Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich komme zunächst zum Amtlichen: Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung umzustellen. Wir beginnen mit der Beratung des ERP-Wirtschaftsplangesetzes, dann folgt die Beratung des Entwurfs eines Mikrozensusgesetzes, danach die zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten. Der Entwurf eines Gesetzes zur Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler soll ohne Aussprache an den Innenausschuß zurückverwiesen werden. Die erste Beratung des Entwurfs eines Betäubungsmittel-Änderungsgesetzes und die Beschlußempfehlung zur Legalisierung des Anbaus von Hanf, Tagesordnungspunkte 16 a und 16b, sollen ohne Aussprache behandelt werden. Die von der Gruppe der PDS verlangte Aktuelle Stunde wird zum Schluß der Tagesordnung aufgerufen.
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1996 ({0})
- Drucksache 13/2480 - ({1})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({2})
- Drucksache 13/3144 Berichterstattung:
Abgeordneter Karl-Heinz Scherhag
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Es beginnt die Kollegin Wöhrl.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 13 Milliarden DM stellt der ERP-Wirtschaftsplan 1996 mit langlaufenden zinsgünstigen Krediten für Investitionen bereit. Damit führen wir auch im nächsten Jahr die ERP-Wirtschaftsförderung auf hohem Niveau und vor allem zugunsten der neuen Länder fort.
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Mit diesen Mitteln werden wir unser Ziel weiterverfolgen, wettbewerbsfähige und ausgewogene Wirtschaftsstrukturen im gesamten Bundesgebiet zu schaffen.
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Für die alten Bundesländer stehen rund 4,5 Milliarden DM als Fördervolumen zur Verfügung. Damit sollen schwerpunktmäßig Existenzgründer im Bereich der gewerblichen Wirtschaft, kleine und mittlere Unternehmen in regionalen Fördergebieten sowie Umweltschutzinvestitionen der gewerblichen Wirtschaft gefördert werden. Rund 8,5 Milliarden DM - das sind gut zwei Drittel - gehen in die neuen Bundesländer, um hier die Investitionsmaßnahmen zur Stärkung und weiteren Entwicklung von mittelständischen Unternehmen und von Angehörigen freier Berufe nachhaltig zu fördern.
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Dies gilt für Unternehmensneugründungen und -übernahmen wettbewerbsfähiger Betriebe ebenso wie für Reprivatisierungen und für bestehende wachsende private Unternehmen.
Daß die neuen Länder hier besondere Berücksichtigung finden, geht auf den Ursprung der ERP-Kredite, des European Recovery Program, zurück, die aus der ehemaligen Marshallplanhilfe hervorgegangen sind. Wir wissen, daß sich dieses Programm nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal bewährt hat, als es um den Aufbau der westlichen Länder ging. Jetzt unterstützt es die neuen Länder. Liebe KolleDagmar Wöhrl
gen, ich glaube, dies wäre ganz im Sinne auch von George Marshall gewesen.
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Was die ERP-Kredite in Ostdeutschland seit März 1990 bewirkt haben, kann sich, glaube ich, sehen lassen. Von den rund 247 000 ERP-Krediten mit einem Zusagevolumen von rund 44,7 Milliarden DM haben rund 230 000 Kreditnehmer die Mittel bisher mit einem Gesamtbetrag von 37,9 Milliarden DM vollständig oder in Teilbeträgen abgerufen und damit ihre Vorhaben schon abgeschlossen oder entsprechend in Angriff genommen.
Die Anschubwirkung, die damit ausgelöst worden ist, ist beachtlich. Wir haben Investitionen in Höhe von rund 121 Milliarden DM angestoßen. Es wurden voraussichtlich 1,7 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und weitere 1,45 Millionen bestehende Arbeitsplätze gefördert und damit abgesichert, weil die Betriebe mit Hilfe der geförderten Investitionen ihre Wettbewerbsfähigkeit zumindest erhalten, aber in der Regel sogar noch verbessern konnten.
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Meine Damen und Herren, insbesondere trug die Förderung mit dazu bei, die bis zur Wiedervereinigung fast ausschließlich von Großbetrieben, sprich: Kombinaten, geprägte und staatlich gelenkte Planwirtschaft grundlegend zu verändern. Der weitere Aufbau leistungsfähiger breitgefächerter mittelständischer Strukturen muß vor allem in den neuen Ländern vorangetrieben werden, um so weiterhin den Weg in eine freie und soziale Marktwirtschaft zu ebnen.
Im Mittelpunkt der ERP-Förderung in den neuen Ländern steht die Existenzgründungsförderung. Allein hier wurden Investitionen in Höhe von rund 56 Milliarden DM angestoßen. Die Existenzgründer waren es, die hier auf Grund ihrer Anpassungsfähigkeit, ihrer Flexibilität und auch ihrer Entschlossenheit den wirtschaftlichen Strukturwandel maßgeblich mit beeinflußt haben. Dies zeigt auch, daß sich das ERP-Programm schnell zu einem erfolgreichen und wirkungsvollen Instrument in den neuen Bundesländern entwickelt hat.
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Viele der Existenzgründer und Unternehmer hätten - so ihre eigenen Angaben nach einer Befragung - den Weg in die Selbständigkeit ohne ERP-Mittel nicht beschritten bzw. ihre betrieblichen Investitionen nicht getätigt. Ohne diese Förderung wären also viele bedeutsame Vorhaben nicht zustande gekommen. Dies bestätigt uns auch das Gutachten von Roland Berger, das uns vor einem halben Jahr vorgelegt worden ist.
Wir alle hier im Saal wissen, daß es für die deutsche Wirtschaft und den Standort Deutschland
unverzichtbar ist, den Mittelstand als tragende Säule, als Motor unserer Wirtschaft zu fördern.
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Gerade jetzt, am Ende einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und zugleich am Ende des industriellen Zeitalters und am Beginn der neuen Ära Dienstleistung, sind wir auf den Mut und die Risikobereitschaft des Mittelstandes, der Selbständigen angewiesen.
Ohne den Mittelstand könnten wir die größten Herausforderungen, neue und zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu schaffen, nicht bewältigen. Er ist in Ost und West - das wissen wir alle - der bedeutendste Träger der Beschäftigung und der Ausbildung. Beim Aufbau mittelständischer Unternehmen sind ERP-Kredite eine der tragenden Säulen. Gerade das Gelingen des Aufschwungs Ost wird sich an der Etablierung des Mittelstandes entscheiden.
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Daher konzentriert sich die ERP-Förderung nicht umsonst auf den Mittelstand. Wir wissen, wir brauchen mehr Selbständige. Wir wissen, wir brauchen mehr Existenzgründer. Während wir Ende der 50er Jahre noch 9,5 Millionen Selbständige hatten, sind es heute nur noch 3,5 Millionen. Wir haben es zwar geschafft, die Quote von 1982 von 6,9 Prozent auf 8,2 Prozent im Jahre 1993 ansteigen zu lassen. Aber wir wissen auch, daß dies noch immer viel, viel zu wenig ist. Wenn man berücksichtigt, daß es nach Schätzungen bei 5 Prozent mehr Selbständigen 1,5 Millionen Arbeitsplätze mehr geben würde, dann sehen wir die Wichtigkeit der Selbständigkeit. Denn diejenigen, die den Mut haben, das Risiko eingehen, sich selbständig zu machen, schaffen nicht nur Arbeitsplätze für sich, sondern auch für andere.
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Meine Damen und Herren, wir benötigen auch die Flexibilität, den Ideenreichtum und die Innovationskraft des Mittelstandes. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern, müssen wir Unternehmen dabei unterstützen, durch Innovationen auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Forschung, Technologie und Innovationen sind heute wichtige Wachstumsquellen der Wirtschaft gerade in Deutschland.
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Wie Sie alle wissen, sind wir ein rohstoffarmes Land. Daher müssen wir gerade in diesem Bereich aufpassen, daß nicht noch mehr Investitionen und Arbeitsplätze aus unserem Land verdrängt werden.
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Meine Damen und Herren, ich begrüße es daher außerordentlich, daß wir im ERP-Unterausschuß einstimmig beschlossen haben, dem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums zuzustimmen und den Betrieben im Rahmen des ERP-Wirtschaftsplanes 1996 ein
neues Angebot zu unterbreiten. Eine geringere Mittelinanspruchnahme im laufenden Jahr als geplant eröffnete uns die Möglichkeit, ein neues Innovationsprogramm zu entwickeln. Dies sieht 1 Milliarde DM für Darlehen zur langfristigen Finanzierung marktnaher Forschung und Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sowie zu ihrer Markteinführung vor. Im Bedarfsfall können auch bis zu 1,5 oder mehr Milliarden DM bereitgestellt werden, je nachdem - wir werden es sehen -, wie die Mittelinanspruchnahme im Rahmen der anderen ERP-Programme ausfallen wird.
Besonderer Förderschwerpunkt soll hier die Förderung mittelständischer Unternehmen sein sowie deren Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Es gibt hier keine Beschränkungen auf irgendwelche Technologiefelder. Jedoch sollen Technologiebereiche wie Informationstechnik, Kommunikationstechnik, Material- sowie Biogentechnologie besondere Unterstützung finden.
Zu danken ist hier auch dem Forschungsministerium, das sich bereit erklärt hat, einen Teil der Risikoabsicherung zu übernehmen, damit es den Banken erleichtert wird, auch an innovative Unternehmen Kredite zu vergeben. Unternehmen müssen liquider gemacht werden, wenn ihnen in der Innovationsphase bereits Kosten entstanden sind, die Erlöse aber noch fehlen. Auch hierfür steht das neue Innovationsförderprogramm.
Meine Damen und Herren, die ERP-Kredite leisten einen spürbaren Beitrag für den Aufbau eines breiten Mittelstandes. Sie sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil der Beschleunigung des wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesses in den östlichen Bundesländern von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Sie tragen zur Schaffung und zur Sicherung von rentablen Arbeitsplätzen und damit - das ist ganz wichtig - zur Sicherung unseres Wirtschaftsstandortes Deutschland bei.
Meine Fraktion unterstützt daher den vorliegenden ERP-Wirtschaftsplan und stimmt ihm zu. Ich bitte auch die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diesem Wirtschaftsplan zuzustimmen.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Sozialdemokraten unterstützen die Zielrichtung und die Schwerpunktsetzung des ERP-Wirtschaftsplans 1996 ausdrücklich, ist doch ein nicht geringer Teil der neuen Prioritätensetzung auf unsere Initiative hin entwickelt und dann einmütig im Unterausschuß ebenso wie im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen worden. Auch deswegen ist es mir ein Vergnügen, als Unterausschußvorsitzende an dieser Stelle allen Mitgliedern für ihre konstruktive und intensive Arbeit in diesem Jahr herzlich zu danken.
({0})
Der Unterausschuß hat in den letzten Jahren stets darauf gedrängt und es auch erreicht, daß die Regierung eine mittelfristige Vorausschau mitsamt einem Bericht über die Kreditaufnahme und Verschuldung des ERP-Sondervermögens vorlegt. Nur dadurch können wir dem Anspruch auf eine beständige und für die Unternehmen kalkulierbare Wirtschaftsförderung gerecht werden.
Vor diesem Hintergrund halten wir es auch für gerechtfertigt und tragen es als Opposition ausdrücklich mit, wenn sowohl das Gesamtvolumen als auch einzelne Planansätze in den nächsten Jahren zurückgeführt und konsolidiert werden: Bei einem Planvolumen von rund 16 Milliarden DM für 1996, wovon 13 Milliarden DM allein im Osten benötigt werden, ist die Rückführung von 1 Milliarde DM im Vergleich zum laufenden Jahr nicht zu beanstanden, vor allem, wenn man die zurückhaltende Inanspruchnahme im laufenden Jahr berücksichtigt.
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- Für die zurückhaltende Inanspruchnahme der Kredite? In Einzelbereichen ist in diesem Jahr keine volle Ausschöpfung erfolgt. Da es sich, Herr Kollege, wenn ich Sie aufklären darf, um eine Kreditfazilität handelt, die wir anbieten und die von den Unternehmen nachgefragt werden muß, ist dies keine Frage, die - etwa als eine Folge fehlenden Mittelabflusses - zum Beispiel dem Wirken des Wirtschafts- oder des Finanzministeriums zuzuschreiben ist. Vielmehr müssen die Unternehmen prüfen, ob sie es riskieren können, Kredite abzufragen, die sie zurückzahlen und auch verzinsen müssen.
({2})
Für die neuen Bundesländer stehen zwei Drittel des Fördervolumens, das heißt rund 8,5 Milliarden DM, zur Verfügung. Damit ist ein ausreichender Zusagespielraum geschaffen, um tragfähige Unternehmen nachhaltig zu fördern. Eine Fortsetzung dieses Schwerpunktes im Osten ist sicherlich auch im Jahre 1996 zwingend geboten, um gerade die gewerbliche Produktion und hochqualifizierte produktionsorientierte Dienstleistungen zu fördern.
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Aber innerhalb dieses Volumens, das für die neuen Bundesländer zur Verfügung steht, werden wir beginnen müssen, sorgfältiger als bis jetzt die bisherigen Erfahrungen auszutauschen, systematisch zu erfassen, auszuwerten und zu evaluieren. Wir hatten deswegen auf eine sorgfältige Untersuchung der Wirksamkeit des ERP gedrängt.
Über die besonderen Probleme, vor denen wir im Osten stehen, haben wir wichtige Aufschlüsse aus einer Studie von Roland Berger erhalten, die uns im
Frühjahr dieses Jahres geliefert wurde. Diese Studie ergab, daß die ERP-Gründungsförderung mit 160 000 Neugründungen von 1990 bis 1995 im wesentlichen richtig eingesetzt worden ist und von den kleinen und mittleren Unternehmen gut angenommen wurde.
Aber bei der Diskussion dieser Studie stellte sich eine Fülle von Fragen, denen wir gerade im Osten dringend nachgehen müssen:
Erstens. Die Einschätzung nahezu aller Unternehmensgründer war außerordentlich optimistisch. Ob sich die Einschätzung im Lichte der sich deutlich verschlechternden Binnenkonjunktur und der Schwächung der Masseneinkommen halten läßt, bleibt offen.
Zweitens. Die Bewährung steht vielen Gründern bevor, weil sie nun verstärkt in die Tilgungsphase für ihre Kredite kommen oder das Eigenkapital bei dynamischen, stark wachsenden Unternehmen nicht ausreicht.
Drittens. Viele Unternehmensgründer haben Probleme, die sich nicht mit einer geringen Eigenkapitalausstattung erklären lassen - auch nicht mehr mit einer unzureichenden oder veralteten Technikausstattung oder dem oft zitierten „kaufmännischen Defizit", obwohl es auch das noch häufiger gibt, als uns allen lieb ist.
Viertens. Die Probleme der Unternehmen liegen zunehmend im strategischen Bereich: bei der Unternehmensteuerung, der Arbeitsorganisation, beim Marketing der Produkte und bei der Innovation. Darauf müssen wir bei unserer ERP-Förderung reagieren. Es genügt nicht mehr, wie bisher, Neugründungen zu fördern.
Für manche Branchen werden wir uns sogar fragen müssen, ob die erreichte Unternehmensdichte im Osten, die gelegentlich höher ist als im Westen, die Unternehmen langfristig wirtschaftlich tragen kann. Wir werden also neue Wege beschreiten und Prioritäten neu justieren müssen.
Im Haushalt 1996 haben wir das mit dem neuen ERP-Programm getan, das mit 1 Milliarde DM Zusagemöglichkeiten ausgestattet ist und die Fortführung des 1995 ausgeschöpften KfW-Innovationsprogramms ermöglicht. Dafür mußten Mittel aus anderen Programmteilen umgeschichtet werden.
Wir werden beim Mittelabfluß aber darauf achten müssen, daß die Darlehen aus diesem neuen Programm, das für alle Technologiefelder zur Verfügung steht, seine Anwender auch im Osten findet; dabei gibt es bisher einige Probleme. Denn ohne erhebliche Innovationsanstrengungen in den neuen Bundesländern wird die ohnehin sehr schwache industrielle Basis nicht zu halten sein.
Deswegen müssen wir mit neuen Wegen den Bestand junger, wettbewerbsfähiger Unternehmen stabilisieren.
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Wir können und müssen die vorhandenen Arbeitsplätze sichern. Der erste Schritt muß sein, vermehrt
den Gründen nachzugehen, warum junge Unternehmen im Osten wie im Westen ins Schlingern geraten sind. Wir regen daher dringend an, uns nicht mit der Auswertung des Berger-Gutachtens zufriedenzugeben, sondern weitere gründliche Evaluierungen mit Sachverstand von außen vorzunehmen.
Ein weiterer Schritt muß sein, den kleinen Unternehmern, Handwerkern und Selbständigen ein einfach zu handhabendes Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie auf Fehlentwicklungen frühzeitig reagieren und vorausschauend steuern können.
Wir brauchen - das haben wir übereinstimmend festgestellt - ein System von spezifischen Frühwarnindikatoren zur Selbsteinschätzung für kleine und mittlere Unternehmen, das Handwerk und die Selbständigen. Denn: Wenn Liquiditätsengpässe auftreten, die Bank Alarm schlägt, dann ist es fast immer zu spät, dann sind die Probleme nur mehr sehr schwer, wenn überhaupt noch zu lösen.
Für die Entwicklung solcher Frühwarnindikatorsysteme, die wir sehr schnell brauchen, bedarf es der aktiven Mitarbeit und Unterstützung der Wissenschaft, der Industrie- und Handelskammern, des Handwerks und einschlägiger Institutionen wie etwa des RKW und von Praktikern wie Steuerberatern.
Mit der traditionellen Unternehmensberatung gehen wir häufig am Bedarf vieler kleiner Unternehmer, Handwerker und Selbständigen vorbei. Außerdem kommt die Unternehmensberatung häufig erst zustande, wenn die Probleme kaum mehr lösbar sind bzw. die Unternehmen bereits sanierungsbedürftig sind.
Ohne zu dramatisieren, möchte ich in diesem Zusammenhang auf die jüngste, sich beschleunigende Insolvenzentwicklung in Ostdeutschland hinweisen. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich dabei aus einer jüngst erschienenen Creditreformuntersuchung über Insolvenzen, Unternehmenslöschungen und Unternehmenseintragungen:
Während in Westdeutschland die Zahl der wirtschaftsaktiven Unternehmen, die 1995 gegründet wurden, gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 30 Prozent zugenommen hat, ist in den neuen Ländern eine mehr als zehnprozentige Abnahme zu registrieren.
Der Saldo aus Gewerbean- und -abmeldungen betrug im Osten noch 45 000, in 1995 nur noch 35 000. Das ist sicher ein Stück Normalisierung, aber gleichzeitig ist - das ist beunruhigend - auch die Insolvenzhäufigkeit gestiegen.
Bei Unternehmenszusammenbrüchen liegt man im Osten mit 5 600 Fällen um 43,2 Prozent über dem Vorjahr. Die Insolvenzhäufigkeit für Unternehmen lag im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen. Für das ERP-Programm gilt das übrigens nicht; hier haben wir offensichtlich durch die bessere Beratung und Auswahl akzeptablere Zahlen.
Für das Jahr 1996 ist sicherlich keine Entwarnung zu geben, ganz im Gegenteil. Deswegen sollten wir uns fragen, ob wir daraus nicht Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung ziehen müssen. Sicher:
Man soll gutes Geld nicht dem schlechten nachwerfen,
({5})
und Betriebsschließungen und Insolvenzen gehören wie Gründungen von Unternehmen zur Marktwirtschaft. Aber viele Insolvenzen sind nicht unausweichlich dem Markt geschuldet, sondern wären vermeidbar. Viele Anschlußkonkurse, wenn ein Betrieb Pleite gegangen ist - wir erinnern uns an die Konkurse größerer Betriebe, die vor allem Handwerksbetriebe mitgerissen haben -, wären vermeidbar gewesen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die wir mit dem Instrument der Liquiditätshilfe in den neuen Bundesländern gesammelt haben. Wir müßten uns ernsthaft überlegen, ob wir das Instrument der Liquiditätshilfe nicht auch in den alten Bundesländern einsetzen.
({6})
Wir Sozialdemokraten stimmen dem ERP-Wirtschaftsplangesetz 1996 zu und erhoffen uns mit seiner mittelfristigen Konsolidierung, den neuen Prioritäten und dem Beschreiten neuer Wege wichtige Impulse für eine dynamische Entwicklung kleiner und mittlerer Betriebe und der bei ihnen gesicherten Arbeitsplätze.
Wer die Arbeitsplatzentwicklung bei den großen Unternehmen ansieht, kann nur sagen: Nie waren die Kleinen so wertvoll wie heute.
({7})
Das Wort erteile ich jetzt der Kollegin Margareta Wolf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Ich denke, daß die letzte Woche deutlich gemacht hat, daß das bürgerliche Lager in diesem Hause dringend eine Wertedebatte braucht.
({0}) - Eine Wertedebatte, Herr Hörster.
Ich finde es wirklich schade, daß der Herr Minister heute nicht anwesend ist.
({1})
Aber der Staatssekretär Dr. Kolb kann ihm das ja übermitteln. Ich weiß, daß Sie, was Wertedebatten angeht, sehr empfindlich sind, aber ich würde dem Staatssekretär doch erstens gerne die Aufgabe übertragen, seinem Minister das Mitleid für den Sittenverfall in der F.D.P., dessen Opfer er geworden ist, zu übermitteln.
({2})
Zweitens hätte ich gerne einmal eine Antwort des Ministers auf die letzte Arbeitsplatzstatistik gehabt.
({3})
Schließlich hat er Anfang dieses Jahres noch behauptet, in diesem Land gäbe es 300 000 neue Arbeitsplätze in diesem Jahr. 150 000 weniger Arbeitsplätze haben wir im Moment zu verzeichnen!
Aber jetzt möchte ich zum eigentlichen Thema kommen.
({4})
Herr Hinsken, auch wir halten die ERP-Kredite für einen unverzichtbaren Bestandteil einer wirkungsvollen Politik für kleine und mittlere Unternehmen. Sie sind ein unverzichtbares und gleichzeitig effizientes Element der Wirtschaftsförderung in den alten Bundesländern, aber vor allen Dingen auch in den neuen Bundesländern.
Zu würdigen ist insbesondere die volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Stichworte sind schon gefallen: angestoßene Investitionen, gesicherte Arbeitsplätze, Umweltschutzinvestitionen und Hilfe bei Existenzgründungen. Das kam besonders den fünf neuen Ländern zugute.
