Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich teile zunächst mit, daß im Kuratorium der „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen in der DDR" eine Nachbesetzung erforderlich ist, weil das von der Fraktion der CDU/CSU benannte stellvertretende Mitglied Professor Dr. Alexander Fischer verstorben ist. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt als neues stellvertretendes Mitglied Professor Dr. Peter Maser vor. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist Professor Dr. Peter Maser stellvertretendes Mitglied dieses Kuratoriums.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 d und Zusatzpunkt 12 auf:
14. a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Monika Knoche, Gerald Häfner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Spende, die Entnahme und die Übertragung von Organen ({0})
- Drucksache 13/2926 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({1})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen ({2})
- Drucksache 13/4355 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({3})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Horst Schmidbauer ({4}) und weiterer Abgeordneter
Kriterien für die Spende, Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen
- Drucksache 13/4114 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({5})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Innenausschuß
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Organhandel - ({6})
- Drucksache 13/587 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({7})
Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Rudolf Scharping, Klaus Kirchner, Wolfgang Lohmann ({8}), Horst Seehofer, Dr. Wolfgang Schäuble, Dr. Dieter Thomae, Wolfgang Zöller sowie weiterer Abgeordneter der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.
Spende, Entnahme und Übertragung von Organen
- Drucksache 13/4368 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({9})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache drei Stunden vorgesehen. Besteht auch hierüber Einverständnis? - Dann verfahren wir so.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt die Kollegin Beatrix Philipp.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Einbringung des Organtransplantationsgesetzes treten wir heute in ein Gesetzgebungsverfahren ein, das ein Thema zum Gegenstand hat, das einen besonders sensiblen Umgang damit erforderlich macht. Es berührt Grenzbereiche menschlicher Existenz, Fragen des Lebens, des Sterbens und des Todes an sich. Das Thema berührt ethische, philosophische, theologische, naturwissenschaftliche, rechtliche und mitmenschliche Fragen. Wir werden konfrontiert mit Glück und Leben auf der einen Seite und Unglück und Tod auf der anderen. Beides, Leben und Tod, gehört und gehörte schon immer zusammen. Und dennoch stellen wir immer häufiger fest - auch in anderen Zusammenhängen -, daß das Thema Tod in unserer Gesellschaft tabuisiert wird, im Alltag nicht mehr stattfinden darf. Das bedeutet aber auch, daß man sich damit nicht mehr auseinandersetzt.
Den eigenen Tod kann jeder Mensch nur erleiden; er kann ihn nicht erleben und nicht erfahren. Er ist daher unerforschlich und unbegreiflich. Er zeigt sich uns immer nur im Tod des Mitmenschen; nur so ist er für uns sichtbar. Wir erleben also immer nur den Tod des anderen. Das mag mit ein Grund dafür sein, daß sich nur sehr wenige Menschen mit dem eigenen Sterben und mit dem eigenen Tod befassen.
Meine Damen und Herren, alle beteiligten Fraktionen waren sich von Anfang an darüber einig, daß das Thema Organtransplantation nur in einem breiten Konsens behandelt werden kann und nicht zu parteipolitischen Auseinandersetzungen führen darf, um die gemeinsamen Ziele nicht zu gefährden und sie nicht in den Hintergrund treten zu lassen.
({0})
Zahlreiche Vorgespräche zwischen den Fraktionen mit Experten, Theologen, Philosophen, Medizinern und Betroffenen sind der heutigen öffentlichen Debatte ebenso vorausgegangen wie Anhörungen zu Teilaspekten. Das zeigt auch, daß sich alle Beteiligten von dem Gedanken leiten ließen, durch eine gesetzliche Regelung der Organtransplantation zweifellos vorhandene Ängste zu zerstreuen, Irrtümer aufzuhellen und Vorurteile abzubauen, indem man die Vorgänge, die im Zusammenhang mit der Organtransplantation ablaufen, durchschaubar macht.
Berechtigt ist aber die Frage, warum gerade jetzt ein Organtransplantationsgesetz auf den Weg gebracht werden muß; denn Transplantationen von Organen und Geweben gehören heute zum Standard der medizinischen Versorgung. Sie sind nichts Neues; seit mehr als 25 Jahren wird bei uns transplantiert. Bisher werden Organentnahmen nach allgemeinen Regeln durchgeführt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten medizinischen, ethischen und juristischen Grundsätze enthält der „Transplantationskodex", den sich die deutschen Transplantationszentren gegeben und zu dessen Einhaltung sie sich verpflichtet haben. Nach diesem Kodex wird also heute in Deutschland immer dann verfahren, wenn eine Transplantation ansteht.
Warum also gerade jetzt ein Gesetz? Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste ist sicherlich - und deswegen setze ich ihn auch an den Anfang -, daß die Menschen einen Anspruch auf Rechtssicherheit haben und es unter allen Umständen gelingen muß, die Unsicherheiten zu beseitigen, die zum Teil durch negative, falsche, irreführende und auch angstmachende Darstellungen in den Medien hervorgerufen werden und auch hervorgerufen worden sind. Sie haben zu einer Entwicklung in Deutschland geführt, der wir entgegenwirken müssen, weil sie Mißtrauen gegenüber der Transplantationsmedizin hervorruft und die Chancen der Menschen verringert, die bei uns auf ein Organ warten.
So sind wir Deutschen mittlerweile auf Spenderorgane aus den Nachbarländern angewiesen, in denen die Spendebereitschaft deutlich höher ist als bei uns. Wir haben uns zu einem Organimportland entwikkelt. Wir sind, meine Damen und Herren, mit 80 Millionen Menschen bisher vom Wohlwollen bzw. der Solidarität der uns umgebenden Länder abhängig, die sehr viel kleiner sind als wir. Das müssen wir verändern, und dem dient auch die jetzige Vorlage des Organtransplantationsgesetzes.
({1})
Bei uns ist die Zustimmung zu einer Organentnahme seit 1990 von etwa 90 Prozent auf 68 Prozent im Jahre 1995 zurückgegangen. Die Konsequenz daraus war, daß zum Beispiel 1994 nur noch 1972 Nieren gegenüber 2 358 im Jahre 1990 transplantiert werden konnten. Nach Schätzung der Deutschen Stiftung Organtransplantation stehen für die Übertragung von Niere, Leber, Herz und Augenhornhaut nur etwa die Hälfte der benötigten Transplantate zur Verfügung. Da pro Jahr zirka 2 000 Organspender benötigt werden, zirka 50 Prozent der im Prinzip geeigneten Spender wegen verweigerter Zustimmung, die respektiert wird, wegen Kreislaufversagens oder aus anderen Gründen ausscheiden, müßte es in der Bundesrepublik zirka 4 000 potentielle Spender pro Jahr geben, um die Zahl der benötigten Organe zu erreichen. In 1995 waren es aber nur 2 038, das heißt, knapp die Hälfte. Wir brauchen also eine Verdoppelung der Meldungen.
Daß diese Entwicklung zu Lasten vieler, zum Teil schwerkranker Menschen geht, denen geholfen werden könnte, gäbe es rechtzeitig die entsprechenden Organe, ist auch ein Grund und eine Ursache für die jetzige Parlamentsinitiative.
Dennoch, meine Damen und Herren, dürfen wir die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Auch hier herrschen völlig falsche Vorstellungen. Die Vermutung, jeder Verstorbene sei auch als Organspender geeignet, trifft nicht zu, denn von den jährlich rund 900 000 Verstorbenen in Deutschland kommen nach vorsichtiger Schätzung nur etwa 5 000 überhaupt als Spender für Niere, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm in Betracht. Das sind 0,6 Prozent, meine Damen und Herren.
Regelungsbedürftig ist die Tatsache, daß sich von den 1 363 Krankenhäusern mit Betten für intensivmedizinische Behandlung leider nur 480, knapp 35 Prozent, an der Mitteilung potentieller Organspender beteiligt haben. Diese Zahl müssen wir deutlich erhöhen, um mehr Menschenleben retten und Leiden lindern zu können.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich am 27. April 1995, also ziemlich genau vor einem Jahr, in einem ersten Gespräch mit den Bundestagsfraktionen von F.D.P. und SPD sowie mit den Bundesländern darauf verständigt, bei diesem wichtigen und sensiblen Thema einen fraktionsübergreifenden Entwurf zu erarbeiten und in die parlamentarischen Beratungen einzubringen. Nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten ist das Transplantationsrecht - ich habe das eben schon gesagt - kein Thema, das zur parteipolitischen Profilierung benutzt werden kann oder sollte. Zu groß, meine Damen und Herren, ist die Gefahr, durch parteipolitische Auseinandersetzungen über dieses Gesetz die Ziele, nämlich die Akzeptanz der Organspende und auch der Organübertragung zu erhöhen, zu verfehlen.
Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens haben am 28. Juni 1995 die beteiligten Fraktionen im Fachausschuß in einer breit angelegten Sachverständigenanhörung gemeinsam mit dem Rechtsausschuß zwei zentrale Themen vorab und vertiefend grundsätzlich beraten: erstens die Frage der Todesfeststellung und zweitens die Frage der engen oder erweiterten Zustimmungslösung. Die Ergebnisse sind dokumentiert und haben zur Entscheidungsfindung erheblich beigetragen.
Die Ihnen heute vorliegenden Gruppenanträge zeigen jedoch, daß es in diesen beiden zentralen Fragen nach wie vor unterschiedliche Auffassungen gibt. Die haben wir auch zu respektieren. Es geht nicht um richtig und falsch oder darum, im Recht oder im Unrecht zu sein.
Ich beziehe mich mit meinen Ausführungen auf den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, F.D.P. und SPD sowie auf den Antrag der Abgeordneten aus diesen Fraktionen auf Drucksache 13/4368.
Nun zum Inhaltlichen. Das Gesetz regelt die Spende und Entnahme von menschlichen Organen und ihre Übertragung auf andere Menschen. Es stellt ausdrücklich klar, welche Organe nicht übertragen werden bzw. übertragen werden dürfen. So fällt zum Beispiel auch die Übertragung von Blut und Knochenmark nicht unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes. Auch die Behandlung von Parkinson durch Transplantation hat mit dem Gegenstand des vorliegenden Gesetzes überhaupt nichts zu tun. Dabei sollen oder werden nämlich lebende Nervenzellen von Föten übertragen, bei denen eben gerade nicht der Hirntod festgestellt wurde.
Ferner wird für die Organisation und Durchführung der im Zusammenhang mit der Spende, der Entnahme, der Vermittlung und der Übertragung von Organen erforderlichen Maßnahmen ein rechtlicher Rahmen normiert. Schließlich enthält das Gesetz auch Vorschriften zur Strafbarkeit des Handels
mit menschlichen Organen sowie des unrechtmäßigen Verhaltens bei der Organentnahme, der Organübertragung und der Verwendung medizinischer Angaben und personenbezogener Daten Beteiligter.
Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Bundesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und die Krankenkassen werden verpflichtet, die Bevölkerung über die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Organspende und die durch Organübertragung mögliche medizinische Hilfe für schwerkranke Menschen aufzuklären, damit auf der Grundlage sachgerechter Information das Verständnis für die Organtransplantationsmedizin und die Bereitschaft zur Organspende wachsen, sich möglichst viele Menschen zu Lebzeiten mit der Frage einer Organspende befassen und dazu eine Erklärung abgeben, sei es nun eine Einwilligung, sei es ein Widerspruch oder sei es die Übertragung der Entscheidung auf eine namentlich benannte Person ihres Vertrauens.
Dazu muß eine verläßliche Dokumentation einer solchen Erklärung sichergestellt werden. Diese Erklärung kann allerdings auch in Form eines Organspenderausweises erfolgen.
Meine Damen und Herren, unserem Gesetzentwurf liegt im Grundsatz die erweiterte Zustimmungslösung zugrunde. Diese sogenannte erweiterte Zustimmungslösung ist eines der Ergebnisse der intensiven Vor- und Expertengespräche, auf die ich eben hingewiesen habe. Immer wieder wurden wir mit der Situation bekannt gemacht, daß Verstorbene keine Erklärung abgegeben haben. Besonders häufig trifft das auf junge Menschen zu, die sich gerade auf Grund ihrer Jugend nicht oder eben noch nicht mit den Fragen des eigenen Sterbens befaßt haben. Auch und insbesondere Unfallopfer gehören in die Gruppe jener, die sterben, ohne vorher die Frage einer Organspende geklärt zu haben.
Wir sind der Ansicht, daß in diesen Fällen die Zustimmung zur Entnahme auch von einem anderen Menschen gegeben werden kann, nämlich von Ehegatten, volljährigen Kindern, Eltern oder sonstigen Sorgeberechtigten, volljährigen Geschwistern, Verlobten oder auch volljährigen Personen, die dem oder der Verstorbenen in besonderer persönlicher und sittlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden haben. Sie sind in dieser Reihenfolge befugt, unter Berücksichtigung des ihnen entweder bekannt gewordenen oder mit gutem Grund gemutmaßten Willens des oder der Verstorbenen die Entscheidung über eine Organentnahme zu treffen.
Meine Damen und Herren, uns scheint nach wie vor besonders wichtig: In allen Zweifelsfällen und in den Fällen, in denen ein nächster Angehöriger nicht vorhanden oder nicht erreichbar ist, darf eine Organentnahme nicht vorgenommen werden. Ebenso ist eine Organentnahme selbstverständlich völlig ausgeschlossen, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten einer Organentnahme widersprochen hat.
Die wohl strittigste Frage ist die des Zeitpunktes der Organentnahme. Auch und gerade dieser Frage ist sehr viel Zeit gewidmet worden, und das mit
Recht. Die unbegründete und letztlich auch unvernünftige Befürchtung, das Leben eines Menschen könnte zur Rettung eines anderen geopfert werden, läßt sich nicht allein mit Verstandesgründen, sondern zuletzt nur durch völlige Transparenz aller mit der Organtransplantation verbundenen Vorgänge zerstreuen.
Schon 1957 hat Papst Pius XII. den Ärzten die Aufgabe zugewiesen,
... eine klare und genaue Definition des Todes und des Augenblickes des Todes zu geben.
Johannes Paul II. hat dies fortgeführt, indem er 1989 formulierte - ich zitiere -:
Die Wissenschaftler, Forscher und Gelehrten müssen ihre Forschungen und Studien weiterführen, um den genauen Augenblick und das unwiderlegbare Zeichen des Todes möglichst exakt festzustellen.
An anderer Stelle formulierte er:
Wenn diese Bestimmung einmal feststeht, lösen sich in ihrem Licht die von den neuen Technologien und neuen Behandlungsmöglichkeiten ausgelösten Fragen und moralischen Konflikte auf. Denn die Moral muß die biomedizinische Bestimmung als entscheidendes Kriterium anerkennen.
Lange galt als sicheres Zeichen des Todes der Zeitpunkt, zu dem das Herz zu schlagen aufhörte und der Mensch nicht mehr atmete. Das ist heute nicht mehr der Fall, wie wir wissen. Beides ist behebbar, und die Forschung hat in der Tat auch Fortschritte gemacht.
Die Bedeutung des völligen und endgültigen, das heißt irreversiblen Hirnausfalls als Todeskriterium ergibt sich aus der Bedeutung des Gehirns für den Menschen als Lebewesen. Ich zitiere aus der zweiten Fortschreibung der „Kriterien des Hirntodes" des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer vom Juni 1991:
Hirntod wird definiert als Zustand des irreversiblen Erloschenseins der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einer durch kontrollierte Beatmung noch aufrecht erhaltenen Herz-Kreislauffunktion. Der Hirntod ist der Tod des Menschen.
Mit dem völligen und endgültigen Ausfall der gesamten Hirntätigkeit - das ist wichtig - fehlen dem entsprechend entwickelten Lebewesen die Lebensmerkmale, die es als das jeweilige Lebewesen kennzeichnen. Sie sind beim Menschen zugleich die notwendige und unersetzliche körperliche Grundlage für seinen Geist. „Geist" bezeichnet in diesem Zusammenhang alles, was sich unter allen Lebewesen allein beim Menschen findet, einschließlich seiner Personalität.
Der Tod des Menschen wie aller anderen höher entwickelten Lebewesen tritt entweder mittelbar ein, indem der endgültige und nicht behebbare Herzstillstand zum Tod über den Tod des Gehirns führt, oder unmittelbar, wenn bei bestimmten Schäden und Krankheiten das Gehirn schon vor dem Herzstillstand abstirbt. Diese zweite Möglichkeit kommt nur selten vor und wird nur unter intensivmedizinischen Bedingungen deutlich und praktisch wichtig, weil nur dabei der sonst in kürzester Zeit dem Hirnausfall folgende Herzstillstand verzögert werden kann.
Das Ende des Lebens ist kein Zerfall von Zellen mehr, sondern das Erlöschen der personalen Identität des Menschen, dessen Steuerungszentrale das Gehirn ist.
Der Todesbegriff hat sich im Laufe der Zeit nicht dadurch geändert, daß durch die Entwicklung der Intensivmedizin ein sonst wenig beachtetes sicheres Todeszeichen, nämlich der völlige und endgültige Hirnausfall, praktisch wichtig geworden ist. Er läßt wie jedes andere sichere Todeszeichen den Tod des Menschen unabhängig von seiner Religion, seiner Weltanschauung und seiner Kultur erkennen, weil auch dieses Todeszeichen nur aus den allen Menschen gemeinsamen körperlichen Gegebenheiten abgeleitet ist. Der Todeszeitpunkt wurde und wird nicht dadurch vorverlegt, daß der Tod unter bestimmten Umständen früher als ehedem nachgewiesen werden kann.
Rechtlich wichtig erscheint vor dem Hintergrund des Gesagten zumindest aus ärztlicher Sicht: Über Naturgegebenheiten kann man nicht abstimmen. Der Gesetzgeber muß sie jedoch dann ausdrücklich und unmißverständlich beschreiben, wenn sie zu Eingriffen in den menschlichen Körper führen können. Der Todeszeitpunkt ist rechtlich so wichtig, daß eben entschieden werden muß, welche Uhrzeit dafür gelten soll, wenn er sich nicht naturwissenschaftlichmedizinisch ermitteln läßt. Ärztlich wird dafür weltweit - ich betone: weltweit - die Uhrzeit verwendet, zu der erstmals der völlige und endgültige Hirnausfall nachgewiesen ist. Dieses Vorgehen liegt auch unserem Gesetzentwurf und unserem Antrag zugrunde.
In einer gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland wird ausgeführt - ich zitiere -:
Der Hirntod bedeutet ebenso wie der Herztod den Tod des Menschen. Mit dem Hirntod fehlt dem Menschen die unersetzbare und nicht wiederzuerlangende körperliche Grundlage für sein geistiges Dasein in dieser Welt. Der unter allen Lebewesen einzigartige menschliche Geist ist körperlich ausschließlich an das Gehirn gebunden. Ein hirntoter Mensch kann nie mehr eine Beobachtung oder Wahrnehmung machen, verarbeiten und beantworten, nie mehr einen Gedanken fassen, verfolgen und äußern, nie mehr eine Gefühlsregung empfinden und zeigen, nie mehr irgend etwas entscheiden.
Im Vorwort zu der von der Deutschen Stiftung Organtransplantation herausgegebenen Schrift „Der Hirntod als der Tod des Menschen" äußert sich Professor Dr. Dieter Birnbacher - ich zitiere -:
Zweifellos ist der Mensch als leiblich-seelische Ganzheit mehr als sein Gehirn. Aber ebenso zweifellos kommt dem Gehirn eine Sonderstellung zu: Ein Mensch kann den „Tod" seines HerBeatrix Philipp
zens überleben, nicht aber den „Tod" seines Gehirns.
Meine Damen und Herren, für den Menschen ist mit dem völligen und endgültigen, irreversiblen Ausfall seines Gehirns sein Dasein als körperlich-geistige oder als leiblich-seelische Einheit beendet. Er kann nichts mehr fühlen, nichts mehr empfinden, nichts mehr denken, nichts mehr entscheiden, nichts mehr wollen, nichts mehr aus seiner Umgebung und aus seinem Inneren wahrnehmen, beobachten, beantworten.
Von allen Organen ist das Gehirn am empfindlichsten gegenüber Sauerstoffmangel. Ist die Hirndurchblutung vollständig unterbrochen, tritt nach wenigen Minuten der Hirntod ein, und es entsteht eine nicht reparable Schädigung der Hirnzellen.
In jedem Fall aber erfolgt die Feststellung des Hirntodes erstens nach klaren Kriterien, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, und zweitens durch zwei Ärzte, die sowohl von den transplantierenden Ärzten unabhängig als auch besonders dafür ausgebildet sind. Sie müssen die Untersuchungen unabhängig voneinander ausführen und sie unabhängig voneinander dokumentieren. Die Angehörigen werden das Recht haben - unter Hinzuziehung einer sachverständigen Vertrauensperson -, Einsicht in die Dokumentation zu nehmen.
Ich bin ganz sicher, daß alle, die sich vorurteilsfrei mit dem Gesetzentwurf und dem Antrag befassen, empfinden müssen, daß alles getan wurde, um Zweifel an der Durchschaubarkeit und Unbedenklichkeit der Organtransplantationsmedizin gar nicht erst entstehen zu lassen. Ich bin ebenfalls sicher, daß Ideen, die den Zielen, nämlich der Transparenz und der Glaubwürdigkeit, dienen, im Laufe der Beratungen aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, wir nehmen die Befürchtungen der Menschen sehr ernst: Weder darf der Eindruck entstehen, der Mensch sei ein Ersatzteillager für Organe, noch, daß ihm Organe entnommen werden, er aber noch gar nicht tot ist.
Lassen Sie mich dennoch ein paar Worte zu sogenannten Horrormeldungen mancher Medien sagen, mit denen immer wieder versucht wird, den Eindruck zu erwecken, hirntote Menschen - im eben besprochenen Sinne - seien noch gar nicht tot. Dazu ist zu sagen: Auch nach Eintreten des Hirntodes können spontan oder als Reaktion auf äußere Reize noch Bewegungen der Extremitäten auftreten.
Diese Phänomene führen bei Angehörigen, den Ärzten und auch dem Pflegepersonal natürlich oft zu Verunsicherungen. Diese Phänomene, wie zum Beispiel das langsame Hochheben der Arme und Gehbewegungen, finden ihre Erklärung in einem Wegfall hemmender Einflüsse des Gehirns auf das Rükkenmark. Dies führt zu einer „Enthemmung" spinaler Reflexschablonen, wie sie auch nach einem vorübergehenden Schockzustand bei einer Querschnittslähmung beobachtet wird. Es spricht nicht gegen den Hirntod, sondern eher für ein für diesen typisches Zeichen, wenn die Muskeleigenreflexe normal oder sogar gesteigert auslösbar sind.
Diese Reaktionen sind auch nach dem „klassischen" Herztod zu beobachten. Auch plötzlich auftretender Sauerstoffmangel kann eine Reizung der Nervenzellen des Rückenmarks bewirken. In keinem Fall aber haben sie mit dem personalen Leben des Menschen zu tun.
Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Experten schlagen wir also den irreversiblen, endgültigen Ausfall der gesamten Hirnfunktion als Zeitpunkt der Todesfeststellung vor; im übrigen ist das auch der Zeitpunkt, in dem heute auf Intensivstationen die Geräte abgeschaltet werden - unabhängig davon, ob es sich um einen Organspender handelt oder nicht.
Bleibt zu erwähnen, meine Damen und Herren, daß das Gesetz auch die Organentnahme bei Lebenden regelt und dabei ausgesprochen enge Kriterien für die Zulassung beinhalten wird. Um jegliche Form der Kommerzialisierung mit Lebendspenden zu verhindern, ist die Entnahme von Organen einer lebenden Person demnächst nur zulässig, wenn kein geeignetes Organ eines Verstorbenen zur Verfügung steht; der Spender volljährig und einwilligungsfähig ist; es sich um Verwandte ersten und zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder andere Personen handelt, die sich in besonderer Weise in persönlicher oder sittlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen; geprüft ist, daß die Organspende freiwillig, ohne psychischen Druck, zum Beispiel von Familienangehörigen, erfolgt ist; der Spender umfassend über die Gefahren und Risiken aufgeklärt wurde und eine nachgehende Betreuung erfolgt.
Minderjährige und Personen, die wegen einer Behinderung nicht einwilligungsfähig sind, werden als Organspender ausgeschlossen.
Schließlich finden für die Organisation der Organentnahme und die Organvermittlung die entsprechenden Regelungen im Gesetzentwurf ihren Niederschlag, ebenso wie Strafvorschriften und Datenschutzregelungen.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Aber mir waren ein paar Minuten mehr zugestanden worden. Das ist mir noch einmal gesagt worden.
Der Körper eines toten Menschen war der Träger seiner Persönlichkeit und ist und bleibt geschützt durch Pietät und die Achtung vor der Würde des Organspenders. Daß sie gewahrt bleibt, ist ebenfalls unser Anliegen. Wir sind davon überzeugt, daß deswegen auch sein Leichnam vom Krankenhaus aus in würdigem Zustand zur Bestattung übergeben wird und daß es Vertrauen schafft, wenn den Angehörigen Gelegenheit gegeben wird, sich hiervon noch im Krankenhaus zu überzeugen.
Meine Damen und Herren, im Interesse der vielen schwerkranken Menschen, denen durch eine Organtransplantation das Leben gerettet, die Krankheit weitgehend gelindert oder geheilt wird und deren
Lebensqualität sich erheblich steigern ließe, wünsche ich nicht nur, daß sich die Ziele des gemeinsamen Anliegens erreichen lassen, nämlich die Spendenbereitschaft zu steigern.
Jeder sollte daran denken, daß er morgen selbst auf ein Spenderorgan angewiesen sein könnte. Jeder sollte dies bei der Beantwortung der Frage, ob er nicht Organspender werden will, berücksichtigen und wissen: Organspender retten Leben.
Vielen Dank.
