Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die offizielle Tagesordnung eintreten,
möchte ich Ihnen folgende amtliche Mitteilung zur
Kenntnis bringen: Der Gesetzentwurf zur Stärkung der
Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung auf
Drucksache 14/24, der noch heute im federführenden
Ausschuß für Gesundheit abschließend beraten wird,
soll nachträglich auch dem Ausschuß für die Angelegenheiten der neuen Länder zur Mitberatung überwiesen
werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist es so
beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als zentrales Thema der
heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union. - Ich höre gerade, daß Herr Bundesminister Fischer noch unterwegs ist. - Zu Ihrer Information: Er befindet sich noch im Ausschuß. Aber er
ist auf dem Weg hierher. Deshalb wird die Sitzung für
einen kurzen Augenblick unterbrochen.
({0})
Ich gebe Ihnen rechtzeitig bekannt, wann es weitergeht.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die kurz unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich erteile nunmehr
für den einleitenden fünfminütigen Bericht der Bundesregierung das Wort dem Minister des Auswärtigen,
Herrn Joseph Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst muß
ich mich vor dem Hause für mein Zuspätkommen entschuldigen. Ich möchte allerdings zur Begründung hinzufügen, daß ich in zwei Ausschüssen präsent sein
mußte, nämlich im Verteidigungsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß. Es handelt sich dabei bekanntlich
um Untergliederungen des Deutschen Bundestages. Es
ist also nicht so, daß ich aus eigenem Verschulden oder
Versäumnis hier zu spät gekommen bin. Die Wegstrekke, die ich zurücklegen mußte, werden Sie ebenfalls in
Rechnung stellen. Dennoch möchte ich mein Zuspätkommen entschuldigen. Deswegen die Bundesregierung
allerdings als „Saftladen“ zu bezeichnen, halte ich für
unangemessen, Herr Kollege Schäuble.
({0})
Meine Damen und Herren, wir hatten gerade den
deutsch-französischen Gipfel. Dieser Gipfel stand bereits im Zeichen der deutschen Präsidentschaft im Rat
der EU im kommenden Halbjahr. Beginnend mit dem 1.
Januar des kommenden Jahres werden wir drei Präsidentschaften zu vertreten haben. Das eine ist die Präsidentschaft in der Europäischen Union, das andere ist die
Präsidentschaft in der Westeuropäischen Union, das
dritte ist die G-7/G-8-Präsidentschaft.
Vor allen Dingen die Verbindung zwischen EUPräsidentschaft und WEU-Präsidentschaft wird im
Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik von ganz besonderer Bedeutung sein. Zumindest hat
dies gegenwärtig bereits bei der Erörterung in den verschiedenen Gremien sowohl bei der WEU-Ratstagung
als auch bei bilateralen Gesprächen eine große Rolle gespielt, so auch gestern auf dem deutsch-französischen
Gipfel.
Für die Bundesregierung bleibt die Vollendung der
europäischen Integration oberstes außenpolitisches Ziel.
Wir stehen hier in voller Kontinuität der Politik der
Bundesrepublik Deutschland. Wir hatten in diesem Hause in der Vergangenheit einen breiten Konsens und hoffen, für die Umsetzung dieses politischen Zieles auch in
Zukunft einen breiten Konsens zu haben.
Wir stehen in einer besonderen Situation. Diese besondere Situation wird den Deutschen Bundestag in den
kommenden Monaten noch ganz besonders beschäftigen. Mit dem 1. Januar nächsten Jahres wird nämlich der
europäische Integrationsprozeß mit der Wirtschafts- und
Währungsunion eine neue Qualität erreichen. Diese neue
Qualität wird ein Mehr an Verantwortung bedeuten; sie
wird aber auch für die wichtigste Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union und für die Leitfunktion
dieser Volkswirtschaft sowie, umgesetzt auf die politische Ebene, für die deutsche Präsidentschaft von ganz
herausragender Bedeutung sein.
Gleichzeitig haben im November mit dem Treffen der
Außenminister in Brüssel die konkreten Beitrittsverhandlungen begonnen. Diese Beitrittsverhandlungen
werden alles andere als einfach. Dennoch sind wir an ihrem Erfolg interessiert. Wir wollen hier so schnell wie
möglich zu einem positiven Abschluß kommen.
Ein weiterer Punkt ist, daß wir hoffen, daß die Französische Republik im nächsten Frühjahr noch zu einer
Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages kommen wird.
Das wird dann ebenfalls weiteren Handlungsbedarf mit
sich bringen. Außerdem üben die Europawahlen ebenfalls einen entsprechenden Handlungsdruck auf alle
politisch Verantwortlichen in Europa aus. Die Konsequenz dessen, was wir jetzt anzupacken haben, sind
dichtgedrängte Terminkalender.
Die politischen Herausforderungen machen drei zentrale Ziele für uns unabweisbar, nämlich erstens mehr
Beschäftigung für ein Europa im globalen Wettbewerb
zu schaffen. Wir wollen - das war einer der wichtigsten
Punkte, die der französische Präsident, der Premierminister und der Bundeskanzler vereinbart haben - in einer
gemeinsamen deutsch-französischen Anstrengung während der deutschen Präsidentschaft einen europäischen
Beschäftigungspakt in Ergänzung der nationalen Maßnahmen umsetzen. Es wird sehr wichtig sein, daß hier
positive Entwicklungen eingeleitet werden. Die Einführung des Euro, ein zweiter ganz zentraler Punkt, habe
ich schon angeführt.
Natürlich geht es drittens auch um die strukturellen
Reformen und die innere Entwicklung der Europäischen
Union. Hierbei kommt der Umstellung der europäischen
Finanzverfassung auf die Erweiterungsfähigkeit eine
zentrale, überragende Rolle zu. Diese europäische
Finanzverfassung wird gemeinhin unter der Überschrift
„Agenda 2000“ geführt. Diese Agenda 2000 umzusetzen
wird alles andere als einfach sein. Dennoch: Wenn es
während der deutschen Präsidentschaft nicht gelingt
- danach folgt die finnische Präsidentschaft, dann die
griechische; die französische Präsidentschaft wird dann
schon sehr nahe an den französischen Präsidentschaftswahlen sein -, einen ersten praktischen Schritt bei den
Reformen durchzusetzen, droht die Gefahr, daß sich
Europa zu Beginn der Währungsunion - mit der eine
größere Verantwortung verbunden ist - in einen Reformstau hineinbewegt, der sehr negative Konsequenzen
haben könnte.
Dabei muß allen klar sein, daß wir die Kompromisse,
die bei der Agenda 2000 notwendig sind, nicht mehr,
wie in der Vergangenheit - ich habe das nicht zu kritisieren; ich stelle das nur nüchtern fest -, mit zusätzlichem Geld aus Deutschland werden finanzieren können. Dafür sind schlicht und einfach keine Spielräume
vorhanden. Es muß klar sein, daß ein Kompromiß nur
auf der Grundlage dessen möglich ist, daß wir in der
Europäischen Union eine Ausgabenbegrenzung betreiben, die diesen Namen tatsächlich verdient, und daß wir
die wichtigsten Reformen bei den Strukturfonds, bei den
Kohäsionsfonds und vor allen Dingen in der Agrarpolitik anpacken.
Diese Reformen setzen voraus, daß dazu alle Besitzstände auf den Tisch kommen müssen. Wir danken der
Kommission der Europäischen Union, daß im Eigenmittelbericht anerkannt wurde, daß die Nettozahlerposition der Bundesrepublik Deutschland und anderer intolerabel ist.
({1})
- Ich könnte Ihnen jetzt konkret sagen, was ich an Edmund Stoibers Europapositionen unverantwortlich finde.
Wenn Sie wissen wollen, was er auf dem Deutschlandtag der Jungen Union vorgetragen hat, kann ich Ihnen
das gerne sagen, Herr Glos.
({2})
Aber das hat doch mit Rumeiern gar nichts zu tun.
Herr Glos, wir befinden uns hier am Beginn eines
sehr schwierigen Verhandlungsprozesses. Ich wollte Ihnen gerade unsere Eckpunkte benennen und Ihnen klipp
und klar sagen: Wir wollen den Erfolg der Agenda 2000,
weil wir ihn für zwingend notwendig halten. Das geht
aber nicht mehr um jeden Preis; denn der Preis, der in
der Vergangenheit bezahlt wurde, kann schlicht und einfach nicht mehr erbracht werden.
Wenn wir in der Frage der Nettozahlerposition keine
Reform hinbekommen, dann soll mir einmal jemand erklären, wie die Erweiterung funktioniert, ohne daß wir
überproportional hohe Lasten zu schultern haben werden. Ihr Ministerpräsident Stoiber und Ihre Partei werden doch die ersten sein, die schon im Vorfeld auf Europaebene mit Anti-Europa-Parolen auf die Barrikaden
gehen, Herr Glos.
({3})
Sie können es also auch gerne konkreter haben. Damit habe ich überhaupt kein Problem.
({4})
- Nein, das hat mit Polemik überhaupt nichts zu tun.
Wir erwarten hier eine Unterstützung der deutschen
Position. Für uns ist es wichtig - in diesem Punkt kann
ich hier im Deutschen Bundestag gar nicht konkreter
werden -, daß mit dem Kommissionsbericht alle Optionsmodelle auf dem Tisch sind und dort auch bleiben.
Es gibt doch etwa Versuche, die Kofinanzierung bereits
im Vorfeld vom Tisch zu nehmen.
Wir legen Wert darauf, daß sowohl die Begrenzung
des Anstiegs des EU-Haushaltes als auch die drei Optionsmodelle, die die Kommission vorgeschlagen hat, in
der Tat auf dem Tisch bleiben. Wir legen Wert darauf
- die Spanier wollen an diesem Punkt bereits ihre nationale Position entsprechend festklopfen -, daß eben auch
der Kohäsionsfonds mit auf den Tisch gelegt wird. Wir
legen Wert darauf, daß auch die Strukturfonds auf den
Tisch gelegt werden. Wir wollen nicht nur die Kofinanzierung, sondern wir wollen auch die Umstellung der
Berechnungsgrundlage von der Mehrwertsteuer hin zum
Bruttosozialprodukt. Wir wollen ebenfalls das Kappungsmodell, das die Kommission entwickelt hat. Das
alles wollen wir. Nur daraus wird man ein Paket schnüren können.
Ich kann Ihnen hier jetzt nicht öffentlich Verhandlungspositionen der Bundesregierung und schon gar
nicht der deutschen Präsidentschaft im vorhinein vortragen. Das werden Sie verstehen, und das werden Sie auch
billigen; denn es wäre eine törichte Verhandlungsstrategie, wenn man hier im Deutschen Bundestag bereits
festlegen würde, was nachher Verhandlungsmasse ist,
worüber in den Verhandlungen gesprochen werden muß
und wo es einen schmerzhaften Kompromiß geben muß.
Das sind die Punkte, um die es geht.
Ein weiterer Gesichtspunkt wird eine zentrale Rolle
spielen - gestatten Sie mir, daß ich den in der Kürze der
Zeit noch anspreche -: Es ist der Punkt der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Der Frage der Entwicklung einer europäischen Säule, einer gemeinsamen
Sicherheitsidentität wird eine große Bedeutung zukommen. Hier wird auch die Personalentscheidung im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Vertrages von
Amsterdam eine große Rolle spielen.
Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Das sind
die wesentlichen politischen Eckpunkte, die in dem kurzen halben Jahr eine Rolle spielen werden. Selbstverständlich wird es noch eine Vielzahl anderer Punkte geben, die ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht erwähnen
konnte. Aber dies sind die wesentlichen Schwerpunkte.
({5})
Ich bitte jetzt zunächst Fragen zu dem soeben aufgerufenen Themenbereich zu stellen. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete
Peter Altmaier, CDU/CSU.
Herr Bundesminister,
Sie haben die Reform der Finanzverfassung angesprochen. Nun gibt es einen Bericht der Kommission vom 7.
Oktober, in dem unter anderem auch die Einführung eigener, neuer Steuern für die Europäische Union erörtert
wird. Meine Frage: Kann die Bundesregierung sich vorstellen, daß im nächsten Halbjahr unter deutscher Präsidentschaft darüber gesprochen wird, daß derartige neue
Steuern im Telekommunikations- und Verkehrssektor
eingeführt werden, oder ist eine solche Möglichkeit nach
ihrer Auffassung von vornherein ausgeschlossen?
({0})
Wir haben ja gegenwärtig, sozusagen in voller Kontinuität der Debatte vor den Wahlen, bereits eine inländische Steuereinführungsdebatte, die jeden Tag der Presse
zu entnehmen ist. Nun bekommen wir diesbezüglich
auch eine europäische Dimension. Ich glaube nicht, daß
die europäische Dimension unbedingt sozusagen die
Produktivität der inländischen Debatte übersteigen wird.
({0})
- Ich sehe das wesentlich gelassener. Ich kann Ihnen nur
sagen: Auf die Telefonbesteuerung, die sogenannte
Handysteuer, muß man erst einmal kommen.
({1})
- Aber bitte, wir können das Spiel gern weitermachen.
Nein, allen Ernstes: Es wird darum gehen, die Ausgaben zu begrenzen. Das ist der entscheidende Punkt. Ich
denke, das wird von ganz zentraler und entscheidender
Bedeutung sein. Darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren. Die Bundesregierung wird diese Konzentration in
ihren Anstrengungen auch vornehmen; davon können
Sie ausgehen. Sonst werden wir die Agenda 2000 nicht
in trockene Tücher bekommen.
Die nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Ursula Heinen, CDU/CSU.
Da wir gerade beim
Thema Ausgabenbegrenzung waren, Herr Außenminister, folgende Frage: Wird sich die neue Bundesregierung anläßlich der jüngsten Diskussionen zum Thema
Entlastung der Kommission für das Haushaltsjahr 1996
und anläßlich des Berichts des Rechnungshofes für das
Jahr 1997 wirklich für eine wirksame Betrugsbekämpfung einsetzen, für eine Begrenzung von Korruption und
Subventionsschwindeleien?
Die Bundesregierung ist verpflichtet, sich gegen alle
Formen von Bereicherungskriminalität wirksam einzusetzen, und in dem Rahmen, in dem wir dies auf europäischer Ebene können, werden wir das nicht nur aus
dieser Verpflichtung heraus, sondern ganz selbstverständlich tun. Es entsteht hier politischer Schaden. Wie
immer, wenn es solchen Schaden in Institutionen gibt,
liegt da auch die Chance der Verbesserung, der Erneuerung. Denn damit geraten Institutionen auf den Prüfstand, und es sind plötzlich Mehrheiten für Verbesserungen und die Zustimmung der Öffentlichkeit, die es
vorher nicht gab, zu bekommen. In diesem Lichte werden wir unsere Haltung dazu definieren.
({0})
- Von mir aus immer.
Eine Zusatzfrage?
Werden Sie das bereits
beim Gipfel in Wien auf die Tagesordnung setzen?
Das ist eine schwierige Frage, weil man hier natürlich
auch die Interessen des Europaparlaments berücksichtigen muß. Aber selbstverständlich prüft die Bundesregierung dieses Problem, das uns im übrigen unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz Europas sehr zu denken gibt.
Solche Entwicklungen schädigen nicht nur das Ansehen
der Kommission und müssen dringend verbessert bzw.
abgestellt werden; ich halte das vielmehr auch unter dem
Gesichtspunkt der Zustimmung unserer Bevölkerung zu
Europa für eine fatale, kontraproduktive Entwicklung.
Auch das ist ein Grund, warum wir uns sehr intensiv
darum bemühen.
Das Wort hat jetzt
der Abgeordnete Michael Stübgen, CDU/CSU.
Herr Bundesminister, Sie haben in einem Interview im „Spiegel“ der
vergangenen Woche erklärt - ich zitiere -: „Wir brauchen . . . ein Zwei-Kammern-Parlament in Brüssel.“ Aus
den Ausführungen, die Sie danach gemacht haben, wird
klar: Sie meinen damit eine zusätzliche institutionelle,
gesetzgebende Kammer der Europäischen Union, wie
auch immer besetzt aus Delegationen der nationalen
Parlamente.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß sich der
Deutsche Bundestag mit seiner überwiegenden Mehrheit
und der Europaausschuß sogar einstimmig über Jahre
hinweg und nachhaltig gegen die Einrichtung einer solchen neuen institutionellen Kammer in Brüssel ausgesprochen haben? - Dies wäre übrigens neben den Ministerräten und dem Europäischen Parlament die dritte
Kammer. - Ist Ihre Äußerung im „Spiegel“ so zu deuten,
daß dies die Haltung der Bundesregierung ist, oder ist
das Ihre private Haltung? Gedenkt die Bundesregierung
während ihrer Ratspräsidentschaft in dieser Angelegenheit aktiv zu werden?
Ich will Ihnen gerne mein Interview hierzu in der „Süddeutschen Zeitung“ zukommen lassen, das ausführlicher
ist. Dies ist in der Tat meine persönliche Position zu der
Frage, wie ein Europa der - ich nenne einmal eine theoretische Zahl - 30 funktionieren könnte. Ich kann mir
dies nur voll parlamentarisiert vorstellen. Die Hauptachse einer zukünftigen europäischen Verfaßtheit wird zwischen der nationalen und der europäischen Ebene verlaufen. Dies zeigt sich auch in der Debatte.
Jüngst fand eine bilaterale Konferenz des französischen und des deutschen Außenministers statt, bei der
wir fünf Stunden über alle anstehenden bilateralen Fragen und vor allen Dingen über Europa geredet haben.
Bei der Erweiterung stellte sich immer wieder die operative Frage: Wohin wollt ihr eigentlich? Wenn man
dann die langfristige Perspektive diskutiert, die am Horizont erscheinende Perspektive, bei der man sich noch
sehr im Spekulativen bewegen muß, dann findet man
etwa in der Erweiterungsdebatte oder in der Frage institutioneller Reformen wieder zurück zu operativen Bestimmungen.
In diesem Zusammenhang bin ich der festen Überzeugung, daß wir, wenn wir in Europa substantielle
Schritte vorankommen wollen - das ist keine Flucht in
das Übermorgen -, parallel zu den anstehenden, praktisch zu lösenden Fragen mit einer Finalitätsdebatte beginnen, also fragen müssen: Wie soll denn dieses Europa
in seiner letztlichen, demokratischen Gestalt aussehen?
Wie kann es aussehen? Wie sehen die unterschiedlichen
nationalen Traditionen und Positionierungen aus?
Ich habe vom Kollegen Gerlach, den ich aus meiner
hessischen Zeit kenne und sehr schätze, einen bösen
Brief bekommen, in dem er mich fragt, wie ich denn dafür sein könne. Er sagt, es gehe nur um das Europaparlament, um sonst gar nichts. Unbeschadet der bisherigen
Position bin ich der festen Überzeugung, daß wir niemals einen homogenen kontinentalen Nationalstaat haben werden, sei er auch föderal strukturiert wie in den
USA. Denn Sprache, Kultur, Geschichte der europäischen Völker, ihre Vielfalt werden auch unter dem Dach
Europa, unter dem politischen Subjekt, unter dem
handlungsfähigen Subjekt eines Europa von übermorgen
bestehenbleiben. Insoweit müssen die nationalen Staaten
und die nationalstaatlichen Traditionen in diese europäische Verfassungsstruktur und auch in die parlamentarische Struktur eingeführt werden.
Da die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu dieser Finalitätsfrage keine Position einnimmt
- was bei dem jetzigen Stand der Diskussion auch nicht
ratsam wäre -, kann ich in die Debatte nur meine persönliche Meinung als überzeugter Europäer einbringen.
Meine persönliche Überzeugung ist es, daß es eine Verzahnung der nationalen politischen Öffentlichkeit und
damit auch der nationalen Parlamente mit der europäischen Ebene geben muß. Ich bin mir sicher, daß sich
eine europäische Verfassungswirklichkeit im Rahmen
einer dann vollendeten europäischen Integration nicht
ohne eine starke Rolle der nationalen Parlamente und
der Nationalstaaten wird denken lassen, und zwar auf
Grund der Vielfältigkeit und Differenziertheit unserer
Geschichte und auf Grund unserer Unterschiede.
Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, die wohl
auch nicht an Parteilinien und Fraktionslinien gebunden
sind. - Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit beantworten.
Der Kollege Stübgen
stellt noch eine kurze Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ich danke für Ihre Ausführungen. - Können Sie
sich vorstellen, daß Sie sich die gegenwärtige Haltung
des Europaausschusses zu eigen machen, daß erstens
eine zusätzliche, also dritte institutionelle Kammer nicht
zur Transparenz der europäischen Politik beitragen
würde, sondern daß es besser wäre, die Rechte des Europäischen Parlamentes zu stärken, gerade auch im Hinblick auf die Kommission, auf die Besetzung mit und
die Abberufung von Kommissaren, und daß es zweitens
notwendig ist, die nationalen Parlamente in ihrer Kontrolle gegenüber ihren nationalen Regierungen und in
ihrer gesetzgeberischen Arbeit in den Räten zu stärken?
Damit hätten wir die Verkoppelung, von der Sie gesprochen haben, ohne eine zusätzliche dritte Kammer einrichten zu müssen.
Dem ersten Teil Ihrer Frage stimme ich zu. Wir diskutieren aber vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zeitachsen. Es ist überhaupt keine Frage, daß die direkte
Stärkung des Europäischen Parlaments jetzt unmittelbar
im Vordergrund steht. Ihre Gedanken und Ihre Position
bezüglich der Verfassungswirklichkeit eines geeinigten
Europas teile ich nicht, auch wenn sie mit der Position
des Europaausschusses übereinstimmen. Ich persönlich
teile sie nicht, weil die Instrumente nicht ausreichen.
Ich habe wirklich genügend parlamentarische Erfahrung, und meine These ist, daß die Regierung - das habe
ich in der Opposition ja auch immer wieder erlebt - im
Spiel zwischen Brüssel und der jeweiligen Hauptstadt
immer stärker sein wird. Vor Ort redet man nach der
Devise, das gehe da nicht, und andererseits erzählt man
dort, das gehe hier nicht. Das werden Sie nicht aufbrechen können. Es gibt eine ganze Reihe von wichtigen,
konstitutiven Fragen, die sich an dieses Modell knüpfen.
Es führt nämlich dazu, daß der Ministerrat in Konkurrenz zu Regierungen und zur Kommission stünde und
nicht mehr eine exekutiv-legislative Doppelfunktion
wahrnähme. Diese Fragen betreffen aber die Verfaßtheit
Europas unter finalen Aspekten. Ich finde, die Debatte
darüber muß man jetzt unter dem Gesichtspunkt beginnen, daß man Perspektiven entwickelt.
Ich stimme Ihnen aber, was die aktuellen Entscheidungshorizonte betrifft, völlig zu, daß die Stärkung des
Europäischen Parlaments von zentraler Bedeutung ist,
um eine stärkere Parlamentarisierung der EU zu erreichen.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich verweise darauf, daß ich eine Liste
von acht Fragestellerinnen und Fragestellern habe, unsere Zeit aber drängt. Deshalb möchte ich beide Seiten
bitten, an die Zeit zu denken.
Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Ralf
Brauksiepe, CDU/CSU.
Herr Bundesminister, ich gehe davon aus, daß es die Geschäftsordnung
des Hohen Hauses mir als Delegierten des letzten JUDeutschlandtages nicht gestattet, Sie darüber aufzuklären, daß Ministerpräsident Stoiber nicht nur eine sehr
begeisternde, sondern auch eine sehr proeuropäische
Rede gehalten hat. Ich verzichte deshalb auf diese Belehrung.
({0})
Ich möchte auf das Thema Beschäftigungspolitik zurückkommen. Sie haben hier, wie auch im zuständigen
Ausschuß, darauf hingewiesen, daß Sie dem eine große
Bedeutung beimessen. Gleichzeitig haben Sie aber auch
bei mehreren Gelegenheiten darauf hingewiesen, daß
aus Ihrer Sicht die Zeit der finanziellen Großzügigkeit
Deutschlands vorbei sei. Von Ihren Beamten haben wir
im Europaausschuß gehört, daß die EU nach wie vor
eher für die Koordinierung der finanziellen Mittel zuständig ist und nicht für Programme.
Nun kenne ich als Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet
gerade die Probleme mit der hohen Arbeitslosigkeit. Die
auf Landesebene und kommunaler Ebene zuständigen
Politiker beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem
Problem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Für mich
leitet sich neben der Frage, wer welche Programme finanzieren soll, daraus auch die Frage ab, ob Sie glauben,
daß die Probleme, die von Düsseldorf und den Kommunen im Ruhrgebiet beispielsweise bisher nicht gelöst
werden konnten, jetzt in Zukunft von Brüssel aus gelöst
werden können. Woraus nehmen Sie gegebenenfalls diesen Optimismus?
Nein, das glaube ich nicht. Es war nie die Auffassung
der Bundesregierung, daß das, was die Kommunen nicht
hätten lösen können, jetzt in Brüssel gelöst werde. Das
wäre meines Erachtens ziemlich absurd. Die kommunalen Probleme werden auch in Zukunft im Schlagschatten
des Kirchturms gelöst werden müssen. Dafür gibt es die
kommunale Verantwortung und eine enge Verzahnung
mit den Ländern. Es gibt auch Entscheidungen auf Bundesebene, die unmittelbar durchgreifen, etwa zur Finanzverfaßtheit. Die Gelder spielen sicherlich eine große
Rolle. Insgesamt gesehen sollen die kommunalen Probleme entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip - Probleme sollen auf der untersten bzw. optimalen Ebene
gelöst worden - auch dort gelöst werden.
Dennoch ist eine Abstimmung der Politiken innerhalb
der EU überaus sinnvoll. Die alte Bundesregierung hat
das bisher blockiert und wollte es aus Gründen, die ich
nicht geteilt habe, aber vor dem Hintergrund ihrer politischen Positionierung nachvollziehen konnte, nicht. Wir
sind der Meinung, daß wir, vor allem in enger Abstimmung mit dem französischen Partner, gemeinsame Initiativen zu einer besseren Koordinierung der Bemühungen, zu entsprechenden Vorgaben, an denen sich die jeweiligen nationalen Politiken zu orientieren haben, ergreifen müssen. Daß es auch eine Bündelung von Anstrengungen gibt, ist die Intention. Das hat aber nichts
mit der Lösung kommunaler Probleme zu tun.
Im übrigen können Sie sich auf dem Junge-UnionDeutschlandtag begeistern lassen, von wem immer Sie
wollen. Ich will auch nicht in Abrede stellen, daß Sie
begeistert waren. Ich nehme an, in der gegenwärtigen
Lage bedarf es nicht viel, um Sie zu begeistern.
({0})
Kollege Brauksiepe,
Sie haben noch eine Zwischenfrage.
Ich behalte jetzt
einfach einmal den Informationsvorsprung, den ich als
Teilnehmer auch Ihnen gegenüber, Herr Kollege
Schlauch und Herr Kollege Fischer, habe.
({0})
Ich bin zuversichtlich und gehe davon aus, daß ich es
noch erleben werde, daß sich die Rollen wieder vertauschen.
({1})
Ich möchte deswegen nur noch die Frage anschließen,
ob ich es richtig verstanden habe, daß damit für Sie
europäische Beschäftigungspolitik in erster Linie Koordinationspolitik ist und daß Sie sich allein von einer besseren Koordinierung durchgreifende Erfolge auf dem
Arbeitsmarkt versprechen.
Ich gehe davon aus, daß gegenwärtig das gesamte Spektrum der Handlungsmöglichkeiten - das hat auch die
ausführliche Erörterung heute im Kabinett angesichts
der Beschlußfassung über die Schwerpunkte unserer
Präsidentschaft gezeigt - in den betroffenen Ressorts beraten wird. Wenn die Bundesregierung abschließend ihre
Positionierung vorgenommen hat, werden wir den Deutschen Bundestag gern unterrichten.
Im übrigen stimme ich Ihnen zu: In der Tat können
Sie - im Gegensatz zu manch anderem Kollegen - davon ausgehen, daß Sie den Rollenwechsel noch erleben.
Ich habe Sie 15
Jahre aktiv verfolgt und werde das auch weiterhin tun.
Nächster Fragesteller
ist der Abgeordnete Aribert Wolf, CDU/CSU.
Herr Bundesminister, ich
möchte, weil es so schön ist, noch ein bißchen bei dem
Thema bleiben. Sie haben davon gesprochen, daß es
eine der Hauptaufgaben ist, die Ausgaben zu begrenzen
und auf europäischer Ebene einen Beschäftigungspakt
zu schaffen. Es ist schon interessant, zu erfahren, was
eigentlich unter dieser Überschrift zu verstehen ist.
Die bisherige Bundesregierung hatte im Rahmen der
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durchaus entsprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene koordiniert.
