Hause, über das Jahr 2003 hinaus die
Bundesstadt Bonn bei ihren kulturellen Aufgaben,
insbesondere auch bei den gesamtstaatlichen Repräsentationsaufgaben nach § 6 Absatz 4 des Berlin-Bonn-Gesetzes vom 26. April 1994, zu unterstützen?
Herr Abgeordneter, ad 1: Die Bundesregierung
ist durchaus zufrieden und stolz darauf, dass sie in einem
wesentlich höheren Maße, als das die vorige Regierung
vorgesehen hatte, nach den damals anstehenden und jetzt
fast abgeschlossenen gesetzlichen und auch politischen
Sanierungsmaßnahmen an dem bekanntermaßen in nicht
gerade solidestem Zustand übergebenen Bundeshaushalt
in der Lage war, die Stadt Bonn - sowohl hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl als auch hinsichtlich des Sachverhalts, dass die berühmte Museumsmeile ganz vom Bund
finanziert wird - zur vollen Zufriedenheit sowohl der
Oberbürgermeisterin, Frau Dieckmann, wie auch des Kulturreferenten, Herrn von Uslar, mit Mitteln auszustatten.
Ad 2: Die Frage, wie es ab 2003, das heißt in drei Jahren, weitergeht, könnte man als ein bisschen voreilig betrachten; denn schließlich sind wir mit der berühmten
Haushaltssanierung noch nicht zu einem Ende gekommen. Ich weiß aber sehr wohl, warum Sie diese Frage stellen. In Nordrhein-Westfalen wird nämlich gewählt.
Tatsache ist, dass ich in meiner ersten Erklärung nach
Amtsantritt der neuen Regierung vor diesem Hohen
Hause darauf hingewiesen habe, dass die kulturelle Bedeutung der gesamten Mittelrhein-Region nicht vergessen
werden darf und offenkundig nicht vergessen wird. Sie
hat in der Tat - das darf man wirklich sagen - über Jahrhunderte hinweg für ganz Deutschland kulturell Maßstäbe gesetzt. Ihre Förderung bleibt auch in Zukunft einer
der wesentlichen Kernpunkte der kulturpolitischen Überlegungen dieser Bundesregierung.
Wenn Sie mich jetzt aber auf eine gewisse Summe, einen irgendwie festzuschreibenden Betrag, festnageln
wollen, dann kann ich Ihnen nur entgegnen, dass wahrscheinlich selbst Sie, wenn Sie in meinen Schuhen
stecken würden, dieses nicht bekannt geben wollten, da
wir uns in Verhandlungen befinden. Verhandlungen lassen
sich ja dadurch ganz kurzfristig beenden, dass die eine
Seite ihre Argumente, in diesem Fall ihr Zahlenwerk, vorlegt und dass die andere Seite dann entweder sagt, dass sie
das annimmt, oder sagt, dass das zu wenig ist. Das sollte
man aber nicht in aller Öffentlichkeit tun.
Gibt es weitere Fragen
an die Bundesregierung? - Da das offensichtlich nicht der
Fall ist, beende ich jetzt die Regierungsbefragung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind mit dem seltenen Fakt konfrontiert, dass die vorgesehene Zeit nicht
ausgeschöpft wurde. Deshalb unterbreche ich jetzt die Sitzung bis 13.35 Uhr. Dann fangen wir regulär mit der Fragestunde an.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 14/3276 Die Fragen 1 und 2 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Gerald Thalheim bereit.
Ich rufe jetzt Frage 3 des Abgeordneten Georg Girisch
auf:
Hat die Bundesregierung die Verpflichtung aus dem dieser Regierung zugrunde liegenden Koalitionsvertrag aufgegeben, wonach „der Bereich Vertrags-Naturschutz erweitert“ werden soll,
oder was beabsichtigt sie konkret zur Umsetzung dieses Ziels zu
unternehmen?
Sehr geehrter Herr Kollege Girisch, die Bundesregierung
misst der Stärkung und Erweiterung des VertragsNaturschutzes insbesondere auch im Hinblick auf eine
nachhaltige ländliche Entwicklung eine große Bedeutung
bei. Unter deutscher Präsidentschaft wurde im Rahmen
der Agenda 2000 die EG-Verordnung über die Förderung
der Entwicklung des ländlichen Raumes verhandelt und
verabschiedet. In dieser Verordnung wurde der Ausbau
der bereits im Zuge der Agrarreform von 1992 eingeführten Agrarumweltmaßnahmen sichergestellt. Im Rahmen
dieser Maßnahmen werden freiwillige Leistungen der
Landwirte gefördert, die dem Schutz und der Verbesserung von Natur und Umwelt sowie der Erhaltung des
ländlichen Lebensraumes dienen. Außerdem wurde darin
eine gemeinschaftliche Beteiligung an Ausgleichszahlungen für Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkungen, so genannte Natura-2000-Gebiete, verankert.
Der Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz hat mit den Beschlüssen zum Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes“ für den Zeitraum 2000 bis 2003 die
auf Bundesebene bisher bereits angebotenen Agrarumweltmaßnahmen attraktiver gestaltet und durch Aufnahme der mehrjährigen Stilllegung ausgebaut. Mit der
Förderung der zehnjährigen Stilllegung von Ackerflächen
und bestimmten Grünlandflächen wird ein wesentlicher
Beitrag zur Schaffung von natürlichen Strukturelementen
in der Landschaft sowie zur ökologischen Selbstregulierung von Biotopvernetzungen geleistet. Damit wird ein
wichtiger Schritt zur Erweiterung des Vertrags-Naturschutzes realisiert.
Die Möglichkeit einer Förderung in besonderen
Schutzgebieten nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
sowie nach der Vogelschutz-Richtlinie im Rahmen der
Gemeinschaftsaufgabe soll zunächst durch eine BundLänder-Arbeitsgruppe geprüft werden.
Unser Fazit ist: Die Bundesregierung hat bereits eine
Reihe konkreter Maßnahmen zur Stärkung und Erweiterung des Vertrags-Naturschutzes ergriffen.
Zu einer Zusatzfrage
bitte Herr Kollege Girisch.
Norbert Hauser ({0})
Herr Staatssekretär, in
Ihrer Koalitionsvereinbarung heißt es:
In der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur ... werden der Bereich Vertrags-Naturschutz und Ökologischer Landbau erweitert und Regionale Verarbeitung
und Vermarktung aufgenommen.
Können Sie mir sagen, ob dies alles geschehen ist und wie
sich dies für unsere Landwirtschaft in Zahlen auswirkt?
Was den ökologischen Landbau anbelangt: Hier ist es
Bundesminister Funke auf europäischer Ebene gelungen,
einige wesentliche Verbesserungen zu erreichen. Als Erstes sei erwähnt, dass wir endlich eine Verordnung für den
tierischen Bereich haben, durch die dieser insgesamt attraktiver gestaltet wird. Zweitens sind die Fördersätze für
eine ganze Reihe von Kulturen und insbesondere Gemüsekulturen verbessert worden.
Was den Kernbereich des Naturschutzes anbelangt, ist
festzuhalten, dass hier die Kompetenz bei den Ländern
liegt. Alle in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenen Bemühungen können natürlich nicht die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik außer Kraft setzen.
Naturschutz ist Ländersache. Wir sind hier, wie das auch
aus meiner Antwort hervorging, im Dialog mit den Bundesländern, um Fortschritte zu erreichen. Mit der letzten
PLANAK-Runde ist das bereits gelungen. Im Rahmen der
erwähnten Arbeitsgruppe bezüglich der Umsetzung der
Natura-2000-Richtlinie wird es in nächster Zeit zu greifbaren Ergebnissen kommen.
Kollege Girisch, bitte
Ihre zweite Zusatzfrage.
In der Koalitionsvereinbarung heißt es weiter, dass das Absatzfondsgesetz reformiert und auf regionale und ökologische Produkte ausgeweitet werden soll. Wie ist der jetzige Stand?
Das Absatzfondsgesetz hat vordergründig nichts mit dem
Naturschutz zu tun. Aber da Sie es ansprechen, möchte ich
feststellen, dass es über den Absatzfonds, durch den die
CMA mitfinanziert wird, gelungen ist, ein Ökolabel, das
heißt ein Ökoprüfzeichen, zu kreieren. Mit diesem wichtigen Schritt, der dazu geführt hat, dass die CMA mit den
Verbänden im Bereich des ökologischen Landbaus
zusammengearbeitet hat und in Zukunft weiter intensiv
zusammenarbeiten wird, erreichen wir für den Verbraucher die Verbesserung der Erkennung von ökologisch erzeugten Produkten, schaffen wir Vertrauen und gelingt
uns insgesamt ein wesentlicher Fortschritt auf diesem Gebiet.
Von dieser Stelle aus kann ich nur an den Handel appellieren, diese Vorschläge aufzugreifen und von der
Lizenzmöglichkeit im Rahmen des Ökoprüfzeichens Gebrauch zu machen, um am Ende dem, was an Vorarbeit erbracht worden ist, in der Praxis zur Geltung zu verhelfen.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Deß.
Herr Staatssekretär, wie Sie
richtig ausgeführt haben, sind für den Vertrags-Naturschutz die Bundesländer zuständig. Können Sie mir ein
Bundesland nennen, das, prozentual gesehen, mehr
Flächen im Vertrags-Naturschutz ausweist als Bayern,
und können Sie mir ein Bundesland nennen, das für diesen Bereich mehr Mittel aufwendet als Bayern?
Herr Deß, ich will Ihnen gerne den Gefallen tun: Bayern
ist sicher das Bundesland, das an dieser Stelle eine hervorragende Politik macht. Mein Heimatland Sachsen braucht
sich aber nicht dahinter zu verstecken. Auch hier wird in
diesem Bereich sehr viel getan, wobei man die natürlichen
und geographischen Gegebenheiten mit in das Kalkül ziehen muss. Es ist ein Unterschied, ob ich in einem Land
wie Sachsen-Anhalt in der Magdeburger Börde wirtschafte, wo die natürlichen Voraussetzungen anders sind,
oder zum Beispiel im Allgäu und in anderen Regionen.
Die von der Bayerischen Staatsregierung auf diesem Gebiet verfolgte Politik ist sicher verdienstvoll; aber auch
andere Aspekte spielen hier eine wichtige Rolle.
({0})
Dann rufe ich jetzt die
Frage 4 des Abgeordneten Albert Deß auf:
Mit welchen Initiativen will die Bundesregierung dem Eindruck entgegenwirken, sie nehme die Verpflichtung aus der dieser
Regierung zugrunde liegenden Koalitionsvereinbarung nicht
ernst, „bei den anstehenden WTO-Verhandlungen müssen in der
internationalen Agrarpolitik ökologische und soziale Mindeststandards durchgesetzt werden“?
Herr Kollege Deß, die Bundesregierung weist mit Nachdruck die Unterstellung zurück, sie nehme das in der
Koalitionsvereinbarung formulierte Ziel nicht ernst, im
Rahmen der WTO-Folgeverhandlungen im Agrarbereich
ökologische und soziale Mindeststandards durchzusetzen.
Das Gegenteil ist der Fall. Das Thema der Absicherung
von ökologischen und sozialen Mindeststandards in der
internationalen Agrarpolitik wurde bei der Erarbeitung
der europäischen Verhandlungsposition für die WTOVerhandlungen maßgeblich von deutscher Seite vorangetrieben. Klare Formulierungen hierzu haben in den
Schlussfolgerungen des Agrarrates vom 27. September
1999 und des Allgemeinen Rates vom 26. Oktober 1999
ihren Niederschlag gefunden. Danach müssen im Bereich
der nicht handelsbezogenen Themen unter anderem die
multifunktionale Rolle der Landwirtschaft, die Lebensmittelsicherheit und -qualität einschließlich des Vorsorgeprinzips sowie die tiergerechte Nutztierhaltung in den
Vordergrund gerückt werden.
Es war und ist Haltung der Bundesregierung, dass eine
weitere Liberalisierung des Welthandels im Agrarbereich
nur zu fairen Rahmenbedingungen akzeptabel sein kann.
In Umsetzung der Koalitionsvereinbarung verfolgt die
Bundesregierung eine Strategie, die grundsätzlich zwei
Pfade umfasst, und zwar erstens die Einführung und
Anpassung von Standards für den Verbraucher-, Tier- und
Umweltschutz in Fachübereinkommen außerhalb des
WTO-Vertrages und zweitens die Verbesserung bzw.
Neuregelung der Verknüpfung dieser Standards mit den
Regeln der WTO in den WTO-Verhandlungen.
Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und
anderen EU-Mitgliedstaaten setzt sich die Bundesregierung in einer ganzen Reihe internationaler Fachabkommen dafür ein, die Arbeiten zur Einführung und Anpassung von Standards voranzubringen. Die WTO-Ministerkonferenz in Seattle hat allerdings gezeigt, dass die
Diskussion über soziale und ökologische Mindeststandards ein schwieriges Unterfangen ist. Ein Großteil der
Entwicklungsländer vermutet dahinter eine neue Form
des Protektionismus und steht dem eher ablehnend gegenüber. Hier wird es in Zukunft ganz besonders darauf
ankommen, zusammen mit den europäischen Partnern
sachliche Überzeugungsarbeit zu leisten und für unsere
Position zu werben.
Eine Zusatzfrage? Bitte, Herr Kollege Deß.
Herr Staatssekretär, ich
wollte Ihnen mit meiner Frage nichts unterstellen, sondern nur die Chance geben, dass Sie dem Eindruck entgegenwirken, der in diesem Punkt in der Öffentlichkeit vorherrscht.
Meine weitere Frage: Wie sehen Sie die Chancen, dass
solche ökologischen und sozialen Mindeststandards
tatsächlich durchgesetzt werden?
Diese Chancen sind in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich. Sie wissen zum Beispiel, dass es mit Abschluss der Verhandlungen zum Bio-Sicherheits-Protokoll gelungen ist, deutliche Fortschritte zu erreichen. Im
Bereich des Verbraucherschutzes ist das schon schwieriger. Hier haben wir schon das SBS-Abkommen aus dem
letzten WTO-Vertrag, wodurch die Standards international abgesichert werden. Allerdings ist es notwendig, im
Einzelfall die Belange des Verbraucherschutzes oder umgekehrt - die Gefährdungen nachzuweisen. Noch
schwieriger sieht es beim Tierschutz aus, weil ihm aufgrund kultureller Unterschiede weltweit eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird. Ich denke, bei den
Umweltstandards ist wieder eine eher positive Entwicklung zu verzeichnen.
Das sind Bemühungen, die Probleme durch internationale Verträge zu lösen. Intern spielen natürlich der Außenschutz und die Beibehaltung der Ausgleichszahlungen Stichwort: Green-Box - eine große Rolle. Indem wir den
Außenschutz für die Zukunft sichern, halten wir innereuropäisch ein bestimmtes Niveau an Preisen und damit
am Ende auch an sozialen Standards aufrecht. Das heißt,
man muss diese Frage immer in zwei Richtungen, nach
außen und nach innen, diskutieren.
Kollege Deß zu einer
zweiten Frage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie
mit mir der Meinung, dass es im Interesse unserer Landwirtschaft in Europa eine Zielvorstellung sein müsste, bei
der WTO zu erreichen, dass in das europäische Gebiet nur
solche Nahrungsmittel geliefert werden dürfen, die unseren ökologischen und sozialen Standards entsprechen?
Dieser Aussage kann ich nicht zustimmen. Die Schlussfolgerung aus Ihrer Forderung wäre doch, dass in der Dritten Welt Löhne wie in Deutschland zu zahlen wären. Damit würden wir letztendlich jeden Export nach Deutschland unmöglich machen. Aber gerade die Ermöglichung
des Exports zum Beispiel von Südfrüchten ist ein ganz
wichtiger Beitrag zur Wirtschaftsförderung dieser Länder.
Wenn man sich die Zahlen der Importe und Exporte ansieht, muss man klar festhalten: Trotz der hohen Löhne in
Deutschland ist es uns gelungen, die Exporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in den letzten Jahren deutlich auszuweiten. Sie belaufen sich immerhin auf einen
Umfang von über 40 Milliarden DM; dem stehen Importe
von etwas über 70 Milliarden DM gegenüber. Hier muss
man also im Einzelfall abwägen: Was sind unsere Interessen als Exporteure und Importeure und was sind die Interessen insbesondere der Entwicklungsländer, die nach
Deutschland liefern wollen?
Diese Aussage bezog sich auf die sozialen Standards.
Bei den ökologischen Standards ist dies etwas anders zu
sehen. Wenn Exporte nach Deutschland erfolgen und damit der Raubbau in den Produktionsländern in Kauf genommen wird, dann ist es geboten, im Interesse dieser
Länder einzuschreiten.
Die Fragen 5 und 6 der
Kollegin Beatrix Philipp zu dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Michael Naumann zur Verfügung. Die Fragen 7 und 8 des Kollegen Hauser wurden zurückgezogen.
Deshalb rufe ich jetzt die Frage 9 des Abgeordneten
Wilhelm Josef Sebastian auf:
Liegt der Bundesregierung mittlerweile der Bericht der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur neuen Konzeption des
Arp-Museums in Remagen-Rolandseck vor und - falls ja - wie
bewertet die Bundesregierung das neue Konzept?
Ich kann direkt antworten, Herr Abgeordneter;
das fällt mir leicht.
Der Bericht der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur neuen Konzeption des Arp-Museums ist am
8. Mai dieses Jahres bei uns eingegangen. Die erste Erörterung dieser neuen Konzeption in den Gremien der so
genannten Ausgleichsvereinbarung ist für den 22. dieses
Monats vorgesehen.
Kollege Sebastian,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Minister, glauben Sie, dass es trotzdem irgendwann noch zu einem Neubau des Museums kommen wird, und wann rechnen Sie zeitlich in etwa damit?
Erstens mache ich kein Hehl daraus, dass ich den
Entwurf des Architekten Meier außerordentlich schätze
und für sehr überzeugend halte.
Zweitens wissen auch Sie, dass es zu rechtlichen
Auseinandersetzungen zwischen den Arp-Stiftungen deren gibt es ja, glaube ich, mindestens drei - und Frankreich gekommen ist. Das betrifft auch die Ausstattung des
in Rede stehenden Museums. Diese rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Stiftung und Frankreich das möchte ich an dieser Stelle feststellen - bedauere ich
außerordentlich; ich halte sie auch nicht für angemessen.
Diese Auseinandersetzungen sind übrigens nicht von der
Stiftung initiiert worden, sondern vom französischen Zoll
und von der französischen Kulturbehörde. Näheres
könnte ich Ihnen bei Gelegenheit erläutern.
Es stellt sich also prinzipiell die Frage: Was soll einstmals in diesem Museum von Richard Meier stehen? Einerseits glaube ich, dass die Bestände der Arp-Stiftung
insgesamt groß genug und historisch wertvoll genug sind,
um diese Konstruktion zu rechtfertigen. Andererseits
wird - das sehen wir ja auch bei Museumsbauten hier in
Berlin - sehr viel Zeit mit Projektionsmaßnahmen, Überlegungen, Diskussionen und Finanzierungsmodellen verschwendet, sodass ich sagen muss: Die Zwischenlösung,
die im Augenblick in Rheinland-Pfalz angedacht wird,
wäre meines Erachtens zumindest für das Publikum, das
die weltberühmten Werke von Arp sehen möchte, akzeptabel.
Eine weitere Frage,
bitte, Herr Kollege Sebastian.
Herr Minister, ich darf noch einmal nachfragen: Glauben Sie, dass es
irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Museumsbau kommt?
Glaube, Liebe und Hoffnung sind drei Kategorien, die Ihrer Partei ganz besonders gut bekannt sind, gerade in dieser Lage jetzt, kurz vor den Wahlen.
({0})
Ich bin sicher, dass es zu dem Bau kommen wird.
Damit kommen wir
zur Frage 10 des Kollegen Sebastian:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang
Clement im Bonner „General-Anzeiger“ vom 26. April 2000 im
Zusammenhang mit der Errichtung des Arp-Museums, das Land
Nordrhein-Westfalen wolle sich an der Verwirklichung des Neubaus nach Plänen des amerikanischen Architekten gemeinsam mit
dem Land Rheinland-Pfalz beteiligen, und wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit, die Gremien der Ausgleichsvereinbarung mit diesem neuen Sachstand zu
befassen?
Die Antwort lautet sehr pragmatisch: Der über
die Ausgleichsmaßnahmen entscheidende Koordinierungsausschuss setzt sich gleichberechtigt aus Vertretern
des Bundes und der Länder zusammen. Wenn NordrheinWestfalen hier mitmachen und sich auch finanziell engagieren will, so ist das außerordentlich zu begrüßen.
Kollege Sebastian,
bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Minister Naumann, haben Sie keine Bedenken, dass dann, wenn
die Mittel, diese 13 Millionen DM, für eine Renovierung
gebraucht werden und das Gremium dagegen Bedenken
äußert, diese Mittel umgewidmet werden können?
Bedenken habe ich immer, was Umwidmungen
von Haushaltsmitteln betrifft. Aber ich appelliere immer
an den Common Sense der Beteiligten.
({0})
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur
Verfügung. Die Frage 11 des Kollegen Zierer wird schriftlich beantwortet.
