Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/26/1998

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Fred Gebhardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003127

Guten Tag, meine Damen und Herren, geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur konstituierenden Sitzung des 14. Deutschen Bundestages. Es ist parlamentarischer Brauch, daß der Älteste in der Versammlung die Leitung übernimmt, bis der Deutsche Bundestag sich selbst einen Präsidenten gewählt hat. So sieht es auch der § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vor. Ich wurde am 27. Februar 1928 geboren. Ist jemand unter Ihnen, der früher geboren wurde? - Das ist offenbar nicht der Fall. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsidenten Meine Damen und Herren, als Alterspräsident eröffne ich die erste Sitzung der 14. Wahlperiode. Ich begrüße alle Gäste auf der Tribüne. Wir freuen uns, daß Sie an unserer konstituierenden Sitzung teilnehmen. Mein Gruß gilt auch den Botschaftern und Missionschefs zahlreicher Staaten. Bis zur Beschlußfassung über die Geschäftsordnung, die sich der 14. Deutsche Bundestag nach der Wahl des Bundestagspräsidenten geben wird, verfahren wir nach den Regeln, die für den 13. Deutschen Bundestag gegolten haben. Nach Absprache mit den Fraktionen benenne ich als vorläufige Schriftführer die Damen und Herren Abgeordneten Brigitte Adler, Hans-Dirk Bierling, Renate Blank, Wolfgang Bosbach, Hildebrecht Braun, Monika Brudlewsky, Christel Deichmann, Hubert Deittert, Dr. Uschi Eid, Hans-Joachim Fuchtel, Frank Hofmann ({0}), Ingrid Holzhüter, Christel Humme, Brunhilde Irber, Sabine Kaspereit, Rosel Neuhäuser, Dr. Rolf Niese, Cem Özdemir, Marlies Pretzlaff, Hans Raidel, Erika Reinhardt, Bernd Reuter, Reinhold Robbe, Dr. Uwe-Jens Rössel, Heinz Schemken, Regina SchmidtZadel, Bodo Seidenthal, Heinz Seiffert, Wieland Sorge, Joachim Tappe, Lydia Westrich, Gert Willner und Benno Zierer. Die Abgeordneten Bernd Reuter und Benno Zierer bitte ich, neben mir Platz zu nehmen. ({1}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, das Alter eines Menschen ist bekanntlich nicht sein Verdienst, und dennoch entspricht es der Tradition, das älteste Mitglied eines Parlaments die konstituierende Sitzung leiten zu lassen. Entsprechend dieser Tradition nehme ich meine Verantwortung wahr. Als ich davon erfuhr, mußte ich an die letzte Alterspräsidentin des deutschen Reichstages, Clara Zetkin, denken, eine mutige und engagierte Frau, die, wie mein Großvater Friedrich Puchta, in Chemnitz in den Reichstag gewählt wurde, wenn auch beide für unterschiedliche Parteien. Alterspräsidenten des Bundestages waren auch Ludwig Erhard und Konrad Adenauer, die unsere Republik entscheidend mit geprägt haben. Ich mußte an Willy Brandt denken, der mehrere konstituierende Sitzungen des Deutschen Bundestages geleitet hat und dem mein Respekt galt und gilt. Ich mußte an Stefan Heym denken, der den 13. Deutschen Bundestag mit Würde und Souveränität eröffnet hat. Es hat mich unangenehm berührt, daß einige Mitglieder des Bundestages ihm, einem großen deutschen antifaschistischen Schriftsteller, nicht die gebührende Achtung entgegenbrachten. Inzwischen sind wir aber vier Jahre weiter, und ich denke, im 14. Deutschen Bundestag würde ihm niemand mehr die Ehrerbietung verweigern. Kollegin Frau Professor Dr. Rita Süssmuth scheidet heute aus ihrem Amt als Präsidentin des Deutschen Bundestages aus. Ich möchte Ihnen, verehrte Frau Süssmuth, ganz persönlich für Ihre langjährige Arbeit danken. Sie waren immer - soweit ich das von außen wahrnehmen konnte - eine faire und liberal agierende Präsidentin. ({2}) Sie haben dieses Amt auf Ihre Art geprägt. Das verdient, wie ich meine, Anerkennung. Diese ist Ihnen vom Haus auch schon ausgesprochen worden. Der 14. Deutsche Bundestag ist der letzte, der in Bonn eröffnet wird. Ich möchte den Bonnerinnen und Bonnern für ihren Beitrag zur politischen Kultur und zur Demokratie in den letzten Jahrzehnten danken. ({3}) Den Berlinerinnen und Berlinern möchte ich sagen: Wir freuen uns auf Sie und hoffen, bei Ihnen willkommen zu sein. ({4}) Dieser Deutsche Bundestag trägt eine hohe Verantwortung für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland am Ausgang des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wir stehen großen Herausforderungen gegenüber. Ebenso groß sind die Erwartungen, die an die Tätigkeit des 14. Deutschen Bundestages geknüpft werden. Die Weltordnung, wie sie nach 1945 im Ergebnis des zweiten Weltkrieges entstanden ist, scheint realen politischen und ökonomischen Kräfteverhältnissen, den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht mehr zu entsprechen. Eine neue Weltordnung ist aber noch nicht gefunden. Sie zu finden kann unmöglich die Aufgabe Deutschlands oder seines Bundestages allein sein. Einen Beitrag zu ihrer Findung werden wir aber leisten müssen. Eine Welt, in der es Kriege gibt, in der mit Massenvernichtungswaffen gedroht wird, in der Millionen von Menschen in Hunger und Elend leben, in der täglich Menschenrechte verletzt werden, in der die natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen zerstört werden, ist keine gerechte Welt. Das ausgehende Jahrhundert hat gesellschaftliche Fortschritte, gigantische wissenschaftliche und technische Leistungen, aber auch schlimmste Kriege und Verbrechen, massenhafte Zerstörung und massenhaftes Elend hervorgebracht. Die Ursachen sind vielfach diskutiert und zumeist erkannt worden. Ihre Bekämpfung ist unter den gegebenen Realitäten aber nicht leichter geworden. All diese Fragen hängen auch immer mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit zusammen. Hätten wir eine sozial gerechte Weltordnung, dann gäbe es auch keinen oder kaum Hunger und kein Elend, dann gäbe es viel weniger Ursachen für Kriege, für Gewalt, für die Verletzung von Menschenrechten, für ökologische Zerstörung und für Flucht. Ich bin deshalb davon überzeugt, daß in einer jeden Gesellschaft ebenso wie für die Menschheit überhaupt die soziale Frage die entscheidende im nächsten Jahrhundert sein wird. Die Chance für eine wirklich demokratische und sozial gerechte Entwicklung in Deutschland ergab sich in diesem Jahrhundert erst mit der Zerschlagung des nationalsozialistischen Terrorregims im Jahre 1945. Für die ungenügende demokratische Entwicklung in den 100 Jahren zuvor mag es viele Ursachen gegeben haben. Eine Ursache sehe ich darin, daß es vor 150 Jahren - nämlich 1848 - nicht gelungen ist, eine erfolgreiche und demokratische Revolution in Deutschland durchzuführen. Der Versuch eines demokratisch verfaßten Deutschlands, der in der Paulskirche zu Frankfurt am Main unternommen wurde, scheiterte. Der preußische König war davon überzeugt, daß gegen Demokraten nur Soldaten helfen. Es war sicherlich ein großer Fehler der Frauen und Männer in der Paulskirche, daß sie den dritten Stand, die Arbeiter und Bauern, ausgeschlossen hatten. Wären sie mit einbezogen gewesen, hätte der preußische König seine Schlacht gegen die Demokratie möglicherweise verloren. Wie die Entwicklung weiter verlief, ist allen hier im Saal bekannt. Es endete mit dem verbrecherischsten Regime in der Weltgeschichte, der Nazidiktatur. Und nicht wir selbst haben es geschafft, uns zu befreien. Wir mußten von außen befreit werden. All jenen, die uns damals befreit haben, muß unser Dank und unser Respekt gelten. Unabhängig davon, wie wir die weitere Entwicklung in diesen Ländern beurteilen, und unabhängig von dem Schicksal vieler vor, an oder nach dem 8. Mai 1945 sollte klar sein: Ohne diesen Tag hätte es keine Chance für eine demokratische Entwicklung in Deutschland gegeben. Deshalb meine ich, daß wir uns noch vor Beendigung dieses Jahrhunderts darauf verständigen sollten, den 8. Mai 1945 zum Tag der Befreiung zu erklären und ihn jährlich entsprechend zu begehen. ({5}) Als Angehöriger einer Familie, die während der Nazidiktatur verfolgt wurde, registriere ich mit großer Sorge den wachsenden Zulauf zu rechtsextremen Parteien, die wachsende Akzeptanz für deren verlogene Ideologie und Politik. Bei allem Streit, Kolleginnen und Kollegen, den wir untereinander führen werden, sollten wir einig sein in der Bekämpfung von nationalsozialistischem Größenwahn, von Rassismus und Antisemitismus. ({6}) Unter anderem deshalb hoffe ich sehr, daß der 14. Deutsche Bundestag Kraft findet, für Nichtdeutsche, die in unserer Gesellschaft leben, bessere Integrationsmöglichkeiten zu finden und Chancengleichheit herzustellen. Nur Menschen, die gleiche Rechte haben, werden auch als gleichwertig angesehen. Zu Recht haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes in Art. 1 die Würde aller Menschen - nicht nur der Deutschen - hervorgehoben. Geschichte wird man nicht los, auch wenn manche sich das inzwischen sogar öffentlich wünschen. Es ist aber gar nicht wünschenswert, weil wir in der Verantwortung stehen, aus der Geschichte Lehren zu ziehen. Von Auschwitz waren und sind nicht nur jene betroffen, die dort erniedrigt, gequält und ermordet wurden, sondern wir alle. Aber auch die Geschichte nach 1945 war keinesfalls nur erquicklich, keinesfalls nur von Wohlfahrt und Gerechtigkeit bestimmt. Infolge des zweiten Weltkrieges wurde Deutschland besetzt, und kein Deutscher konnte sich aussuchen, in welcher Besatzungszone er lebte. Die Alterspräsident Fred Gebhardt Folge der unterschiedlichen Besatzungszonen wiederum war die Gründung von zwei deutschen Staaten, die eine sehr unterschiedliche Entwicklung nahmen. Beide deutschen Staaten standen in Frontstellung zueinander. Der kalte Krieg zwischen Ost und West tobte in Deutschland besonders zugespitzt. Opfer des kalten Krieges gab es auf beiden Seiten; sie alle müßten rehabilitiert werden. Seit dem 3. Oktober 1990 sind wir vereinigt. Das ist und bleibt ein großes Datum in der Geschichte unseres Landes. Ich frage mich, wie es eigentlich kommt, daß in den letzten Jahren so viel über die Probleme der Vereinigung und so wenig über