Jetzt ist meine Frage: Wollen Sie eigentlich, wenn Sie
etwas Neues und etwas anderes auf europäischer Ebene
machen wollen, nur wortreiche Erklärungen verabschieden, die sich in der Aussage erschöpfen, alles anders,
aber vieles besser machen zu wollen, und dann aber keine Taten folgen lassen, oder wollen Sie auf europäischer
Ebene zusätzlich zu den bisherigen EU-Ausgaben eben
doch europäische Arbeitsbeschaffungsprogramme auflegen und finanzieren? Wir hätten gern ein bißchen konkreter gewußt, was unter den tollen Überschriften zu
verstehen ist.
Ich verstehe natürlich Ihre Neugierde und kann auch Ihrer Leidenschaft volles Verständnis entgegenbringen,
daß Sie das gern konkreter gewußt hätten. Insofern kann
ich Sie beruhigen. Sie werden es auch konkreter erfahren. Nur, da ist gegenwärtig Geduld angesagt. Die Bundesregierung hat ihre diesbezügliche Position noch nicht
abschließend beraten. Solange wir sie noch nicht abschließend beraten haben, muß ich Sie auf die Tugend
der Geduld verweisen. Wenn wir darüber abschließend
beraten haben, werden Sie informiert, und dann werden
Sie sicherlich auch zu einem profunden, politisch abgewogenen Urteil kommen.
Zusatzfrage.
Das war ja ungeheuer
konkret. Sie werden doch sicherlich ein Beispiel haben,
über das Sie jetzt intensiv nachdenken. Ich bin ganz bescheiden, nur e i n Beispiel.
({0})
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, über das wir intensiv
nachdenken: Wir denken intensiv darüber nach, wie wir
das drängende Problem - das drängendste, das wir von
Ihnen geerbt haben - der Massenarbeitslosigkeit jetzt
tatsächlich in eine positive Trendwende umwandeln
können.
({0})
Darüber hinaus sage ich Ihnen nochmals: Wir sind
jetzt in der konkreten Diskussion. Wir sind in der konkreten Ressortabstimmung.
({1})
- Wenn ich Sie wäre, Herr Koschyk, würde ich unter
dem Gesichtspunkt „weiß nichts“ wirklich schweigen.
({2})
Darüber hinaus kann ich Ihnen heute keine konkreten
Vorstellungen präsentieren. Es würde mich ja jucken,
Ihnen konkret zu sagen, welche Subventionen wir zukünftig in Richtung Europa lenken, die wir bisher in
südliche Richtung gelenkt haben. Aber leider kann ich
Sie heute nicht damit ärgern, diese Vorstellungen zu
konkretisieren.
({3})
Nächster Fragesteller
ist der Abgeordnete Manfred Müller, PDS.
Herr Bundesminister, auch ich will bei den drängendsten Problemen
Europas bleiben. Ich finde es sehr erfreulich, daß nach
den vielen Absichtserklärungen, die die abgewählte
Bundesregierung zu diesem Thema abgegeben hat, Sie
nun mit einem europäischen Beschäftigungspakt konkret
handeln wollen. Es gibt ein gutes Beispiel dafür, daß geschlossene Pakte dadurch verbindlicher werden,
({0})
daß Sanktionen für diejenigen Mitgliedsländer vorgesehen sind, die sich nicht an diese Vereinbarungen halten:
der Stabilitätspakt. Ist daran gedacht, daß im Rahmen
des Beschäftigungpakts ähnliche Maßnahmen vorgesehen sind, die allein dafür sorgen können, daß die in diesem Pakt zum Ausdruck kommenden Absichtserklärungen auch verwirklicht werden?
Zweite Frage: Ist auch daran gedacht, europäische
Fördermittel zukünftig daran zu binden, daß durch ihre
Vergabe Arbeitsplätze geschaffen werden sollen? Ist
ferner daran gedacht, daß diese Fördermittel zurückzuzahlen sind, wenn die verbindlichen Zusagen bezüglich
der Arbeitsplätze nicht eingehalten werden?
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort wie vorhin geben. Es gibt Überlegungen, die schon
in Parlamentsdebatten und in anderen Debatten geäußert
wurden. Aber die Bundesregierung sieht sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu keiner Konkretisierung in der
Lage. Es wäre für unsere Absichten kontraproduktiv,
Festlegungen zu einem Zeitpunkt zu treffen, wo es noch
Diskussionen auf der regierungsinternen Arbeitsebene
gibt und wo erste Abstimmungen mit unseren Partnern
- bei allen Themen, die wir auf europäischer Ebene diskutieren, sind wir darauf angewiesen, daß unsere Partner
mitmachen - begonnen haben. Es tut mir leid, daß ich
zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr sagen kann.
Nächster Fragesteller
ist der Abgeordnete Helmut Haussmann, F.D.P.
Herr Außenminister, Sie berufen sich auf die Kontinuität der bisherigen Europapolitik. Die Europapolitik von Union und
F.D.P. ging immer von der Parallelität von Vertiefung
und Erweiterung aus. Dem Bulletin und den Presseberichten können wir entnehmen, daß die Bundesregierung die französische Position übernommen hat. Demnach ist ein Abschluß der institutionellen Reform Voraussetzung für die Aufnahme neuer Mitglieder. Ich
stelle Ihnen deshalb die Frage: Bedeutet dies, daß es für
osteuropäische Länder auf absehbare Zeit kaum die
Chance gibt, in die Europäische Union aufgenommen zu
werden?
Herr Kollege Haussmann, die Bundesregierung sieht
sich nach wie vor als Anwalt des Erweiterungsinteresses
der mittel- und osteuropäischen Staaten. Europa - das
habe ich bei allen Besuchen und in allen Stellungnahmen gesagt; der Bundeskanzler hat sich genauso geäußert - darf nach dem Ende des kalten Krieges kein westeuropäisches Projekt bleiben, sondern muß ein gesamteuropäisches Projekt werden. Allerdings muß man sagen
- diese Debatte hatten wir neulich schon einmal geführt;
wir werden sie demnächst sehr viel konkreter führen -,
daß die Probleme, vor denen wir heute stehen, vor allem
die finanziellen und die strukturellen Probleme, in Dimensionen angesiedelt sind, die entsprechende Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten zwingend erforderlich machen.
Ich habe mir erlaubt, mich auch bei der Vorgängerregierung kundig zu machen: Eine Erweiterung ohne eine
Reform - die Bedeutung der Agenda 2000 wurde von
der Vorgängerregierung niemals in Abrede gestellt; im
Gegenteil: sie hat massiv darauf hingewirkt, daß dieser
Reformprozeß vorankommt - wird die Frage der Finanzierbarkeit des Agrarmarktes aufwerfen und negativ beantworten.
Die Bedeutung der Kofinanzierung besteht ja nicht
nur darin, die Situation der Nettozahler zu verbessern.
Sie ist vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt der
Erweiterung von Bedeutung und spielt insoweit auch im
deutsch-französischen Dialog eine Rolle, wobei Sie die
Haltung Frankreichs, das diese Position ablehnt, sicherlich kennen.
Aber die Frage nach der Zukunft des Agrarmarktes
und der Handlungsfähigkeit der Union ist im Zusammenhang mit der Erweiterung natürlich aufgeworfen.
Überzeugte Europäer in Brüssel - sowohl in der Kommission als auch an anderer Stelle - sowie in den Partnerstaaten sagen: Wenn wir vor der Erweiterung die institutionellen Reformen nicht hinbekommen, werden sie
nach der Erweiterung garantiert noch schwerer hinzubekommen sein. All diese Überlegungen müssen angestellt
werden. Das heißt für mich aber nicht, daß man das auf
die lange Bank schiebt. Vielmehr muß man im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung des Vertrages von Amsterdam und mit der Agenda 2000 die Voraussetzungen
im Hinblick auf die Struktur der Finanzverfassung sowie
die institutionellen Reformen schaffen. Auf diesem Gebiet müssen wir vorankommen, und ich verrate Ihnen
kein Geheimnis, wenn ich sage, daß wir von der Vorgängerregierung eine Debatte um genau diese Probleme
übernommen haben, die wir jetzt mit unseren franzöBundesminister Joseph Fischer
sischen Partnern fortführen und zur Entscheidung bringen wollen. Die institutionellen Reformen im Rahmen
der EU halte ich für dringend geboten.
Gerade heute haben wir im Kabinett die Ergebnisse
der Finanzministerkonferenz erörtert. Der Finanzminister hat zu Recht darauf hingewiesen, daß Mitgliedstaaten eine Konsolidierung ihrer nationalen Haushalte
über den Geldfluß aus Brüssel betreiben. Über solche
Dinge wird man angesichts knapper werdender Mittel in
Zukunft diskutieren müssen. Das ist bekanntlich auch
der Grund, warum Deutschland bereits unter der Vorgängerregierung die Nettozahlerdiskussion begonnen
hat, die eine Anerkennung im Eigenmittelbericht gefunden hat.
Wir bewegen uns in diesem Spektrum. Es ist Realismus angesagt, um die Visionen zum Erfolg zu führen.
Aber am Festhalten an diesen Visionen gibt es keinen
Zweifel.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Haussmann.
Eine kurze Nachfrage mit der Bitte um eine Antwort mit Ja oder Nein,
Herr Außenminister: Halten Sie den Abschluß der institutionellen Reform für eine unbedingte Voraussetzung
für die Erweiterung?
Ich halte einen Abschluß der institutionellen Reformen
- was immer das sein mag; „Abschluß“ klingt sehr
abschließend - nicht für zwingend erforderlich.
Danke schön.
({0})
Das wollte ich hören.
Herr Haussmann, wir sind hier nicht bei Gericht.
Ich halte aber die institutionelle Reform für dringend
erforderlich, damit wir uns nicht im Gestrüpp der Widersprüche auch zwischen den Interessen der Beitrittsländer und der heutigen Mitgliedstaaten verfangen.
Deswegen müssen wir die institutionelle Reform voranbringen. Wir haben mit den Beitrittsverhandlungen ein
Zeitfenster, das wir dazu nutzen sollten. Dieses Zeitfenster wollen und müssen wir nutzen.
Ich sehe da keinen Widerspruch zu den Positionen,
die wir von Frankreich gehört haben. Die Franzosen
wollen eine handlungsfähige Europäische Union; wir
wollen sie auch. Diese Handlungsfähigkeit muß man in
Verbindung mit der Erweiterung sehen. Dies tun wir. So
hat es der Bundeskanzler gestern gesagt, und so wiederhole ich es heute hier im Parlament.
Nächster Fragesteller
ist der Abgeordnete Christian Schmidt, CDU/CSU.
Herr Bundesminister, ich habe mir einige Fragen aufgeschrieben,
die ich nun nicht mehr in die Debatte bringen möchte.
Eine jedoch möchte ich auch im Nachgang zu der Frage
des Kollegen Haussmann aufrechterhalten. Institutionelle Reform heißt Vertragsänderung. Vertragsänderung
heißt harte Arbeit und geht nicht nach dem Motto
„Schauen wir einmal“. Vertragsänderung will man, oder
man will sie nicht. Herr Lafontaine hat gestern eine persönliche Meinung geäußert, die besagt, wenn ich ihn
richtig verstanden habe, er wolle im Bereich der Steuerharmonisierung vom Einstimmigkeits- auf das Mehrheitsprinzip übergehen. Das bedarf einer Vertragsänderung. Sind dies jetzt persönliche Meinungen? Ist das
Bundeskabinett heute hinsichtlich der Ziele und
Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der
Europäischen Union, über die Sie eigentlich berichten
wollten, zu einer weiteren Erkenntnis gekommen als nur
zu derjenigen, daß es schwierige Fragen sind, die zu behandeln sind?
Im Hinblick darauf, daß die deutsche Ratspräsidentschaft in vier Wochen beginnt, hätten wir im Deutschen
Bundestag gerne gewußt, wann die Bundesregierung in
der Lage sein wird, uns zu sagen, welche Schwerpunkte
und Ziele sie sich im Rahmen ihrer Präsidentschaft vornehmen wird.
({0})
Ich weise vorausschauend darauf hin - am 24. Dezember wird Weihnachten sein -, daß wir in den nächsten
Tagen und Wochen gerne etwas Konkreteres als dieses
unqualifizierte „Schauen-wir-einmal“, mit dem Sie, Herr
Minister, uns allen hier die Zeit gestohlen haben, erfahren würden.
({1})
Angesichts der Vorbereitungen Ihrerseits, die wir nach
dem Regierungswechsel vorgefunden haben,
({0})
sich hier hinzustellen und unser Vorgehen mit „Schauen-wir-einmal“ zu umschreiben ist - das muß ich Ihnen
ehrlich sagen - ein starkes Stück Dreistigkeit.
({1})
Auf diese künstliche Aufregung möchte ich nicht weiter
eingehen.
Ich habe Ihnen vorhin gesagt - das wiederhole ich -:
({2})
Für uns ist ein erfolgreicher Abschluß der Agenda 2000,
deren Eckpunkte Ihnen wohlvertraut sind - ich kann sie
Ihnen hier nochmals auflisten; das ist unsere heutige
Ausgangsposition in den Verhandlungen -, eines der
wichtigen Ziele, die wir mit der deutschen Präsidentschaft verbinden, und zwar aus den Gründen, die ich
Ihnen vorhin dargestellt habe. Dies betrifft die Tatsache,
daß wir uns auf Grund des Beginns der Erweiterungsrunde, der Einführung des Euro und der Ratifizierung
des Vertrages von Amsterdam in einer Situation befinden, in der wir die notwendigen strukturellen Reformen
auf dem finanziellen Sektor, aber auch im Rahmen der
Institutionen nicht in Form eines Stillstandes werden
vertagen können. - Das ist die Begründung.
Daß ich Ihnen heute keine definierte bzw. quantifizierte Verhandlungsposition auf den Tisch lege, müssen
Sie verstehen.
({3})
Es wäre eine Eselei sondergleichen, wenn wir unsere
Verhandlungsposition quantifiziert in der Öffentlichkeit
vortragen würden.
Wir sind gegenwärtig dabei, im Rahmen der Präsidentschaftsreise, so wie es bei der letzten deutschen Präsidentschaft war und wie es der Vorgänger, die österreichische Präsidentschaft, getan hat, endgültig die Positionen der anderen auszuloten. Das war ein Teil der Arbeit
der letzten Wochen.
Wir sind im Benehmen mit der Kommission dabei,
dafür die notwendigen quantifizierten Vorbereitungen zu
treffen, und wir hoffen, daß der Europäische Rat in
Wien die Voraussetzungen noch dergestalt verbessern
wird, daß all das, was streitfrei vorher gelöst werden
kann, beseitigt wird, so daß wir uns auf die Behandlung
der zentralen Frage, der Agenda 2000, konzentrieren
können.
Ich sage Ihnen aber nochmals: Wir wollen den Erfolg; aber nicht um jeden Preis. Das heißt, die Vorstellung, die manche Mitgliedsländer haben, nämlich daß
Deutschland die Präsidentschaft habe und man sich daher auf eine Maximalposition zurücklehnen könne, da
die Deutschen den Erfolg bräuchten und daher nach der
bisherigen Methode irgendwann doch zusätzliches Geld
fließen werde, wird angesichts der dramatischen Haushaltslage, aber auch der innenpolitischen Diskussion in
diesem Lande und angesichts der anerkannten Ungleichgewichte, die man dem Eigenmittelbericht der
Kommission entnehmen kann, nicht mehr gelten.
Deswegen stelle ich fest: Wir wollen einen Erfolg im
Hinblick auf den Abschluß der Agenda 2000; aber dieses Mal nicht um jeden Preis. Das muß allen klar sein.
Ich bin gerne bereit, Ihnen Konkretisierungen darüber
hinaus zu liefern, wenn Sie präzisere Fragen haben.
Eine kurze Zusatzfrage, Herr Schmidt.
Sehe ich es
richtig, daß der Verweis auf Ihre noch bevorstehenden
Beratungen oder vertraulichen Gespräche in einem heftigen Gegensatz dazu steht, daß Sie beim Thema der
NATO-Strategie nicht zimperlich sind, in aller Öffentlichkeit, bevor überhaupt ein vertrauliches Gespräch
über Essentiale geführt worden ist, Positionen hinauszuposaunen, und wieso tun Sie das nicht bei diesen heutigen Fragen im Deutschen Bundestag?
({0})
Ich finde es schon kurios: Da stellen Sie sich hier hin
und fragen, warum ich das nicht im Deutschen Bundestag tue. Wir haben heute in zwei Ausschüssen über diese
Frage diskutiert. Da kann ich nur sagen: Diese sind Teile
des Deutschen Bundestages.
Darüber hinaus weise ich die Behauptung, die Sie
einfach so in den Raum stellen, daß vorher intern nicht
darüber gesprochen worden sei, zurück.
({0})
Ich habe mit verschiedenen Kollegen über diese Themen
diskutiert, bevor sie in einem Interview angesprochen
wurden. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Die Opposition scheint wirklich ein sehr mühseliges Geschäft zu
sein - zumindest so, wie Sie es betreiben.
Der nächste Fragesteller ist der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU,
Wolfgang Schäuble.
Herr Minister
Fischer, ich weiß nicht, ob ich das Ergebnis dieser Unterrichtung richtig verstanden habe.
Der Chef des Kanzleramtes hat dem Deutschen Bundestag mitgeteilt - das muß man wohl als Ausgangspunkt festhalten -, daß die Bundesregierung beabsichtige, ihn über Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union zu unterrichten. Es ist Inhalt der Unterrichtung - dies hat die
Bundesregierung angekündigt und nicht der Deutsche
Bundestag -, daß Sie sich in der deutschen Präsidentschaft auf die Umsetzung der Agenda 2000 konzentrieren wollen. Darüber hinaus haben Sie uns darauf aufmerksam gemacht, daß das schwierig ist, was sicherlich
zutreffend ist. Dann haben Sie uns noch auf die Fragen
des Kollegen Hausmann hin darüber informiert, daß die
Formulierungen im Bulletin des deutsch-französischen
Gipfels in Potsdam von Ihnen als Außenminister so
nicht aufrechterhalten werden, nämlich daß nicht der
Abschluß der institutionellen Reformen die Voraussetzung für den Abschluß der Beitrittsverhandlungen gewesen ist. - Das war Inhalt Ihrer Unterrichtung gegenüber dem Deutschen Bundestag.
Herr Schäuble, ich muß Sie in einem Punkt korrigieren:
nicht mit dem Abschluß der Beitrittsverhandlungen. Es
ging vielmehr um den Abschluß bei den Beitrittsverhandlungen; das ist der entscheidende Punkt. Insofern ist
das, was Sie gerade gesagt haben, nicht das, was vorher
Gegenstand der Frage war. Ich bitte Sie, da sehr präzise
zu sein. - Ich sehe diesen Widerspruch nicht, antworte
Ihnen aber natürlich immer gern.
Ich habe natürlich wesentlich mehr gesagt als nur,
daß es schwierig ist. Ich habe Ihnen versucht darzulegen, daß wir drei Schwerpunkte setzen, wobei ich einen
Schwerpunkt, nämlich die Frage einer europäisch abgestimmten Initiative gegen die Arbeitslosigkeit, zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter konkretisieren kann, weil
die Beratungen darüber auch und gerade mit den Partnern im Zusammenhang mit dem deutsch-französischen
Gipfel erst begonnen haben.
Zum zweiten Punkt im Hinblick auf die Agenda 2000: Hier haben Sie offensichtlich nicht zugehört.
Ich bin gerne bereit, dies noch einmal zu präzisieren:
Wir haben in den letzten Wochen versucht, die Positionen unserer Partner entsprechend abzuklopfen, zu fragen: In welchem Verhältnis stehen wir zu den Partnern,
auf deren Zustimmung wir angewiesen sind, in den
wichtigen Punkten betreffend die Agenda 2000?
Wenn es für Sie eine abstrakte Angelegenheit ist, innerhalb der EU eine Ausgabenbegrenzung durchzusetzen, dann tut mir das leid; das ist es nämlich nicht.
Wenn es uns nicht gelingt, eine Haushaltsobergrenze
durchzusetzen - das wird sehr schwierig sein, ist aber
einer der wesentlichen Punkte zur Stabilisierung des
Ausgabenanstiegs -, werden wir als Nettozahler direkt
und unmittelbar leiden - mit den Konsequenzen, die
natürlich wiederum auch auf die Erweiterungsfähigkeit
zielen.
Die Frage, ob die drei Optionsmodelle im Eigenmittelbericht der Kommission auf dem Tisch bleiben oder
nicht, ist unter den verschiedenen Partnern höchst umstritten. Es gibt verschiedene Partner, die die Kofinanzierung am liebsten vom Tisch hätten; das wissen Sie
doch nur zu gut. Unsere Aufgabe ist es, jetzt durchzusetzen - und das haben wir durchgesetzt -, über das Gesamtpaket zu reden. Nur, jetzt beginnt die mühselige,
teilweise bilaterale Arbeit, so etwa auf dem deutschfranzösischen Gipfel. Hier sind wir in der Frage der Kofinanzierung nicht zu einer Einigung gekommen. Dabei
ist Kofinanzierung nicht nur ein entscheidendes, essentielles Element zur Reduzierung der deutschen Nettozahlerposition. Es stellt sich vielmehr die Frage - auch das
habe ich vorhin gesagt -: Wie soll der Agrarmarkt, um
Polen und Ungarn erweitert, sowohl von seinem Management und der Ausgabendisziplin her als auch vom Gesamtvolumen her noch ohne eine entsprechende Kofinanzierung - das heißt: einen nationalen Anteil bei den
direkten Einkommensbeihilfen - gefahren werden können?
Die Frage, um die es geht, lautet: Welches Modell im
Rahmen der Ausgabenbegrenzung wird gewählt?
Deutschland könnte mit dem Modell „Verabschiedung
von der Berechnungsgrundlage Mehrwertsteuer und
Übergang zum Bruttosozialprodukt“ sehr gut leben. Wir
würden dabei ein gewisses Plus machen; andere - wie
Italien - würden ein Minus machen. Daraus entsteht die
Schwierigkeit. Die dritte Möglichkeit, das Kappungsmodell, findet sehr wenig Freunde.
Aus all diesen Elementen werden wir einen Kompromiß formen müssen. Die Bundesregierung ist willens
und bereit, diesen Kompromiß zu formen. Aber wir
werden es auf der Grundlage machen müssen, daß sich
alle bewegen, das heißt etwas abgeben. Insofern wird
das ein Novum auf europäischer Ebene sein. Denn in der
Vergangenheit ist das traditionellerweise - ich kritisiere
das nicht - durch Mehrausgaben der reichen Länder geleistet worden.
Also, beim besten Willen: Wenn wir das als einen der
zentralen Schwerpunkte in den Mittelpunkt unseres Berichtes stellen, werden zumindest unsere Partner das
nicht als abstraktes Gerede begreifen. Da wird sehr genau hingeschaut, da finden sehr konkrete Gespräche
statt, ohne daß allerdings schon Zahlen eingerückt werden. Doch auch damit verrate ich Ihnen kein Geheimnis,
und sie als Opposition würden uns doch - zu Recht angreifen, wenn wir bereits heute hier im Deutschen
Bundestag Zahlen einrücken würden. Dann wäre der
Vorwurf ein anderer, nämlich: „Was seid ihr denn für
Anfänger und Amateure, daß ihr schon vorher Zahlen
nennt! Anschließend wird es nur sehr viel teurer.“
Insofern lassen Sie uns, Kollege Schäuble, in dieser
Frage doch wieder auf den Boden der Sachlichkeit, die
in den vergangenen Jahren in diesem Hause auch regiert
hat, zurückkehren.
({0})
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Schäuble.
Herr Bundesaußenminister, ich weiß gar nicht, wo Sie den „Boden der Sachlichkeit“ suchen. Sie, die Bundesregierung,
haben angekündigt, den Deutschen Bundestag über Ziele
und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft zu unterrichten. Da wird man doch noch fragen dürfen, was
der Inhalt dessen ist. Sie müssen es ja nicht ankündigen,
wenn Sie nicht unterrichten wollen. Aber es gibt die alte
Regel: Wenn einer nichts zu sagen hat, soll er still sein.
Um wenigstens noch einen Punkt zu präzisieren, will
ich noch diese eine Frage stellen: Sie sagen, wir brauchen eine Deckelung der Ausgaben. Heißt das, daß die
europäische Beschäftigungspolitik nur im Rahmen der
von Ihnen für notwendig gehaltenen Ausgabenobergrenze betrieben werden soll, oder denken Sie daran, im
Rahmen der europäischen Beschäftigungspolitik zusätzliche Ausgaben für die Europäische Union vorzusehen?
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir von einer Begrenzung der Ausgaben ausgehen, dann heißt das Begrenzung der Ausgaben. Das ist der entscheidende Punkt. Ich
kann an diesem Punkt nur nochmals die Haltung der
Bundesregierung verdeutlichen: Wir wollen eine Ergänzung der nationalen Politiken durch abgestimmte europäische Initiativen. Aber wir wollen an dem Gebot der
Subsidiarität, daß das, was national, regional oder lokal
zu regeln ist, auch dort geregelt wird, festgehalten. Auch
darauf habe ich geantwortet. Offensichtlich war die Frageleidenschaft wesentlich stärker ausgeprägt, als Sie das
jetzt darstellen.
Da ich zu der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorhin nicht mehr gekommen bin - weil die Redezeit auf fünf Minuten begrenzt war -, will ich diesen
Punkt gerne jetzt ansprechen: Im Rahmen der Strategiedebatte im Bündnis und im Rahmen der Möglichkeiten,
die die Doppelpräsidentschaft bietet, werden wir versuchen, diese Fragen voranzubringen. Daß ich das zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht konkreter sagen kann,
liegt an den europäischen Verhältnissen der gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Identität. Aber
sowohl die Initiative, die die Franzosen, namentlich Präsident Chirac, im Spätsommer dieses Jahres unternommen haben, als auch die Aufgabe der Blockadehaltung
Großbritanniens, die Blair in seiner Rede in Pörtschach
signalisiert hat, deuten darauf, daß Großbritannien und
Frankreich eine gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Identität ausloten und voranbringen wollen.
Konkreter läßt sich dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der Grundlage des Vorfindlichen nicht definieren. Das Vorfindliche ist: Ausgehend von den bisherigen Bemühungen der Bundesregierung, die noch nicht
sehr konkret waren, hat eine Diskussion darüber begonnen, inwieweit eine Verzahnung verschiedener Wege
möglich ist, inwieweit innerhalb der NATO eine europäische Säule geschaffen werden kann, die an die WEU
gebunden ist. Denn es hat sich gezeigt, daß die WEU ein
Instrument ist, das den Neutralen die Möglichkeit gibt,
ihre sicherheitspolitischen Interessen nicht nur einzubringen, sondern die sicherheitspolitische Debatte auch
mitzugestalten, so schwierig und mühselig das auch ist.
Zudem wird der Vertrag von Amsterdam, wenn er
denn ratifiziert ist, eine neue Dynamik für „Herrn oder
Frau GASP“, das heißt die Ernennung eines Generalsekretärs oder einer Generalsekretärin für Sicherheits- und
Außenpolitik, bringen. Die Debatte über diese Stellenbesetzung wird ebenfalls schwierig; sie wird nämlich im
europäischen Spannungsverhältnis geführt. Die Frage ist
also, ob die nationale „Wir-sind-jetzt-dran-Linie“ oder
ob sachliche Aspekte, das Gewicht der jeweiligen Person, zum Zuge kommen.
Meine persönliche Überzeugung ist, daß es hier in der
Tat einer politischen Besetzung bedarf. Die Persönlichkeit, die diese Aufgabe wahrnehmen soll, muß überzeugend sein. Die Vorgängerbundesregierung hatte dazu
- so habe ich gehört - eine andere Auffassung. Ich kann
das nicht verifizieren; ich weiß das nicht. Ich kann nur
sagen: Man kann sich diese ganze sicherheits- und
außenpolitische Identität schenken, wenn man diese
Position nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam nicht mit einer überzeugenden Persönlichkeit
besetzt.
Das sind die Fragen, die wir gegenwärtig im Zusammenhang mit der EU- und der WEU-Präsidentschaft zu
klären haben. Das sind Fragen zur strukturellen Annäherung. Sie können dieser Bundesregierung keine Vorwürfe machen, daß diese Fragen noch nicht beantwortet
sind. Sie gehören aber zu den ganz wichtigen Punkten,
die auf die europäische Tagesordnung kommen.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, es gibt noch zwei Fragesteller. Deren
Fragen lasse ich noch zu. Ich möchte aber darauf verweisen, daß die Fragen und die Antworten zu Lasten der
kommenden Fragestunde gehen.
Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Ernst
Burgbacher, F.D.P.
