Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: erstens Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand, zweitens Entwicklung der Konvergenz in der Europäischen Union im Jahre 1995.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm.
Frau Präsidentin! Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzentwurf zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand beschlossen. Sie sehen: Wir arbeiten zügig. Die Sozialpartner haben dieses Modell in der Kanzlerrunde am 12. Februar dieses Jahres vereinbart; am 14. Februar - zwei Tage später - haben wir den Stichtag für die Vertrauensschutzregelung beschlossen; heute, am 6. März, liegt der Gesetzentwurf vor.
Er ist das Ergebnis vieler Gespräche - über ein halbes Jahr - mit den Sozialpartnern. Das Bündnis für Arbeit hat sich hier als ein Bündnis erwiesen, das schwierige Fragen beantworten kann - es handelte sich ja hierbei um eine schwierige Frage - und das einigungs- und handlungsfähig ist. Beschleunigt wurde die Entscheidung freilich durch die große Welle der Frühverrentung. Hätten wir nicht gehandelt, hätte die Gefahr bestanden, daß die Rentenkasse ausblutet.
Die Lösung, die wir anbieten und in die Gesetzgebung einbringen, besteht aus zwei Teilen, einem arbeitsmarktpolitischen und einem rentenrechtlichen Teil. Der arbeitsmarktpolitische Teil besteht in der Förderung von Teilzeitarbeit im Alter. Wenn ab dem 55. Lebensjahr die Arbeitszeit halbiert wird, wenn das neue Teilzeitentgelt um 20 Prozent, mindestens auf 70 Prozent des letzten Nettogehalts als Vollerwerbstätiger aufgestockt wird und wenn der Rentenbeitrag auf 90 Prozent aufgestockt wird, dann ersetzt die Bundesanstalt für Arbeit dem Arbeitgeber diese Aufwendungen, unter der Bedingung, daß ein Arbeitsloser eingestellt oder ein Ausgebildeter übernommen wird.
Ich denke, daß die Förderung der Teilzeitarbeit im Alter einem mehrfachen Bedürfnis entspricht - einerseits dem Bedürfnis nach Flexibilität, andererseits dem Bedürfnis der älteren Arbeitnehmer, mit dem Betrieb in Kontakt zu bleiben, aber auch die Arbeitszeit zu reduzieren. Warum soll ein 60jähriger die gleiche Arbeitszeit haben wie ein 20jähriger?
Die Möglichkeit zu Teilzeitarbeit führt auch dazu, daß für jüngere Arbeitnehmer Arbeitsplätze frei werden. Insofern ist dies ein Angebot, das sowohl sozial- als auch finanzpolitisch einen Fortschritt darstellt. Gerade die Förderung der Teilzeitarbeit im Alter ist allerdings darauf angewiesen, daß sie von den Betriebs- und den Tarifpartnern begleitet wird. Es muß einen neuen Schub für Teilzeitarbeit geben, und ich glaube, der Schub entsteht nur, wenn er an vitalen Situationen ansetzt.
Zweitens gibt es den rentenrechtlichen Teil: Die Altersgrenze ab 60 wegen Arbeitslosigkeit wird abgeschafft. Wir heben sie von 60 auf 63 Jahre an. Das beginnt 1997 und endet 1999. Anspruch auf diese Altersrente haben diejenigen, die arbeitslos sind oder mindestens 24 Monate in der Altersteilzeit beschäftigt waren.
Drittens. Arbeitslose oder teilzeitarbeitende Arbeitnehmer können weiterhin mit 60 Jahren in die Rente gehen, müssen dann allerdings einen versicherungsmathematischen Abschlag hinnehmen, der 3,6 Prozent pro Jahr beträgt. Diese Rentenminderung kann durch freiwillige zusätzliche Beiträge kompensiert werden; sie können auch betrieblich oder tariflich vereinbart sein.
Der Vertrauensschutz für diese Regelungen besteht für alle Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr erreicht haben und arbeitslos sind oder die das 55. Lebensjahr erreicht haben und bereits einen Auflösungsvertrag besitzen. In die Vertrauensschutzregelungen sind auch die Arbeitnehmer aus dem Stahl- und Kohlebereich einbezogen, die ihren VorBundesminister Dr. Norbert Blüm
ruhestand aus EGKS-Mitteln mit finanziert bekommen.
Die Entlastung für die Rentenversicherung beträgt in dem Zeitraum bis 2003 17 Milliarden DM, für die Bundesanstalt für Arbeit 2,1 Milliarden DM.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich denke, daß das Gesetz eine offensive Lösung für die Betriebe und die Arbeitnehmer ist. Einerseits wird ein Teilzeitschub ausgelöst, andererseits bedeutet dies einen Schutz der Rentenkasse vor einer Frühverrentungswelle, die gerade von den Großbetrieben benutzt wurde, allerdings von der gesamten Gemeinschaft der Beitragszahler, also auch von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern der Kleinbetriebe, mitfinanziert wurde.
Ich bin sehr dankbar, daß uns dieses Gesetz auf der Grundlage eines Konsenses mit den Sozialpartnern gelungen ist.
Soweit, Frau Präsidentin, meine Einführung.
Danke, Herr Minister.
Der erste Fragesteller ist der Kollege Urbaniak.
Herr Minister, die Frage des Vertrauensschutzes spielt bei den Belegschaften eine große Rolle, weil recht viele bedrängt worden sind, Aufhebungsverträge zu schließen. Dies war insbesondere wegen der drohenden Arbeitslosigkeit für diese Menschen die einzige Möglichkeit, für sich Sicherheit zu schaffen.
Wie sieht es für diejenigen aus, die aus den Montanbetrieben kommen und unter 55 Jahre alt sind? Wir haben MuV-Mittel der Europäischen Gemeinschaften und auch Mittel aus unserem Bundeshaushalt bereitgestellt, um für diese Menschen eine soziale Flankierung zu bekommen. Ich würde Sie gern bitten, etwas näher zu erläutern, welches Verfahren für die Vertrauensschutzregelungen in diesem Bereich vorgesehen ist.
Herr Kollege Urbaniak, der Vertrauensschutz bei diesen Arbeitnehmern, die, wie Sie sagen, Mittel der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Anspruch nehmen, ist so geregelt: 52. Lebensjahr am 14. Februar - das ist der Stichtag - und entweder schon arbeitslos oder im Besitz eines Aufhebungsvertrages. Diese beiden Kriterien sind die gleichen wie im übrigen Bereich des Vertrauensschutzes; es besteht nur eine andere Altersgrenze.
Zusatzfrage.
Sie gehen davon aus, daß diese Regelung insgesamt eine Sicherung von Arbeitsplätzen für jüngere Arbeitnehmer bedeutet, aber auch die Möglichkeit von Neueinstellungen eröffnet. Können Sie mir die Frage beantworten, wie viele Arbeitsplätze für jüngere Arbeitnehmer durch diese Regelung gesichert werden könnten und ob die Arbeitgeber auch tatsächlich zugesagt haben, über diese Teilzeitregelung Neueinstellungen vorzunehmen?
Herr Kollege Urbaniak, ich werde keine Quantifizierung vornehmen, weil das von der Initiative und dem Engagement der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Betriebsräte abhängt.
Ich bin aber aus folgenden Gründen zuversichtlich:
Erstens verweise ich darauf, daß die Arbeitgeber ausdrücklich zugesagt haben, sich in Sachen Altersteilzeit zu engagieren.
Zweitens habe ich gelernt: Neuer Schwung entsteht immer erst dann, wenn eine alte Regelung beseitigt ist. Bisher gab es für die Altersteilzeit schon deshalb keinen Schub, weil ein Sozialplan viel näher lag und für die Betriebe kostengünstiger war.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit dem Schlechtwettergeld. Erst als es abgeschafft war, begann eine große Initiative der Tarifpartner, um eine eigene Regelung zu finden. Ich meine, es ist sogar eine bessere als die gesetzliche entstanden. Insofern vertraue ich darauf, daß es tatsächlich zu einem Teilzeitschub kommt.
Ich will gerne die Gelegenheit nutzen, sicherlich mit Ihnen zusammen, an die Arbeitgeber, an die Betriebsräte, an die Gewerkschaften den Appell zu richten, dieses neue Gesetz, wenn es beschlossen ist, mit Leben zu erfüllen.
Herr Kollege Urbaniak, dazu gehören mehrere Punkte: erstens - der wichtigste - Teilzeit; zweitens beispielsweise die Möglichkeit, Rentenbeiträge aufzustocken. Das kann in einer Betriebs- und Tarifvereinbarung geregelt werden. Sie sehen, es ist viel Initiative notwendig, um aus einem Gesetz Praxis zu schaffen.
Danke. - Herr Koppelin.
Herr Minister, in Ihren einleitenden Ausführungen haben Sie davon gesprochen, daß die Gefahr bestanden hätte, daß die Rentenkasse ausblutet, wenn nicht jetzt entsprechende Initiativen ergriffen worden wären.
Darf ich Sie fragen, ob es bei den heutigen Beratungen des Kabinetts eine Diskussion über die Gesamtsituation der Rentenkassen gegeben hat und, wenn ja, zu welchem Ergebnis man gekommen ist.
Ja, Herr Koppelin, das ist ein wichtiger Beitrag zur Sanierung der Rentenkasse, ein Beitrag, der freilich auch auf Grund des unverzichtbaren Vertrauensschutzes nicht von heute auf morgen wirkt. Aber wir machen ja keine Rentenpolitik von der Hand in den Mund.
Wenn Sie mich fragen, was die wichtigste Frage bei der Sanierung der Rentenfinanzen ist: Es ist die Frage, ob es uns gelingt, das tatsächliche Renteneintrittsalter mit der gesetzlichen Altersgrenze in Übereinstimmung zu bringen. Die gesetzliche Altersgrenze liegt, wie Sie, Herr Koppelin, wissen, für langjährig Versicherte bei 63 Jahren. Das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt zwischen 59 und 60 Jahren. Es wäre ein Sanierungsbeitrag, wenn wir es schafften, die tatsächliche Altersgrenze zu erhöhen, also die Rentenlaufzeiten zu verkürzen. Ein Jahr weniger Rentenlaufzeit - die kann man ja nur beim Einstieg beeinflussen - bedeutet eine Entlastung der Rentenkasse um 27 Milliarden DM; das sind fast zwei Beitragspunkte.
Aber es bleibt dabei, daß wir einem Beitragsanstieg nicht nur durch diese Maßnahme entgegenwirken müssen; vielmehr müssen wir weitere Maßnahmen ergreifen. An der Vorbereitung dieser weiteren Maßnahmen arbeiten wir mit großem Nachdruck.
Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, einige von diesen weiteren Maßnahmen öffentlich in diesem Plenum zu nennen, damit man sich als Abgeordneter in der öffentlichen Diskussion darauf einstellen kann und weiß, was aus Ihrem Hause kommt? Als Liberaler kann ich nur dann darauf hinweisen, was Sie an Belastungen dem Bürger aufbürden wollen; wir wollen ja etwas anderes.
Herr Koppelin, Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit ist sicherlich nicht entgangen,
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daß die Sozialpolitik in den zurückliegenden Jahren den größten Beitrag zur Entlastung der öffentlichen Finanzen geleistet hat. Allein die seit 1983 vorgenommenen Konsolidierungsmaßnahmen im Bereich der Rentenversicherung und der Arbeitsförderung betragen, nicht kumuliert, in diesem Jahr 70 Milliarden DM.
Ich trage das auch vor, damit diese Leistungen nicht in Vergessenheit geraten. Ich sehe weitere Notwendigkeiten. Allerdings gehöre ich nicht zu denjenigen, die die Rentendebatte so führen, daß sie jeden Tag einen neuen Vorschlag machen. Das dient nicht der Beruhigung.
Wir arbeiten an diesem Konzept, an einem soliden Konzept. Sie können ganz sicher sein: Wir werden es rechtzeitig vorlegen und - so hoffe ich - mit Ihrer Unterstützung durchsetzen.
Danke. - Herr Kollege Dreßen.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben das „Bündnis für Arbeit" genannt und waren nicht bereit, Zahlen offenzulegen, die zeigen, wie viele zusätzliche Arbeitsplätze durch die Altersteilzeit und die Maßnahmen, die Sie beschlossen haben, geschaffen werden. Sind Sie mit uns der Meinung, daß das „Bündnis für Arbeit" jetzt doch an einem Punkt angekommen ist, wo es mehr „drive" braucht? Warum reduzieren Sie im Arbeitszeitgesetz nicht die 60 Wochenstunden auf 40 Stunden, was der Gewerkschaft bei dem Abbau von Überstunden entgegenkäme? Oder warum bessern Sie beim Entsendegesetz nicht nach? Sie wissen, wie groß die Schwierigkeiten der Baugewerkschaft sind. Die Bauarbeiter müssen sogar streiken, weil die Arbeitgeber Forderungen aufstellen, die das Entsendegesetz praktisch zum zahnlosen Löwen machen. Ich frage Sie ganz konkret, ob Sie nicht bereit sind, zusätzlich neue Ideen in das „Bündnis für Arbeit" zu bringen, weil ich das Gefühl habe, daß zur Zeit, wenn wir nicht aktiv daran arbeiten, das Ganze nicht in die Richtung geht, die wir alle wollen.
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Herr Kollege, wenn alle Partner beim „Bündnis für Arbeit" ihre Hausaufgaben so schnell erledigen würden wie die Bundesregierung, wären wir noch ein Stück weiter. Wir haben am 12. Februar die Vereinbarung über diese Förderung der Altersteilzeit geschaffen. Heute schreiben wir den 6. März. Aber mit Ihnen sage ich: Wir können uns nicht ausruhen. Es muß weitergehen. Die Lohnzusatzkosten müssen in Schach und Proportion gehalten werden.
Was das Thema Überstunden anbelangt, halte ich es für den intelligentesten Vorschlag, ein Arbeitszeitkonto einzurichten, auf dem Überstunden angesammelt werden können, die zu einer anderen Zeit wieder entspart werden könnten. Dies könnte ein Modell sein, das die Altersteilzeit fördert, wo man die Zurücknahme der effektiven Arbeit durch auf dem Zeitkonto angesparte Arbeitsstunden ausgleicht. Das ist die Aufgabe der Tarifpartner.
Ich füge hinzu, daß wir unsere Bereitschaft erklärt haben, ein solches Arbeitszeitkonto auch rechtlich abzusichern. Man muß es beispielsweise sicherlich gegen Betriebsverluste absichern. Aber ich kann nur etwas absichern, was vorhanden ist.
Im übrigen, so pessimistisch, wie es aus Ihrer Frage hervorkommt, bin ich nicht. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, der ich angehöre, der IG Metall, Herr Riester, hat vor ein paar Tagen gesagt, daß es durchaus auch auf Länderebene Initiativen gibt, die darauf hoffen lassen, daß dieses „Bündnis für Arbeit" noch mehr Schwung bekommt.
Zusammenfassung meiner Antwort: Wir haben schnell umgesetzt, was im „Bündnis für Arbeit" vereinbart ist. Ich füge hinzu: Schneller geht es gar nicht. Jetzt kommt es auf die zügige Beratung an. Mir liegt sehr daran, daß das Gesetz nicht nur auf dem Papier steht, sondern in den Betrieben auch angewandt wird.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Bundesarbeitsminister, mir ist alles ein wenig zu vage. Angesichts von 4 270 000 Arbeitslosen - so die heute bekanntgewordene Zahl - bin ich trotzdem der Meinung, daß die Bundesregierung gerade die Bemühungen der Gewerkschaften noch intensiver unterstützen muß. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich habe bisher nur Sozialabbau gesehen. Ich habe es zwar als positiv gewertet, daß Sie den Vorruhestand und den Vertrauensschutz geregelt haben. Das erkenne ich als durchaus positiv an. Wenn ich aber sehe, was mit dem Vorruhestand und mit der neuen Altersteilzeit geschieht, fürchte ich, daß nicht viele Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das heißt, wir müssen daran noch intensiver arbeiten. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel auch, daß Sie beim Entsendegesetz tatsächlich Nachbesserungen machen, die es erlauben, daß dieses Gesetz überhaupt greifen kann. Wenn die Gewerkschaften den jetzigen Zustand akzeptieren würden - Sie haben sicherlich mitbekommen, was die Arbeitgeber fordern -, würde dies dazu führen, daß das Entsendegesetz praktisch ein zahnloser Löwe wäre. Wären Sie hier nicht bereit, noch etwas Zusätzliches zu unternehmen?
Das ist ein ganzes Bündel von Fragen, Herr Kollege. Zur ersten Frage: Ich trete hier nicht mit dem Anspruch auf, mit diesem Gesetz sei das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst. Ein solches Gesetz gibt es auch nicht. Es gibt nur tausend Schritte. Aber dies ist ein wichtiger Schritt. Weitere Schritte wie in der Vergangenheit - wir fangen nicht erst jetzt an - werden beispielsweise durch die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes vorgenommen. Davon verspreche ich mir, daß ein Vermittlungsschub stattfindet. Davon verspreche ich mir einen hohen Effektivitätsgewinn für die Bundesanstalt für Arbeit und neue Chancen gerade für die Langzeitarbeitslosen.
Im Zusammenhang mit den Langzeitarbeitslosen mache ich darauf aufmerksam, daß unser Programm zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit ja nicht erfolglos war und daß im letzten Jahr 260 000 Langzeitarbeitslose und von Langzeitarbeitslosigkeit Bedrohte vermittelt wurden. Sie sehen: Wir treten nicht auf der Stelle. Allerdings ist richtig - ich wiederhole mich -: Erstens kann es der Staat nicht allein, zweitens die Sozialpolitik schon gar nicht; sie kann nur flankieren. Deshalb sollten Sie das neue Gesetz - das ist eine Bitte - nicht mit soviel Pessimismus begleiten, sondern seine Verabschiedung eher mit der Aufforderung verbinden, daß es eine Chance ist und daß es genutzt werden sollte.
Was das Entsendegesetz anlangt: Ich finde, daß der Weg, den wir vorgeschlagen haben, gangbar ist. In bezug auf die Verhandlungen der Tarifpartner sage ich: Wie immer verlangen schwierige Fragen eine große Anstrengung. Ich gehe davon aus, daß es im beiderseitigen Interesse, sowohl im Interesse der Bauarbeitgeber wie auch der Gewerkschaften, liegt, daß die Verhandlungen zu einem guten Ende geführt werden.
Danke. - Mir liegen zu diesem Punkt noch sechs Wortmeldungen vor. Darf ich um kurze Fragen und kurze Antworten bitten. Ich möchte Sie außerdem auffordern, Ihre Wortmeldungen zum zweiten Punkt „Entwicklung der Konvergenz in der Europäischen Union" oder zu anderen Themen schon jetzt anzumelden.
Frau Bläss.
Herr Minister Blüm, auch ich habe eine Frage zum Vertrauensschutz, ganz konkret zu den notwendigen Vereinbarungen, die bis zum 14. Februar dieses Jahres getroffen sein mußten. Ich frage: Welcher Art müssen diese Vereinbarungen sein? Zählen dazu zum Beispiel auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bei denen schon vor dem 14. Februar klar war, daß sie etwa im April auslaufen und in die Arbeitslosigkeit der Teilnehmer münden werden?
Ich bleibe bei meiner Formulierung: Die Regelung greift, wenn jemand am Stichtag 55 Jahre alt und arbeitslos war oder ein Aufhebungsvertrag bestand. Insofern müßte die rechtliche Frage geklärt werden, ob ein Auflösungsvertrag bestand oder es eine neue Arbeitsmöglichkeit gab.
Zusatzfrage? - Nein. Als nächster Herr Storm.
Am 16. Februar, also zwei Tage nach dem Stichtag, hat die Geschäftsleitung der Firma Burda bekanntgegeben, daß der Standort Darmstadt geschlossen werden soll. Das betrifft 600 Arbeitnehmer, davon 120, für die theoretisch die Frühverrentungsregelung der alten Praxis hätte gelten können. Besteht grundsätzlich eine Möglichkeit, hier die alte Regelung anzuwenden?
Herr Kollege, Stichtagsregelungen haben nur dann einen Sinn, wenn man sich auch wirklich an den Stichtag hält; denn sonst bekommen Sie die Tür nie mehr zu. Der 14. Februar war der Tag, in bezug auf den gilt: Wer an diesem Tag mindestens 55 Jahre alt und arbeitslos war, kann in den Genuß der bisherigen Regelungen kommen. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, dann kann die alte Regelung nicht greifen.
Ja. - Ich möchte eine Nachfrage stellen: Was passiert denn, wenn jemand die neue Regelung, also Altersteilzeit, in Anspruch nimmt und etwa der Konkursfall des Unternehmens eintritt? Wonach bemißt sich dann die Höhe des Arbeitslosengeldes, das der Betreffende, der die Neuregelung in Anspruch genommen hat, bekommt?
Wenn er in einem geförderten Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnis war, erhält er ein Arbeitslosengeld, das auf der Basis einer VollzeitbeBundesminister Dr. Norbert Blüm
schäftigung bemessen ist. Ich mache Sie auf die allgemeine Rechtslage aufmerksam. Wir haben ja gemeinsam beschlossen, daß jeder, der auf Teilzeit umsteigt, seinen vollen Versicherungsschutz noch drei Jahre behält. Das ist die generelle Regelung.
Die nächste Wortmeldung: Herr Schmidt.
Herr Minister, ich würde ganz gern noch einmal die Zahlen hinterfragen, mit denen Sie die Größenordnung der Entlastung für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung angegeben haben. Sie haben 17 Milliarden DM bis 2003 für die Rentenversicherung und über 2 Milliarden für die Arbeitslosenversicherung genannt.
Erstens: Ist das jährlich, oder wird damit die Größenordnung von Entlastungen bezeichnet, die 2003 kumuliert erreicht wird?
Und ist das nicht insgesamt trotz allem eine sehr schöngerechnete Darstellung, wenn noch zu erwarten ist - wie Sie das hier ja vorgetragen haben -, daß sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Beispiel noch auf Tarifverträge und ähnliches einigen müssen? Ist das alles nicht sehr optimistisch? Hat es von daher überhaupt Bestand?
Herr Kollege, ich möchte zunächst einmal die Alternative vorstellen. Wenn wir nicht gehandelt hätten, hätten wir nicht nur diese Ersparnisse nicht; ich befürchte sogar: Die Welle der Frühverrentung hätte zugenommen; denn für viele Betriebe wäre sie offenbar der naheliegende Ausweg gewesen.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen vorlesen: 1998 -540 Millionen DM, 1999 - 1,3 Milliarden DM, 2000 -1,7 Milliarden DM, 2001 - 3,2 Milliarden DM, 2002 -4,5 Milliarden DM, 2003 - 5,5 Milliarden DM. Die kumulierten Ersparnisse betragen demnach ungefähr 17 Milliarden DM. - Das beantwortet Ihre erste Frage.
Nun zur Alternative: Nicht zu handeln hätte zum einen bedeutet, daß die Ersparnisse nicht 17 Milliarden DM betragen, und zum anderen, wie ich befürchte, daß die Frühverrentung weitere Löcher geschlagen hätte. Die Zahl ist bekannt: 100 000 Frührentner haben die Rentenversicherung 12,7 Milliarden DM, die Bundesanstalt für Arbeit 9,2 Milliarden DM und die Unternehmer 1,8 Milliarden DM gekostet.