Wir begrüßen ausdrücklich, daß die parlamentarischen Anregungen aus dem letzten Jahr aufgenommen wurden und daß jetzt auch Innovationsprojekte mit ERP-Krediten gefördert werden können. Innovationen sind für den Zukunftsstandort Deutschland ausgesprochen wichtig, und das gerade vor dem Hintergrund, daß, wie Sie letzte Woche einer Pressemitteilung von Herrn Rüttgers entnehmen konnten, die Bundesrepublik Deutschland inzwischen im Bereich Forschung und Entwicklung und somit bei den Innovationen auf Platz vier abgerutscht ist.
Hier bedarf es einer besonderen Anstrengung der Bundesregierung und des gesamten Hauses. Ich denke, daß wir mit diesem Gesetzentwurf einen Schritt in die richtige Richtung tun.
Der Mittelstand hat aber trotz ERP-Krediten Finanzierungsprobleme. Um sich auf eine dauerhaft tragfähige wirtschaftliche Grundlage zu stellen, benötigen kleine und mittlere Unternehmen in diesem Lande über Kredite hinaus Eigenkapital. Insbesondere der vielbeschworene Zugang zum Risikokapitalmarkt ist in der Bundesrepublik nach wie vor unzureichend. Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Novellierung des GmbH- und Kapitalmarktrechtes, um den kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.
Ich möchte Ihnen sagen, daß ich gestern mit dem Vorstand des HDE geredet habe. Es hat mich ausgesprochen besorgt gestimmt, daß der HDE sagt, er gehe davon aus, daß in den neuen Bundesländern im nächsten Jahr 20 000 kleine und mittlere Unternehmen pleite gehen. Ich denke, der Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen muß gerade für die neuen Bundesländer erheblich
Margareta Wolf ({5})
erleichtert werden. Daß es dort keine ausreichende Eigenkapitalbasis gibt, liegt in der Natur der Sache. Hier muß dringend etwas getan werden.
Aber wirksame Mittelstandspolitik muß nicht nur die Finanzierungsprobleme regeln, meine Damen und Herren. Gleichzeitig müssen umweltschädliche und wettbewerbsverzerrende Subventionen dringend abgebaut werden. Da kann ich Ihnen nur die Lektüre des Artikels von Herrn Pohl vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle empfehlen, der gestern in der „Zeit" stand. In Monopolbranchen wie der Energiewirtschaft muß der Marktzugang für kleine Anbieter erleichtert werden. Neben dem Mittelstand fördert das auch den Umweltschutz.
Wir müssen zu einer Reform der öffentlichen Verwaltung kommen. Wir müssen Beratungs- und Qualifikationsprogramme auflegen, und wir müssen zu mehr Transparenz von Genehmigungsverfahren zur Unterstützung des Mittelstandes kommen.
({6})
- Wir machen das Gegenteil mit unserer Politik? Ganz und gar nicht! Wir haben die erste Mittelstandsdebatte vor ein paar Wochen in diesem Hause gehabt, Herr Hinsken. Die haben wir auf Anregung der Opposition und nicht auf Ihre Anregung hin gehabt.
({7})
Gleichzeitig müssen Marktzutrittsbarrieren gesenkt werden, und wegen der Unerfahrenheit sowie der Fremdheit auf den neuen Märkten gerade in den neuen Bundesländern brauchen wir eine Qualifizierungsoffensive.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion unterstützt den hier vorliegenden Gesetzentwurf.
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Als nächster Herr Kollege Friedhoff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die F.D.P.-Fraktion darf ich auch hier das ERP-Wirtschaftsplangesetz begrüßen. Wir halten dieses ERP-Programm für wichtig, weil es als Anschubfinanzierung für Unternehmen sehr wichtig ist und in verschiedenen Situationen sicher etwas sehr Gutes tut.
Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen - Frau Kollegin Wolf, Sie haben das hier eben angesprochen -, daß eine ganze Reihe Rahmenbedingungen nicht so sind. Um so wichtiger sind solche Programme, und wir hätten Sie ganz gern auf unserer Seite, wenn es um die Konkretisierung der Vorschläge geht, die Sie eben im allgemeinen begrüßt haben, wenn es um Risikokapital geht, das wir in Deutschland vermutlich wesentlich aktivieren müssen,
({0})
das allerdings zu einem Risiko wird, wenn man es nicht zurückzahlen kann. Risikokapital ist Eigenkapital, und Eigenkapital hat etwas mit Gewinn nach Steuern zu tun, nicht mit Gewinn vor Steuern. Bekanntlich sind zwei Drittel der ausgewiesenen Unternehmergewinne an den Staat zurückzugeben. Nur ein Drittel steht dann zur Tilgung solcher Risikokapitalraten zur Verfügung.
Ich sehe Risikokapital in Deutschland im wesentlichen deswegen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt, weil uns das damit verbundene Risiko, auf Grund falscher staatlicher Rahmenbedingungen - sprich: der Unternehmensteuer - nicht zurückgezahlt werden zu können, hier Probleme bereitet. Ich würde mich ungeheuer freuen, wenn Sie, Frau Kollegin Wolf, dabei mithelfen würden, daß es uns gelingt, die Unternehmensteuer auf einen internationalen Standard herabzusenken und daß sie nicht immer wieder als eine Steuer verteufelt wird, die die Reichen begünstigt. Sie ist die Steuer, die verhindert, daß wir mehr Arbeitsplätze bei kleinen und mittleren und bei wachsenden Unternehmen haben.
({1})
Auch 1996 stellen wir mit 15,8 Milliarden DM wieder Gelder zur Verfügung, diesmal, wie in den Jahren zuvor, nicht nur Gelder, die aus dem ERP-Sondervermögen kommen, sondern der Haushalt schießt noch einmal 458 Millionen DM zu, damit das gesamte Volumen auch finanziert werden kann.
Die Schwerpunkte - das ist hier schon gesagt worden - sind klar. Sie liegen im wesentlichen im Osten, weil wir hier ganz im Sinne des Programms den Aufbau fördern müssen, so wie das ja nach dem Krieg im Westen geschehen ist, und der Ursprung der ERP-Mittel liegt ja dort. Wir begrüßen, daß dies im nächsten Jahr wieder entsprechend zur Verfügung gestellt werden kann, damit der Aufbau mittelständischer Betriebe, kleiner Betriebe, freier Berufe in den neuen Bundesländern weiterhin gefördert wird.
Wir würden uns aber noch mehr darüber freuen, wenn wir in den nächsten Jahren Rahmenbedingungen schaffen könnten, daß diese Mittel weniger notwendig werden, als sie es im Moment sind.
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Dazu benötigen wir, glaube ich, einen Konsens nicht nur hier im Bundestag, sondern auch mit dem Bundesrat. Wie schwierig das ist, haben ja die letzten Verhandlungen gezeigt, als es darum ging, tatsächliche steuerliche Entlastungen für Unternehmen herbeizuführen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als nächster spricht der Kollege Rolf Kutzmutz.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Skarpelis-Sperk sehr herzlich für die Initiative danken, die sie ergriffen hat, um in Potsdam ein Werkstattgespräch über die ERP-Kredite zu führen. Ich glaube, es hat denen, die teilgenommen haben, geholfen, näher in die Thematik einzusteigen und auch besser zu verstehen, mit welchen Problemen sich sowohl die Kreditgeber als auch die Kreditnehmer herumzuschlagen haben.
Es gibt keinen Grund - das sage ich hier ausdrücklich -, das positive Votum im Unterausschuß zum Wirtschaftsplan ERP zurückzunehmen. Es ist eine wertvolle Hilfe. Die Kredite leisten einen wichtigen Beitrag zur Gründung, Stabilisierung und beim Ausbau von Unternehmen. Sie helfen der Innovationsför derung voran und damit auch dem Strukturwandel.
Das sage ich ausdrücklich auch als Kommunalpolitiker, und ich empfehle auch den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern, die damit zu tun haben, sich näher damit zu befassen, wenn es um Strukturwandel in ihren Städten geht.
Die Gültigkeit ist für kleinere und mittlere Unternehmen in Ostdeutschland ebenso gegeben wie für kleine und mittlere Unternehmen im Westen Deutschlands mit dem Regionalprogramm. Ich will allerdings noch einmal sagen, Herr Friedhoff, das fällt mir immer wieder auf - wir kennen uns inzwischen gut genug -: Es gibt nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen kleinen und mittleren Unternehmen im Osten und im Westen. Das hat nicht nur etwas mit der Dauer ihres Bestehens zu tun, sondern insbesondere auch mit ihrer Größe. Sie wissen, daß die kleinen und mittleren Betriebe im Osten im Schnitt nicht über fünf bis sieben Leute hinauskommen. Ich glaube, es wird noch eine Zeitlang brauchen, daß wir dort wirklich eine Stabilisierung erreichen können.
({0})
- Nein, das ist nicht schlimm. Ich sage nur, daß wir, wenn wir darüber sprechen, die unterschiedlichen Ansätze betonen müssen. Wir dürfen es nicht in einen Topf werfen, sondern müssen immer die besonderen Bedingungen sehen. Ich halte das nicht für schlimm. Ich will es nur feststellen.
({1})
Die Stichworte für alle Unternehmen sind Deregulierung, Dienstleistungsgesellschaft, Innovationswettbewerbe und anderes mehr. Nach der Geschäfts- und Unternehmensidee haben ohne Unterschied zwischen West und Ost Risikobereitschaft und innovatives Verhalten natürlich Konsequenzen hinsichtlich der Finanzierungsprobleme.
Es gibt, wie gesagt, keine Differenzen bei der Einschätzung der Nützlichkeit der ERP-Förderung, aber sehr unterschiedliche Einschätzungen bei der Rolle der Hausbanken. Das will ich hier ansprechen.
Befragt zu der Rolle der Hausbanken sagten sechs von zehn geförderten Betrieben, daß dies auf Initiative der Hausbank zustande gekommen ist. Von den nicht geförderten wußte nicht einmal jeder zehnte Betrieb über seine Hausbank, daß es die ERP-Kredite überhaupt gibt. Das heißt: Wir müssen hier die Rolle der Banken verstärken. Sie geben einerseits wichtige Impulse für die Entwicklung, andererseits wird nicht selten über eigennütziges und wenig kooperatives Verhalten seitens der Hausbanken geklagt. Nicht ausreichend sei ihre Bereitschaft, zur Stabilisierung ihrer Kunden durch eigene Hilfe beizutragen.
In Sachsen-Anhalt ist eine Befragung unter 130 Unternehmen durchgeführt worden. Davon haben 58 Prozent gesagt, daß sie mit ihrer Hausbank unzufrieden seien. Auch da besteht ein Unterschied zum Westen: Während die Unternehmen im Osten in aller Regel auf eine einzige Bank zurückgreifen, gibt es im Westen durchaus einen Bankenwettbewerb. Man sucht sich das Beste aus. Das ist im Osten bei weitem noch nicht geschehen.
Ich will hier eines sagen: Es geht um die konstruktive und aktive Einbeziehung der Hausbanken in diesen Prozeß. Ansonsten kann Innovation nicht erreicht werden.
Über Insolvenzen ist hier gesprochen worden. Ich glaube, es geht nicht nur um die Überwindung von Finanzierungsproblemen. Wichtig ist auch, daß Unerfahrenheit in Betriebsführung, Marketing und im Rechnungswesen kompensiert und Fitneß- und Coaching-Programme durchgeführt werden, um individuelle Hilfe zu geben. Das kann ein Bankenberater in aller Regel nicht leisten;. damit ist er überfordert. Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Beitrag, der durch die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern zu leisten ist.
Ein letztes Problem. Es wird viel über Risikobereitschaft geredet. Die Zahlen über Insolvenzen sind bekannt. Man kann sie beklagen.
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- Ja, Herr Hinsken.
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Man kann sie der Marktwirtschaft zuordnen. Wichtig aber ist, daß damit immer persönliche Schicksale verbunden sind.
Ich sage ausdrücklich, Herr Hinsken: Fakt ist, daß das Insolvenzrecht in Deutschland so gestaltet ist, daß ein gescheiterter Unternehmer mit einem Stigma herumläuft. Wer einmal gescheitert ist, hat sowohl bei den Banken als auch in der Öffentlichkeit wenig Aussicht, eine zweite Chance zu bekommen.
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Ich meine, daß das Insolvenzrecht dahin gehend überprüft werden muß, wie das verbessert werden
kann; denn ich sage ausdrücklich: Nichts ist schlimmer, Herr Hinsken, als einmal gescheitert zu sein. Das trifft bei Politikern nicht ganz so zu. Bei Unternehmern trifft es in jedem Fall zu.
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Deshalb habe ich eine Bitte. Für 1999 ist eine einheitliche, moderne Insolvenzordnung angekündigt worden, die das regeln soll. Ich bin im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen, im Interesse der Ausschöpfung von ERP-Krediten und im Interesse einer weiteren Entwicklung der Auffassung, daß es notwendig wäre, die Arbeit an diesem Prozeß zu beschleunigen. Bis 1999 kann es noch eine Reihe von Insolvenzen geben, die wir so vielleicht verhindern könnten.
Danke schön.
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Als nächster spricht der Parlamentarische Staatssekretär Heinrich Leonhard Kolb.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt heute der ERP-Wirtschaftsplan für das kommende Jahr vor. Mit Mitteln der ERP-Wirtschaftsförderung, hervorgegangen aus den ehemaligen Marshallplan-Hilfen, werden wiederum substantielle Hilfen bereitgestellt, um die Leistungsfähigkeit und die Dynamik der deutschen Wirtschaft zu steigern.
Das Schwergewicht der ERP-Wirtschaftsförderung liegt nach wie vor ganz eindeutig bei der Finanzierung des Aufbaus und des Wachstums von kleinen und mittleren Unternehmen, dies insbesondere in den neuen Bundesländern. Dort kommen die Gründung selbständiger Existenzen und der weitere Aufbau der Wirtschaft gut voran. Bis heute sind rund 250 000 Anträge mit einem Volumen von rund 45 Milliarden DM an ERP-Mitteln zugesagt worden. Mehr als 185 000 Existenzgründer haben Förderdarlehen erhalten. Wir gehen davon aus, daß damit eine Investitionssumme von insgesamt etwa 120 Mil-harden DM angestoßen wird.
Beachtlich ist dabei insbesondere die Arbeitsplatzbilanz. Zusammen mit anderen Maßnahmen hat die ERP-Förderung dazu beigetragen, knapp 1,7 Millionen Arbeitsplätze neu zu schaffen und 1,5 Millionen bestehende Arbeitsplätze zu sichern.
Die Wirkung und Bedeutung der ERP-Wirtschaftsförderung in den neuen Ländern wurde im Frühjahr diesen Jahres durch das Roland Berger Forschungsinstitut untersucht. Dabei haben 89 Prozent der geförderten Unternehmer erklärt, daß sie ihr Vorhaben ohne Förderung überhaupt nicht oder nur erheblich eingeschränkt hätten durchführen können. Hier sind also die Fördermittel überwiegend an die richtigen Adressaten gegangen.
In den letzten Jahren haben wir ein besonderes Augenmerk auf die Förderung des Umweltschutzes gerichtet. Die ERP-Wirtschaftsförderung gibt inzwischen sowohl in den alten, vor allem aber in den neuen Ländern deutliche Anreize zur Minderung betrieblicher Umweltbelastungen.
Mit dem Ihnen vorliegenden ERP-Wirtschaftsplan für 1996 wird ein weiteres Mal Förderkontinuität auf hohem finanziellem Niveau sichergestellt. Von den insgesamt im Wirtschaftsplanvolumen vorgesehenen 15 Milliarden DM stehen 13 Milliarden DM für langfristige Förderkredite zur Verfügung. Dies liegt .insgesamt zwar leicht unter dem Ansatz von 14 Milliarden DM, wie er im laufenden Jahr besteht, doch sind in den zurückliegenden Jahren nie mehr als rund 13 Milliarden DM in Anspruch genommen worden. Deshalb ist auch für 1996 zu erwarten, daß der Mittelansatz zur Befriedigung aller zu erwartenden Anträge ausreicht.
Nach wie vor liegt der Förderschwerpunkt in den neuen Ländern. Das ist ganz klar. Zwei Drittel des ERP-Fördervolumens, das heißt rund 8,5 Milliarden DM, werden für die neuen Länder auch 1996 bereitgestellt.
Ab 1996 wird die ERP-Wirtschaftsförderung mit der Einführung eines ERP-Innovationsprogrammes neue Akzente erhalten. Zur Sicherung des Standortes Deutschland werden wir künftig das Schwergewicht mehr darauf verlegen, gewerbliche Unternehmen bei ihren Anstrengungen zu unterstüzten, durch Innovationen auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Das gilt für alle Unternehmensgrößen, wenn auch in unterschiedlichem Maße.
Das neue Programm richtet sich nun an mittelständische Unternehmen. Es wird zur langfristigen Finanzierung marktnaher Forschung und zur Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sowie auch deren Markteinführung zur Verfügung stehen. Auch bei mittelständischen Unternehmen wird aus Entwicklungsergebnissen volkswirtschaftlich erst dann technischer Fortschritt, wenn die Unternehmen beginnen, sie in marktfähige Produkte oder in marktfähige Produktionsverfahren umzusetzen.
({0})
Deshalb gehört zur Innovationsförderung konsequenterweise auch die Finanzierung der Markteinführung.
Für das neue ERP-Innovationsprogramm ist im kommenden Jahr rund 1 Milliarde DM vorgesehen. Dieses Volumen ist beachtlich. Es kann bei Bedarf durch Umschichtung aus anderen Programmen noch gesteigert werden. Die wechselseitige Deckungsfähigkeit im ERP-Wirtschaftsplan ermöglicht das.
Alle Technologiefelder können mit diesem neuen Innovationsprogramm erschlossen werden. Kein Zukunftssektor ist ausgeschlossen oder speziell begünstigt, das heißt die Förderung ist neutral, und eine Investitionslenkung findet aus guten Gründen nicht statt, auch nicht in der marktnahen Forschung.
({1})
Sehr wichtig ist, daß nun auch nichtinvestive Aufwendungen, wie zum Beispiel Personaleinzelkosten, Materialkosten, Reisekosten oder Beratungskosten, mitfinanziert werden können. Das Forschungs- und Bildungsministerium beteiligt sich an diesem Programm durch die Übernahme einer teilweisen Haftung für die Rückzahlung der Darlehen ebenso wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die das Programm durchführt. Für die neuen Länder ist das Programm mit besonderen Präferenzen ausgestattet. Wir erwarten, daß damit die im Aufbau befindliche Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern gestärkt werden kann, und zwar gerade mit dem Ziel der Einführung marktfähiger, innovativer Produkte. Hiervon leben wir in der Zukunft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung bittet Sie - das ist erfreulicherweise in der Debatte deutlich geworden -, dem Entwurf des ERPWirtschaftsplangesetzes 1996, wie er Ihnen unter Einschluß des neuen ERP-Innovationsprogrammes vorliegt und wie er von den Ausschüssen gebilligt wurde, zuzustimmen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1996, Drucksachen 13/2480 und 13/3144. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei einer Enthaltung aus der PDS angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei einer Enthaltung aus der PDS angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler
- Drucksache 13/3102 - ({0})
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache 13/3244 Berichterstattung:
Abgeordnete Hartmut Koschyk Jochen Welt
Cem Özdemir
Dr. Max Stadler
Dazu ist eine Aussprache nicht vorgesehen.
Die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. beantragen, die Vorlagen auf den Drucksachen 13/3102 und 13/3244 an den Innenausschuß zurückzuverweisen. Die SPD beantragt keine Rücküberweisung. Das letztere ist der weitergehende Antrag, so daß ich zunächst über ihn abstimmen lasse.
Wer stimmt gegen die Rücküberweisung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Antrag entscheiden, den Entwurf zurückzuüberweisen. Wer stimmt für die Rücküberweisung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Rücküberweisung mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und zwei Stimmen der PDS angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstastikgesetzes
- Drucksachen 13/3107, 13/3131 - ({2})
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({3})
- Drucksache 13/3245 Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Bosbach
Rezzo Schlauch
Dr. Max Stadler
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Es beginnt der Kollege Bosbach.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes. Der federführende Innenausschuß hat in seiner Sitzung am 6. Dezember diesem Entwurf mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPD zugestimmt.
Die derzeit gültige gesetzliche Grundlage für die statistische Befragung läuft zum 31. Dezember 1995
aus. Das neue Gesetz sieht eine Fortführung einer Repräsentativbefragung über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt für weitere neun Jahre vor.
Es handelt sich zugegebenermaßen um eine etwas spröde Materie, die zudem nicht unkompliziert ist, aber gleichzeitig um eine wichtige. Das hier vorliegende Gesetz ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich um die gesetzliche Grundlage für die einzige laufende Haushalts- und Familienstatistik handelt.
Der Mikrozensus wird seit 1957 als Haushaltsstichprobe durchgeführt. Seine Hauptaufgabe ist es, umfassende, aktuelle und zuverlässige Ergebnisse über die Bevölkerungsstruktur, die wirtschaftliche und soziale Lage der Familien und Haushalte, die Erwerbstätigkeit, Arbeitssuche, Ausbildung und Wohnverhältnisse für Parlamente, Regierungen und die Verwaltungen in Bund und Ländern bereitzustellen.
Auf Grund der vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten sind die Ergebnisse des Mikrozensus aber nicht nur für staatliche Stellen eine wichtige Informationsquelle, sondern darüber hinaus auch für Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Verbände und gesellschaftliche Institutionen von großer Bedeutung.
Die bisherige Konzeption des Mikrozensus hat sich in ihren grundlegenden inhaltlichen, stichprobenmethodischen und organisatorischen Komponenten bewährt. Das Gesetz sieht daher eine Beibehaltung der konzeptionellen Grundelemente vor. Gleichzeitig wird der Mikrozensus zu einer modernen und bedarfsgerechten Erhebung weiterentwickelt, die den veränderten Rahmenbedingungen sowie den Änderungen des Informationsbedarfes Rechnung trägt. Zugleich werden aber auch die Befragten entlastet, und der Erhebungsaufwand wird vermindert.