Herr Bundesminister,
Sie haben jetzt mehrfach von Abstimmung der Politiken
geredet. Es ist aber keinem meiner Vorredner gelungen,
eine konkrete Antwort zu erhalten. Ich will es auf einem
anderen Gebiet versuchen, das für mich eine ganz zentrale Bedeutung hat. Gibt es eine Abstimmung der Politiken, was die Rolle der Europäischen Zentralbank betrifft? Das heißt: Gibt es in Potsdam ein Ergebnis, bei
dem wir sicher sein können, daß sich der unsägliche
Waigelsche Vorstoß
({0})
- Entschuldigung, ich meine natürlich den Lafontainschen Vorstoß -, der zur Verunsicherung der Bevölkerung und der Wirtschaft beigetragen hat, nicht wiederholt? Ist klargestellt, daß die Rolle der Europäischen
Zentralbank künftig unangetastet bleiben wird?
Sie bekommen eine präzise Antwort. Punkt eins: Einen
unsäglichen Waigelschen Vorstoß kenne ich; einen unsäglichen Lafontainschen Vorstoß kenne ich nicht.
({0})
Insofern ist auch nichts klargestellt.
Punkt zwei. Die Rolle der Europäischen Zentralbank
ist gesetzlich definiert. Dazu steht die Bundesregierung.
Heißt das, daß künftig
Vorstöße unterbleiben werden, wie sie der neue Bundesfinanzminister gemacht hat?
Auf die allgemeine Frage, ob die Vorstöße unterbleiben,
die der Bundesfinanzminister gemacht hat, kann ich
Ihnen in dieser Allgemeinheit keine Antwort geben. Sie
müßten mir schon konkret sagen, welche Vorstöße Sie
meinen, damit ich mich darauf beziehen kann.
Sollten Sie allerdings die Frage der Bedeutung der
Geldpolitik - auch und gerade jetzt, bei abnehmender
Konjunktur - gemeint haben, dann wird man, finde ich,
gut beraten sein, sehr ernsthaft darüber nachzudenken,
welche Funktion die europäische Geldpolitik im Zusammenhang mit der rückläufigen konjunkturellen Entwicklung in Zukunft hat. Ich halte es für dringend geboten, darüber nachzudenken. Das ist nicht mehr und
nicht weniger, als der Finanzminister dem Kabinett vorgetragen hat.
Der letzte Fragesteller ist der Abgeordnete Wolfgang Börnsen, CDU/CSU.
Herr
Minister, im Gegensatz zu Ihnen ist der Bundesfinanzminister gestern konkret geworden. Mir liegt eine englischsprachige Meldung vor, aus der hervorgeht, daß er
zusammen mit seinem französischen Kollegen mitgeteilt
hat, daß sich die Bundesregierung in Fortsetzung der
Bemühungen der alten Bundesregierung darum kümmern wird, in der Frage „duty free“ eine Regelung zu
finden. Sie strebt zumindest eine Fortsetzung für die
nächsten fünf Jahre an. Es geht dem Bundesfinanzminister dabei um 140 000 Arbeitsplätze in Europa. Können
Sie uns mitteilen, was diese Absichtserklärung des Bundesfinanzministers konkret bedeutet?
Diese Frage darf ich an meine Kollegin weitergeben.
Die universale Zuständigkeit des Außenministers in Ehren, aber das würde mich jetzt wirklich überfordern. Das
Finanzministerium ist hier vertreten.
Herr Kollege Börnsen, im
Vorgriff auf die Fragen, die Sie für die anschließende
Fragestunde gestellt haben, will ich Ihnen gerne schon
jetzt eine Antwort geben.
Der Bundesfinanzminister hat gestern die erste Gelegenheit genutzt, dies im Kreise seiner Kollegen im Ecofin-Rat anzusprechen. Leider hat die dort vorgenommene Abstimmung ergeben, daß sich sechs Länder für diese gemeinsame deutsch-französische Initiative und sechs
Länder dagegen ausgesprochen haben. Drei weitere haben sich sehr abwartend verhalten; man kann es nicht als
förmliche Enthaltung bezeichnen, aber es war eine abwartende Haltung.
Dies läßt uns zu der Überzeugung kommen, daß
weiterhin eher nicht damit zu rechnen ist, daß die EUKommission, die das alleinige Initiativrecht hat, zur
Fortführung der Tax-free-Regelungen tatsächlich initiativ wird. Wir versuchen aber weiterhin, unsere Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern zu überzeugen.
Zur Zeit ist ein Schreiben des Bundesfinanzministers
an alle seine Finanzministerkollegen in der Europäischen Gemeinschaft vorgesehen. Ich bin soeben davon
informiert worden, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung eine besondere Initiative mit den EUPartnern des Ostseeraums, also Finnland, Dänemark und
Schweden, die sich bisher sehr zurückhaltend gezeigt
haben, unternehmen wird.
Wir versuchen es also weiterhin auf allen Ebenen.
Aber die gestrige Abstimmung im Ecofin-Rat läßt uns
nichts Gutes erahnen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Frau
Staatssekretärin, bedeutet das, daß die Frage der Dutyfree-Regelung nicht, wie gestern von seiten des Bundesfinanzministers angekündigt, auf die Tagesordnung der
Ratspräsidentschaft der Deutschen kommt?
Natürlich kommt das auf
die Tagesordnung der deutschen Ratspräsidentschaft;
das ist völlig klar. In Vorbereitung der Tagesordnung in
der deutschen Ratspräsidentschaft werden jetzt noch andere Vorstöße unternommen. Ich habe Ihnen von den
Briefen an alle EU-Finanzminister gerade berichtet. Das
dient natürlich der Vorbereitung der deutschen Ratspräsidentschaft zu diesem Punkt.
Damit ist die Regierungsbefragung beendet.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/85, 14/88 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Beide Fragen des Abgeordneten Wolfgang
Lohmann, CDU/CSU, werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht der Bundesminister
Joseph Fischer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Hartmut
Koschyk, CDU/CSU, auf:
In welcher Art und Weise wird die Bundesregierung die Tibet-Resolution „Die Menschenrechtssituation in Tibet verbessern“ ({0}) in ihrer Politik gegenüber der Volksrepublik China aufgreifen und umsetzen?
Herr Abgeordneter Koschyk, Ihre Frage wurde bereits
mit der Antwort auf Ihre Frage aus der Fragestunde vom
18. November 1998 beantwortet. Es heißt dort:
Die jüngsten Stellungnahmen der chinesischen Regierung zu den Aufenthalten des Dalai Lama in
Deutschland und den USA zeigen den hohen Grad
an Mißtrauen auf beiden Seiten. Voraussetzung für
Fortschritte in der Tibet-Frage ist ein von Vertrauen
auf beiden Seiten getragener Dialog zwischen der
chinesischen Regierung und dem Dalai Lama. Das
Zustandekommen solcher Gespräche zu fördern ist
nicht nur zentrales Element der Politik der Bundesregierung, sondern auch der gemeinsamen TibetPolitik der Europäischen Union.
Die Verbesserung der Menschenrechtssituation in
Tibet ist ein beständiges Anliegen sowohl des im
August 1997 wiederaufgenommenen bilateralen
Menschenrechtsdialoges der Bundesregierung mit
der chinesischen Regierung als auch des Menschenrechtsdialoges der EU mit China. Im August bzw.
Oktober 1998 fanden hierzu weitere nützliche Gesprächsrunden in Peking statt.
Herr Bundesaußenminister, ich meine, daß meine Frage, zu der Sie
gerade Stellung genommen haben, mitnichten beantwortet ist. Denn ich hatte gefragt, ob die Bundesregierung bereit sei, die Tibet-Resolution „Die Menschenrechtssituation in Tibet verbessern“, die der Deutsche
Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode mit allen Stimmen des Hauses angenommen hat, in ihrer Politik gegenüber der Volksrepublik China aufzugreifen und
umzusetzen.
Es hat mich schon gewundert, daß Herr Staatsminister Verheugen und auch Sie sich nicht klar dazu äußern,
ob die Bundesregierung bereit ist, diese TibetResolution, die damals natürlich zu großem Befremden
auf der chinesischen Seite geführt hat, in ihrer ChinaPolitik aufzugreifen und umzusetzen.
Aber, Herr Kollege Koschyk, dann will ich Ihnen denselben Sachverhalt mit anderen Worten darlegen: Wir
haben ein massives Interesse daran, daß die Menschenrechtssituation in Tibet verbessert wird. Dies setzt voraus, daß nicht nur die Menschenrechte der Tibeter in Tibet beachtet werden; vielmehr setzt dies auch voraus,
daß ein Ausgleich zwischen der Führung der Volksrepublik China und dem Dalai Lama herbeigeführt wird.
Die neue Bundesregierung steht mit ihrer Auffassung
in der Kontinuität der alten Bundesregierung. Wir verfolgen eine „Ein China“-Politik, das heißt, wir unterstützen keine Sezessionsbestrebungen, setzen uns aber für
die Beachtung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit der Menschen in Tibet ein. Wir sind sehr hoffnungsvoll, daß gerade auch die jüngsten Gespräche auf
parlamentarischer Ebene, die im Sommer stattgefunden
haben, und weitere politische Gespräche durchaus zu einer Perspektive - mehr will ich dazu jetzt nicht sagen führen können, die zu einem Ausgleich, zu einer Überwindung des Mißtrauens zwischen beiden Seiten beitragen kann. Das ist die Voraussetzung dafür, daß sich die
Dinge hier substantiell verändern. Wir wissen uns den
politischen Zielen der Tibet-Resolution verpflichtet, der
ich persönlich zugestimmt habe. Wir versuchen selbstverständlich, diese Politik mit den Möglichkeiten, die
wir haben, jetzt weiter zu betreiben und voranzubringen.
Insofern sehe ich hier keine Veranlassung zur Konfrontation.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Bundesaußenminister, gehört dazu auch, daß die Bundesregierung dann - wie das die Vorgängerregierung in der Vergangenheit auch getan hat -, wenn sich die Situation
nach Beurteilung der Bundesregierung nicht verbessert,
das Thema „Menschenrechtssituation in Tibet“ bei Bedarf auch zum Thema der jährlichen Beratung der UNMenschenrechtskommission in Genf machen wird?
Es wäre in der gegenwärtigen Situation verfehlt, auf die
Frage „was wäre, wenn“ zu antworten. Gerade in diesem
Bereich, in dem über die Überwindung von Mißtrauen
gesprochen wurde, wäre es verfehlt, wenn wir jetzt
„Was wäre, wenn“-Debatten führten. Es ist selbstverständlich, daß wir für die Menschenrechte eintreten und
daß wir alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen,
nutzen, um die Menschenrechtssituation zu verbessern.
Wo wir das nicht tun können, werden wir die Verletzung
der Menschenrechte anprangern. Es ist vorstellbar, daß
es in sehr harten Fällen zu Ächtungen kommen kann.
Aber die Anwendung der Instrumente bezieht sich nicht
auf einen einzelnen, konkreten Staat. Wir setzen gerade
im deutsch-chinesischen Verhältnis - und ich bedauere
sehr, daß es eine ganz erhebliche Belastung des Verhältnisses durch die Art und Weise der Festnahme eines
deutschen Journalisten in Peking gegeben hat, die für
uns bis heute nicht ausreichend aufgeklärt und erläutert
werden konnte - auf eine Verbesserung, auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Menschenrechtssituation in Tibet.
Ich möchte betonen, daß die Ansätze der Gespräche,
die auf parlamentarischer Ebene stattgefunden haben,
weiterverfolgt werden sollen.
Frau Kollegin
Schwaetzer, Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Bundesminister, Ihr Menschenrechtsbeauftragter, der frühere
Kollege Gerd Poppe, hat die frühere Bundesregierung
und den früheren Außenminister gerade in der Frage der
Umsetzung der Tibet-Resolution mehrfach massiv angegriffen. Sie antworten nun für die jetzige Bundesregierung in der Kontinuität der alten Bundesregierung. Sie
berufen sich gleich mehrfach auf sie, was ich begrüße.
Meine Frage ist: Ist Ihr Menschenrechtsbeauftragter mit
Ihrer Linie einverstanden, oder hat er Ihnen noch nicht
vorgeschlagen, wie Sie Ihre Aktivitäten verstärken können?
Frau Schwaetzer, Sie wissen doch ganz genau, daß es in
den letzten Monaten interessante Veränderungen - um
es einmal sehr zurückhaltend zu formulieren - in diesem
gesamten Problemkomplex gegeben hat, und zwar derart, daß wir in der Tat hoffen können - das ist ein ganz
zartes Pflänzchen -, daß es zu einer positiven Entwicklung und zu einem ersten Ansatz der Überwindung von
Mißtrauen zwischen der chinesischen und der tibetischen Seite, soweit sie vom Dalai Lama repräsentiert
wird, kommen könnte. Wir alle miteinander tun sehr gut
daran - die Kolleginnen und Kollegen im Hause sind
daran nicht ganz unbeteiligt -, diese zarten Pflänzchen,
unbeschadet unserer klaren Haltung, zum Wachsen zu
bringen, um damit substantielle Verbesserungen herbeizuführen. Das ist die Auffassung der Bundesregierung,
das ist die Auffassung des Auswärtigen Amtes, des dafür zuständigen Ministers und aller seiner Mitarbeiter.
({0})
- Ich will mich jetzt darüber nicht streiten. Wenn Ihnen
das so wichtig ist, dann sage ich Ihnen an diesem Punkt:
Kontinuität unter veränderten Bedingungen.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Ulrich Heinrich, F.D.P., auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung in der 14. Legislaturperiode, auf eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes
hinzuwirken?
Herr Kollege Heinrich, dankenswerterweise
haben Sie die Frage sehr direkt gestellt. Deshalb ist sie
ganz einfach mit Ja zu beantworten.
Es ist immer schön, eine
klare Antwort von der Regierung zu bekommen. Deshalb gehe ich davon aus, daß Sie auch eine Nachfrage
mit entsprechender Klarheit beantworten können. Sie
haben gesagt, Sie wollen eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes in Angriff nehmen. Welche Schwerpunkte wird diese Novelle haben? Wird eine Ausgleichsregelung für die Forst- und Landwirtschaft, wie
von mir in der Frage angesprochen, weiterhin substantiell erhalten bleiben?
Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes verfolgen wir das Ziel, ein großes Biotopverbundsystem zu erreichen. Unser Ziel ist es, 10 Prozent
der Landesfläche unter Schutz zu stellen. Die dafür notwendigen Gesetzesänderungen prüfen wir gerade.
Die Ausgleichsregelung ist in Frage 2 angesprochen.
Ihre erste Frage war einfach, ob wir beabsichtigen, das
Bundesnaturschutzgesetz zu novellieren. Können wir zu
Frage 2 übergehen?
Wir kommen damit
zur Frage 2 des Abgeordneten Ulrich Heinrich, F.D.P.:
Wenn ja, wird die Bundesregierung dann der Ankündigung
des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, folgen und in dem betreffenden
Gesetzentwurf die Ausgleichsregelung für Land- und Forstwirte
aufheben bzw. einschränken oder den Forderungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, KarlHeinz Funke, nachkommen, der wiederum die Ausgleichsregelung in unveränderter Form beibehalten will?
In der Frage der Ausgleichsregelung für Landund Forstwirte ist noch keine Entscheidung getroffen.
Eine Zusatzfrage.
Wie habe ich das zu verstehen? Sind nach wie vor die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihrem Haus, Minister Trittin und dem
Landwirtschaftsministerium existent?
Nein. Sie haben das so zu verstehen: In der
nächsten Umweltausschußsitzung wird der Bundesminister das Vorhaben für die 14. Legislaturperiode vorstellen. Wir erarbeiten den Gesetzentwurf. Sie sind Geschäftsführer; Sie kennen den Gang der Dinge. Sie sind
mit Ihrer Frage einfach zu früh.
({0})
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Schwaetzer, bitte.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, wir möchten Ihnen mit unseren
Fragen sozusagen schon Hinweise geben, in welcher
Richtung Ihr Gesetzesvorhaben besonders durchleuchtet
wird. Da interessiert mich ganz besonders, ob Sie auch
bereit sind, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und entsprechende Verbände in die
Vorbereitung Ihres Gesetzes einzubeziehen. Denn eine
Ausweitung, also das, was Sie als Ziel genannt haben,
nämlich ein Verbundsystem von 10 Prozent, wird drastische Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten
des ländlichen Raums haben.
Wir wollen ein gutes Gesetz machen. Deshalb
werden wir selbstverständlich möglichst viele Verbände
einbeziehen. Ich denke, daß diese Diskussion im kommenden Jahr, in der kommenden Zeit einer der Schwerpunkte werden wird. Uns ist bewußt, daß die Ausgleichsregelung - das war die Frage von Herrn Heinrich
- einer der zentralen Punkte ist, zu denen wir großen
Diskussionsbedarf haben.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Dr. Sabine
Bergmann-Pohl, CDU/CSU, auf:
Wie wird Deutschland bei der im Dezember 1998 geplanten
Abstimmung der EU-Staaten im Ausschuß für Tierernährung
über das Verbot von Antibiotika im Tierfutter abstimmen, und
um welche Antibiotika handelt es sich?
Frau Kollegin Bergmann-Pohl, die Europäische
Kommission hat Mitte November 1998 einen Vorschlag
für die Rücknahme der Zulassung der antibiotischen
Leistungsförderer Zink-Bacitracin, Spiramycin, Virginiamycin und Tylosinphosphat vorgelegt. Die Kommission begründet ihren Vorschlag mit der jüngsten Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, derzufolge
solche Antibiotika, die auch als Humanarzneimittel zugelassen sind oder die eine Kreuzresistenz gegenüber
Humanantibiotika selektieren, nicht mehr als Futtermittelzusatzstoffe zugelassen werden sollten.
Die Bundesregierung setzt sich für ein europaweites
Verbot aller antibiotisch wirksamen Futtermittelzusatzstoffe ein. Deutschland wird deshalb dem Vorschlag der
Europäischen Kommission zustimmen, zunächst die antibiotischen Leistungsförderer, die oben genannt wurden, zu verbieten. Die Bundesregierung wird darüber
hinaus darauf drängen, daß auch auf die weiteren als
Leistungsförderer eingesetzten antibiotischen Stoffe aus
Vorsorgegründen so bald wie möglich verzichtet wird.
({0})
Eine Zusatzfrage
bitte, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, ich muß erst einmal etwas klären. Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie haben auf beide Fragen in
einem Guß geantwortet. Oder haben Sie mir noch etwas
zu Frage 2 zu sagen?
Ja, selbstverständlich.
Das ist
prima. Dann stelle ich Ihnen eine Zusatzfrage zu Frage 1.
Jetzt werden vier spezielle Antibiotika verboten; dem
werden Sie zustimmen. Aber es gibt ja weitere Antibiotika, die unbedingt zu verbieten sind. Darin sind sich die
Experten einig. Welche Antibiotika werden, ganz konkret, in Kürze noch verboten werden?
Frau Kollegin Bergmann-Pohl, es steht noch nicht
fest, ob sie verboten werden. Sie wissen, daß die Kommission einen Vorschlag gemacht hat, über den natürlich
erst noch zu entscheiden ist.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: So einig sind sich die
Experten leider nicht. Es gibt sehr viel Skepsis und wenig belastbare wissenschaftliche Ergebnisse, daß die Gefahren tatsächlich in dieser Dimension vorhanden sind.
Dann
würde ich gleich zu meiner zweiten Zusatzfrage kommen, Herr Staatssekretär. Damit die Experten mehr Sicherheit bekommen, müßten ja mehr Forschungen
durchgeführt werden. Welche Forschungen werden von
Ihrem Ministerium unterstützt?
Frau Präsidentin, wenn ich an dieser Stelle zur Beantwortung der nächsten Frage kommen könnte, die die
Antwort zum Teil enthält, wäre ich Ihnen dankbar.
Ja. Es gibt aber zuerst noch eine Zusatzfrage des Kollegen Ulrich Heinrich.
Herr Staatssekretär, sind in
Ihrem Ministerium Arbeiten für einen nationalen Alleingang bei Verboten von bestimmten Antibiotika in
Vorbereitung?
Sie wissen, daß sich SPD und Bündnis 90/Die
Grünen in der Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet
haben, einen entsprechenden Vorstoß auf EU-Ebene zu
unternehmen. Sie wissen aber auch, daß es dazu notwendig wäre, eine Richtlinie auf europäischer Ebene zu
ändern und daß dazu die entsprechenden Mehrheiten erforderlich sind. Vor allen Dingen sind eben belastbare
wissenschaftliche Daten erforderlich, die zur Zeit noch
nicht vorliegen.
Darf ich noch einmal
nachfragen?
Das steht Ihnen leider nicht zu. Nur der Fragesteller hat zwei Zusatzfragen.
({0})
Ich kann Ihre Frage nicht zulassen.
Nein. Das ist nicht möglich, weil wir hierbei an die
europäischen Regelungen gebunden sind.
Vizepräsidentin Petra Bläss
Ich rufe jetzt die
Frage 4 der Kollegin Dr. Bergmann-Pohl auf:
Wird die vom Bundesministerium für Gesundheit initiierte
interministerielle Arbeitsgruppe ein generelles Verbot von Antibiotika im Tierfutter im Rahmen der Massentierhaltung in der
Europäischen Union empfehlen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Bergmann-Pohl, Ziel der vom Bundesministerium für Gesundheit im Juli des Jahres einberufenen interministeriellen Arbeitsgruppe ist eine umfassende Analyse der Anwendung von Antibiotika in Humanmedizin, Veterinärmedizin und Tierernährung unter
dem Aspekt der Resistenzproblematik. Die Arbeitsgruppe hat bisher zweimal beraten. Zur Zeit wird das vorhandene Datenmaterial analysiert. Schlußfolgerungen
aus den Aktivitäten der Arbeitsgruppe werden erst nach
weiteren Beratungen möglich sein; diesen Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Arbeitsgruppe wird die
Bundesregierung nicht vorgreifen.
An diesem Punkt möchte ich zur Beantwortung Ihrer
vorangegangenen Frage kommen: Der im September
abgewählten Bundesregierung wäre es anheimgestellt
gewesen, schon viel früher eine derartige Arbeitsgruppe
ins Leben zu rufen. Damit hätten wir heute in viel stärkerem Umfang wissenschaftliche Erkenntnisse, die Aktivitäten der Bundesregierung in dem Sinne, wie sie von
Ihnen gefordert werden, möglich machen würden.
({0})
Eine Zusatzfrage
bitte, Frau Kollegin.
Herr
Staatssekretär, vielleicht ist Ihnen nicht entgangen, daß
diese interministerielle Arbeitsgruppe von mir initiiert
und auch eingesetzt wurde. Das war ein nicht ganz
leichtes Unterfangen, auch im Hinblick auf die Meinungen der Beamten im Landwirtschaftsministerium. Aber
ich bin ja froh, daß Sie das vorantreiben wollen, und
möchte Sie dabei gern unterstützen. Da Sie vorhin davon
gesprochen haben, daß man ein generelles Verbot von
Antibiotika als Leistungsförderer im Tierfutterbereich
anstrebt, hätte ich jetzt noch die Frage. Da Herr Minister
Funke gesagt hat, wenn es zu keiner EU-weiten Regelung käme, würde er einen nationalen Alleingang befürworten: Wie ist das mit Ihrer Antwort auf die Frage
von Herrn Heinrich zu vereinbaren? Denn das ist ja nun
in einem Interview im „Focus“ dokumentiert. Wie will
Herr Minister Funke das realisieren, und welchen Nutzen hätte dieser nationale Alleingang?
Frau Kollegin, wir müssen uns hier natürlich an
das Verfahren halten und als erstes belastbares Datenmaterial vorlegen. Sie kennen ja die entsprechende
Richtlinie auf europäischer Ebene. Es muß dargestellt
werden, daß die Zulassungsvoraussetzungen für derartige Stoffe nicht mehr gegeben sind, indem die Wirksamkeit in Zweifel gezogen wird und die gesundheitliche
Unbedenklichkeit nicht mehr bescheinigt werden kann um diese dreht es sich ja offensichtlich an diesem
Punkt -, die Kontrollierbarkeit usw. Erst wenn wir dort
scheitern, ist es möglich und wird es entsprechende Vorstöße geben, die Ratsrichtlinie insgesamt aufzuheben.
Aber wie Ihnen zweifellos bekannt ist, müssen wir - da
kann ich mich nur wiederholen - entsprechend belastbares wissenschaftliches Datenmaterial vorlegen, weil
auch in diesem Fall die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union greifen und uns am Ende, wenn wir ohne
entsprechende Begründung, vor allem im Hinblick auf
die gesundheitliche Gefährdung, vorgingen, ein Verstoß
gegen die Wettbewerbsregeln unterstellt würde.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, was würden Sie in der Wertigkeit höher
einstufen, die Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika in der Humanmedizin oder den ungezielten Einsatz
von Antibiotika als Leistungsförderer in der Tiermedizin?
Selbstverständlich ist der Gesundheitsschutz höher
einzustufen. Aber ich kann mich nur wiederholen: Wenn
diese These, die Sie hier in den Raum stellen, so belegbar wäre oder wenn Sie die Gefährdung so sehen, hätten
Sie zu einem viel früheren Zeitpunkt in Ihrer Verantwortung damals als Parlamentarische Staatssekretärin im
Bundesministerium für Gesundheit entsprechende Forschungsaufträge initiieren können,
({0})
damit das Material heute vorläge. Es liegt offensichtlich
nicht vor, und es gibt im Rahmen der europäischen Union auch eine sehr unterschiedliche Bewertung, wobei
schon das Verbot der von mir genannten Antibiotika als
Zusatzstoffe für die Tierernährung in Zweifel steht, erst
recht ein generelles Verbot, zumal auch weltweit entsprechende Stoffe eingesetzt werden.
({1})
Damit kommen wir
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Christine
Ostrowski, PDS, auf:
Wird der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung,
Walter Riester - in Anbetracht der Tatsache, daß die Verhandlungen über den Verkauf von ca. 72 000 Wohnungen der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten
({0}) bereits durch die ehemalige Bundesregierung unter
dem Vorbehalt der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung abgeschlossen wurden -, die Genehmigung für den Verkauf von ca. 72 000 Wohnungen an private
Käufer erteilen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen
und Bedingungen?
Frau Abgeordnete Ostrowski, die Verhandlungen über die Veräußerung der Beteiligung der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte an der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten - das ist die volle
Bezeichnung der GAGFAH - sind noch nicht abgeschlossen. Die Einwilligung des Bundesministeriums für
Arbeit und Sozialordnung zur Veräußerung wird nur erfolgen, wenn die im Gesetz, nämlich in § 293 Abs. 3
SGB VI, genannten Bedingungen erfüllt sind.
Frau Kollegin
Ostrowski, bitte, eine Zusatzfrage.
Sie sind ja Vertreterin
einer SPD-geführten Regierung. Die SPD hatte sich seinerzeit, als sie noch in der Opposition war, mehrmals
auch zu dem geplanten Verkauf der GAGFAHWohnungen geäußert, unter anderem in der Drucksache
13/7091, andere Wege aufgezeigt. Damals ging es um
eine Holding. In der Koalitionsvereinbarung haben sich
beide regierungstragenden Parteien geäußert:
Bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungsbestände gehen wir sozialverträgliche Wege
- jetzt kommt es, darauf kommt es mir an wie Kaufangebote an Kommunen und Länder, Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierung zur
Vermögensbildung und Altersvorsorge oder Erhalt
einzelner Gesellschaften bei größerer Wirtschaftlichkeit.
Ich will als erstes nachfragen: Sehen Sie denn noch
Chancen, Ihre eigenen Zielstellungen, zum Beispiel in
bezug auf die GAGFAH-Verhandlungen, zu erfüllen, so
daß Sie den Verkauf an dieses japanische Bankenkonsortium zum Beispiel noch zurückfahren können, oder
wie sehen Sie das?
Ich kann Ihnen dazu im Moment keine Antwort geben, weil der
Veräußerungsprozeß noch nicht abgeschlossen ist. Wir
werden eine Veräußerung nur vornehmen, soweit sie sozialverträglich und sozial verantwortbar ist. Sie können
sich darauf verlassen, daß auch die Regierungsfraktionen sehr darauf achten werden.
Es gibt eine zweite
Zusatzfrage.
Es gibt Warnungen
auch von seiten der SPD-Kollegen. Man warnt vor dem
Verkauf der GAGFAH-Wohnungen an Dritte deshalb,
weil die GAGFAH in die Schwankungsreserve der
Rentenversicherung einbezogen ist und man durch den
Verkauf an Dritte eine Belastung der Rentenbeitragszahler erwartet. Wie sehen Sie das?
Frau Kollegin
Ostrowski, Sie können sicher sein, daß wir hinsichtlich
der Veräußerung von GAGFAH-Wohnungen nichts tun
werden, was die Schwankungsreserve zusätzlich belastet. Wir haben gerade Maßnahmen ergriffen, den Rentenversicherungsbeitrag ab dem 1. April nächsten Jahres
zu senken. Wir werden diese Absicht, den Rentenversicherungsbeitrag zu senken, nicht durch einen Verkauf,
der die Schwankungsreserve mindert, gefährden.