die damit verbundenen Chancen gesprochen wurde. ({7}) Meines Erachtens ist es ein Fehler, über die Einheit in Form von Kostenrechnungen zu reden. ({8}) Diese Rechnungen sind in der Regel nicht nur falsch, sondern auch völlig überflüssig. Ein zweiter Fehler scheint mir darin zu bestehen, daß zu viele meinen, zur Einheit gehöre, daß die Geschichte nach 1945 von allen gleich bewertet und beurteilt wird. Ich glaube, eine Chance für Veränderung und Zukunft besteht gerade darin, daß man unterschiedliche Lebenserfahrungen, unterschiedliche Wertungen und Sichten zusammenführt. In der DDR gab es Unrecht, Verletzung von Menschenrechten und einen Mangel an Demokratie. Das muß aufgearbeitet werden. Aber diejenigen, die wie ich aus der alten Bundesrepublik kommen, dürfen nicht das trügerische Bild verbreiten, als hätten hier nur Wohlfahrt und Gerechtigkeit das Leben bestimmt. Auch in der DDR gab es Beachtliches, soziale und kulturelle Leistungen und interessante Formen des Zusammenlebens von Menschen. ({9}) Wenn diejenigen, die wie ich aus der alten Bundesrepublik kommen, das nicht sehen und anerkennen, dann werden wir in der Frage der Vereinigung mental nicht vorankommen. Zum Teil erlebte ich Anforderungen an die Zivilcourage der Bürgerinnen und Bürger der damaligen DDR, denen wir in der alten Bundesrepublik nicht entsprochen haben, obwohl es in ihr doch so viel leichter gewesen wäre, ihnen zu entsprechen. Es ist allgemein bekannt, daß die Aufarbeitung der Geschichte nach 1945 gerade auch in der alten Bundesrepublik widersprüchlich verlief. Ich bin mißtrauisch gegenüber der These, daß bei der Aufarbeitung der Geschichte der DDR die Fehler von damals nicht wiederholt werden dürfen. Könnte es nicht auch so sein, daß viele damals so inkonsequent waren, weil es fast alle von uns betraf, während heute im Westen eine gründliche Aufarbeitung der Geschichte der DDR gefordert wird, weil man meint, davon nicht betroffen zu sein? Die Vielzahl von Einrichtungen und Gremien, die individuelle Schuld und individuelle Verstrickungen der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR feststellen sollen, scheinen mir undenkbar, wenn wir alle in der DDR gelebt hätten und nicht nur ein Fünftel unserer Bevölkerung. Deshalb, so meine ich, kommen wir nur weiter, wenn wir aus dem Westen mehr Zurückhaltung üben, Arroganz und Überlegenheitsgefühle überwinden und vor allem eines begreifen: Die Geschichte der DDR ist nicht die Geschichte der Menschen in den neuen Bundesländern, sondern unsere gemeinsame Geschichte - so wie auch die Geschichte der Bundesrepublik die Geschichte aller Menschen in der heutigen Bundesrepublik Deutschland ist. An den 14. Bundestag werden bei der Lösung großer sozialer Herausforderungen hohe Anforderungen gestellt. Die schlimmste Geißel, mit der wir es diesbezüglich zu tun haben, ist die Massenarbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit. Es ist an dieser Stelle nicht meine Aufgabe, Wege zu beschreiben, wie man die Massenarbeitslosigkeit überwindet. Aber ich denke, daß Arbeitslosigkeit mit veränderter Politik abgebaut werden kann. Ich bin davon überzeugt, daß man uns diesbezüglich nicht mehr an unseren Worten, sondern an unseren Taten und deren Ergebnissen messen wird. Wirtschaft ist kein Selbstzweck. Sie soll von Menschen für Menschen gestaltet werden. Unternehmerinnen und Unternehmer haben das Recht, über Gewinne nachzudenken und solche zu realisieren. Sie haben aber auch eine gesellschaftliche, eine ökologische und vor allem eine soziale Verantwortung. Zu deren gesicherter Wahrnehmung bedarf es starker, handlungsfähiger Gewerkschaften, deren Tätigkeit benötigt wird, und das verdient die Unterstützung des Bundestages. In jeder Gesellschaft gibt es soziale Unterschiede. Unterschiedliche Qualifikationen, unterschiedlicher Fleiß, unterschiedliche Verantwortung, unterschiedliche Begabung und unterschiedliche Leistung, all das soll sich im Einkommen widerspiegeln. Aber ich habe den Eindruck, daß es bei uns zum Teil maßlos geworden ist. Wachsender Reichtum weniger steht wachsender Armut vieler gegenüber. Ich bin den Kirchen in unserem Lande dafür dankbar, daß sie uns mahnen, diese Entwicklung zu korrigieren. Umverteilung gibt es in jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit. Die Frage ist, von wem zu wem umverteilt wird. Dieser Bundestag wird sich auch daran messen lassen müssen, ob es ihm gelingt, mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen und Armut zu überwinden. Jeder Staat steht heute vor der Frage, wie er Kosten senken, wie er Einsparungen durchführen kann. Aber wir sollten uns davor hüten, auf Kosten von Kindern, Jugendlichen, Alten und Kranken zu sparen. Nicht wenige von uns bewegt das Schicksal der Jugend. Viele Jugendliche sehen keine Perspektive, keine Zukunft. Das ist auch unsere Verantwortung. Wir dürfen der nächsten Generation nicht einen wachsenden Schuldenberg und eine zerstörte Umwelt hinterlassen. Wir müssen schon jetzt für Perspektive und Zukunft sorgen. Alterspräsident Fred Gebhardt Jede Jugendliche und jeder Jugendliche muß eine Möglichkeit zur beruflichen Ausbildung erhalten. Nach Abschluß der Lehre oder des Studiums muß es auch eine reale Chance auf Arbeit geben. Wenn wir es nicht schaffen, dies zu gewährleisten, dann werden eines Tages die negativen Folgen, mit denen wir uns schon heute auseinandersetzen müssen, nicht mehr beherrschbar sein. Dabei denke ich nicht nur an Kriminalität und Gewalt, sondern auch an den wachsenden Einfluß des Rechtsextremismus. Unsere Aufgabe sehe ich auch darin, Chancengleichheit für die Jugend zu gewährleisten. Jede und jeder muß gleichen Zugang zu Bildung und Kultur haben. Eine Gesellschaft, die die Herausforderungen des nächsten Jahrhunderts meistern will, kann sich zivilisatorischen Rückschritt - das heißt Abbau von Kultur und Bildung nicht leisten. Wer mehr Kultur will, der müßte auch an höherer politischer Kultur interessiert sein. Ich wünschte mir, daß wir auch diesbezüglich vorankämen und von anderen europäischen Nachbarn lernten. Den Linken möchte ich gern sagen: Nicht die Gesellschaft ist gut, in der es nur Linke gibt. Den Konservativen möchte ich gern sagen: Nicht die Gesellschaft ist gut, in der es nur Konservative gibt. Wir wären schon ein großes Stück weiter, wenn sich Linke und Konservative gegenseitig als Herausforderung begreifen würden. ({10}) Gestatten Sie mir am Schluß meiner Ansprache, einen Vorschlag zur Traditionserweiterung zu unterbreiten. Wenn Ihnen so wie mir das Schicksal der Jugend so wichtig ist, dann sollten wir dies auch durch symbolische Akte unterstreichen. Was spräche eigentlich dagegen, daß der 15. Deutsche Bundestag wie bisher von seinem ältesten Mitglied eröffnet würde, zusätzlich aber das jüngste Mitglied die Gelegenheit zu einer Ansprache erhielte? ({11}) Hören wir uns bei der Konstituierung des nächsten Bundestages nicht nur an, was uns sein ältestes, sondern auch, was uns sein jüngstes Mitglied zu sagen hat. Wenn wir am Ende der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sagen können, daß die Arbeitslosigkeit zumindest drastisch abgenommen hat, daß unsere Gesellschaft sozial gerechter geworden ist, Geld, Gewinne und Profite nicht der dominierende Maßstab unseres Lebens sind, wir nicht Arme, sondern Armut bekämpft haben, wir beim ökologischen Umbau vorangekommen sind, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zurückgedrängt wurden, wir nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen bekämpft haben, Jugendliche eine Perspektive besitzen, Chancengleichheit in der Gesellschaft zugenommen hat, wir bei der Gleichstellung der Geschlechter real vorangekommen sind und die Welt insgesamt friedlicher geworden ist, Hunger und Elend weltweit zurückgedrängt wurden, dann - und meines Erachtens nur dann - können wir mit unserer Arbeit zufrieden sein und erklären:Wir haben das von den Wählerinnen und Wählern in uns gesetzte Vertrauen gerechtfertigt. Ich wünsche mir - zugegeben ein wenig vermessen -, daß der Übergang von der Bonner zur Berliner Republik von solchen politischen Veränderungen begleitet wird. ({12}) Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf: Wahl des Präsidenten, Verbunden mit Namensaufruf und Feststellung der Beschlußfähigkeit Mit dieser Wahl werden der Namensaufruf der Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Feststellung der Beschlußfähigkeit verbunden. Ich bitte Sie um Vorschläge zur Wahl. - Herr Abgeordneter Struck, bitte.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, im Namen der SPD-Bundestagsfraktion schlage ich den Abgeordneten Wolfgang Thierse vor. ({0})

Fred Gebhardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003127

Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Der Abgeordnete Wolfgang Thierse ist vorgeschlagen worden. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich bitte jetzt um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Die Wahl findet mit verdeckten Stimmkarten - also geheim - statt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Sie benötigen für die Wahl des Präsidenten Ihren weißen Wahlausweis. Dieser und weitere Wahlausweise für die später durchzuführende Wahl der Vizepräsidenten befinden sich in Ihren Stimmkartenfächern in der Lobby. Bitte kontrollieren Sie, ob die Wahlausweise Ihren Namen tragen. Die für die Wahl des Präsidenten allein gültige weiße Stimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag erhalten Sie nach Aufruf Ihres Namens von den Schriftführern an den Ausgabetischen oben links und rechts neben den Wahlkabinen. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, bitte ich Sie um folgendes: Begeben Sie sich bei Aufruf Ihres Namens von Ihren Plätzen aus über die seitlichen Zugänge nach hinten zu den oben rechts und links aufgestellten Ausgabetischen. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahlkabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt haben, gehen Sie bitte links und rechts am Sitzungsvorstand vorbei zu den Wahlurnen vor dem Stenographentisch. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen ebenfalls noch in der Wahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen. Die Schriftführer sind verpflichtet, jedem, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine Alterspräsident Fred Gebhardt kennzeichnet oder in den Umschlag legt, zurückzuweisen. Die Stimmabgabe kann in einem solchen Fall jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei Ja, Nein oder Enthaltung. Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten und Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der vor dem Stenographentisch aufgestellten Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einem der Schriftführer an der Wahlurne. Die Abgabe der Wahlausweise dient als Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl und ersetzt die Eintragung in die Anwesenheitsliste, soweit Sie sich nicht ohnehin schon eingetragen haben. Ich bitte jetzt die eingeteilten Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Die beiden Schriftführer neben mir werden nun Ihre Namen in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Ich bitte Sie, den Namensaufruf zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme der Stimmkarte zu den Ausgabetischen neben den Wahlkabinen zu begeben. Haben alle Schriftführer Ihre Plätze eingenommen? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Wahl und bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Namensaufruf ist beendet. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimmzettel abgegeben? - Das ist der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Während der Auszählung wird die Sitzung für 15 bis 20 Minuten unterbrochen. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt. Ich unterbreche jetzt die Sitzung für 15 bis 20 Minuten. ({1}) Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Es wurden 666 Stimmen abgegeben. Damit ist zugleich die Beschlußfähigkeit des 14. Deutschen Bundestages festgestellt. Von den abgegebenen Stimmen waren 666 Stimmen gültig und keine ungültig. Mit Ja haben 512 Abgeordnete gestimmt. ({2}) 109 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt. 45 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Wolfgang Thierse die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. ({3}) Herr Kollege Thierse, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Alterspräsident, ich nehme die Wahl an. ({0})

Fred Gebhardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003127

Ich übermittle Ihnen im Namen des Hauses die besten Glückwünsche für diese Wahl. Ich selbst wünsche Ihnen Glück und Erfolg in der Wahrnehmung Ihrer Tätigkeit. Ich bitte Sie, Herr Präsident, das Amt zu übernehmen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Zuerst und vor allem möchte ich mich für das Vertrauen, das Sie mit Ihrer Wahl in mich gesetzt haben, bedanken. Dieses Vertrauen verpflichtet; ich will mir alle Mühe geben, es durch Fairneß, durch Offenheit und durch parteipolitische Neutralität in der Amtsführung zu rechtfertigen. Ich bitte Sie sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, mich dabei zu unterstützen. Sehr geehrte Frau Professor Süssmuth, Sie haben in Ihrer langen Amtszeit als Bundestagspräsidentin Maßstäbe gesetzt. Das gilt nicht nur für die Art und Weise, wie Sie in diesem Hohen Hause präsidiert haben - fair und klar -, sondern auch dafür, wie Sie den Deutschen Bundestag und seine Arbeit in der Öffentlichkeit repräsentiert haben: ({0}) werbend, konsensbildend, über den tagespolitischen Streit hinausweisend und gleichwohl entschieden politisch. Dafür gebührt Ihnen der nachdrückliche und herzliche Dank des ganzen Hauses. ({1}) Danken möchte ich auch den Vizepräsidenten der 13. Legislaturperiode, den Kolleginnen Geiger und Vollmer, den Kollegen Hirsch und Klose. Sie waren gute Moderatoren unseres parlamentarischen Streits. Herzlichen Dank! ({2}) Mein Dank gilt auch allen ausgeschiedenen Mitgliedern des Bundestages. Darunter sind nicht wenige langjährige Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Arbeit und ihre Debattenbeiträge das Gesicht unseres Parlaments geprägt haben, die zum Ansehen des Bundestages wesentlich beigetragen haben. Ich wünsche Ihnen allen auf Ihrem weiteren beruflichen, persönlichen und politischen Lebensweg alles Gute. ({3}) Alterspräsident Fred Gebhardt Zuletzt möchte ich mich bei unserem Alterspräsidenten, dem Kollegen Gebhardt, herzlich dafür bedanken, daß und wie er die konstituierende Sitzung des 14. Deutschen Bundestages eröffnet hat. ({4}) Nunmehr gilt mein Gruß den 178 neuen Mitgliedern. Seien Sie herzlich willkommen unter uns! Ihre Zahl zeigt wieder, daß Demokratie Wechsel ist, friedlicher Wechsel ist, den Sie in besonderer Weise personifizieren. Unser Parlament wird durch Sie jünger und hoffentlich auch munterer, und es wird vor allem weiblicher. ({5}) In den Bundestag sind 207 weibliche Abgeordnete eingezogen. Das sind so viele Kolleginnen wie noch nie. Das ist gut so; seien Sie besonders herzlich begrüßt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung: Als ich im Oktober 1990 zum erstenmal im Deutschen Bundestag - ich erinnere mich noch genau; es war am 4. Oktober im Reichstag in Berlin - reden konnte, habe ich davon gesprochen, was es für mich bedeutete, über 30 Jahre lang gewissermaßen aus sehr weiter Ferne parlamentarische Debatten zu verfolgen, welche Faszination die parlamentarische Demokratie auf mich von Kindesbeinen an ausübte. Es erfüllt mich deshalb mit großer Bewegung, heute von Ihnen zum Parlamentspräsidenten gewählt worden zu sein. Daß ein ehemaliger Bürger der DDR dieses Amt übertragen bekommt, ist dabei wohl mehr als eine Geste. Es ist durchaus ein historisches Datum. Das ist keine unbescheidene Behauptung, denn sie meint ja nicht mich, sondern gilt dem eigentlichen Vorgang. Zum erstenmal wurde ein Ostdeutscher in eines der hohen Ämter der gemeinsamen Republik gewählt. ({6}) Acht Jahre nach der staatlichen Vereinigung ist das ein Akt demokratischer Normalität in den noch immer nicht ganz konflikt- und vorurteilsfreien ost-westdeutschen Verhältnissen, ein Schritt im Prozeß, den „innere Vereinigung“ zu nennen wir uns angewöhnt haben. In diesem Zusammenhang empfinde ich mich in einem gänzlich uneitlen Sinne als Stellvertreter, als Repräsentant meiner ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich bin weder mein Leben lang ein Widerstandskämpfer gegen die SED-Herrschaft gewesen, noch habe ich mich jemals mit dieser Herrschaft identifizieren können oder wollen. Darin stehe ich vermutlich für eine große Mehrheit meiner Landsleute in den ostdeutschen Ländern. Es gab das wirklich - das richtige Leben im falschen System! Es bleibt weiterhin notwendig, was ich seit acht Jahren gewissermaßen als „politischer Wanderprediger“ einfordere, nämlich einen Unterschied zu machen zwischen dem Urteil über das gescheiterte System und dem Urteil über die Menschen, die in ihm gelebt haben, leben mußten und die nicht alle gescheitert sind, nicht gescheitert sein dürfen! ({7}) Wenn die vielbeschworene innere Einheit wirklich gelingen soll - wir wollen sie ja alle -, dann setzt sie jene Gleichberechtigung voraus, die erst durch die Anerkennung von Unterschieden, durch den Respekt vor andersartigen Biographien ermöglicht wird. Dieser deutschdeutsche Diskurs, der Vergangenheit und Gegenwart einschließt, ist noch lange nicht an sein Ende gekommen. Und in ihm wird auch von Enttäuschungen die Rede sein müssen. Wie viele andere Ostdeutsche habe ich auf die deutsche Einheit gehofft, solange ich politisch denke. Diese Hoffnung war aber - ganz und gar nicht nationalistisch die Hoffnung auf Freiheit und Demokratie. Ostdeutschland hat in den letzten acht Jahren einen Wandlungsprozeß durchlaufen, dessen Dramatik für die Menschen durch die Wörter „Transformation“ oder „Umbruch“ nicht auf den Begriff gebracht werden kann. Nachdem wir die sich plötzlich bietende Chance zu Einheit und Freiheit entschlossen wahrgenommen haben - es waren sehr viele daran beteiligt -, verursachen die Probleme der Einheit - die Probleme, die wir uns immer gewünscht haben, wie Egon Bahr einmal gesagt hat -, erzeugen die Erschütterungen und Enttäuschungen des Einigungsprozesses bei nicht wenigen tiefe Zweifel an der Demokratie selbst, an der Problemlösungsfähigkeit demokratischer Politik. Allerdings: Ich habe in den letzten Wochen auch erlebt, wie die Erfahrung, daß der Wechsel zwischen Regierung und Opposition nicht nur theoretisch, sondern ganz konkret möglich ist, viele dieser Zweifel verringert hat. Ich darf von dieser Stelle aus gewiß die Vermutung äußern, daß auch die respektvolle Art, wie die Parteien, die handelnden Personen, in dieser Situation miteinander umgegangen sind, daß die unaufgeregte, fast unspektakuläre Weise des demokratischen Machtwechsels beispielhaft ist für das, was altmodisch und doch so zutreffend „Gemeinsamkeit der Demokraten“ genannt wird - ein überzeugender Ausweis entwikkelter und gefestigter demokratischer Kultur Deutschlands! ({8}) Bonn ist eben nicht Weimar geworden, und Berlin wird es, dessen bin ich gewiß, auch nicht werden! Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 20. Juni 1991 hat der Deutsche Bundestag beraten und beschlossen, wie wir durch die Verlagerung von Bundestag und Teilen der Bundesregierung nach Berlin zur Vollendung der Einheit Deutschlands beitragen wollen. Über sieben Jahre sind seither vergangen. Sieben Jahre, in denen wir Vorbereitungen getroffen und um Vertrauen geworben haben. Der Deutsche Bundestag hat seither seine Vertragstreue und seine Aufmerksamkeit für alle Notwendigkeiten und Folgen dieses Schrittes bewiesen. Wir haben versucht, gerechte Lösungen für alle Menschen zu finden, die von diesem tiefgreifenden Vorgang in Berlin, in Bonn und in anderen Regionen betroffen sind. Präsident Wolfgang Thierse Im nächsten Jahr nun wird der 14. Deutsche Bundestag den großen Schritt tun und seinen Sitz in die alte Hauptstadt und neue Bundeshauptstadt Berlin verlegen. Ich freue mich darauf, weil das eine Konsequenz aus der wiedergewonnenen Einheit ist. Die Verlegung des Parlamentssitzes nach Berlin, wo sich das Parlaments- und Regierungsviertel über die ehemalige Sektorengrenze, über die ehemalige Mauer, dieses absurde und tödliche Monument der Teilung, hinweg wie eine Klammer spannen wird, ist ein Teil der Verwirklichung des Wunsches von Willy Brandt: daß zusammenwächst, was zusammengehört. ({9}) Mir erscheint - das wird Sie nicht wundern - Berlin als eine Chance für das Parlament wie für die Bundesregierung. Wir können sie nutzen, indem wir uns für die pluralistische, vielfältige Kultur in dieser Stadt öffnen. Wir, sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, sollten diese Chance, die Berlin bietet, nutzen und das Gespräch, den Streit zwischen Kultur und Politik tatsächlich intensivieren. Der historisch außerordentliche Vorgang, ein lebendes, arbeitendes Parlament in eine lebendige, arbeitende, pulsierende Metropole zu verlagern und zu integrieren, wird uns in dieser Wahlperiode vor besondere Aufgaben stellen. Dabei wird meine Sorge und Aufmerksamkeit besonders darauf gerichtet sein, daß allen Abgeordneten bestmögliche Arbeitsbedingungen und Wirkungsmöglichkeiten geschaffen werden. Wir brauchen ein Parlament, das vom ersten Tag an seinem neuen Sitz arbeitsfähig ist. Nur ein gut funktionierender Bundestag garantiert auch die Funktionsfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie. Wir können uns keinen Einbruch und keinen Stillstand der gesetzgebenden, kontrollierenden und informierenden Arbeit des Bundestages erlauben. Wenn das Parlament seine Arbeit in Berlin aufnehmen wird, wird es Bonn verlassen. Hier am Rhein sagen manche, der Bundestag werde Bonn den Rücken kehren. Ich möchte dem widersprechen. Ich selbst habe erfahren dürfen, welche Anstrengungen diese Stadt unternommen hat, um den Abgeordneten gute Arbeitsbedingungen zu sichern, und wie uns Bonn und die Bonnerinnen und Bonner mit offenen Armen empfangen haben. Wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, daß in Zukunft Teile der Regierung ihren Sitz in der Bundesstadt Bonn behalten. Das bedeutet zwangsläufig, daß der Deutsche Bundestag auch weiterhin mit Bonn verbunden verbleiben wird. Wir hinterlassen keine Tabula rasa, sondern eine funktionsfähige Bundesstadt. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen die Menschen, vor allem die im Westen, Angst vor einer neuen „Berliner Republik“ haben? Gegenwärtig wird in den Feuilletons wieder das goldene Zeitalter am Rhein beschworen, und zwar durchaus mit elegischem Unterton. Vielleicht liegt es an meiner ostdeutschen Unbefangenheit, daß ich in das Klagelied nicht einzustimmen vermag. Immerhin, Günter Grass warnte noch vor der Bundestagswahl: Will man mit dieser preußisch-forschen Benennung die „Weimarer Republik“ und deren Scheitern heraufbeschwören? Soll etwa Berlin, eine Stadt, die mit sich selbst nicht zu Rande kommt, die hinfällige Republik sanieren? Ich glaube nicht, daß diese Befürchtungen berechtigt sind. Nicht Berlin, die Stadt, hat den preußischen Militarismus entstehen lassen, sondern es waren die politischen und militärischen Eliten, die ihm zum Durchbruch verhalfen. Nicht Berlin hat das Monster des Nationalsozialismus geboren, sondern eine in anderen Teilen Deutschlands erstarkende politisch-rassistische Bewegung hat - übrigens sehr spät - schließlich auch von der deutschen Hauptstadt Besitz ergriffen. Nein, nicht um die Gefahren eines preußischmilitaristischen Zentralismus wird es in Berlin gehen. Berlin sowohl als geographischer Ort wie auch als Schmelztiegel der deutsch-deutschen Probleme zwingt auch uns, das Parlament, uns diesen Problemen ganz unmittelbar zuzuwenden. Die eine - sehr gegenwärtige, sehr notwendige - Perspektive, wie sie der Publizist Klaus Hartung formuliert hat, heißt: Die Frage für die „Berliner Republik“ kann nur sein: Hat sie mehr Kraft und Möglichkeiten, die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland durchzusetzen? Ich hoffe sehr, daß sie diese Kraft entwickelt. Aber die andere Perspektive ist nicht weniger wichtig: Auch die Westdeutschen müssen sich auf das vereinte Deutschland und seine Veränderungen noch mehr einlassen. Genauer besehen allerdings sind unsere Vereinigungsprobleme selber nur ein Teil, ein Unterkapitel globaler Probleme und Veränderungen, die uns Deutsche immer mitbetreffen. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, der 14. Deutsche Bundestag konstituiert sich in bewegten Zeiten. Sicher, die akute Gefahr einer Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo wurde vorerst gebannt. Aber wir alle wissen, wie fragil diese neu geschaffene Situation ist, daß die militärische Bedrohung, die Gefahr von Hunger, Seuchen und Kälte für die Hunderttausende Flüchtlinge beileibe nicht endgültig gebannt ist. Die noch im Amt befindliche Bundesregierung, Vertreter der noch zu wählenden neuen Regierung und das gesamte Parlament haben mit ihren Entscheidungen und mit der Debatte in der vorletzten Woche bewiesen, daß verantwortliches Handeln der Deutschen in Europa möglich ist. Ich zolle all denen meinen Respekt, die mit diesem hohen Verantwortungsbewußtsein und gewichtigen moralischen Argumenten auf beiden Seiten dieser Debatte gestritten haben. Das macht Mut für die Arbeit in der bevorstehenden Legislaturperiode. Aber nicht nur in Europa ist die Kriegsgefahr weiterhin nicht von der Tagesordnung verschwunden. Die Welt schaut mit Bangen darauf, ob die in Washington mühsam ausgehandelten Vereinbarungen zu einem dauerhaften Frieden zwischen den Israelis und den Palästinensern führen werden. Wir Deutschen haben ein Präsident Wolfgang Thierse besonderes Interesse daran, daß dieser Friedensprozeß vorankommt und erfolgreich endet. ({11}) In Deutschland erleben wir zur Zeit selbst, wie sehr diese eine Welt in den Zeiten der Globalisierung zusammenwächst. Nicht nur an den Börsen haben die Turbulenzen einer von Asien und Rußland ausgehenden Währungs- und Finanzkrise auch unsere ökonomische und soziale Lebenswirklichkeit berührt. Mehr denn je stehen wir vor der Aufgabe, unsere politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten mit unseren europäischen Nachbarn abzustimmen und auf diesem Wege den mit Maastricht begonnenen Weg der europäischen Einigung zu vollenden. Die gemeinsame europäische Währung wird unweigerlich - ich begrüße das - unseren Alltag verändern, jeden einzelnen bewußt „europäisieren“. Der Übergang von einer klassischen Industriegesellschaft in eine Dienstleistungs- und Mediengesellschaft, das unbewältigte Problem der Massenarbeitslosigkeit, die daran geknüpften unabweisbaren Umbauerfordernisse für unsere sozialen Sicherungssysteme - all dies markiert Herausforderungen, die auch im nationalen Maßstab nach neuen, innovativen, auch unkonventionellen Lösungen geradezu schreien. Die Antworten der Politik sind im Zeichen weltweiter Interdependenzen sicher nicht einfacher geworden. Aber die Menschen in unserem Lande erwarten doch mit Recht von uns, dem von ihnen gewählten demokratischen Parlament, daß wir uns dieser Herausforderungen ernsthaft annehmen. Die Politik muß gerade in einer Zeit beschleunigten Wandels und Auseinanderdriftens gesellschaftlicher Interessen ihre Gestaltungskraft beweisen. Sonst nimmt der Politikverdruß wieder zu, der wiederum Nährboden des Rechtsextremismus ist. Daß Menschen auf Veränderungsdruck auch mit Ängsten, mit Abwehr, mit Ausgrenzungsversuchen reagieren, muß uns nicht wundern. Es liegt aber an der Überzeugungskraft demokratischer Politik, ob solcherart Mechanismen unser gesellschaftliches Zusammenleben dominieren. Bei Jürgen Habermas ist zu lesen: Der beschleunigte Wandel moderner Gesellschaften sprengt alle stationären Lebensformen. Kulturen bleiben nur am Leben, wenn sie aus Kritik und Sezession die Kraft zur Selbsttransformation ziehen. Rechtliche Garantien können sich immer nur darauf stützen, daß jeder in seinem kulturellen Milieu die Möglichkeit behält, diese Kraft zu regenerieren. Und diese wiederum erwächst nicht nur aus der Abgrenzung, sondern mindestens ebensosehr aus dem Austausch mit Fremden und Fremdem. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, will mir als eines der notwendigen und wichtigen Motive unserer Arbeit in den nächsten vier Jahren erscheinen. „Die Einbeziehung des Anderen“, wie die Habermassche Formel heißt, also unser Umgang mit kulturellen, ethnischen, religiösen, sozialen und Geschlechter-Differenzen, wird ein Ausweis dafür sein, wie modern, wie europäisch unser Deutschland ist, wie modern, wie europäisch dieses Parlament unser Land macht: durch seine gesetzgeberischen Initiativen zum Staatsbürgerschaftsrecht, zur Integration der bei uns lebenden Bürger ausländischer Herkunft, zum Umgang mit Minderheiten, zur Reform des Sozialstaats, zur Selbtbestimmung und Stärkung der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der mündigen Bürgerinnen und Bürger. ({12}) Bei allen Meinungsverschiedenheiten im einzelnen zwischen den Parteien bin ich doch überzeugt davon, daß wir im Ziel einer solidarischen und toleranten Gesellschaft beieinander bleiben sollen und beieinander bleiben können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen gute Nachbarschaft anstreben und fortsetzen mit den anderen europäischen Völkern auf dem Weg zum Europa der Bürger. Die Beziehungen zwischen den Parlamenten können einen Beitrag zu dieser guten Nachbarschaft leisten, sie vertiefen und festigen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Welt kleiner geworden ist, müßte ich jetzt viele Staaten nennen, die uns wichtig sind und die einen solchen Beitrag des Deutschen Bundestages erwarten und begrüßen. Statt dessen will ich einen Satz aus dem Wahlkampf auf die internationalen Parlamentsbeziehungen ummünzen: Lassen Sie uns nicht alles anders, aber manches noch besser machen! Stellvertretend darf ich aus ostdeutscher Erfahrung und eingedenk des unvergeßlichen Beitrags unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarländer zur deutschen Einheit einen unserer unmittelbaren Nachbarn nennen: Jeder auch unserer Gäste aus dem diplomatischen Korps wird es richtig verstehen, wenn ich sage, daß am Werk der deutsch-polnischen Freundschaft weiter gearbeitet werden muß. ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, daß rechtsextremistische, neonazistische Parteien bei der Bundestagswahl keinen Erfolg hatten, war gewiß ein Anlaß zu ungeteilter Freude bei allen im Bundestag vertretenen Parteien. Aber Entwarnung wäre nicht angemessen. Ich bin sicher, im Namen aller Fraktionen zu sprechen, wenn ich an unsere Pflicht erinnere, die Gegner der Demokratie abzuwehren und in ihre Schranken zu verweisen - immer neu. ({14}) Es gibt Gegner der Demokratie, die sich als Linke definieren, und es gibt Gegner der Demokratie auf der extrem rechten Seite des politischen Spektrums. Gegenwärtig entfaltet linker Extremismus in Deutschland kaum gewalttätige Wirksamkeit, ({15}) wohingegen ein nennenswerter Teil vorwiegend der männlichen Jugend in rechtsextremistisches Fahrwasser gerät. Wir müssen uns gemeinsam mit dieser Gefährdung befassen, um sie gemeinsam zu bestehen. Es soll hier nicht von den Aufgaben die Rede sein, die auch Präsident Wolfgang Thierse unter dem Gesichtspunkt des Rechtsextremismus Gegenstand zum Beispiel beschäftigungs- und bildungspolitischer Debatten sein werden. Meine Anregung ist es, jenseits dieser Aufgaben eine Anstrengung zu unternehmen, den Grundwerten unserer Verfassung neue öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, ({16}) diese Grundwerte lebendig zu halten, damit sich die Bürgerinnen und Bürger bewußt bleiben, was ihnen persönlich wie gesellschaftlich verlorengeht, wenn Feinde der Freiheit wirklich Einfluß gewinnen würden. Es gibt angesichts dieser Probleme eine europäische Debatte über den Zustand unserer Gesellschaften, die sich mit den Problemen der sozialen Kohäsion beschäftigt. Das klingt in der deutschen Sprache am besten, wenn man es mit einer Frage übersetzt: Was hält diese Gesellschaft zusammen? Dies wird eine zentrale Frage unserer Debatten sein müssen; denn die Antwort liegt nicht schon auf der Hand, wenn es um eine einzelne politische Entscheidung geht. Der italienische Politologe Norberto Bobbio hat in einem Essay über die Toleranz eine Wendung benutzt, die dem Gehalt nach schon bei Hannah Arendt zu lesen war: Es gebe nur zwei Arten, das Zusammenleben zu organisieren, entweder durch Kompromisse oder durch Unterdrückung. Lassen Sie uns in diesem Hause einen Umgang miteinander pflegen, der Kompromisse ermöglicht, die die Gesellschaft zusammenhalten. Das glaubwürdige Streben nach Gerechtigkeit und das Ausmaß an Toleranz, welches gute Nachbarschaft ermöglicht, sind in diesem Zusammenhang unverzichtbar. Rita Süssmuth hat in ihrer Eröffnungsrede vor vier Jahren von der Demokratie als der einzigen Staatsform gesprochen, „die nicht von der Arroganz des endgültigen Wissens geprägt ist“. Diese Grundüberzeugung sollte unser aller parlamentarisches Verhalten bestimmen. ({17}) In den Reden meiner verehrten Vorgängerinnen und Vorgänger finden sich viele Ermahnungen und Ermunterungen zu Fairneß und Toleranz, zum Zuhörenwollen und Zuhörenkönnen, jenen elementaren Voraussetzungen dafür, daß Demokratie funktioniert. Es ist nicht mein Eindruck, daß die Zuhörbereitschaft zunimmt, daß die Bereitschaft sich ausbreitet, von der Meinung und Argumentationskraft eines anderen sich sehr beeindrukken zu lassen. Läßt sich das durch Appelle ändern? Wohl nicht. Aber vielleicht paßt hier ein kleiner Satz von Martin Walser, der mir vor vielen Jahren, also schon zu DDR-Zeiten, hilfreich war: „In meinem Kopf hat mehr als eine Meinung Platz.“ Von uns Politikern, von uns Parlamentariern zu verlangen, daß wir bessere Menschen sein sollten als die anderen, ist illusionär und unziemlich. Aber daß wir in dem, was unsere ureigene Sache ist, unweigerlich als Vorbild wirken - positiv oder eben auch negativ -, das ist wohl nicht zu bestreiten. Also sollten wir parlamentarisch das überzeugend vorleben, was die Demokratie ist: energische Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Interessen, Meinungen, Ansprüchen u n d zugleich die Bereitschaft, die Fähigkeit zum Kompromiß, zum Konsens. In einem der großartigen Gedichte von Friedrich Hölderlin findet sich dafür eine wunderbare poetische Formel: „Versöhnung mitten im Streit“. Ich danke Ihnen für Ihre geduldige Aufmerksamkeit. ({18}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich zu erheben. Wir müssen zweier verstorbener Kollegen gedenken. ({19}) Der Deutsche Bundestag trauert um sein langjähriges Mitglied, den ehemaligen Bundesjustizminister und Parlamentarischen Staatssekretär Gerhard Jahn, der am letzten Mittwoch im Alter von 71 Jahren einem schweren Leiden erlag. Gerhard Jahn, der sich seinem Studienort und Wahlkreis, Marburg, sehr zugehörig fühlte, hatte sich bereits während seines juristischen Studiums und danach als Anwalt für die Sozialdemokratische Partei betätigt. Im Jahr 1957 gelangte er in den Deutschen Bundestag, wo er 1961 Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion wurde. 1967 holte ihn der damalige Bundesaußenminister Willy Brandt als Parlamentarischen Staatssekretär zu sich in das Auswärtige Amt. Bei der Bildung der sozialliberalen Koalition im Jahr 1969 übernahm Gerhard Jahn das Justizministerium, das er bis 1974 leitete. Danach übernahm er zunächst den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, bis er Ende 1974 wiederum Geschäftsführer seiner Fraktion wurde und es 16 Jahre lang, bis zu seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag, blieb. Dem Deutschen Bundestag hat Gerhard Jahn auch als Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses und als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission gedient. Nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag, dem er über 30 Jahre angehört hatte, betätigte sich Gerhard Jahn als Präsident des Deutschen Mieterbundes und als Sonderberater für die Landesregierung von Brandenburg. Bereits im Jahr 1990 hatte er die frei gewählte Volkskammer der DDR beim Aufbau ihrer demokratischen Strukturen beraten. Gerhard Jahn hat sich nie in den Vordergrund der politischen Bühne gedrängt; seine Stärke war die unauffällige, aber effektive Arbeit im Hintergrund. Ein besonderes Anliegen war ihm die Aussöhnung mit unseren polnischen Nachbarn. Der Deutsche Bundestag schuldet seinem langjährigen Mitglied Respekt und Anerkennung. Gerhard Jahn hat sich um die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht. Wir betrauern ebenfalls den Tod von Manfred Schulte. Auch er war ein herausragender Parlamentarier, langjähriger Parlamentarischer Geschäftsführer und Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Manfred Schulte ist am 19. September 1998 im Alter von 68 Jahren von uns gegangen. Präsident Wolfgang Thierse Manfred Schulte wurde 1965 erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt und wurde bereits 1967 Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Dieses Amt legte er 1974 aus gesundheitlichen Gründen nieder. In seiner Amtszeit rang der Deutsche Bundestag um die Ostverträge; das konstruktive Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt scheiterte; wichtige Reformgesetze standen in der parlamentarischen Beratung. Von 1975 bis 1987 war Manfred Schulte ohne Unterbrechung Vorsitzender des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Die in dieser Zeit vorgenommene Überarbeitung der Geschäftsordnung, die eine Klarstellung der Minderheitenrechte bewirkte, war wesentlich sein Werk. Er selbst legte jedoch mehr Wert darauf, daß die neue Geschäftsordnung in breitem Konsens zustande gekommen war. Das charakterisiert seine gesamte parlamentarische Tätigkeit. Wir gedenken seiner in Trauer und Dankbarkeit. Seiner Witwe, unserer Kollegin Brigitte Schulte, drücke ich das tiefempfundene Mitgefühl des ganzen Hauses aus. Ich danke Ihnen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 4 auf: Beschlußfassung über die - Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({20}) - Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes - Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes - Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 13. Dezember 1991 Es liegt ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS vor. Die Fraktion der CDU/CSU und die Fraktion der PDS haben je einen Änderungsantrag eingebracht. Wie mir mitgeteilt wurde, wird zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort gewünscht. - Ich gebe als erstem dem Kollegen Hans-Peter Repnik das Wort.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, sehr geehrter Herr Präsident, möchte ich Ihnen - auch im Namen meiner ganzen Fraktion - herzlich zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gratulieren. Sie haben ein breites Vertrauen erfahren. Wir wünschen Ihnen bei der Leitung der Geschicke dieses Hohen Hauses eine glückliche Hand. ({0}) Dieses Vertrauen ist eine gute Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit, die wir Ihnen ausdrücklich anbieten wollen. Dies wollen wir für das gesamte Präsidium. Deshalb halten wir die in der vergangenen Legislaturperiode gefundene Neuregelung in der Geschäftsordnung für nicht länger geeignet, ({1}) eine befriedigende und - in dem Sinn, wie es der Herr Präsident in seiner eindrucksvollen Rede dargestellt hat - für die Zusammensetzung des Präsidiums des Hohen Hauses befriedende Lösung zu finden. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herrn, erstmals seit der deutschen Einheit ist eine Partei in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag eingezogen, ({3}) die nicht zweifelsfrei auf dem Boden des Grundgesetzes steht. ({4}) Seitdem die PDS in Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag vertreten ist, fehlt deshalb das demokratische Grundvertrauen in alle Fraktionen, das der bisherigen Regelung zugrunde lag. ({5}) Dies ist - ich betone das ausdrücklich - keine Wertung der von der PDS aufgestellten Kandidatin, sondern eine Wertung der Partei, für die sie antritt. Wir hätten uns gewünscht, daß unter den übrigen Fraktionen im Vorfeld ein Konsens zu erreichen gewesen wäre. Dies war leider nicht möglich. Nebenbei füge ich hinzu, daß dieser Konsens nach meinem sicheren Gefühl zu erreichen gewesen wäre, wenn etwa - was die Wähler glücklicherweise verhindert haben - rechtsextremistische Parteien in Fraktionsstärke in das Haus eingezogen wären. Da es den Konsens nicht gibt, haben wir beantragt, die zu Beginn der letzten Legislaturperiode gefundene Regelung wieder rückgängig zu machen. ({6}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium des Deutschen Bundestages soll das Vertrauen des gesamten Hauses widerspiegeln. ({7}) Daher sieht die Geschäftsordnung vor, daß die Mitglieder des Präsidiums gewählt werden müssen. Damit muß das Haus als Ganzes entscheiden und Farbe bekennen, von wem es repräsentiert werden will. Deshalb werden wir - gleich, wie über unseren Änderungsantrag entschieden wird - eine eigene Kandidatin gegen die PDS zur Wahl stellen. ({8}) Präsident Wolfgang Thierse Dies ist nicht nur aus den genannten Gründen, sondern auch deshalb konsequent, weil nach der bestehenden Geschäftsordnung jeder Fraktion mindestens ein Stellvertreter zusteht. Sie trägt damit der Tatsache Rechnung, daß es Fraktionen unterschiedlicher Größe gibt. ({9}) Sie nimmt so Bezug auf die jahrzehntelange Praxis, sich bei der Besetzung des Präsidiums dem Stärkeverhältnis und dem politischen Gewicht der Fraktionen im Hause anzunähern. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil unsere Fraktion annähernd fünfmal so groß ist wie die größte der drei kleinen, annähernd doppelt so groß wie alle zusammen und vor allem weil die CSU, die mit der CDU gemeinsam die Unionsfraktion bildet, nach SPD und CDU aus den Bundestagswahlen als drittstärkste politische Kraft hervorgegangen ist, sollte sie einen Vizepräsidenten stellen; denn sonst fände sie keine Berücksichtigung. ({11}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt gespeist aus diesem Verständnis hat die CSU seit 1953 immer einen Vizepräsidenten oder Präsidenten des Deutschen Bundestages gestellt. Die Berücksichtigung aller Fraktionen im Präsidium des Deutschen Bundestages, wie sie in § 2 Abs. 1 Satz 2 zum Ausdruck kommt, enthält kein Delegationsrecht. Das Erfordernis der Wahl bedeutet, daß sich jeder Kandidat der kritischen Begutachtung durch das Hohe Haus stellen und sein Vertrauen besitzen muß. ({12}) Ob dies der Fall ist oder nicht, entscheidet der demokratische Wettbewerb. Sich ihm zu stellen ist ein elementares Recht jedes Parlamentariers. Hat er dabei Erfolg, dann ist damit entschieden. Ich sage deshalb im Blick auf die zu erwartende Abstimmung über die Zahl der Vizepräsidenten schon jetzt, daß ich Zweifel hege, ob eine Beschränkung der Zahl der Vizepräsidenten durch einen Mehrheitsbeschluß zulässig ist. ({13}) Ein solcher Beschluß kann das Recht der Kandidatur nicht beschränken. Er wird, wenn die Zahl der Vizepräsidenten auf die Zahl der Fraktionen beschränkt wird, dem Prinzip annähernder Proportionalität nicht gerecht, welches seit Jahren Staatspraxis war. ({14}) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages müssen sich entscheiden, wer ihr Vertrauen genießt und wer nicht. Sie haben in geheimer Abstimmung die Möglichkeit, ihr Vertrauen einer Kollegin zu geben, die ihr Amt als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages in der vergangenen Legislaturperiode mit viel Sympathie, mit viel Zustimmung geführt hat und die daher großen Respekt in allen Fraktionen und Vertrauen weit über Fraktionsund Parteigrenzen hinweg genießt. ({15}) Auch deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zur Änderung der Geschäftsordnung. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Wilhelm Schmidt das Wort.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen mich hier heute als ganz besondes fröhlichen Menschen; denn wir Sozialdemokraten sind die stärkste Fraktion in diesem Deutschen Bundestag. Das drückt sich darin aus, daß der Präsident dieses Hauses ein Sozialdemokrat ist. Darüber freuen wir uns außerordentlich. ({0}) Herr Präsident, ich gratuliere Ihnen ganz besonders herzlich dazu, daß Sie nach mehr als 20 Jahren Unterbrechung heute das Amt übertragen bekommen haben, das damals Annemarie Renger für uns eingenommen hat. Wir hoffen, daß sich die Sprache, die Sie heute bei Ihrer Antrittsrede gewählt haben, in der Arbeit des Parlaments wiederfinden wird. Wir danken Ihnen sehr dafür, daß Sie sich zur Verfügung gestellt haben, und bieten Ihnen ausdrücklich eine sehr enge, sehr konstruktive und vor allen Dingen auch freundschaftliche Zusammenarbeit an. ({1}) Viele Hoffnungen begleiten Sie, Herr Präsident, in der Wahrnehmung dieses Amtes, aber auch über das Amt des Parlamentspräsidenten hinweg. Das gesamte Präsidium muß sich in den Geist dieses Hauses einordnen und dazu beitragen, daß wir in dem Sinne arbeiten, den Sie skizziert haben und den wir alle unter demokratischen Aspekten für richtig halten. Damit komme ich zu der Sache, die wir hier in dieser Hinsicht miteinander zu debattieren haben, nämlich zu dem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion auf den Tisch dieses Hauses gebracht hat. Ich bin da fast wieder fröhlich, wenn ich mir die Begründung von Herrn Repnik zu diesem Antrag in Erinnerung rufe. ({2}) Aber es ist sehr viel ernster. Denn die CDU/CSU hat mit ihrem Antrag, aber auch mit der Begründung, die sie heute hier gibt, Gefährdungen für die gemeinsame Arbeit auf den Weg gebracht, von denen ich hoffe, daß sie gleich nach dieser Sitzung wieder überwunden werden können. Der Bundestag braucht eine Geschäftsordnung, um die grundsätzlichen Bestimmungen der Parlamentsarbeit im Detail zu regeln. Dazu haben wir in den vergangenen Jahren sehr oft und sehr intensiv gemeinschaftlich den Konsens hergestellt. Das Entscheidende ist aber, daß Sie schon vor vier Jahren nach Ihrem Gutdünken die Geschäftsordnung verändert haben und nun bemüht sind, das gleiche heute hier wieder zu tun. Dies, meine Damen und Herren, machen wir nicht nur nicht mit, ({3}) sondern wir meinen aus grundsätzlichen Erwägungen auch, daß das Beugen der Geschäftsordnung dieses Hauses nicht akzeptiert werden kann, ({4}) gewissermaßen immer nach der Position, die die Konservativen im Hause gerade haben. ({5}) Viele Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, die 1994 dabei waren, erinnern sich noch sehr lebhaft an die damalige Auseinandersetzung und an die Argumentationen. ({6}) Ich will Ihnen, meine Damen und Herren, und auch Ihnen, Herr Kollege Schäuble, in Erinnerung rufen, was der Kollege Dr. Rüttgers zu Beginn der 13. Wahlperiode ausgeführt hat. Er sagte seinerzeit: Auch im Präsidium des Deutschen Bundestages müssen sich die Wahlentscheidungen ... widerspiegeln. Wie wahr! ({7}) Dies betrifft sowohl die Mehrheitsverhältnisse als auch die Zusammensetzung nach Fraktionen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürwortet daher, daß alle Fraktionen bei der Wahl der Vizepräsidenten berücksichtigt werden. ({8}) Ich kann heute hier nur feststellen: Recht hat er gehabt, der Kollege Dr. Rüttgers, auch wenn ich zugeben muß: Das haben wir erst ein bißchen später richtig mitgekriegt. ({9}) Da wir bei dem ständigen Basteln an dieser Geschäftsordnung, wie Sie es wünschen, meine Damen und Herren, nicht mitmachen werden, werden wir heute mit der Mehrheit des Hauses beschließen, daß es nach der vom Wähler bestimmten Zahl der Fraktionen fünf Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten geben wird, immerhin einen mehr als bisher. Wir halten es in diesem Zusammenhang übrigens für müßig, darüber zu debattieren, ob es gut oder weniger gut ist, daß die PDS im Bundestag sitzt und gar Fraktionsstatus erreicht hat. Damit das aber klar ist: Die PDS ist eine Oppositionsfraktion, und wir werden sie als solche an der Seite der CDU/CSU behandeln. ({10}) An die rechte Seite des Hauses gewandt, will ich noch hinzufügen: Ihr Verhältnis zu den von Ihnen „Postkommunisten“ genannten PDS-Mitgliedern müssen Sie selbst zu klären versuchen. Ich finde allerdings - um auch das hier auf den Tisch zu packen -, daß Sie in diesem Klärungsprozeß ziemlich widersprüchlich und unglaubwürdig vorgehen. ({11}) Sich auf der einen Seite gleich nach der Wende der Blockparteien zu bedienen und sie einzuverleiben ({12}) - warten Sie einmal ab; da kommt noch ein bißchen -, ({13}) außerdem über Jahre hinweg Steigbügelhalter des alten SED-Regimes mit Mandaten bis hinein in den Bundestag auszustatten, darüber hinaus auf regionaler Ebene mit der PDS und ihren Vertretern sehr intensiv zusammenzuarbeiten und sich von ihnen in Ämter wählen zu lassen ({14}) und schließlich in diesen Tagen, Herr Dr. Schäuble, an ehemalige SED-Mitglieder das öffentliche Angebot zu machen, sie könnten bei der CDU/CSU Mitglied werden, das ist schon ein krasser Gegensatz zu dem, was Herr Repnik soeben als Argumentation für die Ablehnung dieser jetzigen gemeinsamen Geschäftsordnung formuliert hat. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Schmidt, Sie müssen zum Ende kommen. Wilhelm Schmidt ({0})

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Die CDU/CSU muß sich bei all diesen Pirouetten der Argumentation schon fragen lassen, wie sie als größte Oppositionsfraktion ernst genommen werden will. Meine Damen und Herren, ich jedenfalls schlage hier für meine Fraktion vor, daß wir den Änderungsantrag der CDU/CSU ablehnen, daß wir anschließend die gemeinsame Geschäftsordnung beschließen und daß wir mit fünf Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten hier im Hause ein Präsidium bekommen, das die gesamte Stärke des Hauses und alle gleichermaßen berücksichtigt. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Heyne das Wort.