Zu den neu aufgenommenen Themenkomplexen gehören Fragen zur Wohnsituation der Bevölkerung, zur Lage der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Fragen zu Art und Umfang einer Pflegebedürftigkeit und zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Gegenüber dem bisherigen Erhebungskonzept werden Auswahlsatz und Erhebungszeiträume auf jeweils zwei Varianten beschränkt und eine weitgehende Harmonisierung der Merkmale des Mikrozensus mit den Merkmalen der EGArbeitskräftestichprobenerhebung vorgenommen, die weiterhin in Kombination mit dem Mikrozensus durchgeführt werden soll. Dabei wird das Grundprogramm des Mikrozensus wie bisher in der Regel mit einem Auswahlsatz von 1 Prozent der Bevölkerung erhoben; es werden also zirka 800 000 Bürgerinnen und Bürger befragt. Das aus vier unterschiedlichen Erhebungsteilen bestehende Zusatzprogramm des Mikrozensus soll jeweils mit differenzierten Erhebungszeiträumen befragt werden. Das heißt: Im Vierjahresrhythmus wird pro Erhebungsjahr neben dem Grundprogramm ein wechselndes Zusatzprogramm erhoben.
Um ausreichend zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, die die tatsächlichen Gegebenheiten so realitätsgetreu wie möglich widerspiegeln, ist für das Grundprogramm und einen Teil des Zusatzprogramms die Beibehaltung der Auskunftspflicht erforderlich. Diese Pflicht wird in der politischen Diskussion kontrovers beurteilt, und gelegentlich wird die Ansicht vertreten, daß eine freiwillige Auskunft zuverlässiger sei als eine solche, die erteilt werden muß, und daß man daher auf eine Auskunftspflicht verzichten könne. Diese Argumentation hält jedoch einer Nachprüfung nicht stand. In seinem Bericht „Mikrozensus im Wandel" hat der mit der Untersuchung zur Freiwilligkeit beauftragte wissenschaftliche Beirat festgestellt,
daß auf die Auskunftspflicht zur Erfüllung der Grundfunktionen nicht verzichtet werden kann. Zur Wahrnehmung der Funktion des Mikrozensus als Basisinstrument für zentrale Strukturinformationen und für andere Erhebungen und zur Ermittlung absoluter Zahlen für gesellschaftspolitisch wichtige Bevölkerungs- und Haushaltsgruppen wäre eine freiwillige Datenerhebung nicht geeignet.
Des weiteren erbrachten seine Untersuchungen, daß die Antwortausfälle bei den in den Jahren 1985 bis 1987 durchgeführten Testerhebungen selektiv sind und zu Verzerrungen der statistischen Ergebnisse führen oder führen können. Die Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes zur Auswirkung der Freiwilligkeit der Auskunftserteilung bestätigen im wesentlichen die Ergebnisse des wissenschaftlichen Beirats. Bei allen Fragen hat der Verzicht auf eine Auskunftspflicht zu hohen Ausfallquoten geführt, die zum Teil deutlich über 20 Prozent liegen.
({0})
Diese Informationsverluste schränken die Aussagekraft und die Zuverlässigkeit der Mikrozensusergebnisse erheblich ein. Sie können mangels geeigneter Korrekturverfahren nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht ausgeglichen werden. Der Mikrozensus kann daher seine Funktion als Hochrechnungsinstrument für eine Vielzahl amtlicher Erhebungen nur dann erfüllen, wenn die Ergebnisse einen hohen Genauigkeitsgrad aufweisen. Deshalb ist die Anordnung der Auskunftspflicht bei einigen Fragen in dem vorgesehenen Umfang nach wie vor notwendig.
Zur Stellungnahme des Bundesrates zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes möchte ich anmerken: Der Bundesrat fordert eine Änderung dahin gehend, daß verhindert werden muß, daß „sich andere Personen unter dem Vorwand statistischer Erhebungen Daten insbesondere aus dem persönlichen Lebensbereich Betroffener verschaffen." Die hier zum Ausdruck gebrachte Sorge ist verständlich und nachvollziehbar - auch darüber haben wir im Innenausschuß gesprochen -; die Sorge ist jedoch unbegründet. Die vorgeschlagene Ergänzung des Bundesstatistikgesetzes ist nicht erforderlich, da die Befragten zuvor unter anderem über Zweck, Art und Umfang der Erhebung schriftlich unterrichtet werden. Diese Unterrichtungspflicht besteht für alle Erhebungen. Die zu Befragenden sind also auch dann, wenn eine Erhebung fernmündlich erfolgen soll, zuvor schriftWolfgang Bosbach
Itch durch die zuständigen Stellen über die wesentlichen Elemente der Erhebung, ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Über diesen Punkt werden wir - auch das ist im Innenausschuß verabredet worden - zu Beginn des kommenden Jahres noch einmal sprechen.
Wenn der Mikrozensus erfolgreich sein soll, dann ist es wichtiger, für ihn offensiv zu werben, als dem Bürger mit Verwaltungszwang zu drohen. Es ist die Aufgabe der Regierung, des Statistischen Bundesamtes, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß und warum Befragungen sinnvoll und notwendig sind: weil sie in ihrem eigenen Interesse sind.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({1})
Als nächste spricht die Kollegin Dorle Marx.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fortsetzung einer regelmäßigen repräsentativen Volksbefragung wie schon im bisherigen Mikrozensus ist aus der Sicht meiner Fraktion unproblematisch.
Statistische Erhebungen haben eine lange Geschichte. Am letzten ordentlichen Sitzungstag vor dem Weihnachtsfest wird es gestattet sein, auf die Weihnachtsgeschichte Bezug zu nehmen. Die Kollegen von den christlichen Fraktionen kennen sie bestimmt, sozusagen verpflichtend, die anderen vielleicht. In den Anfangssätzen der Weihnachtsgeschichte heißt es:
Es begab sich aber, daß in jenen Tagen ein Gebot des Kaisers Augustus erging, daß jedermann sich schätzen ließe.
Wie Sie wissen, mußten sich daraufhin Josef und Maria nach Bethlehem aufmachen. Die Krippe im Stall unter dem heutigen Weihnachtsbaum ist sozusagen das Ergebnis eines augustinischen Makrozensus.
({0})
Heute muten wir den Bürgerinnen und Bürgern keine Reise an ihren Geburtsort zu. Der Mikrozensus betrifft nur 1 Prozent der Haushalte. Die Fragesteller kommen ins Haus oder rufen an. Die Befragung wird vorher angekündigt.
Der Fragenkatalog ist gesetzlich bestimmt. Nur das sogenannte Grundprogramm wird jährlich erfragt. Im Zusatzprogramm gibt es gegenüber dem bisherigen Gesetz Entspannung durch Verlängerung des Befragungsturnus. Auch ist die Anzahl derjenigen Fragen gestiegen, deren Beantwortung ausdrücklich als freiwillig gekennzeichnet ist.
Der Mikrozensus ist die einzige laufende Haushalts- und Familienstatistik, die Planungsdaten nicht nur für staatliche Stellen, sondern auch für andere politische und gesellschaftliche Institutionen bereithält.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Gruppe der PDS haben im Ausschuß - und werden das voraussichtlich auch heute tun - an der verbliebenen Antwortverpflichtung der Befragten Anstoß genommen. Sie sehen hier eine unzulässige Ausforschung. Aus unserer Sicht übersehen sie dabei die ausdrücklichen Regelungen zur Anonymisierung und Löschung der erhobenen Daten.
Ich frage Sie auch heute, ob Sie hier nicht eine vergangene Schlacht, nämlich die um die Volkszählung vor über zehn Jahren, an falscher Stelle wieder aufwärmen.
({1})
Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz und damit Persönlichkeitsrecht. Ich habe aber bereits an dieser Stelle in der Debatte um den letzten Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz darauf hinweisen dürfen, daß das alte Feindbild überholt ist. Es ist längst nicht mehr der große Bruder Staat, der etwa durch das heute zu verabschiedende Mikrozensusgesetz Persönlichkeitsrechte der Bürger verletzen würde.
Die grundlegende Vernetzung und Automatisierung alltäglicher privater Kommunikation und wirtschaftlicher Beziehungen wirft heute Probleme auf, von denen das Volkszählungsurteil nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Wie niedlich sieht doch ein ausgedruckter Mikrozensusfragebogen neben einer Chipkarte etwa im Gesundheitswesen aus!
Und haben Sie sich schon einmal darüber informiert, was Fernsehanstalten von Bewerbern für peinliche Talk-Shows im Vorfeld alles wissen wollen? Sie mögen ja einwenden, daß es sich dabei um freiwilligen Exhibitionismus handelt. Dagegen spricht aber der aus meiner Sicht mangelhafte Überblick der Beteiligten darüber, was alles aus ihren Daten werden kann.
Der einzig ernstzunehmende Einwand gegen das heute hier zu verabschiedende neue Mikrozensusgesetz ist aus unserer Sicht die Frage, ob die Verpflichtung zur Beantwortung bestimmter Fragen noch zeitgemäß ist. Wir meinen aber, daß die Repräsentativität der Befragungen nicht völlig dem Zufall überlassen werden kann.
In diesem Zusammenhang haben die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von der PDS vermutlich übersehen, daß das neue wie schon das bisherige Mikrozensusgesetz in § 10 die Bußgeldvorschriften des Bundesstatistikgesetzes ausdrücklich ausschließt. Das bedeutet im Klartext, daß die Nichtbeantwortung einer Pflichtfrage keine Sanktionen nach sich zieht. Jedenfalls dieser Vorschrift hätten sie im Ausschuß eigentlich zustimmen können.
Es bleibt allerdings noch eine wichtige Frage übrig, nämlich die, ob der Staat überhaupt noch Planungsdaten benötigt, wenn die Handlungsspielräume für gestalterische Politik planvoll immer weiter eingeschränkt werden. Die systematische Ausblutung der kommunalen Selbstverwaltung, das UnterDorle Marx
lassen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Produktion immer gigantischerer Haushaltslöcher werfen die Frage auf, wofür denn noch Planungsdaten gebraucht werden, wenn wir demnächst in Bonn wie auch anderswo nur noch Alt- und Pensionslasten verwalten und nichts mehr gestalten können.
Vielleicht entfalten aber die zu erhebenden Daten eine eigene Dynamik. Eine Familien- und Arbeitsmarktstatistik wie der Mikrozensus wird an den unsozialen Unterschieden in den Lebensverhältnissen und an den unsozialen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit nicht vorbeirechnen können. Deshalb wünschen wir uns, daß die Ergebnisse des künftigen Mikrozensus nicht nur Hinweise, sondern vielleicht sogar Aufforderungen für staatliches Handeln sind. Das wäre doch ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Betroffenen.
Wir jedenfalls stimmen dem Gesetzentwurf zu. ({2})
Der Kollege Manfred Such ist zwar anwesend, möchte aber seine Rede zu Protokoll geben, weil er erhebliche Sprechstörungen hat.') Ist er erkältet?
({0})
Ich gebe das Wort an den Kollegen Dr. Burkhard Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die meisten Menschen mit dem Wort „Mikrozensus" überhaupt nichts verbinden können und daß sie erst dann darüber nachdenken, was das ist, wenn sie einen dicken Fragebogen bekommen - mit Fragen, die man bei einigermaßen gutem Benehmen auch seinen Freunden nicht stellen würde: was man im einzelnen verdient, aus Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung, wie die Wohnungsverhältnisse sind, welche Ausbildung man hat, ob man arbeitet, warum man nur einen Teilzeitarbeitsvertrag hat, ob man arbeiten will oder nicht, mit wem man zusammenlebt, ob in Ehe oder Wohngemeinschaft, ob und seit wann man Raucher ist, ob man Zigarette, Pfeife oder sonst was raucht, ob man Jodsalz ißt. Ich hoffe, die meisten Leute wissen überhaupt, was damit gemeint ist. Bei jeder dieser Fragen kann man natürlich begründen, warum der Staat sie . beantwortet haben möchte. Aber in seiner Gesamtheit wird ein solcher Fragebogen trostlos.
Natürlich braucht ein moderner Staat Daten, um rationale Entscheidungen treffen zu können. Dieser Satz gilt, auch wenn man die meisten Statistiken nicht braucht, um Entscheidungen zu treffen, sondern um bereits getroffene Entscheidungen intelligenter begründen zu können.
({0})
Aber es gilt auch: Allmählich scheint die Einsicht verloren zu gehen, daß man jedes Instrument verliert,
*) Anlage 2
wenn man es überfordert. Zu viele Fragen wecken den Widerstand der Bürger, bis dieser explodiert - vielleicht dann gerade an der falschen Stelle, wie wir das bei der Volkszählung erlebt haben.
Viele wissen auch, daß man unangenehme Fragen gefahrlos falsch beantworten kann, weil die Verwaltung gar keine Chance hat, die Richtigkeit nachzuprüfen. Herr Kollege Bosbach, Sie haben über die Frage gesprochen, ob es denn sinnvoll ist, Fragen mit Antwortzwang zu belegen oder nicht. Zwang führt tendenziell zu falschen Angaben. Sie verschmutzen damit die Statistiken.
({1})
Der Statistiker kann zwar feststellen, ob er eine Antwort bekommt, aber er kann nicht feststellen, ob er eine richtige Antwort bekommt. Bei Freiwilligkeit der Antworten beklagen Sie Antwortlücken, bei Zwang hingegen ist die Optik nicht gestört, aber man bekommt Angaben, deren Wahrheitsgehalt man nicht kontrollieren kann. Darum muß man die Frage, ob man Antworten erzwingt, neu überdenken und kann nicht sagen, das habe man immer so gemacht.
Bei den meisten Statistiken fragt man sich, warum sie überhaupt erhoben werden. Ich habe den Eindruck, daß viele aus der Zeit der Zwangswirtschaft stammen und daß die meisten Statistiken ihre Existenz der Tatsache verdanken, daß man sagt, das habe man immer so gemacht.
Ich höre mit großer Besorgnis, daß die Statistiker dabei sind, die Entwicklung einer Fülle von neuen Statistiken auf die europäische Ebene zu schieben, weil sie auf diese Weise den nationalen Widerstand, der sich erhebt und stärker wird, umgehen wollen. Wenn wir diesem Wildwuchs begegnen wollen, muß man, so meine ich, eisern an vier Grundsätzen festhalten:
Erstens. Wer eine Statistik haben will, muß sie bezahlen. Jedes Ministerium muß die Kosten für statistische Wünsche im eigenen Haushalt etatisieren. Das Statistische Bundesamt sollte auf einen Gebührenhaushalt umgestellt werden.
({2})
Zweitens. Die Beantwortung statistisch erhobener Fragen sollte grundsätzlich freiwillig sein. Wer indiskrete Fragen stellt, soll ihre Beantwortung nicht mit Zwang durchsetzen, sondern soll mit modernen Methoden um Antworten werben. Erzwungene Antworten sind meistens falsche Antworten.
({3})
Drittens. Statistische Gesetze sollten grundsätzlich nur Zeitgesetze mit dem Zwang für die Behörden sein, den Gesetzgeber jeweils erneut von der Sinnhaftigkeit eines Datenfriedhofs zu überzeugen.
Viertens. Die Bundesregierung sollte noch in diesem Jahr dem Bundestag im einzelnen berichten, welche Statistiken sie im Laufe der Legislaturperiode wegfallen lassen oder etwa neu einführen will und welche Positionen sie gegenüber den ausufernden
Vorstellungen des Europäischen Statistischen Amtes einnehmen wird. Darauf kommen wir im Laufe des nächsten Jahres zurück.
Ich möchte nicht schließen, ohne dem Kollegen Bosbach und den Herren des Innenministeriums für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung dieses Gesetzes zu danken.
Es ist ein Zeitgesetz, gottlob! Es schreibt im wesentlichen den bestehenden Zustand fort. Das ist der wesentliche Grund, warum wir ihm zustimmen werden.
({4})
Als letzte zu diesem Tagesordnungspunkt spricht die Abgeordnete Ulla Jelpke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat 1983 in seinem Volkszählungsurteil der zwangsweisen Erhebung personenbezogener Daten für statistische Zwecke enge Grenzen gesetzt:
Ein Zwang zur Angabe personenbezogener Daten setzt voraus, daß der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt und daß die Angaben ... geeignet und erforderlich sind.
Nun werden beim Mikrozensus rund 100 zum Teil hochsensible Sachverhalte abgefragt. Da soll Auskunft über die privaten Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegeben werden. Ausländer und Ausländerinnen sollen angeben, wie lange sie hier leben bzw. wo genau sie sich aufhalten, wie viele Kinder und Verwandte im Ausland leben. Arbeitslose werden über ihre Arbeitswilligkeit befragt, was auch immer darunter zu verstehen ist. Schließlich will der Staat auch sogenannte Krankheitsrisiken abfragen und versteht darunter unter anderem auch die Rauchgewohnheiten der oder des Befragten. Im Vergleich zu dem auslaufenden Mikrozensusgesetz werden zirka 56 neue Merkmale in den Befragungsbogen aufgenommen.
Meines Erachtens hat es die Bundesregierung versäumt, die Notwendigkeit eines ausgeweiteten Mikrozensus nachzuweisen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Dr. Jacob, kritisiert die amtliche Gesetzesbegründung. Die vorgesehene Ausweitung der Datenerhebung könne zumindest nicht allein mit der EU-Stichprobenerhebung für Arbeitskräfte begründet werden. Zudem sei es nicht notwendig, für die EU diese Datenerhebung durchzuführen; darauf hat eben schon mein Kollege Hirsch hingewiesen.
Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte, Dr. Dronsch, warnt davor, daß mit der Ausweitung des Erhebungsumfangs zum einen die Gefahr einer detaillierten Registrierung von Persönlichkeiten wächst. Zum anderen vergrößere sich hierdurch der Hunger der Behörden nach immer und immer mehr Informationen und Daten. Damit wachse auch der Wunsch nach Persönlichkeitsprofilen.
Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden, daß der Gesetzgeber dafür beweispflichtig bleibt, daß die Daten bzw. die Art ihrer Erhebung geeignet und notwendig sind:
Vor künftigen Entscheidungen für eine Erhebung wird sich der Gesetzgeber erneut mit dem dann erreichten Stand der Methodendiskussion auseinandersetzen müssen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang die herkömmlichen Methoden der Informationserhebung und -verarbeitung beibehalten werden können.
Die Entwicklung der amtlichen Statistik und der Sozialforschung „darf der Gesetzgeber nicht unberücksichtigt lassen". Der vorgelegte Gesetzentwurf über den Mikrozensus wie auch dessen Begründung genügen diesen Anforderungen nicht. Dann hätte die Regierungskoalition nämlich dem Grundsatz der Freiwilligkeit beim Mikrozensus weit größeres Gewicht eingeräumt.
Der Datenschutzbeauftragte des Bundes hat auf wissenschaftliche Untersuchungen hingewiesen, in denen bei Freiwilligkeit der Auskunftserteilung Ausfallquoten von weniger als 20 Prozent, teilweise sogar unter 5 Prozent registriert worden sind. Derartige Ausfallquoten seien laut Datenschutzbeauftragtem Jacob wissenschaftlich gesehen zwar störend, hinsichtlich einer Rahmenplanung seien sie aber tolerabel.
Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen, auch wenn wir wissen, daß diesmal keine Bußgelder erhoben werden, Frau Marx. Es geht hier tatsächlich um den Zwangscharakter und vor allen Dingen um die Ausweitung der Datenerhebung.
Danke.
({0})
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Mikrozensusgesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes, Drucksachen 13/ 3107 und 13/3131.
Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 3245, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen?
- Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen vom Bündnis 90/ Die Grünen und der PDS angenommen.
({0})
- Entschuldigung, und einer Gegenstimme aus der SPD.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
ben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD - bei einer Gegenstimme - und F.D.P. gegen die Stimmen vom Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 11 a und 11b auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten
- Drucksache 13/3121 - ({1})
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz ({2}) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament
- Drucksache 13/3139 - ({3})
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
- Drucksache 13/3154 - ({4})
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5})
- Drucksache 13/3240 Berichterstattung:
Abgeordnete
Andreas Schmidt ({6}) Wilhelm Schmidt ({7}) Simone Probst
Jörg van Essen
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
({8}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksachen 13/3242, 13/3251, 13/ 3252 Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({9}) Ina Albowitz
Karl Diller
Antje Hermenau
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({10}) zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Werner Schulz ({11}) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vermeidung von Interessenkollissionen und Doppelallimentationen bei Bundestagsabgeordneten
- Drucksachen 13/3137, 13/3240 Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt ({12}) Wilhelm Schmidt ({13})
Simone Probst
Jörg van Essen
Zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD liegen ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., ein Entschließungsantrag der Gruppe der PDS sowie ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD sowie über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD jeweils namentlich abstimmen werden.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren entsprechend.
Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Andreas Schmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sieht in der Tat so aus, daß wir es heute schaffen, trotz vieler Hindernisse, die uns in den Weg gelegt worden sind, das Gesamtwerk Parlamentsreform zu vollenden. Ich finde, es ist gut, daß wir es vollenden, weil es entscheidungsreif ist und damit wir nicht den falschen Eindruck in der Öffentlichkeit erwecken, daß wir uns nur mit Dingen beschäftigen, die uns selbst betreffen.
Ich will aus gegebenem Anlaß noch einmal daran erinnern, daß es sich um ein Gesamtwerk handelt, das aus drei Teilen besteht:
Erster Teil: Verbesserung der Struktur und Darstellung der parlamentarischen Arbeit. Es liegt jetzt an uns, was wir aus den Chancen machen, die wir uns mit der neuen Geschäftsordnung gegeben haben.
Der zweite Teil: Wir haben beschlossen, den Bundestag zum Jahr 2002 zu verkleinern. Da wir es ernst meinen mit diesem Beschluß, werden wir ihn heute noch einmal in einem gemeinsamen Entschließungsantrag bekräftigen. Ich finde, es ist gut, daß auch die Bürgerinnen und Bürger wissen, daß wir es mit der Verkleinerung im Jahr 2002 ernst meinen.
({0})
Andreas Schmidt ({1})
Drittens. Wir entscheiden heute in zweiter und dritter Lesung über die Rechtsstellung der Abgeordneten. Auch dies ist ein entscheidender Punkt. Wir definieren das Verfassungsgebot in Art. 48 des Grundgesetzes, wo steht: Der Abgeordnete muß angemessen entschädigt werden. Zum erstenmal in der Geschichte des deutschen Parlaments schaffen wir einen objektiven Maßstab, der Willkür verhindern wird. Hier - auch dies will ich deutlich sagen - kneifen die Anträge von F.D.P. und Bündnis 90/Die Grünen. Sie verweigern die Auskunft darüber: Was ist eine angemessene Entschädigung? Unser Antrag beantwortet diese Frage. Ich glaube, es ist gut und ein angemessener Maßstab, den wir heute beschließen wollen.