({0})
Ich darf vor der Weitergabe des Wortes an den nächsten Redner folgendes sagen: Es ist außerordentlich schwierig, bei diesem Thema zu unterbrechen. Es waren jetzt fünf Minuten mehr. Ich bitte, daß dann die Zeiten untereinander ausgeglichen werden, damit es nicht zu Verzerrungen bei der Verteilung auf die einzelnen Fraktionen kommt. Ich bitte die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, sich dieser Frage anzunehmen.
Ich gebe jetzt unserem Kollegen Dr. Wolfgang Wodarg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die moderne Transplantationsmedizin eröffnet die Chance, vor einigen lebensbedrohlichen oder gar sicher zum Tode führenden Erkrankungen zumindest für einige Monate oder Jahre gerettet werden zu können. Deshalb diskutieren wir heute erneut die gesetzliche Regelung der Organspende als Grundlage dieser sich immer weiter entwickelnden Technologie.
Die Transplantationszentren rufen nach mehr Organen. Die Bereitschaft der Bevölkerung, freiwillig mehr Organe zu spenden, reicht, wie wir von dort immer wieder hören, nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Deshalb diskutieren wir heute in erster Lesung neben einem Gesetzentwurf vom Bündnis 90/ Die Grünen, die aus einem anfangs gemeinsam beschrittenen Weg ausgeschert sind und eine eigene Regelung vorlegen, jetzt ein Rahmengesetz, auf welches sich die Regierungsfraktionen und die SPD-Fraktion geeinigt haben und welches die strittigen Punkte dieser Debatte ausspart, den sogenannten Omnibus, wie es bei uns heißt, und zwei interfraktionelle Gruppenanträge, die sich in ihrer Aussage gegenüberstehen und genau diese ausgesparten Fragen regeln sollen.
Ich vertrete hier gemeinsam mit Herta Däubler-Gmelin, Horst Schmidbauer, die nachher noch für diesen Antrag sprechen werden, und vielen anderen Kolleginnen und Kollegen den Gruppenantrag, welcher eine neue Legaldefinition des Todes zum Zwecke der Organentnahme ablehnt und der deshalb konsequenterweise eine persönliche Zustimmung zur Organentnahme zu Lebzeiten für unverzichtbar hält.
Ich möchte eines vorweg feststellen: Keiner der heute auf dem Tisch liegenden Gesetzesvorschläge oder Anträge spricht sich gegen eine hochwertige Transplantationsmedizin aus. Niemand hat etwas gegen Organspenden. Da herrscht glücklicherweise Einigkeit in diesem Haus.
Unstrittig sind meines Erachtens auch folgende Ziele einer gesetzlichen Regelung:
Die Würde des Menschen darf nicht angetastet werden. Dies gilt auch für Sterbende.
Es muß sicher sein, daß die Organentnahme dem Willen des Sterbenden entspricht.
Die Möglichkeiten der modernen Hochleistungsmedizin sollen zuerst denen zugute kommen, die sie am nötigsten brauchen. Finanzielle Faktoren dürfen weder bei der Spende von Organen noch bei der Auswahl von Empfängern eine Rolle spielen.
({0})
Auf Angehörige darf kein Druck ausgeübt werden.
Auch vom pflegerischen und ärztlichen Personal darf nichts verlangt werden, was die Unantastbarkeit der Menschenwürde verletzt.
Dem menschlichen Leichnam muß mit der gebotenen Ehrfurcht begegnet werden.
Das, glaube ich, sind Dinge, die in diesem Hause unstrittig sind.
Strittig ist, wie und unter welchen Bedingungen diese Ziele erreicht werden sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muß uns klar sein, daß wir heute ein Gesetz vorbereiten, welches das Leben und Sterben von jährlich vielen tausend Menschen in unserem Lande betrifft und möglicherweise auch beeinflussen wird. Unser Thema berührt wieder einmal ein Tabu; aber diesmal nicht so sehr ein gesellschaftliches Tabu, sondern vielmehr ein jeweils persönliches. Wir müssen uns um etwas kümmern, was uns selbst jederzeit betreffen kann und was wir deshalb nur allzu gern immer wieder verdrängen, das Sterben und den Tod.
Während in vielen armen Ländern dieser Welt Sterben und Tod leider immer noch zum Straßenbild gehört, leben wir durchschnittlich fast 80 Jahre und haben hochbezahlte Spezialisten, die uns das Sterben und den Tod möglichst lange vom Leibe halten. Und trotzdem kommt er, auch bei uns.
Als Arzt bin ich dem Tod sehr häufig begegnet: im Krankenzimmer, im Notarztwagen, auf der Intensivstation und später bei vielen hundert amtsärztlichen Leichenschauen. Dabei mußten die Toten aus dem Sarg gehoben werden, um bei ihnen sichere Todeszeichen zu erkennen und die in der Todesbescheinigung dokumentierten Todesursachen zu überprüfen.
Ich habe auch erlebt, wie in den Anfängen der Intensivmedizin immer häufiger Ratlosigkeit auf der Station entstand und welche Gefühle Ärzte und Pflegepersonal beschlichen, wenn sie Angehörigen mitteilen mußten, daß Mann, Frau, Sohn, Tochter oder Geschwister, daß der Mensch, um den sie Angst hatDr. Wolfgang Wodarg
ten, mit Sicherheit sterben wird, wenn die Technik der Intensivstation aufhört, ihn künstlich am Leben zu erhalten.
Während meiner Zeit als Stationsarzt auf einer Intensivstation war die Harvard-Konvention, die den Hirntod definiert, auch in Deutschland als Maxime ärztlichen Handels gerade akzeptiert worden. Sie definierte Kriterien sowie klinische und technische Untersuchungsverfahren, mit denen der Nachweis eines unwiderbringlichen Versagens des Gehirns geführt werden sollte.
Ein Arzt, dem ein so geführter Nachweis vorlag, brauchte damals und braucht auch heute nicht mit einer Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung oder gar wegen Tötung zu rechnen. Das war die medizinisch-juristische, das war die formale Seite.
Ich erinnere mich aber auch gut an das lange betretene Schweigen im Stationszimmer, und ich weiß, daß es nach unser aller Gefühl kein Toter war, dessen Maschinen wir abgestellt hatten, auch wenn die Harvard-Konvention es uns erleichterte, uns darüber hinwegzutäuschen. Das war ganz anders als sonst bei normalen Toten mit Leichenflecken und Starre, mit trübe werdenden Augäpfeln oder mit anderen sogenannten sicheren Todeszeichen.
Diese Hirntoddefinition, die uns damals vor Strafe schützen sollte, dient inzwischen als Rechtfertigung für die Organentnahmeteams, zum Zwecke der Organgewinnung das Sterben eines Menschen bei vorliegender Zustimmung von Angehörigen künstlich zu verlängern. Dies ist jedoch nur die eine Seite des Themas Organtransplantation.
Auf der anderen Seite stehen, wie ich anfangs erwähnte, jährlich Tausende in Deutschland, denen der Fortschritt in der Transplantationsmedizin Hoffnung macht, bald ohne Dialyse leben zu können, Hunderte, die auf eine Lebensverlängerung durch ein fremdes Herz hoffen oder die sich durch eine neue Leber vor dem sonst sicheren Tod retten lassen möchten.
Abgesehen davon, daß viele Transplantationen den Tod kaum oder nur für kurze Zeit aufschieben, haben viele Organempfänger durch die erforderliche medikamentöse Unterdrückung ihres Immunsystems, ihrer natürlichen Abwehrreaktion gegen fremdes Gewebe, eine erhebliche Belastung und Komplikationen zu ertragen. Die Hoffnung auf Heilung oder wenigstens Linderung ist jedoch meistens so stark, daß viele es schaffen, mit der Vorstellung zu leben, daß es ein fremdes Herz ist, welches jetzt in der eigenen Brust schlägt, daß die Niere eines Toten das eigene Blut entgiftet. Ich hebe dies hervor, weil es darauf ankommt, daß dieses Thema nicht nur wenigen an die Nieren geht, sondern daß wir alle die Gefühle, Hoffnungen und Nöte nachempfinden, denen mögliche Spender, deren Angehörige und Empfänger von Organen ausgesetzt sind.
Vor einigen Wochen rief mich ein renommierter Transplantationschirurg aus Schleswig-Holstein an und lud mich ein, in seiner Klinik einer Transplantation beizuwohnen. Er lud mich auch ein, mit Patienten zu sprechen, die Organe empfangen hatten oder
auf solche warteten. Ich habe dem sofort zugestimmt, habe aber darauf bestanden, auch die andere Seite einer solchen Transplantation zu sehen, nämlich der Entnahme von Organen beiwohnen zu dürfen, weil gerade damit die meisten Fragen verbunden sind. Der Professor lehnte dies ab mit der Begründung, das könne er mir nicht zumuten. Als ich ihm schilderte, wie vertraut mir eine solche Situation sei, kündigte er mir an, er wolle sich wieder melden. Das hat er aber dann nicht getan.
Doch gerade um die Entnahme von Organen bei Organspendern geht es in diesen strittigen Fragen. Es ist eben nicht strittig, daß es Menschen gibt, die auf Spenderorgane warten. Es ist strittig, unter welchen Bedingungen diese dem Körper eines Sterbenden entnommen werden dürfen. Die Transplantationsmedizin fordert, wie der Antrag der Kollegen Seehofer, Dreßler und anderer, den Hirntod eines Menschen mit dem Tod des ganzen Menschen gleichzusetzen, Hirntote deshalb wie Leichen behandeln zu dürfen. Zwei Transplantationsmediziner haben während unserer Anhörung sogar öffentlich gedroht, wenn der Gesetzgeber diese Auffassung nicht teile, könnten keine Transplantationen mehr durchgeführt werden.
Wie ich anfangs darstellte, sollte die Definition des Hirntodes die Mediziner vor Strafverfolgung schützen, die an einem hoffnungslosen Fall eine Therapie abbrechen. Sie wird jetzt aber von der Transplantationsmedizin benutzt, weil in einem solchen Zustand die Organe gut durchblutet und funktionstüchtig bleiben, weil sie noch leben und weil damit die Chance einer erfolgreichen Transplantation steigt.
Während sonst beim Nachweis eines irreversiblen Hirnversagens lebensverlängernde Maßnahmen beendet werden, wird bei potentiellen Organspendern das Leben so lange verlängert, bis das Explantationsteam bereit ist und die brauchbaren Organe herausgenommen werden können.
({1})
Dazu wird die Spenderin bzw. der Spender, um störende Reaktionen zu vermeiden, vorher - wie das schon anklang - medikamentös vorbereitet und ruhiggestellt.
Trotz vieler Broschüren der Deutschen Stiftung für Organtransplantation, trotz jahrzehntelanger Werbung für die Organspende ist das Mißtrauen der Bevölkerung vor einer Organspende gewachsen. Immer mehr Klinikpersonal, immer mehr Angehörige erleben die Widersprüche der dargestellten Verschiebung der Todeskriterien. Dabei wuchsen die Zweifel, dabei wuchs das Mißtrauen, welches denen entgegengebracht wurde, die meinten, durch eine Umdeutung des Sterbeprozesses, durch nur wenigen Fachleuten zugängliche Methoden der Todesbestimmung erreichen zu können, daß mehr Organe für den ohne Zweifel guten Zweck einer Transplantation zur Verfügung stehen.
Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr die Transplantationsmedizin versucht, den in der Medizin und in der Bevölkerung bekannten, akzeptierten und von
allen Menschen ohne Apparate nachvollziehbaren Todesbegriff um diese ihr zweckmäßig erscheinende Variante zu erweitern, um so mehr wird sie mit Mißtrauen rechnen müssen.
Auch der Antrag der Kollegen Seehofer, Dreßler, Thomae und anderer tut so, als seien die Menschen, denen man Organe entnimmt, bereits tot, weil das Totenrecht die Sache vereinfacht. Doch der scheinbare Tod durch Hirnversagen ist auch nur eine scheinbare Lösung bei der Organgewinnung. Viele Generationen von Ärzten, Hebammen, Kapitänen und anderen, die gegenüber Toten diese Verantwortung übernehmen dürfen, lernten, was sichere Todeszeichen sind. Sie verstehen eben nicht, weshalb zum Beispiel eine Frau, deren Gehirn zerstört, deren lebender Körper aber in der Lage ist, die komplizier- ten Vorgänge einer mehrmonatigen Schwangerschaft zu steuern und zu bewältigen, einem Leichnam gleichgestellt werden soll. So geht es den Angehörigen und den meisten Menschen in unserem Lande, ob Medizinern oder Laien.
Statt für eine neue technokratische und zweckgeleitete Todesdefinition plädiere ich deshalb dafür, daß das vollständige Absterben aller Gehirnteile, der sogenannte Hirntod, eine Bedingung dafür ist, daß lebenswichtige Organe Sterbenden entnommen werden dürfen. Dies kann und darf aber nur dann geschehen, wenn die im Grundgesetz festgeschriebene Würde des Menschen nicht verletzt wird. Das ist nur dann möglich, wenn dieser Mensch einer solchen Organentnahme zu Lebzeiten in vollem Bewußtsein und nach umfassender Aufklärung schriftlich zugestimmt hat.
In vielen europäischen Nachbarländern hat man sich dafür entschieden, das Problem auf andere Weise zu lösen. Wer dort einer Organentnahme nicht widersprochen hat, dem dürfen Organe entnommen werden. Eine solche staatlich verfügte Organbeschaffung verbietet unser Grundgesetz. Niemand, auch nicht der Staat, hat bei uns das Recht, über die Organe eines Menschen zu verfügen.
Ich bin mir sicher, daß nur über den zugegebenermaßen mühsameren Weg einer nicht von der Neudefinition des Todes abhängigen Zustimmungslösung Angst und Mißtrauen durch Hochachtung und Dankbarkeit ersetzt werden können. Ich weiß, daß nur auf einer solchen Vertrauensbasis eine langfristig wachsende Organspendebereitschaft gesichert werden kann. Alle Hochglanzbroschüren und alle Fernsehspots wären vergebens, alle Beratungen und Aufklärungsveranstaltungen würden schnell als vordergründige Bemühungen um Organgewinnung verstanden werden. Ich bin mir auch sicher, daß nur durch eine Regelung, wie sie in unserem Antrag vorgeschlagen wird, der weite und für die Sache abträgliche Weg über das Bundesverfassungsgericht vermieden werden kann.
Das Hirntodkonzept der Transplantationsmediziner wird unter anderem vom Bundesgesundheitsminister, vom gesundheitspolitischen Sprecher meiner SPD-Fraktion und von der Bundesärztekammer unterstützt, in deren zuständiger Kommission allerdings wieder die Fachleute aus den Transplantationszentren das Sagen haben. Wer neue Technologien will, sorgt offenbar heutzutage auch gleich für die mitgelieferte Ethik.
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Die Mehrheit der Menschen in unserem Land entwickelt hier ein gesundes Mißtrauen, wie der Rückgang der Organspendebereitschaft zeigt. Es liegt jetzt in der Hand jedes einzelnen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, ob das hierbei für alle Betroffenen unbedingt notwendige Vertrauen wiedergewonnen werden kann.
Ich danke Ihnen!
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Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Monika Knoche.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Die Transplantationsmedizin eröffnet Möglichkeiten von wirklich existentieller Bedeutung. Mit der Entnahme und Übertragung lebenswichtiger Organe bewegt sie sich auf einer Grenzlinie zwischen Leben und Tod. Der Philosoph Hans Jonas sagte:
Es ist überhaupt keine Frage, daß der kranke Mensch unsere volle Solidarität braucht. Doch endet sein Anspruch an unserer Haut.
Die Therapie der Organverpflanzung muß aber die Grenze der Fremdleibigkeit des anderen überschreiten, um helfen zu können. Das macht sie zu einer Sonderform der Medizin.
Diesen Ausnahmefall ärztlichen Handelns, das in den Leib eines Menschen eingreift, um einem anderen Hoffnung auf Heilung oder Linderung geben zu können, gilt es nunmehr nach langjähriger Diskussion moralisch, juristisch und kulturell einzuordnen.
Wir führen eine Diskussion um eine Entscheidung, die in ihrer Dimension jeden Menschen betrifft; denn ohne eine ethische Klärung der durch die Transplantationspraxis seit über 25 Jahren in die Welt gekommenen Machbarkeiten liegt in den dieser spezifischen Therapieform innewohnenden Problemen nur ein sehr kurzer Weg zwischen dem Warten auf ein geschenktes Organ und dem Anspruchsdenken hinsichtlich eines Organs, dem tief empfundenen Helfen-Wollen durch eigene Spendebereitschaft und dem Nicht-mehr-nutzlos-sterben-Dürfen als moralischer Spendepflicht, liegt ein kurzer Weg zwischen der unveräußerlichen Selbstbestimmung als einem konstitutiven Freiheitselement des Individuums und der Veräußerung des Körperbesitzes aus Unfreiheit.
Im Deutschen Bundestag sind Antworten zu geben, die mehr als individuelle, emotionale sind; denn die Konsequenzen der Entscheidung reichen tief in
das Wertesystem und in das Menschenbild unserer zivilen Gesellschaft.
Die staatliche Verantwortung für die medizinische Betreuung derjenigen Menschen, die auf ein Fremdorgan angewiesen sind, beschreibt dabei lediglich einen - wenn auch wichtigen - Zielaspekt der Gesetzgebung; denn die Interessen der Transplantationsmedizin sind unstrittig auf Organgewinnung gerichtet. Die in ihren Indikationen ehemals unmittelbar nur auf Lebensrettung gerichtete Rechtfertigung für die Organverpflanzung hat sich verändert. Kapazitäten steigen, Indikationsstellungen werden auch auf die Leidensminderung erweitert.
Der Organbedarf ist auch seinem Wesen nach nicht zu befriedigen.
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Im Gegenteil: Niemand kann und darf sich wünschen, daß möglichst so viele Unfallopfer da sind, wie es Menschen gibt, die auf fremde Organe warten. Menschliche Organe dürfen nicht zur Ware werden, sie dürfen keinen Warencharakter bekommen.
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Jeder kommunitaristischen Bestrebung und jeder Kommerzialisierung des menschlichen Leibes muß entgegengetreten werden.
Dennoch muß man sehr deutlich sagen: Wenn man durchblutete Organe entnehmen will, ist das nur bei lebendigem Leib möglich. Hirntod bei lebendigem Leib, das sei ein neuer Tod des Menschen. Mit dieser Todesdefinition konfrontiert uns die moderne Medizin, weil sie glaubt, diesen anderen Tod zu brauchen, um eine ethische Legitimation für das grenzüberschreitende Handeln zu erhalten, und weil sie meint, damit eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung zu bekommen.
Die Medizin hat lange und weitgehend unhinterfragt die Definitionsmacht über das Wesen des Todes an sich gebunden. Sie hat sie dennoch nicht. Das Hirntodkonzept entstand vor fast 30 Jahren durch die Möglichkeiten der Intensivmedizin. Zentral für die Bewertung der Hirntodkonzeption ist die Frage: Wann ist der Mensch tot? Sie ist zentral für die Bedeutung der Bewertung des Explantationskriteriums für den Gesetzgeber. Von den Befürwortenden wird mit dieser Hirntodkonzeption auf der materiellen Seite einmal die Diagnostik des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen beschrieben, aber auf der ideologischen Seite wird mit ihr eine neue Art des Totseins festgelegt.
Drei wichtige Fragen, die zu beantworten sind, wirft die Hirntodkonzeption auf: Ist der Mensch schon tot, wenn keine Hirnfunktionen mehr meßbar sind? Ist wegen der genannten Gewohnheiten und der wissenschaftlichen Ansichten das Hirntodkonzept nicht mehr rückholbar oder gar allgemeingültig geworden? Müssen wir einen modernen Tod als Ergebnis und Preis der modernen Medizin akzeptieren?
Für die Transplantationsmedizin stehen immer die körperlichen Leiden schwer organkranker Menschen im Vordergrund. Sie hat deshalb aber nicht das Recht, für die Seite der Organspendenden ein Bild zu zeichnen, das die Wahrnehmung des ganzen Menschen auf seine meßbaren Hirnfunktionen reduziert
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und damit zugleich ein hirnorganhierarchisches Menschenbild kreiert.
Diese Fragen standen im Zentrum der großen Hirntoddebatte des Deutschen Bundestages. Seit dieser Anhörung ist es unbestreitbar richtig, zu sagen: Das Hirntodkonzept als Todeskonzept ist widerlegt. Begründete Zweifel daran, ob ein Mensch im Zustand des irreversiblen Ausfalls seiner Hirnfunktionen schon tot sei, haben namhafte Philosophen, Psychiater, Ethiker, Theologen, Verfassungsrechtler, Biologen, Neurologen und Pflegende und Angehörige vorgetragen.
Das Hirntodkonzept ist erkennbar nicht auf einen Konsens innerhalb und zwischen den Natur- und den Humanwissenschaften begründet. Daß das irreversible Hirnversagen schon der Tod sei, ist eine wertende Beschreibung, die von Teilen der Ärzteschaft vorgenommen wird. Die Definitionsmacht über das Wesen des Todes fällt aber keinesfalls in die Monopolkompetenz der Medizin.
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Wenn wir entscheiden müssen, wann menschliches Leben endet, können wir uns nur auf das Fundament der allgemeinen Werte und Prinzipien einer zivilen Gesellschaft beziehen. Dieser gesellschaftliche Konsens kommt in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes zum Ausdruck. Der Verweis auf die Meinung der Bundesärztekammer trägt nicht. In der Frage von Leben und Tod ist die Grundrechtsintensität zu beachten, und diese ist beachtlich. Das Grundgesetz sichert uns ein offenes Menschenbild. In ihm ist zugleich der unverrückbare Konsens einer freien Gesellschaft ausgedrückt, auf den sich jenseits von Fundamentalismus und individueller Weltanschauung die Gesetzgebung fundieren muß. Das Grundgesetz sichert ein Menschenbild, demzufolge jeder Mensch Würde hat. Seine Ethik ist eine Ethik der Würde und keine Ethik der Interessen.
Dem Geist des Grundgesetzes nach ist das Menschenbild ganzheitlich. Das Mensch- und Personsein ist nicht an Geistigkeit gebunden. Es ist deshalb nicht vertretbar, das Bewußtsein als Kriterium für das Personsein zu qualifizieren. Der Mensch ist Zweck an sich. Sein Noch-Person-Sein setzt nicht den Nachweis voraus, ob ihm noch kognitive Leistungsfähigkeiten nachgewiesen werden können. Die Hirntodkontroverse ist, seit die verfassungsrechtlichen Anforderungen bekannt sind, entschieden. Nicht mehr die Frage, wann der Mensch tot ist, ist zu klären, sondern wer mit welchen Zielen bezweifelt, daß Hirntote leben, ist bemerkenswert.
Hirntote sind Sterbende. Wenn wir das neue Todeskonzept ablehnen, bedeutet das dennoch nicht das Ende der Organspende. Warum? Die der Hirntodkonzeption zugrunde gelegten Hypothesen besagen zum einen, der Mensch im Zustand des irreversiblen Ausfalls seiner Hirnfunktionen habe aufgehört, ein Lebewesen in geistig-seelischer Einheit zu sein, er könne aus seinem Inneren und seiner Umgebung nichts mehr empfinden, wahrnehmen, beobachten, beantworten, nichts entscheiden. Zum anderen wird der Versuch unternommen, das Hirntodkonzept und damit das Ende menschlichen Lebens biologisch zu begründen. Es wird behauptet, das Gehirn sei für die biologische Existenz der Funktionseinheit des Organismus schlechthin das unersetzliche Regelzentrum.
Beide Hypothesen sind einseitige Wertungen, sie sind wissenschaftlich-biologisch nicht zu fundieren. Biologisch argumentieren zu wollen, der Hirnorganzusammenbruch sei gleichbedeutend mit dem Totsein des Organismus, ist auch logisch nicht verständlich. Denn ein Mensch in diesem Zustand kann seine Selbststeuerung, seine körperliche Integrationsleistung voll erhalten. Das Herz schlägt, die Lungen atmen, der Stoffwechsel und das Immunsystem reagieren.
Die Schwangerschaften hirntoter Frauen beweisen wie kein anderes Beispiel, daß Menschen in diesem Zustand in der Lage sind, die Organisation ihres Körpers zu steuern, wenn sie einen Abort vollziehen können. Ebensowenig entspricht die genannte Todesdefinition dem lebensweltlichen und dem emotionalen Erfahrungshintergrund breiter Bevölkerungskreise. Angehörige beschreiben die Unmöglichkeit, einen warmen, durchbluteten Leib als tot zu begreifen.
Ein Mensch im Zustand des Hirnorganzusammenbruchs kann nicht mehr bestimmen, was mit ihm geschehen soll. Deshalb handeln Ärzte, indem sie den Behandlungsabbruch vornehmen. Das muß getan werden, weil es kein Behandlungsziel im Interesse des Sterbenden mehr gibt und um ihm, dem Sterbenden, sein Recht auf einen würdevollen Tod zu geben.
Für potentielle Spenderinnen und Spender, deren Sterbezustand technisch festgehalten wird, heißt die Frage demnach nicht: Was soll mit mir nach meinem Tod, sondern: Was soll mit mir in dieser Phase meines Sterbens geschehen? Es sind die Möglichkeiten der Intensivmedizin, die die Eindeutigkeit, die den Begriff des Todes einmal auszeichnete, aufgehoben haben. Erkennen können wir heute lediglich einen ganz spezifischen Prozeßcharakter des Erlöschens menschlichen Lebens, indem wir Hirnfunktionen messen. Wir kennen nicht alle Hirnfunktionen, und wir können nicht alle Hirnfunktionen messen, und wir messen auch nicht alle, die wir messen können.
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Aber ermessen, was dieser Zustand ist, können wir nicht.
Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, einen wissenschaftlichen Dissens entscheiden zu wollen. Weder Humanwissenschaften noch Naturwissenschaften können das Wesen des Todes bestimmen. Wichtig ist nach verfassungsrechtlicher Betrachtung, daß dem Menschen Schutzwürdigkeit zuzugestehen ist, solange er biologisch-physisch existiert. Die Fähigkeit zur Geistigkeit oder zur Kommunikation mit Dritten ist völlig irrelevant für die Frage, ob der Mensch nach dem Verlust seines Bewußtseins noch als Person gelten kann.