Kristin Heyne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002676, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, auch im Namen meiner Fraktion möchte ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit in diesem Hause. Herzlichen Glückwunsch! ({0}) Meine Damen und Herren, in der konstituierenden Sitzung des 13. Bundestages gab es gleich zu Beginn doch eine bemerkenswerte Situation, als nämlich der Kollege Rüttgers für die CDU zur Geschäftsordnung sprach und heftigen Beifall von den Bündnisgrünen bekam. Herr Kollege Rüttgers, die Rede, die Sie damals gehalten haben, war sehr gut, und Sie haben sehr gute Argumente dafür vorgebracht, daß alle Fraktionen im Präsidium des Bundestages vertreten sein sollten. Dieser Meinung sind wir auch heute noch, Herr Rüttgers. ({1}) In den vorangegangenen Wahlperioden waren die kleineren Parteien abhängig vom Wohlwollen der größeren Parteien, wenn es um die Sitze im Präsidium ging. Dieses Wohlwollen wurde mal gewährt und mal nicht. Wir haben als Grüne da einige Erfahrungen gesammelt. Die Einführung eines Grundmandats für alle Fraktionen schafft Transparenz bei der Besetzung des Präsidiums. Dies ist ganz sicher ein Fortschritt für unsere Demokratie. Es freut uns natürlich ganz besonders, daß sich unser Koalitionspartner inzwischen dieser Meinung angeschlossen hat. ({2}) Wenn Sie, Herr Repnik, heute nun auch einen Platz im Präsidium für Ihre Schwesterpartei CSU fordern, dann kann ich nur feststellen: Auf dem Tisch des Hauses liegt noch kein Antrag, Ihre Fraktion in zwei einzelne Fraktionen aufzuteilen. Dies wäre aber dafür notwendig. ({3}) Schauen wir doch kurz in das CSU-regierte Land Bayern. Dort hat sich der Landtag gerade neu konstituiert. In diesem Landtag haben die Grünen keinen Sitz im Präsidium erhalten. ({4}) Dort wird es wieder zwischen den großen Fraktionen „ausgedealt“. Wenn nun hier im Bundestag ausgerechnet für die CSU eine Sonderregelung gefordert wird, ist das schon ein ziemlich starkes Stück. ({5}) Am 27. September dieses Jahres wurden fünf Fraktionen in dieses Haus gewählt. Die PDS hat die FünfProzent-Hürde übersprungen; damit ist sie Fraktion im Bundestag. Das mag einem gefallen oder auch nicht; die Wählerinnen und Wähler haben es so entschieden. ({6}) Eine Änderung der Geschäftsordnung, denke ich, ist nicht der geeignete Weg, darauf zu antworten. Es ist eine Tatsache, daß sich immer noch ein erheblicher Anteil der Wählerinnen und Wähler in den neuen Ländern durch die übrigen Parteien dieses Hauses nicht genügend vertreten fühlt. Das kann aber doch nur ein Ansporn für verstärkte Anstrengungen hin zur inneren Einheit dieser Bundesrepublik sein, und das kann doch kein Ansporn zum Abbau demokratischer Rechte im Bundestag sein. ({7}) Herr Repnik, wenn Sie einen Unterschied zwischen den Fraktionen im allgemeinen und der Fraktion der PDS machen, ist das von seiten der Union um so unglaubwürdiger, als Sie, Herr Schäuble, gerade vor kurzem ehemaligen Mitgliedern der SED die Mitarbeit in der Union angeboten haben. Ich denke, die Werbung um die ehemaligen SEDler einerseits und die Ausgrenzung der PDS hier im Bundestag andererseits ist doppelzüngig und undemokratisch. ({8}) Ich finde es bedauerlich, daß wir zu Beginn des 14. Bundestages heute eine solche unnötige Geschäftsordnungsdebatte führen müssen, wie wir sie auch schon zu Beginn des 13. Bundestages geführt haben. Bei der Gestaltung der Geschäftsordnung sollten wir uns bewußt sein, daß die Mehrheit im Bundestag - und damit das Recht zur Regierungsbildung - von den Wählern nur für eine bestimmte Zeit festgelegt wird. Wir sollten die Geschäftsordnung so gestalten, daß sie auch bei veränderten Mehrheiten Bestand hat. ({9}) Das Grundmandat für jede Fraktion im Präsidium des Deutschen Bundestages sorgt für Transparenz und für Repräsentanz des Wählerwillens. An diesem Grundmandat sollten wir festhalten. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege van Essen, bitte.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Auch für die Fraktion der Freien Demokraten darf ich Ihnen zu Ihrer Wahl sehr herzlich gratulieren. Gerade nach Ihrer besonders beeindruckenden Einführungsrede freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten erleben im Augenblick etwas, was wir in anderen Politikfeldern häufiger erleben: Die Sozialdemokraten merken sehr viel später als wir, daß etwas vernünftig ist. ({1}) Wir waren nämlich schon vor vier Jahren der Auffassung, daß es Sinn macht, daß sich der Wählerwille auch im Präsidium des Deutschen Bundestages widerspiegelt. Wir bleiben bei dieser Auffassung; ({2}) denn es gehört zu den guten Traditionen, daß die Frage der Besetzung des Präsidiums nicht mit Mehrheit entschieden wird, sondern daß auch die Opposition dabei berücksichtigt wird. Wir halten es auch politisch für unklug, hierbei jetzt eine Änderung vorzunehmen. Die PDS lebt doch gerade davon, sich als verfolgt, als benachteiligt darzustellen. Wir sollten ihr genau diesen Gefallen nicht tun. ({3}) Wir sind auch deshalb der Auffassung, daß wir keine Änderung vornehmen sollten, weil ja jedem Einzelnen die Freiheit der Entscheidung bleibt - trotz dieser Grundmandatsklausel. Man kann der Auffassung sein, daß die PDS im Präsidium des Deutschen Bundestages vertreten sein soll. Man kann aber auch der Auffassung sein, daß die CSU mit ihrer großen Zahl von Abgeordneten und mit der Kollegin Geiger, die ihre Aufgabe als Vizepräsidentin in der letzten Legislaturperiode hervorragend ausgeübt hat, weiter im Präsidium des Deutschen Bundestags vertreten sein soll. Diese Freiheit hat man. Wir als Liberale werden uns diese Freiheit auch nicht nehmen lassen. ({4}) Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Zahl der Stellvertreter machen. Es ist gut, wenn wir die Zahl der Stellvertreter begrenzen, wie es die Fraktion der SPD beantragt hat. Wir haben bereits vor vier Jahren einem ähnlichen Antrag, eine Begrenzung vorzunehmen, zugestimmt. Auch hier werden wir bei unserer Auffassung bleiben. Es zeigt sich immer wieder: Es macht Sinn, vernünftig zu entscheiden. Wir Liberalen werden das weiterhin tun. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Roland Claus.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, auch namens unserer Fraktion: Alles Gute für Ihr Amt! ({0}) Auf die parlamentarische Pirouette des Kollegen Repnik werde ich an anderer Stelle zu sprechen kommen. Ich muß es nur etwas behutsamer tun als meine Vorrednerinnen und Vorredner - wegen der mehr oder weniger notwendigen gedeihlichen Zusammenarbeit in der Opposition. ({1}) Wir haben uns für eine bedachte und kreative Bewahrung der respektablen Geschäftsordnung ausgesprochen. Das heißt aber auch, sich zu überlegen, wo sie bedacht und kreativ verändert werden kann. Die PDS ist bekanntlich Miteinbringerin des Antrages. Wir wollen Ihnen trotzdem - ich mache das in aller Kürze - drei Änderungen vorschlagen. Erstens. Zur Feststellung der Tagesordnung im § 20: Wir möchten gern, daß auch kleine Fraktionen zur Tageszeit ihre Themen vorstellen können. Wir haben hier im Hause gegenwärtig zwei große und drei kleine Fraktionen - wenn ich die Gedanken von Herrn Repnik weiterdenke, fürchte ich fast, vier kleine Fraktionen annehmen zu müssen. Die zwei großen Fraktionen sollten sich eigentlich dieser Mehrheit der kleinen Fraktionen ein bißchen beugen und uns Möglichkeiten einräumen, unsere Tagesordnungspunkte nicht erst ganz spät am Abend vorstellen zu können. Wir meinen, dieser Vorschlag ist ein echter Minderheitenschutz. Ein zweiter Vorschlag zur zusammenhängenden Redezeit einzelner Rednerinnen und Redner: Wir meinen, es müssen nicht 45 Minuten sein; 30 Minuten Redezeit reichen. Das belebt die Debatte. Wenn Sie einmal ehrlich sind: Eine Mehrheit in allen Fraktionen - spätestens ab der zweiten Reihe in diesem Hause - sollte mit diesem Vorschlag sympathisieren. Wir meinen: Das ist ein Vorschlag zum parlamentarischen Selbstschutz. Drittens treten wir - das ist Ihnen nicht neu - für die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen ein. Das ist in der Tat eine Abwägungsentscheidung, wo es ein Für und Wider gibt. Wir haben uns schließlich so entschieden, weil alle Verweigerung von Öffentlichkeit der Sache und letztendlich auch dem Parlament schadet. Die PDS ist mit der Überweisung dieser Anträge an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung einverstanden. Nun zum Ansinnen der CDU/CSU-Fraktion, das eingeführte Vizepräsidenten- bzw. Vizepräsidentinnenmandat wieder abzuschaffen. Hier, glaube ich, hat Kollege Repnik in der Tat einen Amtsantritt mit doppelter Schraube rückwärts vollführt. Das muß man ja noch sagen, um die Lücke zwischen den Andeutungen, die hier gemacht wurden, zu schließen: Was hat sich die CDU/CSU vor vier Jahren die Hände gerieben, als sie diesen GO-Paragraphen erfunden hat, um der SPD auf besonders subtile Art eins auszuwischen. ({2}) Nun reibt sie sich entsetzt die Augen und sagt, mit der PDS geht das nicht mehr. Dabei müssen wir Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Wir sind doch auch 1994 schon gewissermaßen als Wachstumsfaktor, als verstärkte Gruppe in dieses Parlament gekommen. Es war doch abzusehen, was hier auf Sie zukommt. ({3}) Hier läßt sich in der Tat nur das alte Sprichwort zitieren: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. ({4}) Jetzt, wo Sie merken, daß Sie in der Grube stecken, erfinden Sie natürlich, Kollege Repnik, die Formel und rufen hier im Hause aus: Kommt alle mit hinein in die Grube. Das werden wir nicht machen. Meine Damen und Herren, die Geschäftsgrundlage für den parlamentarischen Umgang miteinander darf nicht zum Spielball aktueller Parteiinteressen werden. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ansinnen der CDU/CSUFraktion abgelehnt gehört. Wir plädieren für die Annahme der Geschäftsordnung. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2 ab. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der Grünen, der F.D.P. und der PDS abgelehnt. ({0}) Der Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/3 soll an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag zur Weitergeltung von Geschäftsordnungen auf Drucksache 14/1. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt getrennte Abstimmung zu § 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages; das ist die Grundmandatsklausel für das Präsidium. Die Fraktion der PDS verlangt getrennte Abstimmung über die Weitergeltung der Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit / Amt für nationale Sicherheit der ehemaligen DDR. Wir stimmen deshalb zunächst über die Weitergeltung des § 2 Abs. 1 Satz 2, also über die Grundmandatsklausel der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, ab. Ich bitte diejenigen, die der Weitergeltung der genannten Vorschrift zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. ({1}) Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Die genannte Vorschrift ist damit mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der Grünen, der F.D.P. und der PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU übernommen. Wir stimmen jetzt über die Weitergeltung der übrigen Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ab. Ich bitte diejenigen, die der Weitergeltung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist damit mit den Stimmen des ganzen Hauses übernommen. Wir stimmen jetzt über die Weitergeltung der Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit bzw. für das Amt für nationale Sicherheit der ehemaligen DDR ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Die Übernahme der genannten Richtlinien ist mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, der Grünen und der F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion der PDS bei zwei Stimmenthaltungen aus der Fraktion der PDS ({2}) beschlossen. Wir stimmen jetzt über die Weitergeltung der weiteren im interfraktionellen Antrag auf Drucksache 14/1 genannten Geschäftsordnungen ab. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit einstimmig angenommen. Die Fraktion der PDS hat mitgeteilt, sie wolle die Rechtsnachfolge der Gruppe der PDS der 13. Wahlperiode antreten. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenbar der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten Hierzu liegt ein Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90 /Die Grünen vor. Nach diesem Antrag sollen fünf Stellvertreter gewählt werden. Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 14/4? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU angenommen. Damit ist die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten auf fünf festgelegt. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 6 auf: Wahl der Stellvertreter des Präsidenten Interfraktionell ist vereinbart worden, die Wahl der Stellvertreter getrennt und mit verdeckten Stimmkarten - das heißt geheim - durchzuführen. Wie wir soeben beschlossen haben, sind fünf Stellvertreter zu wählen. Die Wahlen sollen entsprechend der Reihenfolge der Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnis durchgeführt werden. Sind Sie mit diesem Verfahren und mit dieser Abfolge einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich gebe jetzt noch einmal - das muß sein - einige Hinweise zum Ablauf der Wahl. Für die einzelnen Wahlgänge benötigen Sie die verschiedenfarbigen Wahlausweise, die Sie - soweit noch nicht geschehen den Stimmkartenfächern in der Lobby entnehmen können. Die jeweiligen Stimmkarten zu den einzelnen Wahlgängen werden von den Schriftführern an den Ausgabetischen neben den Wahlkabinen ausgegeben. Sie haben jeweils die gleiche Farbe wie die Wahlausweise. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch in der Wahlkabine in den Umschlag legen. Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne werfen, müssen Sie dem Schriftführer an der Wahlurne Ihren Wahlausweis übergeben. Wir kommen jetzt zur ersten Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der SPD schlägt die Abgeordnete Anke Fuchs ({3}) vor. ({4}) Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall. Vor den Wahlkabinen erhalten Sie für diese Wahl eine blaue Stimmkarte und den amtlichen Wahlumschlag. Außerdem benötigen Sie Ihren blauen Wahlausweis. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimmkarten abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für zehn bis fünfzehn Minuten. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der ersten Wahl eines Vizepräsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 665. Alle Stimmen sind gültig. Mit Ja haben gestimmt 486, ({0}) mit Nein haben gestimmt 148, Enthaltungen 31. Damit hat Frau Anke Fuchs ({1}) die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, Frau Kollegin Fuchs: Nehmen Sie die Wahl an?

Anke Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses. Auch ich selbst wünsche Ihnen alles Gute. Auf gute Zusammenarbeit! ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren fort mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt hierfür den Abgeordneten Rudolf Seiters vor. ({1}) Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihre gelben Wahlausweise. Die gelben Stimmkarten erhalten Sie vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, und eröffne die Wahl. Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarten abgegeben? - Auch die Schriftführer? ({2}) Präsident Wolfgang Thierse Jetzt haben alle ihre Stimmkarten abgegeben. Damit schließe ich den Wahlgang und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Sitzung ist für zirka 10 bis 15 Minuten unterbrochen. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl eines weiteren Vizepräsidenten bekannt. Abgegebene Stimmen 663, gültige Stimmen 662. Mit Ja haben gestimmt 445, ({0}) mit Nein haben gestimmt 142, Enthaltungen 75, ungültige Stimmen 1. Herr Rudolf Seiters hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, Herr Kollege Seiters, nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich nehme die Wahl an.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und wünsche Ihnen persönlich alles Gute. ({0}) Wir fahren in der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten fort. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt hierfür die Abgeordnete Dr. Antje Vollmer vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis in der Farbe Orange. Die orangefarbene Stimmkarte erhalten Sie vor der Wahlkabine. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich bitte die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen, und eröffne die Wahl. Muß noch jemand seine Stimmkarte abgeben? Nein. Damit ist dieser Wahlgang geschlossen. Ich unterbreche die Sitzung für 10 bis 15 Minuten und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der Wahl einer weiteren Vizepräsidentin bekannt. Abgegebene Stimmen 662. Gültige Stimmen 659. Ungültige Stimmen 3. Mit Ja haben gestimmt 421, mit Nein 191, Enthaltungen 47. ({0}) Frau Dr. Antje Vollmer hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten gewählt worden. Ich frage Sie, Frau Vollmer: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an. Vielen Dank.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und gratuliere selbst ganz herzlich. ({0}) Wir fahren fort mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der F.D.P. schlägt hierfür den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren Wahlausweis in der Farbe Rosa. Die rosa Stimmkarte erhalten Sie wieder vor den Wahlkabinen. Das Wahlverfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich bitte jetzt die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen, und eröffne die Wahl. Sind alle Stimmen abgegeben? - Jetzt sind, glaube ich, alle Stimmen abgegeben. Damit schließe ich diesen Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung für 10 bis 15 Minuten. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich teile Ihnen das Ergebnis der Wahl eines weiteren Vizepräsidenten mit. Abgegebene Stimmen 664; gültige Stimmen 664. ({0}) Mit Ja haben gestimmt 423, mit Nein 150, Enthaltungen 91. ({1}) Herr Dr. Hermann Otto Solms hat damit die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zum Stellvertreter des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, Herr Kollege Solms: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich nehme die Wahl an.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und wünsche alles Gute. Präsident Wolfgang Thierse Wir fahren fort mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten. Für diesen Wahlgang schlägt die Fraktion der PDS die Abgeordnete Petra Bläss, die Fraktion der CDU/CSU die Abgeordnete Michaela Geiger vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren grünen Wahlausweis. Die grüne Stimmkarte erhalten Sie wiederum vor den Wahlkabinen. Ich weise besonders darauf hin, daß Sie nur einen Namen ankreuzen dürfen. Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf der Stimmkarte. Im übrigen ist das Wahlverfahren das gleiche wie vorhin. Bevor ich die Wahl eröffne, will ich Sie darauf hinweisen, daß es sich um eine streitige Wahl handelt und daß es sinnvoll und notwendig ist, daß Sie anwesend bleiben, bis das Ergebnis dieser Wahl verkündet wird. Ich bitte herzlich darum. Die Schriftführer nehmen bitte die vorgesehenen Plätze ein. Ich eröffne hiermit die Wahl. Liebe Kolleginnen und Kollegen in der linken Schlange, rechts ist es bereits ganz leer. Da geht es mit der Stimmabgabe viel schneller. ({0}) Jetzt sind alle Stimmkarten abgegeben. Damit ist dieser Wahlgang abgeschlossen. Ich unterbreche die Sitzung für 10 bis 15 Minuten und weise Sie noch einmal darauf hin, daß Ihre Anwesenheit je nach Ausgang dieses Wahlganges weiterhin erforderlich sein könnte. Bleiben Sie also bitte hier! ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich teile Ihnen das Ergebnis der Wahl eines weiteren Vizepräsidenten mit. Abgegebene Stimmen 663; gültige Stimmen 659. Es entfielen auf Frau Petra Bläss 355 Stimmen, auf Frau Michaela Geiger 285 Stimmen. Enthaltungen 19, ungültige Stimmen 4. ({2}) Frau Petra Bläss hat die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Stellvertreterin des Präsidenten gewählt. Ich frage Sie, Frau Kollegin Bläss: Nehmen Sie die Wahl an?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und gratuliere Ihnen herzlich. ({0}) Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir die beschlossene Anzahl von fünf Stellvertreterinnen und Stellvertretern des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Das Wahlverfahren ist abgeschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Nur noch ein paar Sätze: Interfraktionell ist vereinbart, daß morgen und an den Sitzungstagen, an denen der neugewählte Bundeskanzler die Regierungserklärung abgibt und die Aussprache hierüber geführt wird, keine Aktuelle Stunde, keine Fragestunde und keine Befragung der Bundesregierung stattfinden sollen. Sind Sie damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages zur Wahl des Bundeskanzlers ein auf morgen, Dienstag, den 27. Oktober 1998, 11 Uhr. Bevor ich die Sitzung schließe, teile ich noch mit, daß jetzt nach Ende der Sitzung im Rahmen eines kleinen Empfangs in der Lobby Gelegenheit zum Gespräch mit den neugewählten Mitgliedern des Präsidiums besteht. Die Sitzung ist geschlossen.