Damit kommen wir
zur Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang Meckelburg,
CDU/CSU:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die bisherige Methode bei
der Ermittlung der Arbeitslosenquote und/oder bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitslosen zu ändern, und wenn ja, in welcher Art und Weise?
Herr Abgeordneter Meckelburg, die Bundesregierung beabsichtigt
weder die Methode bei der Ermittlung der Arbeitslosenquote noch bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitslosen
zu ändern.
Eine Zusatzfrage,
bitte, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, ich möchte dennoch nachfragen. Da Sie in
der Vergangenheit in der Rolle der Opposition häufig
den Vorwurf erhoben haben, die Arbeitslosenstatistik
werde durch bestimmte Maßnahmen, die wir für richtig
hielten, unberechtigterweise nach unten korrigiert: Kann
man nun davon ausgehen, daß Sie die damalige Kritik
jetzt umsetzen und diese Kriterien ändern?
Herr Meckelburg, unsere Kritik hat sich ja darauf bezogen, daß sich
die Arbeitslosenquote im Wahljahr durch kurzatmige
Maßnahmen, zum Beispiel ABM, günstiger dargestellt
hat, als die reale Lage leider immer noch ist. Diese Kritik bleibt historisch auch richtig. Diese hat sich nicht auf
die statistische Erfassung bezogen.
Bitte, Herr Kollege
Meckelburg.
Frau Staatssekretärin, im Zuge der anstehenden europäischen EntVizepräsidentin Petra Bläss
scheidungen möchte ich noch die Frage stellen, ob Sie
sich möglicherweise im Rahmen einer irgendwie gearteten europäischen Harmonisierung auch im Bereich der
Sozial- und Arbeitsmarktpolitik aktiv daran beteiligen
oder sich notfalls zwingen lassen, bei der Arbeitslosenstatistik zu anderen Zählweisen zu kommen.
In der Tat besteht das Problem, daß sich zwischen der Veröffentlichung der Arbeitslosenquote durch die Bundesanstalt für
Arbeit und der Veröffentlichung durch die EUKommission eine gewisse Differenz ergibt. Dazu ist
festzustellen, daß die Mitgliedsländer der EU jeweils
eigene Arbeitslosenstatistiken haben. Diese folgen nationalen rechtlichen Vorschriften der Arbeitslosenversicherung. Dadurch sind die nationalen Arbeitslosenquoten nicht miteinander vergleichbar. Um die Arbeitslosenquoten dennoch vergleichen zu können, führen die
nationalen statistischen Ämter im Auftrag der EU jedes
Jahr eine Arbeitskräfteerhebung mit einem einheitlichen
Fragenkatalog durch. In Deutschland geschieht dies im
Rahmen des Mikrozensus. In dieser Arbeitskräfteerhebung wird unter anderem nach eventueller Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche sowie nach Erwerbstätigkeit gefragt.
Wegen der unterschiedlichen Erfassung der Arbeitslosen in unserer bundesrepublikanischen Statistik und in
der Arbeitskräfteerhebung für die EU weichen die jeweils errechneten Quoten voneinander ab. So kann zum
Beispiel von der Bundesanstalt für Arbeit eine Person
als arbeitslos registriert werden, die bis zu 14 Stunden
pro Woche arbeitet, nach der EU-Statistik sind dagegen
alle Personen, die auch nur eine Stunde pro Woche Arbeit haben, erwerbstätig und nicht arbeitslos. Hierdurch
erklären sich auch manche sehr guten Arbeitslosenstatistiken anderer europäischer Länder.
Die einmal jährlich im Rahmen der Arbeitskräfteerhebung ermittelten Arbeitslosenzahlen liegen erst nach
etwa einem Jahr vor. Um aktueller zu sein, müssen sie
daher an Hand der monatlichen nationalen Arbeitslosenstatistiken fortgeschrieben werden.
Unter dem Strich heißt das: Es gibt eine solche europaweite Arbeitslosenstatistik, die nach anderen Verfahren ermittelt wird als unsere bundesrepublikanische Statistik. Sie ist notwendig, um überhaupt Vergleichszahlen
zu haben.
Ich hatte aber
gefragt, ob Sie anstreben, in Richtung europäische Harmonisierung zu gehen.
Herr Kollege
Meckelburg, Sie haben schon zwei Zusatzfragen
gestellt.
Über die Versuche, zu einer einheitlichen europäischen Statistik zu
kommen, hinaus gibt es gegenwärtig keine Anstrengungen, weitere Harmonisierungen vorzunehmen.
Es gibt noch eine
Zusatzfrage des Kollegen Peter Dreßen, SPD.
Frau Staatssekretärin, könnte
es vielleicht sein, daß die Ängste des Kollegen Meckelburg daher rühren, daß die alte Bundesregierung permanent an der Arbeitslosenstatistik herumzufeilen versucht
hat, und er vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen
Angst hat, daß das jetzt so weitergeht?
Ich habe keine Zweifel an der Seriosität der statistischen Erhebungen
der Bundesanstalt für Arbeit. Ich habe schon bei meiner
ersten Antwort darauf hingewiesen, daß die Manipulationen bei den Arbeitslosenzahlen sich vor allen Dingen
dadurch ergeben haben, daß im Wahljahr ganz kurzfristige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Gang gesetzt
worden sind, um die Arbeitslosenstatistik besser und erfreulicher zu gestalten. Diese wären am Ende des Jahres
ausgelaufen. Die jetzige Bundesregierung wird für eine
Stabilisierung der Arbeitsmarktpolitik sorgen; ich hoffe,
daß alles das, was hier begonnen worden ist, zu einer
Verbesserung der Arbeitslosenzahlen jenseits irgendwelcher statistischer oder sonstiger politischer Manipulationen führt.
Herr Weiß, Sie haben auch noch eine Zusatzfrage, bitte.
Frau
Staatssekretärin, nachdem Sie so nachhaltig auf das
Thema Entlastung für den Arbeitsmarkt durch ABM und
die Auswirkungen auf die Arbeitslosenstatistik hingewiesen haben, möchte ich Sie fragen: Haben Sie zur
Kenntnis genommen, daß der DGB kürzlich mitgeteilt
hat, daß der deutsche Arbeitsmarkt heute schon und vor
allen Dingen künftig durch die demographische Entwicklung und den Rückgang der Migrationszahlen massiv und nachdrücklich entlastet wird, weil die Zahl sowohl der Spätaussiedler als auch der zuziehenden Ausländer generell zurückgeht, so daß wir in diesem Jahr
zum ersten Mal ein Minus in der Bevölkerungsstatistik
Deutschlands haben werden? Ist die neue Bundesregierung bereit, diese sich durch die demographische Entwicklung und die Wanderungsbewegungen ergebenden
Entlastungen auch gesondert in ihren Arbeitslosenstatistiken auszuweisen?
({0})
Herr Kollege,
es wäre ja durchaus wünschenswert, wenn die demographische Entwicklung eine solche nachhaltige Entlastung
auf dem Arbeitsmarkt bringen würde. Aber alle Untersuchungen, auch die der vom Bundestag eingesetzten
Enquete-Kommission für den demographischen
Wandel, haben gezeigt, daß der Arbeitsmarkt durch die
demographische Entwicklung frühestens ab den Jahren
2005 bis 2010 entlastet wird.
Darüber hinaus ist Ihnen sicherlich auch bekannt, daß
wir eine erhebliche stille Reserve insbesondere von
Frauen haben, die zwar nicht arbeitslos gemeldet sind,
aber durchaus eine Erwerbstätigkeit wünschen und für
sich zu realisieren versuchen. Ich denke, daß durch den
demographischen Wandel jedenfalls im Jahr 1999 keine
Entlastungen entstehen. Deshalb halte ich eine gesonderte statistische Ausweisung nicht für besonders erkenntnisfördernd.
({0})
Es steht Ihnen keine
Zusatzfrage zu, da Sie nicht der Fragesteller sind.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesminister der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Norbert Hauser, CDU/CSU, auf:
Wie steht der Bundesminister der Verteidigung zu den Plänen des Katholischen Militärbischofsamtes ({0}), nach Berlin umzuziehen vor dem Hintergrund des Berlin/Bonn-Gesetzes
vom 26. April 1994, in dem festgelegt ist, daß das Bundesministerium der Verteidigung mit dem ersten Dienstsitz und der gesamte Politikbereich Verteidigung in Bonn verbleiben, sowie
angesichts der Beschlußfassung des Deutschen Bundestages
vom 20. Februar 1997 ({1}) zur Petition 5-1314-5821-027004, in der es heißt, daß sich aus der Geschichte des
KMBA in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Päpstlichen Statuten für die Militärseelsorge in der deutschen Bundeswehr eindeutig ergebe, daß das KMBA dort seinen Sitz haben
sollte, wo das Bundesministerium der Verteidigung seinen ({2}) Dienstsitz habe, und ist der Bundesminister bereit, den
Umzug des KMBA zu stoppen?
Herr Kollege Hauser, das
Thema der Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes von Bonn nach Berlin hat bereits den letzten
Deutschen Bundestag beschäftigt. Die Entscheidung zur
Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes von
Bonn nach Berlin ist aber ein Ergebnis der Konsensbildung zwischen dem Katholischen Militärbischof, Erzbischof Dr. Dr. Dyba, und dem damaligen Bundesminister
der Verteidigung, Dr. Stoltenberg. Grundlage hierfür
sind die „Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs“. Diese im Benehmen mit der damaligen Bundesregierung 1989 erlassenen Päpstlichen Statuten regeln die Ordnung, die Leitung und die Gestaltung der katholischen Militärseelsorge. Die Bundesrepublik Deutschland ist danach verpflichtet, für die Kurie des Katholischen Militärbischofs
am Sitz der Bundesregierung ein geeignetes Haus zur
Verfügung zu stellen.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird
ihre vertraglichen, völkerrechtlichen Verpflichtungen
gegenüber der katholischen Kirche erfüllen und die Umzugsentscheidung nicht in Frage stellen. Auf die Sitzbestimmungen des Verteidigungsministeriums nach dem
Berlin/Bonn-Gesetz kommt es in diesem Fall nicht an.
Entscheidend ist vielmehr die gesetzliche Sitzbestimmung der Bundesregierung für die Bundeshauptstadt Berlin. Ich zitiere aus dem Text der einschlägigen
Vereinbarung:
Der Militärbischof errichtet seine Kurie am Sitz der
Bundesregierung. Dort wird die Bundesregierung
die erforderlichen Diensträume bereitstellen.
Auch das Petitionsverfahren in dieser Angelegenheit
konnte zu keiner abweichenden Erkenntnis führen. Auf
den „Erwägungsbeschluß“ des Deutschen Bundestages
vom 20. Februar 1997 hin ist die Bundesregierung nach
einschlägiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, daß
es keine andere Regelung gibt.
Herr Kollege Hauser,
Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, kann ich daher davon ausgehen, daß die Petition auf Drucksache 13/7031 und deren Ergebnis, dem
der Deutsche Bundestag, auch die heutigen Regierungsfraktionen, zugestimmt hat, inhaltlich falsch gewesen
sind?
Nein. Wir werden uns
nicht erlauben, bezüglich der Kollegen der 13. Wahlperiode zu behaupten, sie hätten nicht qualifiziert gearbeitet. Sie haben am 20. Februar 1997 im Deutschen Bundestag einen Erwägungsbeschluß gefaßt. Darin baten sie
die Bundesregierung noch einmal um eine eingehende
Prüfung. Die Bundesregierung hat diesen Wunsch erfüllt
und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß eine andere
Handhabung nicht möglich ist, wenn sie nicht Recht und
Ordnung widersprechen soll.
Wir kommen zur
Frage 8 des Abgeordneten Hauser:
Sollte die Frage danach, ob der Bundesminister der Verteidigung bereit ist, den Umzug des KMBA zu stoppen, verneint
werden, ist die Bundesregierung dann bereit, Mitarbeiter des
KMBA in die bereits existierende überressortliche Stellenbörse
im Rahmen der Personalwirtschaftlichen Gesamtkonzeption der
Bundesregierung vom 29. Juni 1995 einzubinden?
Herr Kollege Hauser, der
Bundesminister der Verteidigung nimmt auf Grund erheblicher eigener organisatorischer und personeller Reduzierungen an der überressortlichen Stellenbörse nicht
teil. Die Personalführung wird sich aber nachhaltig darum bemühen, die 19 Mitarbeiter von den 37 hier beschäftigten, die nach heutigen Erkenntnissen nicht umzugsbereit - man muß fairerweise sagen: auch nicht umzugswillig - sind, im Zuge der Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes bei Dienststellen der BunParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
deswehr im Großraum Köln - Bonn - Koblenz sozialverträglich unterzubringen.
Eine Zusatzfrage,
bitte!
Frau Staatssekretärin, wird der Haushaltsausschuß bei den Beratungen über die Bereitstellung der Mittel für das KMBA
- man geht von etwa 10 Millionen DM aus - unmittelbar beteiligt werden, oder wird das nur mittelbar insoweit geschehen, als die Mittel aus dem Haushalt des
BMVg bereitgestellt werden?
Selbstverständlich ist es
einem Ausschuß des Deutschen Bundestages, zumal
dem Haushaltsausschuß, möglich, diese Frage erneut zu
behandeln. Aber auch er kann sich über Rechte nicht
hinwegsetzen. Der Betrag von 10 Millionen DM ist im
Bundeshaushalt eingeplant. Die darüber hinaus benötigten Mittel - Sie wissen, es sind fast 20 Millionen DM
- stellt die katholische Kirche selbst zur Verfügung.
Damit rufe ich den
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Uschi Eid zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Peter Weiß,
CDU/CSU, auf:
Welche finanziellen Mittel aus welchen Haushaltstiteln hat
die Bundesregierung bislang für Hilfen zugunsten der Opfer der
vom Wirbelsturm „Mitch“ betroffenen Länder Zentralamerikas
bereitgestellt?
Herr Abgeordneter Weiß, aus Kapitel
0502 Titel 686 12 - humanitäre Hilfe des Auswärtigen
Amtes - wurden für Zentralamerika bisher 3,7 Millionen
DM, davon 2,24 Millionen DM für Honduras und 1,13
Millionen DM für Nicaragua, bereitgestellt.
Aus Kapitel 2302 Titel 896 03 - Technische Zusammenarbeit - stammen insgesamt 18 Millionen DM, davon 5,6 Millionen DM für Honduras und 6,7 Millionen
DM für Nicaragua. Aus Kapitel 2302 Titel 686 25
- Nothilfe - werden insgesamt 6,2 Millionen DM eingesetzt, davon 2,6 Millionen DM in Honduras und
1,7 Millionen DM in Nicaragua. Schließlich können für
Honduras weitere 10 Millionen DM aus Kapitel 2302
Titel 866 01 - Finanzielle Zusammenarbeit - verwendet
werden, die vorher wegen Schuldendienstrückständen
gesperrt waren.
Bitte, eine Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.
Nein,
danke.
Ich rufe die Frage 10
des Abgeordneten Weiß auf:
Über welche Organisationen, vor allem Nicht-Regierungsorganisationen, kommen diese Mittel zum Einsatz, und wer
übernimmt in den einzelnen Ländern die Koordination der internationalen Hilfeleistungen sowie der Wiederaufbauarbeit?
Die humanitäre Hilfe des Auswärtigen
Amtes wird insbesondere über „Medico International“,
die Johanniter-Unfallhilfe und das Deutsche Rote Kreuz
abgewickelt. Die Umsetzung der Sofortmaßnahmen des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung erfolgt insbesondere über laufende
Projekte der technischen Zusammenarbeit, die von der
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit durchgeführt werden. Diese Projekte schalten in vielen Fällen
ihrerseits im örtlichen Umfeld bewährte NichtRegierungsorganisationen wie zum Beispiel die Caritas,
„Ärzte ohne Grenzen“ und lokale Nicht-Regierungsorganisationen ein und koordinieren die Maßnahmen mit
anderen Gebern in der gleichen Region. Auf diese Weise
kommt die Hilfe rasch und bedarfsgerecht zu den Bedürftigen.
Die unterschiedlich leistungsfähigen staatlichen Koordinierungsstellen werden informiert. Hinsichtlich der
Koordinierung der Wiederaufbaumaßnahmen wird vor
allem die Interamerikanische Entwicklungsbank über
eine Konsultativgruppe mit allen Gebern die Bemühungen der Regierungen unterstützen.
Bitte, Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, wie Sie ausgeführt haben, werden die
vom BMZ zur Verfügung gestellten Mittel bislang über
die GTZ bewirtschaftet, und die Nicht-Regierungsorganisationen müssen sich an die GTZ wenden. Ist dies
ein neues Verfahren, welches die Bundesregierung in
ähnlichen Katastrophenfällen künftig anwenden will?
Werden sich die Nicht-Regierungsorganisationen daher
künftig stets an die GTZ zu wenden haben, wenn sie in
solchen Katastrophenfällen tätig werden?
Nein, dies wird künftig nicht der Fall sein.
Die Frage ist nur, ob in dem entsprechenden Titel des
Einzelplans 23 Geld für Nicht-Regierungsorganisationen
vorgesehen ist.
Bitte, eine zweite
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, werden die in solchen Katastrophenfällen vom BMZ über die GTZ zur Verfügung gestellten
Mittel für Hilfsmaßnahmen nur für deutsche NichtRegierungsorganisationen oder auch für Nicht-Regierungsorganisationen anderer Staaten, zum Beispiel USamerikanische Hilfsorganisationen, die im jeweiligen
Katastrophenland tätig werden, abrufbar sein?
Herr Abgeordneter Weiß, wenn ich die
Frage unterstelle, die Sie wirklich stellen wollen, dann
muß ich Ihnen sagen, daß kirchliche Organisationen
Anträge beim BMZ gestellt haben. Da es sich in diesen
Fällen aber um überplanmäßige Ausgaben handelt, müssen diese Anträge erst beraten werden.
({0})
Ich rufe die Frage 11
des Abgeordneten Carsten Hübner, PDS, auf:
Wie hoch ist der Betrag der für 1998 zugesagten Entwicklungshilfemittel der finanziellen und technischen Zusammenarbeit für Pakistan und Indien, deren Zahlung die Bundesregierung
in Reaktion auf die Atomtestversuche Indiens und Pakistans im
Frühsommer dieses Jahres ausgesetzt hatte, und sind die damals
ausgesetzten Mittel in der Zwischenzeit an Indien bzw. Pakistan
ausgereicht worden?
Herr Abgeordneter Hübner, Indien und
Pakistan erhielten aus der Verpflichtungsermächtigung
1998 für die finanzielle und technische Zusammenarbeit
bisher keine Zusagen. Die Bundesregierung beabsichtigt, Indien und Pakistan über die deutschen Botschaften
Förderungen für laufende Vorhaben der technischen Zusammenarbeit zuzusagen.
Keine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Hübner,
PDS, auf:
Welchen Plan gibt es für den Fall, daß dies nicht geschehen
ist, diese Mittel noch im Haushalt 1998 möglicherweise an andere Länder und in anderen Schwerpunktbereichen bzw. konkreten
Projekten auszureichen?
Die Bundesregierung prüft derzeit andere
Optionen zur Verwendung der übrigen Mittel. Der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage des
Kollegen Hübner.
Mich würde interessieren,
ob Planungen für den Haushalt 1998 existieren bzw. in
welchem Zeitraum die Entscheidungsfindung abgeschlossen sein wird und nach welchen Kriterien dabei
verfahren wird.
Wir reden im Moment nur über 1998. Wir
haben im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
über dieses Thema schon gesprochen. Ich denke, daß der
Prozeß in den nächsten zwei Wochen abgeschlossen sein
wird.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Dr. Michael Naumann,
zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten HansJoachim Otto, F.D.P.:
Was ist nach Auffassung der Bundesregierung unter einer
„Reform der medialen Außenrepräsentanz“ zu verstehen, die in
der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. Oktober 1998, dort auf Seite 39,
in Aussicht gestellt wurde, und wie will sie diese Reform umsetzen?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter, die Medien prägen eindeutig das
Deutschlandbild im Ausland. Leider sind es nicht nur
unsere Medien, sondern zumeist ausländische Medien.
Das Deutschlandbild im Ausland ist im Augenblick
nicht sehr erfreulich, weil es sich vor allem der furchtbaren deutschen Vergangenheit widmet; jedenfalls ist das
in Amerika der Fall.
Wir werden in den nächsten Wochen versuchen, die
Effektivität einiger Medien, die mit der Selbstdarstellung Deutschlands im Ausland befaßt sind, zu überprüfen. Dazu zählt selbstverständlich auch die „Deutsche
Welle“. Nach einer solchen Überprüfung, die schätzungsweise zwei Monate dauern wird, weil sie auch
Marktforschung im Ausland beinhalten wird - einige
Marktforschungsergebnisse liegen bereits vor -, werden
wir hoffentlich eine positivere, erfreulichere Bilanz der
Selbstdarstellung der Bundesrepublik im Ausland ziehen
können.
Herr Kollege Otto,
eine Zusatzfrage, bitte.
Herr
Staatsminister - ({0})
- In spe.
Herr Beauftragter, sieht die Bundesregierung Veranlassung, das erst in der letzten Legislaturperiode geänderte „Deutsche Welle“-Gesetz erneut zu reformieren,
oder denkt sie bei den Plänen, die Sie eben geschildert
haben, eher an eine Reform im finanziellen, personellen
oder programmlichen Bereich?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
In der Tat gibt es die von Ihnen angesprochene Gesetzesnovelle. Es gibt allerdings auch, wie Sie sicherlich
wissen, Bestrebungen zum Beispiel der „ARD“ und des
„ZDF“, in eine engere Kooperation mit der „Deutschen
Welle“ einzutreten und dafür zu sorgen, daß die benötigten Filme, Materialien, Dokumentationen, Nachrichten, Unterhaltungssendungen usw. in Zusammenarbeit
mit der unabhängig arbeitenden „Deutschen Welle“ und
somit preisgünstiger hergestellt werden können.
Diesen Vorschlag der beiden öffentlich-rechtlichen
Anstalten prüfen wir, und wir werden ihn sicherlich
auch mit der gebotenen Distanz, die wir gegenüber der
öffentlich-rechtlichen Anstalt „Deutsche Welle“ zu wahren haben, weitergeben und die dortige Intendanz bitten,
sich der Sache ebenfalls anzunehmen. Inwieweit das zu
einer Novellierung des „Deutsche Welle“-Gesetzes führen wird, steht dahin.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Kollege Otto.
Herr Dr.
Naumann, ist Ihnen bewußt, daß die Gremien der „Deutschen Welle“ auch im Hinblick auf die Defizite, die Sie
genannt haben, von sich aus und parteienübergreifend
eine umfassende Reform des Programmes zum Beginn
des Jahres 1999 beschlossen haben, und welche Änderungen dieser Programmentwicklung könnten nach Ihrer
Meinung Einfluß auf Ihre Absicht haben, die mediale
Außenrepräsentanz zu verändern?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Tatsache ist, daß mir dies bewußt ist. Tatsache ist ebenfalls, daß diese Veränderungen, um es einmal ganz kraß
auszudrücken, vor allem zu einer Dekultivierung des
Programms geführt haben. Das heißt, es sind Kultursendungen aus dem Programm geflogen. Jedenfalls höre ich
das aus der „Deutschen Welle“ und übrigens auch von
Schriftstellern. Die Konzentration des Senders auf Nachrichten- und Informationssendungen jeglicher Art zum
Nachteil kultureller Sendungen, die weniger harte News
verbreiten, wird beklagt. Inwieweit diese Klagen berechtigt sind oder nicht, vermag ich jetzt nicht zu sagen.
Aber ich nehme sie zur Kenntnis.
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Naumann, ist Ihnen bekannt, daß die alte Bundesregierung nicht in der
Lage war, die technische Ausstattung beispielsweise
deutscher Botschaften so voranzutreiben, daß dort der
Empfang der „Deutschen Welle“ überhaupt möglich
war,
({0})
so daß zum Beispiel der deutsche Botschafter in China
gelegentlich zum britischen Botschafter gehen mußte,
um dort die „Deutsche Welle“, wenn es sein mußte, hören zu können, und würden Sie angesichts dieser bedeutenden Fragen nicht sagen, daß wir uns zunächst um
die technischen Ausstattungen kümmern und dann in einem weiteren Fortgang über die „Deutsche Welle“ insgesamt diskutieren sollten?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter, nach dem Einzug in das Bundeskanzleramt und der vergeblichen Suche nach einem
Computer sind derartige technologische Rückständigkeiten auf der einen Seite für mich keine wirkliche
Überraschung mehr. Auf der anderen Seite muß man sagen: Das Senden mittels Kurzwelle ist eine ewige
Glückssache. Ich selbst habe als junger Mann einmal bei
der „Deutschen Welle“ gearbeitet, und zwar in der Afrika-Redaktion, und bekam enthusiastische Briefe aus
Thule in Grönland. Diese Schwierigkeiten haben unter
anderem etwas zu tun mit den solaren Flecken, aber
auch mit dem Sachverhalt, daß die Kurzwelle manchmal
macht, was sie will.
Die wirkliche Frage, die sich jedenfalls für mich
stellt, lautet: Wie viele Kurzwellenempfänger gibt es
zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, und wie viele
von diesen sind nicht deutscher, sondern englischer
Zunge und hören die „Deutsche Welle“ auf Englisch?
Das ist meistens leider kein akustischer Genuß. Eine
statistisch wirklich hieb- und stichfeste Belegung dieser
Hörerzahl existiert nicht. Sie muß geschätzt werden.
Frau Kollegin
Schwaetzer, auch Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Dr. Naumann - das Wort „Beauftragter“ ist ein Übergangsbegriff; ich halte ihn für nicht sehr glücklich -, ist Ihre
Antwort auf die Kritik des Kollegen an der materiellen
Ausstattung der „Deutschen Welle“ so zu verstehen, daß
Sie dafür sorgen werden, daß im Bundeshaushalt 1999
zusätzliche Mittel für die technische Ausstattung nicht
nur der Botschaften, sondern zum Beispiel auch der
Sender der „Deutschen Welle“ zur Verfügung gestellt
werden? Denn auch da ist eine Modernisierung notwendig, die nicht zu gering eingeschätzt werden sollte.
Würde sich das dann mit Ihren Bestrebungen verbinden,
die journalistische Qualität dieses von mir ansonsten
sehr geschätzten sowie häufig gehörten und gesehenen
Senders deutlich aufzuwerten?
Hans-Joachim Otto ({0})
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Erstens. Es ist nicht meine Aufgabe, die journalistischen
Qualitäten von öffentlich-rechtlichen Anstalten auf- oder
abzuwerten.
({1})
Darauf lege ich Wert.
Zweitens. Was die Bereitstellung von Geldern zum
Beispiel zur Verstärkung bzw. Verbesserung von Kurzwellensendern betrifft, so muß man sagen: Das Senden
von Kurzwellen ist außerordentlich stromintensiv. Dies
mit einer Ökosteuer zu versehen würde sich für den
Staat gewiß lohnen.
Die Wahrheit ist, daß es Bestrebungen gibt, digitalisierte Kurzwellensender zu entwickeln. Hier stellt sich
wiederum die nächste Frage: Wo bekomme ich in Amerika überhaupt einen digitalisierten Kurzwellenempfänger her, der nicht mehr als 100 DM kostet? Die besten
digitalisierten Kurzwellenempfänger, die zur Zeit auf
dem Markt sind, werden übrigens in Deutschland produziert und kosten über 100 000 DM.
Meine Antwort auf Ihre Frage lautet also: Mir ist das
Problem der Kosten, die im Rahmen einer technologischen Modernisierung entstehen würden, selbstverständlich bewußt. Ehe in digitalisierte Kurzwellensender
investiert wird, müssen wir uns fragen, wer die Empfänger sind.
({2})
Wir kommen damit
zur Frage 14 des Abgeordneten Norbert Röttgen,
CDU/CSU:
Wann hat das Bundeskabinett beschlossen, daß ein Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien bestellt wird und daß dies Michael Naumann sein
soll?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Die Frage 14 beantworte ich folgendermaßen: Der Bundeskanzler hat durch Organisationserlaß vom
27. Oktober 1998 entschieden, daß ein Beauftragter der
Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien bestellt wird, und hat ihm entsprechende
Aufgaben übertragen. Der Kabinettsbeschluß zur Bestellung von Dr. Michael Naumann erfolgte noch am
selben Tag.
Eine Zusatzfrage,
Kollege Röttgen? - Bitte.
Ich finde es bemerkenswert, daß Sie diese Frage selbst beantworten. Ich
möchte folgendes unterscheiden: Ist im Bundeskabinett
beschlossen worden, daß das Amt des Beauftragten der
Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien eingerichtet wird, und ist durch das Bundeskabinett auch darüber entschieden worden, daß Sie mit
diesem Amt betraut werden?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Beide Fragen beantworte ich mit Ja.