Die Abkehr von diesem Todesverständnis löst eine Wirkung aus, die zur Etablierung eines utilitaristischen Menschenbildes führen würde. Das Festlegen eines vorgezogenen Todeszeitpunktes könnte nicht mehr davor schützen, andere Hirnorganbefunde als Tod des Menschen zu qualifizieren.
Akzeptiert man die Geistigkeitstheorie als Grundlage der Personalität, müßten - das tun die Befürworter des Hirntod-Kriteriums in ihrem Entwurf - alle anderen Nichttotseinszustände extra benannt werden, zum Beispiel Wachkomapatienten und Anenzephale. Das zeigt, daß der Versuch, per Definition die Zäsur zwischen Leib und Geist an die Funktionsfähigkeit des Hirns zu binden, den gesellschaftlichen Wertekonsens zur Disposition stellt, und zeigt gleichfalls, wie nahe man bei einer Verwerfung des traditionellen Todesverständnisses einer Verwerfung ethischer Übereinkünfte kommt.
Nur mit einer Absage an das Hirntodkonzept ist die Voraussetzung für eine verfassungsrechtliche und medizinethische Regelung gegeben. Nur die vorab gegebene Einwilligung ist das materielle Legitimationskriterium, der Ausfall der Hirnfunktionen das formale Entnahmekriterium.
Die vordergründig verständliche und naheliegende Befürchtung, Organentnahme in diesem Sterbezustand zu ermöglichen käme einem Tabubruch, dem der Legitimierung der Tötung auf Verlangen, gleich oder wäre gar mit Euthanasie analogisierbar, ist indes vollkommen unbegründet. Nicht die Organentnahme, sondern der irreversible Ausfall, die Unausweislichkeit des Todes ist ursächlich für das Sterben.
Zu beantworten ist die Frage, ob der Mensch verfügen kann, daß ein anderer sein Sterben durch Organentnahme verändert. Könnten diese Einwände nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden, die Fragen nicht eindeutig gemäß dem Grundgesetz beantwortet werden oder bestünden begründete Bedenken, damit die ethische Basis, die wir für unsere Haltung reklamieren, zu verlassen, müßten wir auf die Transplantationsmedizin verzichten.
Nach Selbstbestimmung, die dem Menschen gegeben ist, hat er einen Besitz an sich. Die Bestimmung über seine leiblich-seelische Integrität gehört zu seinem ureigensten Bereich der Personalität. Nur so wird die Grundlage, auf der eine Organentnahme und damit die Organspende geregelt werden kann, auch ihrem Charakter gerecht, den sie behalten muß, nämlich ein Geschenk zu sein.
Ein Transplantationsgesetz, welches auf die Spendebereitschaft der Bevölkerung setzt, muß sich jeden Einfluß auf die individuelle Entscheidung versagen.
Es kann keine Berechtigung auf ein fremdes Organ geben. Die meisten Menschen leben ihr Leben im Bewußtsein, daß sie über den Tod nichts wissen. Sie überlassen sich dem Sterben. Hier nicht entscheiden zu können oder zu wollen gehört auch zu den Rechten, und sich gänzlich zu verschweigen gehört auch zu den Rechten, die wir respektieren müssen.
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Das Parlament hat die Aufgabe, maximale Rechtssicherheit zu gewährleisten. Ohne Verzicht auf einen zweiten, anderen Tod, ohne Garantie der Unveräußerlichkeit des Selbstbestimmungsrechtes bestünde die Gefahr, die Würde des Menschen durch seinen Wert zu ersetzen. Die von uns Grünen vorgelegten Vorstellungen in einem Transplantationsgesetz basieren auf der Ethik des Grundgesetzes. Sie ist keine Ethik der Interessen.
Bei der Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Behauptung und lebensweltlicher Erfahrung ist es die zivile Gesellschaft selbst, die sich mit ethischen Fragen, die die moderne Medizin aufwirft, befassen können muß. Die Politik muß es tunlichst vermeiden, sich über die kulturelle Eingebundenheit des allgemeinen Todesverständnisses hinwegzusetzen. Das Parlament muß in diesen Grenzbereichen Entscheidungen treffen, die geeignet sind, die neuen Phänomene und Definitionsnotwendigkeiten in den geltenden Wertekontext einzubinden.
Mit dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf liegt ein stringenter Lösungsversuch in einem Modell vor, das die Belange der Organempfangenden und -spendenden gleichermaßen schützt. Wir sind der festen Überzeugung: Nur auf diesem Weg kann die unbedingte Integrität der Organverpflanzung in Deutschland erlangt werden.
Es führt kein zweifelsfreier Weg an dem Phänomen der Ganzheitlichkeit des Menschen vorbei. Es geht um das Festhalten oder Fallenlassen eines humanen Grundprinzips, wonach ein Mensch lebt, solange er als lebendig erfahrbar ist.
Danke schön.
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Es spricht jetzt der Kollege Dr. Dieter Thomae zu uns.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Grund des medizinischen Fortschritts kann seit mehr als 25 Jahren durch Gewebe- oder Organtransplantationen das Leben vieler schwerkranker Menschen gerettet werden. Weltweit wurden bis Ende 1994 rund 350 000 Nieren und auch 35 000 Herzen übertragen. Dennoch sind in Deutschland pro 1 Million Einwohner noch etwa 300 Patienten auf die Dialyse angewiesen.
Trotz des medizinischen Fortschritts ist in den letzten Jahren die Zahl der Organtransplantationen
stark zurückgegangen, weil sich zu wenig Menschen bereit erklärt haben, ihre Organe im Falle eines plötzlichen Todes, zum Beispiel eines Unfalltodes, für eine vielleicht lebensrettende Transplantation zur Verfügung zu stellen. Auch die Zustimmung der Angehörigen zur Organentnahme ist in den letzten drei Jahren von 90 Prozent auf 70 Prozent zurückgegangen.
Die Bundesrepublik Deutschland liegt hier am Ende der Skala in Europa. Daher ist es das wichtigste Ziel des geplanten Gesetzes, bundesweit einheitliche Rechtssicherheit in diesem sensiblen Bereich zu schaffen und damit wieder eine breitere Zustimmung der Bevölkerung zur Transplantation zu erhalten.
Aber erst seit Ende 1994 ist der Weg für ein bundeseinheitliches Transplantationsgesetz frei. Bis dahin lag die Gesetzgebungskompetenz für diesen wichtigen Bereich bei den Ländern. Danach schuldeten wir es der Sensibilität des Themas, äußerst sorgfältig und in Ruhe abzuwägen, wie die Fragen im Zusammenhang mit einer Organspende geregelt werden sollen. Der Gesundheitsausschuß hat deshalb schon im Vorfeld dieser ersten Lesung eine Expertenanhörung durchgeführt.
Wir waren uns bei der Formulierung des Gesetzentwurfes darüber im klaren, daß wir, wenn wir einen solch hochsensiblen Bereich vernünftig regeln wollen, einen möglichst breiten Konsens der Beteiligten brauchen. Dieser Gedanke spiegelt sich auch darin wieder, daß wir versucht haben, Regelungen zu finden, die parteiübergreifend mitgetragen werden können.
Ich bedaure sehr, daß sich die Grünen von diesem Konsens verabschiedet haben, freue mich aber, daß der Gesetzentwurf von der SPD mitgetragen wird.
({0})
Der Gesetzentwurf soll vor allem folgende Punkte regeln: erstens, die Spende und die Entnahme von Organen auf der Grundlage der erteilten Zustimmung - lassen Sie mich hierauf später näher eingehen -; zweitens, die Gewährung und den rechtlichen Schutz der Möglichkeit, eine Organspende abzulehnen; drittens, die organisatorischen Voraussetzungen der Entnahme, Vermittlung und Übertragung lebenswichtiger Organe; viertens, die Vermittlung lebenswichtiger Organe nach Maßgabe medizinischer Kriterien, um die Gleichbehandlung der für eine Transplantation nach ärztlicher Entscheidung vorgesehenen Personen zu gewährleisten; fünftens, die Organentnahme bei Lebenden, die wegen ihrer möglichen Nähe zum kommerziellen Organhandel sensibel ist und lediglich auf Verwandte ersten und zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder auf dem Spender in persönlicher und sittlicher Verbundenheit offenkundig nahestehende Personen beschränkt ist.
Mir ist vor allen Dingen wichtig, daß niemand unter Druck gesetzt wird, wenn er einen solchen folgenschweren Schritt tun will, und genau aufgeklärt wird über die Folgen für ihn selber und auch über die Erfolgsaussichten einer solchen Transplantation.
Sechstens. Besonders wichtig ist die Bestrafung des Organhandels sowie unrechtmäßigen ärztlichen Handelns bei der Organentnahme und -übertragung.
Siebtens bedarf es der Aufklärung der Bevölkerung.
({1})
Herr Kollege Thomae, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf zwei Punkte näher eingehen, die in meinen Augen die sensibelsten sind. Dies ist zum einen die Frage der Definition des Todeszeitpunktes und zum anderen die Bestimmung, wann eine Organentnahme erfolgen kann.
Für die Definition des Todeszeitpunktes sieht der Gesetzentwurf vor, daß Organe nur dann entnommen werden können, wenn zwei Ärzte, die weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe beteiligt sind, unabhängig voneinander den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten - ich sage sehr deutlich: gesamten! - Hirnfunktion oder den endgültigen, nicht behebbaren Stillstand von Herz und Kreislauf nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nachweisen.
Die Bewertung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktion war Gegenstand der öffentlichen Anhörung. Sie hat die Auffassung der überwältigenden Mehrheit der deutschen und internationalen Ärzteschaft bestätigt, daß mit dem endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion der Tod des Menschen eingetreten ist. Dieses im Zuge der Intensivmedizin entwickelte Todeskriterium liegt den rechtlichen Regelungen zur Organtransplantation aller anderen europäischen Staaten sowie der USA und Kanadas zugrunde. Es ist seit 1967 auch die Praxis der Organtransplantation in der Bundesrepublik Deutschland.
Aus der gesetzlichen Anerkennung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktion als sicheres Todeszeichen folgt zugleich, daß der Ausfall nur von Teilen der Hirnfunktion nicht als Todeszeichen anzusehen ist. Dies gilt insbesondere auch für in einem dauerhaften Koma liegende Personen oder für Neugeborene mit schwersten Formen angeborener Mißbildungen des Gehirns. Diese Menschen sind nicht tot und können daher nie für eine Organspende herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, der umstrittenste Bereich ist sicherlich die Frage nach der Erklärung zur Organspende. Einigkeit besteht bei uns allen, daß die Widerspruchslösung, bei der bei einer Nichterklärung des potentiellen Spenders Organe entnommen werden dürfen, die schlechteste Lösung ist.
Zur Debatte stehen deshalb nur noch die enge Zustimmungslösung, bei der Organe nur entnommen
werden dürfen, wenn der Verstorbene hierzu zu Lebzeiten seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat, und die erweiterte Zustimmungslösung. Vor allem diese Frage muß hier von jedem einzelnen für sich entschieden werden, ohne politische Zwänge. Es ist eine Frage, die unter philosophischen, moralischen, ethischen und religiösen Aspekten sehr unterschiedlich beurteilt werden wird.
Ich habe mich für die erweiterte Zustimmungslösung entschieden. Bei der erweiterten Zustimmungslösung wird eine fehlende Erklärung des Verstorbenen zur Organspende weder als Ablehnung noch als Zustimmung gewertet, sondern lediglich als Nichterklärung. Denn oft fehlt nur die schriftliche Dokumentation der Bereitschaft zur Organspende, aber die nächsten Angehörigen kennen die Einstellung zur Organspende sehr genau. Deshalb sieht die erweiterte Zustimmungslösung vor, in diesem Falle die nächsten Angehörigen einzuschalten. Eine Organentnahme ist nur dann zulässig, wenn ihr die Angehörigen ausdrücklich zustimmen.
Aber lassen Sie mich bitte nochmals betonen: Liegt eine Erklärung des Verstorbenen vor, kann diese Entscheidung für eine Zustimmung oder Ablehnung der Organentnahme nicht durch Angehörige revidiert werden. Und: Hat der Verstorbene keine nächsten Angehörigen oder keine diesen gleichgestellte Person oder ist keine dieser Personen erreichbar, ist eine Organentnahme unzulässig.
In meinen Augen räumt die erweiterte Zustimmungslösung dem Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen Vorrang ein, ohne jedoch auf die Bürger einen Entscheidungszwang auszuüben. Gleichzeitig schafft sie einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der potentiellen Organspender und den Menschen, die dringend auf Organe angewiesen sind.
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Meine Damen und Herren, ich habe mich auch für die erweiterte Zustimmungslösung entschieden, weil derzeit nur etwa 5 Prozent der Organentnahmen auf Grund einer zu Lebzeiten dokumentierten Einwilligung des Verstorbenen durchgeführt werden. Nach allen bisherigen Erfahrungen ist - auch bei umfassender Aufklärung der Bevölkerung - nicht zu erwarten, daß jeder Bürger zu Lebzeiten eine Erklärung zur Organspende abgibt. Aber die Nichtabgabe einer solchen Erklärung kann die unterschiedlichsten persönlichen Gründe haben und ist vom Gesetzgeber als Ausdruck der Würde und des Selbstbestimmungsrechts des Menschen gerade auch in Angelegenheiten, die seinen Tod betreffen, zu respektieren. Dies gilt um so mehr, als nur etwa 0,6 Prozent der Verstorbenen als Spender lebenswichtiger Organe in Betracht kommen.
Ich persönlich möchte, daß wir mit diesem Gesetz in einem hochsensiblen Bereich endgültig Rechtssicherheit schaffen. Denn schon heute wird im medizinischen Alltag genauso vorgegangen, wie wir es in dem Gesetzentwurf und mit dem Antrag auf die erweiterte Zustimmungslösung heute vorsehen. Dies sollte man bei der Entscheidung bitte nicht überseDr. Dieter Thomae
hen. Nur geschieht dies alles in einem rechtsfreien Raum. Ich denke, diese Situation ist sowohl für die Ärzte als auch für die potentiellen Spender sowie ihre Angehörigen unzumutbar.
Lassen Sie mich hier aber auch ganz offen sagen: Ich erhoffe mir von diesem Gesetz und der damit geschaffenen Rechtssicherheit, daß wir viel mehr Menschen als bisher mit Transplantationen helfen können. Ich erhoffe mir einen Wiederanstieg der Spendenbereitschaft. Denn nur, wenn ich genau weiß, was mit mir als Spender geschieht, werde ich zur Organspende bereit sein.
Deshalb ist es so wichtig, daß endlich gesetzlich festgelegt wird, daß zwei voneinander unabhängige Ärzte den Tod feststellen müssen und dies keine Ärzte sein dürfen, die nachher die Entnahme oder die Transplantation vornehmen. Für die Befürchtung, daß der behandelnde Arzt einen Patienten sterben läßt, um einen anderen zu retten, gibt es daher keine Grundlage mehr.
Ich erhoffe mir aber auch eine ansteigende Bereitschaft der behandelnden Ärzte, das schwere Gespräch mit den Angehörigen eines potentiellen Spenders zu suchen, wenn hierfür endlich eine Rechtsgrundlage und somit Rechtssicherheit geschaffen wird.
Bitte bedenken Sie, meine Damen und Herren, bei Ihrer Entscheidung, daß jährlich nur etwa der Hälfte der rund 2 000 auf ein lebensrettendes Organ wartenden Patienten in Deutschland gehollen werden kann!
Herzlichen Dank.
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Als nächste spricht die Kollegin Frau Dr. Ruth Fuchs.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Organtransplantation ist bereits seit längerem eine im Handlungsspektrum der modernen Medizin fest etablierte Methode. In vielen Krankheitsfällen stellt sie die einzige erfolgversprechende Möglichkeit dar, Leben zu erhalten oder Schwerstkranken ein hohes Maß an Lebensqualität zurückzugeben. Die mit weitem Abstand häufigste und gegenwärtig zugleich sicherste und hilfreichste Anwendungsform ist die Nierentransplantation.
Wenn wir aber über Organverpflanzung sprechen, dann sollten wir uns stets auch der elementaren Tatsache bewußt sein, daß es vor allem um das Schicksal schwerkranker Menschen geht, denen heute in der Regel nur mit Hilfe einer gespendeten Niere über viele Jahre hinweg erneut ein Leben in oft fast völliger Gesundheit und Leistungsfähigkeit ermöglicht werden kann.
Die Notwendigkeit einer klaren Rechtsetzung ist unbestritten. Sie ergibt sich schon aus der Verpflichtung des Gesetzgebers, solche Bereiche förmlich selbst zu regeln, in denen Grundrechte - wie im vorliegenden Fall das Recht auf Leben und Gesundheit,
aber auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Menschenwürde - berührt sind. Insofern geht es bei der Schaffung eines Transplantationsgesetzes tatsächlich um das Schließen einer empfindlichen Lücke. Die Bundesrepublik, in der es seit 1978 Bemühungen um eine solche Regelung gibt, befindet sich im europäischen Vergleich nur noch in Gesellschaft solcher Staaten wie Malta, Zypern oder Liechtenstein.
Natürlich kann nicht übersehen werden, daß es sich dabei nicht nur um einen hochsensiblen Gegenstand handelt, sondern daß mit der Entnahme und Übertragung menschlicher Organe wie in kaum einem anderen Bereich viele komplizierte und sorgfältig zu bedenkende medizinische, rechtliche, ethische und letztendlich auch philosophische Fragen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund scheint es mir notwendig zu sein, daß man sich zuallererst, unabhängig von der zu treffenden Einzelregelung, über unumstößliche Grundsätze verständigt, die im Zusammenhang mit der Organtransplantation beachtet werden sollten.
Dazu zählt für mich in erster Linie, daß niemand, egal in welcher Notsituation er sich befindet, einen Anspruch auf Organe oder Körperteile eines anderen Menschen besitzt. Anders formuliert: Eine Bring-schuld zur Organspende kann und darf es nicht geben. Des weiteren muß die vom einzelnen Menschen für sich selbst getroffene Entscheidung bindend sein. Das heißt, bei zu Lebzeiten erteilter Zustimmung dürfen Organe entnommen werden, bei entsprechender Ablehnung muß dies ausgeschlossen sein. Die Ablehnung einer Organspende durch den einzelnen ist ohne jegliches Hinterfragen zu respektieren. Erklärungs- oder Rechtfertigungsdruck darf es nicht geben.
Der Verkauf eigener Organe ist mit der Würde des Menschen unvereinbar, und Organhandel muß verboten sein.
Die Grundsätze der Zuordnung entnommener Organe zu den Empfängern müssen allein medizinisch begründet und für die Öffentlichkeit jederzeit nachvollziehbar sein.
Schließlich müssen auch die Gefahren und Belastungen, die mit einer Transplantation verbunden sein können, den potentiellen Empfängern und ihren Familien bekannt sein. Dazu zählen, wie wir wissen, oft lange Wartezeiten, Unsicherheiten bezüglich der Erfolgsdauer im Einzelfall, meist eine lebenslange medikamentöse Nachbehandlung und anderes mehr.
Da die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz des isolierten Hirntodes als Tod des Menschen für die Meinungsbildung beim vorliegenden Gesetzesvorhaben von zentraler Bedeutung ist, gleich an dieser Stelle ein Wort auch dazu. Meiner Meinung nach - ich möchte das betonen; denn auch in unserer Gruppe gibt es dazu völlig unterschiedliche Auffassungen - muß bei sachlicher Betrachtungsweise vor allem zur Kenntnis genommen werden, daß das Hirntodkonzept weltweit nur von einer äußerst geringen Zahl von Vertretern der entsprechenden aussagefähigen medizinischen und naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen in Zweifel gezogen wird. Auch wenn die
wichtige Rolle, die Minoritäten in Politik wie Wissenschaft spielen können und sollen, durchaus unstrittig ist, kann und sollte ein Gesetzgeber seine Entscheidung nicht auf extreme Minderheitenvoten innerhalb der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft stützen.
({0})
Für mich kann es in diesem Zusammenhang zu Aufklärung und Vernunft und der mit ihnen verbundenen wissenschaftlichen Rationalität keine Alternative geben.
Meine Damen und Herren, ich denke, dafür, ob es sich um ein gutes Transplantationsgesetz handelt, ist es in erster Linie entscheidend, inwieweit es dem Gesetzgeber gelingt, höchst unterschiedlichen Rechtsgütern in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise gleichzeitig Rechnung zu tragen. Das bedeutet vor allem, eine nicht einfache, aber unausweichliche und notwendige Güterabwägung vorzunehmen. Zum einen gilt es, das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen zu wahren; zum anderen stehen wir in der Verpflichtung, solche rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen todkranke Menschen eine medizinisch mögliche und ethisch vertretbare Hilfe tatsächlich erhalten können.
Geht man von diesem Anspruch aus, dann erweist es sich eben keinesfalls als Zufall, daß sich die große Mehrheit der west- und nordeuropäischen Länder - darunter Belgien, Schweden, Frankreich, Österreich und Dänemark, die man ja wahrhaftig nicht eines unsensiblen Umgangs mit Menschenrechten und sonstiger gravierender Zivilisationsmängel verdächtigen wird - in dieser oder jener Form für Widerspruchslösungen entschieden hat und diese bei voller Akzeptanz ihrer Bevölkerung praktiziert.
Der heute vorliegende Gesetzentwurf einer quasi großen Koalition gewährleistet meiner Meinung nach dagegen weder die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts, noch wird er etwas an der gegenwärtigen Situation jener Menschen ändern können, die auf ein Spenderorgan warten müssen. Mit einer erweiterten Zustimmungslösung wird lediglich der unbefriedigende Status quo fortgeschrieben.
Was den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen betrifft, so gibt es in unserer Gruppe sowohl ablehnende als auch zustimmende Meinungen. Das wird und soll sich auch in der heutigen Debatte zeigen und wird sich in einem weiteren Beitrag einer Abgeordneten unserer Gruppe widerspiegeln.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat jetzt der Bundesminister Seehofer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn wir heute zum ersten Mal in breiterer Form im Deutschen Bundestag die Fragen
der Organspende diskutieren, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß Organ- und Gewebeübertragungen in Deutschland, aber auch weltweit seit mehr als 25 Jahren zur medizinischen Praxis gehören, ja heute in Deutschland und in den allermeisten anderen Staaten mit einem hochentwickelten Gesundheitswesen zum Standard der medizinischen Versorgung gehören.
Es ist unbestritten, daß mit jeder Transplantation Leben gerettet werden kann, eine Krankheit geheilt oder gelindert werden kann. Jedem einzelnen Patienten kann diese letzte Möglichkeit der Medizin neue Freiheiten, neue Möglichkeiten der Lebensführung und Lebensplanung eröffnen. Nur wer jemals einem Menschen gegenüberstand oder -saß, der auf diese letzte Möglichkeit der Medizin für sich persönlich gehofft hat, wird ermessen können, daß viele Patienten diesen Tag der Operation auch als Beginn eines neuen Lebensabschnittes, den sie wie einen zweiten Geburtstag feiern, erleben.
({0})
Das alles wäre ohne die Bereitschaft vieler Menschen zur Organspende nicht möglich.
Wer sich zur Organspende entschließt, will zuallererst kranken Menschen helfen, ohne Absicht und ohne die Gewißheit haben zu können, bei einer eigenen schweren Krankheit die gleiche Hilfe zu erhalten. Deshalb - darauf kommt es mir zuallererst an - ist die Bereitschaft zur Organspende im besten Sinne des Wortes ein ganz persönliches Beispiel praktizierter Nächstenliebe. Ich möchte allen danken, die in unserer Zeit des Materialismus und der Ellenbogen zu diesem Zeugnis der Mitmenschlichkeit bereit sind.
({1})
Ich sage dies mit allem Respekt vor denen, die sich nicht zu einer Organspende entschließen können, aus welchen Gründen auch immer. Es steht niemandem zu, eine solche Entscheidung zu kritisieren. Es steht erst recht niemandem zu, das Maß der Mitmenschlichkeit nur und ausschließlich oder doch zuerst am Kriterium der Organspende festzumachen.
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Eine Moral, die dies zuläßt oder fördert, würde sich selbst urteilen.
Unsere Aufgabe als Gesetzgeber kann es nur sein, die Voraussetzungen für Transplantationen und ihre rechtlichen Grundlagen neu zu gestalten. Wie schwer das ist, haben wir alle bei den Vorbereitungen zu diesem Transplantationsgesetz erfahren.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schuster?
Ich möchte, wenn Sie erlauben, Herr Kollege SchuBundesminister Horst Seehofer
ster, bei diesem Thema, im Zusammenhang sprechen.
Wir alle haben das bei der Vorbereitung dieses Gesetzes in den letzten zwei Jahren erfahren. Das lag nicht zuletzt daran, daß viele Menschen auf die Organspende und die Organtransplantation so sensibel wie auf kaum einen anderen Bereich der medizinischen Versorgung reagieren. Dieses Thema geht weit über medizinische Aspekte hinaus. Es geht hier auch um ethische und rechtliche Fragen des Zusammenlebens in einer Gesellschaft, die jeden einzelnen von uns unmittelbar betreffen. Es tauchen Fragen auf zur Grenzsituation unseres Daseins, Fragen, die über das eigene Leben hinausreichen.
Hier ist eine Dimension der persönlichen Betroffenheit und damit auch der persönlichen Verantwortung erreicht, die es im Zusammenhang mit medizinischen Möglichkeiten vorher so nicht gegeben hat. Deshalb ist es selbstverständlich, daß die Menschen in solchen Situationen verläßliche Orientierungen brauchen. Sie müssen sich darauf verlassen können, daß Mediziner, Juristen, Wissenschaftler und auch Politiker mit der Möglichkeit der Organspende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung höchst verantwortlich umgehen.