Deshalb kommen wir jetzt zur Frage 12 des Abgeordneten Hartmut Koschyk:
Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung über
Ausführungen eines ehemaligen Beraters des seinerzeitigen tschechischen Ministerpräsidenten Klaus auf einem deutsch-tschechischen Symposium der Sudetendeutschen Ackermann-Gemeinde
in Iglau Mitte April 2000, in denen unter anderem die Errichtung
eines tschechischen Versöhnungsfonds zur Entschädigung sudetendeutscher Heimatvertriebener vorgeschlagen wurde, und sieht
die Bundesregierung Möglichkeiten, diesen Vorschlag gegenüber
der tschechischen Seite zu unterstützen?
Herr Koschyk, der Bundesregierung sind Ausführungen des Politikwissenschaftlers Bohumil Dolezal
in Iglau bekannt geworden, die von Ihnen zitiert worden
sind. Die Bundesregierung sieht in ihnen einen bemerkenswerten Beitrag zur andauernden innertschechischen
Debatte um die Vertreibung. Diese Debatte wird von der
Bundesregierung mit Interesse verfolgt.
Kollege Koschyk,
bitte.
Ist denn die Bundesregierung bereit, diese Idee von Bohumil Dolezal, die Sie,
Herr Staatsminister, soeben als bemerkenswerten Beitrag
zur innertschechischen Diskussion bezeichnet haben, in
den deutsch-tschechischen Dialog mit aufzunehmen, beispielsweise bei den gegenwärtigen Gesprächen von
Mitgliedern der Bundesregierung mit dem ja in Berlin
weilenden tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel?
Ich werde heute beim Abendessen des Bundespräsidenten merken, ob Vaclav Havel auf dieses Thema eingeht. Ich denke, wir sollten eine entsprechende innertschechische Diskussionsentwicklung abwarten. Wenn
die tschechische Regierung diesen Punkt von sich aus offiziell anspricht, sollten wir darauf eingehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk? - Bitte.
Herr Staatsminister,
halten Sie es nicht im Sinne der sich positiv entwickelnden deutsch-tschechischen Beziehungen für geboten, dass
die Bundesregierung ein solches Thema von sich aus im
Verlauf des deutsch-tschechischen Dialoges aufgreift?
Wie Sie richtig bemerkt haben, sind wir sehr interessiert daran, dass sich das Verhältnis positiv entwickelt.
Es hatte vieles schwierig begonnen und man soll die
Dinge sich in Ruhe entwickeln lassen, ohne durch besonderen Eifer bei einzelnen Fragen zu neuen Irritationen
beizutragen.
Wir kommen nun zur
Frage 13 des Abgeordneten Koschyk:
Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der Anliegen der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, die Fragen der deutschen Sprachförderung in Ungarn
und der Entsendung von Deutsch-Lehrkräften nach Ungarn betreffen, die die Vertreter der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen zuletzt im Rahmen eines informellen Treffens von elf
Staatspräsidenten aus Mittel- und Osteuropa in Ungarn Ende April
2000 vorgetragen haben, und in welcher Weise beabsichtigt die
Bundesregierung, diesen Anliegen entgegenzukommen?
Herr Koschyk, der Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, Otto Heinek, äußerte
sich im Gespräch mit dem Bundespräsidenten am Rande
des informellen Treffens von elf mitteleuropäischen
Staatspräsidenten am 29. April 2000 in Ungarn sehr positiv über die Maßnahmen der Bundesregierung und der
Länder zur Sprachförderung und Entsendung von Lehrkräften nach Ungarn.
Die Bundesregierung und die ungarische Regierung
stimmen sich alle zwei Jahre - zuletzt im Oktober 1999 in einer gemischten Kommission, in der auch die Ungarndeutschen vertreten sind, über die Maßnahmen des
Sonderprogramms zur Förderung der deutschen Minderheit und des Deutschunterrichts in der Republik Ungarn
ab. Im Protokoll der letztjährigen Sitzung, dem eine umfangreiche Projektliste für das Jahr 2000 beigefügt ist,
wird die „wertvolle Unterstützung, die durch das Sonderprogramm in nun schon lange bewährter Weise geleistet
wird, gewürdigt. Die deutsch-ungarische kulturelle Zusammenarbeit wird darin auch für den Bereich der Minderheiten als vorbildlich bezeichnet.
Die Unterstützung im Rahmen dieses Sonderprogramms wird die Bundesregierung weiterführen. Ungarn
wird seine herausgehobene Stellung im Lehrerentsendeprogramm - bei deutlich geringerer Bevölkerungszahl als
Polen die zweitmeisten entsandten Lehrkräfte - behalten.
Das Lehrerentsendeprogramm wird sich künftig besonders auf Schulen konzentrieren, die aufgrund der Qualität
ihres Deutschunterrichts das Deutsche Sprachdiplom II
der Kultusministerkonferenz anbieten oder die für die
Versorgung der deutschen Minderheiten von besonderer
Bedeutung sind.
Die große Bedeutung Ungarns für die schulische Zusammenarbeit unterstreicht zusätzlich, dass mit Unterstützung des Auswärtigen Amts am Ungarndeutschen Bildungszentrum in Baja ein deutsch-ungarisches Spezialgymnasium im Aufbau ist und in Fünfkirchen ({0}) ein
regionales Lehrerfortbildungszentrum eingerichtet wird.
Beides sind Orte mit stark ungarndeutscher Bevölkerung.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Herr Staatsminister,
ist vonseiten der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen bei den Gesprächen mit dem Herrn Bundespräsidenten nicht auch die Sorge geäußert worden, dass all
die positiven Entwicklungen, die Sie in Ihren Ausführungen dargestellt haben, ein Stück unter den Sparmaßnahmen im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik leiden
könnten? Ich darf darauf hinweisen, dass beispielsweise
die Zahl von nach Ungarn entsandten Programmlehrkräften, die sich in den Jahren 1998/99 auf 87 belief, in den
Jahren 2000/01 auf 65 Lehrkräfte reduziert werden soll.
Überlegt man sich, dass wir gerade in Ungarn diese positive Entwicklung im Hinblick auf eine gemeinsame
deutsch-ungarische Förderpolitik für die deutsche Minderheit erst in den letzten Jahren haben erreichen können,
so muss man feststellen, dass festgelegte Schwerpunkte
der Förderung durch die nicht unerhebliche Reduzierung
der Zahl der Programmlehrkräfte leiden könnten.
Herr Koschyk, Sie haben die Zahlen richtig zitiert.
Dies ist eine Entwicklung, die wir selber bedauern. Aber wie Sie wissen - wir haben einen Haushalt mit einer gefährlichen Schieflage übernommen,
({0})
woraufhin wir verpflichtet waren, in allen Bereichen zu
sparen. Das empfinden wir selber in einigen Bereichen als
sehr schmerzhaft. Im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik insgesamt würden wir gern mehr investieren.
({1})
Ich halte es für angebracht, wenn all diejenigen, die der
Auswärtigen Kulturpolitik Bedeutung beimessen, auch in
der Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass dies kein konsumtiver Bereich ist, in dem Kulturgenuss zulasten des
deutschen Steuerzahlers finanziert wird. Dies betrifft vielmehr investive Bereiche, die sich mittelfristig in jeder Beziehung lohnen. Ich hoffe, dass wir zumindest an dem
Punkt, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, zusammenarbeiten können.
Zu einer zweiten Zusatzfrage bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
nachdem Sie selbst Ihr Bedauern über die Rückführung
der Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik ausgedrückt
haben, frage ich Sie: Kann ich Ihren Worten des Bedauerns entnehmen, dass sich das Auswärtige Amt bei den
Haushaltsberatungen für das Jahr 2001 im Hinblick auf
unerwartete Haushaltseinnahmen dafür einsetzen wird,
die Haushaltsmittel für die Auswärtige Kulturpolitik zu
erhöhen?
Wenn es Spielräume im Etat des Auswärtigen Amtes gibt, ist die Auswärtige Kulturpolitik mit bei den Politikfeldern, die am ehesten und als Erste bedient werden.
Den Etatberatungen insgesamt kann ich nicht vorgreifen.
Der Finanzminister hat hinsichtlich der Zusatzeinnahmen
die klare Linie, zunächst einmal die Verschuldung zurückzufahren, damit die Spielräume insgesamt wieder wachsen. Über den Umweg der dann gewachsenen Spielräume
wird dies dann der Auswärtigen Kulturpolitik zugute
kommen.
Wir kommen nun zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 14 der Kollegin Gudrun Kopp sowie die Fragen
15 und 16 der Kollegen Wolfgang Zeitlmann und
Dr. Hans-Peter Uhl werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Auch hier
werden die Frage 17 des Kollegen Matthäus Strebl sowie
die Fragen 18 und 19 des Kollegen Helmut Heiderich
schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage
20 des Abgeordneten Erich G. Fritz:
Sind die Informationen in dem Bericht des Hamburger Magazins „Stern“ vom 23. März 2000 zutreffend, dass die Bundeswehr
gegenwärtig mit der Aufrüstung der „Fuchs“-Spürpanzer befasst
ist, und wie erklärt sich die Bundesregierung Informationen desselben Magazins, wonach zwischen der Spürpanzer-Herstellerfirma H. und Bundeswehrexperten vereinbart wurde, dass die
Wehrtechnische Dienststelle für Schusstests ({0}) der Bundeswehr die Schießerprobung der „Fuchs“-Spürpanzer übernimmt?
Herr Kollege Fritz, die Bundeswehr ist mit der Aufrüstung des Spürpanzers „Fuchs“
nicht befasst. Richtig ist, dass die Vereinigten Arabischen
Emirate seit langem den Wunsch haben, den Spürpanzer
„Fuchs“ von einem deutschen Hersteller zu beschaffen.
Sie wünschen in diesem Fall die amtliche Erprobung
durch wehrtechnische Dienststellen der Bundeswehr. Das
geschieht dann gegen Kostenerstattung. Voraussetzung
für die Umsetzung dahin gehender Planungen ist der Abschluss entsprechender Verträge zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem deutschen Hersteller
bzw. dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung.
Herr Kollege Fritz zu
einer Nachfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Erich G. Fritz
auf:
Ist es zutreffend, dass die Waffenanlage des Fahrzeugs einer
vollständigen Erprobung unterzogen wird, die neben dem Schießbereich auch die Feuerleitanlage, die Waffensicherung, den Funktions- und Lebensdauerbeschuss, den Treffbildbeschuss sowie die
Co-Messung einschließt, und wie erklärt sich die Bundesregierung einen solch beträchtlichen Aufwand für einen Spürpanzer,
der nach Aussagen des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf
Scharping, unbewaffnet sein soll?
Diese Frage befasst sich mit
dem gleichen Thema. Herr Kollege Fritz, die Vereinigten
Arabischen Emirate beabsichtigen, den „Fuchs“-Spürpanzer zur Selbstverteidigung der Besatzung gegebenenfalls auch mit der im „Stern“-Artikel vom 23. März 2000
skizzierten Waffenanlage, dem schweren Maschinengewehr, ausrüsten zu lassen, wobei die Waffe selbst nicht
zum gewünschten Lieferumfang des deutschen Herstellers gehört.
Der Erprobungsumfang würde dem bei einer vergleichbaren Anlage erforderlichen Aufwand entsprechen.
Er würde die Wechselbeziehung - das ist nun technisch zwischen der Plattform und der Bewaffnung im technischen Systemverbund berücksichtigen müssen und würde
dann auch eine entsprechende Aufgabe haben. Aber auch
hier gilt: Es gibt dazu keine Entscheidung.
Der Kollege Fritz zu
einer Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben gerade versucht, den Zweck der Bewaffnung des
Panzers auf die Selbstverteidigung der Besatzung zu reduzieren. Geben Sie mir Recht, dass es sich bei dem zu erprobenden Waffensystem durchaus um ein Waffensystem
handelt, das auch als Unterdrückungsmittel in inneren
Konflikten eingesetzt werden kann? Und stimmen Sie mir
insbesondere zu, dass aufgrund dieser Form der Bewaffnung die Aussage des Bundesverteidigungsministers, es
handele sich bei dem Gerät sozusagen um fahrende Labors, auf keinen Fall zutreffen kann?
Nein, da gebe ich Ihnen nicht
Recht. Selbstverständlich ist ein schweres Maschinengewehr eine Waffe. Selbstverständlich kann sie auch gegen
Menschen im Inland eingesetzt werden. Aber ein Spürpanzer, dessen eigentliche Aufgabe der Schutz vor ABCWaffen ist, wird sicherlich von niemandem wegen des
schweren Maschinengewehrs eingesetzt. Das kann man
leichter und billiger haben und zudem kann man das auch
woanders draufsetzen.
Der Minister hat in dieser Diskussion auch ausdrücklich gesagt, dass es nicht um die Bewaffnung geht. Die
Vereinigten Arabischen Emirate und andere kaufen dieses
System wegen der ABC-Spürfähigkeit. Diese macht es
Staatsminister Dr. Ludger Vollmer
interessant auch für andere Staaten. Insofern ist die Verknüpfung meiner Meinung nach falsch. Denn für einen
Kampfpanzer würde natürlich ein ganz anderes Kaliber
und nicht ein schweres Maschinengewehr infrage kommen. Aber selbstverständlich ist jedes Maschinengewehr
eine Waffe.
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege Fritz.
Stimmen Sie mir zu, Frau
Staatssekretärin, dass jedes gepanzerte Fahrzeug, wie immer es bewaffnet ist und welchem eigentlichen Zweck es
dient, in Situationen massiven Militäraufmarsches - wenn
in einer Stadt oder einer Region öffentlich Präsenz gezeigt
werden soll - der Einschüchterung, der Repression dienen
kann?
Diese Aussage halte ich für
sehr gewagt. Wenn es sich um einen schweren militärischen Konflikt handelt, dann wird man gepanzerte Verbände weiß Gott nicht mit einem schweren Maschinengewehr bekämpfen.
({0})
- Entschuldigung! - Den Spürpanzer „Fuchs“ würde man
einsetzen, wenn man damit rechnen muss, dass ABCWaffen eingesetzt worden sind oder eingesetzt werden.
Abgesehen davon wiederhole ich - auch Sie werden ja
wahrscheinlich ein bisschen davon verstehen -: Ein
schweres Maschinengewehr kann in vielerlei Formen und
Arten eingesetzt werden. Man kann es sogar auf einen
leichten Jeep stellen. Es stellt immer eine Bedrohung dar.
Aber dies macht das Waffensystem nicht zu einem Angriffssystem. Darum ging es ja in dieser Sache. Es ging
darum, dass dieses System ein reines Verteidigungssystem ist, was bei der Aufspürung von ABC-Kampfmitteln
hilft. Das hat nichts mit einem Kampfpanzer zu tun. Ein
Kampfpanzer wird in der Tat anders definiert.
Ich rufe jetzt die
Frage 22 des Abgeordneten Werner Siemann auf:
Welche konkreten Initiativen im Hinblick auf Rüstungskooperation als vertrauensbildende Maßnahme mit Osteuropa hat die
Bundesregierung bisher ergriffen und was hat die Bundesregierung unternommen, bei unseren westeuropäischen Partnern für
eine verstärkte Rüstungskooperation mit Osteuropa zu werben?
Herr Kollege Siemann, die
Bundesregierung misst der Rüstungskooperation mit Osteuropa als vertrauensbildende Maßnahme eine besondere
Bedeutung bei. Im Übrigen gehören die meisten dieser
Staaten ja heute zum „partnership for peace“-Programm
der NATO.
Seit 1995 wurden mit neun ost-, mittel- und südosteuropäischen Staaten Rüstungsrahmenabkommen vereinbart. Dafür wurden bilaterale Rüstungskommissionen
eingesetzt, die einmal jährlich tagen. Mit anderen Staaten
aus diesem Bereich findet mindestens einmal jährlich ein
rüstungswirtschaftliches Gespräch statt. Diese Staaten
werden beim Aufbau einer funktionsfähigen Organisation
des Rüstungsbereichs, bei Fragen der Privatisierung der
staatlichen Industrie und der Konversion beraten. Im Rahmen der Möglichkeiten werden diese Staaten durch die
unentbehrliche Abgabe ausgesonderten Materials der
Bundeswehr unterstützt.
Multilateral regte die Bundesregierung ein Nutzerstaatenkonzept für das Luftfahrzeug MiG-29 an. Russland,
die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien nahmen
daran teil. Am 28. April 2000 wurde Einvernehmen über
den Entwurf eines Übereinkommens über gemeinsame
Standardisierung, Modernisierung und technisch-logistische Versorgung des Flugzeuges MiG-29 erzielt. Wenn
ich richtig unterrichtet bin - das steht hier in meiner
schriftlichen Vorlage noch nicht -, kann dieser Vertrag auf
der ILA auch unterschrieben werden.
Kollege Siemann zu
einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
auf welche Resonanz ist das, was Sie gerade dargestellt
haben, bei unseren westeuropäischen Partnern gestoßen?
Es trifft sich gut, dass ich viele
Jahre Vorsitzende der Sozialdemokraten bei der NATO
war und mich intensiv um diese Staaten gekümmert habe.
Es gibt zwei Probleme, die wir als Westeuropäer immer
festgestellt haben. Auf der einen Seite kamen unsere amerikanischen Freunde und haben diesen Staaten - die meisten Empfehlungen betrafen Rumänien, wo das besonders
schlimm war - empfohlen, sie sollten doch alles wegschmeißen, was sie als Rüstungsmaterial bis dahin besessen haben, und sollten nach Möglichkeit das neue Material aus dem Westen kaufen.
Dann sind auf der anderen Seite unsere klugen Militärattaches oder Rüstungsattaches hingegangen und haben gesagt: Mein Gott, ihr habt jetzt genügend andere
Aufgaben zu erfüllen; überlegt doch einmal, welches von
eurem Gerät bei den verkleinerten Streitkräften - sie haben ja alle die Streitkräfte verkleinert - noch einsatzfähig
ist. Ich glaube, wir haben da eine gute Arbeit geleistet. Ich
denke, dass die Staaten inzwischen auch begriffen haben,
dass wir ihnen helfen wollten.
Zusätzlich hatten wir noch einen Vorteil gegenüber allen anderen. Wir kannten ihr Gerät durch die deutsche
Einheit. Wir haben fast alle diese Waffen des Ostblocks
mit der NVA geerbt und konnten ihnen technisch ein bisschen helfen und sie damit von dem Druck der damaligen
Sowjetunion und auch von den Kostenentwicklungen etwas unabhängiger machen.
Ich glaube, der Westen ist daran nur interessiert, wenn
es um neues Gerät geht - da ist dann die normale Konkurrenz vorhanden -, aber bei der Hilfe für das bestehende
Material - alle diese Staaten haben sehr viel Material gehabt - haben wir eine gute Arbeit gemacht. Ich habe nie
gehört, dass das einer kritisiert hat.
({0})
Dann rufe ich die
Frage 23 des Kollegen Siemann auf.
Wie bewertet die Bundesregierung die in der „Bild am Sonntag“ vom 23. April 2000 abgedruckte Äußerung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin, die Wehrpflicht solle möglichst bald und ohne viel Aufhebens abgeschafft werden, denn sie sei heute nicht mehr bezahlbar?
Ach, Herr Kollege Siemann!
Die Äußerungen des Bundesministers Trittin stellen eine
persönliche Meinungsäußerung im Rahmen der öffentlichen Debatte über die Beibehaltung der Wehrpflicht dar.
Unser Bundeskanzler Schröder und unser Verteidigungsminister Scharping haben sich deutlich zur Wehrpflicht bekannt.
({0})
Gerhard Schröder hat in seiner unnachahmlichen Art gesagt: Die Gedanken sind frei.
Dennoch wird sich die Bundesregierung erst nach der
Vorlage des Berichts der Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ am 23. Mai 2000
ein abschließendes Urteil bilden und sie hofft dabei auf
die tatkräftige Unterstützung auch Ihrer Partei. Die Bundesregierung bewertet in den Medien abgedruckte Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung nicht.
Ich kann nur sagen: Die Gedanken sind frei.
Ich erteile Herrn Kollegen Siemann zu einer Zusatzfrage das Wort.
Nur eine Zusatzfrage:
Frau Staatssekretärin, Sie geben mir aber Recht, dass die
Meinung von Herrn Trittin nicht mit der Meinung unseres
Verteidigungsministers Scharping identisch ist?
Nicht nur mit dessen Meinung
ist sie nicht identisch. Ich habe extra deswegen den Bundeskanzler erwähnt, der nebenbei auch noch Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Partei ist.
Ich halte es für völlig normal, dass es auch in der
CDU/CSU Leute gibt, die sagen, wir brauchen eigentlich
keine Wehrpflicht; da fallen mir einige Namen ein. Ich
habe auch überhaupt keine Probleme, dass Vertreter der
Grünen das sagen. Nur: Wir haben hier eine klare Äußerung des Verteidigungsministers und eine klare Äußerung
des Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers. Wir haben
Gott sei Dank auch klare Äußerungen von Ihnen und von
mir und von anderen dazu, sodass ich ganz gelassen bin,
was diese Frage betrifft.
({0})
- Ich bitte Sie, sich sehr genau zu überlegen, was Sie da
sagen.
Wir kommen jetzt
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung
der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert auf:
Mit welcher Aufgabenstellung und mit welchen Ergebnissen
wurde am 4. Mai 2000 unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({0}) eine Tagung des Ausschusses „Zukunft des Zivildienstes“ durchgeführt?
Herr Kollege Seifert, die Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes“ ist von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einberufen worden und hat
sich am 4. Mai 2000 konstituiert. Sie soll unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Kommission „Gemeinsame
Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ und der Beschlüsse der Bundesregierung Empfehlungen für die Ausgestaltung des Zivildienstes vorlegen.