Was den Sachverhalt anbetrifft, daß ich hier selber
antworte: Das zeigt ganz einfach, daß ich im Amt bin.
({0})
- Frau Schwaetzer, Sie sprechen doch auch oft in eigener Sache.
({1})
- Na ja, diese Trennung habe ich bei Ihnen noch nicht
beobachtet.
Damit rufe ich die
Frage 15 des Kollegen Röttgen auf:
Ist der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten
der Kultur und der Medien, Michael Naumann, Behördenchef,
Vorgesetzter oder Dienstvorgesetzter?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Hierauf kann ich so antworten: Ihre implizit gestellten
drei Fragen sind zu bejahen.
Auch dazu gibt es
eine Zusatzfrage. Kollege Röttgen, bitte.
Sie haben gerade
ausgeführt, daß eine neue Behörde eingerichtet worden
ist, weil Sie Behördenchef geworden sind. Darum
möchte ich Sie fragen: Ist nun eine oberste oder eine
obere Bundesbehörde eingerichtet worden, und wie
heißt diese Behörde? Dies würde mich interessieren.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
In der Tat handelt es sich hier um eine Behörde, so wie
auch das Bundespresseamt eine Behörde im Bundeskanzleramt ist.
({0})
Das ist mir bekannt.
Die Frage lautete, ob es eine oberste Bundesbehörde
oder eine obere Bundesbehörde ist.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Ich finde diese Frage deswegen in Grenzen amüsant, als
mir von einem Ihrer Koalitionsmitglieder Titelsucht
vorgeworfen wurde.
({0})
Jetzt wollen Sie mir gar unterstellen, eine oberste Bundesbehörde zu leiten.
({1})
- Ja, es ist eine eigene Bundesbehörde.
Darf ich den Hintergrund der Frage erläutern, da sie offensichtlich nicht
verstanden worden ist?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Ja.
Unsere Fragen zielen
darauf ab - es geht gar nicht um Ihre persönliche Titelsucht -, daß die Institutionen des Staates, die des
Staatsministers, aber auch die innerhalb des Kanzleramtes, nun dem Versprecher des Spitzenkandidaten der
SPD im Bundestagswahlkampf angepaßt werden. Wir
halten das für einen schlechten Vorgang.
Sie sind der Kulturbeauftragte. Wir glauben, daß hier
der Rechtskultur in diesem Land ein schlechter Dienst
erwiesen wird,
({0})
wenn man die Institutionen des Staates nach einem Versprecher im Wahlkampf organisiert.
Sind Sie der Chef einer obersten oder einer oberen
Bundesbehörde, und wie heißt diese Behörde? Mich hat
die Antwort sehr überrascht; das muß ich schon sagen.
Ich muß die Frage aber wiederholen, da sie nicht beantwortet worden ist.
({1})
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Ich kann mich nur wiederholen: Es ist eine eigene Behörde mit dem Namen „Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien“.
Das ist keine Beantwortung meiner Frage.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Es ist eine eigene Behörde.
Herr Naumann, es
geht nicht darum -
Herr Kollege Röttgen, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr
Fragerecht leider erschöpft ist.
Der Beauftragte der Bundesregierung, Herr Naumann, hat das Wort.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Darf ich noch einen
Hinweis machen: Sowohl die obersten als auch die oberen Bundesbehörden sind eigene Bundesbehörden. Das
ist also kein Unterscheidungsmerkmal zwischen oberster
und oberer Bundesbehörde.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Wenn eine oberste Bundesbehörde keine nachgeordnete
Behörde haben kann, dann wäre dies eine oberste Bundesbehörde. Ich muß Ihnen aber ehrlich sagen: Für mein
politisches Verständnis ist diese Frage relativ unwichtig.
Wenn Sie sie aber für wichtig halten, dann beantworte
ich sie gerne.
({0})
Ich stelle fest: Dann
haben wir einen neuen Bundesminister.
Herr Kollege Röttgen, das geht nun wirklich nicht. Sie haben Ihr Fragerecht ausgeschöpft. Wir sollten doch auf die Verfahrensweisen, die wir in diesem Hause haben, Rücksicht
nehmen.
Es besteht der Wunsch nach einer Zusatzfrage vom
Abgeordneten Otto.
Herr
Dr. Naumann, nachdem Sie eben bestätigt haben, daß
Sie Behördenchef, Vorgesetzter und Dienstvorgesetzter
sind, möchte ich Sie fragen, ob Sie das im Hinblick auf
den Organisationserlaß des Bundeskanzlers vom
27. Oktober 1998 auch für die Beschäftigten sind, die
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung die Zuständigkeit für Medienpolitik begründet haben? Falls nein: Warum nicht?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Es ist für einige Abteilungen aus diesem Ministerium
begründet worden und für andere nicht.
({0})
Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann
- Ganz einfach, weil die Aufgaben in diesen Ressorts
derartig unterschiedlich sind, daß, wenn Sie so wollen,
einige in meinen Beritt passen und andere nicht.
({1})
- Der Organisationserlaß gilt.
({2})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Fromme.
Herr Dr.
Naumann, würden Sie vielleicht mir die Frage beantworten, ob Sie nun einer oberen oder einer obersten
Bundesbehörde vorstehen?
({0})
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Wenn es keine nachgeordnete Behörde gibt, dann handelt es sich um eine obere. Wenn es eine obere wäre,
dann gäbe es nach Ihrer Definition noch eine oberste.
Dieser Komparativ ist für mich insofern sinnlos, als wir
die einzige Behörde sind, die sich mit diesem Sachverhalt beschäftigt.
({1})
Es kann ja sein, daß Sie sich noch eine imaginäre oberste wünschen. Für mich ist der Bundeskanzler mein
Dienstchef. Das ist meine oberste Behörde.
({2})
Ich rufe die Frage 16
des Abgeordneten Andreas Schmidt ({0}) auf:
In welchem Amts-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis befindet
sich der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten
der Kultur und der Medien, Michael Naumann, zur Bundesrepublik Deutschland und mit welchen finanziellen Bezügen einschließlich ergänzender Zusagen ({1})?
Herr Dr. Naumann, bitte.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, daß man in der
Wirtschaft, aus der ich komme, diese Fragen ungern beantwortet. Aber ich weiß, daß ich in einem gläsernen
Haus stehe, also lautet meine Antwort ganz einfach so:
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und mir ist
ein Vertrag abgeschlossen worden, der hinsichtlich der
Rechte und Pflichten, insbesondere der Vergütung und
Versorgung, auf die für Parlamentarische Staatssekretäre
des Bundes geltenden Vorschriften verweist, soweit sie
nicht die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag voraussetzen. Weitere finanzielle Zusagen gibt es nicht.
Eine Zusatzfrage,
bitte.
Herr
Naumann, endet dieser Vertrag dann, wenn Sie die
Position des Staatsministers bekommen, oder setzt er
sich in der anderen Position fort?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Ich nehme an, daß er dann in einer juristischen Sekunde
umgeschrieben wird und sich - ich bedauere, das sagen
zu müssen - mit derselben Bezahlung fortsetzt.
Keine Zusatzfragen.
Dann kommen wir zu Frage 17 des Abgeordneten
Andreas Schmidt ({0}):
Wer ist sein Dienstvorgesetzter, und wer verantwortet seine
Tätigkeit gegenüber dem Deutschen Bundestag im Sinne von
Artikel 65 Satz 2 des Grundgesetzes?
Herr Dr. Naumann, bitte.
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Der Beauftragte für Angelegenheit der Kultur und der
Medien ist dem Bundeskanzler unmittelbar unterstellt.
Dieser trägt die Verantwortung gemäß Art. 65 GG.
Es liegen keine
weiteren Fragen vor.
({0})
- Entschuldigung, eine Zusatzfrage.
Vielen Dank für die Lorbeeren,
Herr Hörster.
Halten Sie es in der Tat für dringlich für die deutsche
Kulturpolitik, daß diese Fragen, die jetzt in den Mittelpunkt gestellt werden, zuerst geklärt werden? Sollten
wir nicht vielmehr ein Aufbruchsignal für die deutsche
Kultur geben, und ist nicht dies mit der Einrichtung
ihres Amtes beabsichtigt?
Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:
Herr Abgeordneter, ich danke für diese Flanke. In diesem Hause sind ja, vor allem im letzten Wahlkampf,
viele Flanken geschlagen und dann - ich denke vor allem an diese Flanke aus Bayern - nicht aufgenommen
worden.
Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann
Selbstverständlich halte ich diese Debatte für außerordentlich wichtig. Sie wird auch in die Rechtsgeschichte eingehen. Ergänzend kann ich dazu nur sagen,
was mir in dieser Debatte aufgefallen ist: Dieses Hohe
Haus, in dem ich mich mit Vergnügen und mit dem entsprechenden Ernst und Verantwortungsgefühl bewege,
ist, wie ich glaube, das in Deutschland einzige Milieu, in
dem die Würde des Titels so außerordentlich ernst genommen wird. Insofern bin ich etwas verdutzt, daß ausgerechnet mir - der mir mit dem Gewinn der Tischtennismeisterschaft Mittelrhein 1958 der letzte Titel, der
mich befriedigt hat, zugefallen ist - Titelsucht vorgeworfen wird. - Danke schön, Herr Abgeordneter.
({0})
Damit sind wir am
Ende des Geschäftsbereiches des Bundeskanzlers und
des Bundeskanzleramtes. Ich danke Ihnen, Herr
Dr. Naumann.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers
des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Cornelie SonntagWolgast zur Verfügung.
Der Kollege Zierer hat um schriftliche Beantwortung
seiner Frage 22 gebeten.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Tauss auf:
Welche Erkenntnisse liegen dem Bundesministerium des Innern über die stark gestiegene Kriminalität im Internet vor?
Herr Kollege
Tauss, das dem Bundesministerium des Innern vorliegende Zahlenmaterial reicht nicht aus, um die in der
Frage enthaltene Feststellung, daß die Kriminalität im
Internet stark angestiegen sei, zuverlässig zu bestätigen.
Die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ weist die Kriminalität im Internet nicht gesondert aus. Ein polizeiinterner
Meldedienst für diese Fälle besteht erst seit Mitte 1997.
Die dem Bundeskriminalamt seit Mitte 1997 gemeldeten
Fallzahlen weisen allerdings eine steigende Tendenz auf.
Deswegen werden zusätzliche Aktivitäten seitens des
BKA ergriffen.
Sie haben gefragt, welche Erkenntnisse sich daraus
ergeben. In zirka 85 Prozent der Fälle handelt es sich um
die Verbreitung strafbarer Pornographie, insbesondere
von Kinderpornographie. Aus dem Anstieg der Zahl der
gemeldeten Fälle auf eine tatsächliche Zunahme der
Kriminalität zu schließen ist nicht zwingend. Von Unzulänglichkeiten des Meldedienstes abgesehen, können
auch verstärkte polizeiliche Aktivitäten im Internet zu
einer vermehrten Entdeckung von Straftaten geführt haben. Als sicher ist jedoch anzunehmen, daß auch Kriminelle noch nicht alle Möglichkeiten entdeckt haben, wie
sie das Internet für ihre Zwecke nutzen könnten. Sie befinden sich insofern noch in einer Lernphase.
Die Bandbreite des kriminellen Mißbrauchs reicht
schon heute von verbotenen Glücksspielen und Urheberrechtsverletzungen über das Anbieten von Diebesgut,
Drogen und Waffen und das Anleiten zum Bau von
Sprengkörpern bis zum Verbreiten extremistischen Gedankenguts, gewaltverherrlichender Schriften und strafbarer Pornographie. Auch wenn derzeit kein aussagekräftiges Zahlenmaterial vorliegt, muß daher zumindest
für die Zukunft mit einem tatsächlichen Anstieg der
Kriminalität im Internet gerechnet werden.
Eine Zusatzfrage,
bitte schön.
Frau Staatssekretärin, ich denke,
daß ich angesichts der negativen Entwicklung, die das
Internet in Deutschland genommen hat - was auch auf
eine sehr hysterische Debatte in der vergangenen Legislaturperiode zurückzuführen ist -, davon ausgehen kann,
daß solche Erkenntnisse - bei allen Sorgen, die die Organe der inneren Sicherheit selbstverständlich haben
müssen - dazu beitragen, daß auch Ihr Haus Signale zur
Entwarnung gibt, um die, wie ich finde, sehr hysterische
Debatte, die öffentlich geführt wird, ein bißchen abzuschwächen.
Herr Abgeordneter,
ich bin mit Ihnen der Meinung, daß zu diesem Thema
eine sehr sachliche Auseinandersetzung nötig ist, zumal
sich Statistiken immer nur auf das beziehen, was gemeldet wird.
Ich will aber auch darauf hinweisen, daß die Bekämpfung von Straftaten im Internet zuallererst Aufgabe der
Länder ist und daß das Bundeskriminalamt in diesem
Zusammenhang überwiegend im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion tätig ist. Ihnen ist vielleicht bekannt,
daß sich zur Zeit gut 20 Beamte speziell mit dieser Aufgabe beschäftigen. Sie haben den Auftrag, die Durchführung des Austausches von nationalen und internationalen Nachrichten mit Europol, Interpol und den G-8Staaten sowie die zentrale Sammlung und Auswertung
aller verfügbaren Daten und Bilder aus dem In- und
Ausland unter Nutzung der eingerichteten Verbunddatei
„Kinderpornographie“ vorzunehmen.
Zu den Aufgaben des BKA als Zentralstelle gehört
auch, im offenen Bereich des Internet anlaßunabhängig
zu recherchieren. Wenn es bei seinen Recherchen auf
konkrete Verdachtsfälle stößt, werden diese zur Bearbeitung an die zuständigen Landespolizeidienststellen
weitergeleitet. Die ständige Konferenz der Innenminister
der Länder hat sich mit dieser Frage erst kürzlich befaßt.
Ich will auch noch einmal darauf hinweisen: Gerade
weil wir uns eine sachliche Behandlung der Thematik
wünschen, brauchen wir eine Selbstverpflichtung der
Provider, hier ein wachsames Auge zu haben.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Tauss auf:
Welche Hinweise hat die Bundesregierung hinsichtlich einer
Zunahme von Störfällen und Angriffen auf IT-abhängige ({0}) Infrastrukturen?
Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann
Herr Abgeordneter
Tauss, meine Antwort ist sehr kurz: Die Bundesregierung verfügt nicht über Informationen, die auf eine Zunahme von Störfällen oder Angriffen auf IT-abhängige
Infrastrukturen hinweisen.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Otto ({0}) auf:
Wieviel kostet die Steuerzahler die Entscheidung des Bundesministers des Innern, Otto Schily, die vom Bundesrechnungshof angeregte Konzentration des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie auf den Standort Frankfurt am Main mindestens bis zum Ende des Jahres 2005 zu verschieben?
Herr Kollege Otto,
mit Erlaß vom 15. Oktober 1998 wurde Frankfurt am
Main als zukünftiger Standort des Bundesamtes für
Kartographie und Geodäsie, abgekürzt BKG, festgelegt.
Der Schließungszeitpunkt der einzelnen Außenstellen
stand noch nicht fest, da ein Umsetzungsplan erst zum
Jahresende vorgelegt werden sollte.
Die Kriterien für die Kosten ergeben sich aus den
durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Darüber hinausgehende Aussagen können erst gemacht
werden, wenn die Detailplanungen der Umsetzung vorliegen. Das wird Mitte des Jahres 1999 der Fall sein.
Eine Zusatzfrage,
bitte schön.
Ihre Antwort überrascht mich, offen gesagt, sehr. Es gibt eine
Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums, die besagt, daß jegliche Veränderungen am Standort Leipzig
bis zum Ende des Jahres 2005 ausgeschlossen werden.
Wie verträgt sich das mit der Antwort, die Sie mir eben
gegeben haben?
Das verträgt sich
völlig damit, weil bekannt ist, daß die Entscheidung insofern gefallen ist. Sie wollten gerne wissen, welche
Kosten mit der Aussetzung bis in das Jahr 2005 verbunden sind. Dazu habe ich Ihnen die Information gegeben,
daß wir Details erst Mitte des Jahres 1999 mitteilen
können.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin, in dem erwähnten Erlaß
Ihres Hauses vom 15. Oktober 1998 steht ausdrücklich
drin:
Auch die sogenannte Abteilungslösung läßt sich
nicht ohne größere Baumaßnahmen realisieren. Die
Gebäude in Leipzig . . . sind für die Unterbringung
der Abteilung nicht geeignet.
Heißt das - im Gegensatz zu diesem Erlaß -, daß in
Leipzig bis zum Jahre 2005 keinerlei bauliche Veränderungen durchgeführt werden, bis zum Jahre 2005 also
einfach Stillstand gepflegt wird?
Herr Kollege Otto,
darf ich noch einmal betonen: Sie fragten nach den Kosten und nach den Kriterien. Ich habe darauf eine Antwort gegeben. Diese Kriterien werden in den nächsten
Monaten bis Mitte 1999 erarbeitet. Wir geben Ihnen
dann Auskunft.
Eine Zusatzfrage
der Abgeordneten Petra Pau.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen,
daß Sie in Ihrem Bereich keinen Bedarf einer Prüfung
der letzten Entscheidung des ehemaligen Ministers
Kanther sehen und daß daraus folgt, daß die einzigen
Ausbildungs- und kartographischen Einrichtungen in
Ostdeutschland, in Berlin, Potsdam und Leipzig, endgültig abgewickelt werden?
({0})
Nein, das können
Sie daraus nicht schließen. Vielmehr befaßt sich das
Bundesinnenministerium weiterhin sehr intensiv mit der
Zukunft dieses Instituts.
({0})
Die Frage 26 des
Abgeordneten Austermann wird schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich danke Ihnen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr. Eckhart Pick zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Norbert Geis
auf:
Wann wird die im Jahr 1998 beim Bundesministerium der
Justiz eingesetzte Kommission „Strafrechtliches Sanktionssystem“ voraussichtlich ihren Abschlußbericht vorlegen, und beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Reform
des strafrechtlichen Sanktionssystems in den Deutschen Bundestag einzubringen, bevordie Ergebnisse der Kommission
„Strafrechtliches Sanktionssystem“ vorliegen?
Sehr geehrter Herr Kollege
Geis, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das
bestehende strafrechtliche Sanktionenrecht einer Überarbeitung bedarf, um den kriminalpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre gerecht zu werden
und auf unterschiedliche und auch neue Kriminalitätsformen mit möglichst auf den Einzelfall zugeschnittenen
angemessenen und wirksamen Sanktionen zu reagieren.
Die Bundesregierung mißt daher der Arbeit der im Bundesministerium der Justiz eingerichteten und aus hochqualifizierten und erfahrenen Fachleuten aus Justiz und
Wissenschaft zusammengesetzten Kommission zur
Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems einen
hohen Stellenwert für die Gesetzgebungsvorhaben in der
beginnenden Legislaturperiode bei.
Nach dem Planungsstand bei ihrer Einsetzung soll die
Kommission ihren Abschlußbericht im Herbst des Jahres 1999 vorlegen.
Eine Zusatzfrage,
bitte schön.
Beabsichtigt die Bundesregierung, vor Abschluß der Arbeiten der Kommission
Gesetzentwürfe einzubringen, die das Sanktionensystem, also die Arbeit der Kommission, betreffen?
Herr Kollege, die Bundesregierung wird die Arbeit dieser Kommission - sie ist ja bei
uns im Hause angesiedelt - sehr aufmerksam verfolgen.
Sie wird zu gegebenem Zeitpunkt darüber entscheiden,
ob entsprechende Gesetzesvorschläge in den Bundestag
eingebracht werden.
Zweite Zusatzfrage.
Wie habe ich dann Äußerungen der Frau Bundesjustizministerin zu verstehen,
bestimmte Gesetzgebungsvorhaben - beispielsweise die
Frage, ob der Entzug der Fahrerlaubnis bzw. das Fahrverbot in das Sanktionensystem aufgenommen werden
soll -, sehr schnell ins Parlament einzubringen, also
zweifellos vor Abschluß des Kommissionsberichtes?
Habe ich Ihre Äußerungen nun so zu deuten, daß solche
Gesetzgebungsvorhaben in jedem Fall nicht vor Herbst
des kommenden Jahres eingebracht werden?
Meine Antwort, Herr Kollege,
ist nicht so zu verstehen. Wie gesagt, wir werden die Ergebnisse dieser Kommission, die zum Teil schon vorliegen, werten und dann entscheiden, ob daraus Gesetzesvorschläge unsererseits gemacht werden.
Ich rufe die Frage 28
des Abgeordneten Geis auf:
Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, den Arbeitsauftrag
der Kommission um bestimmte Themen, wie zum Beispiel das
sogenannte „Strafgeld“, zu erweitern, und wenn nein, warum
nicht?
Auf Ihre Frage, Herr Kollege,
antworte ich kurz: Darüber ist jetzt noch nicht entschieden.
Ich rufe Frage 29
des Abgeordneten Pofalla auf:
Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, den Arbeitsauftrag
der im Jahr 1998 beim Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission „Strafrechtliches Sanktionssystem“ um bestimmte Themen, wie zum Beispiel „Strafbarkeit juristischer
Personen“ oder „Gemeinnützige Arbeit als Hauptstrafe“, zu reduzieren, und wenn ja, warum?
Herr Kollege Pofalla, ich darf
auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Geis
verweisen und wiederholen, daß darüber noch nicht entschieden ist.
Ich rufe Frage 30
des Abgeordneten Pofalla auf:
Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, die Kommission
vorzeitig aufzulösen bzw. von ihrem Auftrag zu entbinden, und
wenn ja, warum?
Auch hier ganz kurz: Bisher
nein.
Eine Zusatzfrage.
Wann ist denn damit
zu rechnen, Herr Staatssekretär? Zu welchem Zeitpunkt
werden diese Entscheidungen getroffen?
Herr Pofalla, schon der Respekt
vor der Arbeit der Kommission, vor der wir große Hochachtung haben und die, wie ich schon ausführte, qualitativ
hochkarätig besetzt ist - wie Sie wissen, leitet sie unser
früherer Kollege Eylmann, der ehemalige Vorsitzende des
Rechtsausschusses -, gebietet es, hier nicht vorschnell irgendwelche zeitlichen Festlegungen zu treffen.
Keine weiteren Fragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Dr. Pick.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara
Hendricks zur Verfügung.
Die Fragen 31 und 32 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesrepublik Deutschland im
Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union zur vollständigen Aufklärung und Verhinderung von auch in
der Öffentlichkeit stark diskutierten Fällen unkorrekter Mittelverwendung auf EU-Ebene gefordert, und welche Maßnahmen
hat der Rat gegenüber der Kommission auf den Weg gebracht?
Herr Kollege Koschyk,
der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EuroParl. Staatssekretär Dr. Eckart Pick
päischen Union hat in den einstimmig verabschiedeten
Schlußfolgerungen auf seiner Tagung am 23. November
1998 klargestellt, daß Betrügereien und Unregelmäßigkeiten innerhalb wie außerhalb der europäischen Organe
in keiner Weise geduldet werden dürfen. Er hat die
Kommission und die übrigen Organe wörtlich aufgefordert - ich zitiere -, „unter Achtung der Rechte der betroffenen Personen die bestehenden Verfahren und Regelungen energisch, strikt und rasch anzuwenden und
alle Affären systematisch und zügig in der jeweils geeigneten Weise disziplinarrechtlich und gerichtlich zu
verfolgen“. Diese Haltung wird von der Bundesregierung uneingeschränkt unterstützt. Die Kommission hat
zugesichert, noch vor Jahresende einen Bericht mit erforderlichen Verbesserungsvorschlägen vorzulegen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, hat die Bundesrepublik Deutschland bei dieser Ratssitzung - wie es der Europäische Rechnungshof getan
hat - auch auf das sehr undurchschaubare Zusammenwirken von Kommission, Beratern und Lobbyisten bei
der Vergabe von Förder- und Hilfsmitteln hingewiesen?
Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
auch Anstrengungen beim Rat unternommen, die auf
eine Reform des EU-Förderwesens hinauslaufen? Es
wird ja immer deutlicher, daß das Förderwesen und die
Förderpraxis der EU, auch nach Meinung des Europäischen Rechnungshofs Anlaß für die jetzt aufgetretenen
Fälle von Korruption und Mißwirtschaft auf der Ebene
der Europäischen Union gewesen sind?
Die Bundesregierung
wird zum Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes erst nach eingehender Prüfung Stellung nehmen. Sie
hat dies bisher nicht tun können. Ebenso werden auch
die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission zu den
Feststellungen des Europäischen Rechnungshofes Stellung nehmen. Sie werden nach dem üblichen Verfahren
ausführlich in den Ratsgremien behandelt. Der Rat wird
im Frühjahr des Jahres 1999 auf dieser Basis gegenüber
dem Europäischen Parlament eine Empfehlung zur Frage der Entlastung der Kommission abgeben. Die europäischen Gremien werden sich in diesem Zusammenhang sicherlich auch grundsätzlich mit der Bekämpfung
der Korruption befassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wird der Umgang mit Finanzmitteln auf der Ebene
der Europäischen Union und die Frage, wie man das in
den Griff bekommt, auch ein Thema der deutschen Präsidentschaft sein? Da es hier im Hinblick auf den deutschen Finanzbeitrag für die EU auch um deutsche Steuermittel geht, hat die deutsche Öffentlichkeit nach meiner Meinung Anspruch darauf, etwas mehr zu wissen,
wie die Bundesregierung dazu steht, als von Ihnen heute
nur zu hören, daß die Bundesregierung erst ihre Auffassung zum Prüfbericht des Europäischen Rechnungshofs
erarbeiten wird.
Wir lesen täglich in Zeitungen Artikel zu diesen Vorgängen. Sich da nur hinter Beschlüssen des Rates zu
verschanzen, ohne aus der Sicht der Bundesregierung
konkret zu sagen, ob sie das auch zu einem Thema ihrer
Präsidentschaft machen wird und wie sie sich zu diesem
Thema gegenüber dem Rat und der Kommission einlassen wird, halte ich nicht für ausreichend. Meinen Sie
nicht, daß mehr Informationen über die konkrete Vorgehensweise der Bundesregierung erforderlich wären?
Herr Kollege Koschyk,
gleichwohl wird es sicherlich notwendig sein, daß die
Bundesregierung zuerst in einem geordneten Verfahren
eine Stellungnahme zum Prüfbericht des Rechnungshofes erarbeitet, wie dies auf allen Ebenen der öffentlichen
Verwaltung üblich ist.
Den Bericht des Europäischen Rechnungshofs zur
Kenntnis nehmen zu müssen ist natürlich außerordentlich bedauerlich. Es ist sicher in unser aller Interesse,
den damit verbundenen Verlust von Vertrauen in die
europäischen Gremien - mein Kollege Fischer hat vorhin schon darauf hingewiesen - zu verhindern. Dies
wird die Bundesregierung sicherlich tun, indem sie zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen wird, daß solche Praktiken möglichst abgestellt
werden.
Gleichwohl wissen wir - auch aus der Erfahrung auf
allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung -, daß alle
Jahre wieder Prüfungsberichte der Rechnungshöfe kommen, die uns natürlich alle jeweils immer sehr beunruhigen, und wir jeweils wieder dafür sorgen müssen, die
Beanstandungen für die Zukunft abzustellen.
Ich hatte Ihnen im übrigen gesagt, daß sich die Ratsgremien im Jahre 1999 mit dieser Fragestellung befassen
werden. Es ist also von daher schon automatisch ein
Thema der deutschen Präsidentschaft. Ich will aber jetzt
nicht für die Bundesregierung sagen, daß dies ein wesentlicher Schwerpunkt der Präsidentschaft wird. Ich
täte dies gern, aber ich kann in diesem Zusammenhang
nicht die ganze Bundesregierung darauf festlegen, sich
einen weiteren wesentlichen Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft auf Grund Ihrer Frage im Plenum vorzunehmen, so wünschenswert dies auch wäre. Aber Prioritäten
bedeuten auch immer Posterioritäten. Die deutsche Präsidentschaft dauert ein halbes Jahr, und man muß einfach sehen, was man sich vornehmen kann.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer ({0}) auf:
Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den Erwägungen der Kommission der Europäischen Union im Bericht zur Finanzierung der Europäischen Union vom 7. Oktober 1998 KOM
({1}) 560 endg., Telekommunikationsanlagen und Telekommunikationsdienstleistungen zu besteuern?
Herr Kollege Mayer, die
Bundesregierung bewertet die Ausführungen der Kommission als lediglich hypothetische Überlegungen zu
neuen Einnahmequellen der Europäischen Union.
Eine Zusatzfrage.
Gibt
es dennoch keine Stellungnahme und Bewertung der
Bundesregierung?