Von der Qualität unserer Antworten auf solche berechtigten Erwartungen wird die Einstellung der Menschen zur Transplantationsmedizin abhängen. Je besser es uns gelingt, mit unseren Antworten aus Skepsis Zuversicht, aus Unsicherheit Sicherheit und aus Mißtrauen Vertrauen zu schaffen, desto eher wird die Bereitschaft zur Organspende steigen, die leider in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Je mehr Menschen sich in Deutschland zur Organspende bereit erklären, desto mehr kann schwerkranken Menschen durch die Transplantationsmedizin geholfen werden.
Meine Damen und Herren, ich bin froh, daß wir uns bei allen Unterschieden in einzelnen Punkten doch darüber einig sind: In der Bundesrepublik Deutschland müssen sich mehr Menschen zur Organspende bereit erklären. Wir können uns auf Dauer nicht auf die hohe Spendebereitschaft unserer Nachbarländer verlassen. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, daß ohne deren Hilfe ein großer Teil der Transplantationen in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchgeführt werden kann. Nur 5 Prozent derjenigen, die für eine Explantation in Frage kommen, haben einen Organspendeausweis. Wir können diese hohe Spendebereitschaft unserer Nachbarländer nicht auf Dauer erwarten. Ich möchte betonen, daß es für ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland auf Dauer moralisch auch nicht vertretbar wäre, Organtransplantationen nur durchführen zu können, wenn Organe aus benachbarten Ländern eingeführt werden.
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Deswegen ist es schon unsere Aufgabe - ich denke, darüber besteht Einigkeit -, unseren Teil dazu beizutragen, die Spendebereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen. So wichtig manche Paragraphen und Regelungen sind, so sehr kommt es auch darauf an, daß wir - nicht nur als Bundesregierung, sondern auch alle Beteiligten in diesem Bereich - in den nächsten Monaten durch eine breitangelegte Motivations- und Aufklärungskampagne in der Bevölkerung darauf abzielen, daß sich mehr Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zur Organspende bereit erklären.
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Ein zweiter Punkt sollte von vornherein auch feststehen: Unsere Aufgabe kann nur sein, um Organspenden zu bitten. Wer hier fordert oder die Menschen zu einer Entscheidung drängen möchte, erreicht genau das Gegenteil. Auch die Ablehnung einer Organspende darf moralisch nicht abgewertet oder gar mißbilligt werden.
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Wenn der Eindruck entsteht, daß die Achtung vor dem Persönlichkeitsschutz Verstorbener nicht der Maßstab des Handelns oder Unterlassens ist, dann werden wir das notwendige Vertrauen in die Transplantationsmedizin nicht erreichen.
Wir brauchen deshalb eine Lösung, die garantiert, daß die Würde des Menschen, auch eines toten Menschen, nicht im Namen fremden Wohlergehens verletzt wird, eine Lösung, die diese besondere Hilfe erbittet und nicht erzwingt, eine Lösung, die auch Grenzen für die Organentnahme setzt. Das sind für uns unverzichtbare Bedingungen für ein Transplantationsgesetz.
Eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene ist bekanntlich erst seit kurzer Zeit möglich. Denn wir als Bund haben erst durch die Grundgesetzänderung Ende 1994 die Gesetzgebungskompetenz erhalten. Damit sind nun die rechtlichen Voraussetzungen für eine umfassende Regelung des Transplantationsrechts durch den Bund geschaffen worden.
Die Leitlinie für die gesetzliche Regelung steht fest: Die Organentnahme und alle mit ihr verbundenen Maßnahmen müssen unter Achtung des Willens und der Würde des Organspenders durchgeführt und auf das medizinisch unerläßliche Maß beschränkt werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger hat für mich höchste Priorität. Die zu Lebzeiten abgegebene Erklärung zur Organspende hat absoluten Vorrang und ist von jedermann strikt zu beachten. Um so wichtiger ist auch die Frage, wie wir diese zu Lebzeiten abgegebene Willenserklärung künftig sicher dokumentieren.
Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der Frage, ob nun die Zulässigkeit der Organentnahme ausschließlich an eine zu Lebzeiten dokumentierte Einwilligung geknüpft werden soll oder ob nicht unter bestimmten Voraussetzungen auch die Angehörigen Verstorbener entscheiden können. Die Vertreter der sogenannten engen Zustimmungslösung, bei der es also auf die Willenserklärung des Betroffenen zu Lebzeiten ankommt, knüpfen die Zulässigkeit der Organentnahme ausschließlich an eine zu Lebzeiten
dokumentierte Einwilligung. Ich glaube, nachdem ich mich seit vielen Jahren intensiv mit diesem Komplex befaßt habe, daß dieser Weg uns nicht weiterführt. Ich wage sogar das Urteil: Dieser Weg wäre möglicherweise sogar das Ende der Transplantationsmedizin für lebenswichtige Organe in Deutschland. Ein Ende der Transplantationsmedizin wiederum würde die Gefahr des Organhandels in Deutschland, aber jedenfalls die der Verlagerung der Transplantationsmedizin in das Ausland heraufbeschwören.
Ich denke, daß wir, wenn gelegentlich über die Zwei-Klassen-Medizin diskutiert und gesprochen wird, eines nicht zulassen dürfen, nämlich daß die Organspende, die Transplantationsmedizin und die Organübertragung zu einem Privileg für jene Menschen werden, die es sich leisten können, ihre persönlichen Wünsche im Ausland zu befriedigen.
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Sie mögen möglicherweise zu der Schlußfolgerung kommen, daß die Analyse, daß die enge Zustimmungslösung zum Ende der Transplantationsmedizin in Deutschland führen könnte, überzogen ist. Aber man muß ganz nüchtern sehen - es ist schon gesagt worden -: Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland etwa 900 000 Todesfälle im Jahr. Nun verhält es sich keineswegs so, wie oft oberflächlich geurteilt wird, daß wir dann, wenn sich von diesen 900 000 einige Tausend zusätzlich zur Organspende bereit erklären würden, das Problem gelöst hätten und daß auch die Frage, ob man Angehörige einbeziehen muß, in den Hintergrund treten würde. Man muß wissen - das ist keine politische Schlußfolgerung, sondern das Ergebnis aller Mediziner und Wissenschaftler -, daß von diesen 900 000 jährlichen Todesfällen tatsächlich nur etwa 5 000 Verstorbene potentiell für eine Organspende in Frage kommen.
Es kommt dabei darauf an, daß die medizinischen Faktoren stimmen, daß das Alter stimmt. Es kommen ohnehin nur Patienten und Verstorbene in Frage, die während einer intensivmedizinischen Behandlung sterben. Nun muß man diese Zahl von 5 000 potentiell Verstorbenen, die jährlich überhaupt nur für eine Organspende in Frage kommen, zu dem Bedarf in der Bundesrepublik Deutschland in Beziehung setzen, der, je nach Organ, bei einigen Tausend, ungefähr 3 000 bis 4 000, im Jahr liegt. Eine enge Zustimmungslösung würde nun voraussetzen, daß praktisch jeder der potentiellen Organspender in der Bundesrepublik Deutschland zu Lebzeiten positiv erklärt, daß er zu dieser Organspende bereit ist. Ich glaube, trotz aller Bereitschaft, Aufklärungs- und Informationskampagnen zu starten: Dies wäre eine unrealistische Annahme. Es nutzt nichts, wenn von den 900 000 Sterbefällen im Jahr 300 000 oder 400 000 Personen ihre Zustimmung erklären, wenn sie wegen der medizinischen Faktoren oder ihres Alters oder wegen der Art des Ablaufs des Sterbeprozesses, nämlich außerhalb einer intensivmedizinischen Behandlung, für eine Organspende und -übertragung überhaupt nicht in Frage kommen.
Deshalb bin ich überzeugt und plädiere dafür, daß wir ohne Einbeziehung der Angehörigen nicht auskommen. Nach meiner Vorstellung sollen die nächsten Angehörigen, die den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen ja am besten beurteilen können, im Einzelfall die Entscheidung über eine vom Arzt beabsichtigte Organentnahme treffen können, allerdings - das kann man nicht oft genug betonen - nur dann, wenn der Betroffene selbst zu Lebzeiten keine Erklärung zur Organspende abgegeben hat. Ich möchte auch bei weltweiter Betrachtung darauf hinweisen, daß die Beteiligung der Angehörigen in diesen Fällen immer stattfindet, ganz gleich, für welche Lösung man sich entscheidet. Es ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen: Auch bei einem eindeutigen Ja eines Verstorbenen zur Organspende werden ohnehin in der Praxis die Angehörigen vor der Entnahme immer einbezogen.
Es gehört schon immer zum ärztlichen Selbstverständnis, den nächsten Angehörigen in Grenzsituationen beizustehen und sie über alle Entscheidungen bei der Behandlung zu informieren, gerade auch bei einer intensivmedizinischen Behandlung.
Deshalb ist es für mich selbstverständlich und ein Gebot der Pietät, die Angehörigen in die Entscheidung über eine Organentnahme einzubeziehen - auch dann, wenn sich der Betroffene zu Lebzeiten erklärt hat. Natürlich können die Angehörigen den Willen des Verstorbenen nicht revidieren. Ich möchte darauf hinweisen, daß bei allen Zweifelsfällen, beispielsweise wenn Kinder in einen Konflikt darüber geraten, ob beim Vater entnommen werden soll oder nicht, eine Organentnahme gesetzlich ausgeschlossen ist.
Ich weiß aus der Praxis, daß diese Einbeziehung von Angehörigen gerade bei einer intensivmedizinischen Behandlung ungeheuer schwer und belastend ist. Man kann überhaupt nicht oft genug darauf hinweisen, daß sich dieser Prozeß für alle Beteiligten in Grenzsituationen des Lebens abspielt: für die Angehörigen, die einen lieben Mitmenschen verloren haben, aber auch für die Ärzte und das Pflegepersonal, die den Kampf um das Leben eines Menschen verloren haben.
Deshalb sollte sich niemand überhöhen und glauben, er könne als Vormund, als Reglementeur auftreten. Aus diesem Grund kommt es so entscheidend darauf an, immer wieder darauf hinzuweisen, daß es auch bei der erweiterten Zustimmungslösung nicht darum gehen kann, daß der Staat bevormundet oder reglementiert. Es darf auch bei der erweiterten Zustimmungslösung allein und entscheidend nur auf den Willen der betroffenen Menschen ankommen.
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Das bedeutet: Auch für den, der mit dem Thema Probleme hat, der befürchtet - was in der Öffentlichkeit gelegentlich diskutiert wird -, das medizinisch Notwendige würde nicht mehr getan, weil auf Grund eines Transplantationsgesetzes nur noch Interesse an den Organen besteht, muß es möglich sein, sich zu Lebzeiten gegen eine Organentnahme zu entscheiBundesminister Horst Seehofer
den; und das muß respektiert werden. Wir sollten auch im Gesetzgebungsverfahren sorgfältig überlegen, wie wir dokumentieren und registrieren können, daß diese Willenserklärung auch im Todesfall zur Verfügung steht.
Für mich ist selbstverständlich, daß vor der Organentnahme mit Sicherheit festgestellt sein muß, daß der Spender tot ist. Der Mensch darf nicht etwa zugunsten eines Empfängers vorzeitig für tot erklärt werden. Es ist in erster Linie Aufgabe der medizinischen Wissenschaft, die Methoden der Todesfeststellung zu definieren. Der Gesetzgeber muß dazu klare, einwandfrei nachweisbare und naturwissenschaftlich begründete Kriterien schaffen, die objektiv nachprüfbar sind.
Die ganz überwältigende Mehrheit der medizinischen Wissenschaft im In- und Ausland sagt: Der Hirntod ist ein sicheres Zeichen und damit ein zuverlässiges Kriterium dafür, daß der Tod eines Menschen eingetreten ist. Die Feststellung des Todes erfordert den Nachweis des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktionen. Dieser Nachweis erfolgt bei nur noch künstlich aufrechterhaltener Atmungs- und Kreislauffunktion durch spezielle klinische und apparative Untersuchungen.
Natürlich spricht der äußere Anschein für einen scheinbar noch lebenden Menschen. Deshalb ist es verständlich, daß manche am Todeseintritt zweifeln. Doch dieser Schein trügt; denn mit dem endgültigen, nicht mehr behebbaren Ausfall aller Hirnfunktionen ist die Grundlage und das Wesensmerkmal des Menschen, die körperlich-geistige Einheit, die ihn als Individuum konstituiert, unwiderruflich zerbrochen. Von einigen Medizinern wird dieser Zustand besonders drastisch als „innere Enthauptung" umschrieben.
Ich möchte an dieser Stelle Bischof Lehmann, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, zitieren, der vor wenigen Wochen zur Frage der Bewertung des Hirntodes folgendes klargestellt hat:
Der Hirntod ist in gewisser Weise auch ein unsichtbarer Tod. Insofern ist ein gewisses Mißtrauen vieler Menschen, den Hirntod zum einzigen Maßstab der Feststellung des Todes zu erklären, verständlich. Es kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß der Hirntod zwar nicht einfach gleichzusetzen ist mit dem Tod des Menschen schlechthin, aber er ist auf seine Weise auch Ausdruck und reales Zeichen des Todes der Person. Darum ist der Hirntod eine nach heutigem Wissen akzeptable Festlegung der Todeszeitbestimmung und eine Methode der Todesfeststellung. Nicht mehr und nicht weniger.
Und die Evangelische Kirche in Deutschland führt in einer Stellungnahme vom 22. Juni 1995 aus:
Um die Situation angemessen beschreiben zu können, müssen wir die beiden Kriterien des Todeseintritts ({5}) von dem „Tod des Menschen" unterscheiden: Der Hirntod bedingt den Tod des Menschen als erlebendes, denkendes und handelndes Ich ({6}).
Und weiter:
Ein Hirntoter ist also ein Toter mit noch erhaltenen Körperfunktionen und nicht - wie die Kritiker behaupten - ein Sterbender mit lebendem Körper bei gestorbenem Gehirn.
Beide Stellungnahmen machen deutlich, daß es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein kann, die theologische oder philosophische Dimension des Todes zu beschreiben. Das Gesetz muß vielmehr verläßliche medizinische und naturwissenschaftliche Kriterien zum Nachweis des eingetretenen Todes benennen.
Meine Damen und Herren, es gibt - wie das heute verschiedentlich gesagt worden ist - keine neue Hirntodkonzeption. Die Todesfeststellung auf der Grundlage des nachgewiesenen Hirntodes ist bereits seit vielen Jahren, ja seit mehr als zwei Jahrzehnten weltweit - und auch in Deutschland - eindeutig medizinisch definiert. Wir erfinden also heute mit dem Transplantationsgesetz nicht etwa wegen der Transplantationsmedizin eine neue Todesfeststellung.
Ich weiß, daß sich trotz all dieser Tatsachen manche mit der Anerkennung des Hirntodes als sicheres Todeszeichen schwertun. Jeder von uns hat ein Recht darauf, in dieser schwierigen Frage zu einer persönlichen Entscheidung zu kommen, und ich denke, wir müssen diese Entscheidung auch akzeptieren.
Aber wir müssen auch so ehrlich sein - und diesen Hinweis erlauben Sie mir abschließend -, deutlich zu sagen: Wer den Hirntod nicht als Kriterium für den eingetretenen Tod des Menschen akzeptieren kann, müßte eigentlich zu der Konsequenz kommen, daß Transplantationen grundsätzlich abzulehnen sind. Denn es gibt zwischen Leben und Tod keine „Grauzone", die Spielraum für Interpretationen läßt. Erst der Tod rechtfertigt die Entnahme von Organen, denn auch das verlöschende Leben steht unter der uneingeschränkten und grundgesetzlich verbürgten Unantastbarkeit und Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens.
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Sich auf den Standpunkt zu stellen, der Hirntod bedeute nicht den Tod des Menschen, aber gleichwohl sei, wenn der Betreffende zu Lebzeiten zugestimmt habe, die Entnahme von Organen möglich, ist aus meiner Sicht eine verfassungs- und strafrechtlich höchst bedenkliche Position; denn der Staat darf eine aktive Tötung auch nicht kurz vor dem Todeseintritt oder zum Zwecke der Lebensrettung Dritter hinnehmen.
Es gibt dementsprechend heute schon strafrechtliche Vorschriften, nach denen die Tötung eines Menschen selbst auf dessen ausdrückliches Verlangen oder mit seiner Zustimmung strafbar ist. Von dieser Regelung kann es nach meiner Überzeugung keine Ausnahme geben - auch nicht für die Transplantationsmedizin.
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Meine Damen und Herren, wir brauchen Vertrauen. Das ist heute oft gesagt worden. Ich bin siBundesminister Horst Seehofer
cher, daß ein solches Transplantationsgesetz mit einer klaren rechtlichen Grundlage für die Organentnahme zu mehr Rechtssicherheit führt. Dies wiederum schafft mehr Vertrauen in der Bevölkerung. Ich hoffe, daß dieses zunehmende Vertrauen auch wieder zu mehr Bereitschaft zur Organspende in Deutschland führt.
Dieses Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, daß auch in Zukunft Menschen die berechtigte Hoffnung auf eine lebensrettende und lebenserhaltende Transplantation haben können - wie viele tausend Patienten vor ihnen auch. Es liegt an uns, durch ein gutes Gesetz und durch eine sachorientierte Debatte dieses Ziel zu erreichen.
Erlauben Sie mir eine persönliche Anmerkung, die sich auch an jene Medien richtet, die sich besonders für dieses Thema interessieren. Wir haben uns in allen Vorgesprächen auf folgendes verständigt: Wenn es ein Thema gibt, bei dem es nur nach dem Gewissen der einzelnen Kollegin oder des einzelnen Kollegen gehen kann, dann sollten wir bei der Beratung dieses Gesetzes und dieses Komplexes so manche politischen oder journalistischen Rituale ablegen. Mir gefällt es überhaupt nicht, wenn man auf der einen Seite für die Gewissensfreiheit in diesem Punkt eintritt, auf der anderen Seite dann aber Kommentare oder Schlagzeilen lesen muß: „Dreßler gegen Herta Däubler-Gmelin" oder „Schmidt-Jortzig gegen Seehofer" oder umgekehrt.
Ich finde, wenn man Gewissensfreiheit bejaht, dann muß man es als natürlichen Umstand einstufen, wenn Politiker und Politikerinnen in der Realität tatsächlich eine unterschiedliche Position einnehmen.
Herzlichen Dank.
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Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Abgeordnete Dr. Schuster.
Herr Minister, was uns trennt, ist die Frage des Hirntodes und, noch viel wichtiger, die Frage der bewußten Zustimmung. Und dies, obwohl ich als Arzt von den Problemen vor Ort weiß und mein eigener Bruder einer Nierentransplantation ein lebenswertes Leben verdankt.
Aber was uns eint, Herr Minister - und das haben Sie dankenswerterweise dargestellt -, ist die Forderung nach mehr freiwilliger Organspende.
Ich habe hier meinen Organspenderausweis mitgebracht. Wäre es nicht ein positives Signal, Herr Minister, wenn aus Anlaß dieser Debatte mindestens jeder zweite Bundestagsabgeordnete so einen Freiwilligenausweis haben würde, wenn wir den Ärzten damit als gutes Beispiel vorangehen und sie bitten, das ebenfalls zu tun, und Sie, Herr Minister, mit den Möglichkeiten Ihres Amtes wirklich dafür sorgen,
eine öffentliche Kampagne zugunsten dieser freiwilligen Spendeform zu organisieren?
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Ich habe den Eindruck, Herr Minister, daß wir vielleicht die potentielle Spendebereitschaft unserer Bevölkerung unterschätzen, wir müssen sie nur seriös genug aufklären und angemessen dafür werben. Und darum würde ich heute bitten.
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Herr Dr. Schuster, ich stimme Ihnen völlig zu. Ich sagte ja auch, daß wir eine Motivations-, Aufklärungs- und Informationskampagne brauchen.
Ich werde beinahe täglich gefragt, für welche Organspende ich mich bereit erkläre, welchen Organspendeausweis ich führe. Ich sage, ich bin ein Organspender. Ich bin auch dafür, daß wir alles dazu beitragen, daß mehr Organe gespendet werden.
Aber ich finde, gerade bei diesem ernsten Thema sollten wir eine Grenze beachten, damit in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entsteht, Politiker würden - das haben Sie nicht getan - dieses Thema zur Selbstdarstellung mißbrauchen.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rudolf Dreßler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der wenigen entwickelten Länder, in denen die Spende, die Entnahme und die Übertragung menschlicher Organe gesetzlich nicht geregelt ist. Das bewirkt Rechtsunsicherheit bei Organspendern wie bei Organempfängern, vor allem aber bei transplantierenden Ärzten. Dies ist ein Zustand, der weder hinnehmbar noch länger verantwortbar ist.
Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern - vor allem aber den Patienten und Ärzten - schuldig, diesen Zustand zu verändern. Der Fortschritt in der Transplantationsmedizin, der die Zahl der operationstechnisch möglichen und ethisch verantwortbaren Transplantationen gewaltig gesteigert hat, legt uns allen die Verpflichtung auf, für Rechtssicherheit zu sorgen, und er legt uns die Verpflichtung auf, die dadurch für kranke Menschen entstandenen Chancen auf Genesung auch wirklich nutzbar zu machen.
Die heute zur Beratung anstehenden Vorlagen weisen aus, daß sich das gesamte Haus trotz unterschiedlicher Auffassungen in einem Teil der Probleme einig ist, dieser Verpflichtung gerecht zu werden. Die gesetzliche Regelung der Organtransplantation ist nicht nur ein Thema, das die freie Gewissensentscheidung eines jeden Mitglieds des Parlaments im Kern berührt, es ist leider auch ein hoch emotionales und damit auch ein emotionalisierbares Thema.
Alle diejenigen von uns, die sich in den letzten Wochen und Monaten mit der Erarbeitung der verschieRudolf Dreßler
denen Vorlagen befaßt haben, können davon nicht nur ein Lied singen, sondern sie können auch bezeugen, daß sie dabei bedauerliche Erfahrungen gemacht haben, Erfahrungen, auf die sie bei ähnlichen Gesetzesprojekten in Zukunft gerne verzichten möchten.
Mein Appell gilt daher allen Mitgliedern des Hauses, sich an der weiteren Emotionalisierung der Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema nicht zu beteiligen.
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Tun wir unsere Pflicht, wägen wir ab, und treffen wir die Entscheidungen, die wir vor unserem Gewissen verantworten können, aber instrumentalisieren wir nicht Angst oder Furcht, um dem einen oder anderen Lösungsweg einen vermeintlichen Platzvorteil in der Diskussion zu verschaffen!
Die gesetzliche Regelung der Organtransplantation darf keinen Boden für parteipolitischen Streit bieten. Die Mehrheit in diesem Hause jedenfalls hat das erkannt und hat sich zu einer gemeinsamen Vorlage entschlossen, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vornahme von Organtransplantationen regeln soll. Das ist begrüßenswert.
Wir haben für diejenigen Teile eines Transplantationsgesetzes, deren Regelung die freie Gewissensentscheidung jedes einzelnen berührt, ein Verfahren gewählt, das eine solche Entscheidung auch möglich macht. Die Frage der Todesfeststellung und des Umfanges, in dem eine Zustimmung zur Organtransplantation rechtsgültig werden soll, werden nicht in der gemeinsamen Vorlage, sondern in Gruppenanträgen geregelt, die frei von den üblichen Fraktionsbindungen erstellt worden sind.
Wir alle werden dafür zu sorgen haben, daß diese Gruppenanträge - und zwar jeder für sich - im Sinne der Antragsteller in den Ausschüssen so zu Ende beraten werden, daß eine Entscheidung über das letztendlich zu verwirklichende Modell erst in der Schlußberatung hier im Plenum des Deutschen Bundestages fällt. Wir sollten uns bewußt sein, daß dieses Verfahren von uns allen Rücksichtnahme, Fingerspitzengefühl und besonderen Respekt vor der jeweils anderen Meinung verlangt.
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Die gesetzliche Regelung der Transplantation berührt menschliche Urängste. Der Tod ist in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiertes Thema, nach dem Tode als Organspender zu dienen, demzufolge auch. Die Befürchtung vieler Menschen, zu einem Zeitpunkt zur Organspende herangezogen zu werden, zu dem man vielleicht noch nicht tot sein könnte, kommt hinzu.
Wir haben das zu berücksichtigen. Die Angst jedes einzelnen, im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung die rettende Organspende vielleicht nicht erhalten zu können, beschreibt dann die andere Seite dieses Problembündels. Seien wir uns bewußt, daß uns diese Ängste befangen machen, und stellen wir
das beim Umgang miteinander, wenn es um die gesetzliche Regelung der Organtransplantation geht, in Rechnung! Wir haben nicht nur die Verpflichtung, die Würde des Menschen auch in seinem Tode noch zu wahren, sondern wir haben auch die Verpflichtung, kranken Menschen zu helfen.
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Meine nächste Bitte ist: Spielen wir diese beiden Verpflichtungen nicht gegeneinander aus, sondern werden wir ihnen beiden gerecht!
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Nur dann werden wir nämlich eine gesetzliche Organtransplantationsregelung zustande bringen, die vor unserem Gewissen Bestand haben kann. Ich bin froh darüber, daß wir uns in so wesentlichen Fragen wie etwa dem Verbot von Organhandel und der Bestrafung von Organhändlern einig sind. Wenn es unser gemeinsames Ziel ist - und das scheint mir unstrittig zu sein -, die Spendenbereitschaft der Bevölkerung nachhaltig anzuheben, dann liegt in diesem Verbot einer der Schlüssel, um dieses Ziel auch zu erreichen.