({2})
Es ist alles andere als Abkassieren oder Selbstbedienung. Es ist eine maßvolle Steigerung in Richtung eines vernünftigen Ziels. Aber ich sage - auch dies gehört zur Offenheit in diesem Hause -, es ist nur der erste Schritt zu einer angemessenen Entschädigung. Es gehört zur Ehrlichkeit, daß wir sagen, daß der nächste Bundestag den Mut, die Konsequenz und auch das Selbstbewußtsein haben muß, 1998 oder 1999 mit dem zweiten Schritt das definierte Ziel einer angemessenen Entschädigung zu erreichen.
Ich rede von Selbstbewußtsein und nicht von Selbstgefälligkeit. Es gehört zum Selbstbewußtsein der Parlamentarier, wenn wir sagen: Unsere Arbeit ist nicht weniger wert als die Arbeit von obersten Richtern oder von Oberbürgermeistern mittlerer Großstädte in unserem Land. Es ist auch eine Frage des Selbstbewußtseins der Legislative gegenüber der Exekutive, wenn wir so offen über dieses Thema reden. Die parlamentarische Demokratie liegt in erster Linie nicht auf den Schultern von Regierung, Staatssekretären oder Ministerialdirigenten. Parlamentarische Demokratie liegt in erster Linie auf den Schultern von Abgeordneten. Diese Abgeordneten leisten in der Regel verantwortungsbewußte Arbeit, und sie arbeiten viel. Auch dies sollte man den Bürgern draußen sagen.
({3})
Wenn ich mir noch einmal die Medienberichterstattung zu diesem Thema anschaue, dann muß ich sagen, daß sie beim zweiten Versuch fairer war als beim ersten Versuch. Wir haben guten Grund zu sagen: Wir wollen uns natürlich der Kritik stellen. Aber wir sollten an die Adresse der Journalisten auch sagen, daß auch Journalisten für diese parlamentarische Demokratie eine Verantwortung tragen. Wir können heute auch einmal sagen, daß es ein Gewinn für die Demokratie wäre, wenn nicht nur kritisiert würde, sondern auch einmal über das Arbeitspensum der Abgeordneten informiert würde, wenn über, die zeitintensive Wahlkreisarbeit informiert würde, wenn Journalisten einmal über die Terminlast von Abgeordneten an Wochenenden berichten würden. Die Bürgerinnen und Bürger draußen haben einen Anspruch darauf und müssen die Chance erhalten, zu erfahren, wie arbeitsaufwendig eine parlamentarische Demokratie ist, wodurch sie sich von einer Diktatur grundsätzlich unterscheidet.
({4})
Wir nehmen mit diesem Gesetz auch Einschnitte vor. Die Dauer des Bezugs des Übergangsgeldes wird von bisher 36 Monate auf 18 Monate abgesenkt, die Anrechnung erfolgt bereits ab dem zweiten Monat. Die Altersversorgung wird von bisher 75 Prozent nach 18 Jahren auf nach .dem neuen Recht 69 Prozent nach 23 Jahren zurückgeschnitten.
Eine Sache haben wir neu eingefügt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch darauf will ich bewußt hinweisen. Wir haben uns im Geschäftsordnungsausschuß dazu durchgerungen, die Mitgliedschaft in der frei gewählten Volkskammer auf Antrag mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag gleichzusetzen.
({5})
Wir haben heute an dieser Stelle allen Grund, die große historische Leistung der Mitglieder der frei gewählten Volkskammer nicht aus den Augen zu verlieren. Es gehört dazu, dies heute noch einmal zu sagen.
({6})
Die vom Geschäftsordnungsausschuß vorgeschlagene Regelung ist so angelegt, daß die Zeit in der frei gewählten Volkskammer als ein Jahr Bundestag Berücksichtigung finden wird. Dies wird nicht zu einer Sonderrente für Volkskammerabgeordnete führen. Die Anrechnung wird nur auf Antrag erfolgen und ist mit einer Ausschlußfrist versehen. Wenn Rentenanwartschaften in der Volkskammer erworben worden sind, müssen sie rückabgewickelt werden, damit keine Doppelversorgung stattfindet. Dies ist, wie ich finde, eine sehr angemessene Regelung.
Abschließend will ich noch etwas zu einem kontroversen Punkt sagen. Es gibt einen Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 44 a des Abgeordnetengesetzes. Er beinhaltet eine Veröffentlichungspflicht aller Einkünfte. Wir haben in diesem Haus schon öfter darüber diskutiert. Ich finde, wir sollten dies auch heute tun, weil das ein kontroverser Punkt ist. Meines Erachtens ist es ein Schnellschuß, der vielleicht aus taktischen Überlegungen hier eingebracht worden ist.
({7})
- Herr Conradi, Sie dürfen gleich gerne fragen. - Aber er ist so, wie er formuliert ist, verfassungswidrig.
Ich bin dezidiert gegen eine Privilegierung von Abgeordneten; aber ich bin auch gegen eine Diskriminierung von Abgeordneten.
({8})
Wir haben gerade eine Debatte über einen anderen
Punkt, über den Mikrozensus, geführt. In dieser
Debatte haben Sie sich, meine Damen und Herren,
Andreas Schmidt ({9})
für den Datenschutz stark gemacht. Aber der Datenschutz gilt nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, er gilt auch für Abgeordnete in diesem Haus. Sie werden mit Ihrem Antrag nicht mehr Transparenz schaffen. Sie leisten Vorschub für ein Parlament aus Beamten und aus Berufspolitikern. Es ist ein Gewinn, wenn wir Abgeordnete haben, die neben ihrem Abgeordnetenmandat einen Beruf ausüben. Das ist für dieses Parlament eine gute Sache. Dies sollten wir befürworten.
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Herr Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Conradi?
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Schmidt, wären Sie so liebenswürdig, dem Hause darzulegen, daß der Änderungsantrag der SPD nicht, wie Sie gesagt haben, auf die Veröffentlichung aller Einkünfte zielt, sondern daß wir uns gerade auf Grund der Einwendungen auch aus Ihrer Fraktion entschlossen haben, den Antrag umzuformulieren, so daß er jetzt vorsieht, daß nur noch Einkünfte aus öffentlichen Kassen, aus der Arbeit in öffentlichen Unternehmen und schließlich aus Tätigkeiten, die eine Interessenverknüpfung mit dem Mandat möglich erscheinen lassen, angegeben werden?
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Das heißt, der Antrag enthält keineswegs mehr die Pflicht zur Veröffentlichung aller Einkünfte.
Herr Kollege Conradi, ich stimme Ihnen zu, daß Sie Ihren Antrag modifiziert haben. Das zeigt, daß Sie lernfähig sind. Das ist ein gutes Signal.
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Dennoch haben Sie ihn so formuliert, daß noch immer nicht klar ist, was das Ganze heißt. Deswegen liegt unser Vorschlag in einem Entschließungsantrag vor. Denn auch wir sagen: Wenn zwischen dem Mandat und einer Nebeneinkunft eine Interessensverknüpfung droht, dann soll dies transparent werden.
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Dieser Auffassung sind auch wir.
Es gibt im Abgeordnetengesetz bereits Verhaltensregeln, die dieses Problem angehen.
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Wir schlagen Ihnen vor, diese Verhaltensregeln im
Geschäftsordnungsausschuß zu überprüfen, damit
wir sie bis zum Sommer des nächsten Jahres gegebenenfalls konkreter fassen können. Dies halte ich für einen vernünftigen Vorschlag. Ich appelliere an Sie: Lassen Sie von diesem Schnellschuß ab, und stimmen Sie diesem vernünftigen Entschließungsantrag zu. Dann können wir in dieser Angelegenheit gemeinsam etwas erreichen. Das ist der Sache insgesamt angemessen.
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Ich möchte mich abschließend bei den Mitgliedern der Rechtsstellungskommission für eine sehr konstruktive Arbeit und bei den Mitarbeitern der Verwaltung, die in dieser Sache gute Arbeit geleistet haben, bedanken. Ich bedanke mich ganz bewußt auch bei meinem Kollegen, einem der parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, für das konstruktive „Schmidteinander" .
Vielen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Dieter Wiefelspütz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Hause werden wichtige, manchmal sehr wichtige Gegenstände erörtert. Wir reden heute über die Gehälter der Abgeordneten. Das ist nach meiner festen Überzeugung eher ein nachrangiges Problem.
Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, als hätten wir nichts Besseres zu tun, als uns laufend über unsere Gehälter zu unterhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen nach der Verfassungslage über unsere Gehälter und über unsere Versorgungsansprüche selber entscheiden. Das tun wir heute.
Wir müssen in eigener Sache entscheiden. Dies ist eine Last und keine Freude. Wir haben es einmal anders versucht. Wir haben vor einigen Monaten versucht, diese Entscheidungsbefugnis aus der Hand zu geben. Das hat hier im Hause eine sehr große Mehrheit gefunden. Allerdings hat ein anderes Verfassungsorgan, das heute wie üblich in diesem Hause „sehr stark" vertreten ist,
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dazu beigetragen, daß wir weiterhin in eigener Sache entscheiden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte sehr darum - ich spreche meine Hoffnung hier auch in Richtung der Öffentlichkeit und der Medien aus -, daß uns in Zukunft nie wieder vorgehalten wird, wir würden in eigener Sache entscheiden und uns selbst bedienen. Wir müssen in eigener Sache entscheiden, weil es uns das Verfassungsrecht so gebietet.
Erlauben Sie mir einen kleinen Blick zurück, aber nicht im Zorn, weil uns dies nicht weiterhilft und weil
es auch in der vorweihnachtlichen Zeit dazu keine Veranlassung geben sollte.
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Wir reden heute über das Neunzehnte Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz. Ich verhehle meine Überzeugung nicht, daß dieses Neunzehnte Änderungsgesetz nur die zweitbeste Regelung ist, die wir in diesem Jahr beraten haben.
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Ich halte das Gesetz, das wir hier am 21. September einschließlich der Verfassungsänderung mit großer Mehrheit beschlossen haben, in der Sache für das überzeugendere Gesetz.
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Dies ist jedoch Schnee vom vergangenen Jahr. Wir haben uns jetzt mit der 19. Novelle des Abgeordnetengesetzes auseinanderzusetzen, über die wir heute entscheiden. Ich charakterisiere kurz die zentralen Elemente dieses neuen Gesetzentwurfes. Ich sagte bereits, daß wir in eigener Sache entscheiden müssen. Dies wird auch in Zukunft so sein. Wir wollen uns an den Gehältern der Bundesrichter und an den Gehältern der kommunalen Wahlbeamten orientieren. Was heißt Orientierung? - Orientierung heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir als Ziel die Gehälter der obersten Bundesrichter oder der kommunalen Wahlbeamten anstreben. Wir werden dieses Ziel nicht in dieser Legislaturperiode erreichen, vermutlich auch nicht in der nächsten Legislaturperiode.
Um Klartext zu reden: Heute bezieht ein Richter an einem Bundesgericht, wenn man zwölf Monatsgehälter zugrunde legen würde - sie haben 13 Monatsgehälter -, ein Bruttogehalt von 14 100 DM im Monat. Ein Mitglied des Bundestages hat ein Bruttomonatsgehalt von 10 366 DM. Ich gehe davon aus, daß wir erst nach vielen Jahren, die noch ins Land gehen werden, das Gehalt eines Bundesrichters oder das eines kommunalen Wahlbeamten erreichen werden. Orientierung heißt also: Wir werden viele Jahre unterhalb dieser Gehaltsstufe bleiben und uns stufenweise an diese Gehälter herantasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Neunzehnten Änderungsgesetz haben wir spürbare Einschnitte bei der Versorgung der Abgeordneten eingeführt. Ich möchte hier hervorheben, daß aus meiner persönlichen Sicht - ich weiß, daß viele Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen dies ähnlich sehen - die Versorgungsregelungen des Neunzehnten Änderungsgesetzes diejenigen sind, die vielleicht am problematischsten sind.
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Ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen: Wir regeln, daß die Höchstversorgung für Abgeordnete nach 23 Jahren Mitgliedschaft im Bundestag erreicht wird. Früher waren dies 18 Jahre. Wer ist schon 23 Jahre Mitglied dieses Bundestages? Die
durchschnittliche Amtszeit eines Abgeordneten beläuft sich am Ende einer Legislaturperiode auf 11,5 Jahre. Die Höchstversorgung an einer. Politikerbiographie zu orientieren, die die Ausnahme ist, halte ich für sehr problematisch.
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Wir streben alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Kompromiß an. Ich möchte hier ein Vorurteil ausräumen, das auch in meiner Partei, der SPD, häufig angesprochen wird. Es wird gefragt: Wie könnt ihr als Opposition etwas mit der CDU/CSU gemeinsam machen? Seit Beginn dieses Bundestages, seit 1949, besteht die - wie ich meine - gute Tradition, die hoffentlich noch viele Jahre andauern wird, daß wir über die eigenen Angelegenheiten dieses Parlamentes, wenn es um das Parlament als Ganzes geht, mit großer Mehrheit entscheiden. Über Rechtsstellungsfragen, Geschäftsordnungsfragen und Fragen, die das gesamte Parlament angehen, kann man nicht mit einer 51prozentigen Mehrheit entscheiden. Hierfür ist ein großer Konsens erforderlich.
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Es wäre gut, wenn man die Abgeordneten, die Parteien und die Fraktionen nicht aufteilt in die einen, die für die Moral zuständig sind, und die anderen, die beispielsweise über die Gehälter der Abgeordneten abstimmen müssen. Wir sollten uns bemühen, gemeinsam um Lösungen der Probleme zu ringen. Das ist in diesem Fall - das wird die heutige Debatte zeigen - geschehen. Die Einschnitte bei der Versorgung halte ich für problematisch, aber wir werden sie mittragen.
Ich will hinzufügen, daß die Versorgungsansprüche der ehemaligen Abgeordneten in Zukunft nicht so steigen werden wie die Bezüge der aktiven Abgeordneten Ich hatte vor wenigen Tagen Gelegenheit, diese Frage im Kreise der Vereinigung unserer ehemaligen Kollegen, deren Präsident Helmuth Becker, der sehr geschätzte ehemalige Vizepräsident dieses Hauses, ist, zu erörtern. Die ehemaligen Kollegen sind bitter enttäuscht.
Diese Fragen haben auch im Rechtsausschuß und im Geschäftsordnungsausschuß eine sehr intensive Rolle gespielt. Ich will erwähnen, daß viele Kollegen, zum Beispiel Herr Eylmann und Herr Scheu, auf verfassungsrechtliche Probleme hingewiesen haben. Wir haben sie sorgfältig erörtert und glauben, daß es in diesem Zusammenhang keine rechtlichen Probleme gibt. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß sowohl der Rechtsausschuß als auch der Geschäftsordnungsausschuß die herzliche und dringliche Bitte an den nächsten Bundestag haben, die Versorgungsansprüche der Abgeordneten in Zukunft in demselben Tempo steigen zu lassen wie die Entschädigung, das Gehalt der aktiven Abgeordneten. Das ist ein wichtiges Problem.
Herr Schmidt hat zu Recht darauf hingewiesen, daß wir für die Kollegen, die vom Frühjahr bis zum Herbst 1990 Mitglieder der Volkskammer waren, eine Regelung geschaffen haben, die sie, mit den
Bundestagsabgeordneten gleichstellt. Diese Zeit in der Volkskammer wird genauso behandelt wie eine einjährige Mitgliedschaft im Bundestag. Ich möchte dem Kollegen Otto aus der CDU/CSU-Fraktion sehr herzlich danken, der immer wieder mit Nachdruck auf diese besondere Problematik hingewiesen hat. Wir haben in einem längeren Diskussionsprozeß eine, glaube ich, insgesamt befriedigende Regelung gefunden, die keine - da stimme ich Herrn Schmidt ausdrücklich zu - Sonderrente für unsere Ostkollegen enthält, sondern berücksichtigt, daß die Zeit in der demokratischen Volkskammer im Jahre 1990 genauso zu bewerten ist wie ein Jahr Tätigkeit im Deutschen Bundestag. Das ist, glaube ich, völlig in Ordnung.
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Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Zu diesen Fragen ist fast alles gesagt worden. Mir selbst fällt zu dem Thema Diäten und Versorgung von Abgeordneten nicht mehr viel Neues ein. In der vorweihnachtlichen Zeit, in der wir uns befinden, habe ich eine herzliche Bitte an den Bundesrat, der nach uns zu entscheiden hat: Ich bitte den Bundesrat um eine kluge Entscheidung.
Herzlichen Dank.
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Als nächster spricht der Kollege Gerald Häfner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier heute morgen eine etwas schwierige Rolle; denn ich komme mir - auch nach den vielen Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen in der letzten Woche - ein wenig vor wie jemand, der in die erwartungsgeschwängerte, vorweihnachtliche Vorfreude des Hauses,
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in die allseitige Hoffnung auf eine reiche Bescherung hineinplatzt und sie stört.
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- Lassen Sie es doch gut sein; das ist genau das, was ich befürchtet habe. Ich bitte Sie herzlich, diese Debatte als ein Ringen um die beste Lösung dieser Frage zu betrachten
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und deshalb auch unserem Vorschlag aufmerksam zuzuhören und dann nach Ihrer eigenen Überzeugung zu entscheiden.
Es ist - auch das möchte ich sagen - nicht so, daß hier irgendeine Seite für sich sozusagen den Nimbus der besseren Menschen oder der höheren Moral beansprucht. Das ist nicht die Position, von der aus hier irgend jemand redet - jedenfalls ich nicht.
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Gerade weil wir alle Menschen sind, gerade weil niemand vor Versuchungen gefeit ist - ich werde nachher noch die Doppelalimentation ansprechen, über die inzwischen auch schon Grüne zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden sind -, meine ich: Hier sind dringend klare gesetzliche Regelungen nötig, und dafür sind wir, der Bundesgesetzgeber, zuständig. Lassen Sie also diese Debatte nicht auf eine persönliche Ebene abgleiten, sondern betrachten Sie sie als das, was sie ist, als eine Debatte im Deutschen Bundestag über das angemessene, das beste Verfahren zur Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung, zur Offenlegung von Nebentätigkeiten und zur Vermeidung von Doppelalimentation.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist wie die anderen Fraktionen dieses Hauses der Meinung, daß Abgeordnete ordentlich bezahlt werden müssen, so, wie es im Grundgesetz steht: angemessen und ihre Unabhängigkeit sichernd. Ich sage deutlich: Es ist für mich in eminentem Maße eine Demokratiefrage, daß dieses Amt allen Schichten der Bevölkerung, allen Berufsgruppen offensteht. Deshalb darf die Entschädigung nicht nur nicht zu hoch, sondern sie darf eben auch nicht zu niedrig sein, damit nicht bestimmte Berufsgruppen in diesem Land von der Wahrnehmung eines Bundestagsmandates wegen zu starker Schlechterstellung in der Abgeordnetentätigkeit gegenüber ihrem vorigen Beruf ausgeschlossen werden.
Über den Maßstab, wie wir Abgeordnete entschädigen wollen, müssen wir selbst entscheiden. Der Versuch der Mehrheit dieses Haases, durch einen Diätensteigerungsautomatismus der Notwendigkeit, selbst hierüber zu entscheiden, zu entkommen, ist " gescheitert. Ich sage: Das ist gut so. Wir haben von Anfang an gegen diesen Versuch gesprochen.
Ich sage deutlich: Wer nach dieser Entscheidung des Bundesrates, die Verfassungsänderung, die hier im Haus beschlossen worden ist, nicht zu bestätigen, jetzt weiterhin hier oder in der Öffentlichkeit weiterhin den platten Vorwurf der Selbstbedienung erhebt, der sollte sich einmal überlegen, was er sagt. Denn der Bundestag ist gezwungen, selbst über diese Frage zu entscheiden. Eigentlich ist der Vorwurf der Selbstbedienung im Grunde nichts, was uns anschwärzt, sondern etwas, was uns adelt; denn wir weichen dem nicht aus, sondern wir ringen immer wieder neu vor den Augen der Öffentlichkeit um das richtige Verfahren und die richtige Höhe der Abgeordnetenentschädigung.
Lassen Sie mich nun erstens etwas zur Höhe der Entschädigung und dem Mehrheitsentwurf sagen. Er orientiert sich weiterhin am Richtergehalt R 6 bzw. der Besoldungsgruppe B 6, nur erfolgt die Steigerung jetzt etwas langsamer. Das heißt, die SteigeGerald Häfner
rungszahlen, die in der Öffentlichkeit zu Recht Empörung hervorgerufen haben, bleiben letztlich unverändert, lediglich die Steigerung erfolgt nicht im gleichen Tempo.
Auch was den Maßstab der Anhebung betrifft, meinen wir, daß Sie sich am falschen Maßstab orientieren. Sie haben erneut die Beamtenbesoldung zur Grundlage genommen. Abgeordnete sind aber Vertreter des ganzen Volkes. Wir haben schon längst viel zu viele Beamte unter den Abgeordneten. Ob es da richtig ist, jetzt auch noch die Entschädigung der Abgeordneten an der Beamtenbesoldung zu orientieren, müssen Sie selbst wissen.
Und schließlich das Verfahren:
Es bleibt das Problem, daß es der Bundestag ist, der regelmäßig über die Anhebung der Beamtenbesoldung entscheidet, und daß derselbe Bundestag, sich daran orientierend, dann über die Diäten entscheidet. Sie weichen damit dem Dilemma nicht nur nicht aus, im Gegenteil: Sie schaffen ein neues. Sie belasten jede künftige Entscheidung des Hauses über die Anhebung der Beamtenbesoldung mit der unmittelbaren Verbindung, die dann zur Abgeordnetenentschädigung hergestellt wird. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil bereits 1975 hingewiesen.
Ihr Verfahrensvorschlag ist auch aus einem anderen Grunde völlig verfehlt: Anders als wir wollen Sie die Diäten nicht nachträglich anpassen, sondern immer schon für vier Jahre im voraus erhöhen. Sie stochern also erneut mit der Stange im Nebel; niemand wird Ihre Zahlen verstehen.