Die Bundesregierung
sieht sich nicht veranlaßt, zu solchen Überlegungen aus
der Mitte der Kommission heraus Stellung zu nehmen;
denn sowohl nach Ansicht der Kommission in ihrer Gesamtheit, die maßgeblich dafür ist - es mag einzelne
Bedienstete der Kommission geben, die solche hypothetischen Überlegungen anstellen -, wie auch nach Ansicht der Bundesregierung deckt das Eigenmittelsystem
den Finanzbedarf der EU ausreichend, so daß für weitergehende hypothetische Überlegungen kein Raum besteht.
Ich rufe nun die
Frage 35 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß mit einer derartigen Steuer der technische Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit behindert würden?
Herr Kollege Mayer, die
aktuelle Entwicklung im deutschen Telekommunikationsmarkt ist gekennzeichnet durch eine hohe Wachstums- und Innovationsdynamik, eine Vielzahl neuer Anbieter, Angebotsverbreiterungen und insbesondere massive Preissenkungen für Geschäfts- und Privatkunden.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist diese Entwicklung
durchaus positiv einzuschätzen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Kommunikation sind gesunken, wodurch die Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Märkte
- Stichworte: Informationsgesellschaft, Electronic Commerce, Internet - gefördert wird. Vor diesem Hintergrund wäre die steuerliche Sonderbehandlung von Telekommunikationsdienstleistungen ausgesprochen kontraproduktiv.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Wolfgang Börnsen ({0})
auf:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Umstand, daß nunmehr auch die schwedische Regierung
signalisiert hat, sie könne sich auch eine Verlängerung der Dutyfree-Regelung vorstellen, Großbritannien eine dreijährige Verlängerung für denkbar hält und damit anders, als vor dem Deutschen Bundestag am 18. November 1998 festgestellt, sich die
Mehrheitsverhältnisse zu einer Verlängerung hin bewegen, und
welche Aktivitäten plant die Bundesregierung, um insbesondere
die einer Verlängerung noch skeptisch gegenüberstehenden
Staaten in Skandinavien und im Benelux von der Richtigkeit einer Verlängerung zu überzeugen?
Herr Kollege Börnsen, ich
weiß nicht, ob ich die Beantwortung noch vornehmen
soll, weil wir uns im Rahmen der Regierungsbefragung
eigentlich schon zu diesem Thema ausgetauscht haben.
Wenn Sie wollen, kann ich dies aber gerne noch tun.
Ich
würde darum bitten, weil meine Frage, die ich schriftlich
gestellt habe, anders gelautet hat.
Die schriftliche Frage bezieht sich auf eine veränderte Haltung des Mitgliedstaates Schweden. Insofern habe ich darauf jetzt nicht so
relativ allgemein formuliert antworten wollen, wie es bis
gestern vorbereitet war; denn gestern hat Schweden im
Ecofin eben doch keine neue Haltung eingenommen,
sondern weiterhin zu den Ablehnenden gehört. Bis gestern hätte ich es also noch ein bißchen allgemein formuliert, aber das ist nun schon wieder anders. Da ist alles immer im Fluß, wie das mit den Schiffen nun einmal
so ist.
Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, ich weiß um Ihr auch persönliches Engagement in dieser Frage. Aber es ist schon so, daß die
Problematik der Duty-free-Regelung bei uns in Norddeutschland eine zunehmende Dramatik annimmt. Erst
in der vergangenen Woche sind bei einer Flensburger
Reederei 365 Entlassungen ausgesprochen worden. Sie
wissen, es gibt 5 700 gefährdete Arbeitsplätze. Das, was
gestern im Ecofin-Rat passiert ist, wird in Norddeutschland als schwere Schlappe für Bonn angesehen. Ich teile
diese Auffassung nicht. Ich weiß selbst, wie die frühere
Bundesregierung im Ecofin-Rat hat kämpfen müssen ebenfalls nicht mit dem Erfolg, den sie sich gewünscht
hat. Aber ich frage Sie doch: Welche einzelnen Maßnahmen gerade gegenüber den skandinavischen Ländern, die sich in anderen Bereichen ja Privilegien ausgehandelt haben, hat man jetzt vor?
Ich hatte schon eben im
Rahmen der Regierungsbefragung Gelegenheit, darauf
zu antworten. Der Bundesfinanzminister sieht zur Zeit
vor, einzelne Briefe an alle seine Finanzministerkollegen
zu schreiben. Es wird auch noch eine Auswertung der
gestrigen Sitzung des Ecofin in der Weise erfolgen, daß
man die atmosphärische Stimmung mißt und sich überlegt, wo man überhaupt noch Chancen hat, tatsächlich
etwas zu bewegen, so daß dann noch Einzelgespräche
anhand dieser atmosphärischen Stimmung und der
Schlüsse daraus stattfinden können. Dies wird in den
nächsten Tagen und Wochen sicherlich erfolgen.
Ich hatte Ihnen eben im übrigen schon sagen können,
daß insbesondere die schleswig-holsteinische Landesregierung im Rahmen ihrer Ostseezusammenarbeit mit
den EU-Mitgliedstaaten Finnland, Dänemark und
Schweden noch initiativ werden wird. Das begrüßt die
Bundesregierung außerordentlich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sie
wissen, daß der Bundeskanzler in einem Schreiben vom
13. November den Bundesfinanzminister aufgefordert
hat, persönlich in dieser Frage tätig zu werden. Nun hat
der Bundesfinanzminister vermutlich nicht ausreichend
Zeit dafür gehabt, sich mit allen Mitgliedstaaten einzeln
um diese Problematik zu kümmern. Können Sie sagen,
welcher Zeitrahmen für die Gespräche mit den einzelnen
Mitgliedstaaten vorgesehen ist?
Herr Kollege Börnsen,
das kann ich zum heutigen Tag noch nicht sagen, weil
der Ecofin erst gestern zu diesem Thema getagt hat. Die
Briefe an die einzelnen Finanzministerkollegen sind
vorgesehen. In Auswertung der gestrigen Sitzung des
Ecofin muß noch überlegt werden, an welcher Stelle
sich einzelne Gespräche besonders erfolgversprechend
anlassen.
Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, daß
ich dazu in der vergangenen Woche mit meiner britischen Kollegin, der Staatsministerin Dawn Primarolo,
ein Gespräch geführt habe. Ich werde sie in der übernächsten Woche in London aufsuchen und das Thema
noch einmal verstärkt ansprechen.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Börnsen ({0}) auf:
Hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine, das
jüngste Treffen mit seinem Amtskollegen auf Europaebene
- wie in der Fragestunde vom 18. November 1998 ({1}) in Aussicht gestellt bereits zum Anlaß genommen, über das Thema Duty-free und
die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste mit seinen Amtskollegen zu diskutieren, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Herr Kollege Börnsen, ich
kann Ihnen hierzu das sagen, was ich auch eben in der
Regierungsbefragung sagen konnte. Wir sind dabei leider nicht sehr positiv vorwärtsgekommen. Gestern hat
die französisch-deutsche Initiative vorgelegen. Sechs
Mitgliedsländer haben Zustimmung signalisiert, sechs
haben abgelehnt, und drei haben eine abwartende Haltung eingenommen.
Daraus ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat der
Schluß zu ziehen, daß sich die Europäische Kommission
vor einem solchen Abstimmungshintergrund nicht veranlaßt sehen wird, von sich aus initiativ zu werden. Es
ist ja rechtlich die einzige Möglichkeit, daß die Europäische Kommission von sich aus initiativ wird.
Eine Zusatzfrage.
Frau
Staatssekretärin, ich begrüße es, daß Sie auch vorhin
schon mitgeteilt haben, daß das Thema auf jeden Fall
bereits Anfang des nächsten Jahres auf die Tagesordnung der deutschen Ratspräsidentschaft kommt. Aber
sind Sie nicht mit mir einer Auffassung, daß es eine
Entwürdigung der nationalen Parlamente und der Regierungen ist, wenn das Initiativrecht ausschließlich bei der
Europäischen Kommission liegt, und daß es notwendig
ist, dieses Initiativrecht auf die nationalen Regierungen
auszudehnen?
Es kann sein, daß ich Ihnen jetzt aus dem Kopf eine falsche Antwort gebe.
Wenn das der Fall sein sollte, bitte ich, das zu entschuldigen. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß die Beschlußfassung darüber, daß die Tax-free-Regelung im
Sommer 1999 ausläuft, eine Beschlußfassung aus dem
Jahre 1991 - soweit ich das weiß - mit einer siebenjährigen Übergangsfrist ist. Das ist eine Richtlinie, die ja
einstimmig beschlossen worden ist. Das wäre dann so,
als wollte man ein bestehendes Gesetz wieder umkehren. Es ist ja nicht sozusagen eine neue Initiative, sondern es geht im Prinzip um die Aufhebung einer einstimmig beschlossenen Richtlinie. Da hat eben die
Kommission das alleinige Initiativrecht. Das ist vor dem
Hintergrund des Einstimmigkeitsprinzips in sehr weiten
Teilen der Europäischen Kommission sicherlich die logische Folgerung, denn sonst könnte jeder, der mal nicht
zufrieden ist, sofort wieder versuchen, etwas umzudrehen.
Noch eine Zusatzfrage.
Aber,
Frau Staatssekretärin, Sie teilen in Ihrer Antwort doch
die Auffassung, daß es doch überlegenswert ist, über die
Frage des Initiativrechts nachzudenken und auch nationale Regierungen zu beteiligen?
Herr Kollege Börnsen, ich
glaube, daß Nachdenken sich immer lohnt. Aber ich will
jetzt keine verfassungsrechtliche Aussage dazu machen.
Die Fragen 38 und
39 des Abgeordneten Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Norbert
Schindler auf:
Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundeskanzlers vom 18. November 1998, für die sog. „geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse“ im Zuge der Neuregelung auf die
Pauschalbesteuerung gänzlich zu verzichten?
Parl. Staatssekretärin D. Barbara Hendricks
Herr Kollege Schindler,
die Bundesregierung beabsichtigt, die Entgelte aus „geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen“ künftig in die
Sozialversicherungspflicht einzubeziehen und statt dessen auf die Pauschalbesteuerung nach § 40 a des Einkommensteuergesetzes zu verzichten.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie soll die Gegenfinanzierung beim Bund laufen,
und wie könnte es für den Bund noch kommen, wenn
die Länder in der Gegenfinanzierung nicht mitmachen?
Herr Kollege Schindler,
es hat am vergangenen Wochenende eine Verständigung
zwischen dem Bundesfinanzminister und den Landesfinanzministern der sozialdemokratisch regierten Länder
gegeben. Danach wird durch mehrere Tatbestände ein
Ausgleich herbeigeführt, zum einen durch die Umsatzsteuer, die auf die ökologische Steuer anfällt, und zum
anderen durch die steigende Einkommen- und Körperschaftsteuer, die durch den Tatbestand entsteht, daß die
Unternehmensgewinne steigen, weil die Rentenversicherungsbeiträge abgesenkt werden. Zum dritten hat der
Bundesfinanzminister zugesagt, noch weitere steuerrechtliche Maßnahmen zu prüfen. Die Länderfinanzminister haben vorgeschlagen, auf das sogenannte Dienstmädchenprivileg zu verzichten. Das wird im Rahmen
des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerreformgesetz
geprüft.
Alle diese Maßnahmen führen dazu, daß die Steuereinnahmen anteilig auf Bund und Länder entfallen, entweder nach der Umsatzsteuer oder nach der Einkommensteuer oder nach der Körperschaftsteuer, so daß per
saldo alle Ebenen des Staates nicht mit einer Mehrbelastung zu rechnen haben.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Fromme.
Frau Staatssekretärin, wie stellt sich die Bundesregierung die Kompensation bei den Gemeinden vor, die ja auch 15 Prozent der Steuerausfälle zu tragen haben?
Herr Kollege Fromme,
wenn alle Ebenen des Staates eine Kompensation erhalten, so erhalten selbstverständlich auch die Gemeinden
die ihnen zukommende Kompensation.
Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Schindler auf:
Wie hoch sind die bisherigen Steuereinnahmen pro Jahr aus
der pauschalen Besteuerung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse?
Herr Kollege Schindler,
nach dem amtlichen Mikrozensus 1997 sind in der Erhebungswoche - das war die letzte Woche im April 1,9 Millionen Personen mit „geringfügiger Beschäftigung“ nachgewiesen. Es bestehen allerdings erhebliche
Unsicherheiten, aus einer solchen Stichtagserhebung auf
den Umfang der jährlichen „geringfügigen Beschäftigung“ zu schließen. Dabei betrifft die Unsicherheit sowohl die Fallzahl als auch die Höhe des Entgelts. Nach
Einschätzung des Statistischen Bundesamtes dürften die
im Mikrozensus ausgewiesenen Zahlen für die „geringfügige Beschäftigung“ eine Untergrenze darstellen, da
die „geringfügige Beschäftigung“ zu anderen Zeiten als
dem Erhebungszeitpunkt - wie gesagt, das war April -,
also zum Beispiel in den Semesterferien, in der Urlaubszeit, im Weihnachtsgeschäft, höher ist. Die Bundesregierung geht daher schätzweise von 2,5 Millionen, also
nicht von 1,9 Millionen steuerlich relevanten Fällen mit
einem ganzjährigen durchschnittlichen Monatsverdienst
von 500 DM aus. Bei einem Pauschsteuersatz von
20 Prozent errechnen sich hieraus Ausfälle an Pauschsteuer in Höhe von 3 Milliarden DM. Davon entfallen
1,275 Milliarden DM auf den Bund und 1,725 Milliarden DM auf Länder und Gemeinden.
Eine Zusatzfrage
stellt der Abgeordnete Hauser.
Frau Staatssekretärin, bei der pauschalen Lohnsteuer
fällt immer auch eine pauschale Kirchensteuer an. Können Sie mir sagen, welche Größenordnung das ist und
ob es diesbezüglich auch Pläne einer Kompensation
gibt?
Herr Kollege Hauser, es
ist richtig, daß bei Pauschalsteuern immer auch eine
pauschale Kirchensteuer anfällt. Nach meinem Kenntnisstand beläuft sich der Kirchensteuersatz auf 8 Prozent
des Lohnsteueraufkommens.
({0})
- Ich wußte es nicht genau. 7 Prozent. - Wieviel 7 Prozent von 3 Milliarden DM sind, kann man ausrechnen.
Lassen Sie uns schnell zusammen rechnen. - Das müßten 210 Millionen DM sein. Der Ausfall betrifft beide
Kirchen. Das ist bedauerlich, aber die selbstverständliche Folge einer Senkung im Lohn- und Einkommensteuerbereich. Sie werden sich erinnern, daß Sie in der
vergangenen Wahlperiode erheblich höhere steuerliche
Entlastungen versprochen hatten. Die Einnahmeausfälle,
die die Kirchen damit zu tragen gehabt hätten, wären in
keiner Weise kompensiert worden. Kompensation für
Kirchensteuerausfälle kann die staatliche Ebene schon
auf Grund der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung
zwischen Staat und Kirche nicht leisten.
({1})
Wir kommen zur
Frage 42 des Abgeordneten Hans Michelbach:
Sind Presseberichte zutreffend, nach denen der Bundesminister der Finanzen den Ländern und Gemeinden zugesagt hat, daß
der Bund die sich aus der Neuregelung der „geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse“ ergebenden Steuerausfälle allein
trägt?
Herr Kollege Michelbach,
aus der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse werden den Ländern und Kommunen keine
zusätzlichen Belastungen entstehen. Der Bundesfinanzminister hat den Ländern eine volle Gegenfinanzierung
in Aussicht gestellt. Die Gegenfinanzierung wird unter
anderem über die Streichung von § 10 Abs. 1 Nr. 8 Förderung hauswirtschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse -, durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer im
Zusammenhang mit der Ökosteuer und durch Mehreinnahmen bei den Unternehmensteuern auf Grund der
Entlastung der Unternehmen bei den Sozialbeiträgen erfolgen. Diese Maßnahmen sind mit der großen Mehrheit
der Länder abgestimmt.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie sprechen die zusätzlichen Einnahmen der Länder
und Gemeinden bei der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der Ökosteuer an. Ist dieser sogenannte Kaskadeneffekt nicht insofern für die Länder und Gemeinden
unbedingt notwendig, als sie durch die Ökosteuer in ihren Gebäuden und Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten sehr stark belastet werden, ohne daß hierfür
schon eine Gegenfinanzierung vorhanden ist? Werden
nicht dadurch die Umsatzsteuermehreinnahmen unbedingt benötigt?
Herr Kollege Michelbach,
ich darf darauf hinweisen, daß die Rentenversicherungsbeiträge in demselben Umfang gesenkt werden, wie die
Verbrauchsteuern auf Energie erhöht werden. Sofern die
Bediensteten der Kommunen keine Beamten sind, profitieren die öffentlichen Körperschaften als Arbeitgeber.
Frau Staatssekretärin, wie sehen Sie das mit der Abschaffung der Pauschalsteuer verbundene verfassungsrechtliche Problem,
daß nach Ihrem Gesetzentwurf über das gegebene
steuerfreie Existenzminimum hinaus generell für alle
geringfügig Beschäftigten 12 mal 620 DM, also 7 440
DM, steuerfrei ermöglicht werden, wohingegen für alle
anderen Beschäftigten und Steuerzahler sofort die erste
Mark nach dem steuerfreien Existenzminimum zu versteuern ist? Sehen Sie hierin nicht eine Verfassungswidrigkeit und auch eine Ungerechtigkeit?
Die Bundesregierung geht
davon aus, daß das vorzulegende Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei sein wird.
({0})
Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Michelbach auf:
Wie hoch sollte die Staatsquote nach Auffassung der Bundesregierung langfristig sein, und in welchen Schritten will die
Bundesregierung dieses Ziel erreichen?
Die Bundesregierung
strebt eine mittelfristige Begrenzung der Staatsquote an.
Eine genaue Quantifizierung ist derzeit nicht sinnvoll.
Soweit sich insbesondere durch die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit Spielräume zur Ausgabenbeschränkung
eröffnen, kann ein angemessener Teil zur Reduktion der
Staatsquote verwendet werden.
Frau Staatssekretärin, betroffen sind hier auch die Länder und Gemeinden.
Es wird sicherlich notwendig sein, die finanzpolitischen
Grundlagen in eine Gesamtkonzeption einzubinden.
Eine Gesamtkonzeption zur Senkung der Staatsquote
sehen wir zwar bisher nicht, aber es finden, wie Sie im
Zusammenhang mit der Pauschalsteuer selbst angedeutet
haben, Gespräche statt. Allerdings finden diese Gespräche immer nur mit den SPD-geführten Ländern statt.
Finden Sie diese geschlossene Veranstaltung innerhalb
der SPD richtig? Warum werden nicht auch Ministerpräsidenten von unionsgeführten Regierungen eingeladen?
Ist es nicht dem föderalen Verhältnis in unserem Lande
sehr abträglich, wenn in der Finanzpolitik eine solche
Parteiveranstaltung stattfindet?
Herr Kollege Michelbach,
ich habe an der Veranstaltung der Finanzminister des
Bundes und der Länder am vergangenen Donnerstag und
Freitag in Düsseldorf teilgenommen. Es war zwar eine
Veranstaltung, die ganz überwiegend von Sozialdemokraten besucht war, aber gleichwohl keine Parteiveranstaltung; es fand eine fachbezogene, sachlich fundierte
Diskussion statt.
Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß zur Stunde
der Finanzplanungsrat unter Beteiligung aller Bundesländer tagt, selbstverständlich auch der CDU- und CSUgeführten Bundesländer. Die von der Verfassung vorgesehenen oder durch die Aufgabenstruktur der Bundesregierung zu beteiligenden Gremien beziehen wir
selbstverständlich ein. Das steht gar nicht in Frage. Es
ist aber selbstverständlich auch erlaubt, daß sich zunächst Menschen mit einer gleichen politischen Interessenlage zur Vorbereitung solcher Sitzungen zusammensetzen. Das ist nichts anderes, als wenn Sie beispielsweise eine Fraktionssitzung durchführen, bevor das
Plenum beginnt.
Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer auf:
Stimmt die Bundesregierung mit mir darin überein, daß ein
Steuerpflichtiger trotz der im Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vorgesehenen Streichung des § 10i
EStG dann noch für 1999 in den Genuß des Vorkostenabzuges
kommt, wenn z.B. der Abschluß des obligatorischen Rechtsgeschäftes in 1998, der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums
sowie die Eigennutzung aber erst in 1999 erfolgen?
Herr Kollege Ramsauer,
ja. Nach dem Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 soll der Vorkostenabzug künftig entfallen. In den Genuß des Vorkostenabzugs können aber
noch alle Eigenheimerwerber gelangen, die den notariellen Kaufvertrag für ihr Eigenheim vor dem 1. Januar
1999 abschließen. Der Zeitpunkt des Übergangs des
wirtschaftlichen Eigentums oder der Grundbucheintragung wie auch der Zeitpunkt des Einzugs ist in diesem
Zusammenhang nicht entscheidend. Wer als Bauherr
eines Eigenheimes noch den Vorkostenabzug nutzen
will, muß den Bauantrag vor dem 1. Januar 1999 stellen.
Zusatzfrage.
Vielen Dank,
Frau Staatssekretärin. Ich möchte zur Verdeutlichung
der Frage noch einmal nachhaken: Können damit also
im genannten Fall die Vorkostenpauschale von 3 500 DM
und mögliche Erhaltungsaufwendungen bis zur Höhe
von 22 500 DM gegenüber dem Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 1999 tatsächlich als Sonderausgaben
geltend gemacht werden?
Entscheidend ist, wie ich
Ihnen eben gesagt habe, daß der notarielle Kaufvertrag
noch im Jahre 1998 abgeschlossen werden muß. Dann
ist der Abzug dieser Sonderausgaben auch noch im Jahre 1999 möglich.
Das heißt, auch
wenn der Übergang von wirtschaftlichen Nutzen und
Lasten, also des Eigentums, erst im Jahr 1999 stattfindet,
kann der Erwerber den Vorkostenabzug und die Erhaltungsaufwendungen für den Veranlagungszeitraum 1999
geltend machen?
Der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht entscheidend. Insofern beantworte ich Ihre Frage mit Ja.
Eine Zusatzfrage
des Abgeordneten Dr. Kansy.
Frau Staatssekretärin, halten Sie es angesichts der Tatsache, daß die
SPD bis heute in der Wohnungspolitik eine stärkere Orientierung am Bestand propagiert und den leichteren Erwerb von Eigentum für weniger gut Verdienende
wünscht, nicht für kontraproduktiv, wenn ausgerechnet
der Vorkostenabzug abgeschafft wird, der ein Instrument zur Förderung des Bestands war und auch Wenigverdienern ermöglichte, Eigentum zu erwerben?
Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Eigenheimzulagengesetz 1995 haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine stärkere Förderung der Modernisierung von Altbauten ausgesprochen, weil wir wissen, daß eine höhere Altbauförderung insbesondere jungen Familien und Kindern in
Ballungsgebieten zugute kommt. Eine Weiterentwicklung der Eigenheimförderung, so daß sie in Ballungsgebieten besser greifen kann, ist daher auch Bestandteil der
Koalitionsvereinbarungen. Wenn im Gesetzentwurf
gleichwohl eine Aufstockung der Altbauförderung nicht
vorgesehen ist, hat dies seinen Grund in der angespannten Haushaltslage. So wünschenswert eine Aufstockung
auch ist, es würden damit doch sehr hohe Steuerausfälle
verbunden sein, die wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht
verkraften können.
Ich rufe die Frage
45 des Abgeordneten Ramsauer auf:
Welcher Teil der Steuermehreinnahmen aus dem Wegfall
des § 10i EStG und der Verlängerung der Spekulationsfrist des
§ 23 EStG auf zehn Jahre im Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 entfällt nach Auffassung der Bundesregierung auf die vom Bonn-Berlin-Umzug Betroffenen, und hält
es die Bundesregierung - um den Betroffenen Planungs- und Finanzierungssicherheit geben zu können - für erforderlich, einen
Ausgleich in anderer Weise zu schaffen?
Herr Kollege Ramsauer,
die von Bonn nach Berlin oder in umgekehrter Richtung
Umziehenden sind beim Eigenheimerwerb nur vom
Wegfall des Vorkostenabzugs nach § 10i Einkommensteuergesetz betroffen. Von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Verlängerung der Spekulationsfrist für
Grundstücke von zwei auf zehn Jahre sind Eigenheimerwerber grundsätzlich nicht betroffen.
Die Umzüge von Selbstnutzern zwischen Bonn und
Berlin verteilen sich über einen mehrjährigen Zeitraum.
In diesem Zeitraum sind von diesen Umzügen weniger
als 1 Prozent aller Haushalte in Deutschland betroffen,
die selbstgenutztes Eigentum erwerben. Einen besonderen Ausgleich hierfür hält die Bundesregierung nicht für
gerechtfertigt.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Kern der Frage war eigentlich, wie viele aus
dem Kreise der von der Neuregelung Betroffenen solche
sind, die von Bonn nach Berlin bzw. von Berlin nach
Bonn umziehen. Die Frage war so gemeint, ob von dem
Wegfall dieser Regelung, bezogen auf die Zahl der Betroffenen insgesamt, vor allem solche betroffen sind, die
einen Umzug in die eine oder in die andere Richtung
vornehmen müssen.
Herr Kollege Ramsauer,
darüber können naturgemäß keine Schätzungen vorliegen, weil wir zum Beispiel nicht wissen, ob von Bonn
nach Berlin und in umgekehrter Richtung Umziehende
Altbauten erwerben oder Neubauten errichten lassen. Insofern ist der Umfang des Vorkostenabzugs einfach
nicht zu schätzen.
Ich habe Ihnen aber gesagt, daß allenfalls 1 Prozent
all derjenigen, die in den vor uns liegenden Jahren ein
Haus erwerben werden, Menschen sein werden, die von
Bonn nach Berlin oder in umgekehrter Richtung umziehen.
Eine Zusatzfrage
des Abgeordneten Hauser.
Frau Staatssekretärin, habe ich es akustisch richtig mitbekommen, daß Sie gesagt haben, diejenigen - ich glaube, die Frage kann man weiter fassen -, die in den letzten acht Jahren ein Haus erworben haben, sind nicht von
der Verlängerung der Spekulationsfrist betroffen?
Herr Kollege Hauser,
selbstgenutztes Wohneigentum ist von der Verlängerung
der Spekulationsfrist selbstverständlich in der Regel
nicht betroffen. Es wird doch wohl um selbstgenutztes
Wohneigentum gehen, wenn Menschen von Bonn nach
Berlin und in umgekehrter Richtung ziehen. Sie werden
ihr selbstgenutztes Wohneigentum, das sie bisher in der
Stadt A oder B haben, gegen anderes selbstgenutztes
Wohneigentum in der Stadt B oder A tauschen. Insofern
kann die Frage der Spekulationsfrist keine Rolle spielen.
({0})
Wir kommen jetzt
zu den beiden letzten Fragen im Rahmen dieser Fragestunde und danach zur Aktuellen Stunde.
Ich rufe die Frage 46 der Kollegin Ilse Aigner auf:
Wie steht die Bundesregierung zu einer Verlängerung des
zwischen der Bundesrepublik Deutschland ({0}) und Radio Free Europe geschlossenen Gestattungsvertrages zum Betrieb einer Sendeanlage in Oberlaindern ({1}) über das Jahr 2005 hinaus?
Frau Kollegin Aigner, die
Sendeanlage des Radio Free Europe, jetzt International
Broadcasting Bureau, mit einer Fläche von 67,8 Hektar
ist seit Anfang der 50er Jahre vom Bund an den damaligen Sender Radio Free Europe verpachtet. Mit dem International Broadcasting Bureau hat der Bund am 8. Juni
1995 einen Gestattungsvertrag, befristet bis zum 30. Juni
2005, abgeschlossen. Sollte der Sendebetrieb vorher
einzustellen sein, kann das IBB jedoch fristlos kündigen.
Aus heutiger Sicht besteht für den Grundstückseigentümer keine Veranlassung, über eine Vertragsbeendigung oder -verlängerung in sieben Jahren zu befinden.
Ich rufe die Frage
47 der Abgeordneten Ilse Aigner auf:
Gibt es weitere vertragliche Bindungen bezüglich amerikanischer Sendeanlagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland?
Frau Kollegin Aigner,
weitere amerikanische Sendeanlagen mit vertraglichen
Bindungen wie bei der IBB gibt es nicht. Jedoch betreiben die US-Streitkräfte den Militärsender AFN. Die dabei benötigten Grundstücke sind den US-Streitkräften
im Rahmen des NATO-Truppenstatuts überlassen.
Zusatzfrage.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ist es nicht richtig, daß es Verträge für eine
befristete Sendegenehmigung für amerikanische Anlagen bis zum Jahre 2090 gibt? Ist das de facto falsch?
Frau Kollegin Aigner, da
bin ich überfragt. Das Jahr 2090 ist auch im Horizont
der neuen Bundesregierung noch weit entfernt. Aber ich
werde mich erkundigen.