Ich finde, die Alternative, nicht zu handeln, gab es gar nicht. Es gab nur die Möglichkeit zu handeln. Ich halte dieses Angebot für die beste Möglichkeit, weil es nicht nur ein „Zumachen" ist, sondern auch eine offensive Perspektive hat.
Diese Einsparungen können mit mehr Engagement übertroffen werden. Das ist eine Schätzung, die, wie alle Schätzungen, nicht von letzter Verbindlichkeit ist. Die Schätzung gibt aber einen Wert an, welche Entlastung durch diese Form der Frühverrentung möglich ist. Wenn die Entlastung höher ist als angenommen, ist das um so besser. Das bedeutet - jede Antwort führt zum gleichen Refrain zurück -: Setzt das Gesetz um!
Zusatzfrage.
Ich würde gern eine Bitte äußern, die ich als Frage formulieren möchte. Sind Sie bereit, dem Haus die Grundlagen für diese Schätzungen zur Verfügung zu stellen? Ich glaube, Sie gehen von Zahlen aus, die sich auf Arbeitsverhältnisse beziehen. Wir würden sicherlich gern erfahren, von wie vielen davon betroffenen Arbeitsverhältnissen Sie für den jeweiligen Zeitraum ausgehen.
Auch diese Unterlagen können Sie haben. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam: Wie groß die Zahl derjenigen, die früher in Rente gehen, ist, ist nicht entscheidend; wer früher geht, muß einen Abschlag hinnehmen. Es ist für die Rentenversicherung also kostenneutral, egal, wie viele Leute die Frührente in Anspruch nehmen. Es wäre nicht kostenneutral, wenn die alte Regelung weiter gelten würde. Die Frühverrentung ist für die Rentenversicherung kostenneutral, weil wir vorsehen, daß ein versicherungsmathematischer Abschlag greift. Der entfaltet seine Entlastungswirkung natürlich über die gesamte Rentenlaufzeit. Diese Wirkung gibt es nicht nur im ersten Jahr.
Für die Rentenversicherung, unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sie in Anspruch nehmen, gilt: Sie ist davor geschützt, durch Frühverrentung ausgeblutet zu werden. Daß die, die länger arbeiten, die früher in Anspruch genommene Rente anderer bezahlen, ist durch diese Regelung ausgeschlossen.
Herr Ostertag.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben eben im Brustton der Überzeugung gesagt, daß die Regierung mit der neuen Regelung sehr schnell das „Bündnis für Arbeit" umgesetzt hat. Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Bundesregierung in anderen Punkten, die das „Bündnis für Arbeit" betroffen haben, eigentlich noch schneller war, nämlich dort, wo die Gewerkschaften gesagt haben: Das „Bündnis für Arbeit" kommt nicht zustande, wenn das auf dem gesetzgeberischen Weg durchgesetzt wird. - Ich meine die Arbeitslosenhilfe und das Bundessozialhilfegesetz. Auf dem Gewerkschaftstag in Berlin wurde sehr deutlich gesagt - das haben Sie wie ich mitbekommen -, daß das Bestandteile des „Bündnisses für Arbeit" sind. Sie konterkarieren also dieses „Bündnis für Arbeit" und stellen sich hierhin, als ob die Regierung es verwirklichen würde.
Herr Ostertag, was ist Ihre Frage?
Meine Frage lautet: Meinen Sie nicht auch, daß dieses Bündnis angesichts dieses Vorgehens der Bundesregierung sehr gefährdet ist? Das wurde auch am Wochenende bei der Unternehmertagung des Bistums in Essen von Klaus Zwickel, dem Vorsitzenden der IG Metall, gesagt.
Herr Kollege, erstens ist das nicht die einzige Maßnahme im Zusammenhang mit dem „Bündnis für Arbeit". Schon in der ersten Sitzung haben wir ein Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit vereinbart.
Zweitens haben wir uns zu einem gemeinsamen Appell für die Lehrstellen entschieden, der nicht ohne Erfolg war, wie auch Ihre und meine Gewerkschaft anerkannt hat.
Drittens. Ich werde Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht für unsere Gesetzgebung in Anspruch nehmen. Ich habe das Bündnis auch nicht so verstanden, daß sich der Bundestag abmeldet. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß in dem Gespräch sowohl das Thema Sozialhilfe wie auch die Arbeitslosenhilfereform von den Gewerkschaften angesprochen wurde. Ein Gesprächsergebnis war, die Abstufung in der Arbeitslosenhilfe von 5 auf 3 Prozent zu reduzieren.
Sie sehen, Sie sind offenbar nicht ganz auf dem letzten Stand der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.
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Zusatzfrage.
Herr Minister, das, was Sie zum Schluß gesagt haben, stimmt nicht. Ist Ihnen bekannt, daß der Vorsitzende der IG Metall einen Tag vor Verabschiedung des Gesetzes zur Arbeitslosenhilfereform an die Regierung, an Ihren Fraktionsvorsitzenden geschrieben hat, daß es einen Verstoß gegen die Vereinbarungen darstellt, wenn dieses Gesetz so verabschiedet wird?
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Mir ist es deshalb bekannt, weil ich beim Gespräch im Kanzlerbungalow dabei war. Das unterscheidet unseren Informationsstand.
Ich werde die IG Metall nicht für unser Gesetz in Anspruch nehmen. Bei diesem Gespräch ist in der Tat - im Sinne des Bündnisses und der Kompromißbildung - ein Ergebnis zustande gekommen, das Sie nicht akzeptieren. Es wurde aber an diesem Abend besprochen.
Ich will noch einmal sagen: Es gibt eine getrennte Verantwortung der Sozialpartner und des Gesetzgebers. Wir haben für die Notwendigkeit des Sparens geworben und haben uns aufeinander zubewegt. Es tut mir leid, daß ich Ihnen sagen muß: Mein Kenntnisstand in dieser Frage ist etwas authentischer als der Ihre.
Herr Gilges, zur Rente?
Zu dem Gesetzesvorschlag, den Sie heute im Kabinett beraten und beschlossen haben. - In der Debatte gab es seitens der Arbeitgeber und in den Betrieben zwei Hauptargumente gegen den Gesetzentwurf, der in der Beratung war. Das eine Argument war: Er ist nicht zu organisieren, das heißt, was Sie vorschlagen, ist nicht umzusetzen. Weder die Arbeitgeber noch die Arbeitnehmer können das durch Betriebsvereinbarungen oder sonstige Organisationsnormen umsetzen - weil es einfach nicht zu exekutieren ist, weil es irgendwo im freien Raum steht.
Haben Sie einmal Überlegungen angestellt dahin gehend, wie man die Organisationsschwierigkeiten, die in dem Vorschlag stecken, in den Betrieben beheben kann? Wird das bei der Fassung des Gesetzes berücksichtigt? Und werden Sie, wenn es denn soweit kommt, konkrete Vorschläge machen, die regeln, wie man das in die Tat umsetzen kann, was im Kanzlerbungalow vereinbart worden ist?
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Ist das, was da verabreicht wird, nicht „weiße Salbe",
wie einige Unternehmer und einige Gewerkschafter
mit Recht sagen? - Das ist der eine Teil meiner Frage.
Bitte nur eine Frage. Erst einmal sollte diese beantwortet werden.
Der zweite Teil gehört dazu: Die Vorruhestandsregelung ist ja zu einem gewaltigen Teil vom öffentlichen Dienst in Anspruch genommen worden, auch wenn das im Gegensatz zu dem steht, wie das in der Öffentlichkeit herübergekommen ist. Mehr als 200 000 Beschäftigte allein in - ehemals - öffentlichen Unternehmen wie der Bundesbahn, der Bundespost, in Unternehmen der Kommunen, der Städte, haben das in Anspruch genommen. Da hat die Bundesregierung ja direkte Durchgriffsmöglichkeiten. Sind Sie bereit, die Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung in diesem Bereich etwas zurückzudrängen oder - wenn es denn nicht anders machbar ist - zumindest Organisationshilfen zu leisten, damit das Gesetz, das Sie da in der Mache haben, zu exekutieren ist?
Wir einigen uns darauf: Das waren zwei Fragen.
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Herr Kollege Gilges, ich möchte Ihre beiden Fragen beantworten.
Erstens. Es ist fast naheliegend, daß in den Betrieben gesagt wurde, das sei nicht umzusetzen, das sei „weiße Salbe". Natürlich war die alte Sozialplanregelung für die Großbetriebe nicht nur bequemer, sondern auch billiger. Deshalb war es mir ganz klar, daß die neue Regelung auf den Widerstand derjenigen trifft, die bisher die Sozialkassen genutzt haben, um ihre betriebliche Personalplanung zu organisieren. Das kann nicht im Sinne der Sozialkassen sein.
Zweitens. Teilzeit läßt sich nicht exekutieren. Ich kann doch nicht per Gesetz befehlen, daß Teilzeit eingerichtet wird.
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Denn wir haben ja Gott sei Dank die Soziale Marktwirtschaft. Wir können nicht die Einrichtung von Arbeitsplätzen befehlen. Dort, wo das geschehen ist, ist es schiefgegangen. Wir können ein Gesetz nur so anbieten, daß es praktikabel ist. Darum haben wir uns bemüht. Deshalb fördern wir die Altersteilzeit. Wir bieten sie nicht nur als gesetzliche Form an; wir fördern sie auch mit Unterstützung der Bundesanstalt für Arbeit, und zwar sowohl im Rententeil als auch im Entgeltteil. Für die Bundesanstalt ist das kostenneutral, weil sonst ein Arbeitsloser weiter finanziert werden müßte.
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Es bleibt dabei: Die Hauptarbeit der Umsetzung - so ist das in unserer Wirtschaftsordnung - bleibt in den Betrieben, bei den Betriebspartnern und bei den Tarifpartnern, die dazu beitragen können, daß das Teilzeitmodell attraktiv wird, beispielsweise auch in seinem rentenrechtlichen Aufstockungsteil.
Auch der öffentliche Dienst wird von der gleichen Regelung betroffen wie die private Wirtschaft. Das, was ich zu kritisieren habe, habe ich nicht nur in der privaten Wirtschaft zu kritisieren, sondern auch im öffentlichen Dienst. Es wird für beide Bereiche die gleiche Regelung gelten. Wir haben die Tür für die bequemen Sozialplanregelungen geschlossen.
Diese, Herr Gilges, unterschieden sich vom Vorruhestand. Beim Vorruhestand haben die Sozialkassen nicht zubezahlt. Da haben die Arbeitgeber gezahlt - das wissen Sie -, und wir haben kostenneutral einen Zuschuß gewährt. Das ist der Unterschied zwischen der Sozialplanregelung, wie sie bisher genutzt wurde, und der alten Vorruhestandsregelung.
Aus den Erfahrungen des Vorruhestands haben wir die Regelungen zur Förderung der Altersteilzeit übernommen. Ich habe auch an Sie die herzliche Bitte, das neue Gesetz nicht mit Unkenrufen zu begleiten, sondern mit dem Appell: Es ist im gemeinsamen Interesse, daß es genutzt wird.
Es liegen noch zwei Fragen vor. Die erste ist vom Kollegen Jüttemann.
Herr Minister, es gab 1994 im Osten Deutschlands auf Initiative der IG Chemie und der IG Metall eine Sonderregelung. Um die Altersstruktur zu verbessern, wurde den älteren Arbeitnehmern, sprich: den 54jährigen und älteren Arbeitnehmern, ein Angebot unterbreitet. Es wurde ihnen angeboten, bei Fortzahlung von 80 Prozent ihrer Nettobezüge in eine Gesellschaft zu wechseln und dabei dem Arbeitsamt zur Verfügung zu stehen, jedoch im Alter von 60 Jahren in Rente zu gehen. Können auch diese Kolleginnen und Kollegen auf Vertrauensschutz hoffen?
Wenn sie die Bedingungen - mit 55 Jahren arbeitslos zu sein oder einen Auflösungsvertrag zu haben - erfüllen, dann ja, wenn sie diese Bedingungen nicht erfüllen, nein.
Ich muß noch einmal nachfragen. Herr Minister, die Kollegen haben einen Auflösungsvertrag, sind aber in eine neue Gesellschaft gewechselt. Sie stehen dem Arbeitsamt zur Verfügung. Das war eine Sonderregelung im Osten. Ich hoffe, daß auch diesen Kolleginnen und Kollegen Vertrauensschutz gewährt wird.
Wenn sie in einem Dauerarbeitsverhältnis waren und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen, dann fallen sie nicht unter den Vertrauensschutz. Ich kann die weiteren Rechtsfragen jetzt nicht klären.
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- Gut.
Die letzte Frage stellt Herr Michelbach.
Herr Staatssekretär, die Kernfrage bei der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist die Stabilität unserer Währung. Die Frage lautet: Ist die Verfolgung nationaler währungspolitischer Ziele in einer Zeit globaler Finanz- und Devisenmärkte, deren Macht zunimmt und die die Entscheidungen der nationalen Notenbanken beeinflussen, im Wirtschaftsstandort Deutschland auf Dauer überhaupt noch möglich und für ihn von Vorteil?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage, die an mich gerichtet wurde, kann ich nur bejahen. In einer Phase der Globalisierung der Finanzmärkte und der Wirtschaft ins8032
gesamt ist es erforderlich, daß man größere Währungsräume schafft. So gesehen ist die Europäische Währungsunion eine strategische Antwort auf die Globalisierung der Märkte, um auch in Zukunft sicherzustellen, daß Wechselkursschwankungen nicht zu Verwerfungen in der Wirtschaftsstruktur führen und Rückwirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung haben.
Nochmals: Die Europäische Währungsunion ist die erforderliche Strategie, um auf die Globalisierung der Finanzmärkte zu reagieren. Mit einer solchen Strategie sollte man nicht warten. Der Vertrag von Maastricht sieht deshalb auch einen klaren Zeitplan vor, zu dem die Bundesregierung steht.
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Bitte schön.
Herr Staatssekretär, welche ökonomischen Vorteile gibt es bei einer Wirtschafts- und Währungsunion für den Wirtschaftsstandort Deutschland, und welche Folgen würde es für den Wirtschaftsstandort Deutschland hervorrufen, wenn wir ein Zerbrechen der Wirtschafts- und Währungsunion zu erwarten hätten?
Herr Abgeordneter, erst mit einer Währungsunion wird der Binnenmarkt vollendet und in all seinen Auswirkungen in allen Ländern der Europäischen Union voll wirksam. Die Auswirkungen einer Währungsunion auf die Wirtschaft der Bundesrepublik lassen sich ganz klar an den Ereignissen der letzten Jahre im Zuge der Wechselkursschwankungen ablesen. Die starke Aufwertung, die die D-Mark insbesondere im Jahr 1995 erfahren hat - in der Spitze gab es eine durchschnittliche Aufwertung von 6 Prozent -, und die Lohnsteigerungen, die wir im letzten Jahr hatten, haben wesentlich zur Dämpfung der Konjunktur und zu einer Stagnation seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres beigetragen. Wir brauchen, um den Binnenmarkt zu sichern, auch stabile Wechselkurse in Europa. Diese stabilen Wechselkurse können wir nur über den Weg der Konvergenz und über das Ziel einer Währungsunion erreichen.
Vielen Dank. - Die Zeit, die für die Regierungsbefragung vorgesehen ist, ist abgelaufen. Ich beende die Regierungsbefragung damit.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde
- Drucksachen 13/3934, 13/3958 Wir beginnen mit vier Dringlichkeitsfragen auf Drucksache 13/3358.
Ich rufe Frage 1 der Abgeordneten Amke DietertScheuer auf:
Wie sind die in einem Bericht der „Frankfurter Rundschau" vom 4. 3. 1996 dargestellten Vorgänge beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Füchtlinge, wonach der seit Januar amtierende Präsident des Bundesamtes, Hans-Georg Dusch, die Entscheiderinnen und Entscheider des Bundesamtes drängt, mindestens 44 Fälle im Monat abzuschließen, „freiwillig" Überstunden zu leisten und insgesamt die Zahl der erledigten Fälle beim Bundesamt drastisch zu erhöhen, mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Asylverfahren, angemessene Arbeitsbedingungen der Entscheiderinnen und Entscheider und den geplanten Personalabbau beim Bundesamt vereinbar?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin Scheuer, die Antwort lautet wie folgt: Es ist zweifelsfrei gewährleistet, daß der Abbau noch anhängiger Verfahren durch das Bundesamt unter uneingeschränkter Beachtung der an ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu stellenden inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen erfolgt. Der zügige Abbau ist auch erreichbar. Die Neuzugänge von Asylanträgen sind infolge der Asylrechtsreform erheblich gesunken, so daß das Bundesamt über einen Personalüberhang verfügt. Ein Personalabbau ist daher notwendig und steht zu den Maßnahmen des Abbaus der anhängigen Verfahren nicht im Widerspruch. Es geht darum, die Arbeit des Bundesamtes entsprechend dem Arbeitsanfall zu verteilen. Der Bestand von rund 80 000 unerledigten Asylanträgen und der Rückgang von Neuzugängen lassen es zweckmäßig erscheinen, in der ersten Jahreshälfte 1996 Mehrarbeit zu leisten und in der zweiten Jahreshälfte eine Abgeltung der Mehrarbeit in Freizeit zu haben.
Die Meldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAFl, sich an diesem Modell zu beteiligen, erfolgten auf Grund einer Abfrage des Präsidenten des BAFl. Auf die Freiwilligkeit wurde dabei ausdrücklich hingewiesen. Von einem Drängen kann daher überhaupt keine Rede sein.
Die im Presseartikel erhobenen Behauptungen sind daher unzutreffend.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte schön.
Ich wollte gerne fragen, inwieweit für die Verfahren - sei es vom Bundesinnenminister, sei es vom Präsidenten des BAFl - Vorgaben für Erledigungszahlen - für Altfälle oder auch für Neufälle -, z. B. auf monatlicher Basis, und inwieweit Vorgaben, wieviel Zeit für die Einzelfallentscheidung und Anhörung zur Verfügung steht, gemacht worden sind.
Sie wissen, daß die Entscheider in ihrer Entscheidung unabhängig sind. Deshalb gibt es derartige Vorgaben nicht. Möglicherweise denken Sie an einen sogenannten Pensenschlüssel wie beispielsweise bei Richtern im Justizdienst, der aber bei derartigen Großbehörden nur dazu dient, generell den Personalbedarf zu errechnen, nicht aber dazu,
dem einzelnen Vorgaben für seine Entscheidung zu geben. Das ist naturgemäß auch nicht möglich, weil Sie, wie wir beide wissen, davon ausgehen können und müssen, daß die Einzelfälle ganz unterschiedlich sind und deshalb ein Zeitwert für den Einzelfall eigentlich nicht festgelegt werden kann.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Uns sind Informationen bekanntgeworden, wonach bei dem Zeitschlüssel, den Sie wahrscheinlich meinten, für jeden Fall vor der Anhörung fünf Minuten für Aktenstudium und Sichtung von Länderinformationen angesetzt wurden. Ist das zutreffend, und wenn ja, sind Sie der Meinung, daß das eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Situation im Herkunftsland gewährleistet?
Das ist nicht zutreffend. Meines Wissens ergibt eine Umrechnung des Pensenschlüssels, bezogen auf die Zahl der erledigten Fälle, einen Fallerledigungsquotienten pro Tag von 1,6 bei einer Arbeitszeit von maximal zehn oder elf Stunden.
Eine Zusatzfrage hat Frau Sonntag-Wolgast.
Herr Staatssekretär, wie kann nach dem von Ihnen soeben beschriebenen Verfahren - Mehrarbeit im ersten Teil des Jahres und später entsprechender Freizeitausgleich - aus Ihrer Sicht gewährleistet werden, daß die gebotene Qualität der Entscheidungen auch garantiert bleibt, wenn Mehrarbeit geleistet werden muß?
Frau Kollegin, wir haben ja nicht etwa die Zahl der zu erledigenden Fälle festgelegt, sondern wir haben das Angebot gemacht, Mehrarbeit zu leisten, die später durch Freizeit ausgeglichen werden kann. Bereits daraus ersehen Sie, daß die notwendige Zeit für den Einzelfall je nach seiner rechtlichen Problematik zur Verfügung steht.
Nächste Zusatzfrage, der Abgeordnete Volker Schmitt.
Herr Präsident, das ist eine Kombination meines Vornamens und des Nachnamens des Kollegen Wolfgang Schmitt. Ich ergreife jetzt als Volker Beck das Wort.
Herr Beck, eine Sekunde! Es kann nicht jeder das Wort ergreifen, wie er lustig ist. - Herr Wolfgang Schmitt, haben Sie sich zu einer Zwischenfrage gemeldet und wollen Sie noch immer das Wort erhalten?
Jawohl.
Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident, da Sie den Vornamen meines Nachbarn, des Kollegen Volker Beck, und meinen Nachnamen genannt hatten, war uns nicht ganz klar, wer von uns beiden gemeint war.
Jetzt wissen Sie es aber.
Ja. - Meine Frage lautet: Welche präzisen Vorgaben wurden seitens des Bundesinnenministeriums dem neuen Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Hinblick auf die Erledigung von Asylanträgen und den Personalabbau gemacht?
Es gibt solche präzisen Vorgaben in bezug auf bestimmte Fallzahlen nicht. Man hat sich vielmehr vorgenommen, die zur Zeit noch vorhandenen 71 000 Altfälle im ersten Halbjahr dieses Jahres abzubauen. Zu diesem Zweck hat man der Belegschaft angeboten, täglich Mehrarbeit zu leisten, die im zweiten Halbjahr durch einen Freizeitausgleich abgegolten werden kann. Das Ganze geschieht auf freiwilliger Basis, weil es rechtlich gar nicht erzwingbar wäre. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Art Arbeitszeitkontomodell.
Nächste Zusatzfrage hat der Kollege Volker Beck.
Herr Staatssekretär, wie stellt sich die Bundesregierung zu der Stellungnahme und den Wertungen des Berichts des „ÖTV-Magazins" 3/96, in dem es unter anderem heißt:
Der neue Präsident des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge . . ., Hans-Georg Dusch, hat damit begonnen, auf dem Rükken der Mitarbeiter/innen das von Bundesinnenminister Manfred Kanther gegebene Versprechen einzulösen, bis Ende 1996 tausend Stellen abzubauen und die achtzigtausend „Altfälle" von Asylbewerberinnen und -bewerbern bis zum 30. Juni 1996 zu erledigen.
Um den Abbau der „Altfälle" zu erreichen, wurden alle Mitarbeiter/innen angehalten, „freiwillig" täglich bis zu elf Stunden zu arbeiten. Seitdem das Bundesinnenministerium ... auf diesen Verstoß gegen das Arbeitszeitrecht hingewiesen hat, wird die Aktion subtiler gestaltet. In nicht protokollierten Dienstbesprechungen werden die Mitarbeiter/innen von den Referatsleitern und Gruppenleitern mit dem Hinweis auf ÄnderungsVolker Beck ({0})
kündigungen, Zwangsversetzungen und baldige bevorstehende Beurteilungen mürbe geklopft, damit sie doch „freiwillig" Überstunden leisten.
Wie verträgt sich dies mit der in der Kanzlerrunde vom 23. Januar 1996 von der Bundesregierung aufgestellten Forderung, im öffentlichen Dienst sollte man künftig soweit wie möglich Überstunden vermeiden?
Herr Kollege Beck, zunächst einmal sind die Vorwürfe, die hier erhoben worden sind, haltlos; sie werden deshalb zurückgewiesen; sie sind nicht zutreffend.