Daneben begeben Sie sich in ein fatales Dilemma. Wenn Sie sagen: Wir erhöhen die Diäten um 1 Prozent, dann werden die Menschen sagen: „So wenig Zutrauen hat der Bundestag in die wirtschaftliche Entwicklung sowie in seine eigene Politik in den nächsten vier Jahren! " Wollen Sie dagegen um 3 oder 4 Prozent erhöhen, werden alle sagen: „Schon wieder greift der Bundestag tiefer in die Kasse, als er es uns, dem Durchschnitt der Bevölkerung, zugesteht."
Deshalb gibt es unseres Erachtens nur einen angemessenen und akzeptablen Maßstab. Es ist der, den wir zur Grundlage unseres Gesetzentwurfs gemacht haben: Die Entschädigung der Bundestagsabgeordneten soll nicht mehr und nicht weniger steigen als der Durchschnitt der allgemeinen Einkommen. Richtschnur ist die durchschnittliche Einkommensteigerung im Vorjahr.
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Das ist ein transparenter, klarer und für alle akzeptabler Maßstab. Ich kann nicht verstehen, daß Sie diesem Vorschlag nicht folgen wollen.
Noch ein Punkt: Wir meinen, daß dringend eine generelle Offenlegung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften gefordert werden muß. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, aus welchen anderen Kassen Abgeordnete Bezüge erhalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Diätenurteil schon 1975 geschrieben:
Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten droht heute nicht mehr vom Staat, sondern eher von der politischen Partei, der er angehört, und vor allem von einflußreichen Gruppen der Bevölkerung.
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Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, in wessen Sold der oder die einzelne Abgeordnete in diesem Hause möglicherweise zusätzlich steht und wessen Interessen eventuell vertreten werden. Deshalb haben auch wir die Offenlegung von Nebeneinkünften beantragt. Ich sage hier ganz klar: Wir werden dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen, weil wir so die Chance sehen, für einen solchen Antrag auch eine Mehrheit im Bundestag zu finden. Darum möchte ich hier ausdrücklich noch einmal um Ihre Zustimmung werben.
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Und wir behalten uns vor, die Frage der Doppelalimentation, die ebenfalls Gegenstand unseres Antrages ist, weiterhin im Bundestag zu diskutieren. Wir halten es für ganz und gar unangebracht, daß Abgeordnete gleichzeitig noch aus anderen öffentlichen Kassen Übergangsgelder, Versorgungsbezüge und ähnliches beziehen, also mehrfach aus öffentlichen Kassen alimentiert werden. Wir werden das erneut diskutieren.
Genauso werden wir erneut über die Frage zu diskutieren haben, ob unsere Altersversorgung richtig geregelt ist. Wir meinen, daß eine Orientierung an der Altersversorgung, wie sie für die meisten anderen in der Bevölkerung auch gilt, richtiger wäre als die jetzige Regelung.
Abschließend möchte ich einen Punkt erwähnen, in dem wir dem Entwurf von CDU/CSU und SPD ausdrücklich zustimmen. Es ist die Frage der Übergangsgelder. Übergangsgelder sind gerade für solche Abgeordneten nötig, die keine Beamten sind, sondern zum Beispiel nach längerer Abgeordnetentätigkeit als Selbständige in ihren Beruf zurückkehren, zuvor aber sehr viel Zeit brauchen, um darin das, was sie beruflich versäumt haben, aufholen zu können.
Deshalb brauchen wir Übergangsgelder. Nach dem Ausscheiden erzieltes Einkommen - das ist jetzt geregelt - muß auf die Übergangsgelder angerechnet werden. Sie haben die Anrechnung ab dem zweiten Monat vorgesehen. Wir hätten es gern von Anfang an angerechnet. Aber darüber wollen wir uns nicht streiten. Schließlich haben Sie auch den Bezugszeitraum von 36 auf 18 Monate gekürzt. Das halten wir für vernünftig und angemessen. Dem werden wir ausdrücklich zustimmen.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Herr Dr. Solms.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit zwei Zitaten beginnen. Erstens.
In einer parlamentarischen Demokratie läßt es sich nicht vermeiden, daß das Parlament in eigener Sache entscheidet.
Zweitens.
Gerade in einem solchen Fall verlangt aber das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip, daß der gesamte Willensbildungsprozeß für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird.
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Beide Zitate, meine Damen und Herren, sind Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1975. Sie sind der Grund dafür, daß wir heute erneut über die Versorgung und die Ausstattung der Abgeordneten zu entscheiden haben. Wir tun das nicht, weil wir raffgierig wären oder besonders hohe Einkommen haben wollten, sondern wir tun es, weil es so vorgesehen ist und weil die Abgeordneten natürlich anständig ausgestattet sein müssen, damit es für alle Berufsgruppen in dieser Gesellschaft lohnend und attraktiv erscheint, ein Amt als Abgeordneter anzustreben und aufzunehmen.
Das sage ich ganz ausdrücklich, obwohl wir unterschiedliche Vorlagen für die Beschlußfassung haben. Es gibt drei Gesetzesentwürfe: den der CDU/CSU und der SPD, den der Grünen sowie den der F.D.P. CDU/CSU und SPD schlagen vor, die Bezahlung der Abgeordneten, die sogenannten Diäten, zunächst einmal in vier Stufen auf 12 875 DM anzuheben. Die F.D.P. schlägt vor, in zwei Stufen auf 12 000 DM zu gehen.
Ich sehe in diesem Unterschied keinen Grund, Ihrem Gesetzentwurf, dem der CDU/CSU und der SPD, entgegenzutreten oder ihn abzulehnen. Der Unterschied ist geringfügig, von der Höhe her könnte man dem ohne weiteres zustimmen. Das sage ich hier ganz ausdrücklich für die F.D.P.-Fraktion.
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Der Gesetzentwurf der Grünen sieht eine Erhöhung auf nur 10 615 DM vor. Ich meine, das ist nicht ausreichend und schon von daher nicht zustimmungsfähig.
Es sind zwei andere Gründe - das habe ich vor einer Woche hier schon dargelegt -, warum wir aus grundsätzlichen Erwägungen eine andere Meinung haben. Der eine bezieht sich auf die zukünftigen Anpassungen, den Anpassungsmechanismus. Wir schlagen vor, daß die Initiative für zukünftige Anpassungen von einer unabhängigen Kommission, die beim Bundespräsidenten angesiedelt ist, ausgehen soll,
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damit auch die Objektivität eines solchen Vorschlages unterstützt wird. Dafür gibt es ja viele gute Beispiele, und dafür hat sich seinerzeit auch die Verfassungskommission eingesetzt.
Das zweite Argument ist, daß Sie - CDU/CSU und SPD - weiterhin das Ziel verfolgen, sich bei den Diäten am Richter- bzw. Beamtengehalt nach R 6 bzw. B 6 zu orientieren. Das widerstrebt unserer grundsätzlichen Auffassung, die Abgeordnetentätigkeit sei eine Tätigkeit sui generis und könne nicht an irgendeiner Person oder irgendeiner Gehaltsstufe im öffentlichen Dienst orientiert werden. Abgeordnete sind eben nicht Teil des öffentlichen Dienstes.
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Ich will das nicht weiter vertiefen; ich habe das bereits vor einer Woche ausgeführt.
Ich will noch eine Bemerkung - auch Herr Wiefelspütz ist darauf eingegangen - zur Altersversorgung der Versorgungsempfänger und Hinterbliebenen und zur Dauer der Mitgliedschaft in diesem Hause, die zur Erreichung der Höchststufe notwendig ist, machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich um etwas mehr Ruhe im Saal bitten. Der Geräuschpegel ist einfach zu hoch.
Ich teile in diesen beiden Punkten ausdrücklich seine Meinung, und wir haben ja in unserem Vorschlag, wie ich meine, bessere Ideen unterbreitet.
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Aber leider konnten Sie sich auch in der Beratung dieser Woche nicht dazu bereit finden - obwohl ich weiß, daß viele einzelne in Ihren Fraktionen unsere Meinung in diesen Punkten teilen -, hier eine Änderung herbeizuführen. Ich halte einen Zeitraum von 23 Jahren für zu lang. Das veranlaßt ja auch Abgeordnete, länger im Parlament zu bleiben, als dem Gemeinwohl eigentlich dienlich wäre.
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Das muß man offen bekennen. Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, daß die Versorgungsempfänger und deren Hinterbliebene schon heute schlechtergestellt werden und durch die Anpassungsregelung noch einmal einen Nachteil hinnehmen müssen. Das betrifft im übrigen auch die Abgeordneten dieses Hauses, die heute hier sind, wenn sie zu Versorgungsempfängern werden; denn bei den neuen Basiszahlen ist eine Kürzung der Versorgung nicht mehr angemessen.
Schließlich zwei zusätzliche Bemerkungen zur Verkleinerung des Bundestages und zur Frage der Offenlegung der anderen Tätigkeiten von Abgeordneten. Derzeit ist ja jeder Abgeordnete verpflichtet, alle beruflichen und außerberuflichen Tätigkeiten bei Unternehmen, öffentlichen Körperschaften und
Dr. Hermann Otto Sohns
Vereinen anzugeben. Das ist schon heute so. Die Angaben werden veröffentlicht; sie sind im Bundestagshandbuch von jedermann nachzulesen. Sie lassen genügend Rückschlüsse zu, ob irgendwo unzulässige Interessenverknüpfungen bestehen können. Dem ist also Genüge getan. Die Tätigkeit und nicht die Bezahlung ist das Hauptindiz für solche Interessenverknüpfungen.
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Gleichwohl ist jeder von uns schon heute verpflichtet, ab einer bestimmten Höhe auch die Bezüge für diese Tätigkeit mitzuteilen, und zwar der Bundestagspräsidentin.
Es mag hier Klarstellungsbedarf geben. Deswegen unterstützen wir auch den Antrag an den Geschäftsordnungsausschuß, das zu überprüfen und uns einen neuen Vorschlag zu machen, soweit das notwendig erscheint. Den gläsernen Abgeordneten lehnen wir ab, und zwar nicht aus Angst vor der Veröffentlichung oder wegen der Befürchtung, die notwendige Transparenz könnte nicht entstehen, sondern allein aus dem Grund, weil die Gefahr entstünde, daß die Rechte und Interessen von dritten Personen betroffen wären. Wie ist es denn mit der Ehefrau oder mit der geschiedenen Ehefrau?
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Wie ist es denn mit den Geschäftspartnern oder dem Geschäftspartner? Wie sieht es denn mit den Mandanten der Menschen, die den freien Berufen angehören, aus? Hier wären Probleme durch eine Offenlegung nicht auszuschließen. Deshalb bitte ich darum, dies im Geschäftsordnungsausschuß noch einmal gründlich zu beraten und dann zu beschließen.
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Schließlich noch eine abschließende Bemerkung zur Verkleinerung des Parlamentes. Auch hier tragen wir die vorgelegte Entschließung mit. Wir unterstützen sie. Ich weise noch einmal darauf hin, daß sich die F.D.P. entgegen dem, was hier teilweise verbreitet worden ist, nicht grundsätzlich einer Verkleinerung des Parlaments verschließt. Sie will aber sichergestellt wissen, daß diese, wenn sie als notwendig erachtet wird, ohne Manipulation des Wahlrechtes geschieht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den beiden großen Fraktionen dafür, daß sie jetzt klargestellt haben, daß eine solche Manipulation nicht in ihrer Absicht liegt.
Vielen Dank.
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Als nächste spricht die Kollegin Dagmar Enkelmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein Wort in eigener Sache.
Nach meiner Rede zur ersten Lesung mußte ich mir von Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause Bemerkungen wie „Nestbeschmutzer" und „Schämen Sie sich nicht?" anhören. Warum eigentlich? Weil ich Ihnen den Spiegel vor Augen gehalten habe? Weil ich Sie daran erinnert habe, daß Sie ein wahres Streichkonzert „Sozialabbau" spielen und das Finale noch lange nicht erreicht ist? Bei den Diäten aber gehen Sie vom Trommelwirbel zum Paukenschlag über.
Kollege Schmidt, ist eine Erhöhung um 1 000 DM im Monat maßvoll? Wenn man die Steuern abzieht, ist das noch immer mehr als der Sozialhilfesatz. Ich kann da kein Maß mehr erkennen.
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Ich soll mich schämen, weil ich Ihnen vorgehalten habe, daß Sie einer Mehrheit in die Taschen greifen, um einer Minderheit die Taschen zu füllen - all das vor Weihnachten, dem Fest der Barmherzigkeit und Nächstenliebe? Nein, meine Damen und Herren, ich schäme mich nicht, weder für die letzte Rede noch für diese.
Die PDS hat, wie in der Rechtsstellungskommission vereinbart, rechtzeitig und schriftlich ihre Vorschläge zur Reform der Abgeordnetenentschädigung eingebracht. Natürlich, sie passen nicht in den gesetzten Rahmen. Sie sind sozusagen systemfremd und waren deshalb keiner Diskussion wert.
In kurzer Fassung möchten wir heute unsere Vorschläge als Entschließungsantrag zur Abstimmung stellen. Wir schlagen folgendes vor:
Erstens. Keine Diätenerhöhung rückwirkend für 1995. Künftige Erhöhungen sollten sich unserer Auffassung nach an den Steigerungssätzen für den Regelbedarf nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes richten.
Zweitens. Vollständige Offenlegung von Nebenverdiensten und Nebentätigkeiten im Sinne von § 2 des Einkommensteuergesetzes, Überprüfung möglicher Interessenkonflikte zwischen Nebentätigkeit und Abgeordnetentätigkeit. Hier geht es nicht um Neugierde oder ähnliches. Hier geht es auch nicht darum, andere anzuschwärzen. Hier geht es tatsächlich um die Frage der Vereinbarkeit von Abgeordnetentätigkeit und möglichen Nebentätigkeiten in Form von Gutachtertätigkeit, Rechtsanwaltstätigkeit usw. Es geht auch um die Feststellung, ob eine mögliche Doppelbelastung die Tätigkeit als Abgeordneter beeinträchtigt.
({1})
Drittens. Versorgungsansprüche aus dem öffentlichen Dienst müssen stärker als bisher berücksichtigt werden.
Viertens. Ganz und gar nicht in das bestehende System paßt unser Vorschlag, Abgeordnete wie die Mehrheit der Bevölkerung sozialversicherungspflichtig zu machen und sie vor allem in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung zu versichern. Damit wären wir zumindest für den Fall der Fälle abgesichert. Es gibt eine ganze Reihe von KolDr. Dagmar Enkelmann
leginnen und Kollegen aller Fraktionen, die nach der 12. Wahlperiode ausgeschieden sind und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, eine bezahlte Umschulung usw. hatten. Für diese war die Übergangsregelung zunächst einmal notwendig. Hätten wir eine Sozialversicherungspflichtigkeit, könnten wir auf einen Großteil der Übergangsgelder verzichten.
Ich denke, es ist nach außen schwer vermittelbar, daß jemand, der nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag in die freie Wirtschaft geht und dort im Jahr 200 000 DM und mehr verdient, zusätzlich noch mehrere 10 000 DM an Übergangsgeldern kassiert. Daß hier eine Anrechnung erfolgt, ist mehr recht als billig.
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Meine Damen und Herren, die PDS wird dem SPD-Antrag zur Offenlegung zustimmen, ich gestehe: mit großen Bauchschmerzen. Wir hätten ihn uns wesentlich konkreter gewünscht. Das, was an Formulierungen enthalten ist, ist ziemlich schwammig. Ich fürchte, daß der Antrag, selbst wenn er angenommen wird, im Endeffekt nicht allzuviel bewirken wird. Es wird aber zumindest ein Zeichen gesetzt - dafür wünschte ich mir eine Mehrheit -, vor allen Dingen für die Abschaffung von Privilegien für Abgeordnete.
Dem Antrag der „Großen Koalition" können wir selbstverständlich nicht zustimmen. Wir werden ihn ablehnen.
Lassen Sie mich einen Weihnachtswunsch äußern, denn wir sitzen heute das letzte Mal vor Weihnachten zusammen. Verzichten wir heute wenigstens auf die rückwirkende Erhöhung der Diäten zum 1. Oktober 1995! Ich denke, das tut uns allen nicht weh. Wir nagen nicht am Hungertuch. Dieser Schritt könnte aber, denke ich, ein Beitrag sein, um das lädierte Ansehen des Parlaments wenigstens etwas aufzubessern.
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Als nächster spricht der Kollege Hans Klein.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen heute über einen Entwurf ab. Herr Kollege Wiefelspütz, ich kann Ihnen nur zustimmen: Es ist unter den gegebenen Umständen keine optimale Lösung erreicht worden. Wir leiden einfach darunter - dies ist so, solange ich zurückdenken kann -, daß es den passenden Zeitpunkt für die Erhöhungen von Abgeordnetenbezügen nie gibt.
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Der Vorwurf, meine Damen und Herren, der Selbstbedienung wird so lange erhoben werden können, solange das Grundgesetz zwar den Anspruch auf angemessene, die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichernde Entschädigung festlegt, höchstrichterliche Rechtsprechung aber die Anknüpfung der
Einkommensentwicklung von Parlamentariern an andere Bezugsgrößen ausschließt, wiewohl das in zahlreichen, wenn nicht sogar in den meisten anderen Demokratien dieser Erde der Normalfall ist. Die pathetische Einforderung der jährlichen Debatte über unsere Bezüge halte ich durchaus nicht für einen integralen Bestandteil von Demokratie.
({1})
Alle anderen Bezugsgrößen werden auch nicht im geheimen festgelegt.
Der Deutsche Bundestag wollte dies nun ein für allemal durch die Orientierung an der Besoldung von Richtern bei einem obersten Bundesgericht nach der Gruppe R 6 regeln. Die Angleichung sollte in mehreren moderaten Schritten in den kommenden Jahren erfolgen. Diese Zielvorgabe gab es bereits im Jahre 1977 mit der Festlegung der Abgeordnetenbezüge auf die Einkommenshöhe kommunaler Wahlbeamter auf Zeit in der entsprechenden Besoldungsgruppe B 6. Zwischen 1977 und heute hat der Deutsche Bundestag, weil es eben nie paßt, neun NullRunden eingelegt und ansonsten nur geringfügige Erhöhungen beschlossen. Die Einkommen leitender Angestellter, zu denen, meine Damen und Herren, viele der Korrespondenten und ' Kommentatoren in den Medien zu rechnen sind,
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stiegen in jenen 18 Jahren um 143 Prozent, die der Bundestagsabgeordneten um 38 Prozent. Ein Richter in der Besoldungsgruppe R 6 verdient heute rund 4 000 DM mehr als ein Bundestagsabgeordneter. Daß die Präzisierung des Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes - Herr Kollege Wiefelspütz, damit beziehe ich mich noch einmal auf das, was Sie gesagt haben - gescheitert und das Achtzehnte Änderungsgesetz zum Abgeordnetengesetz damit obsolet geworden ist, hat nichts - das erscheint mir ganz wichtig - mit dem Nein von F.D.P., Grünen und PDS in der Abstimmung am 21. September zu tun, die mit ihrem Votum in der Minderheit geblieben sind.
Um jeglicher Legendenbildung vorzubeugen, muß auch festgehalten werden: Das Reformpaket ist auch nicht an'd e r SPD gescheitert, sondern ausschließlich an den Neinstimmen aus den SPD-regierten Bundesländern im Bundesrat.
({3})
({4})
Ich versage es mir, noch einmal auf die - entschuldigen Sie - peinliche Hemmungslosigkeit einzugehen, mit der beispielsweise der hessische Ministerpräsident Eichel bei gesicherten eigenen Höchstbezügen unqualifizierte Kritik an unseren Gesetzentwürfen geübt hat.
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Hans Klein ({6})
Er befand sich dabei freilich in der prominenten Gesellschaft einzelner Politikerinnen und Politiker, die ehedem mit Hilfe ihrer Parteien hohe Ämter erlangt hatten, dann unser Parteiensystem schärfster Kritik unterzogen und - im Genuß von Ruhestandsbezügen, die weit über den Abgeordneteneinkommen liegen - eine vernünftige Diätenregelung öffentlich denunzierten.
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Zu den amtierenden Kolleginnen und Kollegen, die gegen die Grundgesetzpräzisierung, die Orientierung an der Besoldungsgruppe R 6 oder gegen bestimmte Erhöhungsschritte waren und sind, will ich nur sagen, daß ich fast jedes Motiv für diese Haltung gelten lasse - es sei denn, es wird als einzig legitim, als einzig sozialbewußt oder als einzig moralisch dargestellt. Wer aus reinen Opportunitätserwägungen mit Blick auf publizistische Wirkung
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und damit auf die Wähleröffentlichkeit handelt, ist aus meiner Sicht auch nicht kritisierbar. Schließlich bewegt sich unsere Arbeit immer in dem Spannungsfeld zwischen dem Eingehen auf öffentliche Meinungsströmungen, also der Artikulation bestimmter Interessenlagen, und der Formulierung und Durchsetzung längerfristiger gemeinwohlorientierter Ziele.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Wiefelspütz hat - drittes Zitat, Herr Kollege Wiefelspütz - daran erinnert, daß es im versorgungs- und übergangsrechtlichen Teil dieses Entwurfes eine Reihe von Problemstellen gibt. Mein für seine besessene Sorgfalt bekannter Kollege Scheu
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hat da einen ganz bestimmten Punkt herausgehoben, der sich auf den - nach seiner Meinung - aufgehobenen Vertrauensschutz bezieht. Ich glaube, hier haben wir im Laufe der Zeit noch einiges zu überdenken.
({10})
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir ein paar Sätze zum Thema Offenlegung. Was mein Kollege Andreas Schmidt gesagt hat, halte ich für eine sehr treffende Formulierung: Wir wollen keine Privilegierung - diese dürfen wir auch nicht wollen -, aber wir wehren uns auch gegen Diskriminierung.
Ich sage das jetzt nur ganz allgemein: Herr Kollege Conradi, Sie haben schon des öfteren aus anderen Systemen ein Beispiel für unsere Arbeit ausgewählt. Darin liegt immer die große Gefahr, daß man punktuell etwas scheinbar Attraktives aus einem anderen System herüberholt, ohne den gesamten historischen, sozialen und bewußtseinsmäßigen Hintergrund eines solchen Systems einzubeziehen. Das gilt auch für die Frage der Offenlegung, wenn wir uns beispielsweise mit den Amerikanern vergleichen würden, wo nämlich privater wirtschaftlicher Erfolg etwas ist, was von der Öffentlichkeit bewundert
wird, während er bei uns grundsätzlich als verdächtig gilt.