Der Arbeitsgruppe gehören 16 Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und Organisationen an, die Zivildienst durchführen oder die den Zivildienst im Beirat für
den Zivildienst begleiten. Ihre Empfehlungen sollen im
Herbst vorliegen. Die Arbeitsgruppe wird vom Bundesbeauftragten für den Zivildienst geleitet.
Kollege Seifert, eine
Zusatzfrage, bitte.
Vielen Dank, Frau Niehuis. Die Situation ist aber so, dass im Zivildienst jetzt, im Mai,
im Juni und Juli bis September, dieses Jahres echte Probleme auftauchen. Wird sich denn diese Kommission damit überhaupt nicht befassen bzw. spielt das keine Rolle
in den Überlegungen Ihres Ministeriums?
Frau Präsidentin, der Kollege Seifert hat in seiner Zusatzfrage schon die nächste Frage angeschnitten. Sie fragen in
Ihrer nächsten Frage, ob sich die Ergebnisse auch mit der
Gegenwart beschäftigen. Insofern bitte ich darum, die
nächste Frage beantworten zu dürfen. Dann reden wir
noch einmal darüber. Können wir es so machen?
Das können Sie tun,
Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Ich rufe dann auch die Frage 26 auf:
Welche dieser Ergebnisse sind darauf gerichtet zu verhindern,
dass die - aufgrund der im Haushaltssanierungsgesetz 1999 festgelegten Einsparmaßnahmen - beim Zivildienst erfolgten Veränderungen ({0}) nicht Situationen herbeiführen, bei denen die bisher erbrachten Leistungen im sozialen
Bereich vor Ort entweder reduziert werden oder aber zu höheren
Kostenbelastungen für die zu betreuenden Menschen - vor allem
Kinder und Jugendliche, alte und pflegebedürftige Menschen sowie Menschen mit Behinderungen - führen?
Wie bereits ausgeführt, dient die Arbeitsgruppe den Überlegungen zum Zivildienst, bezogen auf die Empfehlungen
der Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft
der Bundeswehr“ bzw. auf die damit verbundenen Beschlüsse der Bundesregierung. Da sich die Arbeitsgruppe
erst am 4. Mai konstituiert hat und die Entscheidungen
hinsichtlich der künftigen Struktur der Bundeswehr noch
nicht gefallen sind, können naturgemäß noch keine Ergebnisse vorliegen.
Mit den Wohlfahrtsverbänden sind die Auswirkungen
der Dienstzeitverkürzung und der Einberufungshöchstgrenzen rechtzeitig erörtert worden. Die Wohlfahrtsverbände haben es übernommen, die Einberufung der Zivildienstpflichtigen im Rahmen der vom Bundesamt für den
Zivildienst vorgegebenen Obergrenzen zu steuern. Nach
derzeitigem Kenntnisstand werden in den Sommermonaten Juli bis September, das heißt in der Zeit, in der die meisten Entlassungen aufgrund der Dienstzeitverkürzungen
vollzogen werden, gleichwohl zwischen 100 000 und
110 000 Zivildienstleistende im Dienst sein.
Da es die Verbände im Rahmen der Einberufungssteuerung, die sie seit Januar dieses Jahres in eigener Verantwortung vornehmen, verstanden haben, Prioritäten im
engeren sozialen Bereich zu setzen, ist weitestgehend sichergestellt, dass Plätze in der Betreuung von alten, pflegebedürftigen und behinderten Menschen sowie in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung und der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung von Kindern
rechtzeitig nachbesetzt werden können.
Kollege Dr. Seifert,
bitte Ihre Zusatzfragen.
Frau Kollegin Niehuis, da Sie
jetzt die beiden Fragen gemeinsam beantworten, möchte
ich zwei Dinge etwas detaillierter erklärt haben. Sie sagten, dass es weitgehend gesichert sei, dass über die
Wohlfahrtsverbände in bestimmten sozialen Bereichen,
die Sie genannt haben und die besonders wichtig sind,
hinreichende Nacheinberufungen erfolgen können. Es ist
aber doch bekannt, dass es zwischen Oktober und Dezember vergangenen Jahres in einigen Bundesländern
sehr viele Einberufungen gegeben hat, sodass es sozusagen innerhalb des Haushaltsjahres des Zivildienstes
tatsächlich zu Lücken kommen wird.
Wie können wir an dieser Stelle sicherstellen, dass kein
einziger schwerbehinderter Mensch, kein einziger alter
Mensch, kein einziges schwerbehindertes Kind - um bei
diesem Beispiel zu bleiben -, das auf individuelle Betreuung angewiesen ist, auch nur einen einzigen Tag ohne die
entsprechende Betreuung ist? Es kann einfach nicht einen
Tag ohne Betreuung sein.
Wir müssen über die Selbststeuerung sprechen, die die
Wohlfahrtsverbände übernommen haben. Sie haben vom
letzten Jahr geredet. Im Oktober letzten Jahres haben wir
mit den Wohlfahrtsverbänden vereinbart, dass sie im Jahr
2000 ihren Bereich steuern. Das haben die meisten Wohlfahrtsverbände sehr geschickt und verantwortungsvoll gemacht. Wir sitzen zur Zeit ständig mit den Wohlfahrtsverbänden zusammen und werden das noch einmal Ende Mai
tun, um die aktuelle Situation im Sommer abzuklären und
um die Problembereiche, die Sie ansprechen, zu diskutieren.
Es gibt unterschiedliche Bemühungen in den Wohlfahrtsverbänden, diese Selbststeuerung zu realisieren. Die
meisten Wohlfahrtsverbände - das sind 90 Prozent - haben es so gesteuert, dass sie in der Sommerzeit alle zusammen 100 000 bis 110 000 Zivildienstleistende zur Verfügung haben. Im sozialen Bereich standen im letzten Jahr
90 000 Zivildienstleistende zur Verfügung, sodass mit der
Steuerungsleistung der Wohlfahrtsverbände gesichert ist,
dass im Juli/August - das sind die beiden kritischen Monate - keine Lücke entsteht. Wir werden uns aber noch
einmal Ende Mai zusammensetzen - wir haben auch im
April zusammengesessen -, um zu einer endgültigen Bestandsaufnahme zu kommen.
Sie haben den Bereich der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung gesondert angesprochen. In diesem
Bereich sind nicht so viele tätig. Von 127 000 Zivildienstleistenden sind 3 800 in diesem Bereich tätig. Das ist nur
ein kleiner Bereich, aber - hier stimme ich Ihnen zu - ein
sehr wichtiger Bereich, weil die selbstständige Lebensführung der Behinderten zu Hause von dem Einsatz der
individuellen Schwerstbehindertenbetreuung mit abhängig ist.
Im Bereich der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung gibt es seit 1991 ein grundsätzliches Problem, das
mit den Maßnahmen der Bundesregierung für das Jahr
2000 gar nichts zu tun hat: Immer weniger Zivildienstleistende wollen freiwillig im Bereich der individuellen
Schwerstbehindertenbetreuung arbeiten. Die in diesem
Bereich anfallende Arbeit muss freiwillig - das ist zu
Recht so geregelt - von den Zivildienstleistenden übernommen werden. Das Problem, dass in diesem Bereich
immer weniger Zivildienstleistende arbeiten wollen, gibt
es, wie gesagt, seit 1991. Vor diesem Problem stehen wir
auch in diesem Jahr. Aber ich möchte Ihnen versichern,
dass wir versuchen werden, die Schwierigkeiten, die es
noch im Bereich der Schwerstbehindertenbetreuung gibt,
bis Ende Mai bzw. bis zum Sommer zu lösen, weil auch
wir die Arbeit in diesem Bereich für eine wichtige Aufgabe halten.
Ich möchte Ihnen die aktuellen Zahlen vortragen: Derzeit sind von 127 000 Zivildienstleistenden circa 3 800 im
ISB-Erwachsenenbereich bzw. ISB-Kinderbereich eingesetzt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass
seit geraumer Zeit die Zahl der belegten ISB-Plätze rückläufig ist. Dies lässt sich mit den folgenden Zahlen belegen: 1991 standen 7 843 Zivildienstplätze in den beiden
ISB-Bereichen zur Verfügung, von denen 3 625 mit Zivildienstleistenden belegt waren. Das heißt, es standen auch
1991 sehr viel mehr Plätze zur Verfügung, als tatsächlich
belegt werden konnten. Per 15. April 2000 stehen 7 174
Zivildienstplätze zur Verfügung, von denen 2 790 mit
Zivildienstleistenden belegt sind. Ein wesentlicher
Grund - darauf habe ich bereits hingewiesen -, warum so
viele Betreuungsplätze nicht belegt sind, ist die mangelnde Nachfrage geeigneter Bewerber nach solchen Zivildienstplätzen.
Eine gegenläufige Entwicklung ist allerdings im Bereich ISB von Kindern zu beobachten. Hier standen 1991
lediglich 493 Plätze zur Verfügung, von denen 310 mit Zivildienstleistenden besetzt waren. Am 15. April 2000
standen 1 552 Plätze in diesem Bereich zur Verfügung,
von denen 1 003 mit Zivildienstleistenden besetzt waren.
Im Bereich der Betreuung von schwerstbehinderten Kindern steigt also die Zahl der Zivildienstleistenden,
während sie im Bereich der Betreuung von schwerstbehinderten Erwachsenen sinkt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Dr. Seifert, bitte.
Vielen Dank für die ausführliche Darstellung der Zahlen. - Habe ich noch zwei Zusatzfragen, Frau Präsidentin?
Sie haben insgesamt
vier Zusatzfragen, weil die zwei schriftlich von Ihnen eingereichten Fragen zusammen beantwortet wurden.
Dann möchte ich auf meine
zweite schriftlich eingereichte Frage zurückkommen.
Welche Erkenntnisse liegen dem Ministerium über die
Auswirkung der durch das Haushaltssanierungsgesetz
hervorgerufenen zusätzlichen Belastungen auf die Einsatzstellen vor, wenn sie zum Beispiel 30 Prozent des Entlassungsgeldes selbst zahlen müssen? Die Einsatzstellen
haben doch keine andere Möglichkeit, als diese Belastungen auf ihre Klienten umzulegen. Bedeutet dies für die
Betreuungsbedürftigen nicht eine zusätzliche Zuzahlung,
die man ihnen eigentlich nicht mehr zumuten kann?
Ich glaube, wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Worum
geht es eigentlich? Die Tatsache, dass die Beschäftigungsstellen mit 30 Prozent am Entlassungsgeld beteiligt
wurden und dass sie sich statt wie bisher nicht mehr mit
25 Prozent, sondern mit 30 Prozent am Sold der Zivildienstleistenden beteiligen müssen - das entspricht einer
Erhöhung von 5 Prozentpunkten -, bedeutet für die Wohlfahrtsverbände Mehrausgaben in Höhe von 2 DM pro Zivildienstleistenden und Tag.
({0})
Ich möchte auf die Kalkulationspraxis der Wohlfahrtsverbände eingehen. Die Wohlfahrtsverbände führen sehr
häufig Mischkalkulationen durch, in deren Rahmen sie
die Beschäftigung von Zivildienstleistenden nutzen, um
zusätzliche Einnahmen zu erzielen bzw. ihr übriges Personal mit zu finanzieren. Ich glaube nicht, dass sich die
zusätzliche Belastung in Höhe von 2 DM pro Zivildienstleistenden und Tag - Klagen von Wohlfahrtsverbänden
darüber liegen uns auch nicht vor - auf die Beteiligung der
Betroffenen an den Kosten auswirken wird, wenn sie Zivildienstleistende in Anspruch nehmen.
Kollege Dr. Seifert,
Ihre nächste Zusatzfrage.
Frau Niehuis, Ihr Glaube in allen Ehren; ich hoffe, dass er zutrifft.
Ich möchte auf die längerfristig tätige Kommission, die
sich mit der zukünftigen Struktur befasst und auf die ich
in meiner ersten Zusatzfrage eingegangen bin, zurückkommen. Können Sie mir nach der Konstituierung dieser
Kommission sagen, mit welchen strukturellen Fragen sich
diese Kommission befassen wird? Gibt es Szenarien für
den so genannten schlimmsten Fall, falls zum Beispiel der
Zivildienst nicht mehr existiert, weil - theoretisch möglich - die Wehrpflicht abgeschafft wird? Welcher Ersatz
für den Zivildienst ist angedacht? Welche Übergangsvorschläge - das ist mindestens genauso wichtig - kann
man von dieser Kommission überhaupt erwarten?
Herr Kollege Dr. Seifert, wir waren beide schon im Raum,
als meine Kollegin Frau Schulte zu diesem Punkt Antworten gegeben hat. Sie hat zum einen nicht in Aussicht
gestellt, dass die Wehrpflicht abgeschafft wird; zum anderen hat sie - das beantwortet Ihre Frage - darauf aufmerksam gemacht, dass das Verteidigungsministerium
zunächst einmal abwartet, bis am 23. Mai das Ergebnis
und in der Folge die Beschlüsse der Bundesregierung vorgelegt werden.
Das, was im Moment in den Medien stattfindet - es
wird über etwas diskutiert, was irgendwie dorthin gelangt
ist; ob es vollständig ist, kann ich nicht beurteilen -, ist
kein fairer Umgang mit der Zukunftskommission und
schon gar nicht mit ihrem Vorsitzenden. Ich möchte mich
daran eigentlich nicht beteiligen.
Ich möchte, dass durch die Besetzung dieser Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten aus der Praxis des
Zivildienstes und durch die verteidigungspolitischen Beschlüsse sichergestellt wird - wie auch immer das Ergebnis sein wird -, dass der soziale Bereich, um den es insbesondere geht, auch weiterhin betreut werden kann.
Dennoch muss ich grundsätzlich anmerken, dass der Zivildienst keinen Sicherstellungsauftrag für den sozialen
Bereich hat; vielmehr hat er grundsätzlich einen Sicherstellungsauftrag, was Wehrgerechtigkeit anbetrifft.
Es ist wichtig, dass wir uns das vergegenwärtigen, weil
die Zahl der Zivildienstleistenden - ganz unabhängig davon, was in Zukunft entschieden werden muss - so variiert, dass es fahrlässig wäre, wenn man den sozialen Bereich nur darauf fußen lassen würde. Zu Beginn der
90er-Jahre hatten wir im Durchschnitt etwa 90 000 Zivildienstleistende: 1990 waren es 89 051. 1991 hatten wir
79 091 und im letzten Jahr waren es 138 364. Der Spielraum liegt bei ungefähr 40 000 Zivildienstleistenden.
Jeder Wohlfahrtsverband sollte vorsichtig sein, wenn
er darüber entscheidet, ob er pflegebedürftige Menschen
nur von Zivildienstleistenden betreuen lässt. Ein solches
Vorgehen steht immer auf wackligen Füßen; denn man ist
abhängig von der Geburtenstärke der jeweiligen Jahrgänge und von der individuellen Gewissensentscheidung
der jungen Männer. Diese zwei Variablen können weder
die Bundesregierung noch die Wohlfahrtsverbände beeinflussen. Hierüber wird Jahr für Jahr neu entschieden. Insofern ist es schwierig, mit den Zivildienstleistenden den
Personalbedarf im sozialen Bereich abzudecken.
Die Frage 24 des Abgeordneten Klaus Haupt entfällt wegen Abwesenheit des
Parl. Staatsekretärin Dr. Edith Niehuis
Kollegen. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Hans-Michael
Goldmann werden nicht beantwortet, weil der Fragesteller ebenfalls nicht anwesend ist. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Brunhilde Irber
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 31 des Kollegen Georg Girisch:
Wie erklärt die Bundesregierung den Unterschied zwischen
dem im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, durch solidarische Hilfen zur ökonomischen und demokratischen Stabilisierung der
MOE-Staaten beitragen zu wollen, und ihrem tatsächlichen politischen Handeln, keine ausreichenden Investitionsmittel für eine
rasche Fertigstellung der Ost-West-Magistrale A 6, die einen
Lückenschluss bei einer europäischen Autobahn zwischen der
französischen Atlantikküste bis fast zum Schwarzen Meer darstellt, einzuplanen - weder im aktuellen Investitionsprogramm
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
noch im so genannten Anti-Stau-Programm?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Siegfried Scheffler zur Verfügung.
Lieber Kollege Girisch, die Frage ist bekannt, auch wenn sie
recht lang ist, sodass ich mir die Wiederholung erspare.
Die Bundesregierung verfolgt das in der Koalitionsvereinbarung genannte Ziel, die Europäische Union aktiv
dabei zu unterstützen, durch eine wirksame Heranführungsstrategie und solidarische Hilfen zur ökonomischen und demokratischen Stabilisierung der mittel- und
osteuropäischen Länder beizutragen, mit Nachdruck.
Deutlich wird dies zunächst in der konzentrierten und engagierten Mitarbeit in den entsprechenden Arbeitsgruppen der Europäischen Kommission. Darüber hinaus enthalten die den MOE-Ländern von der Europäischen
Union zur Verfügung gestellten Finanzmittel wesentliche
deutsche Anteile.
Über dieses europäische Engagement hinaus verfolgt
die Bundesregierung den Ausbau des Bundesautobahnnetzes, insbesondere auch unter Berücksichtigung transeuropäischer Verkehrsverbindungen. Dies gilt auch für
die A 6. Diese Aussage hat Minister Klimmt zuletzt in der
Debatte am 14. April dieses Jahres im Deutschen Bundestag bestätigt. Im Hinblick auf die parallel laufenden
europäischen und nationalen Aktivitäten gibt es keinen
Unterschied im Verhalten der Bundesregierung.
Herr Kollege
Girisch, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für dieses
Projekt, das eng mit der EU-Osterweiterung zusammenhängt, von der EU zusätzliche Mittel zu erhalten, ohne
dass andere EU-Mittel für Deutschland geschmälert werden?
Herr
Kollege Girisch, Sie heben auf die Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 ab. Ich darf daraus zitieren.
In dem betreffenden Absatz, der Ihnen vorliegt, heißt es:
Die neue Bundesregierung wird die Europäische
Union aktiv dabei unterstützen ...
Es ist also nicht von einem umgekehrten Verhältnis die
Rede. Wir unterstützen die Europäische Union durch eine
wirksame Heranführungsstrategie und solidarische Hilfen
dabei, zur ökonomischen und demokratischen Stabilisierung der mittel- und osteuropäischen Länder beizutragen.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme von zusätzlichen EU-Mitteln zum Bau der Autobahn zwischen den
Anschlussstellen Amberg-Ost und Waidhaus - das haben
sehr viele Gespräche ergeben - ist natürlich die vorhandene Baureife. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass
unsere tschechischen Partner gleichfalls mit europäischen
Mitteln und - ich sagte es bereits - auch deutschen Anteilen im letzten Bauabschnitt die Verbindung von Pilsen bis
zur tschechisch-deutschen Grenze vorantreiben. Ihnen ist
natürlich auch bekannt, dass bei einzelnen Streckenabschnitten - ich denke nur an Amberg-Ost-AK Pfreimd,
Pfreimd-Woppenhof-Kaltenbaum oder KaltenbaumLohma, während Lohma-Waidhaus bereits unter Verkehr
ist - hier noch erhebliche Probleme zu erwarten sind oder
Gerichtsverfahren anhängig sind.
Herr Kollege
Girisch, bitte Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, dass auch andere Verkehrsprojekte, die eng mit der europäischen Einigung zusammenhängen, durch eine gemeinsame Finanzierung aus Mitteln
der EU schneller gebaut werden können, und können Sie
mir auch sagen, wer in der Bundesregierung der Ansprechpartner für die gesamte Thematik EU-Osterweiterung ist?
Herr
Kollege Girisch, Sie wissen natürlich - das habe ich mit
der Beantwortung der vorherigen Frage deutlich zu machen versucht -, dass entsprechendes Planungsrecht und
auch die Baureife für die Abschnitte glaubhaft gemacht
werden müssen, bevor EU-Hilfen beantragt werden können. Das ist die Voraussetzung für derartige Anträge.
Bei Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im transeuropäischen Verkehrsnetz - im vorliegenden Falle geht es ja,
wenn Sie so wollen, um eine europäische Transversale ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen federführend. Unabhängig davon können wir
entsprechend Ihrer Fragestellung davon ausgehen, dass
das Auswärtige Amt hier natürlich ebenfalls koordinierend wirken könnte.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Deß, bitte.
Vizepräsidentin Petra Bläss
Herr Staatssekretär, die
Bundesregierung sagt, dass das Ökosteueraufkommen zur
Entlastung der Lohnnebenkosten verwendet werden soll.
Es ist aber bekannt, dass ein großer Teil dieses Aufkommens nach Umsetzung der dritten Stufe der Ökosteuer
nicht mehr zur Entlastung der Lohnnebenkosten verwendet wird. Wäre es hier nicht angebracht, einen Teil dieser
Mittel zum Ausbau der Verkehrswege zu verwenden?
Sie
wissen natürlich, dass der Bundesminister entsprechend
dem Auftrag und in enger Abstimmung mit der
Verkehrsministerkonferenz nach zusätzlichen finanziellen Mitteln für den Neu- und Ausbau, aber auch für den
Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur nicht nur Ausschau
hält, sondern er hat auch eine unabhängige Kommission
eingesetzt - das möchte ich betonen -, die dem Bundesminister entsprechende Vorschläge unterbreitet. Unabhängig davon hat der Bundesminister für Verkehr, Bauund Wohnungswesen dem Kabinett und dem Deutschen
Bundestag das Anti-Stau-Programm vorgestellt, gemäß
dem über 7 Milliarden DM sowohl für Straßen- als auch
für Schienen- und Bundeswasserstraßenprojekte eingesetzt werden.