Im übrigen ist hier eine Reihe von Sachverhalten bunt durcheinandergewürfelt. Wir wissen seit längerem - auch Ihre Fraktion weiß das -, daß beim BAFl ein Personalabbau erfolgen muß. Denn die Zahl der Asylbewerber pro Jahr ist seit 1993 um über 60 Prozent zurückgegangen. Der Höchststand wurde im April 1993 mit 493 000 erreicht, und das bei einer Beschäftigtenzahl von 5 050. Zur Zeit liegen wir, auf Jahressicht gerechnet, etwa bei 120 000 Asylbewerbern. Da können wir natürlich nicht weiterhin mit 5 050 Beschäftigten operieren. Wir haben uns vielmehr vorgenommen, die Zahl der Beschäftigten auf 2 500 zu reduzieren, sie also in etwa zu halbieren.
({0})
Bei diesem Personalabbau sind wir derzeit. Wir wollen Kündigungen vermeiden, was auch ganz im Sinne der Initiative des Bundeskanzlers ist, und nehmen deshalb jede Gelegenheit wahr, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die davon betroffen sind, andere Arbeitsplätze im Bereich des öffentlichen Dienstes anzubieten. Das läuft derzeit und ist unabhängig von der Tatsache zu sehen, daß es auch einen Altfallbestand gibt, der natürlich zugleich abgearbeitet werden muß. Die Abarbeitung der Altfälle muß natürlich schon aus Gründen der Humanität und der Sparsamkeit zügig erfolgen.
Dieser Abbau der Altfälle hängt nicht mit dem Personalabbau zusammen. Wir haben vielmehr auf freiwilliger Basis das Angebot gemacht - deshalb ist es dienstrechtlich überhaupt nicht zu beanstanden -, daß sich jemand, der sich jetzt dazu bereit findet, Mehrarbeit zu leisten, diese auf einem Arbeitszeitkonto gutschreiben lassen kann. Er kann diese Mehrarbeit dann in der zweiten Jahreshälfte durch Freizeit ausgleichen. Sie wissen selber, daß es keinen Sinn hätte, Leute, auch wenn man ihnen Alternativen anbieten kann, jetzt krampfhaft beim BAFl zu halten, obwohl man weiß, daß sie am Jahresende, wenn die Altfälle abgebaut sind, dort nicht mehr beschäftigt werden können.
Die nächste Zusatzfrage hat die Abgeordnete Köster-Loßack.
Meine Frage bezieht sich auf den geplanten Personalabbau in den Bereichen Herkunftslandrecherche und Dokumentation. Wenn dieser so geplant ist, wie es uns vorliegt, wie soll denn dann die aktuelle politische Entwicklung in den Herkunftsländern aufgearbeitet und auch in die laufende Arbeit des Bundesamtes eingespeist werden?
Im übrigen habe ich in diesem Zusammenhang auch noch die Frage -
Entschuldigen Sie, Sie müssen sich schon darauf beschränken, eine Frage zu stellen.
Gut.
Frau Kollegin, bis in die jüngste Zeit hinein, also bis Februar dieses Jahres, haben Seminare stattgefunden, beispielsweise eines durchgeführt von der ÖTV, um den Entscheidern noch einmal den aktuellsten Stand der Informationen über bestimmte Herkunftsländer - im letzten Fall über die Türkei - zu vermitteln. Sie sehen also, daß genau in diesem Punkt keinerlei Einschränkung erfolgt ist. Dies ist auch nicht beabsichtigt, weil wir mit Ihnen davon ausgehen, daß dieses Wissen natürlich für die Entscheider ganz erheblich ist.
In welchem Umfang nun die Abteilung Recherche von einem Personalabbau betroffen ist, kann ich Ihnen nicht sagen; aber sie ist es sicher nicht über Gebühr.
Nun folgt der Abgeordnete Helmut Lippelt.
Herr Staatssekretär, da Sie ja selber ausführen, Sie hätten wegen der Altfälle gesagt: „Arbeitet freiwillig" - natürlich freiwillig - „mal ein bißchen mehr; später müssen wir 1 000 entlassen, das ist dann einfach so; aber dazwischen könnt ihr die Mehrarbeit auf Zeitkonten gutschreiben lassen und später dann noch ein bißchen abbummeln" - das ist ja ungefähr die Linie -, frage ich Sie: Würden Sie dieses revidieren, da ja jetzt auch Ihr Minister im Kabinett über das „Bündnis für Arbeit" verhandelt?
Im Gegenteil, Herr Kollege Lippelt; das entspricht genau dem Geist dieses Bündnisses.
({0})
Ich darf Ihnen auch noch sagen, daß dieses Modell, das wir hier praktizieren und das übrigens auch Gegenstand der Dienstrechtsreform für den Bereich des öffentlichen Dienstes sein wird, in engster Übereinstimmung mit der Personalvertretung des Bundesamtes vereinbart worden ist. Die Personalvertretung ist vom Präsidenten selber wöchentlich unterrichtet worden. Es hat keinen förmlichen Protest oder Einspruch gegen dieses Modell gegeben.
Im übrigen kann ich Ihnen auch noch sagen: Wir haben 46 Außenstellen. Von den Personalvertretungen der 46 Außenstellen hat sich nur die Personalvertretung einer einzigen Außenstelle, nämlich von Freiburg, kritisch zu Wort gemeldet. Diese einzige kritische Stellungnahme ist offenbar die Grundlage für die Presseartikel, die Sie nun wiederum zum Anlaß nehmen, um diese Fragen hier zu stellen.
Ich möchte die Kollegen, die sich zu weiteren Zusatzfragen gemeldet haben, bitten, doch zu berücksichtigen, daß wir drei weitere ordentliche Fragen zu diesem Komplex haben. Ich weiß nicht, ob Sie alle Ihre Zusatzfragen auf die Frage 1 konzentrieren sollten.
Dieses vorausgeschickt, hat nun die nächste Zusatzfrage die Abgeordnete Annelie Buntenbach.
Ich möchte gerne noch einmal auf das Thema „Bündnis für Arbeit" und die Vereinbarkeit von einerseits Personalabbau, der da in großem Umfang vorgesehen ist, und andererseits Überstunden in dem Ausmaß, wie Sie es vorhin selbst geschildert haben, zurückkommen.
Da dort ein solcher Personalabbau vorgesehen ist und mit Sicherheit noch nicht klar ist, welche Leute bleiben können und welche Leute gehen müssen, sondern zunächst nur die Zahlen im Raum stehen, möchte ich die Frage stellen, ob Sie wirklich von Freiwilligkeit bei einer Vereinbarung sprechen können, die den Leuten nahelegt, Überstunden in dieser Form im ersten Halbjahr zu leisten? Dazu möchte ich gern Ihre Meinung hören.
Nach meiner Auffassung kann da von Freiwilligkeit nicht die Rede sein, zumal auch ÖTV-Vertrauensleute beim Bundesamt befürchten - das war der Presse zu entnehmen -, daß genau diese Freiwilligkeit nicht gegeben sei.
Daß dies wirklich freiwillig ist, ersehen Sie schon daraus, daß sich nicht alle gemeldet haben. Wenn wir das als wahr unterstellen würden, was Sie jetzt quasi behaupten, dann müßten sich fast 100 Prozent bereitgefunden haben, da mitzumachen. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr haben sich in der Tat nur diejenigen gemeldet, die dieses Angebot in Anspruch nehmen wollten. Es ist - außer in diesem Schreiben eines ÖTV-Vertreters - nirgends die Klage laut geworden, daß ein unzulässiger Druck ausgeübt worden sei.
Es gibt jetzt noch drei Zusatzfragen. Dann gehe ich zur nächsten Frage über.
Zunächst die Zusatzfrage von Frau Kollegin Gila Altmann.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie verhindern, daß es bei einer beschleunigten Abfertigung zu einer Qualitätsverschlechterung kommt, zum Beispiel auch hinsichtlich der Protokolle und der Nachsendung von Protokollen, wenn sie nicht rechtzeitig fertig werden? Gibt es da eine Anfechtbarkeitsklausel? Gibt es neue Interviewtechniken, die dem ganzen Verfahren dann gerecht werden? Könnte es nicht sein, daß das insgesamt zu einem größeren Aufwand statt, wie Sie meinen, zu einer Einsparung führt?
Frau Kollegin, wir haben eine Reihe von objektivierten Möglichkeiten, zu prüfen, ob die Qualität tatsächlich negativ tangiert ist.
Als erstes möchte ich noch einmal auf die Zahl hinweisen, daß jetzt im Schnitt etwa 1,6 Fälle pro Tag entschieden werden. Da kann man angesichts der Tatsache, daß viele Fälle sehr viel schneller entscheidbar sind, wirklich nicht sagen, daß etwa an der Qualität Abstriche gemacht werden müssen.
Die zweite objektive Größe, die wir sehr genau beobachten, ist die Zahl, wie häufig Entscheidungen des Bundesamtes von den angerufenen Gerichten aufgehoben werden, die seit eh und je in hohem Maße angerufen werden. Da kann ich Ihnen sagen, daß sich im Vergleich zu früher überhaupt nichts geändert hat. Wir liegen bei der Aufhebung nach wie vor bei einer Quote von knapp unter zehn Prozent.
Jetzt kommt die Zusatzfrage von Frau Schewe-Gerigk.
Herr Staatssekretär, wie ist der Druck auf die Einzelfallentscheider und -entscheiderinnen mit Art. 16a des Grundgesetzes und § 51 des Ausländergesetzes zu vereinbaren, da davon auszugehen ist, daß eine sachgerechte Entscheidung genügend Zeit für Anhörung und Hintergrundinformation gewährleisten muß?
Frau Kollegin, ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, daß es den Druck, den Sie unterstellen, nicht gibt. Ich darf Sie darauf verweisen, daß auch Fallzahlen, Fallpensen und dergleichen, was hier genannt worden ist, dem entsprechen, was beispielsweise bei Richtern im Justizdienst gemacht wird, um überhaupt den Personalbedarf ermitteln zu können. Das hat nichts mit einer unzulässigen Druckkulisse gegenüber einzelnen Entscheidern zu tun.
Dann kommt die letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Cem Özdemir.
Herr Staatssekretär Lintner, nach neuen Statistiken, die uns vorliegen, sind im Februar 1996 6 800 Entscheidungen mehr als im Vormonat getroffen worden.
Meinen Sie nicht, daß dadurch bei den Entscheidern ein erheblich höherer Druck entsteht?
Überhaupt nicht, Herr Kollege Özdemir. Das ist die Auswirkung des Angebots des Präsidenten, das ich vorhin erläutert habe. Die Leute arbeiten länger. Deshalb werden mehr Fälle entschieden. Das hat nichts damit zu tun, daß der Arbeitsaufwand pro Fall zurückgegangen wäre.
Dann rufe ich die Dringliche Frage 2 der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer auf:
Wird die Bundesregierung die in der Frankfurter Rundschau" vom 4. 3. 1996 erhobenen Anschuldigungen nachprüfen und wenn ja, in welcher Form?
Hier kann ich auf meine Antwort auf die Dringliche Frage 1 verweisen und hinzufügen: Der Präsident des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge genießt nach wie vor das uneingeschränkte Vertrauen des Bundesministers des Innern.
Eine Zusatzfrage.
Aus Ihrer Antwort entnehme ich: Sie beziehen sich ausschließlich auf das Vertrauen, das der Präsident des Bundesamtes genießt, sind aber nicht bereit, den Vorwürfen konkret nachzugehen.
Frau Kollegin, das können Sie aus meiner Antwort nicht schließen. Ich habe in einer vorhergehenden Antwort zwei objektive Größen genannt, die geeignet sind, die Angaben des Präsidenten - wenn Sie so wollen - von außen, durch Zahlen zu überprüfen. Beides stimmt überein. Somit haben wir keinerlei Anlaß, an den Angaben des Präsidenten zu zweifeln.
Dann kommt eine Zusatzfrage von Ludger Volmer.
Herr Staatssekretär, selbst wenn es stimmen sollte - was wir ja in Frage stellen -, daß die jetzige Personalpolitik ausreicht, um den heutigen Stand von Verfahren abzuwickeln, und dementsprechende Äußerungen aus der Presse zurückzuweisen sind, so möchte ich Sie doch fragen, ob nicht mindestens insoweit etwas an den Befürchtungen dran ist, als wir Mitte dieses Jahres möglicherweise einen neuen Schwung an Asylbewerbungsverfahren vor uns haben werden. Denn wie Sie wissen, soll zum 1. Juli ein Teil der sich im Lande befindlichen Bosnienflüchtlinge in die Heimat zurückkehren, und dies, obwohl dort vieles für eine Rückkehr überhaupt nicht vorbereitet ist und wir auch wissen, daß viele nicht nur allgemein vor dem Bürgerkrieg geflohen sind, sondern direkter politischer Verfolgung ausgesetzt waren. Wie wollen Sie auf diesen sich möglicherweise ergebenden Ansturm an neuen Asylbewerbungsverfahren reagieren?
Herr Kollege, ich habe Zweifel, ob der Sachzusammenhang mit der Ausgangsfrage gegeben ist. Ich stelle dem Staatssekretär anheim, ob er antwortet.
Ich kann Sie nur darauf hinweisen, daß ich davon ausgehe, daß die meisten dieser Flüchtlinge freiwillig zurückkehren werden, zumal wir auf die dort gegebenen Verhältnisse Rücksicht nehmen. Sie wissen, daß unser Angebot so weit geht, daß wir anbieten, daß Leute zunächst einmal zu Informationszwecken zurückkehren, sich umsehen und wieder hierherkommen und dann erst entscheiden, ob sie bereit sind, zurückzukehren, oder nicht. Mehr an Freiwilligkeit und Möglichkeit zur objektiven Information kann man nicht schaffen. Da wir auf die Verhältnisse, die Sie geschildert haben, Rücksicht nehmen, gehe ich davon aus, daß die ganz überwiegende Zahl nicht das Asylverfahren beanspruchen wird, sondern freiwillig zurückkehren wird.
Die Frage, die hier gestellt worden ist, lautet, ob die Bundesregierung die in der „Frankfurter Rundschau" erhobenen Anschuldigungen nachprüfen wird und wenn ja, wie. Zu etwas anderem können keine Zusatzfragen gestellt werden.
Ich rufe nun die Zusatzfrage des Abgeordneten Volker Beck auf.
Die „Frankfurter Rundschau" bezieht sich auf Vorwürfe, die aus der ÖTV erhoben werden. Deswegen wollte ich auf den vorhin schon zitierten Text der ÖTV zurückkommen. Dort äußert die ÖTV die Befürchtung, daß die Vorgänge im Bundesamt dazu führen werden, daß die Qualität der Arbeit sowohl bei den Anhörungen der Asylbewerberinnen und Asylbewerber als auch bei den Bescheiden der Einzelentscheider auf der Strecke bleibt und die Arbeit verfahrensrechtlich vom Bund deshalb auf die Länder übertragen wird, weil die Bescheide einfach so schlecht sind, daß sie regelmäßig bei den Verwaltungsgerichten landen. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Befürchtung insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion über die Belastung der Justiz, die wir gegenwärtig haben?
Herr Kollege, der Sachzusammenhang zu der gestellten Frage ist nicht gegeben.
Doch.
Er ist nicht gegeben. Ich stelle anheim, ob geantwortet wird.
Herr Hirsch, ich habe mich direkt auf etwas aus der „Frankfurter Rundschau" bezogen.
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Beck, es handelt sich nicht um Einwände, die von der Gesamtpersonalvertretung oder der ganzen ÖTV erhoben worden sind. Aus einer von 46 Außenstellen hat vielmehr ein einziger Personalvertreter, der der ÖTV angehört, ein über 20seitiges Schreiben an die ÖTV Stuttgart gerichtet. Dieses Schreiben ist offenbar Grundlage für die Berichterstattung in der Presse. Ich will Ihnen damit nur sagen: 45 Außenstellen sind mit dem Verfahren einverstanden, haben nichts auszusetzen und auch keinerlei Verdacht in dieser Richtung geäußert - lediglich die eine Außenstelle, ein Herr Müller.
Der Gesamtpersonalrat hat sich ebenfalls ständig mit der Sache befaßt, ist lückenlos informiert worden und hat keinerlei formelle Einwände erhoben. Daraus mögen Sie ersehen, daß es sich offenbar um die Bedenken eines einzelnen Personalvertreters handelt. Dieser Einwand ist jetzt von der Presse sozusagen mit dem Etikett versehen worden, hier handele es sich um breite Einwände aus den Reihen der ÖTV.
Die Verwaltungsgerichte sind wie eh und je tangiert. Ich habe Sie schon darauf hingewiesen, daß sich an der Quote derjenigen, die gerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen, nichts geändert hat. Dies verteilt sich danach, wie die Außenstellen gelagert sind. Im Vergleich zu früher ändert sich hier überhaupt nichts, so daß keinerlei Auswirkungen zu befürchten sind.
Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Sonntag-Wolgast.
Herr Staatssekretär Lintner, kann ich aus Ihrer Antwort auf die Frage 2 der Abgeordneten Dietert-Scheuer, in der Sie sagten, der Präsident des BAFl genieße weiterhin Ihr volles Vertrauen, schließen, daß Sie die heute von der SPD für die nächste Sitzung des Innenausschusses an hervorgehobener Stelle der Tagesordnung beantragte und beschlossene Aufsetzung eines Berichtes über die Vorgänge für überflüssig halten?
Nein. Sie haben im Ausschuß bestimmte Rechte. Sie haben eines dieser Rechte in Anspruch genommen, nämlich von der Bundesregierung einen Bericht zu erlangen. Es steht mir nicht an, ja oder nein zu sagen. Es kann als Antwort der Bundesregierung nur ein Ja geben.
Nächste Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Helmut Lippelt.
Herr Staatssekretär, Sie erklärten vorhin den Bericht für tendenziös. Dieser Bericht bezieht sich aber auch auf ein Protokoll, aus dem mit einem ziemlich unglaublichen Satz zitiert wird. Herr Dusch habe selbst gesagt, die Überstundenregelung sei zwar derzeit arbeitszeitrechtlich nicht erlaubt, er werde sie aber faktisch gestatten. Sind Sie bereit, diesem Bericht wenigstens insofern einmal nachzugehen?
Der Inhalt dieses Satzes ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Überstundenregelung auf freiwilliger Basis - so ist es auch erfolgt - erlaubt ist. Anderes könnte nicht gefordert und durchgesetzt werden. Das habe ich vorhin schon gesagt. Das wollte Herr Dusch offenbar zum Ausdruck bringen.
Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Buntenbach.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch einmal nachfragen. Sie haben vorhin gesagt, daß Sie die Vorgänge, die in der „Frankfurter Rundschau" geschildert werden, unter anderem deswegen nicht überprüfen, weil lediglich eine einzige Quelle der Grund der Beschwerde sei. Das war jedenfalls in diesem Zusammenhang eines Ihrer Argumente.
Würden Sie diese Position ändern, wenn ich Sie jetzt darauf aufmerksam mache, daß sich zum Beispiel auch in den „Nürnberger Nachrichten" vom 20. Februar und in anderen Presseveröffentlichungen eine ganze Reihe von Vertretern und Vertreterinnen der ÖTV genau mit solchen Befürchtungen und solcher Kritik geäußert haben, wie sie auch in der „Frankfurter Rundschau" dokumentiert ist? Dazu gehört Georg David, der Sprecher der ÖTV-Vertrauensleute im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, der Gesamtpersonalratschef, sowie Nürnbergs ÖTV-Vorsitzender Peter Löser. Dies sind alles Leute, die in diesem Zusammenhang ähnliche Vorwürfe erhoben haben, wie in der „Frankfurter Rundschau" dokumentiert. Ist das nicht Anlaß genug, in Erwägung zu ziehen, diese Dokumentation zu überprüfen?
Frau Kollegin, die erste Unterstellung muß ich zurückweisen. Die Tatsache, daß ich Ihnen hier detailliert Rede und Antwort stehe, zeigt, daß wir diese Vorwürfe bereits überprüft haben. Mir also die Äußerung zu unterstellen, daß ich mich auf Grund dessen, was in der Presse geschrieben worden ist, geweigert hätte, die Vorwürfe zu überprüfen, ist nicht korrekt.
Zum anderen muß ich noch einmal sagen: Selbst wenn sich die Herren jetzt in der Presse äußern, so haben sie sich doch in den Gremien, denen sie ange8038
hören und in denen sie ihre Kritik beispielsweise an der Amtsleitung formell hätten vortragen können, nicht geäußert.
Ich lasse noch eine Zusatzfrage zu dieser Frage zu, und zwar von Frau Schewe-Gerigk.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß das Bundesamt die bereits vorgesehene Bestellung von Sonderbeauftragten für Kinder, Frauen und Folteropfer abgesagt hat? Wenn ja: Warum, und welche politische Grundsatzentscheidung stand dahinter?
Frau ScheweGerigk, diese Frage steht in keinem Sachzusammenhang zu der Frage 2, die hier in Rede ist. Sie müßten Ihre Frage später oder anders stellen.
Ich rufe dann die Frage 3 des Abgeordneten Volker Beck auf:
Treffen Berichte der „Frankfurter Rundschau" vom 5. 3. 1996 zu, wonach beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Weiterbildungsprogramme für Entscheiderinnen und Entscheider eingestellt wurden, wenn ja, warum, und wie wird gegebenenfalls die Qualifizierung der Bundesamtsbediensteten im Hinblick auf Länderhintergrundinformationen, nationales und internationales Flüchtlingsrecht und Befragung von unter anderem traumatisierten Asylsuchenden sichergestellt?
Die Antwort lautet, Herr Kollege: Es trifft nicht zu, daß die Fortbildung der Entscheider des BAFl, männliche wie weibliche, für das erste Halbjahr 1996 ausgesetzt worden ist. Erst kürzlich, und zwar vom 26. bis zum 27. Februar 1996, wurde ein von der ÖTV veranstaltetes Länderkundeseminar über die Türkei für Entscheider durchgeführt.
Alle mit der Entscheidung über Asylanträge befaßten Mitarbeiter des Bundesamtes sind hinsichtlich der Befragung spezifisch traumatisierter Asylsuchender sensibilisiert. Darüber hinaus wird zur Zeit eine Fortbildungsmaßnahme im Hinblick unter anderem auf traumatisierte Asylbewerber unter Einbeziehung von Erkenntnissen der Institution REFUGIO konzipiert.
Ihre Zusatzfrage bitte.
Ich wollte fragen, ob ich Sie jetzt dahin gehend richtig verstanden habe, daß die Zusage, die diese Behörde im Mai 1995 durch Herrn Dr. Groß, den Amtsvorgänger von Herrn Dusch, gegenüber dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages gemacht hat, diese Trainingsprogramme auch zukünftig in Kooperation mit dem UNHCR durchzuführen, weiterhin gilt oder ob es beim Bundesamt irgendwelche Modifizierungen im Vergleich zu den Ausführungen, die damals gegenüber dem Ausschuß gemacht wurden, gegeben hat.
Wir tun alles, was angemessen und notwendig ist, um die Mitarbeiter fortzubilden. Dazu gehören sicher auch Erkenntnisse des UNHCR.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ist es so, daß der UNHCR hier aktiv beteiligt wird, oder benutzen Sie lediglich die Schriftstücke dieser Organisation? Das wäre, wenn ich das richtig verstanden habe, zumindest eine Abweichung von dem, was der Vorgänger von Herrn Dusch gegenüber dem Petitionsausschuß versprochen und auch als beispielhaft hervorgehoben hat.