({11})
Über Bezüge - darin folge ich nicht dem Text des Antrages der SPD -, die sich vielleicht überhaupt nur ergeben, weil man ein Mandat hat, könnte und sollte man vielleicht ernsthaft diskutieren.
({12})
Nachdenken über unsere Arbeit gehört zu dem gesamten Reformpaket. Es besteht ja nicht nur aus der Erhöhung der Abgeordnetenbezüge. Nachdenken über unsere Arbeit, über den Stil, über die Wortwahl, die wir im Umgang miteinander verwenden, ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Wir können noch so viele PR-Maßnahmen beschließen und finanzieren: In erster Linie werden wir an unserer eigenen Aufführung gemessen.
({13})
Diese steht - auch das muß fairerweise angefügt werden - oft in einem erstaunlichen Gegensatz zur Leistung dieses Hauses, die nämlich sehr hoch ist. Das Engagement jedes einzelnen Kollegen und jeder einzelnen Kollegin, der Arbeitseinsatz, auch das Pflichtbewußtsein lassen sich sehen. Das brauchen wir vor niemandem zu verstecken. Aber was wir tun, ist, daß wir es gegenseitig anzweifeln, heruntermachen und in den Schatten zu stellen versuchen.
({14})
Wenn ich von dieser Leistung spreche, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dann denke ich ebenfalls daran, daß der Deutsche Bundestag soeben über einen Etat von 451 Milliarden DM beraten und ihn verabschiedet hat. Ein Drittel dieser Summe ist für soziale Leistungen vorgesehen. Frau Kollegin Enkelmann, es tut mir leid, daß ich Ihnen heute nicht mit einer Sympathiebekundung begegnen kann: Was Sie eben gesagt haben, halte ich für absolut unzulässig.
({15})
- Herr Kollege Fischer, beruhigen Sie sich; Sie wissen ja, daß ich auch für Sie gewisse Sympathien hege.
({16})
Hans Klein ({17})
Sie sind, Herr Kollege Fischer, nicht politischer, auch nicht persönlicher Natur.
({18})
Meine Damen und Herren, die wirklich moderate Erhöhung unserer Bezüge in irgendeinen Zusammenhang zu bringen mit den sozialen Verhältnissen in unserem Lande, für die der Bundesetat einen Betrag von über 150 Milliarden DM ausweist, halte ich für billigste Polemik.
({19})
Aber ich möchte nicht mit einem solchen harten Satz schließen, sondern Ihnen für den Fall, daß der Deutsche Bundestag heute über 15 Uhr hinaus tagen wird - bis 15 Uhr habe ich nachher „Dienst" in der Sitzungsleitung -, sagen: Danke für die sympathische Zusammenarbeit! Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!
({20})
Da wir an diesem Zeitpunkt noch nicht angelangt sind, erteile ich jetzt das Wort dem Abgeordneten Norbert Gansel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Wir alle, Mehrheit und Minderheit, haben dazu beigetragen, daß viele Menschen mit der Art und Weise, in der wir hier über ihr Leben, über unser Zusammenleben reden und oft genug entscheiden, nicht zufrieden sind. Sie vermissen Orientierung und Stetigkeit, sie vermissen soziale Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Mut. Das Ansehen der parlamentarischen Demokratie hat aber auch Schaden genommen, weil an einigen Stellen unseres öffentlichen Lebens und in der Wirtschaft Unehrlichkeit, Vorteilsnahme und Korruption um sich greifen.
So hat Peter Conradi im September unseren Gruppenantrag begründet, mit dem alle Abgeordneten verpflichtet werden sollten, alle ihre steuerlich relevanten Nebeneinkünfte offenzulegen.
Für diesen Antrag haben damals nicht nur Abgeordnete aus der SPD, von den Grünen und aus der PDS gestimmt, sondern auch vier Abgeordnete aus der CDU und zwei aus der F.D.P. Ich bezeuge ihnen ausdrücklich meinen Respekt.
({0})
Ich hoffe, daß sie auch heute frei entscheiden können. Jeder von uns weiß, daß der Kollektivdruck - Fraktionszwang gibt es ja offiziell nicht - dann am größten ist, wenn es um das Geld geht.
Dieses Mal ist unser Gruppenantrag mit einer ähnlichen Initiative vom Bündnis 90 im Ausschuß von der SPD eingebracht und beraten worden. Er wurde aber mit der Begründung abgelehnt, es gebe verfassungsrechtliche Bedenken und man brauche noch Zeit zur Beratung - und deshalb auch wohl der Vertagungsantrag aus dem Regierungslager.
Dazu stelle ich fest: Erstens. Unser Antrag ist allen Abgeordneten seit Anfang September bekannt. Zeit genug war vorhanden.
Zweitens. Conradi und ich haben vor zwei Jahren vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zwei Gesetzentwürfe erarbeiten lassen. Der eine Vorschlag lautet, die Steuererklärung zu veröffentlichen, wie es zum Beispiel in den USA und auch in anderen westlichen Demokratien geschieht. Kollege Klein, es ist doch gut, wenn gut verdient wird, ehrlich Steuern gezahlt werden und das auch bei Politikern kontrollierbar ist.
({1})
Aber wir haben dies nicht zur Abstimmung gestellt, weil dazu wohl eine Verfassungsänderung notwendig gewesen wäre.
Der andere Vorschlag, unser Gruppenantrag, nur die persönlichen steuerpflichtigen Nebeneinkünfte zu veröffentlichen, ist aber bei sorgfältiger Güterabwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und besonderen öffentlichen Pflichten von Abgeordneten dann verfassungskonform, wenn er auf der Grundlage eines Gesetzes realisiert wird, wie wir es vorgeschlagen haben.
Die SPD-Fraktion stellt heute einen Antrag zur Abstimmung, mit dem wir den Bedenken auch aus den eigenen Reihen Rechnung tragen wollen, daß bei einer Veröffentlichung aller Einkünfte und Gewinne aus selbständiger Tätigkeit das Geschäftsgeheimnis nicht gewahrt bliebe. Das könnte selbständige Handwerksmeister, Unternehmer und Unternehmerinnen, Rechtsanwälte und andere davon abhalten, für den Bundestag zu kandidieren, und die Entwicklung hin zum Beamtenparlament beschleunigen. Wir wollen das nicht. Wir wollen diese Bedenken entkräften und auch dadurch hier und heute eine parlamentarische Mehrheit möglich machen.
Wir beantragen deshalb heute die Pflicht zur jährlichen Offenlegung der Art und Höhe von Nebeneinkünften nur in drei Fällen: erstens Einkünfte aus öffentlichen Kassen und zweitens aus Tätigkeiten und Funktionen in Unternehmen und Institutionen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist.
Herr Kollege Gansel, gestatten Sie eine Zwischenfrage unseres Kollegen Kubatschka?
Bitte sehr.
Herr Kollege Gansel, wenn der Antrag der SPD-Fraktion heute eine Mehrheit finden würde - ich würde das sehr begrüßen -, bestünde dann die Möglichkeit, diesen Gesetzentwurf über eine Fristeinrede anzuhalten?
Theoretisch ja. Wenn man aber einen solchen Antrag stellt, hat man ein Interesse daran, daß er angenommen wird. Deshalb fragt man bei anderen Fraktionen, wie es dann weitergehen wird. Ich bin glücklich darüber, daß, wie es die Sprecher - Herr Häfner von den Grünen und Frau Enkelmann von der PDS - heute angekündigt haben, sie unseren Antrag unterstützen wollen. Das bedeutet nach meinen Informationen auch, daß auf eine Fristeinrede verzichtet wird. Diese Ausrede gibt es für diejenigen, die aus anderen Gründen nicht zustimmen wollen, nicht.
({0})
Ich wiederhole: Wir wollen die Pflicht zur Offenlegung nur in drei Fällen: erstens Einkünfte aus öffentlichen Kassen, zweitens aus Tätigkeiten und Funktionen in Unternehmen und Institutionen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. In der dritten Fallgruppe sollen alle Einkünfte - ich zitiere - „aus selbständigen und nichtselbständigen Tätigkeiten, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können", offengelegt werden. Das, Kollege Solms, hat nichts mit der geschiedenen Ehefrau zu tun, es sei denn, man gibt bei der Präsidentin vertraulich andere Einkünfte an als vor Gericht, wenn die Unterhaltsverpflichtung festgestellt werden soll - und das wäre ja eigentlich ein ganz produktiver Nebeneffekt.
Wer meint, unserer Formulierung im Bundestag nicht zustimmen zu können, weil sie nicht präzise genug sei, der muß wissen: Das ist eine Ausrede. Denn dieselbe Formulierung für die Anzeige von Tätigkeiten ist schon heute geltendes Recht, allerdings, ohne die Verpflichtung zur Veröffentlichung der dazugehörigen Einkünfte. Aber gerade aus der Höhe der Einkünfte ergeben sich Hinweise auf die Gefährdung der vom Grundgesetz verlangten Unabhängigkeit von Abgeordneten.
({1})
Wir haben deshalb als Untergrenze 5 000 DM vorgeschlagen.
Ähnliche Überlegungen gibt es inzwischen auch in der CDU/CSU-Fraktion; endlich bewegt sich etwas. Sie haben unsere Vorschläge in der letzten Fraktionssitzung mehrheitlich abgelehnt. Dennoch müßte es dafür im Bundestag heute eine Mehrheit geben, wenn alle Abgeordneten, frei von Fraktionsdisziplin, nach Überzeugung und Einsicht abstimmen, um das Ansehen des Parlaments und die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie zu verbessern.
({2})
Wer Schattenwirtschaft bekämpfen will - sage ich in Richtung, der F.D.P. -, der muß auch bei den Tätigkeiten und Einkünften von Abgeordneten Transparenz schaffen. Wer Schwarzarbeit bekämpfen will - sage ich in Richtung der Union -, muß auf die eigene weiße Weste achten. Wer Privilegien abschaffen will - sage ich zu meiner Fraktion -, der muß bei seinem eigenen Status beginnen. Wer die Nebentätigkeit von Beamten genehmigungspflichtig gemacht hat sage ich dem Gesetzgeber, uns allen -, der kann sich nicht wie ein Richter bezahlen lassen und sich selbst alle wirtschaftliche Freiheit lassen.
({3})
Für die Zukunft von Demokratie und Parlament in Deutschland wird diese Abstimmung folgenschwerer sein als die Abstimmung über die Höhe der Diäten.
({4})
Parteiprogramme und Fraktionsdisziplin gehören zu unserer Demokratie. Zu unserer Demokratie gehören aber auch
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.
- das ist mein letzter Satz, Herr Präsident - unser Anspruch und unsere Pflicht, unsere persönlichen Entscheidungen im Parlament vor den Wählerinnen und Wählern individuell zu rechtfertigen.
Die SPD beantragt deshalb eine namentliche Abstimmung. Es geht nicht um den gläsernen Abgeordneten, sondern um den Abgeordneten, der sich öffentlich verantwortet und kontrollieren läßt.
({0})
Ich erteile dem Abgeordneten Wilhelm Schmidt das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zum Schluß einer parlamentarischen Betätigung, die uns in den vergangenen Wochen und Monaten sehr häufig beschäftigt und zum Teil in Atem gehalten hat. Ich persönlich muß bekennen: Ich bin sehr froh darüber, daß wir das Ende dieser Debatten erreicht haben, zumal ich meine, daß nun wirklich alle Argumente, auf allen Ebenen, in der Öffentlichkeit und hier im Parlament, ausgetauscht worden sind
({0})
und wir mit Fug und Recht zu einem Ergebnis kommen können. Ich hoffe sehr, daß der Antrag, den die CDU/CSU gemeinsam mit der SPD hier eingebracht hat, eine entsprechende Mehrheit findet, mindestens dergestalt, wie wir sie am 21. September - mit einer Zustimmung von 507 Abgeordneten - hatten.
Ich lasse dabei nicht außer acht, daß einige Kolleginnen und Kollegen in der SPD dem Antrag auch heute nicht zustimmen können. Ich respektiere noch einmal ausdrücklich ihre Gründe dafür. Ich will aber auch mit Nachdruck für die große Mehrheit meiner Fraktion hier die Meinung vertreten, daß wir uns als Abgeordnete bei dieser Debatte überhaupt nicht zu verstecken haben. Im Gegenteil, liebe Kolleginnen
Wilhelm Schmidt ({1})
und Kollegen, wir sollten sie hier und in der Öffentlichkeit offensiv, mit aller Deutlichkeit, aber auch mit dem Selbstbewußtsein führen, das wir als Abgeordnete auch bei anderen Themen immer wieder an den Tag legen. Ich fordere ausdrücklich dazu auf.
({2})
Wir brauchen uns überhaupt nicht zu verstecken, weder mit unserer Arbeitsleistung noch mit dem Vergleich zu anderen Berufsgruppen in der Bevölkerung, noch hinsichtlich der Tatsache, daß wir uns in dieser Zeit in bezug auf die Staatsfinanzen in schwerem Fahrwasser befinden. Nach meiner Einschätzung können wir uns trotz aller dieser Verwicklungen und Verknüpfungen darauf konzentrieren, den Status des Abgeordneten der Öffentlichkeit gegenüber klarzumachen.
Was ist uns in den vergangenen Wochen und Monaten nicht alles an den Kopf geschrieben und an den Kopf geredet worden l Wir haben uns manches Mal gegen Diffamierungen wehren müssen. Ich muß bekennen, ich war vorhin sehr bestürzt, daß Herr Häfner diese Art von Polemisierung und Provokation noch einmal fortgesetzt hat. Ich finde das nicht angemessen.
({3})
Man kann sich mit mir und mit anderen hier im Hause, die diese neue Regelung für die Entschädigung der Abgeordneten vertreten, sicherlich darüber unterhalten, ob das eine oder andere mehr oder weniger angemessen ist. Aber in solcher Polemik läßt sich dieses Thema hier grundsätzlich nicht bewältigen. Darum sage ich mit Nachdruck: Wir finden eine angemessene Lösung, eine vertretbare Lösung, auch was die Entschädigung betrifft. Lassen Sie aber bitte alle - hier im Hause, aber auch in der Öffentlichkeit - dabei vor allem nicht außer acht, daß wir damit eine ganze Reihe weiterer Regelungen verknüpfen, insbesondere die Tatsache, daß wir bei der Versorgung, bei den Übergangsgeldern und bei manchen anderen Regelungen erhebliche Einschnitte vornehmen, daß wir vor allen Dingen das Ganze als einen Teil der Parlamentsreform werten, die wir heute mit dem zweiten Schritt vollenden.
Den ersten Schritt, nämlich die Veränderung der Geschäftsordnung dahin gehend, mehr Lebendigkeit und Effizienz in den parlamentarischen Ablauf einzuführen, haben wir schon im Sommer getan. Der zweite Schritt ist der heutige: die Änderung der Struktur der Abgeordnetenentschädigung.
Ich will hinzufügen - wir bekräftigen dies ja noch einmal mit einem Antrag zur dritten Lesung -: Wir werden auch den dritten Schritt folgen lassen, nämlich die Verringerung der Zahl der Bundestagsabgeordneten, an der wir bereits jetzt in einer extra dazu einberufenen Kommission arbeiten. Dies ist die Konsequenz, die hinter allem steckt. Diese Linie haben wir seit Januar bis heute nicht verlassen.
Dies zum Ausdruck zu bringen gehört auch dazu, wenn uns vorgeworfen wird, wir warden diese Regelung im Hauruckverfahren durchführen. Seit Januar
sind wir mit dieser Thematik beschäftigt; seit Januar arbeiten wir daran sehr öffentlich. Wir halten dabei mit nichts hinterm Berge.
({4})
Ich will zum Schluß noch einmal vor dem Hintergrund der Diskussionen, die wir gehabt haben und die wahrscheinlich auch mit der heutigen Debatte und der Entscheidung noch nicht ganz zu Ende sein werden, sowie im Hinblick auf die künftigen Regelungen bekräftigen: Wir sollten als Abgeordnete - ich habe das angedeutet - nicht nur selbstbewußt, sondern ganz bewußt in die Öffentlichkeit treten und für unser Mandat und unsere Arbeit um Zustimmung werben. Wir haben uns doch überhaupt nicht zu verbergen mit dem, was wir hier im Hause und in den Wahlkreisen tun.
Ich will damit in der Öffentlichkeit die Diskussion, uns in die Pflicht zu nehmen und uns zu kontrollieren, gewissermaßen anheizen. Wir haben uns überhaupt nicht zu verbergen und zu verstecken. Wir stellen uns dieser Debatte. Wir werden dafür kämpfen, daß die Akzeptanz für diese heutige Entscheidung, aber auch für unsere sonstige parlamentarische Arbeit wieder ein höheres Maß erreicht, als das in den letzten Tagen und Wochen der Fall gewesen ist.
Wir müssen auch wieder mehr als bisher zu der einen oder anderen Sachdebatte zurückfinden. Dies, was wir hier und heute abschließen, ist ein ganz wichtiger Kernpunkt der Parlamentsreform, ein ganz wichtiger Punkt der Beschäftigung, mit unseren eigenen Angelegenheiten. Aber die Diskussion hat auch manche Sicht auf notwendige Sachdebatten zu anderen Themen verstellt. Denen müssen wir uns jetzt wieder nachdrücklich zuwenden können. Auch dafür werbe ich ausdrücklich.
({5})
Meine Damen und Herren, wenn man so wie ich von der ersten bis zur letzten Minute - ich bin ja hier heute der letzte Redner - mit diesem Thema beschäftigt ist, dann hat man eine ganze Menge Erfahrungen gesammelt, zum Teil wahrscheinlich sogar Erfahrungen fürs Leben. Ich will das gar nicht unter den Tisch kehren.
({6}))
Das, was wir heute als Ergebnis präsentieren, vertrete ich sehr nachdrücklich für mich selbst, aber auch für große Teile dieses Hauses, auch wenn die Debatte in der Öffentlichkeit nicht immer einfach zu führen gewesen ist.
Wenn ich davon spreche, daß wir Erfahrungen gemacht haben, dann will ich auch daran erinnern, daß wir es mit einem hohen Maß an Heuchelei und an Falschdarstellungen in der Öffentlichkeit zu tun
Wilhelm Schmidt ({7})
gehabt haben. Diese weise ich noch einmal mit Nachdruck zurück.
({8})
Ich fordere ausdrücklich dazu auf, sich mit den wahren Inhalten des Reformwerks zu beschäftigen.
Ich meine, dazu gehört auch, Dank abzustatten: Dank an die Mitglieder der Rechtsstellungskommission, die sich über zehn Monate mit dieser Materie beschäftigt und so manchen Abend und so manche Nacht dazu verwandt hat, sich mit den Einzelheiten auseinanderzusetzen. Ich sage allen Mitgliedern der Kommission für die kollegiale Zusammenarbeit sehr herzlich ein kräftiges Dankeschön.
({9})
Ich will zum Schluß noch eines zum Ausdruck bringen: Wir wären heute wahrscheinlich nicht so weit, wenn sich nicht zwei Mitglieder dieses Hauses sehr nachdrücklich an die Spitze dieser Bewegung gesetzt und trotz manchen schweren Fahrwassers und trotz mancher Verunglimpfung, die sie ungerechterweise erreicht hat, dieses Thema immer wieder nach draußen getragen und verteidigt hätten. Deswegen ein ganz besonderes Dankeschön an Frau Präsidentin Süssmuth und an Vizepräsident Klose.
({10})
Lassen Sie uns diese Debatte heute mit einem eindeutigen Votum abschließen, das unsere Position in der Öffentlichkeit zurechtrückt und festigt sowie unsere Arbeit stärkt.
Ich danke Ihnen.
({11})
Ich schließe damit die Aussprache und erteile das Wort zu einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung Frau Dr. Antje Vollmer.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich werde mich bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD - anders als meine Fraktion - der Stimme enthalten. Ich werde mich auch bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf meiner Fraktion der Stimme enthalten.
Ich möchte das wie folgt begründen: Im September hatte ich für die Grundgesetzänderung, aber gegen das Ausführungsgesetz gestimmt. Ausschlaggebend waren für mich dabei folgende Überlegungen: Die ausdrückliche Orientierung an einem festen Maßstab statt des unbestimmten Begriffes der Angemessenheit halte ich immer noch - wie damals - für richtig,
({0})
weil für mich mit der Orientierung der Abgeordnetenbezüge am Maßstab der Richterbesoldung diesen Bezügen eine Größe vorgegeben wird, die die Angemessenheit im Art. 48 des Grundgesetzes endlich bestimmt und damit einen Bezug zu anderen Verfassungsorganen festgeschrieben hätte.
Allerdings war mir damals die Anhebung der Diäten zu schnell und zu umfangreich, weswegen ich dann gegen das Ausführungsgesetz gestimmt hatte. Mein Grund: Man ist auch für Entscheidungen verantwortlich, die man in der Vergangenheit nicht zu fällen gewagt hat.
Das war allerdings kein Plädoyer für eine Nullrunde. Gute Gründe für Nullrunden bei den Abgeordneteneinkommen sehe ich auch in Zukunft ungezählte. Es wird dafür immer auch öffentlichen Druck geben. Gute Gründe zur angemessenen Bewertung von Parlamentsarbeit sind diese aber nach meiner Auffassung nicht.
({1})
Diese Angemessenheit, nämlich der Verfassungsrang von Parlamentariern, ist letztendlich - das ist meine tiefe Überzeugung - überhaupt nicht durch Geld zu gewährleisten, allerdings durch öffentliche Achtung des Abgeordnetenberufes und auch - dafür werbe ich besonders - durch die Selbstachtung der Abgeordneten.
({2})
Ich bedauere sehr, daß beides durch die Debatten der letzten Wochen und Monate erheblich gelitten hat, und denke, daß es dem Parlament insgesamt guttut, daraus Lehren zu ziehen.
Mit der Selbstachtung muß das anfangen. Wir sollten umgehend die von uns beschlossene Reform des Parlamentsbetriebes inklusive der Stärkung der Oppositionsrechte, der öffentlichen Ausschußarbeit und auch der Stärkung der Rechte der einzelnen Abgeordneten in die Praxis umsetzen.