Sie haben die dritte Stufe der ökologischen Steuerreform angesprochen. Wir können natürlich heute noch
nicht über ungelegte Eier und Abschlüsse reden. Insofern
können über konkrete Finanzierungszusagen im Rahmen
der jährlichen Abstimmung der Haushalte keine Absprachen getroffen werden.
Die nächste Zusatzfrage kommt vom Kollegen Brüderle. Bitte.
Herr Staatssekretär, die
Bundesregierung hat ja anders als ihre Vorgängerregierung die Privatfinanzierung zurückgenommen bzw. nicht
fortgeführt. Es sind damals 12 Projekte, wenn ich mich
richtig erinnere, privat finanziert worden. Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der drängenden Engpässe auf
dem Verkehrssektor ihre negative Haltung gegenüber der
Privatfinanzierung zu überdenken?
Kollege Brüderle, ich bitte, hier zu unterscheiden. Wir haben
ja die Möglichkeit, das seit 1994 geltende Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz in einer größeren Bandbreite, als Sie es hier deutlich gemacht haben, anzuwenden. Die damalige Bundesregierung hat insbesondere
Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur
in den neuen Bundesländern, aber auch, um Zeit zu sparen, in den alten Bundesländern nach dem Betreibermodell bzw. durch private Vorfinanzierung vorgezogen.
Nach dem ersten Modell werden die Ihnen bekannte Warnow-Querung und die Trave-Querung bei Lübeck realisiert. Wir werden darüber hinaus andere Modelle - ich
verwies bereits auf die nach dem Vorsitzenden benannte
Pällmann-Kommission - in Betracht ziehen.
Die Bundesregierung wird aber vorfinanzierten Projekten aus den folgenden Gründen nicht zustimmen. Einmal müssen wir schon mit dem Jahr 2000 für zehn Jahre
jährlich Millionen in die Haushalte einstellen; gegenwärtig werden sie alleine mit 560 Millionen DM belastet.
Hier werden übrigens nicht nur die Länder, in denen diese
vorfinanzierten Projekte realisiert werden, belastet, sondern es sind alle Bundesländer davon betroffen. Die
finanzschwächeren Länder in der Bundesrepublik ({0})
das sind nicht nur die neuen Bundesländer, sondern auch
andere - müssen letztendlich zur Refinanzierung von Projekten mit beitragen. Insofern werden wir das Modell der
privaten Vorfinanzierung von Projekten nicht weiter verfolgen.
Ich rufe jetzt die
Frage 32 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Trifft es zu, dass geplant ist, die Ökopunkte im Lkw-Verkehr
zwischen Deutschland und Österreich im laufenden Jahr zusätzlich zu reduzieren, und - wenn ja - welche Auswirkungen hat
diese Reduzierung im Hinblick auf die EU-Osterweiterung?
Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Kurt Bodewig zur Verfügung.
Sehr geehrter Herr Kollege Hofbauer, die EU-Kommission plant
eine zusätzliche Reduzierung der Ökopunkte für alle EULastkraftwagen über 7,5 Tonnen, ich sage ausdrücklich:
im Transit durch Österreich. Der Kürzungsvorschlag der
EU bezieht sich nicht auf den Lkw-Verkehr zwischen
Deutschland und Österreich, wie es in Ihrer Frage enthalten ist.
Es steht bisher nicht fest, ob und in welchem Ausmaß
die Kürzung erfolgt. Alle Mitgliedstaaten, auch Deutschland, mit Ausnahme Österreichs haben sich bisher gegen
eine zusätzliche Reduzierung der Ökopunkte ausgesprochen. Die derzeit vorgesehene Reduzierung der Gesamtzahl der Ökopunkte für das Jahr 2000 hat keine Auswirkung auf die EU-Osterweiterung und steht damit auch in
keinem zeitlichen Zusammenhang. Das Ökopunktesystem läuft Ende 2003 aus, wie es damals im Protokoll zum
EU-Beitritt Österreichs festgelegt worden ist.
Herr Kollege
Hofbauer, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie teilen sicher meine Auffassung, dass diese Ökopunkte
ein Problem sind, insbesondere für das wirtschaftliche
Zusammenwachsen der Länder. Kann ich Ihrer Antwort
entnehmen, dass für den Durchgangsverkehr zum Beispiel von Deutschland nach Ungarn eine Reduzierung der
Ökopunkte nicht erfolgt? Was wird die Bundesregierung
tun, damit es keine Reduzierung gibt?
KurtBodewig,Parl.StaatssekretärbeimBundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ich komme
zunächst zu Ihrer zweiten Frage. Die Bundesregierung hat
hier eine klare Position und wird sie im Rahmen der Gespräche mit der EU-Kommission, von der ja die Initiative stammt, eindeutig vertreten. Wie Sie sich vorstellen
können, wird sie natürlich versuchen, hier einen Konsens
mit den anderen Mitgliedstaaten der EU zu erreichen.
Zu Ihrer ersten Frage. Das Ökopunktesystem ist Bestandteil des Protokolls Nr. 9 zu den Beitrittsverhandlungen mit Österreich. Insofern gilt es bis zum Jahr 2003. Es
ist nicht erfolgversprechend, zu versuchen, einzelne
Transitverkehre herauszunehmen.
Bitte, Herr Kollege,
Ihre zweite Zusatzfrage.
Besteht die Möglichkeit, dass die Liste der Fahrten, die nicht aufgenommen
worden sind, zum Beispiel für den Werkverkehr ausgedehnt wird? Kann man davon ausgehen, dass ab 2003
diese Ökopunkte nicht mehr gelten?
Ich schildere einmal kurz die Ausgangslage, weil sie entscheidend
ist. Sie melden jetzt zusätzliche Wünsche an. Ich sage im
Umkehrschluss: Es gibt eine Initiative der EU-Kommission unter Bezug auf dieses Protokoll, das eben eine Reduktion dieser Ökopunkte vorsieht. Insofern ist die
Hauptaufgabe der Bundesregierung zurzeit, dieser Initiative der EU im Interesse der Transitverkehre zu begegnen,
zumal die Bundesregierung sehr deutlich darauf hinweist,
dass der Schienenverkehr in Österreich die zusätzlichen
Volumen, die durch eine Reduzierung der Ökopunkte auf
den Verkehr zukommen würden, überhaupt nicht bewältigen könnte.
Ich rufe jetzt die
Frage 33 des Kollegen Hofbauer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Einführung eines Flügelkonzeptes bei der Bahnlinie München-Hof mit umsteigefreien
Verbindungen in Neufahrn nach Bogen, in Schwandorf nach Furth
i. W. und Amberg und weitere Verbindungen im Taktverkehr zum
Beispiel über ihre Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn
AG voranzutreiben und eine Ausweitung nach Tschechien, zum
Beispiel nach Pilsen, unter anderem durch Verhandlungen mit der
tschechischen Regierung zu unterstützen?
Diese Frage wird wiederum vom Kollegen Siegfried
Scheffler beantwortet.
Herr
Kollege Hofbauer, seit der Eisenbahnstrukturreform sind
gemäß Entscheidung des Gesetzgebers die Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung auf das neu entstandene
Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bahn AG begrenzt.
Die Einführung eines Flügelkonzeptes für die Bahnlinie
München-Hof - sofern es aus verkehrlichen und betrieblichen Aspekten darstellbar wäre - fällt ausschließlich in
den unternehmerischen Verantwortungsbereich der nach
dem Aktiengesetz arbeitenden Gesellschaft. Nach § 76
Aktiengesetz ist der Vorstand des jeweiligen Unternehmens für die Führung der Geschäfte verantwortlich.
Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
im 13. Deutschen Bundestag zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen staatlicher und unternehmerischer Verantwortung verwiesen, die in der Anlage 1 der Bundestagsdrucksache 13/6149 veröffentlicht wurde.
In Verhandlungen mit der tschechischen Regierung
kann die Bundesregierung bei der dargelegten Zuständigkeitsabgrenzung auf die Rahmenbedingungen gestaltend
Einfluss nehmen. Sie begrüßt die Anstrengung zur verstärkten Nutzung der Schiene für die Verkehrsleistung
auch von und nach Tschechien.
Herr Kollege
Hofbauer, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vielleicht dafür Verständnis, dass diese Antwort
nicht gerade befriedigend ist, weil für den politischen
Raum die Möglichkeiten, bei der Bahn Einfluss zu nehmen, sehr geschmälert werden. Ich frage Sie deshalb:
Welche Gespräche hat die Bundesregierung mit der Bahn
geführt, dass hier ein solches Konzept, das vor Ort immer
wieder angekündigt wird, umgesetzt werden kann? Welche Gespräche führt die Bundesregierung mit der
Bahn AG?
Das Zweite: Sind bereits mit der tschechischen Regierung Gespräche geführt worden, hier ein grenzüberschreitendes Nahkonzept aufzubauen?
Lieber Herr Kollege Hofbauer, ich möchte Ihnen jetzt nicht
das vortragen, was in der entsprechenden Drucksache
steht und was der Deutsche Bundestag - wir waren beide
gemeinsam dabei - dazu festgelegt hat, nämlich die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Bundes, der Deutschen
Bahn AG und übrigens auch der Länder in Folge der
Bahnreform. Das würde zu weit führen. Soweit das in der
Anlage nicht schriftlich erfolgt ist, würde ich Ihnen das
gerne zur Verfügung stellen. Insofern können die Bundesregierung und der zuständige Bundesverkehrsminister
keinen direkten Einfluss auf die Deutsche Bahn AG nehmen.
Was zum Beispiel den Ausbau und die Elektrifizierung
der Strecke Nürnberg-Prag, Marktredwitz oder die Weiterentwicklung der Eisenbahn Berlin-Prag-Wien betrifft
bzw. auch andere Räume, da kann ich gerne über die Aktivitäten der alten und der neuen Bundesregierung informieren. Im Nahverkehrsbereich oder im Verkehrsbereich
Regionalverkehr kommt hinzu, dass die Verantwortlichkeiten nach der Bahnreform und nach der Grundgesetzänderung - übrigens aufgrund der Forderung der einzelnen Länder - bei den Ländern liegen. Da kann die
Bundesregierung schlecht Einfluss nehmen. Sie stellt, damit die Länder Verkehre nicht nur entwickeln, sondern bei
der Deutschen Bahn AG auch bestellen, die entsprechenden Mittel zur Verfügung.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicher bekannt, dass nach dem Grundgesetz die
Bundesregierung im Fernverkehr verantwortlich ist. In
meinem Wahlkreis werden mit Einführung des
Sommerfahrplans in der kommenden Woche drei Interregio-Strecken stillgelegt. Das heißt, der Zug von Dresden
nach Oberstdorf fährt künftig nicht mehr siebenmal, sondern nur mehr viermal. Das ist, wenn ich das recht sehe,
eine Verantwortung der Bundesregierung. Wenn die Bundesregierung für den Fernverkehr die Verantwortung trägt
und diese Strecken gestrichen werden, dann sollte sie
zumindest dafür sorgen, dass ein Flügelkonzept, so wie es
der Herr Kollege Hofbauer sich vorstellt, eingeführt wird.
Auch
Ihnen, lieber Herr Kollege Girisch, würde ich gerne eine
Kopie der entsprechenden Drucksache mit der Abgrenzung der Zuständigkeiten geben. Ich erspare mir das. In
Punkt 2 steht etwas zur unternehmerischen Verantwortung der DB AG und zur staatlichen Verantwortung des
Bundes. Das, was Sie hier eben eingeklagt haben, steht
ganz klar in der unternehmerischen Verantwortung. Die
Deutsche Bahn AG ist natürlich für die Ausgestaltung des
Fahrplanes und im Übrigen auch für die Festlegung der
Takte und für die Entscheidung, welche Strecken sie letztendlich fährt oder eine Streckenübernahme durch Dritte,
zuständig. Das ist ganz klar geregelt. Ich selbst war 1993
im zuständigen Verkehrsausschuss. Mit einem breiten,
parteiübergreifenden Konsens - übrigens auch gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Ländern - wurde
hier die Festlegung der Bahnreform getroffen.
Die Fragen 34 und 35
des Kollegen Kolb entfallen wegen Abwesenheit des Abgeordneten. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe als letzten Geschäftsbereich den des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten
Dr. Christian Ruck:
Mit welchen Initiativen will die Bundesregierung dem Eindruck
entgegenwirken, sie nehme die Verpflichtung aus der dieser Regierung zugrunde liegenden Koalitionsvereinbarung nicht ernst,
„eine größere Harmonisierung der Umweltvorschriften in der Europäischen Union auf hohem Niveau“ anzustreben?
Die Frage, Herr Kollege Dr. Ruck, der ich einen durchaus
suggestiven Charakter zuordnen würde, möchte ich
folgendermaßen beantworten:
Die Bundesregierung nimmt die Koalitionsvereinbarung in Bezug auf eine größere Harmonisierung von Umweltvorschriften auf hohem Niveau natürlich sehr ernst.
Sie setzt sich mit Nachdruck und erfolgreich für eine
Harmonisierung des europäischen Umweltrechts auf hohem Niveau ein.
Die deutsche Präsidentschaft konnte 1999 im Umweltbereich viele schwierige Vorhaben voranbringen. Eine gemeinschaftsweite Begrenzung des höchstzulässigen Abgasausstoßes, etwa bei Dioxin, war Gegenstand der
politischen Einigung in Form eines gemeinsamen Standpunktes zur geplanten Abfallverbrennungsrichtlinie.
Ein gemeinsamer Standpunkt konnte weiterhin bei der
Änderung der Richtlinie über die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen erreicht werden. Einheitliche Kriterien für die Erreichung eines guten Gewässerzustands konnten mit dem gemeinsamen Standpunkt zur
Wasserrahmenrichtlinie festgelegt werden. Einigung erzielte der Rat auch über fünf weitere Vorhaben, darunter
neue Verordnungen zum Umweltmanagement und zur Finanzierung von Umweltinvestitionen, das LIFE-III-Projekt. Schließlich ist es gelungen, durch Ratsschlussfolgerungen die dringend notwendige Fortentwicklung der
europäischen Chemiepolitik anzustoßen.
Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung zum
Beispiel bei den Verhandlungen über die Änderung der
Richtlinie zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von
Großfeuerungsanlagen in die Luft aus Umwelt- und Wettbewerbsgründen gegen den erheblichen Widerstand aus
anderen Mitgliedstaaten für eine effektive Altanlagenregelung ein.
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft nachdrücklich für die Harmonisierung weiterer Umweltvorschriften
der Europäischen Union auf hohem Niveau eintreten.
Dies entspricht ihrem Ziel einer am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgerichteten Umweltpolitik.
Zu einer ersten Zusatzfrage Herr Kollege Ruck, bitte.
Frau Staatssekretärin, welche konkreten Schritte und Initiativen hat denn die
Bundesregierung unternommen, um auf EU-Ebene die
ökologisch bedingten oder klimaschutzrelevanten Steuern zu harmonisieren?
Ich denke, ich habe Ihnen eben eine umfassende Übersicht gegeben.
({0})
- Das ist leider auch nicht aus Ihrer Frage hervorgegangen. Insofern würde sich zum Steuerrecht jetzt besser das
Finanzministerium weitergehend äußern. Das wäre einmal eine ganz neue Form der umfassenden Beantwortung.
Das ist kein Problem. Die
Fragen werden ja an die Bundesregierung gerichtet. Deshalb können wir sie auch gemeinschaftlich beantworten.
Die Bundesregierung hat alle Anstrengungen unternommen, um auf der europäischen Ebene zu einer einheitlichen Besteuerung von Energie zu kommen. Insbesondere zur Zeit ihrer Präsidentschaft hat sie alle
Anstrengungen dazu unternommen. Die einheitliche Besteuerung ist allerdings an der einzigen konservativen Regierung in Europa, nämlich an der spanischen Regierung,
gescheitert.
Herr Kollege Ruck zu
einer zweiten Zusatzfrage, bitte.
Diese Frage geht in
dieselbe Richtung. Wie groß sehen Sie die Chancen, in
nächster Zeit in Brüssel zu einer weiteren Harmonisierung klimaschutzrelevanter Steuern zu kommen?
Diese Chance ist nur dann
vorhanden, wenn die spanische Regierung sich einsichtig
zeigt. Es gibt Anzeichen dafür, dass die spanische Regierung diese Einsicht nach der erfolgten Neuwahl, obwohl
sie in unveränderter Zusammensetzung regiert, vermehrt
gewinnt.
Wir kommen jetzt zur
Frage 37 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs:
Wie begründet die Bundesregierung zusätzliche Organdosiswerte zur Begrenzung deterministischer Strahlenrisiken, da nach
Absenkung der Strahlenschutz-Grenzwerte gemäß der neuen Euratom-Grundnormen die effektive Dosis bereits so niedrig liegt,
dass deterministische Strahlenschäden ausgeschlossen sind ({0})?
Die den Verbänden zugeleitete und in das Internet eingestellte Entwurfsfassung zur Novellierung der Strahlenschutzverordnung enthält über die Euratom-Grundnormen hinausgehend sowohl für den Schutz bei beruflicher
Strahlenexposition als auch für den Schutz der Bevölkerung hinsichtlich der Begrenzung von Ableitungen radioaktiver Stoffe zusätzliche Organdosisgrenzwerte. Die Organdosisgrenzwerte sind dabei identisch mit denen der
derzeit geltenden Strahlenschutzverordnung in der Fassung vom 30. Juni 1989. Die Änderungsfassung folgt insoweit nicht den Euratom-Grundnormen, die, abweichend
von den bisherigen Euratom-Grundnormen, Organdosisbegrenzungen nur noch für die Augenlinse, die Haut,
die Hände, Unterarme, Füße und Knöchel vorsehen.
Ziel ist es, zusätzlich zur Absenkung des Grenzwertes
für die effektive Dosis zu verhindern, dass künftig Einzelorgane höher belastet werden können, als dies im Augenblick zulässig ist. Dies betrifft den beruflichen Strahlenschutz. Hinsichtlich des Bevölkerungsschutzes wird
durch die Beibehaltung der Organdosisbegrenzungen bei
Ableitungen verdeutlicht, dass diese Werte auch künftig
maßgebend für die Bestimmung der Rückhaltetechniken
bleiben.
Herr Kollege Laufs,
bitte Ihre erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
können Sie bestätigen, dass die effektive Dosis das Maß
für die Eintrittswahrscheinlichkeit von deterministischen
und stochastischen Schäden ist und dass der Strahlenschutz durch die zusätzliche Festlegung sehr niedriger
Grenzwerte für Teilkörperdosen nicht wirklich verbessert
werden kann?
Herr Kollege Laufs, Sie wissen, dass die effektive Strahlendosis eine Gesamtschau bzw. einen Querschnitt der
Belastung darstellt. Die Teilkörperdosen beziehen sich
aber auf die einzelnen Organe. Einzelne Organe sind unterschiedlich belastbar. Deshalb wird in Art. 9 der Euratom-Grundnormen für die Bereiche, die ich soeben genannt habe, auch weiterhin die Bestimmung von Organdosen vorgesehen.
Aus diesem Grunde hat sich die Bundesregierung dahin verständigt, dass sie auf nationaler Ebene das Konzept
der Einzelbetrachtung weiterhin verfolgen will, was nach
Art. 54 der Euratom-Grundnormen ausdrücklich erlaubt
ist.
Herr Kollege Laufs,
bitte Ihre zweite Zusatzfrage.
Habe ich Sie richtig verstanden, Frau Staatssekretärin, dass nach wie vor in ganz
Europa im Rahmen der Euratom-Grundnormen Teilkörperdosisgrenzwerte für bestimmte Organe gemessen und
festgelegt werden?
Da
haben Sie mich richtig verstanden. Ich habe Ihnen die entsprechenden Organe genannt: Das betrifft die Augenlinse,
die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und die
Knöchel. Um hier die Unterschiede deutlich zu machen:
Die Haut zum Beispiel ist unsensibler als andere Organe.
Dass wir die nationale Regelung, was die Organdosen angeht, beibehalten, hat auch damit zu tun, dass wir vom
Bundesrat aufgefordert worden sind, im Rahmen der
neuen Konzeption den bisherigen Standard auf alle Fälle
zu garantieren. Das tun wir hiermit.
Ich rufe jetzt die letzte
Frage, die Frage 38 des Kollegen Dr. Laufs, auf:
Wie vereinbart die Bundesregierung die über die neuen
Euratom-Grundnormen hinausgehende Beibehaltung von Teilkörperdosisgrenzwerten mit dem Anspruch einer EU-weiten
Harmonisierung von Rechtsvorschriften und dem Abbau von
Handelshemmnissen auch für Serviceleistungen?
Mit der Beibehaltung der zusätzlichen Teilkörperdosisgrenzwerte wird von der in Art. 54 der Euratom-Grundnormen den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit,
strengere Dosisgrenzwerte zu erlassen, Gebrauch gemacht. Diese Abweichung ist damit europarechtlich
zulässig. In der Entwurfsfassung wird dadurch vermieden, dass künftig sowohl bei den Arbeitskräften als auch
bei der Bevölkerung höhere Strahlenexpositionen, als
nach der geltenden Fassung der Strahlenschutzverordnung vorgesehen, zulässig wären. Sie verfolgt damit das
Ziel, das Niveau des Strahlenschutzes im Rahmen der
vorgesehenen Novellierung nicht abzusenken.