Herr Kollege Beck, wir pflegen Zusagen grundsätzlich einzuhalten. Darum: Es bleibt bei der Zusage.
Dann kommt eine Zusatzfrage der Abgeordneten Schewe-Gerigk.
Herr Staatssekretär, ich wiederhole meine Frage von vorhin: Trifft es zu, daß das Bundesamt die bereits vorgesehene Bestellung von Sonderbeauftragten für Kinder, Frauen und Folteropfer abgesagt hat? Wenn es zutrifft: Warum, und welche politische Grundsatzentscheidung stand dahinter?
Frau Kollegin, ich sehe den Zusammenhang zu der Dringlichkeitsfrage nicht und kann deshalb an dieser Stelle nicht auf Ihre Frage antworten.
Ich rufe als nächstes die Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfgang Schmitt auf.
Herr Staatssekretär, nach Aussage von Tagungsteilnehmern hat das Bundesamt noch im Jahre 1995 auf einer Tagung des Gustav-Stresemann-Instituts in Bonn Planungen vorgestellt, wonach Fortbildungsprogramme zur Situation von Frauen in Asylverfahren und zur geschlechtsspezifischen Verfolgung vorgesehen sind, die im übrigen vom Bundesamt selbst für notwendig erachtet und zugesagt wurden. Trifft es zu, daß diese Planungen auf Eis gelegt wurden? Wenn ja: Wie ist dies zu rechtfertigen?
Nein, sie sind nicht auf Eis gelegt worden. Ich habe darauf hingewiesen, daß es bei den geplanten Fortbildungsmaßnahmen bleibt.
Dann kommt die Zusatzfrage der Abgeordneten Köster-Loßack.
Herr Staatssekretär, wie werden sich der Personalabbau beim Bundesamt und der Druck auf die Einzelentscheider und -entscheiderinnen, zu schnellen Entscheidungen zu kommen, auf die Verfahren auswirken, in denen Frauen den Wunsch äußern, von weiblichen Entscheidern angehört zu werden? Wird diesem Wunsch überhaupt noch Rechnung getragen werden können? Wie sollen die Beschlüsse des Bundestages aus der 11. Wahlperiode, wonach Frauen von Frauen angehört und Übersetzungen von Dolmetscherinnen übernommen werden sollen, umgesetzt werden?
Frau Kollegin, ich muß noch einmal betonen, daß Ihre Grundannahme, es werde Druck ausgeübt, nicht zutreffend ist.
Wir machen keine Abstriche in der Qualität, so daß auch die übrigen Annahmen nicht zutreffen. Natürlich wird dem Einzelfall angemessen reagiert und die Bearbeitung darauf abgestellt.
Dann rufe ich die Frage des Abgeordneten Ludger Volmer auf.
Herr Staatssekretär, lassen die Qualifizierung und auch die Beschäftigtensituation es zu, daß die Beschäftigten sich an Arbeitsgruppen beteiligen, die sich Gedanken darüber machen, wie man insbesondere mit unbegleiteten Minderjährigen umgeht, damit diese in der Lage sind, sich richtig zu artikulieren und ihre Interessen optimal zur Geltung zu bringen?
Das hat mit dem Personalabbau, den wir besprechen, nichts zu tun. Soweit dafür eine spezielle Ausbildung erforderlich ist, wird sie gewährt.
Dann kommt die Zusatzfrage von Frau Annelie Buntenbach.
Herr Staatssekretär, wenn die betroffenen Beschäftigten in diesem Halbjahr elf Stunden täglich arbeiten und reichlich Überstunden leisten, wie können sie dann noch die Zeit erübrigen, um sich weiterhin an Qualifizierung und Fortbildung zu beteiligen? Wird das vom Bundesamt sichergestellt?
Frau Kollegin, da das freiwillig geschieht, ist selbstverständlich der Spielraum für die Entscheidung vorhanden.
Letzte Zusatzfrage, Frau Dietert-Scheuer.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, daß die Fortbildungsprogramme mit dem UNHCR in geplanter Weise fortgesetzt würden. Uns liegen Informationen vor, daß der einzig bestehende reguläre Kontakt zwischen dem Bundesamt und dem Rechtsberaternetz des UNHCR aufgelöst wurde. Trifft dies zu, und wenn ja, warum?
Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Das gehört aber nicht zu der Frage der Fortbildung. Es ist offenbar der sonstige regelmäßige Kontakt gemeint. So, wie ich unsere Position gegenüber dem UNHCR generell kenne, kann ich mir nicht vorstellen, daß ihm irgendwelche Schwierigkeiten bereitet werden, mit dem BAFl in Kontakt zu treten.
({0})
Ich rufe die Dringliche Frage 4 des Abgeordneten Volker Beck auf:
Wie steht die Bundesregierung auch vor dem Hintergrund der in der Presse ({0}) zitierten Äußerungen der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer, Cornelia Schmalz-Jacobsen, zur Kritik gegenüber der Qualität der Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, wie sie von Menschenrechtsorganisationen wie z. B. Amnesty International erhoben wird?
Die Antwort ist relativ kurz: Die Kritik gegenüber der Qualität der Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist unberechtigt. Sie ist in der Form, wie sie hier behauptet wird, auch nicht bekannt.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Beck.
Ich komme zur Substanz der Kritik. Ist es gewährleistet, daß das Bundesamt nicht nur Länderhintergrundinformationen des Auswärtigen Amtes, sondern auch der UN-Menschenrechtskommission und nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International dokumentiert, auswertet und in Einzelentscheidungen nutzt?
Herr Kollege Beck, da wir wissen, wie sehr Sie auf diese Dinge Wert legen, haben wir es uns wirklich zur Übung gemacht, bei unseren Entscheidungen alle verfügbaren Quellen heranzuziehen. Wir verlassen uns keinesfalls nur auf die an sich sehr guten und objektiven Berichte des Auswärtigen Amtes.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Es freut uns sehr, zu hören, daß unsere Wertschätzung von bestimmten Berichten bei der Bundesregierung solchen Widerhall erfährt.
Trifft es zu, daß der einzig bestehende reguläre Kontakt zwischen dem Bundesamt und dem Rechtsberaternetz des UNHCR aufgelöst wurde, und wenn ja, warum? Es bestand früher eine Projektgruppe, an der Rechtsanwälte, die Mitglieder des von UNHCR und Wohlfahrtsverbänden getragenen Rechtsberaternetzes für Flüchtlinge sind, der UNHCR und das Bundesamt teilnahmen. Das soll, wie ich gehört habe, nicht mehr der Fall sein.
Herr Kollege Beck, ich habe diese Frage schon vorhin beantwortet. Deshalb darf ich auf diese Antwort verweisen.
Damit sind wir am Ende der Dringlichen Fragen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dazu eine Aktuelle Stunde beantragt. Nach unserer Geschäftsordnung werden wir nach Ende der Fragestunde in diese Aktuelle Stunde eintreten.
Ich rufe nun die Frage 1 des Abgeordneten Horst Kubatschka aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die möglicherweise eintretende massive Installation von Sendern für „Home-Handies" auf Hausdächern, da die Benutzung des Leitungsnetzes der Deutschen Telekom AG zu teuer ist?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Laufs zur Verfügung.
Herr Kollege Kubatschka, es ist richtig, daß zur Zeit im Vorgriff auf die Liberalisierung der Übertragungswege ab 1. Januar 1998 von zukünftig mit der Deutschen Telekom AG konkurrierenden Netzbetreibern nach Möglichkeiten gesucht wird, ohne die vorhandenen heutigen Monopolübertragungswege mit Hilfe von Funkanwendungen zum Beispiel nach dem DECTStandard außerhalb von Häusern Verbindungen zu eigenen Netzen aufzubauen.
So finden zur Zeit - im Rahmen der Telekommunikationsverleihungsverordnung genehmigte - Versuche statt, die DECT-Technik für schnurlose Telefone auch zur Anbindung neuer privater Netze nach Wegfall des derzeitigen Netzmonopols zu nutzen. Die Bundesregierung beabsichtigt grundsätzlich, diese Technik als Ersatz für drahtgebundene Anschlußleitungen ab 1. Januar 1998 zur allgemeinen Nutzung zuzulassen.
Inwieweit es dabei zu den von Ihnen angesprochenen massiven Installationen von Sendern auf Hausdächern kommt, kann heute noch nicht abgeschätzt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der Einsatz des DECT-Systems in den USA aus Gründen der Gesundheitsvorsorge nicht erlaubt ist?
Herr Kollege Kubatschka, es ist mir nicht bekannt, daß diese Technik in den USA aus Gründen, die Sie hier angedeutet haben, nicht erlaubt sein soll. Es gibt hier in Europa einen allgemein zugelassenen DECT-Standard. Es gibt keine nachvollziehbaren Hinweise, daß durch die Nutzung der DECT-Technik gesundheitliche Gefährdungen gegeben sind.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Ihnen diese Gesundheitsvorsorgemaßnahme nicht bekannt ist: Wären Sie bereit zu überprüfen, ob damit die Literatur, die ich habe, falsch ist, oder Ihr Kenntnisstand falsch ist? Würden Sie mir das bitte mitteilen?
Herr Kollege Kubatschka, selbstverständlich werde ich das gerne tun. Ich entnehme im übrigen der Drucksache für die heutige Fragestunde, daß Sie nach der elektromagnetischen Umweltverträglichkeit und der Gesundheitsgefährdung durch DECT-Anwendungen unter dem Bereich des dafür zuständigen Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fragen. Ich bin sicher, daß Sie im Rahmen dieser Fragestunde noch weitere Antworten dazu bekommen werden.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 2 und 3 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Hubert Hüppe auf:
Ist der Bundesregierung ein Fall bekannt, wo nach Inkrafttreten des neu gefaßten § 218a eine medizinische Indikation zum Abbruch der Schwangerschaft - unter Berücksichtigung des Umstandes, daß danach eine Abtreibung bis zur Geburt möglich ist und daß laut einer Sendung im ZDF auch nicht selten aufVizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
grund einer drohenden Behinderung des Kindes eine medizinische Indikation gestellt wird - einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen worden ist?
Herr Kollege, der Bundesregierung liegen Erkenntnisse der nachgefragten Art nicht vor. Die Strafverfolgung ist, wie Sie wissen, auch Aufgabe der Länder. Wegen der Kürze der Antwortfrist konnten die Landesjustizverwaltungen noch nicht befragt werden.
Ihre Zusatzfrage.
Auf Grund der Tatsache, daß wir beim Thema des § 218 eine Beobachtungspflicht vom Bundesverfassungsgericht übertragen bekommen haben, frage ich, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, nach dem jetzigen § 218, in dem die medizinische Indikation festgeschrieben ist, einen indizierenden Arzt juristisch zu überprüfen.
Das ist selbstverständlich möglich. Ein indizierender und auch ein abtreibender Arzt können überprüft werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 218 a f. gegeben sind.
Ihre zweite Frage bitte.
Da ja eine Abtreibungsmöglichkeit auch dann gegeben ist, wenn das Kind überlebensfähig ist: Würde sich der indizierende Arzt nach Ansicht der Bundesregierung strafbar machen, wenn er eine solche Indikation stellt, obwohl er sich persönlich nicht über die Notlage der Frau informiert hat?
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Das ist eine Frage, die in der Tat die Strafverfolgungsbehörde, nicht die Bundesregierung zu beantworten hätte. Wenn die Voraussetzungen der §§ 218 ff. nicht gegeben sind, ist ein Arzt nicht berechtigt, diese Indikation zu stellen oder auch eine Abtreibung vorzunehmen.
Jetzt kommt die Zusatzfrage des Abgeordneten Werner Lensing.
Ich habe zwei Fragen zum Bereich der Schadenersatzansprüche.
Sie haben eine Frage, Herr Kollege.
Insgesamt zwei; jetzt stelle ich zunächst die erste.
Sie können nur eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön.
Okay. - Liegt nach Auffassung der Bundesregierung ein ärztlicher Kunstfehler vor, wenn das überlebende Kind durch die Abtreibung oder die dadurch bewirkte zu frühe Geburt Schäden erlitten hat, die zu einer Beeinträchtigung seiner Gesundheit oder seiner Überlebenschancen führen, und kann dies gegebenenfalls Schadenersatzansprüche des geschädigten Kindes gegenüber dem Abtreibungsarzt begründen?
Herr Kollege, ich sehe überhaupt keinen Sachzusammenhang zu der ursprünglich von Herrn Kollegen Hüppe gestellten Frage. Ich bin nicht bereit, schwierigste Rechtsfragen zum Schadenersatz hier aus der Hand heraus zu beantworten.
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Ich bin aber gern bereit, Ihnen diese Fragen schriftlich zu beantworten. Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß man hier keine Rechtsberatungsstunde durchführen kann.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Otto Schily auf:
Hat die Bundesregierung überprüft, ob - ähnlich wie im Falle der Bremer Vulkan Verbund AG - bei anderen von der Treuhandanstalt oder der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben privatisierten Unternehmen im Wege des sogenannten Cash-Managements Finanzmittel zweckentfremdet worden sind?
Herr Kollege Schily, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das Cash-Management ist eine normale, in Konzernen gehandhabte Praxis, um die Finanzierungskosten zu senken. Für die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, die BvS, hat diese Praxis dann Bedeutung, wenn der Privatisierungsvertrag die Vorableistung von Finanzmitteln für künftige Investitionen oder Verluste vorsieht. Treuhandanstalt bzw. BvS haben Vorableistungen in der Vergangenheit nur ausnahmsweise, wenn in den Privatisierungsverhandlungen etwas anderes nicht zu erreichen war, zugestimmt.
Solche Ausnahmefälle sind zum Beispiel die Fusion der Mitteldeutschen Kali AG mit der BASF-Gruppe sowie die Privatisierung der Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH an die Dow Chemical
Company. In den genannten Privatisierungsverträgen wurden Berichtspflichten an die BvS vereinbart, wodurch die BVS regelmäßig über die Anlage und Verwendung ausgereichter Mittel unterrichtet wird. Mit Dow Chemical wurde zusätzlich vereinbart, daß der BvS regelmäßig sämtliche nach US-Börsenaufsichtsrecht vorzulegende Berichte, die relevante Angaben zur Kreditwürdigkeit des Unternehmens enthalten, zugeleitet werden. Darüber hinaus wurden Kontrollrechte der BvS für den Fall der Ausleihung von Mitteln an Konzernunternehmen vereinbart, die die BvS aktiv ausübt. In beiden Fällen wird die Mittelverwendung jeweils durch zwei unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überprüft.
Die Bundesregierung hat in den genannten Fällen keine Anhaltspunkte für eine Zweckentfremdung von Finanzmitteln, die sie im Rahmen der Privatisierung zur Verfügung gestellt hat.
Herr Kollege Schily, Ihre erste Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie uns denn einen Fall nennen, bei dem ähnlich wie im Fall der Bremer Vulkan Verbund AG der Verdacht aufgetaucht ist, daß im Wege eines sogenannten Cash-Managements Gelder zweckentfremdet worden sind?
Herr Kollege Schily, die BvS ist zur Zeit dabei, alle in Frage kommenden Verträge zu prüfen. Bis jetzt sind uns keine Fälle gemeldet worden.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Muß ich auf Grund Ihrer Antwort davon ausgehen, daß die BvS erst jetzt mit einer solchen Prüfung begonnen hat?
Die BvS hat sich, wie gesagt, in diesen Privatisierungsverträgen in allen Fällen Berichtspflichten und Kontrollrechte vorbehalten, die regelmäßig wahrgenommen worden sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Koppelin.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit dieser Frage möchte ich ein anderes Beispiel anführen, das mit hineingehört. Es gibt offensichtlich Differenzen zwischen der BvS und einem Baukonsortium, bei denen es um ein Investitionsvolumen von 800 bis 900 Millionen DM geht, das klärungsbedürftig ist. Können Sie sich vorstellen, daß in diesem Bereich ähnliches auftritt, wie es beim Bremer Vulkan geschehen ist?
Ich vermute, Sie sprechen den Fall Maculan an. Ist das richtig, Herr Kollege?
Ja.
In diesen Fällen liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß Beihilfen unrechtmäßig verwendet worden sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Penner.
Herr Staatssekretär, dieses Cash-Management ist sicherlich ein bemerkenswertes Institut zur Regelung finanzwirksamer Vorgänge innerhalb eines Konzerns. Kann dieses Institut aber eine Rechtfertigung sein, die Zweckbestimmung, die von seiten Europas zur Weiterleitung von Subsidien genau definiert ist, zu verdunkeln?
Herr Kollege, das Instrument des Cash-Managements wird in vielen Konzernen angewendet. Dabei geht es darum, überschüssige Liquidität, also noch nicht gebrauchte Finanzmittel, entsprechend anzuwenden.
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Wir haben in den vorliegenden Fällen den Nachweis über die geflossenen Mittel erhalten. Auch die Verwendung dieser Mittel wird in den Berichten nachgeprüft. Die Berichte werden jährlich testiert und entsprechend vorgelegt.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Otto Schily auf:
Wann hat die Bundesregierung erstmals einen Hinweis darauf erhalten, daß bei der Bremer Vulkan Verbund AG Finanzmittel zweckentfremdet worden sind, und welche Maßnahmen hat sie daraufhin veranlaßt?
Auf die Frage 6, Herr Kollege Schily, gebe ich Ihnen folgende Antwort.
Ende Oktober 1995 erhielt die Bundesregierung vom Land Bremen erste Hinweise, daß die BW AG Schwierigkeiten haben könnte, den vertraglich vereinbarten Eigenanteil zur Durchführung der Investitionen in ihren ostdeutschen Werften zu erbringen. Diesen Hinweisen standen Erkenntnisse der BvS über die bis zuletzt planmäßige Durchführung der Investitionen in Ostdeutschland durch den BW entgegen.
Ende 1995 gab es Hinweise aus dem Land Bremen, daß den ostdeutschen Werften durch das Cash-Management des Bremer Vulkan 900 Millionen DM entzogen worden sein könnten. Die Bundesregierung hat die BvS daraufhin umgehend gebeten, diesen Hinweisen nachzugehen.
Am 13. Dezember 1995 wurde die Thematik auf der Sitzung des BvS-Verwaltungsrates angesprochen. Zum damaligen Zeitpunkt versicherte der BvS-Vorstand den Verwaltungsratsmitgliedern, daß die im Rahmen des Privatisierungsvertrags ausgezahlten Investitionsmittel ordnungsgemäß verwandt würden.
Anfang 1996 erfuhr die Bundesregierung von der BvS, daß die Einschätzung, die Mittel für Investitionen könnten den Ostwerften auch weiterhin planmäßig zur Verfügung gestellt werden, auf Grund eines Gesprächs zwischen BvS und dem Vorstand des Bremer Vulkan vom 22. Dezember 1995 nicht mehr aufrechterhalten werden könne.
Mit Fax vom 22. Dezember 1995 hatte sich die BvS beim BMWi daraufhin nach den Voraussetzungen erkundigt, unter denen eine Bundesbürgschaft für die Ostwerften in Frage komme.
Der Vorstand der BvS wurde in der Sitzung des Präsidialausschusses der BvS am 16. Januar 1996 mit einer eingehenden Untersuchung der Vorgänge beauftragt. Daraufhin wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer Untersuchung des Cash-Managements des Bremer Vulkan beauftragt. Ein erster, mit Vorbehalten versehener Zwischenbericht liegt mittlerweile vor und wurde in einer Pressekonferenz am 26. Februar 1996 veröffentlicht.
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Schily.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung den Eindruck gewonnen, daß die in diesem Zusammenhang angestellten Überprüfungen nicht ausreichend waren? Können Sie bestätigen, daß inzwischen auch die BvS ihre Kontrollmaßnahmen verbessert hat?
Die Berichte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft waren jeweils jährlich testiert. Der Bericht zum 31. Dezember 1994 hatte keinerlei Hinweise über eine nicht fristgerechte Verwendung der Mittel enthalten. Die vierteljährlichen Berichte der Unternehmen sind nicht testiert; es wird, wie gesagt, nur einmal jährlich testiert. Die BvS hat sich auf diese Berichte verlassen können.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Das verstehe ich nicht ganz, Herr Staatssekretär. Wenn Sie in Ihrer Darstellung des Sachverhalts sagen, daß sich die testierten Berichte als unzutreffend erwiesen haben, muß man die Frage stellen, ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Berichte begründet war. Haben Sie vielleicht die falschen Kontrolleure gewählt, oder worauf ist es zurückzuführen, daß zunächst einmal ein Sachverhalt unterstellt wird, der möglicherweise zur Beruhigung Anlaß gibt, und Sie erst hinterher entdecken, daß etwas falsch gelaufen ist, woraufhin es sogar zu einer Strafanzeige kommt?
Herr Kollege Schily, Sie wissen, daß Bilanzen stichtagsbezogen sind. Das heißt, daß ein bestimmter Tatbestand zum Bilanzstichtag - hier der letzte Bilanzstichtag 1994 - nachgeprüft werden kann. Es ist aber üblich, daß im Anschluß an die Prüfungen entsprechende Vollständigkeitserklärungen und unter Umständen ein „management letter" abgegeben wird. In der Vollständigkeitserklärung versichert der Vorstand, daß es keine zusätzlichen Erkenntnisse darüber gibt, daß der Bestand an Forderungen - dieses Cash-Management ist ja ein Bestandteil der Forderungen - nicht mehr zutrifft.
Die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat sich eine solche Erklärung geben lassen. In den Berichten der Wirtschaftsprüfer sind keine Erkenntnisse aufgezeigt worden, die vermuten ließen, daß diese Beiträge nicht fristgerecht verwendet worden wären.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Koppelin.
Herr Staatssekretär, in dieser Woche wurde in der Fernsehsendung „Report" ein Brief der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern an das Kanzleramt gezeigt, in dem auf zweckentfremdete Mittel in dem Bereich Bremer Vulkan hingewiesen wurde. Es wurde außerdem ein Brief des Kanzleramtsministers Bohl gezeigt, in dem er bestritt, daß ein solcher Vorgang stattgefunden hat.
Können Sie uns hier erklären, wie der Kanzleramtsminister Bohl einen solchen Brief schreiben kann, wenn er sich vorher nicht bei der BvS erkundigt? Können Sie des weiteren sagen, welche Auskunft Kanzleramtsminister Bohl von der BvS bekommen hat, damit er diesen Brief schreiben konnte?
({0})
Kanzleramtsminister Bohl hat in einem Schreiben an den Miniterpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und an den Minister für Wirtschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Dr. Ringstorff, mitgeteilt, daß von der BvS nachdrücklich versichert wird, daß die Investitionen in den ostdeutschen Werften planmäßig vorangehen.
Es wurde ausdrücklich bestätigt, daß die Aufträge für das erste Quartal 1996 bereits erteilt sind, daß Bestellungen für die Jahre 1996 und 1997 vorliegen und daß die BvS in Kürze einen Bericht über die gesamte Investitionsplanung für 1996 und 1997 erwartet - ich zitiere -:
Die BvS hat ferner mitgeteilt, daß derzeit keinerlei Hinweis für eine vertragswidrige Verwendung von Fördermitteln vorliegt. Dies ist durch Berichte des zuständigen Wirtschaftsprüfers bestätigt worden, die auch der EU-Kommission vorgelegt worden sind.
Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das sind die Fragen 7 und 8 des Kollegen Günter Marten, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatsskretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Hubert Hüppe auf:
Wie ist sichergestellt, daß, falls ein Kind nach einer im letzten Schwangerschaftsdrittel vorgenommenen Abtreibung im Rahmen der nun geltenden erweiterten medizinischen Indikation lebend zur Welt kommt, dieses medizinisch versorgt wird, und sieht die Bundesregierung ggf. gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Herr Kollege Hüppe, bei dem in der Frage dargestellten Sachverhalt handelt es sich um eine Lebendgeburt. Eine Lebendgeburt liegt vor, wenn bei einem Kind nach Scheidung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat.
Lebendgeborene müssen nach dem geltenden medizinischen Standard versorgt werden; dies folgt aus der berufsrechtlichen Pflicht des Arztes zur Lebenserhaltung; das ist in § 1 Abs. 2 Musterberufsordnung für die deutschen Ärzte nachzulesen. Andernfalls würde sich der Arzt einer Tötung durch Unterlassen schuldig machen. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht hier nicht.
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Hüppe.
Wenn der Arzt unter der Voraussetzung der medizinischen Indikation eine Schwangerschaft in einem Stadium abbricht, in dem auch außerhalb des Mutterleibes die Möglichkeit der Überlebensfähigkeit besteht, ist dann die Tötung des Kindes bereits im Mutterleib Bestandteil seines Behandlungsauftrags, oder muß er nach Standesrecht dafür Sorge tragen, eine Abtreibungsmethode zu wählen, die es ermöglicht, das Kind auch außerhalb des Mutterleibes am Leben zu erhalten?
In dem von Ihnen hier geschilderten Sachverhalt ist die Methode anzuwenden, die nach ärztlicher Kunst die gängige Methode darstellt. Aus meiner Sicht ist eine vorsätzliche Tötung des Kindes im Mutterleib nicht vorgesehen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Mit welchen Methoden finden in diesem Stadium nach den augenblicklichen Erkenntnissen der Bundesregierung die medizinisch indizierten Abtreibungen statt, und können sie die Gesundheit des Kindes eventuell beeinträchtigen?
Herr Kollege Hüppe, dazu muß ich die Sachverständigen befragen. Nach deren Befragung werde ich Ihnen das gern schriftlich mitteilen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Werner Lensing.
Frau Staatssekretärin, muß der abtreibende Arzt die Schwangere vor der Abtreibung darüber aufklären, mit welchen Risiken der Eingriff für das möglicherweise überlebende Kind verbunden ist, und durch welche gesetzlichen und standesrechtlichen Bestimmungen ist eine solche Aufklärung sichergestellt?
Den ersten Teil Ihrer Frage würde ich mit Ja beantworten. Die genauen Rechtsgrundlagen dazu kann ich Ihnen gern schriftlich mitteilen.
Herr Kollege Catenhusen, zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist es eigentlich im Bereich der praktischen Erfahrung in der Medizin vorstellbar, daß Ärzte im Rahmen einer Schwangerschaftskonfliktberatung und einer Abtreibungsentscheidung zu einer Abtreibung greifen, wenn sie davon ausgehen können, daß das Kind, das die Frau erwartet, überlebensfähig ist und trotz der Einleitung einer Frühgeburt am Leben bleiben kann? Ist das ein hypothetisches oder ein reales Problem der medizinischen Praxis?
Ob es sich um ein reales Problem handelt, kann ich aus meinem Kenntnisstand heraus nicht sagen. Ich würde das primär in Frage stellen. Natürlich ist der Arzt gehalten, die Frau über die möglichen Risiken aufzuklären.
Es gibt auch klare gesetzliche Grundlagen - in §§ 218 aff. des Strafgesetzbuchs -, die festschreiben, wann bei einer medizinischen Indikation eine Abtreibung jenseits der zwölften Schwangerschaftswoche vorzunehmen ist. Ich denke, daß diese Rechtsgrundlage ausreichende Klarheit für die Handlung des Arztes schafft.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Staatsminister Helmut Schäfer zur Verfügung.
Die Frage 10 des Abgeordneten Özdemir wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Gernot Erler auf:
Woran liegt es, daß die Bundesregierung ihre Zusage, 200 Polizisten für die zivile Umsetzung des Dayton-Abkommens zur Verfügung zu stellen, noch nicht erfüllt hat, und bis wann ist mit der Bereitstellung der Polizeikräfte zu rechnen?
Herr Kollege, am 26. Januar 1996 haben sich die Innenminister von Bund und Ländern bei der Sonderkonferenz der IMK grundsätzlich auf eine mögliche deutsche Beteiligung an der UN-Polizeimission in Bosnien-Herzegowina geeinigt. Eine förmliche Vereinbarung über die Entsendung des deutschen Kontingents mit den Vereinten Nationen wurde noch nicht getroffen, da die Prüfung der Voraussetzungen noch nicht abgeschlossen ist.
Zur Klärung der Einsatzvoraussetzungen wurden am 12. Februar 1996 zwei leitende Polizeibeamte zur Internationalen Polizeimission nach Sarajevo entsandt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt derzeit.
Nach Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen wird die Entsendung des deutschen Kontingents zügig erfolgen. Bereits jetzt werden die Vorbereitungen für die Aufstellung und Einweisung des Kontingents planmäßig betrieben. Die Vereinten Nationen haben darum gebeten, die nationalen Kontingente schrittweise in Einheiten von bis zu 50 Mann zu entsenden.
Ihre Zusatzfragen, bitte, Herr Erler.
Herr Staatsminister, ist es richtig, daß von vorgesehenen 1 800 Polizisten, die im Rahmen der zivilen Umsetzung des Dayton-Abkommens eingesetzt werden sollen, erst 280 vor Ort eingesetzt sind, und würde Ihre Antwort bedeuten, daß diese 280 Polizisten, die aus anderen Ländern kommen, dort ohne rechtliche Voraussetzungen eingesetzt sind?
Die Zahl der insgesamt vorgesehenen Polizisten beläuft sich auf 1 721. Insgesamt sind 290 Polizisten dort. Die Aufstellung der restlichen, signalisierten Kontingente der einzelnen Länder befindet sich nach den Informationen der Bundesregierung bei den meisten Staaten ähnlich wie bei uns in der Vorbereitung. Das heißt, es wird jetzt Schritt für Schritt mit der Aufstockung der Kontingente zu rechnen sein.
Ihre zweite Frage, Herr Kollege Erler.
Herr Staatsminister, ist es zutreffend, daß es eine gewisse Auseinandersetzung zwischen dem BMI und dem Auswärtigen Amt über die Übernahme eventueller Zusatzkosten für die Entsendung der Polizisten gibt, und ist das vielleicht ein Grund für die Verzögerung der Entsendung der zugesagten 200 deutschen Polizisten?
Herr Kollege, wie immer sind Sie hervorragend informiert. Ich kann nur feststellen, daß es in der Kostenfrage tatsächlich noch eine Interpretation geben muß. Allerdings ist das nicht der entscheidende Grund für die Voraussetzung der Entsendung. Aber auch die Kostenfrage hat dabei eine Rolle gespielt.
Dann rufe ich Frage 12 des Abgeordneten Erler auf:
Welche Zusagen Dritter zur Finanzierung des Soforthilfeprogramms für den Wiederaufbau Bosniens sind bisher realisiert worden, und wie bewertet die Bundesregierung den aktuellen Stand der Mittelbereitstellung für die zivile Absicherung des Dayton-Prozesses?
Herr Kollege, bisher wurden folgende Zusagen realisiert: Die EU-Kommission hat für ein „ EssentialAid-Programme " der Europäischen Union zirka 80 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Die Umsetzung hat begonnen. Die Weltbank hat am 29. Februar dieses Jahres ihr „Emergency Recovery Programme" in Höhe von 160 Millionen US-Dollar beschlossen. Japan und die Niederlande haben mit jeweils 50 Millionen US-Dollar substantielle bilaterale Beträge bereitgestellt.
In der Mittelbereitstellung für die zivile Absicherung der Implementierung des Dayton-Abkommens bestehen aber immer noch Finanzierungslücken auf Grund mangelnder Beteiligung einiger Geber, darunter der USA und der islamischen Staaten.
Die Umsetzung der kurzfristigen Hilfsmaßnahmen vor Ort wird durch folgende Faktoren verzögert: Die bosnischen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen bis hin zur lokalen Ebene sind noch im Aufbau begriffen. Die Implementierungsstrukturen einzelner Geber stehen noch nicht. Die praktische Zusammenarbeit vor Ort muß sich noch einspielen; dazu gehört auch die Koordinierung von Wiederaufbauprojekten.
Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Erler.
Herr Staatsminister, wie bewertet es die Bundesregierung, daß unser wichtiger Bündnispartner Vereinigte Staaten in der Lage war, in kurzer Zeit eine große Zahl von Soldaten, 20 000, nach Bosnien zu schicken und diese auch zu finanzieren, aber jetzt nicht in der Lage ist, einen eigenen Beitrag zu dem zivilen Umsetzungsprogramm zu leisten, dieses jedenfalls verzögert und gleichzeitig heftige Kritik an der zivilen Umsetzung des Dayton-Programmes übt?
Herr Kollege, als Vertreter der Bundesregierung würde es mir nicht anstehen, das deutsche Parlament zu kritisieren. Den amerikanischen Kongreß von dieser Stelle zu kritisieren steht mir ebensowenig an. Aber hier liegen die Probleme. Sie wissen, daß der Kongreß bereit gewesen ist, die militärischen Mittel sofort zur Verfügung zu stellen. Daß es Probleme bei der Umsetzung der notwendigen anderen Mittel im dortigen, soviel ich weiß, Haushaltsausschuß gegeben hat, müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Wir hoffen allerdings, daß es gelingen wird, daß der Kongreß seine Bedenken bald aufgibt. Denn der Erfolg der Bosnien-Mission wird nicht nur von der Präsenz von Soldaten abhängig sein, sondern auch von der Fähigkeit, das Abkommen von Dayton möglichst schnell umzusetzen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatsminister, treffen Informationen zu, daß im Rahmen des Soforthilfeprogramms, über das wir im Zusammenhang mit dieser Frage reden, bisher ausschließlich Projekte für die kroatisch-muslimische Föderation vorgesehen sind, aber noch nicht für die Republica Serbsca? Wie wird die Bundesregierung verhindern, daß dadurch die Chancen der Friedensunterstützung durch dieses Soforthilfeprogramm nicht in dem Ausmaße genutzt werden können, wie das eigentlich sinnvoll wäre?
Ich kann Ihnen sagen - das war heute ein Punkt in der Diskussion im Auswärtigen Ausschuß -, daß auch Mittel für den serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas zur Verfügung gestellt werden. Nachdem die Sanktionen aufgehoben worden sind, besteht keinerlei Grund mehr, dort nicht mit entsprechenden Aktionen tätig zu werden.
Allerdings wird gerade bei der Frage des Wiederaufbaus die bosnische Föderation wohl stärker berücksichtigt, weil dort die größeren Schäden vorliegen. Aber in der Tat gehört auch der andere Bereich zu dem von uns zu betreuenden Gebiet.
Da kein Wunsch besteht, weitere Fragen zu stellen, kommen wir zum nächsten Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 14 und 15 sind zurückgezogen worden.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Günther zur Verfügung.
Die Fragen 16, 17, 18 und 19 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Peter Dreßen auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Verhalten vieler Baubetriebe, die während der Winterperiode Arbeitnehmer entgegen dem Tarifvertrag entlassen, und wie wirkt sich dieses Unterlaufen der Schlechtwettergeld-Nachfolgeregelung auf den Arbeitsmarkt bzw. die Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeit aus?
Herr Präsident, wenn Kollege Dreßen einverstanden ist, könnte ich die Fragen 20 und 21 gemeinsam beantworten.
Herr Abgeordneter, sind Sie damit einverstanden?
Wenn Sie mir vier Zusatzfragen gönnen, ja.
Selbstverständlich.
Dann rufe ich auch die Frage 21 des Abgeordneten Peter Dreßen auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die verabschiedeten Gesetze auch tatsächlich wirksam werden zu lassen und einen weiteren Anstieg über die ca. 300 000 Arbeitslosen in den Bauberufen hinaus zu verhindern?
Herr Kollege Dreßen, die Zunahme der Zahl arbeitsloser Bauarbeiter zum Jahresbeginn ist kein Phänomen, das erst mit Inkrafttreten der tariflichen und gesetzlichen Neuregelungen zum 1. Januar 1996 zu verzeichnen ist. Auch in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen im Baugewerbe zu Jahresbeginn jeweils deutlich angestiegen, zum Beispiel im Januar 1994 um 93 000 und im Januar 1995 um rund 110 000. Dennoch ist der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen im Baugewerbe im Januar 1996 im Vergleich zu den Vorjahren mit rund 175 000 überproportional hoch.
Die jeweiligen Ursachen für die Entlassungen sind allerdings nicht eindeutig feststellbar. Die im Jahre 1995 einsetzende rückläufige Baunachfrage in Westdeutschland wie auch die zunehmende Präsenz ausländischer Anbieter auf dem inländischen Markt wirken sich negativ auf die Beschäftigungssituation im deutschen Baugewerbe aus und dürften wesentlich zu den Entlassungen durch die Baubetriebe geführt haben. Die Entlassungen führen zu entsprechend höheren Arbeitslosenzahlen sowie in der Konsequenz zu derzeit nicht bezifferbaren Mehrausgaben im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit.
Die Tarifverträge für das Baugewerbe enthalten eine Regelung, daß eine witterungsbedingte KündiParl. Staatssekretär Horst Günther
gung in der Schlechtwetterzeit nicht zulässig ist, was jedoch betriebsbedingte Kündigungen wiederum nicht ausschließt. Die Bundesregierung kann die Einhaltung dieser tariflichen Vorschrift nicht sicherstellen, weil es sich um arbeitsrechtliche Rechtsbeziehungen handelt, bei denen eine Einhaltung nur durch den betroffenen Arbeitnehmer notfalls im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses durchführbar ist.
Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: Die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes im Bereich des Baugewerbes vom 15. Dezember 1995 vorgenommene Neuordnung der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft nach dem Arbeitsförderungsgesetz versetzt die Baubetriebe in die Lage, bei witterungsbedingten Ausfällen in der Schlechtwetterzeit von Entlassungen abzusehen. Das neue System mit einem Nebeneinander von tariflichen und gesetzlichen Leistungen entspricht hinsichtlich des Ziels, Entlassungen wegen ungünstiger Witterung zu vermeiden, der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Winterbauförderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz.
Von der Frage der Wirksamkeit eines verabschiedeten Gesetzes, mit dem Leistungen zur Beschäftigungssicherung geschaffen werden, ist jedoch die Frage zu trennen, ob Baubetriebe ihre Arbeitnehmer auf Grund ungünstiger Auftragslage entlassen. Derartige betriebsbedingte Kündigungen können nach Auffassung der Bundesregierung nicht durch Gesetze, sondern allein durch eine Besserung der wirtschaftlichen Lage in der Bauwirtschaft verhindert werden.
Herr Kollege Dreßen, nun haben Sie vier Zusatzfragen.
Ich möchte zu Beginn zur Frage 20 zurückkommen. In der „Bauwoche", das ja ein Blatt der Arbeitgeber ist, wurde geschrieben: Die Bundesregierung wird böse erwachen, wenn die Kosten für die Winterarbeitslosigkeit am Bau auf dem Tisch liegen werden.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß wir infolge dieser Neuregelung mehr Arbeitslosengeld ausgeben, als wir ausgeben müßten, wenn wir die alte Regelung mit dem Schlechtwettergeld beibehalten hätten?
Herr Kollege Dreßen, ich habe eben schon ausgeführt, daß es aus den von mir genannten Gründen nicht genau feststellbar ist, wieviel auf diesen Bereich und wieviel auf betriebsbedingte Kündigungen sonstiger Art entfallen. Deshalb kann ich auch nicht sagen, ob es mögliche Mehrausgaben gibt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich finde, Sie machen es sich in Ihrer Antwort etwas zu leicht. Es ist Ihnen doch sicherlich möglich, beim Arbeitsamt nachzufragen, wieviel Arbeitslosengeld ein Bauarbeiter im Schnitt bekommt. In der Zeitung wurde geschrieben, daß wir durch die neue Regelung rund 211 000 zusätzliche Arbeitslose hätten. Dabei müßte es doch möglich sein, daß Sie die Kosten errechnen lassen und daß Sie es ein bißchen näher ausführen. Ich halte Ihre Zahl von 175 000 für nicht ganz korrekt. Ich glaube, daß es leider Gottes sogar mehr sind.
Die Frage an Sie wäre also: Sind Sie nicht bereit, jetzt einmal konkret zu untersuchen, ob Sie die neue Regelung, die wir jetzt haben, nicht teurer kommt, so wie wir es prophezeit haben, als die alte Lösung mit dem Schlechtwettergeld?
Wenn das ginge, Herr Kollege Dreßen, würden wir das tun. Ich glaube aber, daß die Arbeitsverwaltung dazu keine verläßlichen Daten liefern wird. Jedoch werde ich das gerne überprüfen.
Jetzt kommt Ihre dritte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß dann, wenn die infolge der Schwierigkeiten, die die Bauwirtschaft hat, erhobene Forderung der Arbeitgeber, daß das Entsendegesetz erst dann gelten soll, wenn Aufträge neu verteilt werden - Sie wissen, daß beispielsweise in Berlin viele Aufträge langfristig vergeben worden sind -, durchkommt, das Entsendegesetz tatsächlich ein zahnloser Löwe wird und nicht das bewirkt, was wir, glaube ich, gemeinsam wollten, nämlich mehr Arbeitsplätze und die Beseitigung von Lohndumpingarbeitsplätzen?
Das ist völlig unstreitig, Herr Kollege Dreßen. Der Minister hat das, glaube ich, in diesem Zusammenhang, eben in der Regierungsbefragung schon einmal beantwortet. Wir gehen davon aus, daß das Entsendegesetz kein zahnloser Löwe sein wird, und vertrauen darauf, daß die Tarifvertragsparteien zu Lösungen kommen. Wir haben einen ersten Ansatz im Elektrohandwerk. Da gibt es zwar noch Fristen, die einen Einspruch möglich machen; aber es gibt hier eine Tarifeinigung vorläufiger Art. Ich gehe davon aus, daß im übrigen Bereich tarifvertragliche Regelungen zustande kommen, so daß das Entsendegesetz entsprechend greifen wird. Wenn das nicht der Fall ist, muß man sich natürlich überlegen, was dann zu tun ist.
Jetzt kommt Ihre vierte Zusatzfrage.
Meine letzte Zusatzfrage, Herr Staatssekretär: Was wird denn die BundesregiePeter Dreßen
rung tun, wo doch jetzt im Baubereich die Fronten so verhärtet sind - Sie wissen, daß die Gewerkschaften sogar vor Streiks stehen -, daß keine Lösung in Sicht ist? Ist dann die Bundesregierung unter Umständen bereit, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung, die jetzt vorgeschrieben ist, abzuschaffen?
Herr Kollege Dreßen, das ist eine hypothetische Frage. Ich habe eben schon gesagt: Wir setzen darauf, daß sich die Tarifvertragsparteien einigen. Ich habe auch schon ausgeführt, daß im Elektrohandwerk ein solcher Vertrag auf dem Tisch liegt. Deshalb kann ich die Frage nicht beantworten, was wir tun würden, wenn. Wir würden sonst die Tarifverhandlungen präjudizieren.
Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Kollegen Gilges.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben ja meinem Kollegen Dreßen eine sehr ausweichende Antwort gegeben. Deshalb will ich noch einmal auf die Fragestellung zurückkommen. Sie haben selbst gesagt, daß nach Ihrem Kenntnisstand in diesem Jahr 80 000 zusätzliche Arbeitslose aus dem Baugewerbe bei den Arbeitsämtern gemeldet sind. Diese zusätzliche Zahl muß ja logischerweise bei Ihnen zu Kostenberechnungen geführt haben. Das kann man über den Daumen peilen. Das kann ich ohne weiteres ausrechnen, dafür brauche ich kein Ministerium.
Ich möchte von Ihnen wissen: Welche zusätzlichen Kosten entstehen pro Monat, und in welchem Verhältnis stehen sie zu den früheren Kosten beim Schlechtwettergeld, die rund 750 Millionen DM betrugen? 250 beziehungsweise 300 Millionen DM setzen Sie für die Zeiten über 21 Tage ein. Dann verbleibt Ihnen noch ein Rest von 450 Millionen DM. Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden Sie über die 450 Millionen DM hinauskommen.
Sagen Sie doch einmal ganz konkret: Bleiben Sie nach Ihren Schätzungen in diesem Jahr unter den 450 Millionen DM, oder gehen Sie darüber hinaus? Ist Ihre Neuregelung deswegen für die Bundesanstalt für Arbeit kostenträchtiger, ja oder nein?
Kollege Gilges, wenn ich diese Rechnung aufmachte, würde ich ja unterstellen, daß die Neuregelung zu diesen erhöhten Arbeitslosenzahlen geführt hat.
({0})
Ich habe das allerdings eben dementiert bzw. gesagt, daß dies nicht eindeutig feststellbar sei. Deshalb kann ich diese Rechnung nicht aufmachen.
Ich kann Ihnen höchstens sagen, daß ein Arbeitsloser der Bundesanstalt für Arbeit im Jahr rund 25 000 bis 26 000 DM an Kosten verursacht. Alles andere wäre Spekulation.
Ich weiß ja, worauf Sie hinaus wollen: Sie möchten gerne von mir bestätigt haben, daß die Neuregelung zu der erhöhten Zahl von Arbeitslosen geführt hat. Aber das kann ich Ihnen nicht bestätigen.
({1})
- Nein, ich kann das auch nicht, weil ich das nicht beweisen kann, und Sie können das ebenfalls nicht beweisen.
Jetzt kommt die Zusatzfrage von Herrn Kubatschka. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, halten Sie damit Aussagen von Bauunternehmern für falsch, die lauten: Mit der Wettersituation wären wir noch zurechtgekommen, aber die neue Regelung zwingt uns, unsere Bauarbeiter zu entlassen; früher haben wir das nicht gemacht, jetzt müssen wir das aber wegen der finanziellen Situation machen, sonst gefährden wir den Betrieb.
Herr Kollege Kubatschka, diese Aussagen liegen uns konkret nicht auf dem Tisch. Aber ich hätte im Interesse dieser gemeinsamen guten Sache, die wir beschlossen haben, wirklich die Bitte, daß Sie mir diese Baufirmen einmal nennen. Ich bin gerne bereit, mit denen in Verbindung zu treten, um die Frage zu erörtern, ob die Entlassungen tatsächlich damit im Zusammenhang stehen und nicht mit anderen Fakten. Mit bloßen Angaben der Bauindustrie, die das vorher schon behauptet hat, kann ich nicht viel anfangen.
Jetzt kommt die Zusatzfrage der Abgeordneten Onur.
Herr Staatssekretär, bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, daß eine europäische Entsenderichtlinie dringend erforderlich ist und daß das nationale Entsendegesetz nur eine Notlösung sein kann, und wird sie deshalb den Kompromißvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft unterstützen?
Ja, der Kompromißvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft, der von der Kommission übernommen werden soll - Frau Kollegin Onur, wir haben am Freitag gemeinsam die Gelegenheit, den Kommissar Flynn zu befragen, ob er dazu bereit ist -, wird von der Bundesregierung lebhaft unterstützt. Ich habe das bereits bei dem ersten Ministertreffen in Venedig getan. Ich bestreite aber, daß unser Gesetz eine Notlösung ist. Es ist eine Ersatzlösung, die dann greifen soll, wenn wir uns in Europa nicht einigen können.