({3})
Wir täten auch gut daran - das fehlt mir bisher -, uns bei künftigen Diskussionen um die Angemessenheit von Diäten intensiv mit den sogenannten Parteisteuern zu beschäftigen, die von Abgeordneten aller politischen Richtungen an ihre Parteien abgegeben werden.
({4})
Die Einkommen von Abgeordneten von den Einnahmen der politischen Parteien deutlicher zu trennen, als das bisher der Fall ist, würde dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil von 1975 gerecht werden und, was künftige Diätenerhöhungen betrifft, dem Parlament größere Spielräume in Richtung geringerer Anpassungen verschaffen.
Der Gesetzentwurf meiner Fraktion sieht für künftige Anpassungen ebenso wie die Entwürfe der anderen eine Orientierungsgröße vor, was ich ausdrücklich befürworte. Gleichwohl scheint mir die Auswahl der Indizes zur Ermittlung der Bezugsgröße „allgemeine Einkommensentwicklung " etwas beliebig. Der Abgeordnete als Schnittmenge aus BAT, Sozialhilfe und Beamtenbesoldung wirkt mir im Vergleich zur Bezugsgröße „Richter" weniger stichhaltig. Den Vergleich zu den Richterbezügen habe ich besonders deswegen unterstützt, weil es für mich um die Stärkung der Unabhängigkeit geht, und da ist der Richter der bessere Vergleich.
({5})
Unabhängigkeit - das zum Schluß - beweist sich bei uns bei jedem einzelnen in seiner Praxis, und zwar im Reden und im Handeln.
({6})
Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen den Rednern, die von ihren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen, auch Gelegenheit geben, ihre Auffassung vorzutragen. Ich bitte wirklich um etwas mehr Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort zu einer weiteren Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung dem Kollegen Horst Eylmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde den von Herrn Gansel vorgeschlagenen Entwurf ablehnen. Ich werde aber auch dem Gesetzentwurf der Union und der SPD nicht zustimmen. Da ich nicht in den Geruch kommen möchte, dies zu tun, weil ich die darin vorgesehenen Diäten für zu hoch halte, gestatten Sie mir einige Worte.
Den von Herrn Gansel gemachten Vorschlag lehne ich deshalb ab, weil ich jegliches Sonderrecht für das Parlament ablehne.
({0})
Wenn man es für erforderlich hält, daß jeder, der in diesem Staat öffentlich Verantwortung trägt, seine Nebeneinkünfte oder einen Teil seiner Nebeneinkünfte offenlegen muß, dann soll man diesen Antrag stellen, und dann kann man sich darüber unterhalten. Aber etwas nur für Abgeordnete vorzusehen, halte ich für völlig unangemessen. Ich sage das, obwohl ich selbst niemals ein Hehl aus meinen Nebeneinnahmen gemacht habe; ich habe sie zeitweilig offengelegt. Das ist ein freiwilliger Schritt, den jeder tun mag, der ihn tun will. Gezwungen werden möchte ich nicht.
({1})
Was den Gesetzentwurf der beiden großen Fraktionen angeht: Noch vor wenigen Wochen hat die breite
Mehrheit dieses Hauses ganz andere Beträge für angemessen gehalten, als sie jetzt festgelegt werden.
({2})
Mir fehlt jegliche Begründung, warum das, was vor einigen Wochen angemessen gewesen sein soll, jetzt nicht mehr angemessen ist.
({3})
Diejenigen, die in diesem Hause dafür verantwortlich sind, müssen sich darüber im klaren sein, daß sie einem Druck zurückweichen, der von einem deutschen Hochschulprofessor mit drittklassigen Argumenten erzeugt worden ist.
({4})
Meine Damen und Herren, glauben Sie nur nicht, daß dieses Zurückweichen den Rang dieses Parlaments in irgendeiner Weise erhöht. Nein, es beschädigt unseren Ruf eher.
({5})
Ein Wort zu der Altersversorgung.
Herr Kollege, Entschuldigung, ich muß Sie wie auch die anderen Kollegen bitten, sich an den Rahmen des § 31 unserer Geschäftsordnung zu halten.
Ich werde der Regelung der Altersversorgung nicht zustimmen, Herr Präsident, weil ich es für unangemessen halte, daß wir Diäten als angemessen festsetzen, aber für die ausgeschiedenen und jetzigen Mitglieder dieses Parlaments einen fiktiven Betrag festsetzen, der unter diesem angemessenen Betrag liegt.
({0})
Der Begriff der Angemessenheit ist unteilbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir mit der Diätenregelung so fortfahren, wie wir das in den letzten 20 Jahren getan haben, wird eines Tages in diesem Parlament der öffentliche Dienst unter sich sein. Ob es dem Parlament und der Republik gut bekommt, werden wir sehen.
Vielen Dank.
({1})
Es liegen schriftliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor, und zwar zum Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/3241 von den Kolleginnen Ingrid Matthäus-Maier sowie Gila Altmann *) und zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 13/3121 von den Kollegen Friedhelm Julius Beucher, Hildebrecht Braun, Ernst Kastning, Gerhard Scheu und Hans Büttner und Dr. Erika Schuchardt * * ).
*) Anlage 3 * *) Anlage 4
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Wir kommen damit zu der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur Regelung der Abgeordnetenbezüge für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament auf Drucksache 13/3139. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt auf Drucksache 13/3240 Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 13/3139 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen des Hauses bei Stimmenthaltungen der Gruppe der PDS, einer Stimmenthaltung aus der Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen und zwei weiteren aus der Fraktion der SPD abgelehnt worden ist. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung abgelehnt. Dadurch entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes auf Drucksache 13/3154. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt auf Drucksache 13/3240 Nr. 3, auch diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 13/3154 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf gegen die Stimmen der F.D.P. und eine Stimme aus der Fraktion der CDU/CSU bei einer Enthaltung abgelehnt worden ist.
({0})
- Herr Kollege Fischer, ich habe das nicht gesehen. Aber Ihr Zwischenruf wird im Protokoll aufgenommen.
Es bleibt dabei, daß der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt worden ist. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung auch in diesem Fall die weitere Beratung.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten, Drucksachen 13/3121 und 13/3240 Nr. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/3241 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion der SPD verlangt für die Abstimmung über ihren Änderungsantrag namentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich stelle fest, daß die Urnen besetzt sind. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung, bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt.
({1})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/3241 bekannt. Abgegebene Stimmen: 629. Mit Ja haben gestimmt: 286, mit Nein: 337; 6 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 628; davon
ja: 285
nein: 336
enthalten: 7
Ja
SPD
Brigitte Adler Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({0}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer ({1}) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs ({2})
Katrin Fuchs ({3}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Dr. Peter Glotz
Günter Graf ({4}) Angelika Graf ({5}) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({6}) Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann ({7}) Frank Hofmann ({8}) Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Barbara Imhof Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Nicolette Kressl Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann ({9}) Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({10})
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({11}) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({12}) Jutta Müller ({13}) Christian Müller ({14}) Gerhard Neumann ({15}) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer ({16})
Ulla Schmidt ({17}) Dagmar Schmidt ({18}) Wilhelm Schmidt ({19}) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({20})
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
({21})
Brigitte Schulte ({22}) Volkmar Schultz ({23})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({24}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Ute Vogt ({25}) Karsten D. Voigt ({26}) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({27}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen ({28}) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Hanna Wolf ({29}) Heidi Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann
({30}) Marieluise Beck ({31}) Volker Beck ({32}) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({33}) Joseph Fischer ({34}) Rita Grießhaber
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Winfried Nachtwei
Christa Nickels Cern Özdemir Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({35}) Wolfgang Schmitt
({36}) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz ({37}) Rainder Steenblock Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm ({38}) Margareta Wolf ({39})
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter
Dr. Ludwig Elm
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller ({40}) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({41}) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun ({42}) Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({43}) Hartmut Büttner
({44})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({45}) Peter Harry Carstensen
({46})
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer ({47}) Klaus Francke ({48}) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther ({49}) Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
({50}) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser ({51}) Hansgeorg Hauser ({52})
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig
Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung
Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung ({53}) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki
Volker Kauder Peter Keller
Eckart von Klaeden
Dr. Bernd Klaußner
Hans Klein ({54}) Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler
({55}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Wolfgang Krause ({56}) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
({57}) Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link ({58}) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({59})
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
({60}) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({61}) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski
Günter Marten
Dr. Martin Mayer
({62}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer ({63}) Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller ({64}) Engelbert Nelle
Bernd Neumann ({65}) Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto ({66}) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard ({67}) Klaus Dieter Reichardt
({68})
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl ({69}) Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
({70}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({71}) Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer ({72}) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({73}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({74})
Andreas Schmidt ({75}) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
({76}) Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte
({77}) Gerhard Schulz ({78}) Frederick Schulze Diethard Schütze ({79}) Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Horst Seehofer Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm ({80}) Gert Willner
Bernd Wilz
Matthias Wissmann Simon Wittmann
({81}) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Arne Börnsen ({82}) Karl Hermann Haack ({83})
Wolfgang Ilte Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper
Volker Kröning Dr. Uwe Küster Winfried Mante Dr. Wilfried Penner
Helmut Wieczorek ({84}) Dr. Christoph Zöpel
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
({85}) Günther Bredehorn
Jörg van Essen Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({86})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Detlef Kleinert ({87}) Roland Kohn
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer ({88}) Cornelia Schmalz-Jacobsen
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Weng ({89})
Enthalten
SPD
Ursula Burchardt
Rolf Hempelmann
Erwin Horn
Ernst Kastning
Volker Neumann ({90}) Otto Reschke
F.D.P. Jürgen Türk
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Wir stimmen jetzt in zweiter Beratung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU und der SPD in der Ausschußfassung ab. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und der Gruppe der PDS in zweiter Beratung angenommen worden ist.
Wir kommen zur
dritten Beratung und Schlußabstimmung.
Die Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Abstimmung. -
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß noch weitere Abstimmungen folgen. Bitte verlassen Sie nicht den Saal.
Darf ich fragen, ob Mitglieder anwesend sind, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Das Ergebnis der Abstimmung werden wir später bekanntgeben.*)
Wir kommen nun zur Abstimmung über Entschließunganträge. Darf ich bitten, Platz zu nehmen; sonst unterbreche ich die Sitzung.
Wir kommen zur Abstimmung über den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P. auf Drucksache 13/3280. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag bei Stimmenthaltungen aus der Gruppe der PDS und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie bei zwei Stimmenthaltungen der SPD angenommen worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/3281. Dazu gebe ich das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Kollegen Schmidt.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich konnte das vorher nicht in meine Rede aufnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Verständnis, daß ich dafür jetzt die Form einer Erklärung zur Abstimmung wähle.
Nach dem Ergebnis über die namentliche Abstimmung bezüglich der Offenlegungsregeln, die meine Fraktion beantragt hat, fühle ich mich und fühlen wir uns in dem Bemühen bestärkt, diese Offenlegungsregeln über die Verhaltensregeln zu verbessern und zu verstärken.
286 Stimmen für unseren Antrag sind ermutigend. Von daher finden wir, daß die Initiative der Kollegen
*) S. 6901 C
Gansel, Conradi und anderer in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus verdienstvoll war. Ich möchte für mich und für viele andere Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion erklären, daß wir das, was die CDU/CSU und die F.D.P. in ihren Antrag aufgenommen haben, für eine konsequente Fortsetzung des Weges, wenn auch mit geringeren Mitteln, ansehen.
Wir werden uns sehr intensiv an den dann anstehenden Beratungen beteiligen mit dem Ziel, daß das Abgeordnetengesetz und auch die Verhaltensregeln entsprechend verbessert werden. Wir werden also Ihrem Antrag zustimmen.
({0})
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/3281. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/3284. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Vermeidung von Interessenkollisionen und Doppelalimentationen bei Bundestagsabgeordneten, Drucksache 13/3240 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3137 abzulehnen. Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Ausschusses ab. Ich bitte diejenigen, die der Beschlußempfehlung zustimmen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden ist.
Eine Stimmenauszählung steht noch aus, bevor wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes sein werden.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 a und b auf.
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ({0})
- Drucksache 13/3216 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({1})
Innenausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2})
zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Heidi Wright, Anke Fuchs ({3}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Legalisierung des Anbaus von rauschmittelarmem Hanf und Förderung von Hanf als nachwachsendem Rohstoff
zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Gila Altmann ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Aufhebung des Anbauverbots von Hanf und Förderung des Anbaus von THC-armen Hanfsorten als nachwachsende Rohstoffe
- Drucksachen 13/811, 13/1425, 13/2672 Berichterstattung:
Abgeordnete Heidi Wright Siegfried Hornung
Eine Aussprache dazu ist nicht vorgesehen.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 13/3216 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Fraktion der SPD zur Legalisierung des Anbaus von rauschmittelarmem Hanf und Förderung von Hanf als nachwachsendem Rohstoff, Drucksache 13/2672 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 811 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß diese Beschlußempfehlung bei 1 Stimmenthaltung im übrigen angenommen worden ist.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Aufhebung des Anbauverbots von Hanf und Förderung des Anbaus von THC-armen Hanfsorten als nachwachsende Rohstoffe, Drucksache 13/2672 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1425 abzulehnen. Wer für die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden ist.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Entschließung. Wer für die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU, F.D.P. und SPD bei Stimmenthaltung derFraktionBündnis 90/ Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen worden ist.
Dann gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Neuregelung der Rechtsstellung der Abgeordneten bekannt, Drucksachen 13/3121, 13/3240 Nr. 1. Abgegebene Stimmen: 628. Mit Ja haben gestimmt 463, mit Nein haben gestimmt 146; Enthaltungen: 19.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 628; davon
ja: 463
nein: 146
enthalten: 19
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({5}) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun ({6}) Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({7}) Hartmut Büttner
({8})
Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({9}) Peter Harry Carstensen
({10})
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann
Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke Dr. Karl H. Fell Ulf Fink
Dirk Fischer ({11}) Klaus Francke ({12}) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther ({13}) Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
({14})
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser ({15}) Hansgeorg Hauser
({16}) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung ({17}) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein ({18})
Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler ({19})
Manfred Kolbe Norbert Königshof en Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause ({20}) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
({21}) Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann
Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link ({22}) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({23})
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
({24}) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({25}) Erwin Marschewski
Günter Marten Dr. Martin Mayer
({26}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer ({27})
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller ({28}) Engelbert Nelle
Bernd Neumann ({29}) Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto ({30})
Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard ({31}) Klaus Dieter Reichardt
({32})
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl ({33}) Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
({34}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({35}) Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer ({36}) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Norbert Schindler Dietmar Schlee
Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({37}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({38})
Andreas Schmidt ({39}) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
({40})
Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte
({41}) Gerhard Schulz ({42}) Frederick Schulze Diethard Schütze ({43}) Clemens Schwalbe
Horst Seehofer
Wilfried Seibel
Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters
Johannes Selle
Bernd Siebert
Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Michael Stübgen
Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer
Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall
Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-ZE Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm ({44}) Gert Willner
Bernd Wilz
Matthias Wissmann Simon Wittmann ({45})
Michael Wonneberger Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Brigitte Adler Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Ingrid Becker-Inglau
Rudolf Bindig Lilo Blunck
Arne Börnsen ({46}) Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({47}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Peter Enders Gernot Erler Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer ({48}) Gabriele Fograscher Norbert Formanski
Anke Fuchs ({49}) Katrin Fuchs ({50}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Dr. Peter Glotz
Günter Graf ({51}) Angelika Graf ({52}) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl Hermann Haack
({53})
Hans-Joachim Hacker Manfred Hampel Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Rolf Hempelmann Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({54}) Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann ({55}) Frank Hofmann ({56}) Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte
Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann ({57})
Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({58}) Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({59}) Ursula Mogg
Michael Müller ({60}) Jutta Müller ({61}) Christian Müller ({62}) Volker Neumann ({63}) Dr. Edith Niehuis
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl
Leyla Onur
Manfred Opel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Günter Rixe
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Ulla Schmidt ({64})
Wilhelm Schmidt ({65}) Heinz Schmitt ({66})
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({67})
Brigitte Schulte ({68}) Volkmar Schultz ({69}) Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz ({70}) Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Dietmar Thieser
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Ute Vogt ({71}) Karsten D. Voigt ({72}) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({73}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Helmut Wieczorek ({74}) Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg
Hanna Wolf ({75})
Heidi Wright Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
Nein
CDU/CSU
Gerhard Scheu
SPD
Klaus Barthel
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Anni Brandt-Elsweier
Dr. Herta Däubler-Gmelin Ludwig Eich
Petra Ernstberger Iris Follak
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Klaus Hagemann Christel Hanewinckel Dr. Liesel Hartenstein Reinhold Hemker Uwe Hiksch
Barbara Imhof
Ernst Kastning
Horst Kubatschka Christa Lörcher Erika Lotz
Gerhard Neumann ({76}) Günter Oesinghaus
Dr. Edelbert Richter Dr. Hansjörg Schäfer Siegfried Scheffler Horst Schmidbauer
({77})
Dagmar Schmidt ({78}) Regina Schmidt-Zadel
Ilse Schumann
Dr. Angelica Schwall-Düren Wolfgang Thierse
Uta Titze-Stecher Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({79}) Elisabeth Altmann
({80}) Marieluise Beck ({81}) Volker Beck ({82}) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({83}) Joseph Fischer ({84}) Rita Grießhaber
Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Gerd Poppe
Simone Probst Halo Saibold Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({85}) Wolfgang Schmitt
({86})
Ursula Schönberger
Waltraud Schoppe Werner Schulz ({87}) Rainder Steenblock
Christian Sterzing Manfred Such Ludger Volmer
Helmut Wilhelm ({88}) Margareta Wolf ({89})
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
({90}) Jörg van Essen Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({91})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Detlef Kleinert ({92}) Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting
Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng ({93})
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter
Dr. Ludwig Elm
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller ({94})
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Dietrich Mahlo Ulrich Petzold
SPD
Wolfgang Behrendt
Tilo Braune
Dagmar Freitag Norbert Gansel Alfred Hartenbach
Dr. Barbara Hendricks
Erwin Horn
Margot von Renesse
Gisela Schröter Wolfgang Spanier
Dr. Konstanze Wegner
Gert Weisskirchen ({95})
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Dr. Jürgen Rochlitz Dr. Antje Vollmer
F.D.P.
Günther Bredehorn
Roland Kohn
Helmut Schäfer ({96})
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 11 auf: Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Gruppe der PDS
Haltung der Bundesregierung zu erheblich ansteigenden Insolvenzen in den neuen Bundesländern und zur Politik der TreuhandNachfolgeeinrichtungen
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Wolfgang Bierstedt das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich das Hohe Haus zum wiederholten Male unter Anteilnahme einer außerordentlich großen Zahl von Abgeordneten mit sich selbst, das heißt mit seinen Diäten, beschäftigt hat, halte ich es einfach für notwendig, daß wir uns mal wieder den aktuellen Themen, die draußen im Land von den Menschen wahrgenommen werden, zuwenden. Ich möchte für das Protokoll festhalten: An der Aktuellen Stunde nehmen derzeit schätzungsweise 50 bis 60 Abgeordnete teil, im Gegensatz dazu haben an der namentlichen Abstimmung 628 Abgeordnete teilgenommen.
({0})
- Auch bei aktuellen Problemen sollte die Präsenz des Hauses, selbst wenn es Freitagnachmittag ist, höher werden. Das steht zumindest so in der Parlamentsreform.
({1})
Zum Thema: Meine Damen und Herren, unmittelbar nach Abschluß der Beratung über den Bundeshaushalt 1996 prognostizierte das Institut der deutschen Wirtschaft auf der Grundlage einer Konjunkturumfrage zunehmende Probleme in der ostdeutschen Wirtschaft. Es wird mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den ersten Arbeitsmarkt und in der direkten Folge auch auf den zweiten Arbeitsmarkt gerechnet. Die noch nicht abschließend beratenen Haushalte der fünf neuen Länder, die ohnehin durch eine schwache industrielle Basis und eine desolate Lage auf dem Arbeitsmarkt zunehmend aus den Fugen geraten, können die neuerlichen Belastungen infolge steigender Arbeitslosigkeit einfach nicht mehr ausgleichen. Das heißt: Es sind neue finanzielle Forderungen an den Bund vorauszusehen.
Die zunehmend schwieriger werdende Situation in der Wirtschaft möchte ich an einigen Beispielen, die Sie auch der Presse entnehmen konnten, skizzieren: Das renommierte Magdeburger Unternehmen SKET steht in Gefahr, weitere 800 Arbeitsplätze zu verlieren. Dagegen hat letzte Woche Dienstag eine Großdemonstration mit weit über 2 000 Menschen vor dem Magdeburger Landtag stattgefunden.
Dem fünftgrößten Pressenhersteller in Europa, der Umformtechnik Erfurt, droht mangels Liquiditätshilfen in Höhe von 120 Millionen DM das wirtschaftliche Aus und damit der Verlust von zirka 1 000 Arbeitsplätzen.
Die Werftenindustrie in Mecklenburg-Vorpommern - Rostock, Wismar und Stralsund gehören bekanntlich dazu - steht kurz vor dem weiteren Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen und Betriebsschließungen.
Im Konzernbericht der Babcock AG werden die ostdeutschen Niederlassungen Magdeburg, Bitterfeld und Rudisleben für die hohen Konzernverluste verantwortlich gemacht, nachdem man diese Betriebe von ihren lukrativen Aufträgen befreit hat. Es besteht die Gefahr der Schließung bzw. des massiven Arbeitsplatzabbaus.
Der Waggonbaustandort Dessau verlor innerhalb des letzten halben Jahres weit über 540 Arbeitsplätze. Im versprochenen Industriepark agiert die TLG, gedeckt durch den noch nicht geschlossenen Privatisierungsvertrag mit der DWA, mit Jahresmieten für Neuansiedler, die dem Kaufpreis entsprechen, und blockiert somit die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen.
Mehrere Betriebsteile der Stahlbau EREL-Verwaltungs GmbH und Management KG Berlin sollen ebenfalls abgewickelt werden.
Das Kabelwerk Schönow, Betriebsteil der British BICC mit 120 Mitarbeitern, soll geschlossen werden. Die Produktion soll nach Rußland verlagert werden.
Stellvertretend für alle weiteren Fälle - diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen - möchte ich an Bischofferode erinnern und den Bundeskanzler fragen, wie er heute zu seiner damals gegebenen persönlichen Bürgschaft für die Umsetzung des Programms der Thüringer Landesregierung und der Bundesregierung zur Erhaltung bzw. Neuschaffung von 700 bis 1 000 Arbeitsplätzen in Bischofferode steht.