Damit habe ich Ihnen noch einmal das vorgetragen,
was ich auf Ihre Nachfragen hin zu verdeutlichen schon
versucht habe.
Herr Kollege Laufs
hat eine Zusatzfrage. Bitte.
Frau Staatssekretärin,
bedeutet dies nicht, dass deutsche Unternehmen angesichts dessen, dass die Bundesregierung in diesem Bereich auf nationaler Ebene sehr viel weiter gehen will als
andere Länder, ihre Mitarbeiter nicht mehr in solche Länder schicken können, in denen die Messung von Teilkörperdosen aufgrund der Euratom-Grundnormen nicht mehr
durchgeführt wird?
Zunächst einmal sollten wir bei diesem Thema daran denken, den Schutz der Bevölkerung - hier geht es in erster
Linie um den Teil der berufstätigen Bevölkerung, der mit
solchen Strahlenexpositionen konfrontiert wird - in den
Vordergrund zu stellen.
({0})
Zum Zweiten aber kann ich Ihnen versichern, dass
nach Angaben der GRS zum Beispiel bei den Atomkraftwerken keine Probleme zu erwarten sind, die niedrigeren
Grenzwerte zu erreichen; denn sie sind so ausgelegt, dass
sie schon jetzt die Grenzwerte unterschreiten. Das heißt,
eine Wettbewerbsverzerrung, wie Sie sie gerade beschrieben haben, liegt bei den Atomkraftwerken nicht vor.
Herr Kollege Laufs, Sie haben eine weitere Zusatzfrage? - Bitte
schön.
Frau Staatssekretärin,
damit bestätigen Sie ja den Hintergrund meiner Fragen,
nämlich dass durch die Absenkung der Dosisgrenzwerte
die Notwendigkeit entfällt, noch im Einzelnen Organdosisgrenzwerte vorzugeben, dies auch zu verfolgen und
dafür zu sorgen, dass sie allgemein durchgesetzt werden,
was im Ausland zu großen Schwierigkeiten führt.
Diese Konsequenz kann ich darin nicht sehen. Es ist die
Aufgabe der Politik, mit Blick auf das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, insbesondere der in diesem Bereich
Berufstätigen, zu verfahren, das Ganze zu dokumentieren
und zu kontrollieren. Deshalb sind solche Grenzwerte die
Voraussetzung. Sie können uns aber nicht in Sicherheit
wiegen und für uns Anlass sein, hier nichts zu tun.
Die Fragestunde ist beendet, wenn es keine Zusatzfragen mehr
gibt. - Das ist, wie ich sehe, der Fall.
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Pläne der Bundesregierung, die Erbschaftsteuer zu erhöhen
Die Fraktion der CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde
beantragt.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Heinz Seiffert von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Erbschaft- und
Schenkungsteuer war ebenso wie die Vermögensteuer für
die SPD immer ein ideologisches Neidinstrument. Bereits
unserer Reform haben die damals von Lafontaine geführten Länder kurz vor Weihnachten 1996 nur widerwillig
zugestimmt. Sie haben es letztendlich nur deshalb getan,
weil das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte,
dass, wenn wir keine neue Erbschaft- und Schenkungsteuer zustande bekämen, es gar keine Steuer mehr geben
solle.
Für die damalige Opposition wie für die heutige Regierung war die Erbschaftsteuer immer ein Instrument,
um Geld abzukassieren. Mit dieser Steuer kann man das
Geld dort abholen, wo es sitzt, und deshalb war sie Ihnen
schon damals zu niedrig. Das ist bis heute so geblieben.
Insofern überrascht uns Ihre Absicht, sie zu erhöhen,
überhaupt nicht.
Immer dann, wenn in der SPD der linke Flügel ruhig
gestellt werden muss, ist es wieder so weit: Dann redet
man von der Wiedereinführung der Vermögensteuer oder
der Einführung einer Vermögensabgabe. Und wenn das
nicht klappt, muss das Neidinstrument Erbschaftsteuer
herhalten. Dabei nehmen Sie in Kauf, dass von einer drastischen Höherbewertung der Ein- und Zweifamilienhäuser, wie sie die Experten vorbereiten, gerade die so genannte Neue Mitte, die Sie immer verbal umwerben, betroffen wird. Sie verkennen auch, dass es sich gerade bei
den Immobilien um Vermögenswerte handelt, die bereits
mehrfach versteuert worden sind. Das alles ignorieren
Sie.
({0})
Es geht jetzt auch nicht darum - wie Sie vorgeben -,
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerechter umzusetzen, als wir dies getan hätten. Es geht allein darum,
den Parteitagsbeschluss der SPD vom November 1999 zu
erfüllen. Es gibt nicht den geringsten sachlichen Grund,
die Erbschaftsteuer zu erhöhen, auch nicht den, den Auftrag des Verfassungsgerichts besser zu erfüllen. Wir haben
die Bewertung des Grundvermögens 1997 auf eine verfassungsmäßig tragfähige und gerechte Basis gestellt. Das
Verfassungsgericht hat ausdrücklich zugelassen, dass
Grundvermögen aufgrund der mangelnden Fungibilität
nicht zum Verkehrswert veranschlagt werden muss. Wenn
Sie jetzt das Grundvermögen deutlich höher bewerten,
dann geht es nicht um mehr Steuergerechtigkeit, sondern
nur um das Abkassieren.
({1})
Mit den Mehreinnahmen aus der Erbschaftsteuer wollen Sie außerdem den Ländern einen Köder hinwerfen
und sie für Ihre misslungene Steuerreform gefügig machen.
({2})
Aber auch das wird nicht gelingen.
Diese rot-grüne Regierung redet, seit sie im Amt ist,
von Steuersenkungen. Aber sie tut genau das Gegenteil.
Bei jeder Ihrer glorreichen Reformen haben Sie sich in
Superlativen selbst gelobt: Das, was Sie anbieten, war immer das Größte und das Beste in der Nachkriegszeit. Tatsache ist aber leider, dass Sie die Steuer- und Staatsquote
1999 auf ein Rekordniveau hochgetrieben haben,
({3})
und diesen Weg wollen Sie nun unbeirrt weiter gehen. Die
Pläne dazu liegen bereits in den Schubladen.
Nach dem kommenden Sonntag - davon sind wir überzeugt - werden Sie die Katze aus dem Sack lassen. Neben
den Plänen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bereiten Sie die Grundlagen für die Erhöhung der Grundsteuern vor. Auch die Mehrwertsteuer ist vor Ihnen nicht sicher. Dazu kommen die regelmäßigen Erhöhungsstufen
der Ökosteuer, die den Grünen, insbesondere Ihnen, Frau
Scheel, noch längst nicht weit genug gehen.
Mit Ihrer Absicht, den Menschen noch mehr Steuern
aufzuerlegen, die Fleißigen und Leistungsbereiten noch
mehr zu bestrafen und bei den Erben der Sparsamen noch
mehr abzukassieren, gefährden Sie die Wirtschaftsentwicklung und das Vertrauen der Menschen in diesen
Staat.
({4})
„Steuererhöhungen passen überhaupt nicht in die
Landschaft“.
({5})
Dieser Feststellung des Koalitionsabgeordneten Oswald
Metzger kann ich nur zustimmen.
({6})
Für uns gilt dies allerdings auch nach der Wahl in NRW.
Vielen Dank.
({7})
Herr Kollege Poß, darf ich zu Ihrer Beruhigung sagen: Die Redezeit war noch nicht abgelaufen; vielmehr war die Rede
16 Sekunden vor Ablauf der Zeit zu Ende.
({0})
- Manchmal kommen einem Reden länger vor, wenn man
sie nicht gern hört.
({1})
Als nächster Redner hat der Kollege Klaus Lennartz
von der SPD-Fraktion das Wort.
Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Herr Kollege Seiffert, wenn Sie einmal ein
Taschentuch nehmen könnten und sich den Mund rechts
und links abwischen würden: Sie haben etwas Schaum
vor dem Mund.
({0})
Das ist bei diesem Thema nicht angebracht. Etwas mehr
Wahrheitsgehalt wäre in Ihrer Rede angebracht gewesen.
Sie haben Polemik gebracht, die wirklich keinen Wahrheitsgehalt hatte.
({1})
Wenn Sie weiterhin Ihre Zeit damit verschwenden, gut
zwei Wochen nach Ostern über ungelegte Eier nachzudenken,
({2})
braucht man sich nicht zu wundern, wenn Sie politisch
nichts auf den Weg bringen. Diese Aktuelle - ich kann
auch sagen: unaktuelle - Stunde über eine angebliche Erhöhung der Erbschaftsteuer ist so überflüssig und so erfolglos wie die Kandidatur von Herrn Dr. Rüttgers in
Nordrhein-Westfalen, der nämlich versucht, mit diesem
Thema Wahlkampf zu machen.
({3})
Schlimm ist, dass Sie bewusst bei den Menschen eine
Verunsicherung herbeiführen, die jeder, aber auch wirklich jeder Grundlage entbehrt. Ohne dass ein konkreter
Vorschlag der Bund-Länder-Kommission oder ein Gesetzentwurf hier auf dem Tisch liegen würde, wollen Sie
mit dieser Debatte den Eindruck erwecken, die jetzige
Bundesregierung wolle Omas klein Häuschen enteignen.
Dies ist unredlich, dies ist falsch. Dies ist Hetze, nichts als
pure Hetze.
({4})
Bleiben wir doch einmal zur Abwechslung bei der
Wahrheit.
({5})
Tatsacheist,HerrKollege:DieErbschaftsteuerwurde1996
unter Ihrer Regierung, unter der Regierung Kohl, erhöht.
Dabei haben Sie die Spitzensteuersätze für große ErbschaftengesenktunddieSteuersätze fürkleineErbschaften
deutlich erhöht. Eine Erhöhung um 40 Prozent - das war
Ihre Politik unter Kohl. Das scheinen Sie vergessen zu haben. Deshalb lese ich Ihnen einmal § 138 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes vor: „Die Werteverhältnisse zum 1. Januar 1996 gelten für die Feststellung von Grundbesitzwerten bis zum 31. Dezember 2001“. Sie haben durch
dieses Gesetz diese Kommission überhaupt erst geschaffen. Dies war kein Neidkomplex der SPD-Bundestagsfraktion und kein Parteitagsbeschluss.
({6})
- Das waren Sie. Sie haben es damals ins Gesetz hineingeschrieben. Sie müssen das Gesetz lesen. Lesen ist nicht
nur das Aneinanderreihen von Buchstaben, sondern dazu
gehört auch das Verstehen dessen, was Sie beschlossen
haben. Das haben Sie anscheinend nicht.
({7})
Wir wissen, dass in den nächsten Jahren bei mehr als
700 000 mittelständischen Unternehmen in Deutschland
ein Generationswechsel bevorsteht.
({8})
Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft,
kann sich darauf verlassen, dass es mit dieser Regierungskoalition keine Lösungen geben wird - gleichgültig,
wie die Ergebnisse der Expertenkommission auch ausfallen werden -, die ihm Schaden zufügen werden. Wir werden nur Lösungen akzeptieren, die die Probleme der mittelständischen Wirtschaft auch berücksichtigen. Das ist
unsere Aussage.
Sie dagegen haben in den letzten 16 Jahren keine Politik für den Mittelstand gemacht. Das Gleiche gilt auch für
den Fall der Vererbung von Omas klein Häuschen. Wir
wollen in diesem Fall Freibeträge von bis zu 1,5 Millionen DM einsetzen, damit in diesem Bereich keine Belastungen entstehen. Für uns bleibt Eigentum die Grundlage
der Freiheit. Die Bundesregierung hat keine Pläne, die
Erbschaftsteuer zu erhöhen.
({9})
Im Übrigen erwarten wir von den Ländern, zum Beispiel von Herrn Faltlhauser von der CSU, eine Gesetzgebungsinitiative. Sie sind doch die Profiteure dieser Erbschaftsteuer. Der Bund müsste doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er Ihre Arbeit in den Ländern
erledigen würde. Kommen Sie aus Ihrem Schneckenhaus
heraus und sagen Sie die Wahrheit! Sagen Sie, was Sie
vorhaben und was Sie in den 16 Jahren bis 1996 getan haben!
Darüber hinaus wäre es doch absurd, wenn wir auf der
einen Seite der privaten Altersvorsorge das Wort redeten,
um dann über die Hintertür Eigentum zu belasten. Solche
Konstruktionen spinnt sich der Kollege Dr. Rüttgers in
seinen Wahlkampfauftritten zurecht. Das offenbart aber
auch, wie es Herr Dr. Rüttgers mit der Wahrheit hält. Wer
so unehrlich und so schamlos mit den Gefühlen und den
Ängsten der Menschen umgeht, hat auf dem Sessel des
Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen nichts verloren. Diese Quittung wird ihm auch am Sonntag erteilt
werden.
Diese Bundesregierung hat mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, mit dem Familienförderungsgesetz und der Unternehmensteuerreform Steuerentlastungen in Höhe von rund 40 Milliarden DM verwirklicht.
Herr Kollege Spiller und Frau Vorsitzende Scheel, wir haben vor gut einer Stunde im Finanzausschuss das Steuerentlastungsgesetz verabschiedet. Dieses sieht bis zum
Jahre 2005 eine Steuerentlastung von mehr als 70 Milliarden DM vor, wobei allein 20 Milliarden DM auf den
Mittelstand entfallen. Das ist - im Gegensatz zu den 16
Jahren Ihrer Regierung - eine nachvollziehbare Politik.
({10})
Wir haben - im Gegensatz zu Ihnen - den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiv gemacht.
({11})
Es lohnt sich wieder, bei uns zu investieren.
({12})
Sie können hier noch so viele unaktuelle Aktuelle Stunden
beantragen und ändern dennoch nichts an den Fakten.
Mit 37,1 Prozent liegen wir weit unter dem Durchschnitt der steuerlichen Belastung innerhalb der EU. Das
ist unsere Arbeit gewesen. Sie haben das in Ihrer Regierungszeit noch nicht einmal ansatzweise geschafft. Wir
werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass diese Politik
konsequent weiter durchgeführt wird. Hinzu kommt die
Entschuldungspolitik, die Herr Kollege Eichel geschafft
hat. Dies ist eine Konzeption, nämlich Wirtschafts- und
Entschuldungspolitik im Interesse unseres Landes, unserer Wirtschaft und nicht zuletzt der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer. Darum geht es.
Ich bedanke mich.
({13})
Als
nächstem Redner gebe ich dem Kollegen Carl-Ludwig
Thiele von der FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Lennartz, nachdem Ihre Wahlkampfrede hier verklungen ist, können wir uns vielleicht
doch einmal mit den Fakten beschäftigen, die dazu geführt haben, dass wir heute eine Aktuelle Stunde durchführen.
({0})
Für die F.D.P. erkläre ich vorab: Wir lehnen eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage, die zu einem erhöhten
Erbschaftsteueraufkommen führen wird, rundheraus ab.
({1})
Zu den Fakten - um bei der Wahrheit zu bleiben, Herr
Lennartz -: Erstens. Bund und Länder haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Ziel hat, das Erbschaftsteueraufkommen zu erhöhen.
({2})
Die F.D.P. lehnt diese Erhöhung ab. Sie haben überhaupt
nicht bestritten, dass es diese Arbeitsgruppe gibt.
({3})
Nach meinem Kenntnisstand sind auch Mitarbeiter des
Bundesfinanzministeriums in der Arbeitsgruppe. Das
heißt, es wird momentan daran gearbeitet, die Bemessungsgrundlage zu erhöhen.
Zweitens. 1996 ist die Bewertung des Grundvermögens in Deutschland erheblich geändert worden. Seitdem
besteuern wir Grundvermögen im Erbfall höher. Diese
Regelung ist mit den Stimmen des damals SPD-geführten
Bundesrates Gesetz geworden. Insofern sage ich: Sie sollten ein Gesetz, das gerade beschlossen wurde, dem Sie gerade zugestimmt haben, nicht morgen wieder ändern, nur
weil Sie höhere Steuereinnahmen wollen.
({4})
Diese Änderungen haben unter anderem dazu geführt auch das muss man der Bevölkerung deutlich machen -,
dass das Steueraufkommen in diesem Bereich von 4 Milliarden DM in 1996 auf über 6 Milliarden DM in diesem
Jahr, das heißt, um über 50 Prozent, gestiegen ist. Das Vermögen, in diesem Fall das geerbte Vermögen, unterliegt
also weiterhin der Steuerpflicht. Dazu stehen wir auch.
Aber wir lehnen eine Übermaßbesteuerung an dieser
Stelle ab. Wenn Sie das wollen, werden Sie weiterhin mit
unserer Kritik rechnen müssen.
({5})
- Sie.
({6})
Diese Steuererhöhungspläne werden derzeit zwar
pflichtgemäß dementiert - Herr Lennartz hat auch deutlich gemacht, warum, nämlich weil am nächsten Sonntag
die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stattfindet -,
({7})
aber die Fakten, nämlich dass erstens eine Arbeitsgruppe
eingesetzt wurde,
({8})
dass zweitens diese Arbeitsgruppe schon entsprechende
Ergebnisse erarbeitet hat und dass drittens diese Ergebnisse zu einer massiven Mehrbelastung insbesondere für
Hausbesitzer in unserem Lande führen, zeigen, dass RotGrün an das sauer erarbeitete und ersparte Geld der Bürger in unserem Land heran will.
({9})
Ich möchte kurz zu vier Punkten Stellung nehmen. Erstens zu den Hauseigentümern: Das, was Sie durch eine
Änderung der Bewertungsvorschriften derzeit vorhaben,
stellt eine massive Mehrbelastung der Hauseigentümer in
unserem Lande dar. Die Erhöhung der Erbschaftsteuer
steht auch nicht alleine. Sie haben sich eine Summe von
Belastungen für die Eigentümer von Immobilien sowie
die Bauwirtschaft in unserem Lande ausgedacht: Einschränkung der Verlustverrechnung, Verfünffachung der
Spekulationsfrist, Verschärfung des Mietrechts, Senkung
der Einkommensgrenze für die Eigenheimzulage. Dies alles sind Maßnahmen, die nicht zu mehr, sondern zu weniger Wohnungsbau in unserem Lande führen. Das aber ist
die falsche Weichenstellung. Wir brauchen mehr Wohnungsbau, wir brauchen mehr Beschäftigung in diesem
Bereich. Das machen Sie kaputt.
({10})
Zweitens zum Mittelstand: Der Mittelstand braucht
Kredite. Der Existenzgründer braucht einen Kredit. Wer
mit den Banken Erfahrungen gesammelt hat, weiß, dass
Grundvermögen in der Regel deshalb erforderlich ist, um
einen solchen Kredit überhaupt erhalten zu können. Wenn
dann das Grundvermögen zusätzlich besteuert wird, wird
die Kreditfähigkeit eines Existenzgründers, eines Mittelständlers beeinträchtigt.
({11})
- Sie wollen es, denn die Arbeitsgruppe ist von den Ländern - ohne Baden-Württemberg - eingerichtet worden.
Nach meiner Kenntnis hat die SPD bei den Ländern immer noch die Mehrheit.
({12})
Das kann aber geändert werden. Wenn Sie so weiterreden
und weiterhin dazwischenbrüllen, Herr Lennartz, wird
dies vermutlich auch geändert werden.
({13})
Drittens zur Altersvorsorge: Wir diskutieren eine Verbesserung der Altersvorsorge auch neben der Rente. Wir
brauchen eine zusätzliche Altersvorsorge. Wir brauchen
mehr Eigentum, um die zusätzliche Altersvorsorge in unserem Land finanzieren zu können. Wer zu diesem Zeitpunkt eine zusätzliche Steuerbelastung auf Eigentum
plant, der will das genaue Gegenteil dessen. Aus diesem
Grunde werden wir dem auch nicht zustimmen.
({14})
Viertens zum Problem der Doppelbesteuerung. Eines
müssen Sie sehen: Das ganze ererbte Vermögen ist schon
einmal versteuert worden, und zwar von denjenigen, die
das Vermögen angesammelt bzw. aufgebaut haben.
({15})
Insofern brauchen wir hier keine stärkere Besteuerung. Im
Gegenteil: Wir brauchen eine erhebliche Erleichterung für
Betriebsnachfolger beim Erbschaftsteuerrecht.
({16})
Die F.D.P. ist der Auffassung, dass für einen Betriebsnachfolger die Erbschaftsteuer auf zehn Jahre gestundet
werden soll. Wenn der Betrieb auch noch nach zehn Jahren fortgeführt wird, dann soll die Erbschaftsteuer gänzlich entfallen. Denn wir erleben heute, dass die großen
Aktiengesellschaften von der Erbschaftsteuer überhaupt
nicht tangiert sind. Aber wenn ein Handwerker sein mittelständisches Unternehmen, wenn ein Anwalt seine
Kanzlei, wenn ein Arzt seine Praxis weitergeben will,
dann wird der Fiskus voll zugreifen. Das kann nicht richtig sein. Denn das Geld liegt nicht einfach parat, sondern
muss aus dem Betrieb herausgenommen werden, mit der
Folge, dass Teile des Betriebes veräußert werden müssen
oder der gesamte Betrieb veräußert werden muss.
Deshalb brauchen wir für eine stärkere Förderung des
Mittelstandes nicht eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage, sondern eine weiter gehende steuerliche Freistellung für diejenigen Unternehmen und Unternehmer,
die bereit sind, ihre Betriebe auch zukünftig weiterzuführen.