In einem weiteren wesentlichen Punkt sind wir uns ebenfalls einig: Die ethisch und moralisch unanfechtbare Organtransplantation verlangt verantwortungsbewußte Ärzte. Wer verantwortungsbewußte Ärzte will, muß ihnen auch Verantwortung geben. Der gemeinsame Gesetzentwurf trägt genau diesem Grundsatz Rechnung. Wir schaffen Rechtssicherheit für die organentnehmenden und transplantierenden Ärzten, indem wir die Rahmenbedingungen für ihr Handeln festlegen, ohne ihre spezifisch ärztliche Letztverantwortung, die sie nur nach ihrem Gewissen treffen können, zu beeinträchtigen. Man kann das auch auf den Satz reduzieren, daß die gesetzliche Regelung der Organtransplantation den handelnden Arzt unterstützen muß, aber sich nicht an seine Stelle setzen darf.
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Kern der gesetzlichen Regelung in der Organtransplantation sind zweifellos jene Problembereiche, die nicht im fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf selbst, sondern in den Gruppenanträgen geregelt sind. Die allgemeine öffentliche wie auch die fachliche Diskussion der letzten Monate hat die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten eingehend beleuchtet: Widerspruchslösung, enge Zustimmungslösung, erweiterte Zustimmungslösung, Informationslösung waren dazu die Stichwörter.
Ich will keinen Hehl daraus machen, daß ich seit langem ein entschiedener Anhänger der Widerspruchslösung bin. Ich halte den gebotenen Respekt vor dem Tode des Menschen und die Würde des Sterbenden vereinbar mit dem Gebot zur Hilfe für unheilbare Kranke. Der Staat hat kein Recht, von seinen Bürgern die Einwilligung zur Organspende zu verlangen. Er hat auch kein Recht, sie dazu zu nötiRudolf Dreßler
gen oder durch indirekten Druck mehr oder weniger unfreiwillig zur Organspende zu bewegen. Dies steht außerhalb jeder Diskussion.
Aber für mich selbst steht auch außerhalb jeder Diskussion, daß dem Staat das Recht zukommt, seinen Bürgern aufzuerlegen, sich nach Abwägung aller Einwände und Gründe zu entscheiden und zur Möglichkeit einer Organspende persönlich zu äußern, sei es positiv, sei es negativ. Dies gelingt ethisch und politisch unanfechtbar nur auf dem Wege der Widerspruchslösung.
Ich weiß, daß bei den Mitgliedern des Hauses für diese Lösung eine Mehrheit nicht erreichbar ist. Deshalb habe ich auf einen Vorschlag in dieser Richtung verzichtet, der die Widerspruchslösung zu realisieren versucht, und habe mich statt dessen demjenigen der beiden Lösungsvorschläge angeschlossen, der meinen Vorstellungen am weitestgehenden entgegenkommt, und das ist die erweiterte Zustimmungslösung.
Wir sind uns sicherlich darin einig, daß die Bereitschaft der Bevölkerung zur Organspende in hohem Maße unbefriedigend ist und daß es unser aller Pflicht ist, diese Bereitschaft zu steigern. Allerdings kann dieses Ziel nicht auf dem Gesetzeswege erreicht werden, wie immer ein Gesetz im einzelnen auch aussehen mag. Die Steigerung der Spendenbereitschaft erreicht man nur durch das Bewußtsein von Sicherheit, durch das Bewußtsein von Vertrauen und Offenheit bei den Menschen. Gerade weil es um einen Themenkomplex geht, der menschliche Urängste berührt, brauchen die Menschen ein höchstmögliches Maß an innerer Gewißheit, um sich auch wirklich frei entscheiden zu können. Gesetze - ich wiederhole es - helfen da nicht. Sie können allerdings die Spendenbereitschaft negativ beeinträchtigen, etwa durch überzogene bürokratische Regelungen, etwa durch Regelungen, die zu Mißtrauen Anlaß geben, die Vertrauen, Sicherheit und Offenheit zerstören.
Der Gruppenantrag zur erweiterten Zustimmungslösung berücksichtigt diese Anliegen. Er schafft Vertrauen, und er schafft Rechtssicherheit, indem er den derzeit bestehenden gesetzlich nicht abgesicherten Zustand in der Organtransplantation auf eine vernünftige Rechtsgrundlage stellt und nur in einem einzigen, allerdings entscheidenden Punkt variiert.
Es hat in den vergangenen Monaten eine heftige Diskussion um das sogenannte Hirntodkriterium gegeben. Die Frage, ob ein Mensch tot ist, wenn seine Hirnfunktion unwiderruflich erloschen ist, wenn alles erloschen ist, was ihn als Person und Individuum ausmacht, hat die Medizin für sich bereits beantwortet, denn sie erlaubt in diesem Falle das Abschalten der die Restfunktionen aufrechterhaltenden Reparaturen und Gerätschaften. Nur weil der Hirntod der Tod des Menschen ist, dürfen alle Geräte abgeschaltet werden. Alles andere wäre für eine humane Gesellschaft in jeder Beziehung inakzeptabel.
Die Feststellung, das Erlöschen der Hirnfunktion, also der Hirntod, sei nicht der Tod des Menschen,
sondern lediglich der Beginn des Sterbens, halte ich nicht für tragfähig.
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Wenn es so wäre, hielte ich die Erlaubnis, funktionsstützende Apparaturen in diesen Fällen abschalten zu dürfen, für gegen die Rechtsordnung und gegen die Würde des Menschen gerichtet; ich könnte dies nicht akzeptieren.
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Die Vertreter der engeren Zustimmungslösung akzeptieren das Hirntodkriterium nicht. Für sie ist der Hirntod der Beginn des Sterbens. Die darauf aufbauende Schlußfolgerung, weil der Mensch noch nicht tot sei, sondern im Sterben liege, sich also in der Endphase seines Lebens befinde, sei nur er selbst, und zwar zu Lebzeiten, befugt, darüber zu entscheiden, ob ihm in diesem Stadium Organe entnommen werden können, halte ich für inakzeptabel. Für mich wäre es undenkbar, in einem Gesetz festgeschrieben zu sehen, daß einem Menschen, selbst wenn es „nur" in der Endphase seines Lebens ist, Organe entnommen werden können, die er zum Leben braucht. Die Zustimmung zu einer solchen Regelung könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, selbst dann nicht, wenn der eigentlich Betroffene im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte dieses Verfahren akzeptiert hätte.
Ich kann und werde nicht darauf verzichten, daß für mich eine Erlaubnis zur Organentnahme nur dann gilt oder gegeben werden darf, wenn der Betroffene tot ist. Wäre ich nicht überzeugt davon, daß der Hirntod dem Tod des Menschen gleichkommt, wäre ich lieber bereit, auf die Transplantationsmedizin vollends zu verzichten, als einer Lösung zuzustimmen, die die Organentnahme bei noch Lebenden erlaubt, auch wenn sie sich in einer unwiderruflichen Phase des Sterbens befinden.
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Ich halte die enge Zustimmungslösung, die die Organentnahme nur bei Zustimmung des Betroffenen erlaubt, sachlich und gesundheitspolitisch für falsch; denn sie erfaßt nicht alle denkbaren Möglichkeiten, in denen eine Antwort auf die Frage nach der Erlaubnis zu einer Organtransplantation erforderlich sein kann.
Das, meine Damen und Herren, ist mein politisches Urteil. Aber mit der Begründung, die engere Zustimmungslösung sei gleichsam die einzig mögliche Regelung, weil die Organentnahme schließlich am noch nicht toten Menschen erfolge, ist dieser Vorschlag für mich ethisch inakzeptabel.
Wir haben mit der erweiterten Zustimmungslösung gegenüber dem bestehenden Recht die Möglichkeit geschaffen, daß der Arzt - wenn keine Willensäußerung des Verstorbenen vorliegt - mit dem Angehörigen, der sich unter dem Druck der Situation nicht entscheiden möchte, eine Frist vereinbaren kann, in der sich dieser entscheidet, ob Organe entnommen
werden können oder nicht. Er kann darüber hinaus vereinbaren, daß nach Verstreichen der Frist die Erlaubnis als erteilt gilt, wenn sich der Angehörige nicht geäußert hat.
Diese Regelung ist neu gegenüber dem bestehenden Rechtszustand. Sie ist nicht nur moralisch einwandfrei, sie ist auch menschlich klug, weil sie weder bevormundet noch Rechte beschneidet, sondern in der Konsequenz Menschen hilft.
Erlauben Sie mir zum Abschluß einen Hinweis: Ich habe eingangs die hochemotionalisierte Atmosphäre erwähnt, in der die Entscheidung über die Organtransplantation getroffen werden muß. Vielleicht ist das anders nicht möglich. Aber ich bitte darum, daß man in der Öffentlichkeit, vor allen Dingen in den Medien, akzeptiert, daß hier Männer und Frauen sitzen, die nach ihrem Gewissen entscheiden.
Es ist unangemessen, Hysterie zu säen, wo Sachlichkeit, Rationalität und Verantwortungsbewußtsein erforderlich sind. Es ist unangemessen, die Mitglieder dieses Hauses durch Medienkampagnen, von welcher Seite auch immer, unter Druck zu setzen und sie an dem zu hindern, was ihre verfassungsmäßige Pflicht ist, nämlich sich nach ihrem Gewissen frei zu entscheiden.
Wir sollten uns alle gemeinsam dagegen verwahren, wenn man uns, wie geschehen, in einer aufgeputschten öffentlichen Atmosphäre von seiten unbesonnener Anhänger der Widerspruchslösung als Mörder beschimpft, weil wir nicht für die Widerspruchslösung sind. Und wir sollten uns alle dagegen verwahren, wenn man uns aus Kreisen der Anhänger einer engen Zustimmungslösung als Mörder beschimpft, weil wir für die erweiterte Zustimmungslösung oder für die Widerspruchslösung sind.
Das waren Begleiterscheinungen einer Debatte, die für mich unerträglich sind und die wir alle gemeinsam zurückweisen sollten.
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Deshalb meine Bitte: Gehen wir weiter fair miteinander um, diskutieren wir die Probleme, gegebenenfalls auch mit Leidenschaft, und kommen wir zu einem guten Vorschlag. Den sind wir der Bevölkerung unseres Landes endlich schuldig.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerald Häfner.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Vorbemerkungen: Erstens. In der Debatte über dieses Thema gehen die Auffassungsunterschiede quer durch alle Fraktionen dieses Hauses. Das sei auch Ihnen, Herr Thomae, gesagt. Die Feststellung, daß die SPD dankenswerterweise auf Ihrer Seite sei, ist falsch. Es gehört zur Aufrichtigkeit dieser Debatte, daß wir unterschiedliche Auffassungen nicht nur feststellen, sondern uns auch gegenseitig zugestehen.
Die zweite Vorbemerkung: Es gibt im ganzen Hause, soweit ich das wahrnehmen kann, niemanden, der Organtransplantationen ablehnt und dieses vielleicht größte Geschenk, das ein Mensch in seinem Sterben einem anderen Menschen machen kann, ihm die Hilfe zu geben, mit seinen Organen weiterzuleben, in irgendeiner Weise schlechtmachen, dem Menschen ausreden oder verhindern möchte. Im Gegenteil: Ich glaube, uns alle eint das Bemühen, dies zu ermöglichen und - Herr Minister Seehofer, Sie haben es vorhin schon gesagt - Vertrauen zu schaffen, als Grundlage für die Gesetzgebung; mehr noch: Es gehört in den Mittelpunkt unserer Gesetzesarbeit gestellt.
Ich will mich jetzt gar nicht in Einzelheiten zu den Entwürfen verlieren - dazu fehlt mir die Zeit -, sondern ich will die alles entscheidende Frage, die von sehr großem Gewicht für den Gesetzgeber ist, ansprechen. Die Grundfrage für die rechtliche Würdigung ist doch die Frage, ob es sich bei dem sogenannten Hirntoten um einen Lebenden oder Toten handelt.
Die Konsequenzen in menschlicher und auch rechtlicher Hinsicht sind völlig verschiedene. Unbestritten ist, daß der völlige Ausfall von Hirnfunktionen ein mit technischen Mitteln, also mit Hilfe von Geräten, feststellbares Indiz ist. Darin liegt wahrscheinlich seine Faszination, aber auch seine Problematik; denn es ist unbestritten, daß nach dem Hirnversagen noch eine ganze Reihe von Lebensfunktionen andauern und daß der Mensch, den man vor sich hat, gerade im üblichen Sinne kein Zeichen des Todes aufweist, also nicht wie eine Leiche kalt und starr ist, sondern warm, belebt, farbig usw.
Nun gibt es einen intensiven Expertenstreit darüber, wie das zu werten ist. Er geht quer durch die Mediziner, Naturwissenschaftler, aber auch Philosophen und Theologen. Zu behaupten, wie es geschehen ist, der sogenannte Gehirntod sei nach einhelliger Auffassung und unbestreitbar der endgültige Tod des Menschen, ist deshalb falsch. Es gehört auch hier zur Redlichkeit im Umgang miteinander, daß beide Seiten die Größe haben, zuzugestehen: Diese Frage ist umstritten.
Die zentrale Frage ist doch: Darf der Deutsche Bundestag, darf dieses Parlament in Vertretung des Volkes in einer pluralistischen Gesellschaft, in der verschiedene Auffassungen über das Leben und den Tod nebeneinander bestehen und bestehen können müssen, diese Frage definitorisch, abschließend in einem Gesetz in der Weise regeln, wie das in dem Entwurf von Seehofer und anderen vorgesehen ist? Ich meine, er darf dies auf gar keinen Fall. Er muß dies ausschließlich der individuellen Entscheidung der Menschen überlassen.
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Daran knüpft sich die zweite Frage. Wenn es hierüber unterschiedliche Auffassungen gibt: Darf dann
ein anderer, also ein Arzt, ein Angehöriger, ohne Zustimmung des Betroffenen darüber entscheiden, oder gilt die Würde des Menschen, die Unteilbarkeit der Person über diesen Punkt hinaus nicht auch für das Sterben?
Ich meine, es wäre ein unverzeihlicher Fehler, wenn der Deutsche Bundestag sich an dieser Stelle falsch entschiede. Ich möchte deutlich sagen, Herr Minister Seehofer: Dies würde das von Ihnen geforderte und gewünschte Vertrauen gerade nicht schaffen. Es schafft doch kein Vertrauen, wenn der Mensch das Gefühl haben muß, daß im Falle seines Sterbens, also in der Situation, in der etwa seinen Angehörigen mitgeteilt werden muß, daß er einen Unfall erlitten hat, daß der vollständige Ausfall der Gehirnfunktionen vorliegt, die Angehörigen, die erst einmal diese Nachricht verarbeiten müssen, gefragt werden: „Können wir die Organe entnehmen?";
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denn es ist nicht auszuschließen daß anders entschieden wird, als er selber es getan hätte, wenn er zu Lebzeiten seinen Willen geäußert hätte.
Vertrauen können wir nur schaffen, wenn wir deutlich sagen, daß die Würde des Menschen, der Schutz seiner Freiheit und seiner freien Entscheidung auch für den Tag seines Sterbens und seines Todes gilt. Er muß Vertrauen darüber haben können, daß kein anderer über ihn verfügt, es sei denn, er hätte dies selbst gewollt. Es geht uns also gerade nicht darum, hier irgend etwas von außen entscheiden zu wollen, irgendeine bestimmte Auffassung fundamentalistisch an die Stelle anderer zu setzen, sondern es geht darum, den Gesichtspunkt der Selbstbestimmung, der hier der einzige sein muß, in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn ein Mensch ein Testament machen will, würden wir auch niemals auf die Idee kommen, zu sagen: Das sollen ruhig andere für ihn machen. Die Frage ist also, ob der Verbleib des Sparkontos oder der Barockkommode von größerer Bedeutung ist als die Frage, was mit dem eigenen Herzen geschieht. Ich glaube, daß dies nur der Mensch selbst entscheiden kann.
Ich möchte noch etwas sagen: Das Bild vom Tod und der Umgang mit diesem ist in unserer Gesellschaft sehr verschieden. Es mag Menschen geben, die glauben, daß das wie An- und Abschalten ist: Der Schalter ist im Gehirn, und wenn das nicht mehr funktioniert, ist der Mensch tot. Ich sehe das anders - viele Menschen sehen das anders -, ich erlebe das auch anders. Ich bin zum Beispiel der Auffassung, daß es richtig ist - ich betreibe es auch selbst so -, daß man im Falle des Todes Totenwache hält. Mein Erlebnis ist, daß der Tote nicht von einem Moment auf den anderen nicht mehr da ist. Mein Erlebnis ist, daß das ein sehr allmählicher Prozeß ist, der verschiedene Stufen durchläuft. Ich möchte auch diesen Bereich keiner gesetzgeberischen Definition unterlegen, ich möchte auch in diesem Bereich die absolute Selbstbestimmung des einzelnen, also das, was im Grundgesetz geschützt ist. Dies betrifft nicht nur Art. 1 und 2 des Grundgesetzes, die Würde des Menschen, die Unteilbarkeit seiner Person und den
Schutz der körperlichen Unversehrtheit, sondern auch den Schutz und den Respekt vor unterschiedlichen Weltanschauungen im Umgang mit dem Tod. Ich bitte Sie, dies bei der Gesetzgebung zu beachten.
Dies ist der Grund, warum wir uns entschlossen haben, nicht einfach gegen Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen aufzutreten, einen Antrag dagegen einzubringen, der lediglich einige zentrale Fragen berührt, sondern warum wir mit ungeheurer Mühe in monatelanger Arbeit unter Hinzuziehung vieler Experten einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Mit ihm wird versucht, aus dem Geist der individuellen Selbstbestimmung heraus und ohne Verfügung durch andere diese Fragen zu regeln, und zwar konsequent in allen Einzelheiten.
Ich bitte Sie um gründliche Beratung dieses Entwurfs. Ich bitte Sie, zu bedenken, ob dies nicht auch im Sinne des für viele im Vordergrund stehenden Zieles, nämlich Menschen zum Spenden von Organen zu animieren, die weitaus bessere Lösung wäre. Ich jedenfalls bin dieser Auffassung.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Edzard Schmidt-Jortzig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche in der Tat nicht als Minister, sondern als Mitglied dieses Hauses. Es geht nicht darum, irgendeine Gremien- oder Kollegialmeinung zu verkünden, sondern jeder von uns muß sich in diesen Fragen ganz höchstpersönlich selbst entscheiden. Ich spreche also als Abgeordneter.
Eine Debatte jenseits von Fraktionszwängen, wie wir sie hier führen, in der wir offen diskutieren, ist nach meiner Überzeugung nicht nur das einzige, was der Bedeutung des Themas angemessen ist, sondern auch geeignet, das Ansehen des Parlaments zu stärken.
Uns liegen drei Gesetzentwürfe und zwei Gruppenanträge vor. Ausgangspunkt unserer weiteren Debatte wird der Entwurf der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P. für das Transplantationsgesetz sein, der den alten Regierungsentwurf eines Gesetzes über den Organhandel vollständig in sich aufnimmt.
Der jetzige Fraktionsentwurf ist ein sogenanntes Omnibus-, Container-, Mantel- oder Rahmengesetz, welches die weitgehend unstreitigen Regelungen zusammenfaßt. Nur darauf, Herr Kollege Häfner, bezog sich die Bemerkung von Dieter Thomae, daß es wünschenswert gewesen wäre, wenn auch Sie sich an diesem Container-, diesem Mantelgesetz mit den unstreitigen Regelungen beteiligt hätten.
Die zwei entscheidenden Punkte, nämlich die Frage des Todeszeitpunktes und die Frage, welche
Art der Willensäußerung Voraussetzung für eine Organentnahme ist, sind in dem Fraktionsentwurf, welcher den „Container" bildet, bewußt ausgespart. Dazu finden sich in den beiden Gruppenanträgen alternative Antworten auf die schwierigen rechtlichen und ethischen Probleme im Zusammenhang mit der Organtransplantation selbst.
Ich will als erstes auf einen Punkt hinweisen, den man sicher nicht oft genug und deutlich genug unterstreichen kann. Die mit diesem Fraktionsentwurf geplante umfassende gesetzliche Regelung der Spende, Entnahme und Übertragung von Organen ist notwendig. Nur eine klare bundesgesetzliche Regelung, wie sie die Koalitionsvereinbarung im übrigen für die 13. Legislaturperiode vorsieht, kann bestehende Rechtsunsicherheiten ausräumen.
Zum einen ist eine Regelung erforderlich, weil die Entnahme von Organen aus einem menschlichen Körper - egal, wie man den Todeszeitpunkt definiert - sicher einen Grundrechtseingriff darstellt. Auch müssen sich gerade bei der Entnahme lebenswichtiger Organe die handelnden Ärzte darauf verlassen können, daß ihnen der strafrechtliche Vorwurf einer Tötung erspart bleibt. Ebenso wichtig ist es für potentielle Spender von Organen, daß ihre Entscheidung über eine Spende einen verläßlichen rechtlichen Rahmen der Umstände vorfindet.
Ein solcher Rahmen, verbunden mit einer umfassenden Aufklärung der Bevölkerung über die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen, wird dazu beitragen, daß sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu Lebzeiten für eine Organspende entscheiden. Jedenfalls ist das die Hoffnung, die ich damit verbinde. Wir haben schon verschiedentlich die Aufrufe aus unserem Kreis gehört, sich an dieser Vertrauensbildung in die Öffentlichkeit hinein zu beteiligen.
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Schließlich ist es wichtig, eine Rechtsgrundlage für die Verteilung der durch Spende gewonnenen Organe zu schaffen. Das Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz gebietet, daß nach festgelegten sachgerechten Kriterien entschieden wird, welcher Patient ein Organ erhält. Deshalb sind insgesamt in der Tat klare rechtliche Vorgaben für die Entscheidungsoptionen, das Äußerungsverfahren und die ärztliche Umsetzung nötig. Ein bewußtes Nichtregeln des Problemkomplexes, weil sich die Fragen menschlicher Normierungsanstrengung entziehen, darf es nicht mehr geben.
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Meine Damen und Herren, die erste Frage, die inhaltlich beantwortet werden muß, ist die Frage nach dem Ende des menschlichen Lebens bzw. nach dem Zeitpunkt, ab dem von uns rechtlich, aber vor allen Dingen auch ethisch eine Organentnahme zugelassen werden kann.
Für den Zeitpunkt, an dem menschliches Leben endet, gibt es zwei Ansatzpunkte, nämlich den sogenannten Herztod, also den endgültigen, nicht behebbaren Stillstand von Herz und Kreislauf, und den sogenannten Hirntod, also den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion.
Einig sind sich die Antragsteller beider Gruppenanträge darin, daß mit dem Herztod menschliches Leben endet. Endet menschliches Leben aber auch schon mit dem endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion?
Für diesen Ansatz spricht, daß mit dem irreversiblen Hirnversagen geistige Steuerungsfähigkeit als Ausdruck des Menschseins unmöglich wird, die verbleibende Hülle also ihre Beseeltheit verliert. Macht das aber den für die Organentnahme entscheidenden Aspekt aus? Ich zweifle daran.
Ich will diese Zweifel in einige Fragen kleiden: Kann man über einen menschlichen Körper, dessen Herz noch schlägt, wie über einen leblosen Leichnam verfügen? Ist er, dieser noch lebende, noch funktionierende, noch vegetativ reagierende Körper, - um es in zivilrechtlichen Kategorien zu sagen -, bloße Sache? Oder spielt eben nicht doch noch anderes für die ethische, aber auch - ganz hart - strafrechtliche Beurteilung eine Rolle? Ich meine, einige Beobachtungen geben in diesem Zusammenhang zu denken.
Der menschliche Körper, dessen Hirnfunktion irreversibel ausgefallen ist, dessen Herz aber noch schlägt, reagiert noch, wenn auch nur auf der Ebene des vegetativen Nervensystems. Es gibt eindringliche und sehr bewegende Schilderungen von Menschen, die bei Angehörigen erlebt haben, daß der hirntote Menschenkörper noch reagiert hat. Die Reaktionen sind so ausgeprägt, daß die Ärzte Organentnahmen in der Regel unter Narkose ausführen.
Auch die Parallele zu Menschen im Koma gibt zu denken. Ich erinnere zum Beispiel an den jüngst berichteten Fall - er ist groß durch die Presse gegangen - einer Amerikanerin, die in ihrer jahrelangen Bewußtlosigkeit sogar schwanger wurde und das Kind austrägt. Ich erinnere an den ebenfalls ganz aktuellen Fall einer von der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit betroffenen Engländerin, die im Koma ein körperlich gesundes Baby entbunden hat, bevor sie starb. Natürlich erinnern wir uns auch noch an die Mutter des sogenannten Erlanger Babys, die in der Tat hirntot war. Machen also nicht doch andere Dinge als die bloßen Hirnfunktionen den Menschen aus, sind zumindest Faktoren seines Lebens?
Aus meiner Sicht spricht nach alledem manches dafür, die Phase zwischen dem irreversiblen Ausfall der Hirnfunktion und dem Herztod eher als einen Zustand des Übergangs in den Tod, nämlich als „verlöschendes Leben", als ein „Noch-Funktionieren" des menschlichen Körpers einzustufen.
Aus rechtlicher Sicht muß sich, wie ich glaube, an der möglichen Zulässigkeit der Organentnahme auch dann nicht zwingend etwas ändern.
Wenn man den irreversiblen Ausfall der Hirnfunktion nicht als definitiven Todeszeitpunkt akzeptieren will und die Phase bis zum Herztod als verlöschendes Leben betrachten würde, wäre die Entnahme von
Organen zwar sicher ein Eingriff in grundrechtliche Schutzgüter, aber noch nicht zwingend und in jedem Fall eine strafbare Tötungshandlung, selbst wenn nun durch Entnahme eines funktionswichtigen Organs zwangsläufig der Herztod eintritt.
Drei Überlegungen drängen sich, glaube ich, bei meiner These, daß es nicht zwingend eine strafbare Tötungshandlung sein muß, auf:
Zum einen könnte man daran denken - in den Debattenbeiträgen sind schon viele Überlegungen in dieser Richtung angeklungen -, eine Güterabwägung zwischen dem verlöschenden Leben und dem vollwirksamen Leben vorzunehmen, das durch eine Organtransplantation gerettet wird. Dann dürfte der Gesetzgeber wohl zu dem Ergebnis kommen, eine Entnahme von Organen auch bei verlöschendem Leben rechtlich mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben zuzulassen. Ich will nicht verschweigen, daß mir persönlich eine solche Abwägung heikel erscheint; aber möglich könnte sie sein.