Die Frage 48 des
Kollegen Dietrich Austermann wird schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen werden bis auf folgende Ausnahmen schriftlich beantwortet: Die Fragen 56 und 57 des
Kollegen Norbert Otto ({0}) und die Fragen 60 und 61
des Kollegen Dietmar Kansy sind zurückgezogen. - Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der PDS
Haltung der Bundesregierung zu der mit der
beabsichtigten Veräußerung von Metro-AGSparten verbundenen Gefährdung von über
34 000 Arbeitsplätzen sowie zu den Auswirkungen auf Mietverträge und Einnahmen der
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Ursula Lötzer von der Fraktion der PDS.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Sie müssen nicht befürchten, daß wir demnächst jede größere Fusion oder Firmenausschlachtung
zum Anlaß einer Aktuellen Stunde machen werden. Was
jedoch bei der Metro AG ansteht, ist rekordverdächtig,
beispielhaft für die Sozialschädlichkeit der ShareholderValue-Politik und exemplarisch für das Versagen der
Politik gegenüber der Arbeitsplatzvernichtung.
Die Metro entledigt sich auf einen Schlag von 34 000
Arbeitsplätzen an 2 078 Standorten. Sie überführt in einer bisher einzigartigen Aktion einen beachtlichen Teil
des deutschen Einzelhandels in eine neu zu gründende
Gesellschaft, deren einziger Zweck das Ausschlachten
und Abwickeln oder Versilbern von Kaufhäusern oder
ganzen Ketten ist.
Die für diesen Zweck geschaffene DIVAG übernimmt gewissermaßen die Rolle einer Sterbeklinik, die
auf der einen Seite Tausende von Arbeitsplätzen entsorgen wird, auf der anderen Seite Milliardenbeträge erlöst,
damit die Kasse der Metro für neue globale Strategien
gefüllt wird. Wie gesagt, die gesamte Aktion ist rekordverdächtig. Sie ist aber auch außerordentlich beispielhaft, beispielhaft für das Scheitern der bisherigen Wirtschaftspolitik und beispielhaft für das, was die neue Regierung wird anpacken müssen.
Das Abbruchunternehmen Metro ist keine Folge magerer Gewinne. Im Gegenteil: Es ist die Folge einer außerordentlich günstigen Konzernentwicklung. Allein in
den ersten neun Monaten dieses Jahres stieg der Konzernumsatz netto um 67,2 Prozent.
Das Beispiel Metro zeigt, daß die Hauptargumente,
mit denen Arbeitslosigkeit begründet wird, vorne und
hinten nicht stimmen. Erstens sind die größten Arbeitsplatzvernichter nicht die wettbewerbsschwachen Unternehmen, sondern die Gewinner des Vernichtungswettbewerbs. Zweitens schafft ihre verbesserte Gewinnlage
keine neuen Arbeitsplätze, sondern bildet die entscheidende Voraussetzung zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Drittens hat der Abbau von Arbeitsplätzen nicht das
geringste mit zu hohen Lohnkosten zu tun, sondern mit
überhöhten und ungebremsten Renditeerwartungen.
({0})
Jahrelang hat die Metro alles zusammengekauft, was
zu haben war. Sie hat sich insbesondere zu Spottpreisen
bei der Treuhand bedient. Jetzt, wo der Markt vermachtet ist, behält sie die Filetstücke, verscherbelt den Rest
und kauft sich von Griechenland bis China in andere
Märkte ein.
Das Beispiel Metro zeigt aber auch den Handlungsbedarf der neuen Regierung: Die Sozialbindung des
Eigentums macht sich gut in unserer Verfassung; aber
ist es nicht endlich an der Zeit, diesen Verfassungsgrundsatz gegenüber der Shareholder-Value-Praxis in
Schutz zu nehmen?
({1})
Die Metro wird nicht durch die vielzitierte Globalisierung zum Abstoßen von 34 000 Arbeitsplätzen getrieben, sondern ausschließlich dadurch, daß sie selbst zu
einem der größten Global-Player werden will. Warum
sollen wir die sozialen Kosten dafür tragen?
Die Gewerkschaften und die Beschäftigten, nicht nur
die der Metro, erwarten von dieser Regierung zu Recht
eine Reformstrategie, die es Konzernen wie der Metro
schwerer macht, sich durch Ausgliederungen vor sozialer Verantwortung zu drücken und die Kosten ihrer Globalisierungsambitionen auf die Bundesanstalt für Arbeit
abzuwälzen.
({2})
Sie erwarten zu Recht eine Politik, die verhindert, Tarifverträge und Mitbestimmung zu umgehen.
Die Politik, das heißt Sie, Kolleginnen und Kollegen
aus der Regierung, sind gefragt, Rahmenbedingungen zu
schaffen, unter denen nicht nur die Arbeit gerechter
verteilt, sondern auch die Vernichtung von Arbeitsplätzen erschwert wird. 16 Jahre hat man in diesem Land
den Unternehmen die Steuern gesenkt, die Gewerkschaften haben Lohnzurückhaltung geübt, und die Regierung hat den Unternehmern eine arbeitsrechtliche
Hürde nach der anderen aus dem Weg geräumt - das
alles, um angeblich Arbeitsplätze zu schaffen. Das Ergebnis ist bekannt: Konzerne wie die Metro demonstrieren heute, daß Gewinnsteigerung und Arbeitsplatzvernichtung zwei Seiten derselben Medaille sind. Sie nehmen die Vorleistungen von Politik und Gewerkschaften
gerne in Kauf, pflegen den Shareholder-Value, indem
sie Zehntausende von Arbeitsplätzen abbauen, und machen dann ihre Teilnahme am Bündnis für Arbeit auch
noch davon abhängig, daß Politik und Gewerkschaften
weitere Vorleistungen mitbringen. - Ich komme sofort
zum Ende, Herr Präsident. - Ja, sie weigern sich, Zusagen über Arbeitsplätze zu machen, und ihre einzige
Vorleistung besteht - sieht man davon ab, daß sie immer
wieder neue Fusionen und Ausgliederungen ankündigen
- in der Vernichtung Zehntausender von Arbeitsplätzen.
Kolleginnen und Kollegen, haben Sie endlich den
Mut, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und dem
Marktradikalismus Grenzen zu setzen! Die Sozialbindung des Eigentums ist keine Selbstverpflichtung der
Arbeitgeberverbände, sondern gehört endlich wieder ins
Pflichtenheft der Politik, wenn sie eine neue Politik sein
will.
({3})
Das Wort für die
Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär
Siegmar Mosdorf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das von der
Metro AG am 12. November beschlossene Maßnahmenprogramm stellt eine unternehmerische Entscheidung
dar, die aus der Wettbewerbssituation in dieser Branche
Vizepräsident Rudolf Seiters
resultiert und unmittelbare Konsequenzen hat. Es gibt
Anlaß, diesen Prozeß sehr aufmerksam zu verfolgen.
Ob die von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitsplätze der 34 000 Mitarbeiter - davon 29 500 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland - gefährdet
sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht
präzise gesagt werden. Man muß sich jeden einzelnen
Standort und dessen Wettbewerbssituation genau ansehen. Nach Aussage der Metro AG - wir haben uns
extra noch einmal danach erkundigt - könne von einer
Gefährdung der Arbeitsplätze in vielen Einzeleinheiten,
um die es dabei geht, nicht die Rede sein.
Die Metro hat sich von verschiedenen Unternehmensteilen getrennt. Erwerber ist die DIVAG; das wissen Sie.
Ein innerer Zusammenhang besteht darin, daß die Metro
möglicherweise auch zu spät gehandelt hat. Ich bin immer sehr dafür, daß wir nicht nach Schema F diskutieren. Vielmehr sollten wir uns ansehen, was es möglicherweise vorher an unternehmerischen Fehlentscheidungen gegeben hat. Manche Unternehmen sind nämlich
nicht wettbewerbsfähig, weshalb jetzt dringend Entscheidungsbedarf besteht und konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Für eine Reihe von Unternehmen ist die Vorbereitung eines Börsenganges vorgesehen. Für andere Unternehmen soll die DIVAG Erwerber
suchen. In beiden Fällen aber muß es sich um Unternehmen handeln, die wettbewerbs- und leistungsfähig
sind. Daher ist Kritik eher wegen Versäumnissen in der
Vergangenheit als wegen der jetzigen Entscheidung zu
üben.
Der Erwerb vollzieht sich laut Angaben der Metro in
den meisten Fällen durch Gesellschafterwechsel - das ist
ausdrücklich bestätigt worden -, ohne Einfluß auf die
Arbeitsverhältnisse. Das jedenfalls hat Metro zugesagt,
und wir sollten sie im Hinblick darauf auch beim Wort
nehmen. Gleichwohl schließt die Metro natürlich nicht
aus - das hat sie uns wörtlich gesagt -, „daß für vereinzelte Standorte eine Schließung als einziger Weg verbleibt“. Die Notwendigkeit solcher Schließungen wird
dann aber nicht erst durch den Übergang von der Metro
auf die DIVAG hervorgerufen, sondern ergibt sich bereits aus den Versäumnissen der Vergangenheit.
Im Falle von Schließungen soll laut Metro die Arbeitslosigkeit durch den Einsatz personalpolitischer
Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden werden. Jetzt
zitiere ich wieder wörtlich - wir haben bei der Metro
nachgefragt -:
Hierzu zählen insbesondere das Angebot freier Arbeitsplätze innerhalb . . . des Metro-Konzerns . . .
sowie die arbeitsmarktsorientierte Qualifizierung
von Mitarbeitern auch im Rahmen von Beschäftigungsgesellschaften.
Auch das sind Zusagen, die nicht jedes Unternehmen sofort gibt; das weiß jeder, der sich ein bißchen mit der
Materie auskennt. An diese Zusagen sollten wir die Metro allerdings auch erinnern.
Da wir ja fair miteinander umgehen wollen, möchte
ich nur daran erinnern, daß bei der Entscheidung über
diese Angelegenheit im Metro-Konzern die Arbeitnehmerbank - mit Ausnahme des hauptamtlichen HBVVertreters - diesen Entscheidungen zugestimmt hat. Das
muß man einfach wissen.
({0})
Die Arbeitnehmerbank hat nämlich genau gesehen, wohin die Metro AG gerät, wenn sie die Situation treiben
läßt, jetzt nicht handelt und nicht dafür sorgt, daß ihre
Einheiten wettbewerbsfähig werden. Deshalb hat es eine
entsprechende Entscheidung gegeben.
Noch ein weiterer Zusatz: Metro selber ist dabei, sich
auf den internationalen Wettbewerb einzurichten. Es
spricht ja nichts dagegen, sich auf die Globalisierung
einzustellen und zu versuchen, auch international leistungsfähig zu sein, zumal wenn man weiß, wer die
Wettbewerber auf dem entsprechenden Sektor sind.
Auch die Amerikaner sind da sehr engagiert. Aus diesem Grund hatte die Metro die Absicht, an die Börse zu
gehen. Dies war auf Grund des gegebenen Portfolios
nicht möglich, weil, hätte man das Portfolio insgesamt
vorgelegt, ein Börsengang ausgeschlossen gewesen wäre. Das heißt, es gibt einen Zusammenhang zwischen der
Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt und
den jetzt - vielleicht zu spät - erfolgten Schritten.
Ich möchte darum bitten - das ist der Unterschied zu
der Art, wie Sie, Frau Lötzer, die Diskussion geführt haben -, nicht bei dem Punkt stehenzubleiben, daß man,
wenn eine solche Situation entsteht, nur die Sorge der
Menschen teilt. Das ist zwar wichtig. Aber wir müssen
einen Schritt weitergehen und über die Wertschöpfung
in solchen modernen Bereichen sehr frühzeitig nachdenken und dafür sorgen, daß in den jeweiligen Bereichen
Wettbewerbsfähigkeit entsteht. Es ist vor allen Dingen
Aufgabe der Unternehmen, das zu leisten. Da gibt es
Versäumnisse; die muß man kritisieren. Es reicht aber
nicht, wenn man in einer solchen Situation sozusagen
nur den Tatbestand feststellt und ihn bedauert. Man muß
unternehmerische Aktivitäten und entsprechendes Engagement vorher einfordern.
Noch eine Bemerkung zur Frage der Auswirkungen
auf Mietverträge und auf Einnahmen der Bundesanstalt
für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Dabei muß
man folgendes berücksichtigen: Nach der in der Kürze
der Zeit möglichen Prüfung hat die Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mitgeteilt, daß sie
noch in vertraglichen Beziehungen zur Metro-Gruppe
steht. Die BvS wird die Einhaltung der hieraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere der
Arbeitsplatzzusagen der Metro-Gruppe, kontrollieren.
Das ist eine wichtige Zusage, die da gegeben worden ist
und deren Einhaltung man auch in Einzelfällen - es geht
ja um viele Standorte - beachten muß.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß nicht beendete Mietverträge von der BvS auf die TLG, die
Treuhandliegenschaftsgesellschaft, übergeleitet wurden.
Für die Mietverträge bei Objekten der TLG ergeben
sich durch die Veränderungen bei der Metro AG keine
Einnahmeauswirkungen. Bei Veräußerung von Gesellschaften, mit denen Mietverträge bestehen, ist von der
weiteren Einhaltung dieser Verträge durch die Vertragspartner auszugehen.
Kurz und gut, dies ist eine Entscheidung, die viele
Menschen und viele Standorte betrifft. Man muß bei jeder einzelnen Entscheidung genau hinschauen, zu welchen Auswirkungen es kommt. Man muß im Zweifelsfalle auch mit der Metro AG darüber sprechen - das ist
überhaupt keine Frage -, um diesen Prozeß so gestalten
zu können, daß die davon betroffenen Menschen dabei
nicht unter die Räder kommen. Das ist ein wichtiger
Punkt.
({1})
Die Bundesregierung ist bereit, diesen Prozeß zu begleiten. Ich möchte ausdrücklich anbieten, Gespräche
mit der Metro darüber zu führen, daß die Zusagen, die
uns gemacht worden sind, auch im Einzelfall eingehalten werden. Es ist ganz wichtig, zu erkennen, daß die
Entscheidung der Metro ein Prozeß der Modernisierung
ist, der wirtschaftlich eine innere Logik hat und an dem
auch wir ein Interesse haben sollten.
Eine letzte Bemerkung. Denken Sie bitte auch darüber nach, daß wir uns lange Jahre, und zwar zu Recht,
mit dem Konzentrationsprozeß auf dem Handelssektor
auseinandergesetzt haben. Wenn die Metro jetzt Einheiten, die bisher das Profil des Unternehmens bestimmten,
abgibt, dann ist das ein Dekonzentrationsprozeß, den
man per se nicht negativ beurteilen kann. Wir haben die
hohe Konzentration im Handelsbereich immer als gefährlich angesehen. Wir müssen also den Gesamtprozeß
vor Augen haben und versuchen, uns ein objektives Urteil zu bilden.
Vielen Dank.
({2})
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Hans Michelbach, CDU/CSU.
Herr Präsident!
Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde im
Deutschen Bundestag zu einer unternehmerischen Entscheidung eines deutschen Unternehmens ist, wie ich
meine, ein durchaus ernstzunehmender Tatbestand.
Denn er zeigt uns, wohin wir in dieser Republik eventuell marschieren sollen, wohin uns - vielleicht zurück
zur DDR-Wirtschaft - die Linke wieder bringen will.
({0})
- Weil Sie so protestieren, will ich dies an Hand einer
aktuellen Ticker-Meldung belegen: Der SPD-Landwirtschaftsminister aus Mecklenburg-Vorpommern - er
heißt Till Backhaus; ich kenne ihn nicht persönlich - hat
heute verdeutlicht, daß er zurück zur Kollektivierung in
der Landwirtschaft will.
({1})
- Da lachen Sie! Ich will nicht zurück zur Kollektivierung im Handel, ich will nicht zurück zur DDRWirtschaft. Daß wenige Jahre nach Überwindung der
deutschen Teilung ein SPD-Minister Sehnsucht nach
den alten sozialistischen Verhältnissen hat, ist für mich
ein Armutszeugnis der SPD und nichts anderes, meine
Damen und Herren.
({2})
Herr Staatssekretär, ich hätte schon erwartet, daß Sie
bei dieser Gelegenheit Zitate eines Konzernunternehmens nicht sozusagen in dritter Person vortragen. Ich
hätte erwartet, daß Sie als Vertreter des Bundeswirtschaftsministers klare ordnungspolitische Grundsätze
aufstellen und darauf hinwirken, daß hier auf Grund eines Antrages, der von der PDS eingebracht worden ist,
nicht diskriminierend über ein Unternehmen geredet
wird.
({3})
Meines Erachtens darf die Diskussion in diesem Land
nicht so geführt werden. Für mich ist dies eine Diskriminierung eines Unternehmens, eine Denunzierung unternehmerischer Entscheidungen und eine wahrheitswidrige Unterstellung gegenüber einem deutschen Unternehmen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Hier ist Verhetzungspotential mit Klassenkampf gegeben.
({4})
Das können wir in unserem Land nicht gebrauchen.
Wir stehen für eine freiheitliche soziale Marktwirtschaft, für ein freies Unternehmertum und gegen die
Planwirtschaft. Es muß für jedes Unternehmen im Rahmen klarer Ordnungspolitik eine Entscheidungsfreiheit,
orientiert an der sozialen Marktwirtschaft, geben. Wir
haben die Sozialbindung des Eigentums, aber natürlich
auch die Entscheidungsfreiheit.
Dieses Unternehmen sichert sich insgesamt die Zukunft und damit auch Arbeitsplätze; denn die Metro hat
insgesamt fast 100 000 Mitarbeiter. Es ist doch wichtig,
daß ein wesentlicher Teil der Arbeitsplätze gesichert
wird und daß man die Teile dezentralisiert, die dann lebensfähiger sind. Letzten Endes zeigt man auch den
Mitarbeitern dieser Sparte eine gute Chance für die Zukunft auf.
Jedes Unternehmen muß Entscheidungen zur Bestandssicherung verantwortungsbewußt selbst treffen
können. Ansonsten leistet man der Zahl der Arbeitsplätze einen Bärendienst. Niemand wird in den neuen Bundesländern auch nur eine Mark investieren, wenn er sich
im Deutschen Bundestag in dieser Form diskriminieren
lassen muß.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Vielleicht wird den
Menschen mit einem solchen Antrag nach dem Mund
geredet, vielleicht wird damit ein Verhetzungspotential
gegeben. Aber das ist der falsche Weg; er hat Sie schon
einmal in die falsche Richtung geführt. Das ist der Weg,
den wir nicht wollen,
({5})
weil er nicht zum Erfolg führt. Jedes Unternehmen muß
jeden Standort jederzeit unter unternehmerischen Gesichtspunkten prüfen können.
Im übrigen sind die Behauptungen, die hier angestellt
werden, falsch; darauf wird sicher noch von Kolleginnen
und Kollegen hingewiesen. Alles ist im einzelnen geprüft worden; Sozialpläne sind vorhanden. Von diesem
Unternehmen wird soziale Verantwortung wie von keinem anderen in der Welt wahrgenommen. Hier ist nicht
beispielhaft für die bisherige Wirtschaftspolitik etwas
falsch gemacht worden. Hier wurde vielmehr die Zukunft in einem globalisierten Markt gesichert. Das ist die
Situation, mit der wir es zu tun haben.
Es gibt einen harten Wettbewerb im Handel. Diese
Wettbewerbssituation ist die schärfste auf der ganzen
Welt, schärfer noch als in den USA. Deswegen müssen
sich die Firmen zukunftssicher machen. Nichts anderes
geschieht hier. Ich bin sicher, daß den Bürgern und den
dort arbeitenden Menschen damit gedient ist.
({6})
Für Bündnis 90/Die
Grünen hat der Kollege Werner Schulz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die PDS hat mit der Entscheidung der Metro AG, ihr
Geschäft künftig auf vier Kernbereiche zu konzentrieren, zweifellos ein aktuelles Problem aufgegriffen. Mir
ist allerdings, Frau Lötzer, bei Ihrem Debattenbeitrag
verborgen geblieben - abgesehen von der Betonung der
Verpflichtung des Privateigentums auf das Gemeinwohl,
die das Grundgesetz sichert -, was Sie konkret von der
Bundesregierung erwarten, was die Bundesregierung Ihrer Meinung nach in diesem Fall tun kann, wie sie darauf Einfluß nehmen soll.
({0})
Ich muß Sie als Anhängerin einer sozialistischen Staatsvorstellung und Wirtschaftspolitik in dieser Hinsicht
wirklich enttäuschen. Wir leben nicht mehr in Zeiten der
staatlichen Plankommission.
({1})
Weil Sie aus Köln kommen, konnten Sie nicht miterleben - oder vielleicht nur teilweise -, daß die staatliche
Plankommission, beim Kombinat WTB oder bei der
staatlichen Handelsorganisation HO, in unternehmerische Entscheidungen direkt eingreifen konnte. Sie hat
sie also nicht nur beeinflußt, sondern konnte sogar Anordnungen treffen und Strukturentscheidungen herbeiführen. Das ist nun nicht mehr der Fall.
({2})
Die Metro hat eine unternehmerische Entscheidung
getroffen. Das ist Sache des Unternehmens. Diese können wir zwar öffentlich diskutieren und kritisieren, aber
solange der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird, hat
die Bundesregierung keinen Einfluß darauf.
({3})
- Ich verstehe, Gregor Gysi, daß Sie das interessiert,
bloß das ist kein Thema für eine Aktuelle Stunde.
({4})
Das muß man an anderer Stelle diskutieren. Das ist der
entscheidende Punkt. Auch wenn Sie Fraktionsstärke erreicht haben, können Sie noch einiges dazulernen. Es ist
kein Thema für eine Aktuelle Stunde.
({5})
Soweit ich das beurteilen kann - mir liegt nichts anderes vor, als Ihnen vorliegt: die Stellungnahmen der
Metro AG, der Gewerkschaft HBV -, handelt es sich
hier eben nicht um den Verlust von 34 000 Arbeitsplätzen. Die Formulierung des Themas der Aktuellen Stunde ist also eine völlige Verzerrung. Hier betreiben Sie
Panikmache.
({6})
34 000 Menschen sind von der Ausgliederung in die
DIVAG betroffen. Diese Gesellschaft ist eigentlich nur
eingerichtet worden, um Unternehmensteile zu verkaufen. Im übrigen sind hochprofitable Unternehmensbereiche dabei, also wettbewerbsfähige Teile. Hier erleben
wir eben keine Konzentration, sondern eine Dezentralisierung durch Ausgliederung rentabler Bereiche. In welcher Größenordnung Veränderungen anstehen, kann im
Moment offensichtlich noch keiner genau einschätzen.
Gleichwohl gesteht die Metro zu, daß es möglicherweise
zu Betriebsschließungen kommen wird. Aber diese Betriebsschließungen hätten auch dann durchgeführt werden müssen, wenn diese Unternehmen bei der Metro
verblieben wären, einfach aus Rentabilitäts-, aus Kostengründen.
Wir werden darauf achten müssen, ob die zugesicherten Sozialstandards - Herr Staatssekretär Mosdorf
hat das hier dargestellt - eingehalten werden. Die Metro
fühlt sich dazu verpflichtet. Sie sagt, sie werde alle tariflichen Bestimmungen einhalten, also auch die für die
Metro geltenden Sozialstandards, und darauf auch bei
der Überführung in die DIVAG bestehen. Darüber hinaus werde sie sowohl in der Metro AG als auch darüber
hinaus Arbeitsplatzvermittlung anbieten und so für Beschäftigung sorgen, sei es durch Arbeitsplätze, die gestellt oder vermittelt werden können, sei es durch Qualifizierung. Ich finde, man geht an das Problem, das sich
zweifellos stellt, durchaus verantwortungsvoll heran.
Also, wir können gerne über das in diesem Land ausgebrochene Fusionsfieber sprechen, über die Konzentrationsprozesse und die Sorgen, daß das nur dem „value“ der „shareholder“ zugute kommt und nicht der Beschäftigungssituation. Das ist aber ein völlig anderes
Thema. Hier macht sich die Regierung im Rahmen des
Bündnisses für Arbeit große Sorgen. Ich bitte Sie von
der PDS: Sie sollten keine Panikmache betreiben, keine
Hysterie verbreiten, sondern sollten sich - wenn Sie
denn überhaupt wollen - konstruktiv an diesem Bündnis
für Arbeit beteiligen.
({7})
Das Wort hat für die
F.D.P. der Kollege Jürgen Türk.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich
mich beim Staatssekretär für die sachliche Darstellung
der Fakten bedanken.
({0})
Sicherlich kann man hinterfragen, ob es eine unternehmerische Glanzleistung der Metro AG ist, zuerst ein
Unternehmen nach dem anderen aufzukaufen und dann
zu der Erkenntnis zu kommen: Eigentlich passen die
aufgekauften Unternehmen nicht zum Konzern. Außerdem ist es unternehmerisch viel besser, sich auf seine
Kerngeschäfte zu konzentrieren. - Mir bleibt jedoch unverständlich, warum dieser Sachverhalt als Gegenstand
einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag herhalten muß.
({1})
Der Redebeitrag der PDS gibt darüber beim besten
Willen keine Auskunft.
Die Metro AG hat Unternehmen, die ihr gehören, in
eine neue Gesellschaft, DIVAG, unter der Führung der
Deutschen Bank überführt. Aufgabe der Gesellschaft
wird sein, die ehemaligen Metro-Unternehmen entweder
zu veräußern oder ihren Börsengang einzuleiten oder sie
selber weiterzuführen. Auch daran kann ich eigentlich
nichts Anstößiges erkennen.
Die in die neue Gesellschaft DIVAG überführten
Unternehmen haben rund 34 000 Arbeitnehmer. Gesellschafterwechsel, die in der Wirtschaft tausendfach vorkommen und somit nichts Außergewöhnliches sind, haben keinen Einfluß auf Bestand und Inhalt von Arbeitsverhältnissen. Der Tatbestand des Gesellschafterwechsels an sich führt somit nicht zur Gefährdung von Arbeitsplätzen. Diese sind dann gefährdet, wenn ein Unternehmen nicht rentabel arbeitet.
Die PDS unterstellt, 34 000 Arbeitsplätze seien in
Gefahr. Das hieße aber, alle in die DIVAG überführten
Unternehmen würden nicht rentabel arbeiten. Davon
kann hier wohl nicht die Rede sein; diese Schlußfolgerung ist nicht richtig. Hier muß man differenzieren. Zu
den Unternehmen, die in die DIVAG überführt werden,
gehören sehr erfolgreiche Unternehmen, zum Beispiel
die Textilkette Adler oder der Computerhersteller
MAXDATA. Aber es gibt auch überführte Unternehmen, die Probleme haben; das muß man der Wahrheit
halber sagen. Diese Probleme entstehen aber, wie gesagt, nicht erst durch Gesellschafterwechsel; sie bestanden schon vorher.
Wichtig ist die Erklärung des Metro- und DIVAGVorstandes vom 12. November 1998: daß für die Arbeitnehmer der überführten Gesellschaften die tariflichen und sonstigen Arbeitsbedingungen sowie die sozialen Standards des Metro-Konzerns unverändert fortbestehen. Diese Zusage wurde am 28. November auch
gegenüber der HBV gemacht.
Unabhängig vom Gesellschafterwechsel ist jedoch
von Bedeutung, daß bestimmte Firmen schlank saniert
werden sollen und müssen. Das heißt zum Beispiel, daß
die Kaufhalle Standorte aufgeben wird, womit Arbeitskräfte frei werden. Ob das unter Federführung der Metro
oder der DIVAG geschieht, ist für die betroffenen Arbeitnehmer natürlich unwichtig. Das ist also, wie gesagt,
kein Problem des Gesellschafterwechsels.
Die Politik kann diese unternehmerische Entscheidung zwar nicht verbieten - das ist hier schon festgestellt worden -, aber sie kann die Rahmenbedingungen
dafür schaffen, daß auch die nicht wettbewerbsfähigen
Standorte wettbewerbsfähig werden. Eine wirkliche
Steuerreform könnte einen Teil dieser Standorte vielleicht retten.
({2})
Das ist aber nicht das Thema, über das hier heute debattiert wird.
Vielen Dank.
({3})
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Manfred Hampel von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Als Haushälter will ich mich nur
auf die Auswirkungen dieses Gesellschafterwechsels auf
Mietverträge und Einnahmen der BvS konzentrieren.
Das kann ich ganz kurz abhandeln.
Gestatten Sie mir zu Beginn jedoch eine Bemerkung
zu einem anderen Punkt. Als der Kollege Schulz ausgeführt hat, daß die Bundesregierung nicht über eine staatliche Plankommission verfügt - Gott sei Dank nicht verfügt -, über die der Staat konkret und direkt in unternehmerische Prozesse eingreifen und unternehmerische
Strukturentscheidungen treffen kann, kam die Bemerkung: Ihr habt doch die BvS. Diese Bemerkung hat mich
doch etwas erschreckt. Sie offenbart, wie wenig Sie trotz
der acht Jahre, die Sie hier im Bundestag sind, von
marktwirtschaftlichen Prinzipien verstehen.