({17})
Hier werden wir Sie drängen, hier werden wir Sie treiben.
Es darf nicht dazu kommen, dass alleine die Kapitalgesellschaften entlastet werden und der Mittelstand bei Ihnen im Regen steht.
({18})
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Christine
Scheel vom Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Thiele,
so langsam wird deutlich, was Sie wollen. Sie wollen,
dass am besten überhaupt keine Steuern mehr gezahlt
werden. Zudem wollen Sie, dass alle Vergünstigungen,
die es in den letzten Jahren gab und die wir mühsam abgeschafft haben - durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die auch immer F.D.P.-Ziel war -, wiederbelebt werden, was unter dem Strich wahrscheinlich
dazu führt, dass der Staat den Bürgerinnen und Bürgern,
am besten wahrscheinlich noch denen mit hohem Einkommen, etwas hinterherschmeißt, ohne dass sie einen
Pfennig Steuern bezahlen.
({0})
Das ist F.D.P.-Politik pur, die mit solider Finanzpolitik
nichts mehr zu tun hat. Das ist reiner Populismus.
({1})
Außerdem - da werde ich langsam wirklich sauer kann ich mich verdammt gut daran erinnern, dass wir im
Finanzausschuss bereits in der letzten Legislaturperiode
intensiv darüber beraten haben, ob sich bei der Erbschaftsteuer im Zusammenhang mit Betriebsübergaben nicht
eine Regelung finden lässt, die die Existenz eines solchen
Betriebes nicht gefährdet.
({2})
Wir haben damals gemeinsam beraten und, was die betriebliche Seite betrifft, letztendlich gemeinsam entschieden, dass dann, wenn es bei Betriebsübergaben zu existenziellen Gefährdungen kommt, Stundungen möglich
sind. Das, was Sie hier anmahnen, ist also gesetzlich
längst umgesetzt
({3})
und wird auch von den Finanzämtern so gehandhabt. Ich
bitte Sie auch an dieser Stelle, bei der Wahrheit zu bleiben, anstatt die Leute zu verunsichern und zu suggerieren,
bei der Regelung zur Betriebsübergabe finde eine Verschlechterung statt.
({4})
Wir haben vor einer knappen Stunde - das hat der Kollege Lennartz zu Recht angesprochen - die Steuerreform
im Finanzausschuss beschlossen. Die Gesamtentlastung
durch alle Maßnahmen, die diese Bundesregierung und
die sie tragenden beiden Fraktionen seit 1998 beschlossen
haben, beträgt rund 74 Milliarden DM.
({5})
Dieses Nettoentlastungsvolumen muss, wie Sie wissen,
anteilig auch von den Ländern getragen werden. Wir wissen, dass die Länder riesige Probleme damit haben. Deshalb kann man nur an Sie appellieren, dass Sie, was das
weitere Verfahren betrifft - Bundesrat, Vermittlungsverfahren -, auf dem Boden bleiben und Bund und Länder
nicht in eine Situation manövrieren, in der die Haushalte
nicht mehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verschuldungskriterien entsprechen. Das
würde dem Ansehen der Bundesrepublik insgesamt und
im Übrigen - um auch das an dieser Stelle einmal zu sagen - der Entwicklung des Euro schaden.
({6})
Für uns stehen Steuererhöhungen nicht zur Diskussion.
Es ist richtig, dass eine Expertenkommission von Bund
und Ländern eingesetzt worden ist.
({7})
- Natürlich, das ist richtig. Es gibt viele Kommissionen,
es gibt viele Arbeitskreise, die sich mit den unterschiedlichsten Themen beschäftigen. Aber weder der Bundesregierung - dazu wird Frau Hendricks mit Sicherheit noch
etwas sagen - noch uns Abgeordneten oder dem Parlament insgesamt liegt ein Abschlussbericht vor.
Wenn von dem Berliner CDU-Finanzsenator Kurth
Zwischenergebnisse an die Presse gegeben werden, dann
hat dies nicht die Qualität eines Abschlussberichtes und
nicht im weitesten Sinne das zum Inhalt, was hier bei uns
überhaupt erst einmal anberaten wird,
({8})
geschweige denn, dass wir überhaupt zu irgendwelchen
Entscheidungen in diesem Zusammenhang kommen wollen.
({9})
Richtig ist auch, dass im Zuge der Erbschaftsteuerreform der Regierung Kohl/Waigel
({10})
damals eine Korrektur der Bemessungsgrundlagen für das
Immobilienvermögen vorgenommen worden ist. Wir haben damals das Ertragswertverfahren beschlossen. Wir
Grüne haben uns, was dieses Verfahren betrifft, bei der
Abstimmung positiv verhalten und sind auch nach wie vor
der Meinung, dass dies richtig ist.
({11})
Wir sehen überhaupt keinen Grund - das kann ich Ihnen
offen sagen -, an dieser Stelle irgendetwas ändern zu wollen.
({12})
Über die Frage, über die die Länder hier diskutieren,
sollen sie sich verständigen. Sie wissen doch ganz genau,
dass die Erbschaftsteuer den Bund, was die Einnahmeseite betrifft, überhaupt nicht interessiert. Es gibt keinen
Gesetzesvorschlag von einem Land, es gibt keinen Abschlussbericht. Ich möchte Sie daher bitten, endlich auf
eine solide Diskussionsebene zurückzukehren und nicht
immer wieder diesen unsäglichen Versuch zu starten, der
Regierung irgendwelche Steuererhöhungsvorhaben anzuhängen, weil Ihnen ansonsten die Argumente ausgegangen sind.
({13})
Das ist doch der Hintergrund Ihrer gesamten Aktion.
Sie wollen Stimmung machen, Sie wollen der Bevölkerung suggerieren, dass wir sie belasten würden.
({14})
Sie wissen ganz genau, dass wir durch unsere Steuergesetzgebung eine massive Entlastung vorgenommen
haben.
Sie wissen auch - wenn ich das abschließend als letzten Satz noch sagen darf, Herr Präsident -, dass wir ein
Stiftungsgesetz verabschiedet haben, mit dem wir denjenigen, die viel Vermögen zur Verfügung haben, die
Chance geben wollen, sich an gemeinnützigen Stiftungen
zu beteiligen, damit gemeinwohlorientiert Einlagen gegeben werden können. Das war das Interesse der Bundesregierung. Ich kann nur sagen: Ich bedauere es sehr, dass
selbst dieses Vorhaben vonseiten der CDU/CSU- und der
F.D.P.-Fraktion damals abgelehnt wurde.
({15})
Danke schön.
({16})
Das Wort
hat jetzt Kollegin Dr. Barbara Höll von der PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das die CDU/CSU mit
dieser Aktuellen Stunde verfolgt, kann auch ich relativ
schnell abhaken. Wider besseres Wissen versuchen Sie
aus dem Vorschlag der Bund-Länder-Gruppe, die Bewertung des Grundvermögens von derzeit 53 Prozent auf 80
Prozent des Verkehrswertes anzuheben, billig Wahlkampfkapital zu schlagen. Sie wissen, dass sich aus der
Höherbewertung nicht automatisch eine höhere Erbschaftsbesteuerung ergibt. Über höhere Freibeträge wäre
das ganz einfach zu regeln.
({0})
Allerdings bedaure ich sehr - was jetzt auch noch einmal durch meinen Vorredner von der SPD und meine Vorrednerin von den Grünen bestätigt wurde -, dass wir hier
im Parlament nicht endlich zu einer ernsthaften Debatte
kommen; denn auch bei Ihnen ist der Wille nicht vorhanden, die Erbschaftsbesteuerung richtig anzufassen. Bisher
stehen ja nur kleine kosmetische Veränderungen an und
die will Herr Eichel durchaus den Ländern überlassen.
({1})
Herr Thiele hat sich schon vor vier Jahren über die Verdopplung bei der Erbschaftsbesteuerung sehr mokiert sage und schreibe von 4 Milliarden DM auf 6 Milliarden
DM bei einer jährlich anfallenden Erbmasse von mindestens 400 Milliarden DM! Wo bleibt da denn überhaupt
noch die Verhältnismäßigkeit?
Ich meine, Herr Eichel müsste genau hier ein wesentliches Potenzial zur Einnahmeerzielung sehen. Es ist ja
auch gut, dass diese Einnahmen den Ländern zugute kämen, denn mit der in der nächsten Woche zu beschließenden Unternehmensteuerreform werden ja gerade die Länder massiv belastet. Ich meine, in den neuen Bundesländern wird das tatsächlich zu vielen Problemen führen, das
dadurch entstehende Defizit im Haushalt abzudecken.
Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn man einerseits
nicht nur vor allem für jene, die wirklich viel Geld haben,
eine Steuersenkungspolitik macht, andererseits - wie in
diesem Jahr nun Realität geworden - den Menschen, die
gar keine Steuern zahlen, immer tiefer in die Tasche greift siehe Rentnerinnen und Rentner, siehe Arbeitslose und
Studenten. Vielmehr muss man tatsächlich einmal die gesamte Gesellschaft betrachten.
Dazu muss man sich selbstverständlich überlegen, wie
man Einnahmen erzielt. Ich sage aber auch klar und deutlich: Natürlich ist auch die Partei der demokratischen
Sozialistinnen und Sozialisten, die PDS, nicht dafür, dass
im Erbfall Einfamilienhäuser wegbesteuert werden oder
der Fortbestand von Familienbetrieben gefährdet wird.
Wir sind aber gegen eine weitere Privilegierung von
Reichtum, der ja immer damit verbunden ist, dass soziale
und politische Machtpositionen zementiert werden.
Es kann auch nicht sein, dass über die Erbschaftsbesteuerung die Diskriminierung nichtehelicher Lebensgemeinschaften fortbesteht. Noch einmal zur Verdeutlichung: Heute ist es so, dass selbst der geschiedene Ehegatte durch die Einstufung in eine günstigere Steuerklasse
im Erbfall immer noch besser behandelt wird als der überlebende nichteheliche Lebenspartner. Das kann doch
keine Politik von Rot-Grün sein! Wenn Sie das endlich anfassen, werden Sie unsere Unterstützung haben.
Wir meinen, dass es Not tut, auch bei der Gleichbehandlung verschiedener Vermögensarten endlich voranzukommen. Die bestehende pauschale Privilegierung
von Betriebsvermögen durch einen Freibetrag von
500 000 DM und den Bewertungsabschlag von 25 Prozent
wurde bei ihrer Einführung von der SPD noch kritisiert.
Warum fassen Sie das nicht endlich an?
Die PDS hat bereits in der letzten Legislaturperiode ein
umfassendes Konzept zur Reform der Erbschaftsbesteuerung vorgelegt. Wir wollen Reichtumsumverteilung Reichtum: da, wo wirklich viel Geld ist,
({2})
keine Einfamilienhäuser -, Entdiskriminierung außerehelicher Lebensformen und Gleichbehandlung der verschiedenen Vermögensarten. Das verkommt bei uns nicht zu
leeren Worthülsen. Wir haben Ihnen einen eigenständigen
Vorschlag vorgelegt, über den es sich nachzudenken lohnt
und den man endlich anfassen muss. In anderen Ländern
wie zum Beispiel in den USA funktioniert es nämlich.
Man sollte eine Nachlasssteuer für große Vermögen einführen. Herr Lennartz, ab 1 Million DM können wir darüber reden, eine Nachlassbesteuerung einzuführen. Lesen Sie das noch einmal nach. Es ist in der Drucksache zu
finden.
Vor vier Jahren haben wir einen Freibetrag von
250 000 DM für jeden Erben und weitere 150 000 DM
Freibetrag für Erben im Alter von über 55 Jahren vorgeschlagen. Man muss klar und deutlich sagen: Mit diesen
Freibeträgen ist die Mehrheit der Erben von der Erbschaftsteuer freigestellt, denn 60 Prozent aller Erbschaften liegen heute bei unter 200 000 DM. Es geht aber um
die Erbschaften, die weit darüber liegen. Hier muss endlich angefasst werden.
Wir fordern weiter eine konsequente Individualisierung des Steuerrechts. Es kann nicht mehr sein, dass man
danach geht, ob man blutsverwandt oder verheiratet ist
oder nicht, sondern man muss von den Lebensrealitäten
der Menschen in unserer Gesellschaft ausgehen. Wir fordern deshalb eine einheitliche Steuerklasse und einheitliche Freibeträge. Das ist unsere Antwort auf die Pluralisierung der Lebensformen.
({3})
Ich bitte
Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.
Die Gleichbesteuerung der
verschiedenen Vermögensarten habe ich schon angeführt.
Wenn Sie das einmal nachlesen, sehen Sie, dass man mit
unserem Vorschlag jährlich 15 Milliarden DM Mehreinnahmen erzielen kann. Herr Eichel hätte dann darauf verzichten können, seine sozial ungerechten Maßnahmen,
die er in diesem Jahr gemacht hat, durchzuführen. Geld ist
da, aber man muss es an der richtigen Stelle abholen.
({0})
Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort
hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara
Hendricks.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat keine
Pläne, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. Diese Aussage
sollte eigentlich genügen, um dieses Thema in dieser völlig unaktuellen Stunde erschöpfend zu behandeln.
({0})
Offenbar muss man aber mit Ihnen argumentieren, weil
Sie wider besseres Wissen Behauptungen in die Welt setzen.
Die Bundesregierung ist sich im Übrigen aber bewusst,
dass das geltende Erbschaftsteuerrecht wegen seiner ungleichen Belastungswirkungen je nach Art des erworbenen Vermögens auf durchaus begründete verfassungsrechtliche Kritik stößt.
({1})
- Das ist gar nicht neu. Wir haben in diesem Hause schon
mehrfach darüber diskutiert und ich habe dazu schon
mehrfach Stellung genommen. Es hat auch nichts damit
zu tun, dass am Sonntag Wahlen in Nordrhein-Westfalen
sind. Schon in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 hat die Koalition vorgesehen, eine Sachverständigenkommission einzuberufen, die die Grundlagen für
eine wirtschafts- und steuerpolitisch sinnvolle Vermögensbesteuerung erarbeiten soll. Sie beschäftigt sich mit
dem Hauptproblem bei der Besteuerung des Vermögens;
das ist die sachgerechte Bewertung des Grundbesitzes.
Dafür ist ein Verfahren notwendig, das möglichst einfach
ist und in dessen Rahmen trotzdem der Grundbesitz nach
gleichen Maßstäben bewertet wird. Diesen Prüfauftrag
hat die vom Bundesministerium der Finanzen eingesetzte
Kommission zu erfüllen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie setzt sich aus Praktikern der Finanzverwaltungen aller Länder zusammen. Daneben sind auch Bausachverständige und Vertreter des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an der Kommission beteiligt. Die Mitglieder der Kommission kennen
sich also in der zu untersuchenden Materie aus, was nicht
jeder, der sich an der jetzigen Debatte beteiligt, von sich
behaupten kann.
({2})
Die Kommission ist dabei, den Abschlussbericht zu
verfassen. Er liegt noch nicht vor. Sie wird ihn, wenn er
fertig gestellt ist, dem auftraggebenden Bundesministerium der Finanzen übergeben, wahrscheinlich am Ende
dieses Monats oder im nächsten Monat.
({3})
Wir reden insofern noch immer über ungelegte Eier. Erst
nach Vorlage des Berichts können wir die vorgeschlagenen Lösungsansätze prüfen.
({4})
Wir werden dann - selbstverständlich in Abstimmung mit
den Ländern, denen das Steueraufkommen zusteht - entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Initiativen ergriffen werden sollen, um als richtig erachtete Lösungsansätze umzusetzen. Dabei wird ebenso zu prüfen sein, ob
die bisherige Bewertung den Geboten des Verfassungsrechts entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, dann werden wir das ändern müssen und eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer anstreben. Ein
verfassungswidriges Steuerrecht darf es nicht geben!
Dazu müssten auch Sie sich eigentlich bekennen!
({5})
Sie müssen im Übrigen berücksichtigen - Herr
Kollege Seiffert, bitte hören Sie gut zu -, dass schon in
§ 138 Abs. 4 des geltenden Bewertungsgesetzes vorgesehen ist, die Bewertung des Grundbesitzes zum 1. Januar
2002 einer Überprüfung zu unterziehen. Das Bewertungsgesetz mit dieser Vorschrift hat der Deutsche Bundestag - man höre und staune - am 12. Dezember 1996
nach einem langwierigen Vermittlungsverfahren beschlossen, übrigens mit den Stimmen der CDU/CSU und
der F.D.P. bei Stimmenthaltung der SPD und gegen die
Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen. Auch der Bundesrat hat dem Gesetz am 19. Dezember 1996 mehrheitlich zugestimmt.
Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass wir, wenn wir
nur die Gesetze einhalten, die Sie mit Ihrer Mehrheit in
diesem Hause beschlossen haben, die Bewertung des
Grundbesitzes sowieso überprüfen müssen. Diese Überprüfung ist ergebnisoffen. Aber sie muss jedenfalls verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten genügen.
({6})
Ihnen, Herr Kollege Thiele, möchte ich bezüglich der
Verunsicherung, die Sie beim Mittelstand auslösen - es
gibt ja im Moment viele Zuhörerinnen und Zuhörer, also
eine gewisse Öffentlichkeit -, noch sagen: Beim Vererben
von Betriebsvermögen ist grundsätzlich ein Freibetrag
von 500 000 DM vorgesehen. Des Weiteren gilt grundsätzlich ein Bewertungsabschlag von 40 Prozent. Es werden also zuerst 500 000 DM und von dem dann noch übrig
gebliebenen Rest 40 Prozent abgezogen. Erst dann wird
das Erbe der Besteuerung unterworfen, natürlich nach den
jeweiligen Steuerklassen. Egal, wer erbt: Es wird immer
die günstigste Steuerklasse herangezogen. Der Verwandtschaftsgrad wird nicht berücksichtigt.
({7})
- Beim Betriebsnachfolger, das stimmt. Wenn es um den
Erhalt von Unternehmen geht, dann geht es doch wohl um
die Betriebsnachfolge. In diesem Zusammenhang muss
auch Folgendes berücksichtigt werden, was ich an einem
Beispiel deutlich machen möchte: Ein Betriebsinhaber
hat zwei Kinder. Im Erbschaftsfall muss der- oder diejenige, der oder die den Betrieb nicht fortführt und einen
Ausgleich in Geld erhält, im Durchschnitt zehnmal so viel
Erbschaftsteuer zahlen wie der Bruder oder die Schwester, der oder die den Betrieb fortführt. Natürlich muss der
Ausgleich in Geld von demjenigen, der auch Erbe ist und
der den Betrieb fortführt, erst einmal erbracht werden.
({8})
- Ich mache Sie darauf aufmerksam. Natürlich gibt es solche Fälle. Wieso können Sie damit nichts anfangen?
Wenn ein Betrieb, der einen Wert von 10 Millionen DM
hat, vererbt wird, dann muss derjenige, der einen Ausgleich in Geld erhält, mindestens zehnmal so viel Erbschaftsteuer zahlen wie sein naher Blutsverwandter Bruder oder Schwester -, der den Betrieb fortführt. Wenn
dann tatsächlich noch Erbschaftsteuer anfällt, dann wird
sie zehn Jahre lang zinsfrei gestundet.
({9})
Wenn ein Unternehmer, der einen Betrieb erbt, ihn also
steuerfrei erwirbt, nach zehnjähriger zinsfreier Stundung
nicht in der Lage ist, die Erbschaftsteuer zu zahlen, dann
ist er offenbar ein erfolgloser Unternehmer und sollte seinen Betrieb schließen.
({10})
Als
nächster Redner hat der Kollege Jochen-Konrad Fromme
das Wort.
Herr Kollege Lennartz, wie gut das Steuergesetz, das Sie heute
Morgen verabschiedet haben, bei den Betroffenen ankommt, können Sie in der Zeitschrift „Das Handwerk“ lesen: „Nur eine kosmetische Korrektur“, die „keine echte
Entlastung des Handwerks“ bedeute.
({0})
Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Das gilt ganz besonders
für die Diskussion über die Erbschaftsteuer.
({1})
Ihre Beteuerungen, da passiere nichts, sind so viel wert
wie die Aussagen Ihres Kanzlers vom 17. Februar 1999 ich darf zitieren -:
Ich stehe dafür, dass die Renten steigen wie die
Nettoeinkommen.
Schauen Sie sich die Tatsachen an: Etwas völlig anderes
ist geschehen.
Eine weitere Aussage des Kanzlers hat denselben Wert:
Wenn die Arbeitnehmer und die Betriebe von Abgaben entlastet werden, dann lasse ich mit mir über eine
Erhöhung der Mineralölsteuer um 6 Pfennig reden.
Aber das ist dann auch das Ende der Fahnenstange.
Wenn Sie sagen, es gebe keinen aktuellen Anlass zur
Diskussion: Warum hat dann Frau Simonis in ihrer Regierungserklärung heute Morgen exakt dieses Thema angesprochen? Sie sagte, die Erbschaftsteuer müsse anders
gestaltet werden, um ein Stück soziale Gerechtigkeit zu
schaffen. Was heißt denn das? Ein Stück soziale Gerechtigkeit zu schaffen heißt doch, dass Sie die Erbschaftsteuer erhöhen wollen, und zwar nicht für jedermann, sondern für Einzelne. Das hat auch Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Struck im November gesagt und Sie
haben es auf dem Parteitag beschlossen.