Zum anderen könnte man auf das Argument aus dem Wodarg-Antrag setzen, daß nämlich nur wegen der Organentnahme die lebenserhaltenden Apparaturen überhaupt eingeschaltet wurden oder länger in Betrieb bleiben. Man disponiert also nur noch über ein künstliches, technisches Weiterfunktionieren.
Zum dritten schließlich müßte ein solches Beenden der menschlichen Körperfunktionen nicht von vornherein rechtfertigungsunfähig sein. Denn insofern jedenfalls bestehen entscheidende Dimensions-, Substanz- und Ethikunterschiede zum menschlichen - ich will es einmal so nennen - „Volleben", das heißt zur geistig gesteuerten oder jedenfalls noch steuerbaren Existenz.
Insgesamt müßte der Gesetzgeber also Handlungserlaubnisse geben können. Ich sage klar, daß nach meiner Auffassung beide Alternativen, beide Gruppenanträge insoweit verfassungskonform sind.
Meine Damen und Herren, die andere Frage, die der Rahmenentwurf - Mantel-, Container-, Omnibusentwurf - ausspart, ist, welche Anforderung der Gesetzgeber an die der Organentnahme zustimmende Willensäußerung stellen soll.
Auch hier sind sich die beiden Gruppenanträge insoweit einig, als dem Menschen zu Lebzeiten die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich endgültig für oder gegen eine Entnahme von Organen nach irreversiblem Ausfall seiner Hirnfunktionen zu entscheiden oder diese Entscheidung auf seine Angehörigen zu übertragen. Auch dann ist ja eine eigene Willensäußerung die entscheidende Causa gewesen.
Umstritten ist, ob eine Organentnahme zulässig sein soll, wenn keine Verfügung zu Lebzeiten getroffen wurde. Die erweiterte Zustimmungslösung überträgt in diesem Fall die Verantwortung für die Entscheidung über die Organentnahme auf die Angehörigen, die über das verlöschende Leben eine Verfügung treffen müßten. Die engere Zustimmungslösung verneint dies im Regelfall. Bei beiden Anträgen gibt es natürlich noch Modifikationen.
Hier muß sich jeder von uns Abgeordneten nach seinen ureigenen Maßstäben entscheiden. Aber ich sage auch unmißverständlich: Beide Alternativen sind meines Erachtens klar verfassungskonform.
Ich persönlich stehe dabei - das will ich nicht verschweigen - einem Eingriff in das verlöschende Leben ohne Einverständnis des Sterbenden eher skeptisch gegenüber. Über das selbst nur noch vegetative Funktionieren des menschlichen Körpers kann meines Erachtens nur von seinem ehemals beherrschenden Willen verfügt werden. Aber, wie gesagt, das kann man sicherlich auch anders sehen.
Lassen Sie uns jedenfalls über alle diese schwierigen Fragen in den anstehenden Ausschußberatungen noch vertieft und ernsthaft nachdenken.
Vielen Dank.
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christina Schenk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Dr. Ruth Fuchs hat schon darauf hingewiesen, daß es in der PDS-Bundestagsgruppe zu der Frage der Organspende unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich spreche hier für den Teil der Bundestagsgruppe, der dem Hirntod-Konzept außerordentlich skeptisch gegenübersteht und deshalb eine enge Zustimmungsregelung befürwortet. Dafür möchte ich hier die Gründe erläutern.
Für die gesetzliche Regelung der Organtransplantation ist es von entscheidender Bedeutung, ob man einen hirntoten Menschen für einen Toten oder für einen Sterbenden hält. Der Tod ist mit dem Erlöschen der Personenrechte verbunden; Sterbende hingegen haben ein unveräußerliches Recht auf Respektierung ihrer Würde und ihrer körperlichen Integrität.
Im Unterschied zum althergebrachten Verständnis und Erleben von Tod als Ausfall der drei grundlegenden Lebensfunktionen - Kreislauf, Atmung und zerebrale Steuerung - ist der Hirntod keine eindeutige Zustandsbeschreibung für einen Menschen. Der Hirntod ist lediglich eine medizintechnische Übereinkunft, die bei Erfülltsein bestimmter Kriterien die Entnahme von Organen für ethisch zulässig erklärt und zugleich garantiert, daß die Organe noch in einem für die Transplantation erforderlichen Zustand sind. Das heißt, die Transplantationsmedizin hat einen Paradigmenwechsel im Verständnis des Todes zur Voraussetzung. Dessen sollten wir uns hier bewußt sein.
Es sprechen aus meiner Sicht eine Reihe von Fakten dafür, daß der Hirntod nicht mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden darf.
Erstens. Es gibt in der Medizin grundsätzlich keine hundertprozentige Diagnosesicherheit. Das gilt auch für die Diagnose Hirntod. Der Hirntod ist in dem Zeitraum, der für die Organentnahme relevant ist, mit
hoher Sicherheit, nicht jedoch zweifelsfrei feststellbar.
Zweitens. In dieser für die Transplantation relevanten Zeitspanne ist auch die Irreversibilität des Hirnversagens nicht mit absoluter Sicherheit diagnostizierbar. Es hat - das ist von Experten berichtet worden - bereits Fehldiagnosen gegeben. Der Hirntod markiert lediglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Punkt, von dem aus eine Rückkehr in den Wachzustand nicht mehr möglich ist.
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Drittens. Bei der Organentnahme kommt es zu einem Blutdruckanstieg und sogar zu Bewegungen des als hirntot definierten Menschen. Deshalb erfolgt die Organentnahme stets unter Narkose. Es kann daher nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß der Spender oder die Spenderin die Organentnahme nicht doch in irgendeiner Weise wahrnimmt. Aus der Tatsache, daß ein Reiz nicht beantwortet wird, wie es in den Kriterien für die Feststellung des Hirntods vorgesehen ist, kann nicht geschlossen werden, daß dieser Reiz nicht wahrgenommen wird. Die Annahme, ein hirntoter Mensch würde nichts mehr empfinden, kann sich als furchtbarer Irrtum erweisen.
Viertens. Der Hirntod, so wie er bisher definiert worden ist, ist nicht mit Notwendigkeit der Tod des gesamten Gehirns. Die Bezeichnung „Hirntod" ist insofern ein irreführender Begriff. - Man hat versucht, dem Rechnung zu tragen, indem man den Begriff des Teilhirntods an seine Stelle gesetzt hat. - Es sind bei sogenannten Hirntoten Organ- und Zeltfunktionen nachgewiesen worden, selbst Hirnströme, Hormonausschüttungen, Glukosestoffwechsel und anderes. Es hat Schwangerschaften bei hirntoten Frauen gegeben.
Bei etwa 30 bis 70 Prozent der Hirntoten kommt es sogar zu motorischen Leistungen. In der Regel werden diese als bedeutungslose Reflexe oder Automatismen bagatellisiert, die lediglich im Rückenmark ihren Ursprung hätten. Das mag sein; aber es ist auch da wieder nicht sicher, daß in der Zeitspanne, die für die Organentnahme wichtig bzw. interessant ist, diese Reflexe oder Vorkommnisse im Rückenmark nicht doch vom Organspender wahrgenommen werden können. Das heißt, Teile des Gehirns können noch aktiv sein, obwohl nach den vereinbarten Kriterien der Hirntod bereits eingetreten ist.
Für mich ergibt sich daraus die Schlußfolgerung, daß der Hirntod nicht mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden darf. Ein hirntoter Mensch stirbt; aber er ist nicht tot. Daraus folgt zwingend, daß eine Organentnahme nur mit Einwilligung des oder der Betreffenden vorgenommen werden darf. Der Schutz der Persönlichkeit und das Recht auf Selbstbestimmung sind unantastbar. Ich bin sehr froh darüber, daß eine Widerspruchsregelung in keiner der hier zu beratenden Vorlagen in Erwägung gezogen wird.
Gegen eine erweiterte Zustimmungsregelung sprechen aus meiner Sicht zwei Gründe.
Erstens. Das Persönlichkeitsrecht Sterbender ist unverletzlich. Es kann daher den Angehörigen nicht zustehen, die Zustimmung zur Organentnahme zu erteilen, wenn der oder die Betreffende eine diesbezügliche Entscheidung nicht selbst getroffen hat. Der Wille des oder der Sterbenden ist nicht durch Mutmaßungen oder durch eine Erklärung der Angehörigen ersetzbar.
Zweitens. Für die Angehörigen ist die Situation, in der die Frage nach einer Organspende gestellt wird, außerordentlich belastend.
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Die Hirntoddefinition ist abstrakt. Sie ist im Gegensatz zum Tod als Verlöschen sämtlicher Lebensfunktionen sinnlich nicht nachvollziehbar. Ein hirntoter Mensch, dessen Atmung und Kreislauf zum Zweck der Organentnahme technisch aufrechterhalten werden, ist warm, hat durchblutete Haut, transpiriert, bewegt sich. In einer solchen Situation die Angehörigen mit dem Hinweis auf die mögliche Lebensrettung anderer moralischem Druck auszusetzen und ihnen die Frage zu stellen, ob sie einer Organentnahme zustimmen, ist aus meiner Sicht absolut unzumutbar. Die Angehörigen haben in dieser Situation überhaupt keine Chance, sich ausreichend mit der Frage nach der Zustimmung zur Organentnahme und der Tragweite ihrer Antwort auseinanderzusetzen, es sei denn, sie haben sich vorher schon damit beschäftigt.
Deshalb entspricht der Gesetzentwurf der Bündnisgrünen in der Frage der Organtransplantation voll und ganz meiner Auffassung. Ich werde mich dafür einsetzen, daß er auch aus der Bundestagsgruppe der PDS Zustimmung erfährt.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Frau Professor Süssmuth, CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung der heutigen ersten Lesung haben sich viele von uns intensiv mit der Frage von Transplantationen befaßt. Ich möchte an den Anfang den Dank an diejenigen stellen, die für die Vorbereitung verantwortlich waren. Mein Dank gilt in diesem Fall ganz besonders dem Minister und den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuß. Ich habe allein dreimal die Möglichkeit gehabt, intensive Gespräche zu führen. Ich sage das auch hier im Plenum, um deutlich zu machen: Es ist ein überaus schwieriger Entscheidungsprozeß.
Herr Dr. Wodarg, ich möchte gern die Transplantationsmediziner mit einbeziehen. Wir haben hier heute morgen gesagt: Es ist für alle Beteiligten ein schwieriger und von großer Verantwortung geprägter Entscheidungsprozeß. Daher ist unser Motiv, Leben zu retten und die Würde des Menschen zu schiltDr. Rita Süssmuth
zen, auch den anderen zunächst einmal zu unterstellen.
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Ich möchte die Transplantationsmediziner in den bereits ausgesprochenen Dank mit einbeziehen.
Ich bin der Auffassung, wir brauchen dringend eine gesetzliche Regelung. Schon aus meiner Zeit als Gesundheitsministerin kann ich all das bestätigen, was sich in den letzten Jahren eher verschärft hat. Wir müssen in einem Gesetz die notwendige Rechtssicherheit bei der Entnahme von Organen schaffen. Das muß mit dem verbunden werden, was hier bereits gesagt worden ist: Niemand hat einen Anspruch, und kein Mensch kann gezwungen werden, sich dazu zu verpflichten, daß ihm Organe entnommen werden können.
Aber lassen Sie mich heute morgen sagen: Wenn diese Fragen von Leben und Tod die existentiellsten der Menschen sind, dann kann ich nur mit einem Stück Traurigkeit feststellen, wie wenig das in unserer Gesellschaft, in Erziehung und Auseinandersetzung eine Rolle spielt.
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Wir erleben in der Intensivmedizin, daß bei Unfallpatienten die Familienangehörigen abrupt mit der erwähnten Situation konfrontiert werden und mit der dann getroffenen Entscheidung ein Leben lang nicht fertig werden. Wieviel Vorbereitung und Begleitung spielt denn hier eine Rolle, auch solange es Ländersache war? Was ist denn geschehen, um diese zentralsten Bereiche immaterieller Entscheidungen im Menschen ein Leben lang vorzubereiten und zu begleiten? Das gilt auch für die jungen Menschen. Der Tod ist nicht nur eine Frage für den alternden Menschen. Deswegen ist diese Auseinandersetzung unverzichtbar.
Jetzt möchte ich noch einmal auf den Punkt hinweisen, der für mich, aber auch für andere Kollegen Anlaß war, immer wieder das Gespräch mit Experten sowohl im medizinischen und ethischen als auch im juristischen Bereich zu suchen. Es ging nicht darum, den Hirntod zu bestreiten, sondern es ging um die Frage: Und was ist danach? Was ist mit der Diskrepanz zwischen meßbarer und feststellbarer Hirntodermittlung und lebensweltlicher Erfahrung? Dann beginnt die Schwierigkeit mit dem, was dann noch Leben ist. Es wird als Leben erfahren. Da war die eine Frage: Brauchen wir im Gesetz eine Legaldefinition des Todes - darum hat sich der Minister sehr gekümmert -, oder ist sie nicht verzichtbar? Ich möchte dies noch einmal ausdrücklich betonen: Diejenigen, die so fragen, stehen nicht vor der Alternative der Tötung auf Verlangen. Das kann keine Lösung sein.
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Das möchte ich ausdrücklich sagen, und das möchte ich auch den Alternativen nicht unterstellen.
Aber die Diskrepanz ist nicht aufgehoben zwischen dem, was Menschen sinnlich erfahren, und
dem, was ihnen gleichzeitig gesagt wird: Es ist ein Leichnam, er ist verstorben. Das Erleben ist gerichtet auf einen Sterbeprozeß.
Das, was Sie, Herr Kollege Schmidt-Jortzig, eben gesagt haben, ist das Prozeßhafteste, was wir erleben. Sind wir in der Lage, das zweifelsfrei zu definieren? Deswegen möchte ich im Blick auf die anstehenden Beratungen eine Bitte äußern. Ich habe den gemeinsamen Gesetzentwurf gelesen. Dort steht eindeutig: der Verstorbene. Es soll jeglicher Zweifel ausgeklammert werden. Ich befürchte, wir schaffen nicht mehr Vertrauen, wenn wir nicht auch diese Diskrepanz nicht nur als noch ein Restzucken darstellen, was mit dem Leben nichts mehr zu tun hat. Wer von uns ist eigentlich in dieser Hinsicht so sicher, daß er das weiß? Ich kenne die Bedenken gegenüber dem, was mir sehr naheliegt: Es ist ein irreversibler Sterbeprozeß. Es wird gesagt: Die Grenze zwischen Leben und Tod ist nicht eindeutig gesetzt.
Wenn wir mit den Mitteln der modernen Medizin zu neuen Verfahren kommen, dann hat das auch Auswirkungen auf unsere menschliche Sprache. Wir kommen meines Erachtens mit dem Phänomen gar nicht zu Rande, daß wir das, was sich dort lebensweltlich erfahrbar abzeichnet, auch bereits in Sprache kleiden können. Also bleiben wir dabei: Entweder es ist Leben oder es ist definitiv Tod, und dann tut sich nichts mehr. Deswegen ist für uns auch die Frage zu stellen sowohl in bezug auf die Angehörigen wie auf den Hirntoten: Wie gehen wir mit diesen Prozessen um, insbesondere im Rahmen der Sterbekultur? Auch da findet ein Stück Paradigmenwechsel statt.
Ich denke, gerade das gehört ganz entscheidend zur Aufklärung. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, daß wir Menschen sehr früh darauf vorbereiten, daß sie sich entscheiden, Leben zu retten, und diese Entscheidung auch für sich treffen.
Dennoch stimme ich nicht für eine enge, sondern für eine erweiterte Zustimmungslösung, und dies aus der Begründung heraus, daß ich uns Menschen nicht nur als vereinzelte Individuen ohne Sozialverbund verstehe und daß gerade die Beantwortung der Frage nach dem eigenen Wollen viel selbstverständlicher vor allem in den engsten Lebenskreis hineingehört. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Angehöriger, der nie durch dieses Thema berührt wurde - das gibt es heute zuhauf -, über den Willen seines Partners sprechen kann, wenn dies vorher nicht erkundet worden ist. Die Bedeutung dieser Fragestellung muß also Teil der Aufklärung sein. Der Sozialverbundsgedanke legt nahe, daß dies Inhalt von Gesprächen eng verbundener Menschen ist. Wenn sie über Leben und Tod nicht sprechen, dann frage ich mich, was das dann eigentlich für ein enger Verbund ist.
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Ich bin allerdings bezüglich der Widerspruchslösung aus folgendem Grund nicht nur skeptisch, sondern würde ihr auch nicht zustimmen: weil damit in erster Linie Angst vor erheblicher Mißbrauchsöffnung verbunden wäre. Deswegen besteht mein Nein
hierzu. Die Widerspruchslösung kann ethisch durchaus begründbar sein. In dieser Hinsicht möchte ich dem Kollegen Dreßler zustimmend antworten.
Mein Wunsch ist, daß wir in dieser Frage die Würde des Menschen bis in den letzten Augenblick erhalten. Es erfordert noch große Anstrengungen, die gesamte Frage des Sterbeprozesses von früher Kindheit und Jugend an wieder in das Leben zu integrieren und nicht zu tabuisieren und auszugrenzen. Wir sollten ferner dafür Sorge tragen, daß wir den Gedanken der Lebensrettung durch unsere eigene Entscheidung - mit unserem persönlichen Ja dazu, daß Organe, wenn sie denn brauchbar sind, transplantiert werden - frühzeitig in dem Entscheidungsprozeß einbringen. Ich halte es für unverzichtbar, daß wir bei aller Sicherheit, die wir erreichen wollen, nicht den Anspruch erheben, per Gesetzgeber nach wie vor bestehende Zweifel eliminieren zu können. Auch der Zweifel ist ein Teil, der verbleibt; denn das Gesetz beinhaltet die Formulierung „der jetzige Stand der Wissenschaft" .
Deswegen würde ich es als einen Verlust an Menschlichkeit und humaner Vernunft empfinden, wenn wir uns anmaßten, etwas zu definieren und festzulegen, owohl Zweifel und auch Offenheit gegeben sind. Wir können nur so viel Sicherheit ermöglichen, wie sie menschlicher Erkenntnis zugänglich ist.
Danke.
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Das Wort hat die Kollegin Däubler-Gmelin, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat bringt die Beratung und dann die Verabschiedung des Gesetzentwurfes über die Transplantation so viele Probleme mit sich, daß es gut ist, daß wir hier gemeinsam im Bundestag ein Verfahren gefunden haben, in dem wir die hauptsächlichen streitigen Fragen sehr offen - vielleicht auch kontrovers - und in allem Ernst, aber möglicherweise nicht nach parteipolitischen Grenzziehungen miteinander besprechen und entscheiden können.
Bei diesen Fragen, die wir hier besprechen und zu entscheiden haben, geht es ja um nicht weniger, aber auch nicht um mehr, als folgende Ziele miteinander zu verbinden.
Erstens. Wir brauchen Rechtsklarheit, übrigens für alle: für die Mediziner, die helfen wollen, für die Bürgerinnen und Bürger, die wissen müssen, was sie erwartet und was man ihnen zumutet. Ich persönlich zum Beispiel werbe für Organspenden. Aber wir benötigen auch in dieser Beziehung Klarheit. Wir brauchen Klarheit natürlich auch in bezug auf die Frage: Wie gehen wir denn eigentlich mit dem Leben in seiner letzten Phase, unmittelbar vor dem Tod, um? Das ist das eine.
Wir brauchen zum zweiten auch eine Erhöhung der Bereitschaft zur Spende von Organen. Das heißt,
es muß eine Regelung gefunden werden, für die wir dann auch werben können, für die wir dann Vertrauen erwarten und erhalten können. Deswegen ist nicht nur das Verfahren von hohem Interesse; vielmehr muß das Ganze auch inhaltlich stimmen. Was wir hier rechtlich beschließen, muß mit der Lebenswirklichkeit der Menschen und mit ihrem Wertebewußtsein und Wertegefühl übereinstimmen.
Zum dritten - ich darf das noch einmal wiederholen - sind wir gerade in einem Zeitalter, in dem die Entwicklung der Apparatemedizin ganz erstaunliche Fortschritte macht - eine Entwicklung, bei der es noch nicht sicher ist, ob sie für den Menschen nur Fortschritte bringt -, gehalten, die grundlegenden Werte unseres Grundgesetzes in allen Phasen menschlichen Lebens zur Geltung zu bringen. Deswegen darf ich nochmals betonen: Die Würde des Menschen, die Achtung und der Schutz des Lebens sind keine Aspekte, die uns nur dann zu interessieren brauchen, wenn es den „medizinischen Fortschritt" nicht stört. Vielmehr handelt es sich dabei um feste Werte, nach denen sich die Anwendung dessen zu richten hat, was heute medizinisch möglich ist.
Wenn wir diese drei Punkte betrachten, dann wissen wir auch, daß sehr viele Menschen von dem außerordentlich bewegt und betroffen sind, was wir im Zusammenhang mit dem Transplantationsgesetz diskutieren. Es berührt sehr viele. Deswegen sind die heute geäußerten Mahnungen zur Sachlichkeit natürlich trotzdem berechtigt. Nur, die Entscheidung darüber, ob ein Argument in unserem Zusammenhang als sachlich anzusehen ist, darf sich keineswegs allein darauf stützen - das auch, aber keineswegs alleine -, welchen Rat uns Transplantationsmediziner oder Mediziner allgemein, die helfen wollen - ich danke Ihnen, Frau Süssmuth, dafür, daß Sie gesagt haben, daß sie das wollen; auch ich gehe davon aus -, geben. Sie können uns Rat geben; sie müssen uns Rat geben. Aber sie können weder über Tod und Leben verfügen noch abschließend Probleme entscheiden.
„Sachlich", weil zur Sache gehörig, ist natürlich auch das, was uns kranke Menschen sagen. Wer kennt eigentlich nicht Menschen in seinem persönlichen Umkreis, die seit Jahren auf eine Spenderniere warten und sich deswegen quälen müssen, oder andere, die sich überlegen, ob sie sich nicht der Transplantation eines lebenswichtigen Organs unterziehen sollen? Das ist ja weder für die Betroffenen noch für die Mediziner so leicht, wie uns das manche - auch ärztliche - oberflächliche Stellungnahme glauben machen will.
„Zur Sache" gehören auch die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, die Angst haben, sich mit ihrem eigenen Tod, mit der Möglichkeit schwerer Krankheiten oder auch mit der Frage, was man dann eigentlich machen oder wie man sich verhalten soll, zu befassen. Ich glaube, daß wir ihnen zumuten müssen, sich diesen Fragen zu stellen, Farbe zu bekennen, Verantwortung zu übernehmen und selbst Antworten zu geben, weil der Tod zum Leben gehört. Das ist so. Und: Auch die Sorge jener Bürgerinnen
und Bürger gehört zur Sache, die Angst vor der Apparatemedizin haben. Das gibt es ja. Bischof Lehmann, den Sie zitiert haben, hat gestern darauf noch einmal ausdrücklich im Zusammenhang mit anderen Grenzbereichen des ausklingenden Lebens hingewiesen. All das gehört zur Sache und muß in unsere Entscheidung einfließen.
Es gehören jedoch noch Aspekte aus anderen Erfahrungsbereichen zur Sache. Einen möchte ich noch schildern. Ich betreue als Bundestagsabgeordnete Selbsthilfe-Patientengruppen und Angehörige von Apallikern. Das sind Kranke, Frau Phillip, bei denen alles das zutreffen kann, was Sie vorhin gesagt haben: irreversible Hirnschädigung, einige können ganz sicher - das merkt man, wenn man mit diesen Menschen umgeht -, nicht mehr kommunizieren, um mit Ihnen zu reden, es kommt zum Zerfall der Persönlichkeit, die nicht mehr kommunizieren kann, die Identität von Geist und Physis dieser Menschen ist nicht mehr gegeben. Es darf aber auch überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß diese Menschen in ihrem Zustand leben, zum Leben gehören.
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Das heißt, die Grenzlinie zwischen Leben und Tod verläuft nicht beim Zerfall der Persönlichkeit, sie verläuft nicht beim Auseinanderfallen von Physis und Kommunikationsfähigkeit, und sie kann auf keinen Fall bei der Frage der Irreversibilität, also der Unwiederbringbarkeit von Hirnfunktionen verlaufen.
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- Sie werden gleich feststellen, warum das so unglaublich wichtig ist.
Alle vier Bereiche hängen ganz unmittelbar und eng mit der Transplantation zusammen.
Ich habe Ihnen zusammen mit den anderen 90 Antragstellerinnen und Antragstellern - so viele sind es bisher - unseren Gruppenantrag vorgelegt, um Sie zu bitten, über unsere Argumente nachzudenken. Auch wir denken über das nach, was Sie uns sagen; darauf können Sie sich verlassen. Wir möchten gern auch von Ihnen Anregungen bekommen.
Daß wir nachdrücklich für die zwei wesentlichen Schwerpunkte unseres Antrags werben, hat gute Gründe. Wir haben aus der Anhörung der wissenschaftlichen Gutachterinnen und Gutachter, die uns in allen Bereichen, genauso wie Sie, beraten haben, also mit Hilfe des uns zur Verfügung stehenden Sachverstandes, versucht - so gut wir das konnten -, Folgerungen zu ziehen. Diese haben wir in unseren Antrag hineingeschrieben.
Unsere Anhörung hat auch gezeigt, daß es in allen Bereichen von Wissenschaften und Kirche sehr unterschiedliche Meinungen zu Fragen der Transplantation gibt: bei den Transplantationsmedizinern, bei anderen Fachmedizinern, bei Ethikern, in der katholischen Kirche, in den protestantischen Kirchen, bei Juristen, überall. Aber gerade diese unterschiedlichen Meinungen machen unsere offene Auseinandersetzung, unsere Diskussion hier im Bundestag so wichtig.