({0})
Die Mietverträge bestehen ausschließlich mit der
TLG. Sie haben da schon einen falschen Ausgangspunkt: Mit der BvS gibt es keine Mietverträge. Einnahmeausfälle auf Grund von ausbleibenden Mieteinnahmen können also nicht entstehen. Ich habe versucht, die
Anzahl der Mietverträge - es sind nur wenige - zu erfragen; aber das konnte mir die TLG nicht sagen. Es ist
Werner Schulz ({1})
davon auszugehen, daß der Erwerber dieser Immobilien
selbstverständlich in diese Mietverträge einsteigt und
daß ihm somit keine Mietausfälle entstehen.
({2})
- Das ist logisch; das ist ganz normales Vertragsrecht.
Sie haben den Aspekt der vertraglichen Beziehungen,
die es zur BvS noch gibt, nicht beachtet. Die meisten
Objekte sind käuflich erworben; sie sind natürlich mit
bestimmten Investitionsauflagen und Beschäftigungsgarantien verbunden. Wenn diese nicht erfüllt sind, greift
möglicherweise die Pönale. Eine solche Pönale kann
man nicht umgehen, indem man die Objekte verkauft.
Sie geht ebenfalls auf den neuen Erwerber über. Das
heißt, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden, hat auch
der neue Käufer die Pönale zu bezahlen.
({3})
- Herr Kollege Gysi, wir haben das schon in der 12. Legislaturperiode lang und breit diskutiert. Wir waren immer der Auffassung: Ein generelles Offenlegen der Verträge kann nicht in unserem Interesse sein. Denn wenn
jemand einen Vertrag offenlegt, ist das logischerweise
ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz. Dann ist das
Unternehmen so gut wie kaputt.
Wenn es notwendig war, in bestimmte Verträge Einsicht zu nehmen, haben Parlamentarier auch Einblick in
die Verträge bekommen. Wir haben zum Beispiel den
Kali-Vertrag einsehen dürfen, wir haben in der 12. Legislaturperiode beispielsweise Einblick in den Vertrag
Elf-Aquitaine bekommen. Das gilt natürlich nicht für jeden, sondern nur für einen ausgewählten Personenkreis,
nämlich für die Obleute aus den entsprechenden Ausschüssen oder für von den Ausschüssen bestimmte Personen. - Teilweise, bei Kali zum Beispiel, war übrigens
auch die PDS dabei. - Wenn es also notwendig sein
sollte, einen bestimmten Vertrag einzusehen, dann würde es parlamentarisch auch möglich sein, das durchzusetzen.
Die BvS hat die Zusicherung gegeben, daß, wenn eine Pönale nicht gezahlt wird, diese selbstverständlich
eingetrieben wird. Ich mache auf den Fall des Cash-andcarry-Marktes in Leipzig aufmerksam, wo die Auflage
der Schaffung von 50 Arbeitsplätzen nicht erfüllt worden ist. Die Pönale ist selbstverständlich von der BvS in
Höhe von 3 Millionen DM eingetrieben worden. Es hat
sogar noch eine gütliche Einigung gegeben, daß die
fehlenden Arbeitsplätze ab dem Jahre 1999 bereitgestellt
werden.
Ich gehe also davon aus, daß die BvS ihren Pflichten
nachkommen wird und daß bestimmte Investitionsauflagen oder Auflagen im Zusammenhang damit, daß Personal nicht oder nicht in entsprechender Größenordnung
eingestellt worden ist, durchgesetzt werden.
({4})
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Frau Susanne Jaffke.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich schwierig das ist von den Vorrednern mehrheitlich schon gesagt
worden -, unternehmerische Entscheidungen im Deutschen Bundestag zu kommentieren. Das hat eine besondere und vielleicht auch irgendwo neue Qualität.
Die Fakten sind vom Parlamentarischen Staatssekretär hinreichend genannt worden. Auch wenn die
CDU/CSU-Fraktion zur Zeit Oppositionsfraktion ist, so
gehe ich einmal für meine Fraktion davon aus, daß wir
nicht unbedingt jeden populistischen Unsinn, der von
anderen gemacht wird, in diesem Parlament gutheißen
und daß wir uns nicht an diesem populistischen Unsinn
beteiligen.
({0})
Lassen Sie mich einige wenige Worte zu den Aktivitäten sagen, die die Metro-AG-Filialen in MecklenburgVorpommern und in Schleswig-Holstein entfaltet haben;
denn einer der Initiatoren des sogenannten ServerModells ist die Metro AG gewesen. Sie hat in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und SchleswigHolstein unter Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit
jungen Arbeitslosen die Möglichkeit gegeben, über einen ein Jahr dauernden Förderarbeitsvertrag in Unternehmen der Metro AG tätig zu sein. Bei erfolgreicher
Absolvierung dieses einen Jahres sind die jungen Leute
in ein Ausbildungsverhältnis übernommen worden. Damit hat die Metro AG gezeigt, daß sie als Unternehmen
ein Stückchen Verpflichtung übernimmt, indem sie jungen Leuten eine Chance gibt.
Ich kann natürlich nicht jede unternehmerische Entscheidung, die zum Gesamtüberleben des Unternehmens
beiträgt, im Parlament in Bausch und Bogen verteufeln.
Das steht mir nicht zu. In diesem Sinne sollten wir uns
bemüßigen und befleißigen, Rahmenbedingungen für
wirtschaftliche Aktivitäten in unserem Land zu fördern.
Von allem anderen sollten wir die Finger lassen.
Danke.
({1})
Das Wort für die
PDS-Fraktion hat Frau Dr. Christa Luft.
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Wenn auf einen Schlag und
dann auch noch in einem einzigen Unternehmen 34 000
Beschäftigte - mit ihren Familienangehörigen sind das
über 100 000 Menschen - in eine ungewisse Zukunft gestoßen werden - wir sagen ja nicht: in die Arbeitslosigkeit -, dann ist das wohl ein Thema von bundespolitischer Relevanz.
({0})
- Herr Kollege Michelbach, mit irgendwelcher Klassenkampfpolemik kann man auf ein solches Problem überhaupt nicht reagieren.
({1})
Herr Kollege Türk, zu dem Hinweis, daß auszugliedernde Unternehmensteile in die DIVAG übernommen
würden, möchte ich sagen: Sie haben doch im Zusammenhang mit den neuen Bundesländern ausreichend Erfahrung darüber, daß die Ausgliederung von Unternehmensteilen immer dazu führt, daß massenhaft Scheinselbständigkeit produziert und Personalabbau betrieben
wird. Das ist doch überhaupt nicht zu übersehen. Das ist
die Gefahr, die in dieser Dimension liegt.
({2})
Ich bitte Sie, zu bedenken: Im Zuschauerraum sitzen
Menschen aus den alten und den neuen Bundesländern
- Betriebsräte aus den betroffenen Unternehmen -, die
unserer Diskussion folgen. Diese Menschen werden mit
Klassenkampfparolen und dem Hinweis auf die DDRGeschichte überhaupt nichts anzufangen wissen.
Natürlich handelt es sich um eine Unternehmensentscheidung. Aber wenn sich der Deutsche Bundestag
- ausgehend von dieser Dimension - einmal mit solchen
Problemen befaßt, dann könnte das ein Signal dafür
sein, daß Politik die Sorgen der Menschen wirklich ernst
nimmt.
({3})
Was bei der Metro passiert - das ist zugegebenermaßen ein sehr drastisches Beispiel -, ist nur die Spitze des
Eisberges. Der Arbeitsplatzabbau, der in diesen Tagen in
Ost und West passiert,
({4})
ist auf jeden Fall der Hinterlassenschaft der alten Bundesregierung zuzuschreiben. Das ist wohl wahr, Herr
Kollege Mosdorf, darin stimme ich Ihnen völlig zu. Im
übrigen habe ich Ihren Beitrag zu dieser Thematik als
außerordentlich sachlich empfunden.
({5})
Es kann aber nicht sein - da stimmen Sie, Herr Kollege Mosdorf, mir sicherlich zu -, daß es in diesem Parlament, in den Medien usw. kontroverseste Debatten
über die zu erwartenden Impulse einer künftigen, noch
auf dem Papier stehenden Steuerreform auf den Arbeitsmarkt und auf die Beschäftigungssituation gibt und
daß gleichzeitig stündlich Menschen in Gefahr kommen,
ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Nur das ist der Punkt,
auf den wir hier heute aufmerksam machen wollen.
Es soll seitens der Metro Beschäftigungsgarantien
geben. Niemand hat sie gesehen.
({6})
Wir finden, daß das mit Waffengleichheit nichts zu tun
hat. Wir fordern nicht die Veröffentlichung der Verträge
in den Medien. Aber wir fordern, daß zumindest die Betriebsräte in einer solchen Situation, in der sie sich mit
ihren Belegschaften und mit den Familienangehörigen
befinden, Zugang zu diesen Verträgen bekommen,
selbstverständlich unter dem Aspekt der Verschwiegenheit.
({7})
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich am Beispiel des Metro-Verhaltens drei Dinge nennen, von denen wir meinen, daß es bundespolitischen Handlungsbedarf gibt. Erstens. Der Metro-Konzern hat in der Vergangenheit - das tun andere im übrigen auch - massiv
unrentable Betriebe im ganzen Land aufgekauft, die
Verluste lukrativ steuerlich geltend gemacht und sich
auf diese Weise beträchtlich saniert.
({8})
Das war offenbar leichter als das auch vom Kollegen
Mosdorf Eingeforderte, nämlich unternehmerische Konzepte für tragfähige Arbeitsplätze in der Zukunft auszuarbeiten.
({9})
In diesem Jahr nun verstärkte das Unternehmen sein
internationales Engagement und entzog sich durch globale Expansion der heimischen Steuerpflicht. Auch das
wollen wir mal festhalten. Jetzt soll als neuer Weg zur
Sanierung inländischer Personalabbau ins Auge gefaßt
werden, um die Aktienkurse hochzuschrauben. Das
gelingt ja auch, wie wir in der Presse sehen. Wir haben
also den typischen Fall des Shareholder-value-Prinzips
auf Kosten der Beschäftigten. Das müssen wir hier
schon mal ganz deutlich aussprechen.
({10})
Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei
ihren Vorhaben bleibt, die jetzt noch auf dem Papier
stehen, nämlich Verlustvor- und -rückträge für Großunternehmen zu streichen, und daß sie sie nicht mehr durch
Lobbys, die sicherlich noch vorstellig werden, schrumpfen läßt. Wenn wir das für Großunternehmen in der Tat
beschränken oder gar ausschalten, wird die Motivation,
pausenlos Unternehmen zu akquirieren und später massenhaft abzustoßen, zumindest eingedämmt.
({11})
Ein zweites, völlig ungelöstes Problem sind die sozialen Rechte von Scheinselbständigen, die auf diese
Weise wieder produziert werden, auch von der Metro.
Hier sehen wir dringendsten Handlungsbedarf der Bundesregierung. Wir fordern Regelungen, um die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in die RentenversicheDr. Christa Luft
rung einzubeziehen und den sozialen Schutz der Betroffenen wiederherzustellen.
Ich komme zum dritten und letzten Vorschlag: Die
Arbeitsplatzgarantien und die Investitionszusagen, die
im Privatisierungsprozeß seitens des neuen Eigentümers
gegenüber der Treuhand abgegeben worden sind, dürfen
nicht zu freiwilligen Aufgaben verkommen, sondern wir
erwarten, daß die Bundesregierung - dies hat Herr Kollege Mosdorf versprochen zu tun - darauf Einfluß
nimmt, daß sich die Metro an die Zusagen, die im Hinblick auf Arbeitsplätze und Investitionen gegeben worden sind, hält.
Ich danke Ihnen.
({12})
Das Wort hat der
Abgeordnete Christian Lange von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im Musterländle Baden-Württemberg ist nicht alles Gold, was
glänzt. Das zeigt ein Beispiel aus meinem Wahlkreis,
dem Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd, im Westen unseres Landes angesiedelt. Das Thema, das wir
heute diskutieren, ist auch dort hautnah zu spüren. Hier
äußern sich die Vorgänge um die Metro AG in der Sorge
der Beschäftigten der Horten-Filiale in Schwäbisch
Gmünd. Beschäftigte, Betriebsrat, die Gewerkschaft
HBV, Gemeinderat und Stadtverwaltung sind beunruhigt.
Es wird genau zur Kenntnis genommen, daß die
Kaufhof Warenhaus AG sich strategisch neu positionieren will, sich angesichts der Konzentrationsentwicklung
im Handelsbereich fitmachen will. Die Parameter der
Auswahl sind freilich klar: Standorte, die auf Grund
fehlenden Einzelhandelspotentials oder einer schlechten
Lage oder fehlender Größe für die Umsetzung des sogenannten Galerie-Konzepts nicht nachhaltig in die Gewinnzone gebracht werden konnten, sollen an eine Gesellschaft namens DIVAG - es ist bereits erwähnt worden - veräußert werden.
Schwäbisch Gmünd paßt nicht in dieses Konzept. Es
ist zu klein. Die Filiale wird nicht erweitert. Deshalb
findet sich auf der Liste der zwölf Kaufhof-Filialen, die
abgestoßen werden sollen, auch der Name Schwäbisch
Gmünd mit Horten. Ein Käufer steht fest. Es ist die besagte DIVAG, eine Neugründung.
Ziel der Aktion, so die Metro, sei, die von Kaufhof
übernommene Einzelhandelskette und die Einzelhandelshäuser in den kommenden drei Jahren zügig zu verwerten, und zwar zügig optimal. Aus Sicht der Metro
heißt das, die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen.
Was bedeutet das aber für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, immerhin rund 85 Beschäftigte, und deren Familien? Der Geschäftsführer vor
Ort macht auf Optimismus. Die DIVAG selbst macht
keine Aussagen. Sie ist im Augenblick in Gründung.
Der Betriebsrat freilich - ich denke, dafür muß man
Verständnis haben - ist beunruhigt. Er erhielt, genau wie
ich gestern telefonisch, bei seinem Besuch in der Kaufhof-Hauptverwaltung in Köln keine verbindliche Zusage. Selbst über die Umstrukturierung gab es keine Auskunft.
Verwundert es da, wenn die Gewerkschaft HBV feststellt - ich zitiere -:
Die DIVAG hat die alleinige Funktion, die ausgegliederten Bereiche, wie den Gmünder Horten, zu
verkaufen oder im Falle eines Nichtverkaufs zu
schließen. Die unternehmerische Tätigkeit der DIVAG soll lediglich bis ins Jahr 2001 gehen. Das
heißt konkret, daß im Falle eines Nichtverkaufs das
Kaufhaus Horten in Schwäbisch Gmünd von der
Schließung bedroht ist.
({0})
Die HBV weiß, wovon sie spricht. Im Fall des Möbelhauses Unger ist dies genauso gelaufen. Die Möbelhauskette Unger wurde ebenfalls von der Metro ausgegliedert und weiterverkauft. Nunmehr wird Haus für
Haus geschlossen. Davon betroffen ist Möbel Unger
auch in Schwäbisch Gmünd. Die dortige Filiale soll zum
31. Januar 1999 dichtgemacht werden.
({1})
Das Ergebnis, der Verlust von Arbeitsplätzen bei Unger und knapp 85 Arbeitsplätzen bei Horten, würde die
Stadt und die Region Schwäbisch Gmünd schwer treffen. Deshalb unterstütze ich zunächst einmal nachdrücklich, daß die Betroffenen die Initiative ergreifen
und sich heute abend gemeinsam mit örtlichen Repräsentanten zu einem Solidaritätskomitee zusammenschließen.
({2})
Ziel ist, zu überlegen, wie sich das Kaufhaus selbst behaupten kann und wie es wieder eine Chance am Markt
erhalten kann. Nicht überkommene Rezepte des fortgeschrittenen Kapitalismus, aber auch nicht plumpe Rhetorik des Klassenkampfes, Herr Michelbach, sondern moderne dezentrale Konzepte, die die Innovationskraft, das
Engagement und die Ideen der Menschen aufgreifen,
sind jetzt gefragt.
({3})
Die Beschäftigten diskutieren bereits Alternativkonzepte - Herr Michelbach, das sollten Sie einmal zur
Kenntnis nehmen -, wie die Gmünder Filiale eventuell
als Einzelhaus weitergeführt werden kann. Jede Menge
Ideen liegen vor. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die
Einlassungen der Bundesregierung und von Ihnen, Herr
Staatssekretär. Die Gmünder werden die Metro sicher an
Ihr Angebot erinnern. Ich komme auch gern auf das Gesprächsangebot Ihrerseits zurück. Ich will aber auch an
die Metro appellieren: Gehen Sie offen in die Gespräche
mit den Beschäftigen und ihrem Betriebsrat, und stellen
Sie sich Ihrer Verantwortung!
Herzlichen Dank.
({4})
Ich gebe das Wort
dem Abgeordneten Ulrich Klinkert, CDU/CSUFraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der Kollege Werner Schulz, dem
ich mich zu meinem eigenen Erstaunen im wesentlichen
anschließen kann, hat unter anderem ausgeführt, daß die
Bundesregierung nicht die staatliche Plankommission
ist. Staatssekretär Mosdorf hat zu Recht darauf hingewiesen, daß selbst die Arbeitnehmer im betroffenen
Aufsichtsrat mit der hier zur Diskussion stehenden
Transaktion einverstanden sind.
Das alles hätte die PDS natürlich wissen können.
Aber die Art und Weise, wie sich die PDS mit Halbwahrheiten, mit Unterstellungen und günstigenfalls mit
Unwissenheit diese Aktuelle Stunde erschlichen hat,
({0})
veranlaßt mich, über die Motivation der PDS zur Beantragung dieser Aktuellen Stunde nachzudenken.
({1})
Die PDS ist offensichtlich der Meinung, die Regierung solle alle Wirtschaftsbewegungen planwirtschaftlich leiten; ansonsten könnte sie schwerlich die Haltung
der Bundesregierung zur Veräußerung von Firmen oder
Firmenanteilen verlangen.
({2})
Aus dieser Logik heraus, Frau Kollegin Lötzer, könnte
man hier tatsächlich jeden Tag eine Aktuelle Stunde
veranstalten.
Weil Ihnen die Veräußerung als solche selbst ein wenig dürftig erscheint, behaupten Sie dann auch noch, daß
34 000 Arbeitsplätze gefährdet seien. Das kommt an: die
PDS als Retter in der Not. Da ist Ihnen der Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage schon einmal zweitrangig.
({3})
Ein einfacher Anruf bei der Metro hätte genügt - ohne diese Aktuelle Stunde zu beantragen -, um in Erfahrung zu bringen, daß vom Erwerber die sozialen Standards einschließlich der Sozialpläne übernommen werden. Dies entspricht genau der Erklärung - auf die Herr
Kollege Türk hingewiesen hat - vom 12. November, die
von den Vorständen von Metro und DIVAG unterzeichnet wurde. Statt dessen betreibt die PDS Verunsicherung, baut Feindbilder auf und will sich selbst als Retter
präsentieren. Meine Damen und Herren, hier wird es
nachdenkenswert, denn genau das ist die Strategie radikaler Parteien.
({4})
Bei der Umstrukturierung handelt es sich um einen
Gesellschafterwechsel ohne Einfluß auf Bestand und Inhalt von Arbeitsverträgen. Ziel dieser Umstrukturierung
ist eben nicht die Schließung der Filialen, sondern im
Gegenteil die Überführung in effiziente Strukturen.
Wenn die Überlebensfähigkeit überhaupt gegeben ist sie ist gegeben -, dann nach einer solchen Umstrukturierung zumindest wesentlich besser, als wenn es bei den
bisherigen Konzernstrukturen geblieben wäre.
Noch einen Hinweis gestatte ich mir zu geben: Wenn
überhaupt ehemalige Treuhand-Unternehmen betroffen
sind, dann werden die gegenüber Treuhand und BvS gegebenen Zusagen einschließlich der Mietverpflichtung
vom neuen Erwerber selbstverständlich eingehalten;
denn hier gilt der rechtsstaatliche Grundsatz: Kauf bricht
nicht Miete. Daß sich ausgerechnet die PDS Sorgen um
Mieteinnahmen der BvS macht, meine Damen und Herren, kann ich so recht nicht glauben.
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort hat der
Kollege Matthias Schubert von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man aus den meisten Redebeiträgen die Polemik herauszieht, sind wir, glaube
ich, zum großen Teil doch auf eine gemeinsame Basis
gekommen, die ziemlich deutlich zeigt, daß der Hintergrund für die Aktuelle Stunde, die Sie hier beantragt haben, im Grunde genommen nicht so sehr der größte anzunehmende Unfall ist, der jetzt bei der Metro, insbesondere im arbeitsmarktpolitischen Bereich, passiert,
sondern einfach der Wunsch, einmal eine Aktuelle
Stunde zu haben.
Ich will versuchen, ein paar Aussagen zusammenzufassen. Zunächst muß ja wohl schon gesagt werden, daß
in unternehmerischer Hinsicht an der Metro-Führung
Kritik dafür zu äußern ist, daß die Metro in diese Situation gekommen ist.
({0})
Das zeigt in einer gewissen Weise auch die Problematik,
daß Managern in der Wirtschaft oftmals so eine Art Unfehlbarkeit unterstellt wurde. Das geht jetzt offensichtlich nicht mehr. Wir sollten das an dieser Stelle auch ein
bißchen entmythisieren.
Das zweite, was gesagt werden muß - der Herr
Staatssekretär hat es deutlich festgestellt, und das soll
von mir hier noch einmal unterstrichen werden -, ist,
Christian Lange ({1})
daß die Bundesregierung, insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium, bereit ist, hier im Sinne von Gesprächen begleitend mitzuwirken. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Es hat keinen Sinn, hier zu dramatisieren, wenn man die Probleme auf eine vorwärtsweisende Art und Weise behandeln kann.
Das nun allerdings ziemlich schwierige Problem und das sollten wir auch nicht kleinreden - ist das Thema der Beschäftigten. Wenn es um sie geht, sollten wir
immer sehr, sehr sensibel sein. Da stelle ich zunächst
einmal fest, daß weder 34 000 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit geführt werden noch 34 000 Arbeitsplätze
unmittelbar vor dem Aus stehen. Das ist festzustellen,
und darum können Sie auch nicht herumreden. Die Panik- und Angstmache an dieser Stelle halte ich für übertrieben. Sie dient eben gerade nicht der Lösung des Problems, sondern im Grunde genommen nur dazu, hier
weiterhin Zwietracht zu säen. Andererseits ist festzustellen, daß nach Aussage des Staatssekretärs die HBV
mit Ausnahme eines Vorstandsmitgliedes zugestimmt
hat. Auch das sollten wir zur Kenntnis nehmen.
({2})
- Wir wissen ja so ungefähr, um wen es da geht, Herr
Kollege Michelbach.
({3})
Weiterhin ist festzustellen, daß die Metro von sich
aus der HBV am 28. November 1998 zugesagt hat, die
Sozialpläne, über die ja auch gesprochen worden ist,
einzuhalten und insbesondere bei Überführungen die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach
den tariflichen Vereinbarungen und unter den sonstigen
Arbeitsbedingungen und sozialen Standards der Metro
weiterzubeschäftigen. Das gilt auch für die DIVAG. Das
ist der Gewerkschaft also schon seit dem 28. November
bekannt. Das will ich noch einmal festhalten. Sie haben
völlig recht, das hätte man alles mit einem Telefonat
erledigen können.
Dann bleibt noch das Problem BvS. Hierzu gibt es
auch einen Briefwechsel. Ich zitiere aus einem Schreiben der Metro AG von gestern: Danach werden die
Metro AG und die DIVAG-Beteiligungs-AG sowie die
Tochtergesellschaften die gegenüber der Treuhand und
der BvS eingegangenen mietvertraglichen Verpflichtungen bzw. die gegebenen Zusagen erfüllen. Von der BvS
heißt es, daß diese noch in vertraglichen Beziehungen
zur Metro-Gruppe stehe und daß sie die Einhaltung der
hieraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen,
insbesondere der Arbeitsplatzzusagen der MetroGruppe, kontrollieren werde.
Es hat sich ohnehin schon - ohne den Bundestag eine Art Bündnis zur Erhaltung von Arbeitsplätzen geschmiedet. Insofern bitte ich herzlich darum, daß wir
uns - das wird sich nicht vermeiden lassen - in dieser
Legislaturperiode künftig über wesentlichere Themen
und über das wirklich Politische hier im Bundestag auseinandersetzen und nicht über Dinge, die im Grunde genommen geregelt waren, bevor Sie die Aktuelle Stunde
überhaupt beantragt haben.
({4})
Für die CDU/CSUFraktion gebe ich der Kollegin Claudia Nolte das Wort.
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluß hat man das
bekannte Problem, daß eigentlich schon alles gesagt ist,
({0})
zumal die Substanz dieses Antrages für eine Parlamentsdebatte ziemlich dünn ist.
({1})
Deshalb bin ich froh, daß ich zwar fünf Minuten reden
kann, aber nicht muß.
({2})
Ich sage ehrlich, daß mir nicht ganz klar geworden
ist, was die PDS mit dieser Debatte eigentlich bezweckt.
({3})
Sie machen eine Konzernumstrukturierung zum Gegenstand. Es ist sicherlich ein recht großer Konzern. Aber
wo kommen wir eigentlich hin, wenn wir anfangen,
Unternehmensentscheidungen im Einzelfall hier zu debattieren? Die Größe ist doch kein Argument.
({4})
Sie haben von Unterschieden gesprochen. Es ist
abenteuerlich, davon zu sprechen, daß sämtliche Arbeitsplätze, die von einer AG in die andere kommen,
deswegen wegrationalisiert würden oder gefährdet seien.
({5})
Sie betreiben Verunsicherung. Sie spielen mit den Ängsten der Leute.
({6})
Das machen Sie schon seit acht Jahren, seitdem Sie diesen Parteinamen tragen. Bevor Sie diesen Parteinamen
hatten, haben Sie alles schöngeredet.
Uns steht es nicht an, eine solche Konzernentscheidung zu bewerten. Jedes Unternehmen muß sich dem
Wettbewerb stellen, muß sich den Marktbedingungen
und den Marktanforderungen stellen. Nur das sichert
Arbeitsplätze; das erhält Arbeitsplätze.
({7})
Ich glaube nicht, Frau Professor Luft, daß ausgerechnet Sie die Unternehmensentscheidung beurteilen können.
({8})
- Ich maße mir das im Unterschied zu Ihnen auch nicht
an. - Ich denke, daß es schon gar nicht die Aufgabe
einer Bundesregierung sein kann, Bewertungen abzugeben, obwohl ich gestehe: Ich habe bei dieser Bundesregierung große Angst, daß sie versucht sein könnte, ein
Angebot zu stärkerer Kontrolle auch in Anspruch zu
nehmen.
({9})
Es ist doch keine Frage, daß bestehende Verträge
auch von neuen Eigentümern einzuhalten sind. Die angesprochenen Vereinbarungen sind zudem von den einzelnen Unternehmen, die zwar zum Konzern gehören,
die aber doch eigenständig agieren, abgeschlossen worden; das heißt, sie sind doch von dieser Umstrukturierung überhaupt nicht tangiert.
Für die Unternehmen muß es eine Selbstverständlichkeit sein, Verträge einzuhalten. Genauso erwarte ich von
der BvS, daß sie Vereinbarungen und Verträge überprüft
({10})
und notfalls Konsequenzen zieht. Das ist doch gar keine
Frage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich zeigt der
Antrag der PDS vor allem eines: daß nämlich diese Partei immer noch nicht in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat angekommen ist.
({11})
Sie haben ein Staatsverständnis, das vor allen Dingen
von Kontrolle geprägt ist, und Sie hegen ein Mißtrauen
gegenüber sozialer Marktwirtschaft. Mich verwundert
nur, werte Kollegen von der PDS, daß Sie diesen Weg
für Ihren Kampf gegen die Marktwirtschaft wählen. So
häufig, wie der Konzernname in dieser Debatte genannt
worden ist und hier auch verteidigt wurde, haben Sie
diesem Konzern einen Riesengefallen getan.
({12})
Sie bringen die Bundesregierung in eine Situation, wo
sie diese Unternehmensentscheidung auch noch rechtfertigen und verteidigen muß. Ich finde schon, Herr
Staatssekretär, daß Ihre Werbung für das Engagement
dieses Unternehmens bei den Arbeitsplätzen und für seine Strategie recht gut gelungen ist. Der Konzern wird es
Ihnen danken.
Ich kann nur zusammenfassend festhalten, daß solch
ein Thema nicht Gegenstand einer Parlamentsdebatte
sein sollte.
({13})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Dezember
1998, 9 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Die Sitzung
ist geschlossen.