Es ist natürlich peinlich, dass entsprechende Aussagen
14 Tage vor einer wichtigen Landtagswahl das Licht der
Öffentlichkeit erblicken. Aber wenn man etwas auf die
Reise schickt, dann kommt die Wahrheit Gott sei Dank irgendwann - nun ist es so weit - auf den Tisch.
Ihre Partei ist die Partei der Steuererhöhungen - entgegen all Ihren Beteuerungen.
({2})
Ich erinnere an die 630-Mark-Regelung, die Ökosteuer
und die Diskussion über die Grundsteuer. Außerdem diskutieren Sie über die Mehrwertsteuer und Sie spekulieren
über die Vermögensteuer.
Lassen wir doch einmal die Fakten sprechen. Im Jahr
1999 sind das Bruttosozialprodukt um 2,3 Prozent und die
Steuereinnahmen um 6,5 Prozent gestiegen. Die Fakten
sprechen doch ganz klar dafür, dass Sie die Steuern erhöht
haben - nichts anderes ist wahr. Nehme ich das Kindergeld, das die Steuereinnahmen vermindert, aus der Berechnung heraus, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass
die Steuereinnahmen nicht nur um 6,5 Prozent, sondern
um 8,7 Prozent stiegen. Das heißt, die Steuereinnahmen
sind fast viermal so schnell wie das Bruttosozialprodukt
gestiegen. Wenn Sie behaupten, dass Sie die Steuern nicht
erhöhen wollen, dann sage ich: Die Fakten sprechen gegen Sie; nichts anderes ist wahr.
({3})
- Dagegen ist gar nichts einzuwenden, wenn die Steuermehreinnahmen auf Wirtschaftswachstum und nicht auf
Steuererhöhungen beruhen. Wenn die Steuereinnahmen
aber wesentlich schneller als das Bruttosozialprodukt
steigen, dann sind darin Steuererhöhungen versteckt. So
ist Ihre Politik.
({4})
Wie immer stimmen bei Ihnen Überschriften und Inhalte überhaupt nicht überein. Bei Ihrer viel gerühmten
Steuersenkung haben Sie den Unternehmen versprochen:
Wer nicht von der Körperschaftsteuer entlastet wird, der
darf zukünftig seine Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer verrechnen. Das haben die Menschen für bare
Münze genommen. Am Montag haben wir im Finanzausschuss gehört, dass nur die gewerblichen Einkünfte
bevorzugt behandelt werden sollen. Damit schließen Sie
weitere Unternehmen von dieser Vergünstigung aus.
Sie machen ein Steuerentlastungsgesetz und belasten
die Wirtschaft. Das hat Herr Eichel selbst am 28. April in
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eingeräumt.
Eichel gestand ein, dass das Steuerentlastungsgesetz für
große Teile der Wirtschaft ein Steuerbelastungsgesetz gewesen ist. Jetzt wollen Sie den Menschen wieder weismachen, es gebe keine Erbschaftsteuererhöhung. Gleichzeitig beraten Sie darüber, Sie setzen Kommissionen ein
und Sie wollen eine Erbschaftsteuererhöhung durchsetzen.
Der größte Sündenfall der Steuererhöhung war die
Ökosteuer. Sie haben damit jedem in die Tasche gegriffen.
Sie wissen überhaupt nicht, was Sie steuerpolitisch eigentlich wollen, oder Sie täuschen die Menschen. Denn
warum mussten wir in dieser Woche ständig Ergänzungen
Ihrer Vorlage hinnehmen? Sie haben monatelang darüber
gebrütet, und über jeder zweiten Vorlage stand „Konkretisierung des Gewollten“.
Meine Damen und Herren, haben Sie denn vor Monaten, als Sie das beraten haben, nicht gewusst, was Sie wollen? Ich glaube, es ist so. Wenn ich mir den § 2 b anschaue,
der nicht zu Unrecht als „Fallenstellerparagraph“ beschrieben wird, so ist ein Jahr nach seinem In-Kraft-Treten immer noch nicht klar, wie seine Auslegung ist. Seitenlange BMF-Schreiben zur Interpretation schaffen
überhaupt keine Klarheit. Das ist Ihre Steuerpolitik!
Meine Damen und Herren, nachdem Sie die Richtung
verloren hatten, verdoppelten Sie Ihre Anstrengungen.
Gleichzeitig mit dem Gesetz verfassen Sie Entschließungen, um den Gesetzestext zu interpretieren, weil Sie nicht
in der Lage sind, vernünftige Gesetzestexte zu formulieren.
Meine Damen und Herren, die Überschrift vom Deutschen Siedlerbund - das ist ja nicht irgendeine Organisation, sondern eine Organisation der kleinen Leute - „Einfamilienhaus vor dem Fiskus retten“ sollte Ihnen zu denken geben, und deswegen sollten Sie endlich zu einer
vernünftigen Steuerpolitik kommen.
({5})
Schönen Dank.
({6})
Als nächste
Rednerin hat jetzt die Kollegin Franziska EichstädtBohlig von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Vorrednern und Vorrednerinnen
von der Koalition nur anschließen: Es ist offenbar Ihr letzter Versuch, im Wahlkampf nicht Sachargumente zu anstehenden Themen zu erörtern,
({0})
sondern erst Punkte, die völlig ungelegte Eier sind, in die
Welt zu setzen und dann dazu Aktuelle Stunden zu beantragen.
({1})
Wenn Sie meinen, dass wir unsere Zeit so verbringen sollen, dann machen wir das; ich fände es besser, dieses sehr
ernste und einer detaillierten Erörterung würdige Thema
würde nicht in lauter kleinen Fünfminutenbeiträgen, sondern intensiv in der parlamentarischen Arbeit behandelt.
({2})
- Das haben ja einige Kolleginnen und Kollegen schon gesagt. Frau Staatssekretärin Hendricks hat es auch gesagt.
Zunächst gilt das - und ich kann es nur wiederholen -,
({3})
was schon von unserer Seite gesagt worden ist.
({4})
- Ich will ja noch ein paar Sätze mehr sagen, wenn Sie gestatten, Herr Kollege.
Die Erbschaftsteuer - Herr Eichel hat es häufig genug
gesagt, Frau Hendricks hat es eben noch einmal gesagt ist eine Steuer, die im Interesse der Länder liegt und von
ihnen vereinnahmt wird, und wenn, dann geht von denen
die Initiative aus und nicht von uns. Lassen Sie also bitte
diese zwei Ebenen so, wie sie sind, und nehmen Sie endlich das zur Kenntnis, was Frau Staatssekretärin
Hendricks eben noch einmal deutlich gesagt hat. Wir haben das auch gesagt, und ich sage es Ihnen ein weiteres
Mal.
Das Zweite aber, und da fängt es an, inhaltlich interessant zu werden: Ich bin etwas irritiert über das, was Sie in
die Zeitungen lanciert haben. Vielleicht kennt sich Ihr
Kronzeuge, der Berliner Finanzsenator, nicht so recht aus
mit dem Bewertungsgesetz, das Sie 1996 für das Jahressteuergesetz 1997 auf den Weg gebracht haben.
({5})
Damals haben Sie nämlich die 80-Prozent-Formel, die Sie
jetzt dieser Regierung in die Schuhe schieben wollen, gesetzlich geregelt. Ich habe wirklich das Gefühl, dass Sie
das Bewertungsgesetz selbst gar nicht so genau kennen.
Ich lese zuerst das, was offenbar auf Initiative von
Herrn Kurth im „Handelsblatt“ gestanden hat. Danach
sollen künftig - also durch Rot-Grün - Immobilien bei der
Veranlagung zur Erbschaftsteuer mit 80 Prozent statt bisher mit rund 53 Prozent des Verkehrswertes angesetzt
werden. Ich habe mir aber noch einmal - ich hatte das
schon damals getan - das Bewertungsgesetz vorgenommen und kann nur sagen, dass in ihm deutlich steht, dass
der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert nicht
niedriger sein darf als der Wert, den das Grundstück hätte,
wenn es unbebaut wäre. Danach wird das Grundstück genau mit der Formel „20 Prozent unter dem Bodenrichtwert“ definiert, und der Bodenrichtwert steht als Maßstab
für den Verkehrswert.
({6})
Für unbebaute Grundstücke haben Sie per se 80 Prozent des Bodenrichtwertes festgelegt. Von daher weiß ich
überhaupt nicht, was für eine Debatte Sie führen. Stellen
Sie sich vor die nordrhein-westfälischen Wähler und sagen Sie ihnen, dass Sie die 80-Prozent-Formel eingeführt
haben,
({7})
von der Sie behaupten, die jetzige Regierung wolle sie
einführen.
({8})
Also, seien Sie an dieser Stelle endlich einmal redlich mit
den Sachargumenten.
({9})
Nun will ich Ihnen das Thema nennen, das zu diskutieren ich wichtig finde und dem wir uns auch stellen sollten. Unser Problem ist - Frau Hendricks hat es eben schon
angesprochen -, dass wir die Bewertungsregelungen im
Planungsrecht über die Verkehrswertermittlung und über
die Bodenrichtwerte in einer anderen Form definieren, als
wir sie im Bewertungsgesetz einerseits für die Grundsteuer mit der Einheitsbewertung und andererseits in der
vereinfachten Form des Ertragswertverfahrens haben, wie
Sie es für die Erbschaft- und die Schenkungsteuer festgelegt haben.
Richtig ist, dass Bedarf besteht, diese unterschiedlichen Regelungen zusammenzuführen, um zu einer angemessenen Form der Grundstücksbewertung zu kommen.
Ich halte es für vernünftig, wenn sich dieses Haus dieser
Aufgabe stellt, aber das muss ohne Aufregung und ohne
großes Klabastern geschehen.
({10})
Da wird es an der einen Stelle vielleicht einmal eine etwas
höhere und an der anderen Stelle vielleicht eine etwas
niedrigere Bewertung geben. Aus meiner Sicht ist die
wichtigste und vordringlichste Aufgabe, dass wir an das
Planungsrecht und die Bodenwertermittlung herangehen
und die Bodenrichtwerte differenzierter erfassen. Diese
sind viel zu pauschal angesetzt. Das gilt für das von Ihnen
vorgelegte Bewertungsgesetz, das gilt aber auch dann,
wenn wir später einmal über eine Neudefinition der
Grundlagen der Grundsteuer diskutieren. Hier besteht
Handlungsbedarf; den sollten wir ruhig und anständig
aufarbeiten.
({11})
Sich aufzuregen und zu behaupten, wir würden einen
Satz von 80 Prozent einführen, nachdem Sie ihn längst
eingeführt haben, ist verfehlt. Ich bitte Sie, endlich einmal
mit Ihren eigenen Gesetzesprodukten korrekt umzugehen.
({12})
Als
nächster Redner hat der Kollege Hans Michelbach von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr
Präsident! Der heutige Abschluss der Finanzausschussberatungen stellt, wie ich meine, keinen Freudentag für die
mittelständische Wirtschaft dar. Diskriminierungen,
Mehrbelastungen und Komplizierungen finden statt.
Hinzu kommen jetzt weitere Verunsicherungen durch
neue Steuererhöhungsplanungen. Meine Damen und Herren, der Steuerdschungel der rot-grünen Koalition wird
immer dichter.
({0})
Eichels Steuerpolitik hat das neue PC-Virus „I love you“.
Von ihr geht zwar der Reiz von Steuerentlastungen aus,
aber letztendlich handelt man sich damit Steuermehrbelastungen ein. Es ist doch Realität, dass die Abgabenquote
unter der rot-grünen Koalition um 0,8 Punkte auf den Rekordsatz von 43,7 Prozent gestiegen ist.
({1})
Die jetzt wieder auf 49 Prozent gestiegene Staatsquote
schränkt zusätzlich privatwirtschaftliches Handeln erheblich ein.
Nach den bisherigen massiven Steuererhöhungen für
die Bürger und Betriebe durch das so genannte Steuerentlastungsgesetz und die Ökosteuer sollte eigentlich selbst
dieser auf Umverteilung setzenden Regierung einmal der
Gedanke kommen, dass das Ende der Fahnenstange in der
Steuerpolitik und der Steuerbelastung erreicht ist.
({2})
Doch auf diese Erkenntnis, meine Damen und Herren,
werden die durch Steuern und Abgaben geschröpften
Bürger und Unternehmer sicher noch lange warten dürfen. Stattdessen werden munter weitere Steuererhöhungen geplant. Ich wiederhole eigentlich nur, was von Ihnen
selbst öffentlich diskutiert wurde und nachzulesen ist.
({3})
Da wird eine Mehrwertsteuer für die Rente vorgeschlagen, da wird die Verschlechterung der Abschreibungstabellen der Betriebe zur Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer vorgeschlagen, da ist eine
Grundsteuererhöhung vorgesehen, die mit Blick auf eine
eventuelle zusätzliche Vermögensteuer Dauerbewertungsmaßstäbe anlegt. Da werden die mittelständischen
Unternehmen im Rahmen der Unternehmensteuerreform
durch die unzureichende Senkung des Einkommensteuerspitzensatzes per saldo durch den Rückgang der Einkommensgrenze mehr belastet. Wissen Sie eigentlich, dass die
Steuerzahler bis zum Jahr 2005 mit 150 Milliarden DM
mehr belastet werden und durch die mutlose rot-grüne
Steuerreform nur 44 Milliarden DM zurückerhalten?
Diese Situation haben wir jetzt.
({4})
Jetzt soll nun auch noch die Erbschaftsteuer durch die
Veränderung der Bemessungsgrundlage für Immobilien
erhöht werden. Von einer Erhöhung der Freibeträge sprechen Sie nicht. Sie wollen weiter Kasse machen. Sie
testen wieder - wie schon einmal - die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft, wobei gerade die mittelständischen
Unternehmen, die immerhin etwa 85 Prozent aller Unternehmen in Deutschland ausmachen und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellen, durch diese
Maßnahmen wieder stark belastet werden. 380 000 mittelständische Betriebe werden in den nächsten Jahren zur
Übertragung anstehen. Über 57 Prozent von ihnen gelten
als besonders mit Risiken behaftet. 4,8 Millionen Arbeitsplätze können nur dann gesichert werden, wenn dem Generationenwechsel in den nächsten Jahren ein Erfolg beschieden ist. Die Erbschaftsteuer als wirtschaftlich schädliche Substanzsteuer darf zur Erhaltung der Arbeitsplätze
in den mittelständischen Betrieben nicht unbekümmert
erhöht werden, sondern muss eher gesenkt werden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichbehandlung von Geld- und Immobilienvermögen bei der
Erbschaftsteuer wurde 1996 durch einen gut austarierten
Kompromiss umgesetzt. Zusätzlich wurde die belastende
Vermögensteuer abgeschafft. Diese Tatsache darf man bei
dieser Diskussion nicht unterschlagen.
Jetzt wollen Sie ab 80 Prozent des Verkehrswertes eine
neue Belastungsspirale antreiben. Sie leugnen heute die
Planung, sagen aber, dass Sie das prüfen wollen. Das ist
unglaubwürdig.
({5})
Darf ich Sie mit Ihren eigenen Parteitagsbeschlüssen konfrontieren? Die von Ihnen geplante Erhöhung der Erbschaftsteuer ist doch eine Verbeugung vor den Linken in
der SPD und gegen jede Vernunft. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie das wollen. Sie sollten dieses Thema daher hier nicht verniedlichen. Wir werden Ihrer Verniedlichungstaktik nicht auf den Leim gehen.
({6})
Es ist unredlich, die alten Gesetzesentscheidungen von
1996 heranzuziehen. Ich kann Ihnen deutlich sagen, dass
wir damals die unbebauten Grundstücke mit einem Mindestwert versehen haben. Sie dürfen das aber nicht mit
dem von uns eingeführten Ertragswert verwechseln.
Wir haben die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch im Bereich der Erbschaftsteuer durch die Ertragswertbesteuerung eingeführt. Das war ein wesentlicher Schritt. Sie wollen aber die alten Steuern revitalisieren und damit die Betriebe stärker belasten, was ihre
Zukunft gefährdet. Damit werden Sie weder Wachstum
noch mehr Beschäftigung erzielen. Sie wollen die Wirtschaft immer wieder stärker belasten. Das ist der falsche
Weg.
Ich sage Ihnen deutlich: Lassen Sie die Finger von weiteren Steuererhöhungen! Was Sie jetzt vorhaben, ist nicht
der richtige Weg. Zusätzliche Steuererhöhungen werden
weiteren Schaden in unserer Volkswirtschaft anrichten.
({7})
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer
von der SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mich ein
bisschen verwundert, dass heute eine Aktuelle Stunde
über dieses Thema, von der CDU beantragt, stattfindet,
obwohl noch kein Kommissionsbericht vorliegt. Es
scheint Sie aber nicht zu stören. Ich möchte Ihnen nicht
unterstellen, dass dies ein paar Tage vor der Landtagswahl
im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in NRW steht.
({0})
- Ich denke immer nur das Beste. Ich hoffe, das tun auch
Sie.
Ich möchte aber doch einer gewissen Verunsicherung
entgegenwirken. Herr Seiffert hat gesagt und Herr
Fromme hat angedeutet, wir würden ständig Steuern erhöhen.
({1})
Ich denke, man muss ein bisschen gegen diesen Eindruck
angehen.
Die kleinen Leute und die Mittelständler, die Sie mehrfach angesprochen haben, haben in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren sehr von unseren neuen Ideen
und von unseren Maßnahmen profitiert.
({2})
- Lassen Sie mich bitte ausreden.
({3})
Wie Sie wissen, haben wir am 1. Januar 1999 das Kindergeld erhöht. Gerade die kleinen Leute profitieren davon.
({4})
Wir haben den steuerlichen Grundfreibetrag erhöht.
({5})
Ich zähle jetzt die weiteren Punkte auf, die ich nicht
näher erläutern muss: Wir haben die Renten gesichert. Wir
haben die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder in Kraft gesetzt. Wir haben das Krankenhausnotopfer
wegfallen lassen. Wir haben die Zuzahlungen zu Medikamenten reduziert. Wir haben bei den Jugendlichen die
Kostenübernahme beim Zahnersatz wieder gesichert. Wir
haben den Kündigungsschutz auch in Kleinbetrieben wieder eingeführt. Wir haben das Lohndumping erschwert.
Wir haben ein Zwei-Milliarden-Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich aufgelegt. Wir haben das
Bündnis für Arbeit wieder in Gang gebracht. Wir haben
dank der Ökosteuer, die wir auch anders nennen könnten,
die Lohnnebenkosten gesenkt.
({6})
Wir haben das Steuerentlastungsgesetz durch den Bundestag und den Bundesrat gebracht.
({7})
Wir haben die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
sozialversicherungspflichtig gemacht, was wir als Fortschritt betrachten.
({8})
Wir haben das BAföG angepasst. Wir haben die Gespräche zum Energiekonsens wieder aufgenommen. Wir
haben erneuerbare Energien gefördert.
({9})
Des Weiteren haben wir das Schlechtwettergeld für
Bauarbeiter wieder eingeführt. Wir haben das Staatsangehörigkeitsrecht novelliert. Wir haben eine Trendwende
bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts eingeleitet.
({10})
Wir haben das Familienförderungsgesetz in Gang gebracht. Wir haben das Wohngeld reformiert. Wir haben
die Eigenheimförderung zuverlässig - ich denke, auch
sicher - in die nächsten Jahre geleitet, sodass der Eigenheimbau nicht wegbrechen wird, da bin ich ganz zuversichtlich. Wir haben die Übungsleiterpauschale erhöht. Wir haben das Gesetz zur Beschleunigung fälliger
Zahlungen vor allem für den Mittelstand, der Herrn
Michelbach so am Herzen liegt, in Gang gesetzt.
({11})
Alle diese Vorhaben zeigen, dass wir keine Steuererhöhungen vorgenommen haben, sondern dass wir gerade
den Menschen, die Ihnen und uns so am Herzen liegen,
das Leben erleichtert haben. Wir werden auch in Zukunft
dafür sorgen, mit all den Dingen, die wir noch vorhaben,
dass es gerade den Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen besser gehen wird.
({12})
- Zu Ihrer Zwischenfrage: Die Menschen sind in der Tat
sehr zufrieden mit uns. Die Schaffung eines modernen
Unternehmensteuerrechts hat es gezeigt. Sie werden morgen in den Zeitungen die Reaktionen darüber lesen. Ich
denke, die werden positiv sein.
({13})
Wir werden die Renten im Laufe des Jahres dauerhaft sichern. Wir werden das Bündnis für Arbeit fortsetzen. Wir
werden eine vernünftige Familienpolitik weiterführen.
Auch Qualifikation und Ausbildung werden weiter betrieben und wir werden natürlich den Energiekonsens
weiter betreiben. Des Weiteren - ich muss das alles aufzählen, es sind so viele Punkte -: Die Entwicklung des sozialen Mietrechts, die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die Reform der Bundeswehr und natürlich der Aufbau Ost werden ebenfalls weiter betrieben.
Ich denke, das alles zeigt, dass wir hier zum Wohle unserer Mitmenschen arbeiten und dass wir die Mitmenschen nicht verunsichern. Im Gegenteil, sie können ganz
vertrauensvoll mit uns in die Zukunft schauen.
Vielen Dank.
({14})
Das Wort
hat jetzt der Kollege Hansjürgen Doss von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich meine,
über diese Themen zu reden hat sicher auch einen gewissen Unterhaltungswert. Aber es hat auch einen sehr ernsten Hintergrund,
({0})
weil nämlich das, was wir hier beschließen, die Rahmenbedingungen sind für Menschen, die in eigener Verantwortung als Unternehmer tätig sind.