Der erste wesentliche Schwerpunkt unseres Antrages ist folgender: Der Tod des Menschen muß weiterhin das bedeuten, das bezeichnen, das heißen, was er seit Jahrtausenden bedeutet hat: Der Mensch muß unwiederbringlich tot sein; es darf keinen Zweifel daran geben, daß alle Körperfunktionen erloschen sind. Dies bedeutet: Hirnfunktionen und Herz- und Kreislauffunktionen müssen erloschen sein.
In den 70er Jahren haben wir unsere Diskussion nur aus strafrechtlicher Sicht geführt; ansonsten ging es im wesentlichen um Gewebeteile von Leichen. Man ist aus heutiger Sicht relativ eindimensional mit Transplantaten umgegangen und mußte deswegen auf die Frage des Todes gar nicht so genau eingehen. Das zeigen uns alle Diskussionsbeiträge aus dieser Zeit; man kann sie nachlesen.
Das medizinische Wissen ist mittlerweile fortgeschritten und zeigt uns: Man kann heute immer mehr komplexe Organe transplantieren, wenn man sie direkt vom Kreislauf des Spenders an den Kreislauf des Empfängers anschließt.
Ich verstehe aus medizinischer Sicht sehr wohl, daß man deshalb fragt: Wir suchen nach einem Zeitraum, dessen Beginn wir genau festlegen können, in dessen Verlauf diese Organentnahme möglich, aber auch notwendig ist; dieser Zeitraum muß unmittelbar und unwiederbringbar mit dem Tod enden. Daß man für den Beginn dieses Zeitraums den Ausfall aller Hirnfunktionen wählt, halte ich medizinisch gesehen für sachgerecht. Ich bezweifle auch nicht, daß dieser Ausfall von mehreren Ärzten festgestellt werden kann.
Ich registriere auch, daß Sie lediglich den vollständigen Ausfall aller Hirnfunktionen wollen. Die Diskussion in den USA - dort läuft alles auf einen teilweisen Ausfall der Hirnfunktionen hinaus - wollen Sie nicht mitmachen. Ich bezweifle auch nicht, daß Sie nicht noch weitergehen wollen. Aber auch das gibt es bei internationalen Ärztediskussionen deutlich. Gerade deshalb, Frau Philipp, ist es bei der Beantwortung der Frage „Wo grenzen wir Leben und Tod ab?" so wichtig, auf keinen Fall auf die Kommunikationsfähigkeit des Menschen abzustellen.
Unsere Sorge ist aber, daß wir, wenn wir von dem bisherigen, bekannten, für die Menschen nachvollziehbaren Begriff des Todes des Menschen abgehen, indem wir den Zeitpunkt des Todes sozusagen vorverlegen und Tod mit Hirntod gleichsetzen, nicht nur all die Bedenken nicht berücksichtigen, die Ihnen wie uns aus dem Bereich der Medizin und der Ethik vorgetragen werden - es gibt tatsächlich wie juristisch eine ganze Menge Probleme -, sondern natürlich auch das Vertrauen der Bevölkerung in eine gesetzliche Regelung nicht bekommen werden, weil genau das eintritt, was ich befürchtet habe: Der inhaltliche Regelungsgehalt eines Gesetzes stimmt dann mit der Lebenswirklichkeit des Menschen nicht überein, und der Wertegehalt des Gesetzes stimmt nicht mit den Wertegefühlen überein, die die Menschen haben. Das ist das eine.
Unser zweiter Schwerpunkt sagt folgendes: Weil der Hirntod unstreitig den Beginn der Sterbephase kennzeichnet, die irreversibel zum Tod führt, aber nicht den Tod des Menschen ausmacht, und weil dieser Hirntod den Zeitpunkt bezeichnet, von dem an die Organentnahme medizinisch möglich sein soll, haben wir ganz besonders zu prüfen gehabt, ob es ethisch verantwortlich und juristisch zulässig ist, in dieser Phase Organentnahme zu betreiben. Nach all dem, was wir gelesen haben, trifft beides zu.
Ich bin Herrn Schmidt-Jortzig sehr dankbar dafür, daß er unter verfassungsrechtlichem Aspekt Fragen gestellt hat, an die ich mich anschließen kann, die man aber auch beantworten muß, und zwar in dem Sinn, daß in der Verfügbarkeit des einzelnen Menschen über sein Leben, ausgedrückt in der höchstpersönlichen Zustimmung, die entscheidende Voraussetzung gesehen werden muß, damit in dieser Phase Organe entnommen werden können - nicht nach dem Tod, sondern in dieser Phase zwischen dem Hirntod, also dem Ausfall aller Hirnfunktionen, und dem Tod des Menschen.
({2})
Meine Damen und Herren, warum machen wir es uns eigentlich so schwer? Wenn die Medizin das jetzt kann, warum rücken wir dann nicht einfach mit dem Begriff des Todes nach? Wäre das nicht viel einfacher?
Ich darf es nochmals wiederholen: Wir tun es deswegen nicht, weil es der Lebenswirklichkeit der Menschen nicht entspricht, weil es unseren Grundwerten nicht entspricht und weil wir, wenn wir eine solche Regelung träfen, sehr bald wieder vor der gleichen Problematik stehen würden wie heute - mit der Angst der Menschen, mit der Sorge der Menschen, mit dem mangelnden Vertrauen der Menschen -, die Sie, Herr Seehofer, vorhin so eindringlich geschildert haben.
Ich will das nicht. Ich glaube auch nicht, daß die Auffassung richtig ist, daß wir die Menschen heute nicht so ernst nehmen dürften, wie das bei diesem Thema geboten ist. Ich glaube schon, daß wir das können. Deswegen sagen wir in unserem Antrag: Lassen Sie uns in das Transplantationsgesetz hineinschreiben: Der Ausfall aller Hirnfunktionen bezeichnet die Phase, in der Organentnahme rechtlich möglich ist, allerdings nur mit höchstpersönlicher Zustimmung. Lassen Sie uns den Menschen erklären, daß es in dieser Sterbephase aus christlicher Sicht oder auch aus ethischer Verantwortung heraus möglich und zulässig ist, einem anderen durch eine Organspende zu helfen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Angehörigen mit einer solchen Entscheidung faktisch, juristisch und ethisch überfordert sind und daß man sie ihnen deshalb auch nicht zumuten sollte. Ich glaube deswegen nicht, daß die Stellvertretung bei dieser höchstpersönlichen Zustimmung verantwortbar wäre, selbst wenn sie juristisch möglich sein sollte, was ich persönlich bezweifle. In der Anhörung haben uns viele Ärzte und Krankenschwestern gesagt, wie überfordert sich viele Angehörige fühlen, wenn sie von Ärzten angerufen werden, und daß das in vielen Fällen dann doch dazu führt, daß die Entscheidung auf Ärzte übertragen wird. Und da sind wir dann wieder mitten im Problem.
Herr Minister Seehofer, ich teile Ihre Auffassung, daß Ärzte beraten, helfen, Sachverstand einbringen und ausführen können und müssen. In dieser Hinsicht sind sie wirklich unverzichtbar. Aber Ärzte können die Entscheidung den Betroffenen genausowenig abnehmen, wie sie ihnen das Gesundwerden oder die Heilung abnehmen können. Hier ist die Verantwortung und die Verfügung des jeweiligen Menschen selbst gefragt und verlangt. Ich glaube, auch hier ist eine Grenze zu beachten. Auch diese Überlegung führte uns dazu, die höchstpersönliche Zustimmung als zweiten Schwerpunkt in unseren Antrag aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich will das jetzt gar nicht noch länger ausführen. Ich glaube, die Diskussion heute bringt uns ein Stückchen weiter. Nur habe ich die Bitte, daß wir sowohl hier im Deutschen Bundestag wie auch in den Diskussionsgruppen draußen beachten, daß zur sachlichen Diskussion eben nicht nur jene Punkte gehören, die einer Gruppe wichtig zu sein scheinen, seien sie - ich darf das wiederholen - Ärzte, seien sie Kranke, die auf Organe warten, seien sie Bürgerinnen und Bürger, die Sorge haben und Vertrauen brauchen, seien es Menschen, die sich in einer besonderen Weise gerade um Kranke kümmern, Angehörige, die sich um Kranke kümmern, Menschen, die auch politisch die Interessen von Kranken vertreten wollen, sondern daß dies alles gemeinsam notwendig ist.
Daß ich mir dann wünsche, möglichst viele mögen zu dem gleichen Ergebnis kommen, wie wir es für uns gefunden haben, werden Sie verstehen. Allerdings darf ich Ihnen sagen: Auch wir sind für weitere Argumente offen.
Herzlichen Dank.
({3})
Das Wort hat die Kollegin Bergmann-Pohl, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über ein Thema, das schon lange praktizierte Realität ist. Ich erinnere an die erste erfolgreiche Übertragung einer Niere im Jahre 1954, an die erste erfolgreiche Lebertransplantation und Herztransplantation im Jahre 1967. Vergessen wir auch nicht, meine Damen und Herren, daß bereits vor über 90 Jahren die erste erfolgreiche Augenhornhauttransplantation einem erblindeten Menschen das Augenlicht zurückgegeben hat.
Heute werden jährlich über 3 000 lebenswichtige Organe in Deutschland übertragen, und eine optimale Versorgung vieler schwerkranker Menschen ist heute ohne die Möglichkeit der modernen Transplantationsmedizin nicht zu leisten.
Die Transplantationsmediziner, meine Damen und Herren, haben in den zurückliegenden 30 Jahren hervorragende medizinische Leistungen vollbracht, und diese Leistungen verdienen höchste Anerkennung.
Aber für die Vertrauensbildung in der Bevölkerung ist es jetzt notwendig, endlich auch eine klare gesetzliche Grundlage für die Organtransplantation zu schaffen. Ohne Rechtssicherheit werden wir es kaum schaffen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Und, meine Damen und Herren, ohne das Vertrauen der Menschen wird die Bereitschaft zur Organspende nicht zunehmen.
Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Grundlage, die den Respekt vor der Würde des Persönlichkeitsrechtes des Menschen zum Ausdruck bringt, die über den Tod hinaus fortwirkt. Das bedeutet auch: Es muß Grenzen für die Organentnahme geben. Die Organentnahme und alle mit ihre verbundenen Maßnahmen müssen unter der Achtung des Willens und der Würde des Organspenders durchgeführt werden.
Vor der Organentnahme muß nach einwandfreien Kriterien der Tod eines Spenders festgestellt werden. Die Methoden der Todesfeststellung müssen dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.
Meine Damen und Herren, als Medizinerin habe ich keinen Zweifel daran, daß der endgültige und un-umkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktion ein sicheres Zeichen und damit auch ein zuverlässiges Kriterium für den eingetretenen Tod des Menschen ist. Dieses Todeskriterium wurde im Zuge der intensivmedizinischen Fortschritte bereits in den 50er Jahren beobachtet und beschrieben und seitdem den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepaßt. Der Hirntod wurde also nicht etwa für die Transplantationsmedizin erfunden, sondern schon lange vor den ersten erfolgreichen Organtransplantationen definiert.
Meine Damen und Herren, wir haben es heute mehrfach gehört: Hirntod heißt, das Gehirn ist von der Durchblutung abgekoppelt, seine Zellen zerfallen unaufhaltsam, auch wenn der übrige Körper noch künstlich durchblutet wird.
An dieser Stelle möchte ich gerade zu Frau Däubler-Gmelin, aber auch zu Herrn Schmidt-Jortzig sagen: Für die Betroffenen, die entscheiden müssen, ob Organe entnommen werden dürfen, ist es sicherlich oftmals schwer, wenn der Kreislauf und die Atmung künstlich aufrechterhalten werden - der Angehörige also dem Tod nicht greifen kann, ihn nicht sieht. Aber der unumkehrbare Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen bedeutet, daß der Tod des Menschen un-umkehrbar eingetreten ist.
Wenn wir das in Frage stellen, Frau Däubler-Gmelin, bedeutet das, daß der Mediziner auch dann, wenn es nicht um eine Organtransplantation geht, zum Beispiel bei einem verunfallten Menschen, dessen Herz-Kreislauf-Funktion künstlich aufrechterhalten wird, dessen Hirnfunktion aber unumkehrbar und total ausgefallen ist, keine Rechtsklarheit darüber hat, ob er Apparate abschalten darf oder nicht.
Auch in diesem Fall müssen wir den Medizinern, aber auch den betroffenen Menschen Rechtssicherheit geben.
Meine Damen und Herren, gegen das Hirntodkonzept werden dennoch oft Einwände erhoben, weil - auch das ist heute schon gesagt worden - sogenannte reflektorische Bewegungen noch vorhanden sind. Diese Bewegungen werden aber durch äußere Reize hervorgerufen. Sie kommen durch ein noch intaktes Rückenmark zustande, sind aber kein Zeichen einer noch funktionierenden Gehirntätigkeit.
Der Anschein täuscht im übrigen auch im umgekehrten Fall - ich habe es bereits gesagt -: Herz-Kreislauf- und Atemstillstand bedeuten nicht automatisch, daß der Mensch tot ist. Diese Funktionen sind bei noch nicht geschädigtem Gehirn durchaus reaktivierbar. Damit wird ganz deutlich, daß das Herz eben nicht die zentrale Steuerung des menschlichen Lebens ist.
({0})
Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grenzziehung zwischen Leben und Tod zu bestimmen. Hier müssen wir klare Rechtsgrundlagen schaffen, die diese wissenschaftlich anerkannten Regeln auch juristisch formulieren.
({1})
- Nein. Deswegen sage ich: Wir müssen hier eine klare rechtliche Grundlage für die Todeskriterien schaffen, damit Sicherheit für die betroffenen Menschen, aber auch für die Mediziner gegeben ist.
Herr Wodarg, es tut mir leid, von Arzt zu Arzt widerspreche ich Ihnen ganz entschieden, bei allem Respekt vor Ihrer persönlichen Meinung. Ich lasse es einfach nicht zu, daß die Ärzte, die Tag und Nacht um das Leben von Menschen ringen, sowohl in ihrem Handeln als auch in ihrer ethisch-moralischen Einstellung zum menschlichen Leben in Frage gestellt werden.
({2})
Ich denke, die ethisch-moralische Einstellung der Ärzte wird in ihrem täglichen Wirken deutlich. Auch sie haben manchmal Zweifel an ihrem ärztlichen Tun. Wenn wir diese Zweifel noch bestärken, indem wir ihnen keine Rechtsgrundlage geben, stellen wir sie vor unlösbare Probleme.
Meine Damen und Herren, die schwerkranken Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, und die Menschen, die nach ihrem Tod Organe spenden wollen, haben einen Anspruch darauf, daß es endlich eine klare Rechtsgrundlage für die Organtransplantation gibt. Nicht nur der Gesetzgeber, sondern jeder einzelne von uns ist hier gefordert, eine vernünftige Einstellung zur Organtransplantation zu bekommen. Denn es ist wichtig, daß wir alles dafür tun, den MenDr. Sabine Bergmann-Pohl
schen, die darauf warten, ein menschenwürdiges Leben führen zu können, eine Hoffnung zu geben.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat der Kollege Schmidbauer, SPD.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die 25jährige Aline spricht es aus: „Oh Gott, da muß ja jemand für mich sterben!" Ich denke, so ist es: Diejenigen, die auf Spenderorgane warten, sind von Schuldgefühlen geplagt. Schuldgefühle quälen auch die Angehörigen von Organspendern. Wie diese Qualen aussehen, drückt die Witwe eines 25jährigen Organspenders aus:
Entgegen meinem eigenen Begreifen habe ich den Ärzten vertraut, als sie mir mitteilten, Christian sei tot, obwohl er warm war und versorgt wurde wie ein Lebender.
Das ist der Widerstreit, das ist die Spannung, unter der die Menschen stehen. Das ist der Widerstreit zwischen der Ethik der Menschenwürde, deren verfassungsrechtlicher Schutz gewährleistet sein muß, und der Ethik der Interessen derer, die Transplantate so dringend benötigen.
Es gilt aber, beide Interessen in Einklang zu bringen. Der faszinierende technische Fortschritt in der Transplantationsmedizin hat ein atemberaubendes Tempo vorgelegt. Diesem atemberaubenden Tempo war die Moral nicht gewachsen. Die Moral wächst langsamer nach und droht von der medizinischen Praxis überrollt zu werden.
Erstaunlich an der jetzigen Situation ist eigentlich nur: Wir haben 25 Jahre gebraucht, um zu erkennen, daß wir uns mit der Definition des Hirntodes als Tod des Menschen auf einem Irrweg befinden. Der Hirntod ist eben nicht der Zeitpunkt des Todes, sondern der Zeitpunkt der Unumkehrbarkeit des Sterbeprozesses. Dieser Irrweg war mit Transparenz und Offenheit, mit logischem und gesundem Menschenverstand leicht erkennbar. Für mich und viele andere ist klargeworden: Gerade die Menschen, die von der Zerreißprobe unmittelbar betroffen sind, wollen diesen Irrweg nicht weiter mitgehen. Gerade die Spender und ihre Angehörigen, aber auch Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sowie nicht zuletzt die Empfänger selbst wollen diesen Irrweg nicht weiter mitgehen. Sie alle warten auf unsere Hilfe und haben Anspruch auf ein Gesetz, auf eine Regelung, die ihren ethischen Vorstellungen, ihren Gefühlen und inneren Konflikten Rechnung trägt.
Deshalb ist ein Transplantationsgesetz längst überfällig. Wir sind uns alle in dem Ziel einig, mit diesem Gesetz die Spenderbereitschaft in Deutschland zu verbessern. Nicht einig sind wir uns über den Weg. Wir wissen nur zu gut: Nur ein Gesetz, das einen breiten gesellschaftlichen Konsens aufbaut und die
Entscheidung des Spenders in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellt, kann auf Dauer tragen.
Viele Wissenschaftler, Ärzte, Philosophen und Biologen sehen im Hirntod zwar eine unumkehrbare Phase im Sterbeprozeß, ordnen diese aber noch dem Leben zu. So sehen dies auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen, so sehe auch ich es.
Diese ethische Sichtweise bedingt als Lösung die enge Zustimmungslösung, die allein auf die Zustimmung des Spenders abhebt. Nur durch diese Zustimmungslösung bleibt das Selbstbestimmungsrecht als ein wesentlicher Bestandteil der Würde des Menschen gewahrt. Ohne die Einwilligung des Spenders selbst, die nicht durch die Zustimmung von Angehörigen zu ersetzen ist, würde der Gesetzgeber in die ganz persönliche Entscheidungshoheit eingreifen und sie verletzen.
Ich zitiere den Gesundheitsminister aus der „Woche" vom 7. April 1995:
Ich will die strikte Zustimmungslösung. In Zweifelsfällen darf eine Organentnahme nicht möglich sein.
Zum gleichen Zeitpunkt war es aber so, daß der Minister und viele andere bereits eine Hintertür in ihren Gesetzesvorschlag eingebaut hatten. Diese Hintertür, die im Vorschlag lautet, daß eine Zustimmung als erteilt gilt, wenn innerhalb einer bestimmten vereinbarten Erklärungsfrist der Entnahme nicht widersprochen wird, zeigt auf, daß diese Hintertür in der Zustimmungslösung formuliert ist; es ist also eine modifizierte Widerspruchslösung.
({0})
Ich denke, daß diese Art der Darstellung nicht das Vertrauen schafft, das wir brauchen, wenn wir draußen für die Entscheidung der Menschen arbeiten und dafür plädieren, daß sie sich selbst für die Organspende entscheiden. Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, kann den Betroffenen immer noch folgendes widerfahren:
Eine Frau erhält die Nachricht, daß ihr Mann tödlich verunglückt ist. Sie wird gefragt, ob sie mit der Entnahme seiner Organe einverstanden ist, um das Leben einer jungen Frau zu retten. Unter dem Schock der Nachricht reagiert die Frau verwirrt und ratlos. Der Arzt räumt ihr drei Stunden Bedenkzeit ein, weil Organe wie Lunge, Leber und Herz nur in einer bestimmten Frist entnommen werden können. Wenn sich die Frau innerhalb der Frist nicht melde, werde er, der Arzt, an ihrer Stelle entscheiden.
({1})
- Ja, wenn das vereinbart ist. Davon rede ich ja. - Die Frau willigt ein und läßt den Termin verstreichen. Fünf Minuten nach Ablauf der Frist trifft sie in der Intensivstation ein, doch sie findet ihren Mann nicht mehr vor. Er wurde bereits zur Organentnahme in den Operationssaal gebracht.
Horst Schmidbauer ({2})
Ich denke, dieser Hintertüreffekt ist es, der die Menschen mißtrauisch macht; denn nur durch diese Hintertür kommt wieder etwas hinein, was eine strikte Zustimmungslösung gerade verhindern soll. Das Schweigen wird als Basis für die Zustimmung genommen. Man tut so, als ob man eine strikte Zustimmungslösung hätte, und führt eine Informationslösung oder eine modifizierte Widerspruchslösung durch die Hintertür wieder ein.
Zu einem solchen Hintertüreffekt wird von vielen meiner Kolleginnen und Kollegen und auch von mir keine Zustimmung gegeben. Wer eine solche Lösung will, wählt den bequemen Weg. Ich bin mir darüber im klaren: Unser Weg der engen Zustimmungslösung ist viel schwieriger. Dieser Weg setzt nämlich aktives, engagiertes Handeln voraus. Dieser Weg setzt Information, Vertrauen und solidarisches Handeln voraus.
Viele Kolleginnen und Kollegen setzen ebenso wie ich auf Spenden. Aber Spenden im Wortsinn setzt immer freiwilliges, gebendes Spenden voraus. Organspende ist aber nicht irgendeine Spende, Organspende bedeutet, einen Teil von sich selbst zu geben, persönlich, freiwillig, informiert und bei vollem Bewußtsein. Beim Fehlen der persönlichen Zustimmung kann nicht von einer Organspende, sondern nur von einer Organentnahme gesprochen werden.
Die enge Zustimmungslösung ist deshalb die einzige Form, durch die gewährleistet wird, daß jeder Mensch diese schwierige Entscheidung selbst trifft. Die notwendige Entscheidung des einzelnen setzt eine breite ethische Diskussion in der Öffentlichkeit voraus. Nur durch Aufklärung und Transparenz können wir den notwendigen gesellschaftlichen Konsens zustande bringen.
Deshalb appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen: Unterstützen Sie in noch größerer Zahl unseren Antrag! Die Regelung, die unser Antrag vorsieht, könnte zunächst zu einem weiteren Rückgang der Spendebereitschaft führen. Aber ich bin davon überzeugt: Langfristig wird die Spendebereitschaft wachsen. Sie wird wachsen, weil wir mit unserem Weg ein Fundament aus Selbstbestimmung schaffen, ein Fundament, bei dem nicht mehr der Zweck die Mittel heiligt, ein Fundament, das nicht mehr zu Mißtrauen Anlaß gibt, ein Fundament, mit dem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß alle Beteiligten offen und vertrauenschaffend miteinander umgehen.
Ich denke, das ist der wirkliche gesellschaftliche Konsens, den wir brauchen, wenn wir für die Menschen, denen wir Hilfe anbieten, ein Stückchen weiterkommen wollen.
({3})
Das Wort hat der Kollege von Klaeden, CDU/CSU.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Diskussion des Transplantationsgesetzes berührt unmittelbar Fragen unseres menschlichen Seins. Bei dieser Regelung tragen wir Verantwortung als Gesetzgeber. Sie muß den Anforderungen standhalten, die die Menschen an uns stellen, denen heute nur durch eine Organtransplantation das Leben gerettet werden kann oder deren Krankheit dadurch weitgehend geheilt oder gelindert und deren Lebensqualität damit entscheidend verbessert wird. Wir müssen aber auch entscheiden, wann ein Mensch für tot und damit, wenn überhaupt, zum Gegenstand fremdinteressengeleiteter Verfügung erklärt werden kann.
Der Fortschritt der Naturwissenschaft, insbesondere der Medizin, hat die Beantwortung dieser Frage erschwert und nicht erleichtert. Wir würden unsere Verantwortung allerdings sträflich vernachlässigen, wenn wir die Definition des Zeitpunkts des Todes den Naturwissenschaftlern und den Medizinern überließen. Natürlich soll es Aufgabe der Ärzte bleiben, den Eintritt des Todes beim einzelnen Menschen festzustellen. Sie kommen dabei allerdings dem gesellschaftlichen Auftrag nach, ein gegebenes Todesverständnis im Einzelfall zur Anwendung zu bringen. Wir würden es uns auch als Gesetzgeber zu leicht machen, wenn wir der ungeliebten Auseinandersetzung mit dem Tode dadurch zu entgehen suchten, daß wir die Zuständigkeit für die Fassung des Todesverständnisses an die Ärzteschaft delegierten oder diese Frage ungeregelt ließen.
Der Tod ist nicht nur ein naturwissenschaftliches Faktum. Er spiegelt unser Verständnis von menschlichem Leben und seinem Sein wider. Mediziner können uns sagen, wann ein Gehirn zerstört ist, wann ein Mensch für immer hirnfunktionslos ist. Ob wir in diesem Fall jedoch vom Tod eines Menschen ausgehen können, bedarf einer Entscheidung, die gerade nicht naturwissenschaftlich determiniert ist.
Ob das Kriterium des nicht behebbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktion als Kriterium für den Eintritt des Todes erschöpfend ist, vermag ich bei aller Plausibilität, die sich zunächst einstellen mag, heute nicht nachzuvollziehen. Es ist allerdings weder fair noch zutreffend, denen, die anderer Meinung sind, utilitaristische Motive zu unterstellen.
Ich will diese Debatte nutzen, um Bedenken sowohl gegenüber dem Hirntod als allein ausreichendem Todeskriterium wie gegenüber der sogenannten erweiterten Zustimmungslösung als einziger Regelung geltend zu machen. Ich befürworte letztere allerdings für den Fall, daß irreversibel neben dem Gehirntod der Herz- und Kreislaufstillstand eingetreten ist.