Jetzt kommt die Abgeordnete Faße. Bitte.
Sie haben eben mit viel Mühe zugestanden, daß Sie bereit sind, eine Bilanz zu ziehen - auch wenn Sie die Fakten wieder in Frage gestellt haben. Aber gehen wir einmal davon aus, Sie bekommen die Fakten und Sie können eine Bilanz ziehen: Verschwindet diese Bilanz dann in irgendeiner Schublade, ober sind Sie bereit, aus dieser Bilanz auch Konsequenzen zu ziehen?
Ich weiß nicht, wo Sie bei mir Mühe entdeckt haben. Aber wenn, dann ist das in Ordnung.
Ich weiß nicht, von welcher Bilanz Sie sprechen. Ich hatte eben zugesagt, eine Prüfung im konkreten Einzelfall und/oder in Einzelfällen selbstverständlich vorzunehmen. Die Ergebnisse sind offen. Wir sind es in diesem Bereich auch gewohnt, solche Ergebnisse im zuständigen Ausschuß zu diskutieren.
Eine weitere Zusatzfrage hat Herr Koppelin. Bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Betriebe auf Grund der neuen Regelung Probleme bekommen - vor allem mit ihren Banken, weil sie das Kreditlimit überziehen müssen - und in Schwierigkeiten geraten, wenn wir - wie in diesem Jahr zum Beispiel bei uns im Norden - einen sehr strengen Winter haben und die Durchschnittszahl der Arbeitslosenzahl weit überschritten wird? Was raten Sie diesen Betrieben?
Herr Kollege Koppelin, der strenge Winter hat natürlich viele Probleme mit sich gebracht, auch einen Anstieg der Arbeitslosenzahl, in besonderer Weise im Baugewerbe. Ich glaube aber nicht, daß dies darauf zurückzuführen ist, daß wir eine Neuregelung der Schlechtwettergeldregelung haben. Es gibt schon einige Fälle, bei denen in Verbindung mit dem Arbeitsamt - hier besteht eine Erstattungspflicht - entsprechende Regelungen getroffen werden. Ich empfehle daher, daß sich die Betriebe mit der Arbeitsverwaltung über die Abwicklung der Formalitäten in Verbindung setzen. Auch wir helfen, wenn sie hier Unterstützung brauchen.
Herr Kollege Gilges, da es sich um zwei Fragen handelt, können Sie auch zwei Zusatzfragen stellen. Bitte schön.
Danke schön, Herr Präsident.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich sehe ja ein, daß Sie nicht in der Lage sind, zum jetzigen Zeitpunkt einzugestehen, daß die Änderung der Schlechtwettergeldregelung ein Fehler war. Deswegen frage ich Sie jetzt im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Entsenderichtlinie: Wenn der Tarifvertrag, der bei dieser Gesetzgebung als notwendig unterstellt wird, nicht zustande kommt, sind Sie dann bereit, zu erklären, daß die Gesetzgebung zur Entsenderichtlinie gescheitert ist und daß man auf das zurückgreifen muß, was die Kollegin angedeutet hat: die Umsetzung der europäischen Richtlinie in einer anderen Form, nämlich mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung?
Herr Kollege Gilges, erstens war es kein Fehler, was wir gemacht haben; das sehe ich anders als Sie. Zweitens habe ich Ihnen schon gesagt, daß wir unabhängig von dem nationalen Gesetz, das ja in Kraft ist und durch den Abschluß von Tarifverträgen nur komplettiert werden muß, die europäische Richtlinie immer mit Nachdruck verfolgt haben. Sie wissen auch, daß diese Richtlinie an anderen Ländern gescheitert ist, nämlich an denen, die gerne billige Arbeitskräfte nach Deutschland gebracht haben.
Ob sich diese Haltung angesichts des neuen Vorschlags der italienischen Präsidentschaft ändert, müssen wir abwarten, bis Ende März der Ministerrat tagt und sich diese Länder äußern. Da allerdings Italien zu diesen Ländern gehört, besteht zumindest Hoffnung, daß wir doch noch zu einer europäischen Richtlinie kommen. Das hat mit der nationalen Gesetzgebung zunächst einmal nur bedingt etwas zu tun. Wir verfolgen beides und sind hoffnungsvoll, daß beides gelingt.
Ich rufe die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Schreiner auf. Er ist nicht im Raum. Die Fragen verfallen.
Ich rufe dann die Frage 24 der Kollegin Doris Barnett auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den bisher erfolglosen Bemühungen um einen Abbau von Überstunden angesichts des erneuten Anstiegs der Arbeitslosigkeit?
Frau Kollegin Barnett, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Abbau von Überstunden Sache der Tarifvertragsparteien ist. Ein gesetzliches Verbot von Überstunden zieht die Bundesregierung aus praktischen und rechtlichen Gründen nicht in Erwägung.
Darf ich, Herr Präsident und Frau Kollegin, die zweite Frage mit beantworten?
Ja. Ich rufe dann auch die Frage 25 der Abgeordneten Doris Barnett auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ggf. Druck auf die Arbeitgeber auszuüben, damit Vereinbarungen zu Arbeitszeitkonten und zum Überstundenabbau entsprechend dem Bündnis für Arbeit auch tatsächlich zustande kommen?
Im Zusammenhang mit dem „Bündnis für Arbeit und zur Standortsicherung" waren sich die SpitzenrepräsenParl. Staatssekretär Horst Günther
tanten der Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften mit der Bundesregierung einig, daß Überstunden, wo immer möglich, vermieden und möglichst in die Erweiterung des Arbeitsplatzangebotes umgesetzt werden sollten. Angesichts dieser Einigung hält es die Bundesregierung nicht für erforderlich, entsprechenden Druck auf die Sozialpartner zum Überstundenabbau auszuüben. Die Bundesregierung geht vielmehr davon aus, daß die Sozialpartner ihrer Verantwortung gerecht werden, was wir allerdings mit Nachdruck verfolgen.
Auch die Vereinbarung flexibler Arbeitszeitgestaltungen, insbesondere Arbeitszeitkonten, ist primär Aufgabe der Sozialpartner. Wie im „Bündnis für Arbeit und zur Standortsicherung" vereinbart, prüft die Bundesregierung derzeit, ob rechtliche Hemmnisse derartigen Vereinbarungen über flexible Arbeitszeiten entgegenstehen. In diese umfassende Aufarbeitung der Thematik werden die Sozialpartner selbstverständlich eingebunden.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär Günther, dann hätte ich die Frage an die Bundesregierung, weil sie für den öffentlichen Dienst auch Tarifverträge schließt, also Tarifpartner ist, wie sie es in ihren Verwaltungen handhabt. Wir haben vorhin gehört, daß arbeitstäglich etwa zehn bis elf Stunden Dienst geleistet wird und daß die Überstunden auf freiwilliger Basis eventuell im Sommer abgebaut werden können. Daher würde es mich schon interessieren, ob Sie wenigstens im eigenen Hause dafür sorgen, daß Überstunden abgebaut werden - denn Sie bauen gleichzeitig Personal ab, wie ich weiß - und wie Sie es mit Zeitkonten halten.
Ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung in ihrem Zuständigkeitsbereich gründlich prüft, welche Möglichkeiten in diesem Sachzusammenhang gegeben sind. Das bezieht die Arbeitszeitkonten ein.
Sind Sie bereit, diesbezüglich auch einen Tarifvertrag abzuschließen?
Wir werden die Gespräche mit dem zuständigen Ressort, das für Tarifverträge zuständig ist, führen.
Ihre dritte Frage.
Nein, vielen Dank.
Herr Kollege Gilges.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie vertreten hier die Bundesregierung. Die Bundesregierung tritt in der Person des Bundeskanzlers im Kanzlerbungalow in Gespräche mit den Tarifvertragsparteien der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. In diesem Zusammenhang ist etwas beschlossen worden, wie Sie richtigerweise sagten. Sie tragen ja auch dafür die Verantwortung, daß das, was Sie vereinbaren, auch umgesetzt wird. Denn so leicht, wie Sie sich es jetzt machen, indem Sie sagen, wir vereinbaren etwas und die anderen sollen zusehen, wie es umgesetzt wird, ist -
Herr Kollege, würden Sie jetzt bitte Ihre Frage stellen.
Herr Präsident, ich komme jetzt direkt zu meiner Frage. Ich mußte dies nur einmal vorwegsagen, damit meine Frage verständlich wird.
Wenn die Gewerkschaften sagen, wir führen eine solche Überstundenregelung ein, die Arbeitgeber dies aber ablehnen - auf Bundesebene sind die Verhandlungen ja gescheitert; jetzt finden sie in den regionalen Tarifbezirken statt -, dann muß der Bundeskanzler doch irgendwann zu der Entscheidung kommen, daß das im Bundeskanzleramt geschlossene Bündnis gescheitert ist. Das muß er den Arbeitgebern doch sagen und sie vorn Tisch verweisen. Sonst gibt es doch keinen Sinn. Sonst sind doch zwei bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen worden, nämlich der Bundeskanzler und die Gewerkschaften. Dies betrifft den Umstand, daß die Arbeitgeber sich strikt weigern, so etwas durchzuführen. Sehen Sie das anders?
Herr Kollege Gilges, seit der Vereinbarung im Zusammenhang mit dem „Bündnis für Arbeit" sind meines Wissens zu diesem Thema keine relevanten - oder nur in ganz geringem Umfang - Tarifverhandlungen geführt worden.
({0})
- Sie wissen, daß Spitzengespräche für Tarifvereinbarungen nicht entscheidend sind.
({1})
Die Tarifvereinbarungen werden zwischen den Einzelgewerkschaften und den jeweils zuständigen Tarifverbänden der Arbeitgeberorganisationen geschlossen. Das wissen Sie. Wenn diese Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis führen, werden wir selbstverständlich darauf zurückkommen. Nur, jetzt ist das zu früh. Das kann man jetzt noch nicht sagen.
Wir haben unsere Vorstellungen jetzt festgelegt; der gemeinsame Wille ist da. Wir werden sorgfältig prüfen - das habe ich soeben gesagt -, ob dies umgesetzt wird. Da die Gespräche mit den Sozialpartnern in regelmäßiger Folge beim Bundeskanzler stattfinParl. Staatssekretär Horst Günther
den, haben wir genügend Gelegenheit, die Überprüfung mit den Beteiligten zu besprechen.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Dreßen.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß diverse Signale notwendig sind, wenn man die Überstunden abbauen will? Wir haben zu Beginn der Fragestunde im Rahmen der Dringlichen Fragen mitbekommen, daß ein Ministerium von den Entscheidern verlangt, bis zu elf Stunden zu arbeiten. Sind Sie bereit, einmal mit dem entsprechenden Ressortchef zu sprechen und dies zu unterbinden? Das betrifft die Dinge, die Frau Barnett angeführt hat, nämlich wie Sie im eigenen Hause damit umgehen. Sind Sie bereit, mit dem entsprechenden Ministerium Kontakte aufzunehmen und Gespräche zu führen?
Herr Kollege Dreßen, der Bundesarbeitsminister hat keine Aufsicht über andere Ressorts. Ich habe die Antworten des Kollegen Lintner gerade mitbekommen. Von daher sehe ich im Augenblick - auch auf Grund des Ablaufs der Fragestunde - nicht die Notwendigkeit, unsererseits im Vorfeld mit dem Innenminister darüber zu sprechen.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, ein anderes Signal zu setzen, zum Beispiel im Arbeitszeitgesetz bezüglich der 60-Stunden-Woche, die Sie dort ja immer noch festgeschrieben haben, Initiativen zu entwickeln, indem sie diese auf 40 Stunden reduzieren? Das wäre doch auch ein Signal in der Öffentlichkeit, daß die Bundesregierung am Abbau von Überstunden wirklich interessiert ist.
Herr Kollege Dreßen, das Arbeitszeitgesetz muß auf der anderen Seite auch genug Flexibilisierungsmöglichkeiten geben. Wenn wir soeben über Arbeitszeitkonten, die - den Fragestellungen war das zu entnehmen - relativ positiv bewertet wurden, gesprochen haben, dann deutet das darauf hin, daß man auf diesem Sektor einen gewissen Spielraum braucht, den man mit 40 Stunden nicht festschreiben kann.
Es ist allerdings erforderlich - deshalb führen wir diese Gespräche -, daß die Tarifvertragsparteien und darüber hinaus die Betriebs- und Personalräte, die gefordert sind und entsprechende Mitbestimmungsrechte nach den einschlägigen Gesetzen haben, darauf achten, daß nur die im Betrieb notwendigen Überstunden gemacht werden. Wenn Sie sich die betriebliche Praxis ansehen - ich glaube, Sie stimmen mir insoweit auf Grund Ihrer Kenntnisse zu, da ich weiß, wo Sie beruflich herkommen -, dann wissen Sie auch, welche Interessensgruppen manchmal zusammenfinden und den Abbau von Überstunden verhindern. Das wird auch die Bundesresgierung nicht auf Kosten einer Flexibilisierung im Arbeitszeitgesetz ändern können.
Nun kommt die Zusatzfrage des Abgeordneten Hornung.
Herr Staatssekretär, natürlich steht insbesondere die Frage nach Überstunden im Raum. Wäre nicht gerade jetzt - abgesehen davon, daß es zum Beispiel für einen mittelständischen Betrieb nicht einfach ist, diese Arbeitszeiten abzubauen, weil die Arbeit nicht kontinuierlich anfällt - im Rahmen der Tarifverhandlungen die Riesenchance gegeben, auf der einen Seite flexible Arbeitszeiten einzuführen, auf der anderen Seite aber auch entsprechende Zeitverträge abzuschließen, damit solche Überstunden in der Tat abgebaut und zumindest Arbeitsverhältnisse auf Zeit abgeschlossen werden?
Könnte die Opposition, die einen sehr guten Draht zu dem einen Teil der Tarifpartner, nämlich zu den Gewerkschaften, hat, dies nicht positiv nutzen?
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Herr Staatssekretär, bitte beantworten Sie die Frage.
Ich warte nur, bis der Herr Kollege Gilges die Antwort gegeben hat.
Nein, nicht warten. Sie haben das Wort.
Herr Kollege Hornung, mir ist die Problematik der Überstunden selbstverständlich geläufig. Auch ich bin davon überzeugt, daß es zu viele Überstunden gibt, die eigentlich zumindest in Zeitverträge umgewandelt werden könnten.
Wir können das aber nicht verordnen. Wir können nur an die Vernunft appellieren, auch angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nun endlich mehr das Instrument der befristeten Arbeitsverhältnisse zu nutzen, wonach eine Befristung bis zu 18 Monaten möglich ist. Davon wird zuwenig Gebrauch gemacht. Die Betriebe verharren allzusehr in Überstunden - das oft in Bereichen, wo sie Einstellungen, für einige Monate befristet, vornehmen könnten. Das ist unbestritten.
Wir appellieren deshalb an die Tarifvertragsparteien - wir haben entsprechende Gespräche geführt -, Überstunden abzubauen. Wir werden gemeinsam feststellen, ob dieser Appell ausreichend ist.
Dann schließe ich auch diesen Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen 26, 27 und 28 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Nitsch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 29 der Abgeordneten Gila Altmann ({0}) auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Tankerunfall vor Wales, um an der deutschen Küste eine hinreichende Sicherheitsvorsorge durch Vorhaltung ausreichender Schlepperkapazitäten, Erarbeitung von Notfall- und Katastrophenplänen sowie moderner und angemessener Bergungsverfahren sicherzustellen?
Johannes Nitsch Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Altmann, die Bundesregierung hat mit Ihrem Bericht über Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffssicherheit und der Gefahrguttransporte auf See in der Bundestagsdrucksache 13/1279 vom 9. Mai 1995 ausführlich über die auf nationaler und internationaler Ebene beschlossenen oder vorbereiteten präventiven Maßnahmen berichtet. Die Bundesregierung wird auch den offiziellen Unfallbericht über das Tankerunglück vor der walisischen Küste, sobald dieser vorliegt, auswerten und entsprechende Konsequenzen daraus, soweit erforderlich, für das Verkehrssicherungssystem vor der deutschen Küste ziehen.
Ich möchte aber besonders hervorheben, daß seit dem 1. Januar 1995 die verbindliche Benutzung des in rund 50 Kilometern vor der deutschen Nordseeküste verlaufenden Tiefwasserweges für Fahrzeuge ab 5 000 Bruttoregistertonnen mit gefährlicher oder umweltschädlicher Ladung vorgeschrieben ist. Durch die Verordnung vom 23. August 1994 werden die Bedingungen für das Anlaufen der inneren Gewässer der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. Außerdem stellen die Vorschriften über das Befahren des Wattenmeeres, insbesondere die Befahrensverbote in der Schutzzone I mit einigen Ausnahmeregelungen, bereits heute ein wirksames Instrumentarium zum Schutze der ökologisch sensiblen Wattengebiete dar.
Über die Vorsorge und Bekämpfung von Ölunfällen vor der deutschen Küste hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag im August 1994 ausführlich berichtet. Wie daraus zu entnehmen ist, steht mit bisher 22 Schiffen, einem Luftüberwachungssystem und zahlreichen mobilen Einsatzgeräten ein Bekämpfungssystem zur Verfügung, das auch nach internationalen Maßstäben dem modernsten Stand der Technik entspricht. Dieses System wird ständig entsprechend den neuesten Erkenntnissen und Erfordernissen verbessert.
Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes ist mit dem bundeseigenen Mehrzweckfahrzeug „Mellum" - mit einem Pfahlzug von 110 Tonnen - sowie dem gecharteten Schlepper „Manta" - ebenfalls mit einem Pfahlzug von 110 Tonnen - gerüstet, um havarierte Tanker bis zum Eingreifen von gewerblichen Bergungsschleppern vor einem Verdriften zu schützen.
Die von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung veröffentlichte Ausschreibung für die Anschlußcharterung eines Hochseeschleppers nach Ablauf des Vertrages bezüglich der „Manta" - Sie wissen, daß der Vertrag in diesem Monat ausläuft - ist zunächst aufgehoben worden, um die technischen Leistungsanforderungen durch ein externes Fachgutachten überprüfen zu lassen.
Für die Zwischenzeit wird die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit den Bietern der jetzt aufgehobenen Ausschreibung in Verhandlungen treten, um einen leistungsstarken Schlepper zu chartern.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Nitsch, ich danke Ihnen für die Antwort.
Sie sagten selber - es ist gestern auch in „Buten & binnen" gesagt worden - daß die Ölkatastrophe des Tankers „Sea Empress" der Grund für die Aufhebung der Ausschreibung war. Da ist es zu begrüßen, daß noch einmal ein Gutachten zur Schlepperkapazität erstellt wird. Wir haben uns hier schon darüber auseinandergesetzt, ob die 110 Tonnen Pfahlzug ausreichen.
Meine Frage betrifft die freihändige Vergabe, die ab dem 20. März stattfinden muß. Auf welchem Level findet sie statt? Meinen nicht auch Sie, daß es angebracht und angemessen wäre - vor allen Dingen vor dem Hintergrund, daß es wegen der Frühjahrsstürme und nach Murphys Gesetz durchaus zu weiteren Gefahren kommen könnte -, für die drei Monate bis zur Fertigstellung des Gutachtens ein Maximum an Schlepperkapazitäten vorzuhalten?
Ich habe in meiner Antwort betont, daß wir auf die nach der jetzt ausgesetzten Ausschreibung eingegangenen Angebote eingehen werden und einen - ich habe das Wort ausdrücklich genannt - „leistungsstarken Schlepper" auswählen wollen. Das heißt, wir werden aus dem Pool von Angeboten im Hinblick auf die Situation, die eventuell eintreten kann, unsere Auswahl treffen.
Ihre zweite Frage.
Welche Kriterien legen Sie bei der Auswahl an? Spielen dabei auch solche Informationen eine Rolle, die zum Beispiel im ERNO-Gutachten, das von Ihnen in früheren Schreiben angezweifelt wurde, aufgeführt sind, oder welche Auswahlkriterien sind es jetzt, die zu Ihrer Entscheidung führen werden?
Der Pfahlzug ist nicht das alleinige Auswahlkriterium, obwohl er eine dominierende Rolle spielen wird. Andere Kriterien sind die Manövriereigenschaften, also die Beweglichkeit des Schiffes, und die Qualität der Besatzung.
Sie wissen, in dem ERNO-Gutachten ist nicht eindeutig dargestellt, daß der Pfahlzug alleinseligmachend sei. Vielmehr böten eventuell zwei Schiffe mit einem geringeren Pfahlzug bessere Möglichkeiten der Bergung.
Auf Grund dieses Bündels von Kriterien werden wir die Entscheidung treffen. Ich möchte aber noch einmal unterstreichen, daß wir erst den Untersuchungsbericht abwarten, dann ein Fachgutachten machen lassen und danach eine neue Ausschreibung vornehmen.
Eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Faße.
Herr Staatssekretär, ich möchte daran anschließen. Sie haben ausgeführt, daß Sie den Bericht abwarten und auswerten werden. Können Sie mir sagen, in welchem Zeitraum das erfolgen wird, wenn es richtig ist, daß erst danach ein Institut beauftragt werden soll, das dann zwei bis drei Monate brauchen wird?
Von daher habe ich Probleme mit dem Umgang der Zeit. Denn es kann sein, daß die Auswertung ergibt, daß wir vor der Nordseeküste ganz andere Voraussetzungen haben, daß das für uns überhaupt nicht zutrifft. Dann brauchen wir auch kein Gutachten. Habe ich Sie so richtig verstanden?
Wir werden auf jeden Fall den Bericht auswerten, Frau Faße. Wir werden das Fachgutachten abwarten. Das werden wir nicht nur für heute brauchen, sondern wir werden ein Fachgutachten in bezug auf diesen Fall sicherlich auch weiter verwenden können.
Was die Zeit angeht, so habe ich angedeutet, daß wir die Zwischencharterung sicherlich für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten tatsächlich vornehmen müssen. Vom Erstellen des Gutachtens über die Neuausschreibung bis zur Auswertung der Ausschreibung wird sicherlich ein Vierteljahr vergehen.
Eine weitere Zusatzfrage vom Kollegen Kunick.
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß Sie die Entscheidung noch in diesem Haushaltsjahr treffen werden, oder darf man den Wunsch nach einem Gutachten auch so interpretieren, daß Sie wegen der Finanzen noch Zeit brauchen?
Nein, Herr Kunick. Es ist an einen Zeitraum von einem Vierteljahr gedacht. Noch bevor Sie in die Sommerpause gehen, werden wir ein Ergebnis vorlegen können, falls Sie danach fragen sollten.
Dann rufe ich die Frage 30 der Kollegin Altmann auf:
Gibt es eine den von der amerikanischen Regierung aus dem amerikanischen Exxon-Valdez-Unfall gezogenen Konsequenzen entsprechende Regelung für deutsche Häfen, wonach diese nur noch durch Doppelrumpf-Tanker angelaufen werden dürfen, und wenn nicht, gedenkt die Bundesregierung als Konsequenz aus dem Unfall der „Sea Empres" eine derartige Regelung einzuführen, und, wenn ja, wie verhält sich die Bundesregierung zu der Äußerung des Leiters der Cuxhavener Sonderstelle des Bundes zur Bekämpfung von Ölunfällen auf See, daß Vergleiche mit einem möglichen Tankerunfall wegen entscheidender Unterschiede in der Küstenstruktur nicht zu ziehen seien?