Wenn man die Mehrheit in einem Parlament wie dem unseren hat, ist es auch eine Frage nach dem guten Stil, ob
man die Opposition zu Wort kommen lässt oder ob man
sich lärmend und lachend über das, was aus tiefer Sorge
vorgetragen wird, erhebt.
({1})
So eine Art von Arroganz, wie man sie hier erkennen
kann, halte ich nicht für besonders weiterführend.
({2})
- Sie sollten einmal zuhören! Vielleicht kriegen Sie dann
die eine oder andere Anregung. Ich halte das für keinen
guten Stil.
({3})
Wir, die Opposition, sind gut beraten, dass wir auf Sie aufpassen, Ihre Überlegungen frühzeitig zur Kenntnis nehmen,
({4})
und uns dagegen wenden, wenn Gefahr im Verzug ist.
Nach dem, was hier vorgetragen worden ist, ist der Verdacht zwingend - Frau Hendricks, Sie konnten ihn nicht
zerstreuen -, dass auf Länderebene zur Zeit überlegt wird,
an der Erbschaftsteuerschraube zu drehen. Zwar ist das
eine Steuer, die den Ländern zugute kommt, aber klar ist:
Wir sind der Bundesgesetzgeber und Entscheidungen dieser Art werden bei uns getroffen. Also gehört das Thema
hier in den Deutschen Bundestag, und zwar frühzeitig genug, damit wir Schaden vermeiden können. Das ist unsere
Aufgabe, dafür sind wir gewählt.
({5})
Wenn ich mir Ihre Politik anschaue - Sie sind ja so
stolz auf das, was Sie alles in den letzten eineinhalb Jahren, so sage ich einmal, angerichtet haben -, dann wird
erkennbar: Wie ein roter Faden durchzieht Skepsis gegenüber dem freien, selbst verantwortlichen Unternehmer
all Ihr Handeln.
({6})
Alles, was Sie getan haben, richtet sich am Ende gegen
den Mittelständler. Mein Freund Hans Michelbach ist im
Übrigen einer von denen, die in ihrem Privatberuf das
verantworten, was wir hier beschließen. Das heißt, er redet nicht wie der Blinde von der Farbe, wie das eine ganze
Reihe von Leuten aus Ihren Reihen tut.
Was haben Sie in der Zwischenzeit denn alles gemacht? Sie haben den mittelständischen Betrieben die
flexiblen Arbeitskräfte in den 630-Mark-Beschäftigungsverhältnissen genommen, das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit hatte große Auswirkungen auf das Selbstständigmachen in unserer Gesellschaft,
und die so genannte Ökosteuer - das ist wohl das Schlampigste, was Sie sich geleistet haben ({7})
steht bereits heute vor dem Bundesverfassungsgericht zur
Verhandlung an.
Durch die Erhöhung der durchschnittlichen Bewertung
von Immobilienvermögen und die Veränderung der Berechnungsgrundlagen kommt es zu einer verdeckten, aber
massiven Steuererhöhung. Sie sollten sich keine Illusionen machen: Wir werden aufpassen und uns dagegen
wenden, wenn Sie mit solchen Überlegungen kommen,
weil wir nicht wollen, dass die fleißigen Menschen von
Ihnen wieder einmal abkassiert werden.
({8})
Dabei geht es uns nicht um eine Schonung der Erbengeneration, sondern es geht uns darum, die Tausende von
mittelständischen Betrieben, deren Vererbung jetzt ansteht, mit ihren Arbeitsplätzen zu erhalten. Das ist unser
Ziel. Diesen volkswirtschaftlichen Wert wollen und müssen wir erhalten.
({9})
Das darf nicht manipulatives Material für ideologische
Spielchen sein, die sich wie ein roter Faden durch Ihre Politik ziehen.
Wir werden die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen und Unternehmern auch in der Steuergesetzgebung wieder zu diskutieren haben. Was Sie hier vorhaben - es liegt auf dem Tisch -, ist eine Veränderung unserer Unternehmenskultur mit weitreichenden Folgen. Das
ist überhaupt nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Die Vererbung von über 700 000 Betrieben steht an.
Die Betriebe sind unterkapitalisiert; das sollten Sie wenigstens wissen. Mit 10 Prozent Eigenkapital im Durchschnitt kann ich keine großen Sprünge machen.
({10})
- Frau Hendricks, übernehmen Sie einmal die Verantwortung für einen solchen Betrieb. Sie würden geläutert entlassen wieder in Ihr Amt zurückkehren - oder vielleicht
auch nicht, das kommt auf den Wähler an.
Auf jeden Fall sage ich Ihnen: Es ist dort keine Substanz mehr vorhanden, die beliehen oder besteuert werden
könnte. Die Betriebe sind mit ihrer Eigenkapitalausstattung wirklich an einem kritischen Punkt angelangt.
({11})
Sich darüber so zu äußern, wie Sie das getan haben, ist etwas unsensibel. Sie müssen wissen, dass bei den Konjunkturschwankungen, die wir erleben, eine ganze Reihe
von Betrieben hart um ihre Existenz kämpfen muss. Anders als bei Holzmann gibt es dort meistens ein Inhaberehepaar, das alles das verantworten muss, was auf es zukommt. Das hat eine moralisch ganz andere Dimension.
Deswegen lehnen wir jegliche Form der Erhöhung von
Erbschaftsteuern nachdrücklich ab. Wir werden aufpassen, Sie stellen und Ihr Vorhaben verhindern, wo immer
wir das können.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({12})
Nächster
Redner ist der Kollege Dieter Grasedieck von der SPDFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann
wirklich überrascht sein, wenn man hört, was die Opposition hier vorträgt. Herr Seiffert spricht von Steuerbelastung, Herr Michelbach von Steuererhöhung, Herr
Thiele spricht davon, das sauer erarbeitete Geld der Bürger solle noch zusätzlich besteuert werden. In den letzten
sieben Jahren Ihrer Regierung haben Sie die Steuern um
100 Milliarden DM erhöht.
({0})
Wir werden die Steuern innerhalb von sieben Jahren, also
genau in demselben Zeitraum, um 76 Milliarden DM reduzieren. Wie Sie mit dem sauer erarbeiteten Geld der
Bürger umgehen, haben Sie bewiesen.
({1})
Aber eines ist ja klar: Sachkenntnis ist das Letzte, was
die CDU/CSU in dieser Aktuellen Stunde will. Die
CDU/CSU will sich durch Tatsachen nicht verwirren
lassen. Tatsache ist: Es gibt keine Pläne zu den Erbschaftsteuern. Das sagte vorhin zum wiederholten Male
unsere Steuerstaatssekretärin.
({2})
Es gibt nur ein Ziel unserer Regierung: Wir wollen Steuern reduzieren.
({3})
Sie wissen das natürlich; das ist gar keine Frage. Aber sie
wollen diese Phantomdiskussion. Sie streuen Wahlkampfgerüchte. Durch Ihre Erbschaftsteuerdebatte wollen Sie die Menschen verunsichern. Sie schüren Ängste nicht mehr.
Es ist schwierig, entsprechende Themen zu finden,
meine Damen und Herren von der Opposition. Es ist
schwierig, der Koalition Fehler nachzuweisen.
({4})
Es ist äußerst schwierig, Schwachstellen nachzuweisen.
Was hat diese Bundesregierung - vieles ist bereits von
meinen Kolleginnen und Kollegen genannt worden nicht alles verbessert!
({5})
Eine Familie mit zwei Kindern - Herr Michelbach, das
wissen Sie genauso gut wie wir - wird effektiv rund
4 000 DM netto weniger Steuern zahlen müssen.
({6})
Für eine Familie ohne Kinder werden wir - Herr
Michelbach, auch das wissen Sie - den Steuerfreibetrag
wesentlich erhöhen, und zwar um 7 000 DM. Wir gehen
von 33 000 DM auf 40 000 DM. Ein verheirateter Unternehmer, der 100 000 DM verdient, zahlt pro Jahr knapp
3 000 DM weniger Steuern.
({7})
Das entspricht 19 Prozent. In den Genuss dieser Steuersenkung kommen insgesamt 78 Prozent der Unternehmer.
Unsere Politik entlastet den Kleinverdiener und den
Mittelstand.
({8})
Neue Arbeitsplätze werden geschaffen, und zwar - das sagen die fünf Weisen - 600 000, nämlich 300 000 in diesem und noch einmal 300 000 im nächsten Jahr. Das ist
natürlich eine wesentliche Verbesserung.
({9})
Über diese erfolgreiche Politik sollten Sie sich eigentlich
freuen. Stattdessen sind Sie maßlos über Ihre eigene Partei enttäuscht. Es gibt keine Alternativen zu unserer Politik.
({10})
Enttäuschungen sollten normalerweise kreative Kräfte
freisetzen. Das ist bei Ihnen offensichtlich nicht der Fall.
So werfen Sie uns zum Beispiel vor, dass wir eine Beamtenkommission eingerichtet haben, die alternative Bewertungsverfahren im Rahmen der Erhebung der Grundsteuer erarbeitet.
({11})
Sie haben im Jahre 1996 bei der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes eine Befristung bis zum 31. Dezember 2001 vorgesehen. Wir müssen handeln. Wir haben
keine Alternative. Welch eine Heuchelei!
({12})
- Eine Befristung ist mit eingebaut worden.
Die Beamtenkommission wird also in diesem Jahr alternative Lösungen hinsichtlich der Bewertung vorlegen.
Dann werden wir darüber ausführlich diskutieren.
Sie ärgern sich, weil unsere Steuerpolitik von den Verbänden, von den Kirchen, vom DGB, von der Gesellschaft
und der Industrie mit getragen und gelobt wird.
({13})
- Das haben auch Sie festgestellt. Deshalb waren Sie so
enttäuscht. - Die Bürgerinnen und Bürger merken natürlich ganz deutlich, dass sie schon jetzt weniger Steuern
zahlen.
({14})
Diese erfolgreiche Politik werden wir auch im Rahmen
der Diskussion über die Erbschaftsteuer fortsetzen. Die
Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen halten
an ihrer erfolgreichen Politik fest. Daran wird Ihre
Phantomdiskussion im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf nichts ändern.
({15})
Als
nächster Redner hat der Kollege Leo Dautzenberg von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wenn man den Kollegen
Grasedieck so hört, dann hat man den Eindruck, als ob wir
in paradiesischen Zuständen lebten, in denen es keine Probleme mehr gibt und die Regierung alle Dinge gut auf den
Weg gebracht hat.
({0})
Ein weiterer Punkt: Herr Lennartz, Sie haben wiederholt Nordrhein-Westfalen angesprochen. Es wäre gut gewesen, wenn Sie sich mehr der Sache gewidmet und sich
weniger mit Herrn Clement und Herrn Rüttgers auseinander gesetzt hätten.
({1})
Zur Sache ist zunächst einmal festzustellen, dass
scheinbar auch bei den Grünen, Frau Scheel und Frau
Eichstädt-Bohlig, keine Einigkeit darüber besteht, was
getan werden soll.
({2})
Sie, Frau Scheel, haben ausgeführt, Sie würden nichts ändern. Frau Eichstädt-Bohlig hat - wenn auch sachlich
falsch - ausgeführt, man arbeite bei diesen und jenen
Punkten an einer Neubewertung, was - neben der Änderung der Erbschaftsteuer - auch noch zu einer Erhöhung
der Grundsteuer führen werde.
({3})
Wenn Sie hier ausführen, dass die vorherige Bundesregierung im Bewertungsgesetz bereits 80 Prozent des zu
Bewertenden festgelegt habe, ist das sachlich schlicht
falsch, Frau Eichstädt-Bohlig.
({4})
Das bezieht sich ausschließlich auf den Grund und Boden
und nicht auf bebaute Grundstücke; da muss der Gesamtwert betrachtet werden. Die Vorgabe von 80 Prozent bezieht sich ausschließlich auf Bodenrichtwerte und nicht
auf das Gesamtprojekt, das jetzt Diskussionspunkt ist und
wozu die Kommission von Bund und Ländern Vorschläge
erarbeitet hat.
Nun zum Stichtag der Veröffentlichung dieser Vorschläge: Dies ist hier heruntergekocht worden, als hätte
das nichts mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
zu tun. Die Ergebnisse der Kommission sollen am
15. Mai, also am Montag, veröffentlicht werden.
({5})
Gott sei Dank sind Eckpunkte dieser Überlegungen vor 14
Tagen öffentlich geworden.
({6})
So wissen die Bürger wenigstens, was Sie im Grunde wollen, nämlich eine Erhöhung der Erbschaftsteuer.
Wenn hier darauf abgestellt wird, dass die Vorgängerregierung dies schon 1996/97 vollzogen hat, Herr
Lennartz, so muss deutlich gemacht werden, dass der
Grund dafür - das hat Herr Michelbach schon betont - in
der Abschaffung der Vermögensteuer zu sehen war. Alle
hatten sich damals dafür ausgesprochen, die betriebliche
Vermögensteuer abzuschaffen.
({7})
- Mit Ausnahme von Ihnen.
({8})
Dann ist gesagt worden, der Aufwand, die private Vermögensteuer mit einem Aufkommen von 3,2 bis 4 Milliarden DM zu erheben, sei viel zu hoch. Der Ausgleich sollte
durch eine Neubewertung der Grundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer geschaffen werden. Genau
das ist gemacht worden.
Sie haben damals nur deshalb nicht zugestimmt, weil
Ihnen das noch nicht weit genug ging.
({9})
Und daher ist das heute wieder Thema bei Ihnen.
({10})
Heute müssen Sie das einlösen, was auf dem Parteitag der
SPD im Dezember letzten Jahres beschlossen worden ist.
Auch Herr Clement muss klipp und klar sagen, ob er
als stellvertretender Bundesparteivorsitzender zu dem
steht, was hier erarbeitet worden ist. Die vorauseilenden
Botschaften sind schon da. Es ist vorhin schon zitiert worden, was Frau Simonis heute in ihrer Regierungserklärung
gesagt hat - ich darf zitieren -: Zur teilweisen Gegenfinanzierung für die Landeskassen halte ich außerdem eine
Reform des Erbschaftsteuerrechts für unverzichtbar. Damit wird auch ein weiteres Stück sozialer Gerechtigkeit
geliefert. - Meine Damen und Herren, die Vorarbeiten für
diesen Weg sind in der Tat von der Kommission geleistet
worden. Das wird nachher so umgesetzt.
({11})
Herr Poß, es ist schon phänomenal, feststellen zu können, dass Sie sich in der steuerpolitischen Diskussion, zumindest durch Ihre Anwesenheit, zurückgemeldet haben.
Als letzter Prätorianer Lafontaines haben Sie noch vor etwas mehr als anderthalb Jahren, was die Unternehmensteuerreform anbelangt, etwas anderes vertreten,
({12})
nämlich dass es keinen Raum für eine steuerliche Entwicklung gebe.
({13})
Wir haben noch in den letzten Tagen in Bonn die Auseinandersetzung darüber geführt, als Sie mit getürkten
Zahlen der OECD versucht haben, uns weiszumachen,
dass wir bezüglich der Belastung der Unternehmen im
internationalen Vergleich gar nicht so schlecht lägen.
Nachher hat sich herausgestellt, dass das falsch war.
({14})
Innerhalb eines halben Jahres gab es dann einen Paradigmenwechsel. Auf einmal will man, ausgehend von einer
anderen Unternehmenskultur, die Entlastung der Unternehmen und nicht der Unternehmer.
({15})
Es ist heute schon mehrmals gesagt worden, dass das ein
Abgehen von unserer Unternehmenskultur bedeutet. Aber
Sie werden entlarvt. Es geht nur von der rechten in die
linke Hosentasche: Auf der einen Seite geben Sie, auf der
anderen Seite wiederum nehmen Sie.
({16})
Diesen Weg werden wir nicht mitgehen. Wir wollen
keine schleichende Erhöhung der Steuer; Ihre Vorstellungen zur Erbschaftsteuer lehnen wir ab. Sie wollen im
Grunde nur die linke Ecke beruhigen. Damit gefährden
Sie die Gestaltung der Zukunft unseres Landes. Das werden wir nicht mitmachen.
({17})
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der Kollege
Wolfgang Grotthaus von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dautzenberg, wir
wären auch enttäuscht und überrascht, wenn Sie mitmachten. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie mitmachten, würde vieles von dem, was wir wollen, verfälscht. Das wollen wir nicht. Von daher sind wir froh,
dass Sie nicht mitmachen.
({0})
Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu dem, was Herr
Thiele gesagt hat. Für mich ist es in diesem Haus immer
ein besonderes Erlebnis, wenn ich spätestens im zweiten
Satz höre: „um bei der Wahrheit zu bleiben“. Ich sage Ihnen: Seit ich in diesem Hause sitze, habe ich immer bewusst zugehört. Das tun auch die Menschen in diesem
Lande. Sie stellen dann fest, dass sie an vielen Stellen für
doof verkauft werden sollen, wenn man immer wieder die
„Wahrheit“ zitiert.
({1})
Wenn Herr Thiele und Sie bei der Wahrheit geblieben
wären,
({2})
dann hätten Sie sagen müssen: Jawohl, sie - die neue Regierung - haben zu Recht die Bund-Länder-Kommission
einberufen. Sie verwirklichen konsequent das Gesetz, das
wir 1996 beschlossen haben, nämlich dass eine Überprüfung der Grundstückswerte erfolgen soll. - Sie haben das
nicht gesagt. Sie hätten auch noch hinzufügen können,
dass wir das, was die alte Regierung politisch wollte, weiterführen. Sie haben das nicht gemacht. Stattdessen verleugnen Sie das von Ihnen 1996 selbst beschlossene Gesetz.
({3})
Ich will es einmal so ausdrücken: Der Täter nutzt seine eigene Gesetzgebung aus, um sich als Verteidiger angeblicher Opfer darzustellen. Nichts anderes ist es. Das lassen
wir Ihnen nicht durchgehen!
({4})
- Genauso sieht das aus.
Wir werden uns von Ihnen auch nicht in eine Ecke
drängen lassen, als würden wir denjenigen etwas wegnehmen wollen, die über Jahre oder Jahrzehnte Eigentum
geschaffen haben und dieses im Alter auch genießen wollen. Die Menschen in diesem Land spüren, dass seit dem
Regierungswechsel eine andere, eine sozialere Politik
Einzug gehalten hat.
({5})
- Ja, Herr Fromme, sie haben mitbekommen - auch Sie
müssten das in Ihrem Portemonnaie merken; denn manchmal stelle ich fest, dass Sie schwer zu tragen haben -, dass
wir eine Steuerpolitik mit mehr Gerechtigkeit beschlossen
haben und noch beschließen werden.
({6})
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten
einmal bedenken, dass wir heute eine Steuerreduzierung
um 55 Milliarden DM für den Normalbürger
({7})
und um 20 Milliarden DM für den Mittelstand beschlossen haben.
({8})
- Herr Michelbach lassen Sie sich eines sagen: Im Ruhrgebiet heißt es: Wer schreit, hat kein Recht. Sie können ruhig weiter schreien; die Bürgerinnen und Bürger werden
feststellen, dass Lautstärke keine Argumente ersetzt.
({9})
Über eine Reduzierung des Eingangsteuersatzes von
25,9 auf 15 und des Spitzensteuersatzes von 53 auf
45 Prozent brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.
Auch dies ist draußen angekommen; denn die Bürgerinnen und Bürger stellen fest: Es steht mehr Geld zur Verfügung: Sie stellen ferner fest, dass unsere Steuerpolitik
zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat.
({10})
Denn zum ersten Mal seit 1996 liegt dieses Jahr die Arbeitslosenziffer im April unter 4 Millionen.
({11})
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
stellen mit Frustration - deswegen auch Ihre Überreaktion - fest, dass die Wirtschaftsverbände die sozialdemokratische und bündnisgrüne Politik loben; Sie stellen fest,
dass Ihre früheren Verbündeten jetzt auf einmal die SPD
und die Bündnisgrünen dafür loben, welch hervorragende
Steuerpolitik sie machen.
({12})
Dass man dann knatschig ist, das ist klar; dafür haben wir
Verständnis.
({13})
Sie stellen mit großer Frustration fest, dass die sechs
Wirtschaftsweisen
({14})
gesagt haben, dass die eingeleiteten Maßnahmen richtig
sind. Sie haben in ihrem hundertsten Gutachten betont,
dass die Maßnahmen zu mehr Wirtschaftswachstum
führen, der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt und
die Inlandsnachfrage gesteigert wird. All dies haben Sie
während Ihrer Regierungszeit von den Wirtschaftsweisen
nicht attestiert bekommen.
({15})
Es ist ja ganz klar, dass Sie dann eine solche Reaktion zeigen.
Viele Menschen erkennen
({16})
die veränderte Situation; nur Sie, die Opposition, stehen
abseits. Statt konstruktiver Oppositionspolitik betreiben
Sie destruktives Herummäkeln und Verunsicherung der
Bevölkerung.
({17})
Sie glauben, dass Ihnen das hilft; Sie hoffen, dass Sie
kurzfristig in Nordrhein-Westfalen davon profitieren können. Der Sonntag wird zeigen, dass Sie sich täuschen. Alternativen zu unserer Politik wären erwünscht. Sie haben
diese Alternativen nicht. Deswegen sage ich Ihnen: Sie
sind zu Recht in der Opposition und mit Ihrem politischen
Verhalten werden Sie, weiß Gott, noch lange in der Oppositionsrolle bleiben.
({18})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 11. Mai, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.