Widerspruchs- und Informationslösung lehne ich im wesentlichen aus den in der Begründung des Gesetzentwurfs genannten Gründen ab. Die sogenannte Klub- oder Solidaritätslösung, die hier glücklicherweise nicht vertreten wird, ist meiner Ansicht nach menschenverachtend; ich will sie deswegen auch nicht weiter erwähnen.
Es sind heute schon eine Reihe von Argumenten gegen das Hirntodkriterium als Voraussetzung zur Organentnahme im Rahmen der sogenannten erweiEckart von Klaeden
terten Zustimmungslösung genannt worden. Ich will nun noch einmal die Gründe nennen, die die Zweifel an dieser These für mich als berechtigt erscheinen lassen.
Zunächst will ich aber darauf hinweisen, daß ein solches Kriterium nicht als solches den eigentlichen Tod umschreiben oder zeitlich fixieren soll, sondern zuverlässig den bereits eingetretenen, exakt nicht feststellbaren Tod anzeigen muß.
So gibt schon die Ansicht zu Zweifeln Anlaß, mit dem Hirntod trete der Tod ein, weil die Fähigkeit zu Bewußtseinsäußerungen oder zur menschlichen Geistigkeit mit ihm ende. Wann ein Lebendigsein vorliegt, richtet sich zwar allein nach naturwissenschaftlichen Gegebenheiten am Körper des Menschen, damit wird jedoch nicht blankettartig auf die Biologie verwiesen. Vielmehr sind biologische Erkenntnisse nur deshalb rechtsbeachtlich, weil sie die Regelungsabsicht des Verfassungsgesetzgebers effektuieren, menschliches Leben frei von Differenzierungen nach „lebenswert" oder „lebensunwert" umfassend zu schützen.
Nicht mehr als das bloße biologische Lebendigsein des menschlichen Organismus kann danach ein Anknüpfungspunkt für die Achtung als Mensch und den Schutz menschlicher Würde sein. Der Mensch büßt daher seine rechtliche Schutzwürdigkeit nicht ein, wenn er spezifischen kognitiven oder psychischen Leistungskriterien nicht mehr entspricht.
Auch daß mit dem Hirntod tatsächlich die funktionelle Ganzheit des Organismus endet, vermag mich bei näherer Betrachtung nicht zu überzeugen, denn der nach wie vor abgrenzbare und als Einheit erkennbare Organismus wird nicht Teil eines anderen Organismus oder sonstigen Gebildes.
Auch ist die Abhängigkeit von medizinisch-technischen Hilfsmitteln, Ersatzstoffen oder Medikamenten kein Grund, die auf diese Weise behandelten Patienten für tot zu erklären. Warum sollte man dies dann bei einem Patienten mit Ausfall der Hirnstammfunktionen tun, wenn diese durch ein Beatmungsgerät oder bestimmte Hormongaben ersetzt werden können? Ein nach dem Ganzhirntodkriterium noch lebender Mensch mit erhaltenen Stammhirnfunktionen weist keine erheblich stärkere Wechselwirkung zu seiner Umwelt als ein Hirntoter mit funktionsunfähigem Stammhirn auf.
Es gibt keinen Grund, die auch nach dem Ganzhirntod möglichen, sehr komplexen Interaktionen zwischen verschiedenen Organen im Sinne eines Todeskriteriums geringer zu achten als hirngestützte Integrationsprozesse. Denn eine Desintegration, ein Zerfall in einzelne Subsysteme, die mangels jeder koordinierenden und integrierenden Kraft der weiteren Zersetzung und Verwesung preisgegeben wären, liegt nicht vor und wird gerade durch ärztliches Eingreifen verhindert.
Anläßlich des Falls der 19jährigen Marion Ploch, der heute schon angesprochen worden ist, die am 5. Oktober 1992 mit einer schweren Schädel-HirnVerletzung in die Erlanger Universitätsklinik eingeliefert und drei Tage später auf Grund einer Hirntoddiagnose für tot erklärt worden war, hat sich in einem Brief an Hans-Bernhard Wuermeling der Philosoph Hans Jonas im Dezember 1992 erneut zu dieser Frage geäußert.
Ich will den Fall noch einmal kurz referieren: Nachdem Marion Ploch für tot erklärt worden war, bestand zunächst die Absicht, die Angehörigen um Zustimmung zur Organentnahme zu bitten. Als sich kurz darauf herausstellte, daß sie schwanger war, projektierten die Ärzte eine fünfmonatige Intensivbehandlung der „Toten" bis zur Entbindung des Kindes. Ihr Behandlungsversuch mußte nach acht Wochen abgebrochen werden.
Jonas führt dazu aus:
Daß es ein „Leichnam" sein soll, der da ein Fieber entwickelt, wenn in einem darin eingeschlossenen Organismus etwas schiefgeht, und daß es der Uterus einer „Toten" sei, der dann die Kontraktionen vollführt, die das nun tote Kind ausstoßen - das ist doch ein offenbarer verbaler Unfug, ein semantischer Willkürakt im Dienste eines äußeren Zwecks ({0}). Der spontan abortierende Leib gab rückläufig und endgültig jedem Augenschein des rosig durchblutenden warmen Leibes recht, den die gelehrten Herren uns archaischen Laien für trügerisch erklärten.
Angesichts der besonderen Stellung des Schutzes der Menschenwürde und des menschlichen Lebens und des Grundsatzes des Bundesverfassungsgerichts, nach dem
in Zweifelsfällen diejenige Auslegung zu wählen ist, welche die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet,
halte ich daher eine Organentnahme bei denjenigen, bei denen der Hirntod zwar festgestellt wurde, weiterhin aber eine künstliche Beatmung und die Aufrechterhaltung von Herz- und Kreislauffunktionen stattfindet, nur im Rahmen der engen Zustimmungslösung für vertretbar. Damit würde der Hirntod zwar nicht zum Todes-, allerdings zum Entnahmekriterium im Rahmen dieser engen Regelung.
Ich gehe jetzt auf die Kritikpunkte ein, die unter anderem Bundesminister Seehofer und auch Sie, Herr Dreßler, genannt haben. Ich halte dies nämlich auch für mit § 216 des Strafgesetzbuches vereinbar, der die aktive Euthanasie, also die Lebensverkürzung auf Tötungsverlangen, unter Strafe stellt. Davon kann nämlich im Falle einer Organentnahme auf dem Hintergrund einer entsprechend dokumentierten Spendenbereitschaft gerade nicht die Rede sein. Denn der Sterbende hat für diese letzte Sterbephase nicht in eine Lebensverkürzung, sondern in eine Verlängerung des Sterbens um einige Stunden oder Tage eingewilligt. Wer so zur Organspende bereit ist, strebt keine Erleichterung seines Sterbens an, sondern nimmt um der Lebensrettung eines anderen willen eine Verlängerung seines Sterbens in Kauf. Es ist damit die letzte Ausübung des Selbstbestimmungsrechts und, wie ich finde, besonderer Ausweis menschlicher Würde. Vielleicht bin ich auch auf dem Holzweg. Ich will mich gerne mit den Argumenten
weiter beschäftigen, aber ich kann daran im Moment nichts Kritikwürdiges erkennen.
Ich will abschließend noch auf weitere Regelungen, insbesondere die vorgesehenen Strafvorschriften, eingehen. Letztere sind mir auch nach mehrmaligem Lesen ohne die Begründung des Gesetzentwurfs mit entsprechender Kommentarliteratur nicht verständlich gewesen. Aber das mag an mir oder an der behandelten Materie liegen.
Für verfassungswidrig halte ich allerdings die Bestimmung des § 18 Abs. 2 in der derzeitigen Form, sofern sie auf § 7 Satz 2 Bezug nimmt. Danach wird nämlich die Organentnahme unter Strafe gestellt, wenn sie nicht dem Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher und sittlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, stattfindet. Auf diese Weise wird das Kriterium der „offenkundigen persönlichen und sittlichen Verbundenheit" auch Bestandteil des Straftatbestandes.
Offenkundig ist jedoch allein, daß eine solche Formulierung meines Erachtens dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 des Grundgesetzes widerspricht. Sowohl die Bestimmung des § 7 wie die des § 18 Abs. 2, die ich eben zitiert habe, sollen den kommerziellen Organhandel verhindern helfen. Sie tun das um den Preis, möglicherweise andere altruistisch motivierte Lebendspenden zu unterbinden.
Ich will hier einmal die Frage stellen, ohne daß ich sie abschließend beantworten kann, ob es gerechtfertigt ist, einen Arzt mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen, der beispielsweise einer Ordensschwester eine Niere entnimmt, die diese einer Mutter oder einem Vater mehrerer Kinder spenden will, von dessen Leiden sie nur über die Zeitung erfahren hat.
Ich denke, daß wir noch einmal sorgfältig prüfen sollten, ob diese Regelungen tatsächlich notwendig sind und ob nicht die anderen Vorschriften zur Vermeidung kommerziellen Organhandels ausreichend sind.
Abschließend weise ich darauf hin, daß die Spendenbereitschaft in Deutschland auch im Falle der von mir präferierten engen Zustimmungslösung nicht weiter zurückgehen muß, sondern im Gegenteil, erheblich gesteigert werden kann. Es bedarf dazu allerdings stärker als bisher des öffentlichen Vorbildes und der öffentlichen Ermutigung sowie der Verbreitung des Arguments, daß das eigene Sterben für die Angehörigen vielleicht erträglicher werden kann, wenn mit ihm zumindest die Möglichkeit verbunden ist, einem anderen Menschen das Leben zu retten oder seine Leiden erheblich zu mindern.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Kollege Schäfer, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon häufig festgestellt worden, welch zentrale Rolle die Definition des Todeszeitpunkts für die Entnahme von Organen aus dem Körper Verstorbener spielt.
Seit Anbeginn der Menschheit sind die Fragen „Wann ist ein Mensch tot?" und „Was hat mit seinem Körper nach dem Tod zu geschehen?" Gegenstand von Ängsten, Zweifeln, Glaubensrichtungen und Streit. Stets hat auch der Kenntnisstand der Wissenschaft die Diskussion beeinflußt.
Ich meine - das sage ich nicht flapsig -, hätte Aristoteles, auf den die heute noch gültige Todesdefinition eigentlich zurückgeht, den heutigen Kenntnisstand der Wissenschaft gehabt, so wäre die Todesdefinition auch in der Volksmeinung heute eine andere. Dieser festen Überzeugung bin ich.
Auch in der heutigen Auseinandersetzung spüren wir das Vorhandensein von tiefgehenden Ängsten; dies müssen wir respektieren. Ist der Mensch erst dann tot, wenn alle, aber auch wirklich alle Körperfunktionen erloschen sind? Bezieht sich das auf das Gehirn, auf Organsysteme, einzelne Organe, vielleicht sogar auf einzelne Zellen? Nach der heutigen Todesdefinition nämlich lebt der Körper in einzelnen Bereichen noch immer weiter. Wo ziehen wir die Grenze? Ist die Grenze, die bisher gezogen wurde, nicht auch eine unnatürliche, eine willkürliche Grenze?
Aus meiner Erfahrung als über 25 Jahre tätiger praktisch-chirurgischer Arzt bin ich mir bewußt, daß diese Problematik keine rein wissenschaftliche Dimension hat.
Ich erinnere mich noch gut an meine Ausbildung. Im Rahmen dieser Ausbildung habe ich als Pathologe weit mehr als 100 Obduktionen machen müssen. Damals war es notwendig, auch Verwandte zu befragen, ob sie dem zustimmen. Aus diesen Gesprächen weiß ich um die Ängste und Zweifel, die Verwandte und nächste Bekannte umtreiben, eine solche Zustimmung geben zu müssen oder auch zu können. Ich erinnere mich aber auch, daß dies in der Mehrzahl dieser Gespräche positiv beurteilt worden ist
({0})
und die Mitarbeit dieser Menschen in vielen Fällen dazu geführt hat, anderen Menschen zu helfen; denn die Obduktion eines Toten ist auch eine Hilfe für die Lebenden.
Um eine ähnliche Problematik handelt es sich bei dem, was wir heute im Rahmen der erweiterten Zustimmung zu lösen versuchen.
Wenn wir überzeugen und die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung erhöhen wollen, dann müssen wir die Ängste der Menschen ernst nehmen. Für den Menschen, der bereit ist, eines oder mehrere seiner Organe nach seinem Tode zu spenden, muß unzweifelhaft klar sein, wann er tot ist. Dazu gehört die gesellschaftliche Übereinstimmung ethischrechtlicher Art. Gibt es hier Unklarheiten, so bleibt
weiter Raum für Zweifel und Ängste, und die Bereitschaft zur Organspende - ich denke, es ist in diesem Hause unbestritten, daß sie notwendig ist - wird noch immer in Frage gestellt und müßte zwangsläufig weiter zurückgehen.
Der Spender muß auch völlige Gewißheit darüber haben, daß nichts unterlassen wird, was der Erhaltung seines Lebens dient, nur um an Organe heranzukommen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber diese Sicherheit kann er nur dann haben, wenn eine klare gesellschaftliche Übereinstimmung über den Todeszeitpunkt besteht.
Gleiches gilt für die dem Spender nahestehenden Personen, die zur Möglichkeit der Entnahme befragt werden sollen. Es ist schon eine enorme Belastung für diesen Personenkreis, so unmittelbar nach dem Tod zu dieser Problematik befragt zu werden. Jede Unsicherheit über den Todeszeitpunkt würde eine Mitwirkung dieser Menschen unmöglich machen.
Auch für den Menschen, dem schließlich die gespendeten Organe transplantiert werden, ist es wichtig zu wissen, daß sie einem Toten und nicht einem Sterbenden entnommen worden sind. Der Gedanke, daß die Rettung ihres Lebens das Leben anderer verkürzt hat, ist eine Belastung, mit der viele Menschen wohl kaum fertig werden würden.
Schließlich ist auch für die beteiligten Ärzte, die explantieren und dann transplantieren müssen, nicht die Straffreiheit ihres Vorgehens wichtig, sondern daß sie ethisch-rechtlich, in gesellschaftlicher Übereinstimmung einwandfrei handeln. Dies können sie aber nur, wenn sie einem Menschen Organe entnehmen und transplantieren, dessen Tod nach allgemeiner Auffassung einwandfrei festgestellt ist. Dies können sie nicht, wenn man wie die Gegner der Hirntodtheorie den Hirntod nur als rechtlich möglichen Zeitpunkt zur Entnahme von Organen bezeichnet. Gerade die beteiligten Ärzte müssen die Gewißheit haben, daß sie nicht nur ohne Strafandrohung handeln, sondern daß ihre Arbeit den ethisch-moralischen Vorstellungen der Gesellschaft entspricht.
Die Gegner der Hirntodtheorie muten aber dem Arzt einen Eingriff zu, der ihrer Meinung nach den Tod des Patienten herbeiführt, also aktive Euthanasie beinhaltet. Wer jedoch aktive Euthanasie ablehnt, darf eine solche Position nicht vertreten.
({1})
Es ist aktive Euthanasie, wenn ich einem Hirntoten zum Zwecke der Transplantation auch mit seiner Zustimmung das Herz entwende, um es einem Lebenden zu transplantieren. Dies ist doch unzweifelhaft. Die Hirnfunktion ist zwar schon nicht mehr vorhanden, aber ich beende mit der Entnahme des Herzens auch die Kreislauffunktion. Wie soll das zu rechtfertigen sein? Wie soll ein Arzt mit dieser Möglichkeit leben?
Ich erinnere daran, daß wir die Ärzteschaft in eine ähnlich zwielichtige Situation schon im Rahmen des § 218 gebracht haben, wo ebenfalls Straffreiheit
zugesichert ist, der rechtliche Raum allerdings so dubios ist, daß die ethische Rechtfertigung für ihr Handeln aus der rechtlichen Beschreibung heraus nicht erkennbar ist.
Wollen wir denn so verfahren, daß in jeder menschlichen Grenzsituation immer wieder Ärzte in einen rechtlichen und ethischen Rahmen gestellt werden, der ihnen bei ihrer Arbeit die Entscheidung schwierig macht, ob sie das überhaupt tun sollen oder nicht? Ich glaube, hier sind wir an Grenzen gestoßen. Wir müssen ehrlich die Frage beantworten: Wie wollen wir das für die handelnden Personen, maßgeblich für die Ärzte, so regeln, daß sie das vor ihrem Gewissen auch verantworten können?
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Nach Ausfall der Herz-Kreislauf-Funktion kann von einem Toten Gewebe, wie harte Hirnhaut, Knochenmasse oder Augenhornhaut, entnommen werden. Will man jedoch Organe, wie Niere, Herz, Leber, Bauchspeicheldrüse usw., entnehmen und verpflanzen, so kann man dies nur bei Aufrechterhaltung der Herz-Kreislauf-Funktion des Toten.
Die einzige Möglichkeit, dies zu tun, ergibt sich bei der Definition des Hirntodes als Todeszeitpunkt. Die Definition des Hirntodes verlangt den irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen. Man kann dies schon durch klinische Untersuchungen eindeutig feststellen. Man kann natürlich auch durch technische Untersuchungen die Diagnose ergänzen und die Beobachtungszeit verkürzen.
Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer sind die maßgeblichen klinischen Symptome Bewußtlosigkeit, Lichtstarre bei den Pupillen, Fehlen bestimmter Augenreflexe, Fehlen von Schmerzreizen sowie Ausfall der Spontanatmung. Die technischen Untersuchungen beinhalten bestimmte EEG-Beurteilungen sowie den Nachweis des Durchblutungsstillstandes des Gehirns durch Ultraschallmethoden.
Als Dauer der Beobachtung sollen bei Erwachsenen nach primärer Hirnschädigung mindestens zwölf Stunden, nach sekundärer Hirnschädigung mindestens drei Tage übereinstimmend nachgewiesen werden.
Für den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer ist der völlige und endgültige Hirnausfall ein sicheres Todeszeichen des Menschen. Dies wird auch in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland so gesehen - ich zitiere -:
Der Hirntod bedeutet ebenso wie der Herztod den Tod des Menschen. Mit dem Hirntod fehlt dem Menschen die unersetzbare und nicht wiederzuerlangende körperliche Grundlage für sein geistiges Dasein in der Welt.
Ich bin der festen Überzeugung, daß der vorliegende Gesetzentwurf über die Spende, die Entnahme und die Übertragung von Organen alle diese
Überlegungen berücksichtigt. Er berücksichtigt die Interessen der Spender, der ihnen nahestehenden Menschen, der Empfänger und auch der beteiligten Ärzte. Ich werbe für eine breite Zustimmung zu diesem Gedanken.
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Das Wort hat die Kollegin Editha Limbach, CDU/CSU.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist ganz deutlich geworden, daß wir uns bei der Vorbereitung dieses Gesetzgebungsvorhabens sehr viel Mühe gegeben haben, daß wir es sehr ernst nehmen und daß wir es uns nicht leichtmachen. Ich bin davon überzeugt, daß es im weiteren Beratungsverfahren zu schwierigen Entscheidungsprozessen kommen wird. Manch einer von uns, der sich noch nicht so intensiv mit diesen Fragen befaßt hat, ist vielleicht sogar erst heute morgen durch die Diskussion derer, die sich schon vorher mit dem Thema fachlich beschäftigt haben, darauf aufmerksam geworden, wie schwierig die Entscheidungen sind, die wir zu treffen haben, und wie sorgfältig man hierbei vorgehen muß.
Deshalb war es richtig, daß es in dem langen Vorlauf, den dieser Gesetzentwurf und die Vorschläge haben, die die verschiedenen Gruppen des Parlaments gemacht haben, Diskussionen und Sachverständigenanhörungen gegeben hat, und zwar nicht nur mit Medizinern und Naturwissenschaftlern, sondern auch mit Theologen und Philosophen. Denn die Frage von Tod und Leben - so ist das eben zu Recht gesagt worden - kann nicht nur naturwissenschaftlich gelöst werden. Aber wenn man es so macht, dann muß man auch den Mut haben, Vertrauen zu den auf anderen Gebieten Fachkundigeren zu entwickeln.
Man sollte sich vor Augen führen - auch das ist vorhin schon gesagt worden, aber ich darf es wiederholen -, daß die übergroße Mehrheit der Wissenschaftler, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, der Auffassung ist, daß der Hirntod das richtige Kriterium für die Feststellung des Todes ist und damit auch eine rechtliche Grundlage für die verantwortliche Entscheidung zur Organentnahme und Organtransplantation schaffen kann. Sie sind sich auch darüber einig, daß mit dem Hirntod nicht erst ein Prozeß eingeleitet wird, sondern daß damit der Mensch als Persönlichkeit - dazu gehören auch Bewußtsein und Geist und nicht nur Körperfunktionen - tot ist.
Herr Kollege Schmidbauer, Sie haben vorhin meiner Ansicht nach etwas sehr Riskantes getan. Sie haben auf vorhandene Ängste und Emotionen angespielt, indem Sie Beispiele gebracht haben, die es gibt, denen man aber auch andere entgegensetzen kann. Deshalb möchte ich Ihnen, was ich eigentlich nicht wollte, ein anderes Beispiel nennen.
Auf einer Autobahn in der Nähe von Bonn ist ein junger Mann bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Er hatte keine Entscheidung über eine
Organentnahme getroffen. So wurden seine Eltern gefragt. Sie haben in Einschätzung dessen, daß ihr Sohn stark in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert war und sich immer sehr für andere Menschen eingesetzt hat, entschieden - unter großen Schwierigkeiten, die das macht -: Ja, wir stimmen der Organentnahme zu.
Jetzt, nachdem eine gewisse Zeit vergangen ist, sagen sie, daß es für sie ein enormer Trost ist, daß der Tod ihres Sohnes nicht sozusagen umsonst war, sondern daß er dazu beigetragen hat, daß ein anderer Mensch, dem ein Organ zur Verfügung gestellt werden konnte, weiterleben kann. Auch das ist ein Gedanke, den man berücksichtigen muß. Denn ich glaube, die Frage der Organspende ist auch eine Frage unserer Einstellung zum Tod - akzeptieren wir, daß es, weil man lebt, zu irgendeinem Zeitpunkt zwangsläufig immer auch den Tod gibt? - und unserer Einstellung zu dem, was ich vielleicht als Nächstenliebe bezeichnen würde, was andere als Mitmenschlichkeit und wieder andere als humanitäres Gedankengut bezeichnen würden.
Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, daß der Hirntod der richtige Zeitpunkt für die Feststellung des Todes ist, dann könnte ich wie Sie, Herr Kollege Dreßler, einer Organentnahme überhaupt nicht zustimmen. Denn ich kann doch, einmal abgesehen von den allgemein-rechtlichen Dingen, als Person und als Abgeordnete den Ärzten und Krankenschwestern nicht sagen: Hört mal, tot ist der zwar nicht; aber geht mal ruhig mit dem Skalpell daran und holt das Organ heraus, das irgendeinem anderen Menschen hilft.
Ich sehe die Problematik und nehme die Bedenken ernst. Aber ich glaube, man muß eine endgültige Entscheidung treffen und irgendwann seinen Zweifeln eine Richtung geben und sagen: So überwinde ich sie, und das ist es jetzt.
Eine wichtige Aufgabe ist es auch, durch eine klare gesetzliche Regelung Vertrauen zu schaffen, damit den Menschen die Sorge, da könnte irgend etwas sehr Unwägbares auf sie zukommen, genommen wird. Ich werbe wie alle, die hier gesprochen haben, sehr dafür, daß sich möglichst viele Menschen freiwillig entschließen, einen Organspenderausweis zu beantragen und ihn zu unterschreiben.
Aber ich sehe gerade in unserer Gesellschaft - Frau Süssmuth hat darauf hingewiesen -, in der der Tod ein bißchen mit einem Tabu belegt ist, die Schwierigkeit, daß jeder seinen Willen auch wirklich dokumentiert. Deshalb finde ich die erweiterte Zustimmungslösung richtig, weil dann die Menschen, die in einer besonders engen Beziehung zu dem Verstorbenen gestanden haben, stellvertretend für ihn entscheiden können: Wenn er noch Zeit hätte, sich selbst zu entscheiden, wäre er bereit, anderen noch im Tod zu helfen.
Danke.
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Der Kollege Wolfgang Lohmann, CDU/CSU, gibt seine Rede zu Protokoll.*)
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/2926, 13/4355, 13/4114, 13/587 und 13/4368 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Der Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Horst Schmidbauer und weiterer Abgeordneter zu den Kriterien für die Spende, Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen auf der Drucksache 13/4114 soll zusätzlich an den Innenausschuß und den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Malinahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1991 und 1992 sowie die Fortschreibung des Aktionsprogramms des Bundesministeriums des Innern zur Förderung der deutschen Kultur des Ostens in den Jahren 1994 bis 1999
- Drucksachen 12/7877, 13/725 Nr. 22, 13/3195 -
Berichterstattung: Abgeordnete Helmut Koschyk
Gisela Schröter
Rezzo Schlauch
Dr. Max Stadler
Dazu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Im Ältestenrat war eine Beratungszeit verabredet. Aber mir ist mitgeteilt worden, daß sich die Fraktio-
*) Anlage 2
nen darauf verständigt haben, die Debattenbeiträge zu Protokoll zu geben. Es handelt sich dabei um die Beiträge der folgenden Abgeordneten: Hartmut Koschyk, CDU/CSU, Gisela Schröter, SPD, Annelie Buntenbach, Bündnis 90/Die Grünen, Ina Albowitz, F.D.P., Winfried Wolf, PDS, Thomas Krüger, SPD, und für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Horst Waffenschmidt.*)
Dann schließe ich die nicht eröffnete Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Kulturarbeit und zur Fortschreibung des Aktionsprogramms zur Förderung der deutschen Kultur des Ostens; das ist die Drucksache 13/3195. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/4369. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Enschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/4400 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Enschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Gruppe der PDS gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir sind damit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 24. April 1996, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.