Frau Kollegin Altmann, nach dem Beschluß der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation von 1992 sind seit Juli 1993 für Neubauten die Doppelhüllenbauweise oder alternative Konstruktionen gleichwertiger Sicherheit vorgeschrieben. Vor diesem Zeitraum gebaute Tanker sind verschärften Kontrollen unterworfen. Sofern nicht vorher auf Doppelhülle umgerüstet wird, müssen Schiffe, die vor 1982 abgeliefert wurden, nach 25 Jahren außer Dienst gestellt werden. Nach 1982 abgelieferte Tanker müssen im Falle der Nichtumrüstung nach 30 Jahren außer Dienst gestellt werden.
Nach den US-Vorschriften dürfen Einhüllentanker zum Teil noch bis zum Jahre 2010 und Tanker mit Doppelboden oder doppelten Seitenwänden zum Teil noch bis zum Jahre 2015 US-Häfen anlaufen.
Die Bundesregierung beabsichtigt vor diesem Hintergrund keine einseitigen Beschlüsse.
Die Einschätzung der Sonderstelle des Bundes „Ölunfälle See/Küste", daß die Küstenformationen von Wales - das ist der zweite Teil Ihrer Frage - und der deutschen Nordseeküste nicht vergleichbar sind, trifft zu. Selbst bei einer Strandung eines Öltankers im weichen, sandigen Nordseeboden - anders als vor der Felsküste von Wales - sind die Möglichkeiten des Abschleppens und des Leichterns besser und damit die Gefahr des Auseinanderbrechens wesentlich geringer.
Zusatzfragen? - Bitte.
Sie sagten gerade im letzten Satz, die Gefährdung sei wesentlich geringer. Heißt das, daß Sie eine solche Gefährdung nicht ausschließen? Wenn nein, was bedeutet das dann für die Sicherheitsvorsorge an der deutschen Nordseeküste?
Frau Abgeordnete Altmann, ich habe zur Sicherheitsvorsorge in der vorhergehenden Frage ausführlich Stellung genommen. Ich habe
auf die Bundestagsdrucksachen hingewiesen. Ich habe den Tiefseeweg erwähnt. Ich könnte das „Verkehrssicherheitssystem 2000" noch hinzufügen. Wir haben, an internationalen Maßstäben gemessen, eine doch gute Vorsorge für solche Fälle.
Noch eine Zusatzfrage?
Ja, Herr Nitsch, Sie haben Recht: Ich habe mich vertragt. Ich wollte eigentlich auf die gesetzlichen Regelungen hinaus.
Sie schließen also einen möglichen Unfall nicht aus; Sie sagen nur, das Risiko sei sehr gering. Auf der anderen Seite - Sie selber haben darauf hingewiesen - muß man sagen, daß die USA auf die Ölkatastrophe der „Exxon Valdez" ganz anders reagiert hat, nämlich mit der Verhängung eines Einlaufverbots in Häfen für einwandige Tanker. Die EU dagegen - Sie selber haben das eben dargestellt - hat Auslauffristen bis zum Jahr 2010. Die „Sea Empress" ist ja kurz vor Inkrafttreten dieser Regelung gebaut worden.
Sie müssen schon zu einer Frage kommen, Frau Kollegin.
Sie hätte also theoretisch bis weit in das Jahr 2020 fahren können. Ich komme jetzt zu meiner Frage: Sind vor diesem Hintergrund konkrete Initiativen auf EU-Ebene geplant, dieses prognostizierte Risiko, von dem Sie behaupten, daß es gering sei, weitgehend auszuschließen?
Im Moment, Frau Altmann, halten wir die IMO-Beschlüsse für ausreichend. Ob bei der Auswertung des letzten Unfalls weitere Erkenntnisse gewonnen werden, kann ich im Moment nicht sagen. Wir halten uns an die IMO-Beschlüsse von 1992.
Herr Kollege Kunick, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß die Sände an der Nordseeküste keineswegs so weich sind, daß sie nur geringe Unfallgefahren bergen, daß vielmehr zahlreiche Schiffe im Laufe der Schiffahrtsgeschichte schon aufgelaufen sind, beispielsweise mit dem Bug, und dann bei ablaufendem Wasser auseinanderbrachen? Ich möchte nur die zwei Beispiele „Ondo" und „Fides" nennen.
Wir haben inzwischen ein ganz anderes System, Herr Abgeordneter Kunick. Ich habe es wiederholt angeführt. Ich will nur in bezug auf den Tiefseewasserweg noch einmal nennen:
Wir haben die Lotsenannahmepflicht und Fahrvorschriften für den Tiefseewasserweg. Das Beispiel, das Sie gerade genannt haben, liegt weit vor dieser Zeit und hilft uns in dieser Debatte nicht weiter.
({0})
Frau Kollegin Faße.
Der Unfall der „Sea Empress" war ja nicht der erste an der englischen Küste in diesem Gebiet. Jedesmal nach einem Unfall werden Folgen diskutiert, Gutachten in Auftrag gegeben und neue Regelungen beschlossen. Das ist in England auch so gewesen. Nur, sie werden dann nicht umgesetzt. Die Schlepperkette, deren Einführung man als Folge von vorausgegangenen Unfällen beschlossen hatte, ist nicht vorhanden gewesen. Ich frage jetzt noch einmal ganz deutlich: Wenn wir vor unserer Küste jetzt Kapazitäten erhöhen müssen, bekommen wir dann auch den nötigen Rückhalt, auch vom BMV, was die Veränderung von Schiffen betrifft? Ich meine das Geld dafür. Ansonsten werden wir den nächsten Unfall erleben und müssen uns danach die gleichen Sorgen machen.
Herr Staatssekretär.
Sehr geehrte Frau Faße, ich habe mit der Aussage darüber, daß wir ein Fachgutachten erstellen lassen, noch nicht gesagt, daß wir von unserer derzeitigen Position - 110 Tonnen Pfahlzug - abgehen müssen. Aber wir wollen das noch einmal untermauert bekommen. Vielleicht bekommen wir auch noch weitere Angaben in bezug auf die möglichen Konstellationen. Vielleicht sind zwei Schlepper von 80 Tonnen, die in einer bestimmten gegenseitigen Wechselwirkung arbeiten, viel besser als ein bulliges Schiff. Das wollen wir wissen. Wenn es denn dazu kommt, daß eine so klare Aussage getroffen wird, wie Sie es vermuten, dann hoffe ich, daß wir im Interesse unserer Küsten auch alle Haushälter dazu bewegen können, uns die Mittel bereitzustellen. Wir werden dann die nötigen Anträge stellen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 31 bis 48 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Hirche zur Verfügung. Die Fragen 49 bis 52 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Frage 53 ist zurückgezogen worden.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ich rufe die Frage 54 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die Gesundheitsgefährdung ({0}) durch „Home-Handies", die mit gepulster Technik ({1}) arbeiten und deren Basisstationen nonstop gepulste Strahlung aussenden, auch wenn sie nicht in Gebrauch sind?
Herr Präsident! Herr Kollege Kubatschka, bei der angesprochenen Technik handelt es sich um Möglichkeiten der drahtlosen Telekommunikation, die für den Zeitraum nach 1998 vorgesehen ist und sich derzeit in Entwicklung befindet.
Endgültige technische Details liegen derzeit nicht vor, so daß die Bundesregierung zur Zeit keinen akuten Handlungsbedarf sieht. Wissenschaftliche Belege für eine Gesundheitsgefährdung durch die sehr leistungsschwachen Sendestationen der geplanten DECT-Netze liegen nicht vor.
Das Bundesamt für Strahlenschutz prüft auch in Zukunft neue Telekommunikationstechniken unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung.
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, in der Literatur wird davon gesprochen, daß es auf diesem Gebiet Forschungsbedarf gibt. Auch gibt es Hinweise, daß diese gepulsten Frequenzen sehr wohl zu Auswirkungen vor allem thermischer Art führen. Ist die Regierung bereit, diesem Forschungsbedarf nachzugehen, und wie will sie die Forschung betreiben?
({0})
Herr Abgeordneter, wir machen das im Rahmen der Möglichkeiten, die wir auf Grund des Bundeshaushalts haben. Das heißt, das Umweltbundesamt oder andere Institutionen werden versuchen, Thesen, die in die Öffentlichkeit gebracht worden sind, Behauptungen, die aufgestellt worden sind, zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, nach Beendigung des Telekom-Monopols 1998 aus Gründen der Gesundheitsvorsorge auf die Installation von Sendeanlagen für die DECT-Handys zu verzichten?
Bis dahin haben wir noch ein bißchen Zeit. Die Frage fällt in den Zuständigkeitsbereich des
Postressorts. Deswegen möchte ich mich dazu nicht festlegen.
Werden aus dem Haus weitere Zusatzfragen gestellt? - Dies ist nicht der Fall. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung.
Damit sind wir am Schluß der Fragestunde. Meine Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf: Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zur Situation im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt. Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß unmittelbar nach Schluß der Fragestunde stattfinden.
Als erster erteile ich der Kollegin Amke DietertScheuer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde zur Situation im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge beantragt, weil unsere Dringlichen Fragen dazu in keiner Weise zufriedenstellend beantwortet werden konnten.
({0})
Zunächst hatte Staatssekretär Lintner versucht, die vorgebrachte Kritik als die Privatmeinung einer ÖTV-Vertreterin aus Freiburg abzutun. Weitere in der Presse zitierte Äußerungen von anderen ÖTV-Vertretern belegen, daß dies nicht der Wahrheit entspricht.
Aber auch in den Fällen, in denen die geforderten Überstunden im BAFl freiwillig geleistet werden, muß man sich ernstlich fragen, ob die Qualität der Entscheidungen nicht unter der erhöhten Arbeitsbelastung leidet. Auch darauf wurde keine zufriedenstellende Antwort gegeben.
An dem Zahlenvergleich der erledigten Entscheidungen - von Januar 1996 zu Februar 1996 ergibt sich eine Steigerung von 41 Prozent - ist das Ausmaß dieser Mehrbelastung erkennbar.
Auch die Behauptung, daß diese Arbeiten ausschließlich freiwillig geleistet wurden und nicht auf Druck, entspricht offensichtlich nicht der Wahrheit. Die „Frankfurter Rundschau" vom 4. März zitiert Asyl-Entscheider mit dem Vorwurf, sie seien von leitenden Beamten massiv bedrängt worden,
Flüchtlinge nur noch so kurz anzuhören und die Bescheide so knapp abzufassen, daß es jeder Entscheider auf mindestens 44 abgeschlossene Fälle im Monat bringe.
Die Äußerungen von Herrn Lintner zur Beibehaltung von Fortbildungs- und Trainingsprogrammen entsprechen ebenfalls offensichtlich nicht der WahrAmke Dietert-Scheuer
heit. Auch hierzu ein Zitat aus der „Frankfurter Rundschau" vom 5. März:
Ein Sprecher des Hohen Flüchtlingskommissars der UN wies auf „den bedauerlichen Umstand" hin, daß die Weiterbildungsprogramme für AsylEntscheider des BAFl seit dem Amtsantritt von Dusch im September 1995 eingestellt worden seien.
Ich denke, der UNHCR ist dafür bekannt, daß er sich auch in seiner Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung äußerst zurückhaltend verhält und ganz bestimmt nicht eine solche Äußerung öffentlich vertreten wird, wenn dies nicht der Wahrheit entspricht.
Und auch wenn es berechtigt sein mag, auf Grund zurückgegangener Asylbewerberzahlen Stellen beim BAFl abzubauen, ist dies nicht hinnehmbar, wenn es auf Kosten der Qualität der Entscheidungen geht.
({1})
Die Streichung der Programme mit dem UNHCR, die Entscheider für besondere Probleme bei der Befragung von Kindern, Frauen und Folteropfern sensibilisieren sollen, belegt diese offensichtlich beabsichtigte oder in Kauf genommene Qualitätsminderung sehr eindeutig.
({2})
Hier ist eine Minderung der Qualität nicht hinnehmbar; im Gegenteil: Es sind erhebliche Verbesserungen nötig.
Solche Verbesserungen waren - auch das muß man sagen - sogar geplant. Aber geplante Fortbildungsprogramme - gerade zur Situation von Frauen in Asylverfahren -, deren inhaltliche Entwicklung schon weit fortgeschritten war, die voll in der Planung waren, wurden nach dem Amtsantritt von Herrn Dusch wieder ersatzlos gestrichen.
Eine weitere Frage, die wir angesprochen hatten, betraf die Auflösung des Kontaktes mit dem Rechtsberaternetz. Es handelte sich dabei um eine Projektgruppe mit einem Rechtsberaternetz - also Rechtsanwälten, Vertretern von NGOs, Flüchtlingsorganisationen - unter Koordination vom UNHCR. Gerade diese Gruppe unterhielt institutionellen Kontakt mit dem BAFl und hatte die Aufgabe, zur Klärung entstehender Probleme beizutragen - was eigentlich auch im Interesse der Bundesregierung und im Interesse des BAFl sein müßte -, intern für Abhilfe in Problemfällen zu sorgen.
Dieser ganze Komplex - enormer Arbeits- und Zeitdruck auf die Entscheider, gleichzeitiger Abbau von Stellen und Streichung ganz wichtiger Fortbildungsprogramme - zeigt, daß es offensichtlich beabsichtigt ist, die Qualität zu senken und Asylbewerber nur noch im Schnellverfahren abzufertigen.
({3})
Herr Kollege Dietmar Schlee, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, diese Debatte ist so unnötig wie ein Kropf.
({0})
Die Bundesregierung - der Herr Staatssekretär hat es gesagt - wird am Mittwoch im Innenausschuß einen umfangreichen Bericht geben. Ich möchte wissen, was diese Beschäftigungstherapie soll. Von einer Dringlichkeit kann doch überhaupt nicht die Rede sein.
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Der Staatssekretär hat darüber hinaus die an ihn gestellten Fragen überzeugend beantwortet: Erstens. Es wird kein Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt. Zweitens. Es gibt keine Qualitätsminderung bei den Entscheidungen. Drittens. Auch der Vorwurf, der Personalabbau sei unsachgemäß, ist - der Staatssekretär hat es deutlich gemacht - schlicht und ergreifend falsch.
Sie wollen einfach die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen. Wir haben 440 000 Asylbewerber im Jahr 1992 gehabt. 1995 hatten wir noch 128 000. Es gab 5 000 Mitarbeiter beim BAFl, jetzt arbeiten dort noch 3 600 Menschen. Die Zahl der Mitarbeiter soll nun auf 2 500 reduziert werden. Diese können - so sind die Pensenschlüssel - 150 000 Anträge bearbeiten.
Jetzt möchte ich wissen, wo der Druck sein soll, wo unsachgemäß, in welche Richtung auch immer, gearbeitet wird. Dieser Personalabbau von 5 000 auf 3 600 Mitarbeiter ist außerordentlich sozialverträglich und professionell mit Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden durchgeführt worden. Das ist geradezu ein Beispiel dafür, wie man in einer Behörde, die einen personellen Überhang hat, vernünftig und sozialverträglich Personal abbaut.
Nun, Frau Kollegin Dietert-Scheuer, gibt es einen zweiten Komplex. Das sind die anhängigen, noch nicht erledigten Fälle. Davon gab es 1994 noch 500 000; jetzt, Anfang März 1996, gibt es noch 71 000. Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben hervorragende Arbeit geleistet und diese überhängigen Verfahren abgebaut.
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Die Ausländerbeauftragte von Berlin und der Ausländerbeauftragte von Brandenburg haben sich vor zehn Tagen dahin gehend geäußert, daß endlich die noch nicht erledigten Fälle abgebaut werden sollen.
({3}): Dagegen ist auch niemand!)
Nun kommt der Präsident und legt ein mit der Personalvertretung abgestimmtes Konzept vor. Er macht der Personalvertretung ein Angebot: Im ersten halben Jahr soll mehr gearbeitet werden, um die ÜberDietmar Schlee
stunden im zweiten halben Jahr abzufeiern. Er hat ihnen ein sogenanntes Freizeitkonto vorgeschlagen.
Kann man es noch sachgerechter machen, als das hier gemacht wurde? Es ist freiwillig, niemand ist gezwungen worden. Es ist ein Angebot, und die Personalvertretung hat das Angebot angenommen. Nun gibt es innerhalb der 46 Personalvertretungen eine Person, der offensichtlich die ganze Richtung nicht paßt. Sie hat alles mögliche an die Medien rausgeschoben. Wegen dieser einen Person beschäftigt sich der Deutschen Bundestag mit dieser Geschichte. Es ist doch wirklich überdeutlich, daß der Präsident das absolut richtig gemacht hat.
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Sie haben keinen einzigen Hinweis darauf geben können, wo eine Qualitätseinbuße - Sie haben es behauptet, aber Sie haben es nicht belegt - sein soll. All das, was Sie hier sagen, hat auch im Amt einen Adressaten. Das ist nicht nur der Präsident, sondern das sind auch die Mitarbeiter, denen Sie unterstellen, daß sie keine sachgerechte Arbeit leisten. Das ist doch nicht in Ordnung. Diesen Mitarbeitern wird vom Leiter der Behörde ein Fallschlüssel von 1,6 Fällen pro Tag vorgegeben. Denken Sie an unsere Diskussion in Sachen Verschlankung des Staates vom letzten Freitag; eine absolut richtige Entscheidung.
Den Präsidenten, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt Dank und Anerkennung und sonst überhaupt nichts. Alles andere ist eine aufgesetzte, aufgeregte und völlig unnötige Geschichte.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schlee, Abgeordnete sind keine Abnicker von Regierungspolitik
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- ich sage, was wir nicht sind -, und deswegen ist es auch nicht überflüssig wie ein Kropf, sich mit aufgetauchten Vorwürfen
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in aller Ruhe und Sachlichkeit zu befassen und damit Kontrollaufgaben auszuüben. Deshalb hat die SPD-Fraktion auch beantragt und durchgesetzt, daß der Innenausschuß sehr rasch und an hervorgehobener Stelle der Tagesordnung einen Bericht des Bundesamtes anhört, prüft und diskutiert. Das ist sicherlich der richtige und erfolgversprechende Weg.
Wir Innenpolitiker der SPD-Fraktion haben vor etwa einem Jahr die Zentrale in Nürnberg besucht, und wir haben uns mit dem seinerzeit amtierenden Leiter sehr intensiv unterhalten, genauso ausführlich und offen haben wir auch mit den Mitarbeitern gesprochen. Wir haben über die Probleme geredet, die mit dem Personalabbau und der Versetzung vieler Mitarbeiter an andere Positionen verbunden sind.
Auch haben wir uns einige wichtige Forderungen des Bundesamtes und seiner Beschäftigten zu eigen gemacht, daß nämlich die Verringerung des Personals, die nicht in Frage gestellt wird, eben nicht zu rasch erfolgen dürfe, daß der Abbau von Außenstellen des Bundesamtes eher behutsam und vorsichtig erfolgen müsse und daß es durchaus angebracht wäre, wenn etwa der Sachverstand der Entscheider aus dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zum Beispiel in den wichtigsten Herkunftsländern der Asylbewerber vor Ort in den Botschaften genutzt würde, um mehr Kompetenz und Wahrheitstreue in die jeweiligen Lageberichte hineinzubekommen.
Ich bin, liebe Kolleginnen und Kollegen, weit davon entfernt, den neuen Präsidenten, Herrn Dusch, mit Vorschußlorbeeren zu schmücken. Ich bin allerdings auch nicht bereit, über ihn hier und heute den Stab zu brechen. Die Vorwürfe müssen selbstverständlich geklärt werden. Das geht am besten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man miteinander und nicht nur übereinander spricht. Klären müssen wir auch, ob etwa die neue Leitung des Bundesamtes den Kurs der Beschleunigung bei der Bearbeitung der Altfallanträge aus eigener Überzeugung oder auf Anweisung des Bundesinnenministers verfolgt, denn auch das hätte eine andere, nämlich politische Qualität.
Im übrigen berufe ich mich, wenn ich sage, wir müssen den Vorwürfen nachgehen, nicht nur auf die „Frankfurter Rundschau", sondern auch auf Publikationen der Gewerkschaft ÖTV. Auch das kann man nicht einfach beiseite fegen. Lassen Sie uns das doch wirklich prüfen! Der Ruf der Entscheider des Bundesamtes ist in den vergangenen zwei Jahren eindeutig besser geworden. Ich weiß, daß sehr viele dort stark von humanitärem Engagement geleitet werden, daß sie ihre Kenntnisse, ihre Fragetechnik und ihr Wissen über die Asylherkunftsländer laufend selbst vervollkommnen und sich weiterbilden, daß sie gern Kurse annehmen, in denen sie das Gespräch zum Beispiel mit bestimmten Personengruppen, traumatisierten Personen, vergewaltigten Frauen, intensiver und problembewußter führen können. All das ist wichtig und muß fortgeführt werden. Das heißt, die Entscheider gelten längst nicht mehr als seelenlose Bürokraten und Abwiegeler.
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Ich finde, diese positive Entwicklung müssen wir fördern und aufrechterhalten. Das muß das vordringliche Ziel sein. Das sind wir übrigens auch den Mitarbeitern beim BAFl schuldig.
Also mein dringender Rat: rückhaltlose Klärung aller Vorwürfe, intensive Beratung im Ausschuß, Offenheit, Ehrlichkeit. Denn es geht um einen sehr sensiblen Bereich, nämlich rechtsstaatlich einwandfreie, fundierte Entscheidungen darüber, ob Menschen politisch verfolgt sind oder nicht. So einfach nach dem Motto „Verschlankung" kann man das nicht abtun. Die Qualität der Bewertungen und Entscheidungen muß erhalten, möglichst noch gesteigert werden. Das kann nur gelingen, meine Damen und Herren, wenn es ohne Druck, ohne zusätzliche Belastungen und in einem kollegialen Klima gegenseitiger Achtung geschieht. Das müssen wir aufrechterhalten. Wenn wir es aufs Spiel setzen, wären die Folgen fatal. Davor können wir nur warnen.
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Frau Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist vollkommen klar, daß Mitglieder des Parlaments das Recht und die Pflicht haben, zu fragen und nachzuhaken,
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und daß es Aufgabe der Regierung ist, Vorwürfen nachzugehen und zu antworten. Aber ich habe offengestanden auch nicht verstanden, meine Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen, warum Sie das jetzt in diesem Eilverfahren und heute so schrecklich dringlich gemacht haben,
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denn der Innenausschuß ist wirklich der Ort, wo wir das gründlich beraten können und auch gründlich beraten werden.
In dem Bericht einer Tageszeitung und in einer weiteren Veröffentlichung sind zwei Dinge kritisiert worden. Das eine ist die Frage der Überstunden, und das andere ist die Frage der Qualität der Arbeit der Entscheider. Nun haben wir heute bereits gehört, daß die Mehrarbeit nicht unter Druck geschieht, daß sie freiwillig ist und daß man Zeit ansparen kann. Dagegen ist gar nichts zu sagen. Ansonsten hört man häufig, daß Beamte als faul und nicht arbeitswillig gescholten werden. Hier sind sie bereit, mehr zu tun. Druck darf nicht sein, das steht ganz außer Frage. Daß sich in einer Zeit, in der Personal abgebaut werden soll, mehr Leute freiwillig melden, ist, denke ich, menschlich.
Wir wissen alle, daß die Situation, als wir durch die Lande gehen ließen, um Entscheider zu finden, ganz anders war. Jetzt ist sie andersherum schwierig. Auch das ist ein Punkt, der im Innenausschuß angesprochen werden sollte.
Ich bin froh über die Antwort des Kollegen Lintner, der hier dargelegt hat, daß ein Fortbildungsprojekt ansteht, bei dem es um traumatisierte Asylbewerber geht und in das die Erkenntnisse der Institution Refugium mit einfließen. Das ist gut so.
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Der Kern der Fragen ist doch aber: Wird mit der gebotenen Sorgfalt über das weitere Schicksal von Menschen entschieden? Das sind wir uns doch selber schuldig. Meine Erfahrung deckt sich mit der der Kollegin Sonntag-Wolgast, daß nämlich die Entscheider, seit sie Einzelentscheider sind, ein ungeheures Maß an Verantwortung haben, dem sie gerecht zu werden versuchen, indem sie sich von selbst weiterbilden, und sich viele Gedanken machen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, die Durchschnittszahl von 1,6 Fällen pro Tag, die durchaus unterschritten werden kann, läßt sich wohl auch Richtern zumuten. Sie legt nahe, daß einzelne Fälle auch längere Zeit in Anspruch nehmen dürfen.
Wichtig ist es, zu sehen: Es gibt keine höhere Zahl an Anfechtungen der Bescheide vor Gericht. Wenn schlampig gearbeitet würde, dann stiege diese Zahl notwendigerweise. Des weiteren: Bei Gericht gibt es heute nicht mehr Aufhebungen von Asyl-Entscheidungen als früher.
Lassen Sie mich ein letztes Wort zu den Altfällen sagen. Herr Staatssekretär, wir warten darauf, daß man sich noch einmal mit einer Altfallregelung beschäftigt. Das steht noch auf der Tagesordnung. Sie wissen, das wollen wir.
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Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, unserem Kollegen Eduard Lintner, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sind die Vorwürfe, die erhoben worden sind, allesamt schon widerlegt worden. Aber lassen Sie mich, weil Sie immer wieder damit kommen und eigentlich gar nicht zur Kenntnis nehmen, was wir Ihnen an zusätzlichen Tatsachen dargelegt haben, für die Bundesregierung folgendes feststellen.
Die Vorwürfe basieren offenbar auf einer ganz speziellen Quelle, nämlich einem langen Schreiben des Personalratsvorsitzenden Müller - vorhin hatte ich irrtümlich „Frau Speckmann" gesagt; das möchte ich korrigieren - der Außenstelle Freiburg. Dabei handelt es sich um eine Außenstelle von insgesamt 46 Außenstellen. Das heißt, die Personalvertretungen der übrigen 45 Außenstellen und auch der Gesamtpersonalrat, die laufend mit diesem Verfahren beschäftigt worden sind - der Präsident hat wöchentlich informiert, und es ist darüber diskutiert worden - haben keinerlei förmliche Einwendungen erhoben.
Wenn sich nachträglich der eine oder andere gegenüber Zeitungen äußert, dann muß ich ihm vorhalten, daß er es versäumt hat, im geordneten Verfahren als Vertreter in den zuständigen Gremien diese Gedanken vorzutragen. Deshalb können diese nachträglichen Bemerkungen als nicht allzu glaubwürdig eingestuft werden.
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- Ja, natürlich.
Meine Damen und Herren, das Angebot, das unterbreitet und mit den Vertretern des Personals im Detail erörtert worden ist, beinhaltet, eine freiwillige tägliche Mehrarbeit im ersten Halbjahr 1996 zu leisten, um damit die noch vorhandenen etwa 71 000 Altfälle bis Mitte dieses Jahres abbauen zu können,
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Diese freiwillige Mehrarbeit kann ab dem 1. Juli 1996 als Freizeit in Anspruch genommen werden. Nebenbei bemerkt: Das ist genau das Modell, das wir über die Dienstrechtsreform als modernes Element der Arbeitszeitgestaltung einführen wollen. Wenn wir so wollen, schlagen wir eine zweite Fliege mit einer Klappe.
Die zügige Entscheidung der Altfälle ist im übrigen ein Gebot der Rechtssicherheit gegenüber den betroffenen Asylbewerbern und natürlich auch Ausdruck des Gebots gegenüber dem Staatsbürger, die Dauer des Aufenthalts von Asylbegehrenden zu minimieren, wenn dieser erforderlich sein sollte, weil das Asylbegehren nicht anerkannt werden kann.
Negative Auswirkungen auf die Qualität der Entscheidungen, wie immer wieder behauptet wird, sind in der Tat nicht zu befürchten. Lassen Sie mich dafür noch die Gründe nennen:
Erstens. Nach wie vor steht die für jeden Einzelfall erforderliche Zeit zur sorgfältigen Prüfung zur Verfügung. Dabei meine ich auch die Zeit für das Eingehen auf spezielle persönliche Situationen und Erlebnisse, die hier immer unter dem Stichwort „traumatisierende Situationen oder Erlebnisse" angeführt werden. Auch hier gibt es keinerlei Einschränkungen.
Zweitens. Im Vergleich zu früher - da möchte ich das aufgreifen, was der Kollege Schlee hier schon deutlich gemacht hat - steht heute verhältnismäßig mehr Personal pro Fall zur Verfügung. Beispielsweise 1993 gab es 493 000 Fälle, und es standen 5 050 Beschäftigte des BAFl zur Verfügung. Heute haben wir 3 600 Beschäftigte bei 91 000 Altfällen und 120 000 laufenden, also Neufällen. Das ist ein günstigeres Verhältnis im Sinne der Möglichkeit, sich mit einem Fall zu befassen.
Schließlich bestätigen in der Tat auch objektive Erkenntnisse diese Einschätzung. Ich darf darauf hinweisen, daß die Zahl der aufhebenden Entscheidungen von Verwaltungsgerichten unverändert bei unter 10 Prozent liegt, was darauf hindeutet, daß sich bei der Qualität der Entscheidungen und der Entscheider selbst keine Verschlechterung ergeben hat.
Meine Damen und Herren, die behaupteten Einschränkungen bei Fortbildungsmaßnahmen haben ebenfalls nicht stattgefunden. Es gibt keine relevanten Einschränkungen bezüglich Fortbildungs- und Informationsmöglichkeiten, im Gegenteil. Auch hier will ich Ihnen nur ein paar Beispiele nennen:
Noch Ende Februar gab es ein zweitägiges Fortbildungsseminar der ÖTV zur Situation in der Türkei. 1995 - das bezieht sich nun nicht auf den angesprochenen Zeitraum; aber immerhin ist es ein Zeichen dafür, für wie wichtig die Fortbildung gehalten wird - sind beim BAFl sage und schreibe 8 000 Mann-Tage Fortbildung in Anspruch genommen worden. Das ist meines Wissens die höchste Zahl, die es überhaupt in vergleichbaren Einrichtungen gibt. Zur Zeit ist das BAFl unter der Regie des neuen Präsidenten dabei, den Entscheidern einen direkten EDV-Zugriff auf für ihre Entscheidungen wichtige Dateien zu ermöglichen. Also auch hier gibt es das Bemühen, eine Fülle von Wissen und Kenntnissen, die angezapft werden können, zur Begründung von Entscheidungen zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren, weil vorhin in der Fragestunde all das bereits dargelegt worden ist, berührt es mich schon merkwürdig, daß Sie nun hier in einer Aktuellen Stunde, unbeeindruckt vom Inhalt der Antworten, die aufgestellten Behauptungen einfach wieder erheben. Sie sollten schon bedenken, daß Sie damit natürlich nicht nur die Bundesregierung treffen, sondern eigentlich auch jeden einzelnen Beschäftigten, der sich natürlich diesem Vorwurf genauso ausgesetzt sieht
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wie etwa unser Haus, das damit aber jederzeit fertig werden kann.
Ich stelle daher, wie bereits eben in der Fragestunde, fest: Die Behauptungen, wie sie insbesondere in einer deutschen Tageszeitung aufgestellt worden sind, entsprechen nicht den Tatsachen. Es gibt deshalb auch keinen Anlaß für Zweifel an der Amtsführung des Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
Ich danke Ihnen.
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Herr Kollege Volker Beck, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich bin nicht so zufrieden mit den von Herrn Lintner in der Fragestunde vorgetragenen Ausführungen und auch nicht mit seinen gerade gemachten, weil ich finde, einige Dinge haben sich eindeutig nicht geklärt, sondern es sind im
Volker Beck ({0})
Gegenteil neue Fragen aufgeworfen worden. Wenn hier immer so getan wird, als gäbe es irgendwo obskur in Freiburg einen verrückten Personalrat, der wohl etwas querulatorisch sei, dann muß ich einfach fragen: Haben Sie nicht den Zeitungsartikel nachgelesen, auf den wir Sie vorhin hingewiesen haben? In den „Nürnberger Nachrichten" meldet sich der Sprecher der ÖTV-Vertrauensleute im Bundesamt. Das ist immerhin ein Arbeitnehmervertreter. Deshalb kann ich auch mit aller Entschiedenheit den Vorwurf zurückweisen, wir wollten das Personal des Bundesamtes angehen. Nein, wir wollen es bei seiner Arbeit schützen; wir wollen ihm ermöglichen, anständige, rechtstaatlich saubere Entscheidungen zu treffen. Ich weise es zurück, wenn so etwas als Diffamierung der Beschäftigten bezeichnet wird.
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Verschiedene ÖTV-Leute haben sich in den „Nürnberger Nachrichten" vom 20. Februar in diese Richtung geäußert!
Es handelt sich in diesem Falle auch nicht um den Artikel einer einzelnen Tageszeitung, sondern um Artikel in mehreren. Auch in dem entsprechenden ÖTV-Magazin wird von der Gewerkschaft Klage darüber geführt, daß sich Mitarbeiter durch die Umstände im Bundesamt offensichtlich genötigt fühlen, bei ihrer Arbeit die notwendige Sorgfalt nicht mehr walten zu lassen.
Ich muß Ihnen in puncto schlanker Staat und „Bündnis für Arbeit" auch sagen: Es ist doch aberwitzig, in einer Behörde Überstunden anzuordnen und gleichzeitig Stellenabbau zu betreiben.
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Das habe ich wirklich noch nirgendwo gehört. Das ist einfach kein seriöses Vorgehen. Man muß seine Abbaupläne erst einmal zurückstellen, wenn man noch so viele Altfälle hat.
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Ich meine, diese Debatte zeigt deutlich die Prioritätensetzung im Bundesamt und im Bundesinnenministerium: beschleunigte Verfahren, kurzer Prozeß mit den Verfolgten und nicht etwa Erhalt des Grundrechts auf Asyl, kein Respekt davor, daß es sich womöglich um politisch Verfolgte handelt, die von Ihnen auf Grund von falschen Entscheidungen in Heimatländer zurückgeschickt werden, wo ihnen Verfolgung und vielleicht sogar Nachteile für Leib und Leben drohen.
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Wer die Verfahren beim Bundesamt beschleunigt und gleichzeitig die Stellen um tausend abbauen will, der zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll.
Mich als Rechtspolitiker ärgert es sehr, wenn - wie von der ÖTV vorgetragen - durch die mangelhafte Arbeit der Entscheider die Fälle bei den Verwaltungsgerichten landen. Das heißt, die Kosten für diese Verfahren landen bei den Ländern.
Wir diskutieren dauernd über Rechtspflegeentlastungsgesetze. Die Bundesländer schlagen in ihrer Not schon vor, mit dem Rasenmäher durch die Strafprozeßordnung zu fahren, weil sie sich nicht zu helfen wissen. Und Sie produzieren hier mit unseriösen Vorgängen weitere Verfahren! Diese Frage muß eindeutig geklärt werden.
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- Das sind die Bedenken der Mitarbeitervertretung; die muß man wohl ernst nehmen.
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Ein faires Verfahren erfordert die Einhaltung grundlegender Mindeststandards, wie wir sie auch in unserem Fluchtgesetz festgelegt haben. Hieran muß man Minister Kanther erinnern, der als Verfassungsminister auch für die Gewährleistung des von ihm. nicht so sehr geliebten Grundrechts auf Asyl verantwortlich ist.
Um nur ein Kriterium zu nennen: Zu einem fairen Verfahren gehört eine umfassende, zeitlich offene Anhörung, in der die Einzelentscheider den jeweiligen Asylsuchenden und ihrer Verfolgungsgeschichte gerecht werden können.
Es ist absolut verantwortungslos, daß beim Bundesamt derzeit Vorgaben an Einzelentscheider kursieren sollen, in denen der Ablauf einer Anhörung und die Bearbeitung eines Asylantrages nach Minuten vorgegeben wird. Zur Vorbereitung der Anhörung sollen ganze zehn Minuten reichen, zum Aktenstudium und zum Studium der Originaldokumente ganze fünf Minuten. Das ist meines Erachtens völlig unzureichend und praxisfern.
Für die eigentliche Anhörung über die Asylgründe einschließlich der Nachfragen sieht die Leitung des Bundesamtes nach diesem Schriftstück ganze 55 Minuten vor.
Ich meine, es muß eindeutig geklärt werden, ob diese Papiere, ob solche Anweisungen tatsächlich existieren. So etwas kann nicht in der Landschaft stehenbleiben, und so etwas kann man nicht so lappisch, wie Sie das gemacht haben, vom Tisch wischen.
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Im vergangenen Jahr haben sich auch beim Bundesamt einige Entwicklungen abgezeichnet, die positiv sind und die wir ausdrücklich begrüßen: Es war vorgesehen, Sonderbeauftragte für Frauen, Kinder und Folteropfer einzurichten. Es war ein Modellprojekt geplant, wonach asylsuchende Frauen die Möglichkeit erhalten sollten, von weiblichen Entscheidern betreut zu werden.
Ich möchte alle Damen und Herren einmal an eine Entscheidung des 11. Deutschen Bundestages erinVolker Beck ({8})
nern, wo damals in einer gemeinsamen Entschließung - Frau Schmalz-Jacobsen, auch Sie waren dabei
Die Redezeit, Herr Kollege!
- zu Menschenrechtsverletzungen an Frauen solche Standards gefordert wurden, eindeutig und verbindlich für alle Fälle, nicht nur als Modellprojekt.
Ich meine, in diese Debatte gehört auch die Frage, ob es nicht seit längerem schon bei der Entscheidung über Asylfälle bei bestimmten Gruppen Defizite gibt und ob die erwähnte Entscheidung des Deutschen Bundestages von der Verwaltung auch so umgesetzt wurde, wie wir es uns alle wünschen.
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Das Wort hat der Kollege Hans-Otto Wilhelm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es geht in der Tat, verehrte Kollegin Sonntag-Wolgast, nicht um die Frage, ob jemandem das Recht verwehrt werden soll, die Bundesregierung zu kontrollieren oder sie zu befragen. Das ist doch eine Binsenweisheit. Forudastan heißt der Journalist der „Frankfurter Rundschau" .
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- Oder die Journalistin.
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Die Grünen sind ihr sicher dankbar. Es geht um die substantiellen Vorwürfe, die in einem solchen Artikel stecken und darum, wie wir auf solche Berichte aus der Presse insgesamt und speziell hier im Deutschen Bundestag reagieren.
Dieser Artikel ist bei seriöser Betrachtung zweifelsohne nicht geeignet, die von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen gemachten Vorwürfe zu erhärten. Denn er ist ausschließlich im Konjunktiv abgefaßt. Man bezieht sich auf das Hörensagen nicht genannter Dritter und unterstellt Aussagen, die überhaupt nicht bewiesen sind. Wenn das der Maßstab für das Handeln des Deutschen Bundestages ist, dann müßten wir viele Artikel über dieses und über andere Themen in demselben Rahmen behandeln, wie es heute hier geschieht. Ich halte das für falsch, meine Damen und Herren.
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Denn wir haben nicht nur die Pflicht, die Regierung
zu kontrollieren; wir haben auch die Pflicht, Behörden und Dienststellen, hinter denen wir ob ihrer Arbeit gemeinsam stehen, vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen.
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Aus den Antworten, die gegeben wurden, und aus der unsubstantiierten Darstellung der Journalistin ist ein solches Fehlverhalten nicht zu entdecken. Mir helfen die Hinweise aus Gesprächsrunden, daß sich einzelne ÖTV-Repräsentanten beschwert fühlen, relativ wenig. Die offizielle Vertretungskörperschaft der Mitarbeiter ist einzig und allein die gewählte Repräsentanz der Mitarbeiterschaft, nämlich der Personalrat, und sonst niemand. Genau diese Repräsentanz, der Personalrat, hat sich erkennbar mit den getroffenen Vereinbarungen einverstanden erklärt. Einen anderen Maßstab kann man in einer schwierigen Situation eines Amtes, in dem es Stellenabbau gibt, beim besten Willen nicht anlegen. Das sind die einzig legitimierten Vertreter der Mitarbeiterschaft, keine ÖTV-Vertreter und sonstigen Zuträger aus unbekannten Runden.
Die entscheidende Frage ist doch: Warum haben es die Grünen auf Grund dieses ungeordneten Materials überhaupt gemacht? Der politische Grund, der dahintersteckt, ist einzig und allein, erneut die Praxis des Asylverfahrens zu diskreditieren. Das ist die politische Absicht, die dahintersteckt.
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Die unzulänglichen Versuche, im Rollenspiel Fragen zu verteilen, die die Kollegen beim Vorlesen offenbar erstmals gesehen haben, haben deutlich gemacht, mit welcher „Inbrunst" man hinter den einzelnen Fragen steht.
Die entscheidende Frage, die sich stellt: Sind Sie daran interessiert, daß noch nicht erledigte Fälle von Asylanträgen abgearbeitet werden, oder nicht? Wir sind der Meinung, daß sie abgearbeitet werden sollten, im Interesse der Betroffenen und im Interesse des deutschen Steuerzahlers. Denn je früher sie abgearbeitet sind, um so früher können aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden.
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Wer dagegen etwas hat - Sie haben etwas dagegen,
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weil Sie eine ganz andere Konzeption der Asylpolitik vertreten -, muß uns mit solchen Mätzchen die Zeit stehlen, wie Sie es heute getan haben.
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Hans-Otto Wilhelm ({8})
Meine Damen und Herren, es ist doch völlig unstreitig, daß diese Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt werden sollen.
Offenbar beherrschen Sie auch die drei Grundrechenarten nicht. Wenn ich für 450 000 Fälle 3 500 Mitarbeiter hatte und für derzeit 120 000 Fälle 2 500 Mitarbeiter habe, dann können Sie nachvollziehen - Sie brauchen noch nicht einmal den Dreisatz zu begreifen -, daß für den einzelnen Fall jetzt sehr viel mehr Zeit vorhanden ist als zuvor. Wie Sie zu der skurrilen Haltung kommen, es sei weniger Zeit, ist mir völlig unerfindlich. Daß die Weiterbildung nicht leidet, haben wir aus den Ausführungen von Herrn Lintner gehört: Es sind insgesamt 8 000 Mannstunden Weiterbildung betrieben worden.
Die Rechtsuchenden vor deutschen Gerichten wären glücklich, wenn ihnen so viel Zeit eingeräumt wurde, wie das Bundesamt den Asylantragstellern widmet.
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Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist das Verfahren nicht beanstandbar. Die Mitarbeiter, deren Zahl jetzt wohl auf 2 500 festgelegt werden soll, haben bei den zu erwartenden 150 000 Fällen zumindest genausoviel Zeit wie bisher oder sogar mehr. Alle anderen Schlußfolgerungen, die Sie getroffen haben, sind falsch, polemisch und gehen an der Sache vorbei.
Sie werden uns nicht daran hindern, daß wir die nötigen Schlußfolgerungen aus weniger Arbeit für die Administration ziehen. Sie werden auch niemandem, der von den Dingen etwas versteht, einreden können, daß eine Flexibilisierung von Arbeitszeit, die Schaffung von Arbeitszeitkonten, die Sie vorhin in der Fragestunde noch für gut gehalten haben, jetzt zu beanstanden ist. Ich lobe die Mitarbeiter dieser Behörde ausdrücklich dafür, daß sie freiwillig bereit sind, mit Arbeitszeitkonten Rückstände abzuarbeiten. Ich würde mich freuen, wenn in anderen Administrationen Vergleichbares geschehen würde.
Ich bin der Auffassung: Die Behörde, ihr Leiter und die Mitarbeiter sind nicht zu tadeln. Es ist ein vordergründiger Versuch der Grünen, ihre Ablehnung der Praxis des Asylrechts in Deutschland noch einmal zu bekräftigen. Wir sind anderer Meinung. Wir werden unsere Pflicht tun. Die Fälle werden abgearbeitet und einer geordneten Regelung und Verfahrensweise zugeführt.
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Als nächster Redner hat sich für die Fraktion der SPD der Kollege Körper gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, daß das Thema, das heute ansteht, hier in einer Art und Weise diskutiert wird, wie es im Grunde genommen nicht angemessen ist. Ich sage das ganz deutlich. Wenn solche Informationen bekanntwerden, dann gehörten sie erklärt. Die Bundesregierung hat dies bei der Beantwortung Ihrer Fragen versucht.
Viel wichtiger aber ist es bei solchen Themen, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden. Deswegen hat die SPD-Bundestagsfraktion nicht nur den Antrag zu einer Diskussion über diese Fragen im Innenausschuß gestellt, sondern auch ausdrücklich gebeten, daß der Präsident des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zugegen sein wird, damit wir eben diese Fragen miteinander erörtern.
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- Ich denke auch, daß das völlig in Ordnung ist.
Zweite Bemerkung. Wir sind nach wie vor daran interessiert, daß es in diesem Bundesamt zu einer qualifizierten Arbeit kommt. Ich will gar nicht verhehlen, daß die Personalführung auf Grund der Entwicklung in der zurückliegenden Zeit nicht einfach gewesen ist. Auf der einen Seite hatte man hohe Zugangszahlen bei den Asylbewerbern, aber nicht den dazu notwendigen Mitarbeiterstab. Dieser ist dann aufgebaut worden. Jetzt hat man geringere Zahlen, die natürlich Anlaß geben müssen, sich darauf personell entsprechend einzurichten.
Ein ganz wichtiger Grundsatz sollte meines Erachtens auch sein: Wenn man sich überlegt, wie die personelle Ausstattung zukünftig aussieht und wie dadurch eine qualifizierte Arbeit erhalten bleibt, dann sollte man eine solche Entscheidung mit den Beschäftigten treffen und nicht gegen sie. Es ist bekannt, daß beispielsweise die Personalvertretung die angesteuerte Zahl der Mitarbeiter nicht unbedingt für angemessen hält. Deswegen, lieber Herr Kollege Schlee, habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet.
Wenn man die Unterrichtung der Bundesregierung zur Straffung der Bundesbehörden zur Kenntnis nimmt, wird auch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Beispiel genannt. Deswegen richte ich eine herzliche Bitte an Sie: Wenn man solche Konzeptionen entwickelt, gibt es zwei wichtige Punkte, die zu berücksichtigen sind - zum einen, daß eine sachlich qualifizierte Arbeit auch zukünftig möglich bleibt und daß man solche Entscheidungen zum anderen mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trifft. Dann können wir erfolgreiche Konzeptionen entwickeln.
Ich freue mich auf die Diskussion im Innenausschuß, wo wir die einen oder anderen sachlichen Argumente noch austauschen können.
Schönen Dank.
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Die Aktuelle Stunde ist geschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. März 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.