Oder eine andere Frage: Welche Rolle spielen das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in der unsäglichen und unendlichen Geschichte des Magdeburger Traditionsunternehmens Maschinen- und Anlagenbau 3B-Buckau? Die dort entlassenen Kumpel warten nun seit neun Monaten auf die mit der BVS vereinbarte Erfüllung ihres Sozialplans.
Alle meine bisherigen Versuche, von der BVS oder dem Bundeswirtschaftsministerium Aufklärung zu erhalten, sind gescheitert. Der mir gestern vom Bundeswirtschaftsministerium zugestellte Brief des Herrn Dr. Ludewig verspricht abschließende Klärung nunmehr zum 13. Dezember 1995. Wie oft die Kollegen von 3B-Buckau bisher auf einen in Bälde anstehenden Termin vertröstet wurden, vermag selbst ich als Informatiker einfach nicht mehr zu sagen.
Für den einen oder anderen - in seiner Arroganz befangenen - Kollegen in diesem Haus mag diese Aufzählung wie Jammerei klingen. Unterschätzen Sie bitte nicht den Willen und die Bereitschaft der
Menschen in den neuen Bundesländern, für ihre Arbeitsplätze zu streiten und zu kämpfen!
Unser Anliegen ist - ich hoffe da ein bißchen auf Unterstützung aus den Reihen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen -, diesen Bundestag für die Probleme und alltäglichen Sorgen der Mehrheit der Menschen in den neuen Bundesländern zu sensibilisieren. Lassen Sie uns ernsthaft darüber beraten, wie wir Arbeitsplätze sichern und von der hohen strukturellen Arbeitslosigkeit herunterkommen!
Danke.
({2})
Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Hermann Pohler das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Abschluß der Privatisierung müssen sich die ehemaligen Treuhand-Betriebe am Markt behaupten. Die Einhaltung der im Rahmen der Privatisierung übernommenen Rechte und Pflichten des Erwerbers wird bekanntlich vom Vertragsmanagement der BVS überprüft, und die vertraglich festgelegte Hilfestellung wird den Unternehmen gewährt. Im Rahmen von Nachverhandlungen kann die BVS Hilfestellungen für das jeweilige Unternehmen gewähren. Daß dies durch die BVS in verantwortungsvoller Weise geschieht, zeigen unter anderem die zirka 10 Milliarden DM, die 1995 zur Förderung wettbewerbsfähiger Strukturen eingesetzt wurden.
Das bedeutet jedoch nicht, daß man um die Betriebe in den neuen Bundesländern einen Schutzwall bauen kann. Sie müssen sich vielmehr Schritt für Schritt im Wettbewerb bewähren. Daß sie dabei noch Hilfen benötigen, ist verständlich, und sie werden ihnen von Bund und Ländern gewährt. Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang nur den Beteiligungsfonds Ost, der außerhalb des Haushaltes durch Mobilisierung von privatem Kapital eingerichtet und seit November 1995 wirksam ist, sowie den noch von der Treuhandanstalt eingerichteten Konsolidierungsfonds in Höhe von 500 Millionen DM.
Wesentlich ist dabei, daß diese Hilfen den Betrieben zugute kommen, die wirklich Zukunftschancen besitzen; denn wir in den neuen Ländern wollen kein Wirtschaftsgefüge, das auf Dauer am Tropf hängt, und keine Betriebe, die nur durch Dauersubventionen am Leben erhalten werden. Dies schließt - so bitter es ist - natürlich Insolvenzen solcher Betriebe ein, die nicht über ein tragfähiges Konzept verfügen oder die auf Grund eines fehlerhaften Managements bei verändertem Markt nicht zu Kurskorrekturen in der Lage sind. Im Gegensatz dazu war bekanntlich im Sozialismus zwar garantiert, daß kein Betrieb pleite ging, dafür wurde aber eine gesamte Volkswirtschaft in den Ruin geführt. Eine Wiederholung dieses Tatbestandes kann doch wohl keiner ernsthaft wollen.
({0})
In diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zu dem angeführten Beispiel SKET in Magdeburg. Für den Erhalt dieses industriellen Kerns wurden von der
Treuhandanstalt und der BVS bisher rund 1,5 Milliarden DM aufgewandt und seit 1991 Hermes-Bürgschaften in Höhe von zirka 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt. Auf Grund von Verzögerungen bei der Umsetzung des Unternehmenskonzeptes und der Marktentwicklung ist es nun zu ernsten Schwierigkeiten gekommen. Weder Bund noch Land, noch andere, die für diesen Betrieb direkt oder indirekt Verantwortung tragen, können an seinem Niedergang interessiert sein.
Bei der Beurteilung der Situation ist allerdings zu beachten, daß vorhandene volle Auftragsbücher zwar eine gute Voraussetzung für die positive Entwicklung eines Unternehmens darstellen, aber leider noch kein Zeichen dafür sind, daß die ökonomische Grundlage gesichert und ein positives Betriebsergebnis ohne Konzeptionsänderung erreichbar ist. Das ist auch hier der Fall. Ein Konzept zur Rettung des Betriebes wurde zwischenzeitlich erarbeitet. Der Bund als unmittelbarer Anteilseigner von SKET ist bestrebt, im Konsens mit allen Beteiligten - das möchte ich hier betonen - SKET auf dieser Grundlage als industriellen Kern zu erhalten.
Abschließend noch eine Bemerkung zu Bischofferode und den zugesagten Arbeitsplätzen: Mich wundert es etwas, daß das hier angesprochen wird, da Ihr Genosse, Herr Jüttemann, aus Bischofferode kommt und eigentlich bestens informiert sein müßte.
({1})
- Dann bin ich um so mehr erstaunt.
Nach Aussagen der Landesregierung Thüringen gibt es folgenden Sachstand: Ausgehend von 690 Arbeitnehmern am 31. Dezember 1993, dem Zeitpunkt der Schließung des Kalibergwerkes, ist davon auszugehen, daß bis Jahresende 1995 maximal noch 250 ehemalige Kalikumpel ohne festen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt sein werden. Diese Personen werden entsprechend der Landeszusage in die Beschäftigungs- und Entwicklungsgesellschaft Nordhausen übernommen. Diese Zusage gilt auch für diejenigen Kalibergleute, die aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen bis Ende 1996 ihren Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt verlieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, aus dieser Entwicklungsgesellschaft heraus Qualifizierungsmaßnahmen vorzunehmen. Das hat sich bereits in der Vergangenheit positiv für die Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt erwiesen.
Über diese Situation und weiter eingeleitete Maßnahmen sind die Betroffenen informiert. Mir liegt umfangreiches Material über die weiteren Aktivitäten zur Entwicklung der Region um Bischofferode vor. Aus Zeitgründen kann ich darauf nicht weiter eingehen.
Falls die Damen und Herren der PDS an einer objektiven Information interessiert sind, sollten sie sich diesbezüglich mit der Landesregierung in Verbindung setzen. Die Behauptung, daß die Kali-Kumpel im Stich gelassen werden, entbehrt jeglicher Grundlage. Eine billige Polemik auf Kosten der Betroffenen halte ich für äußerst unangebracht.
Danke schön.
({2})
Ich gebe der Abgeordneten Sabine Kaspereit das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht auf die Abwesenden schimpfen, aber ich möchte denen, die noch hiergeblieben sind, ausdrücklich dafür danken, daß sie sich für dieses Thema interessieren.
Die Zahl der Insolvenzen hat in den neuen Ländern ein überdurchschnittliches Maß erreicht, das uns Anlaß zur Sorge und noch viel mehr Anlaß zum Handeln und Gegensteuern gibt. Diese Insolvenzen betreffen auf der einen Seite die kleinen und mittleren Unternehmen, besonders die der Bauwirtschaft, worüber wir noch dringend gesondert reden müßten. Andererseits machen uns in zunehmendem Maße die Unternehmen Sorge, die von der Treuhand schlecht privatisiert wurden.
Die Gründe für Insolvenzen können sehr vielfältig sein und sind längst nicht in jedem Fall vom Unternehmer verschuldet. Gerade bei ehemaligen Treuhandunternehmen stellen sich Probleme ein, die in den Verträgen nicht berücksichtigt sind oder die nicht vorhersehbar waren. Besonders gravierend sind die Fehler bei der Vertragsgestaltung bei MBO-Privatisierungen. Es sind Verträge zweiter oder dritter Klasse, eventuell nach dem Motto: Friß, Vogel, oder stirb!
Die Bundesregierung muß für die von ihr betriebene Treuhandpolitik und die daraus resultierenden Fehler der Vergangenheit verantwortlich zeichnen.
({0})
Der Grundsatz „Privatisieren vor Sanieren" hat sich ebenso negativ ausgewirkt wie der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung".
({1})
Die Treuhandanstalt - und deren Nachfolgeeinrichtung BVS - hat durch die Privatisierung Rahmenbedingungen festgeschrieben, die den Ländern nun kaum mehr wirtschafts- und strukturpolitische Handlungsspielräume einräumen. Man hat im Gesetz das Wort „Mitsprache" wohlweislich nicht benutzt, sondern vielmehr das Wort „Mitwirkung". Letzteres bedeutet aber eher Mitfinanzierung. Wie sollten das die Länder auch noch leisten können?
Das Treuhandgesetz enthielt keinen beschäftigungs- oder strukturpolitischen Auftrag. Trotzdem ist nicht zu verkennen - Wirtschaftswissenschaftler haben das mehrfach bestätigt -, daß die Treuhand einen maßgeblichen Einfluß auf die Struktur- und Beschäftigungspolitik ausgeübt hat. Die Treuhand hat Investoren durch niedrige Kaufpreise begünstigt, unrentable Firmen durch Sozialisierung der Verluste privatisiert und eine verdeckte Strukturpolitik betrieben - im positiven, aber leider auch im negativen Sinne.
Das Vertragsmanagement als Aufgabenkern der BVS läuft nun Gefahr, alle Fehler der Treuhandanstalt zu zementieren, und schränkt die wirtschafts- und strukturpolitischen Handlungsspielräume der Länder weiter ein.
({2})
Im Hinblick auf die steigende Zahl der Nachverhandlungsfälle wäre es notwendig, der BVS Verhandlungsfreiräume zu schaffen, die Nachbesserungen ermöglichen und die auf unvorhergesehene Entwicklungen flexibler reagieren können. Ging man bei den Prognosen noch von zirka 1 500 Nachverhandlungsfällen im Bereich des Vetragsmanagements der BVS aus, so sind es derzeit bereits 3 000 Nachverhandlungsfälle - und die Tendenz ist steigend. Das muß uns doch zu denken geben!
Die bisherigen Möglichkeiten der BVS tragen den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten nicht Rechnung. Das sagen nicht nur wir von der SPD-Fraktion, das sagen auch die Ministerpräsidenten der neuen Länder. Die Rolle der BVS als bloße Kontrolleurin der Privatisierungsverträge ist zuwenig. Bei mißlungenen Privatisierungen können die Länder nicht den Reparaturbetrieb spielen. In der Mehrzahl der Fälle erfolgte die Privatisierung durch Vergabe in Verbindung mit finanziellen Zugaben, zum Beispiel für Altschulden, Anlaufverluste, Altlasten etc. Als Gegenleistung wurden Arbeitsplatzoder Investitionszusagen akzeptiert. Nur, wie sieht die Einforderung dieser Zusagen heute aus? Was sind tatsächlich vertraglich einforderbare Gegenleistungen?
Die BVS gibt in diesem Jahr etwa 2 Milliarden DM weniger aus, als im Haushaltsansatz vorgesehen. Das zeigt, daß man hier doch ein gewisses Potential zur Nachsorge erschließen könnte, wenn der politische Gestaltungswille vorhanden ist. Dabei geht es nicht darum, überlebensunfähige Unternehmen um jeden Preis zu erhalten, sondern es geht um den Erhalt der Unternehmen, die realistische Marktchancen und Aussicht auf Erfolg haben. Es bedarf jetzt einer Bundesregierung, die flexibel und vor allen Dingen ehrlich genug ist, begangene Fehler zu korrigieren und Negativentwicklungen gegenzusteuern.
({3})
Ich bin nun kein Freund des Jammerns oder einer bloßen Situationsbeschreibung. Das bringt uns nicht weiter. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihren Worten von Wirtschaftsförderung, Konsolidierungshilfen, Risikokrediten - und was der Schlagworte noch mehr sind - endlich Taten folgen zu lassen. Ich fordere die Bundesregierung auf, nach Wegen zu suchen, ehemalige Treuhandbetriebe zu begleiten und unverschuldet in Schwierigkeiten geratene Firmen durch Nachsorge zu konsolidieren. Die Bundesregierung sollte nicht nur Mittelstandspolitik mit volltönenden Worten machen, sondern die Lage erkennen und damit begreifen, daß Taten gefordert sind.
({4})
Zur Zeit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, klafft zwischen Worten und Taten eine unübersehSabine Kaspereit
bare Lücke. Das wissen nicht nur wir in diesem Hause, sondern das wissen gerade und auch die Unternehmer.
Danke schön.
({5})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Werner Schulz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hier unter der Überschrift „Aktuelle Stunde" stattfindet, ist leider alles andere als aktuell. Denn wir haben es nicht mit einem neuen Problem zu tun, sondern mit einem Dauerproblem, mit einem Dauerbrenner. Die Schwierigkeiten beim Aufbau Ost sind seit langem bekannt. Insofern ist auch das Mittel der Aktuellen Stunde, diese Fünf-Minuten-Terrinen, die rhetorisch heiß geöffnet werden, völlig ungeeignet.
({0})
Ich will allerdings nicht bestreiten, daß es notwendig ist, hierüber zu debattieren. Das sollten wir unbedingt tun. Deswegen haben wir und die Fraktion der SPD auch eine große Anhörung im Wirtschaftsausschuß zu dem fragwürdigen Bericht des Bundeswirtschaftsministers beantragt und vorbereitet, demzufolge der Aufbau Ost auf halbem Wege - ich weiß nicht, ob er damit seine Karriere gemeint hat - stehengeblieben ist. Diese Anhörung soll im Frühjahr stattfinden.
Was Sie, meine Damen und Herren von der PDS, hier machen, ist wirklich eine Zumutung, noch dazu, weil Sie diese Aktuelle Stunde mit dem Hinweis auf eine angeblich aktuelle Studie über zunehmende Insolvenzen in den neuen Ländern beantragt haben. Diese Studie gibt es in Wahrheit überhaupt nicht. Es gibt nur eine Konjunkturumfrage.
({1})
Da ist man schon leicht perplex.
Der wirtschaftliche Aufbau - das wissen Sie genausogut wie wir - stand von Anfang an auf wackligen Beinen. - Frau Luft, Sie wissen es noch viel besser, weil Sie die Grundlage kennen,
({2}) auf der das Ganze aufgebaut werden mußte. ({3})
Gerade im Bereich des verarbeitenden Gewerbes geht der Aufbau sehr mühselig und mit vielen Rückschlägen vonstatten. Das alles ist, wie gesagt, nicht neu und beschäftigt uns seit Jahren. Wir haben erlebt, wie ein Großteil der Arbeitsplätze weggefallen ist. Wir haben die Debatte um den Erhalt der industriellen Kerne geführt. Auch hier waren die Erwartungen weit größer als die Ergebnisse. Ich will unsere Kritik an der Treuhandanstalt hier nicht wiederholen. Das würde zu weit führen und ein Nachhutgefecht sein, das uns überhaupt nicht weiterbringt.
Worauf es heute ankommt und was zählt, ist der Aufbau einer neuen beschäftigungsintensiven, mittelständisch geprägten Wirtschaft in den neuen Ländern. Dieser Prozeß ist im Gang, aber die Zahlen der Gewerbean- und Gewerbeabmeldungen zeigen es: Nicht nur das Tempo der Neugründungen von Unternehmen legt an Fahrt zu, auch die Zahlen über Unternehmensschließungen wachsen. Das ist die Tragik.
Das ist zu einem gewissen Teil natürlich unvermeidlich. Zu einem anderen Teil steht dahinter jedoch auch das unnötige und wirtschaftlich nicht begründete Scheitern von Existenzgründern und Unternehmen, denen es trotz marktfähiger Produkte und im Grunde bestehender Wettbewerbsfähigkeit nicht gelingt, sich am Markt durchzusetzen. Die Schwachpunkte - auch das ist bekannt - sind unzureichende Marktinformation, eine unzulängliche wirtschaftsnahe Forschungsstruktur, Eigenkapitalschwächen, vor allem ein völlig unterentwickelter Markt für Risiko- und Beteiligungskapital.
In der Analyse besteht weitgehende Einigkeit. Allerdings ist die Bundesregierung bei der Abhilfe bisher auf halber Strecke stehengeblieben, so, wie ihr Bericht auch betitelt ist. Vor allen Dingen in den Bereichen der Forschungsförderung und der Förderung von Risiko- und Beteiligungskapital muß erheblich mehr geschehen als bisher. Ich habe gerade an dieser Stelle überhaupt kein Verständnis für Einschränkungen bei der Finanzierung des Aufbaus Ost.
Die mittelfristigen Aussichten für die deutsche - besonders auch für die ostdeutsche - Wirtschaft haben sich verdüstert. In West und Ost sind wir Zeugen eines nachhaltigen Arbeitsplatzabbaus im industriellen Bereich. Ich meine, daß wir ganz andere Maßnahmen brauchen, um das aufzufangen, weil es sich hier um einen echten Strukturwandel handelt. Wir müssen auf die ökologischen Herausforderungen viel stärker reagieren.
Unsere Fraktion hat dazu ein Konzept für die ökologische Steuerreform vorgelegt, die eben nicht zu einer enormen Erhöhung der Staatseinnahmen führen sollte, sondern - ganz im Gegenteil - diesen ökologischen Strukturwandel voranbringen soll, damit zukunftsfähige, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen und die „Sonnenuntergangstechnologien", die künstlich am Leben erhalten werden, demnächst verschwinden bzw. die Erhaltungssubventionen abgebaut werden.
Wir sollten endlich die großen Industrieleichen zu Grabe tragen und auf der anderen Seite dafür sorgen, daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden, daß Zukunftstechnologien aufgebaut werden, daß zum Beispiel die Markteinführung. der Solarenergie endlich in die Wege geleitet wird. Das, glaube ich, ist die
Werner Schulz ({4})
wiederaufgehende Sonne für den Osten, die er brauchen könnte.
({5})
- Sie bestätigen das, Herr Austermann.
Vermeidbare Insolvenzen zu vermeiden und die politischen Ursachen hierfür zu beseitigen, das muß unser aller Ziel sein. Aber wichtiger ist es, die Bedingungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu verbessern; das habe ich hier angedeutet. Das ist zugleich die beste Politik, überflüssige Konkurse zu vermeiden.
({6})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Paul Friedhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln hier jetzt ansteigende Insolvenzen in den neuen Bundesländern und die Politik der Treuhandnachfolge. Hier wird von der PDS versucht, einen Zusammenhang herzustellen, den ich nicht entdecken kann, der, wenn man es genauer betrachtet, nicht existiert.
Wir müssen einmal zurückblicken und uns überlegen, wie wir in die Situation hineingekommen sind, daß in Ost und West erhebliche Unterschiede bestehen. Das muß ja eine Ursache haben. Die Ursache dafür ist sicherlich eindeutig darin zu sehen, daß wir 1990 das Ende einer sozialistischen Kommandowirtschaft, das Ende einer Planwirtschaft erlebten - Gott sei Dank! - und daß damit gleichzeitig auch der Anfang von marktwirtschaftlichen Strukturen, die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft erfolgte. Wir hatten also, wenn man so will, einen Strukturwandel total, wie er in anderen Bereichen wesentlich langsamer und daher auch geordnet vorkommen kann.
Nun gibt es für solch einen Strukturwandel kein Drehbuch. Wir haben versucht, nach dem Motto „Trial and error" neue Strukturen aus alten Strukturen hervorgehen zu lassen. Dabei wollte der Staat zu Recht keinen Bruch. Aus dem Grunde sind eine ganze Reihe von staatlichen Maßnahmen, Fördermaßnahmen getroffen worden, die Treuhandanstalt ist entstanden.
Alle diese Maßnahmen hatten zum Ziel, die Brüche möglichst gering zu halten. Da mußte sich der Staat einmischen. Nur wissen wir, daß wir aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht so sehr auf den Staat bauen können; denn Staatswirtschaften haben in der Regel noch nie etwas Besonderes geleistet.
({0})
Deshalb beklagt Herr Schulz zu Recht, daß bei der Treuhand Fehler vorgekommen sind. Wir haben uns ja häufiger darum gestritten. Wir haben auch laufend nachgebessert. Wir haben entsprechend dem Motto „Trial and error", wenn wir einen „error" erkannt haben, Gesetze verändert, Programme verändert. So ist das abgelaufen.
Wir wollen, daß auch die Treuhandnachfolgeeinrichtungen so schnell wie möglich ihren Betrieb aufgeben, damit wir in die Soziale Marktwirtschaft übergehen können.
({1})
Wir schaffen also mehr und mehr den Staatstropf ab und lassen mehr und mehr den Markt entscheiden. Dazu müssen die Unternehmen bereit sein, und die Unternehmen stellen sich dem auch.
Von den 1,2 Millionen Gewerbeanmeldungen, die es von 1990 bis 1995 in den neuen Bundesländern gegeben hat, sind verhältnismäßig wenig, nämlich nur etwas über 500 000, gescheitert; die Gewerbe sind abgemeldet. In den alten Bundesländern hingegen liegen An- und Abmeldungen relativ dicht beieinander. In den neuen Bundesländern ist das Verhältnis von Anmeldungen zu Abmeldungen sehr hoch. Aber das hängt eben damit zusammen, daß dort etwas Neues entstehen konnte.
Ist Panikmache also angebracht? Ist der Zusammenhang, den Sie herstellen, gerechtfertigt? Sie beziehen sich auf die Konjunkturerwartungen Ost des IW. In der Ausgabe vom 23. November 1995 lese ich unter der Überschrift „Die gute Stimmung ist dahin" - es wird also ein Stimmungsbild gezeichnet; ich zitiere -:
Übertriebener Pessimismus ist auch deswegen nicht angebracht, weil die positiven Einschätzungen bei Umsatz- und Produktionserwartungen die Negativmeldungen noch immer bei weitem überwiegen.
Dieser Satz steht auf der ersten Seite. Ich kann daraus keine Panik erkennen, zumindest schürt sie das IW nicht.
Was müssen wir denn wirklich tun? Wir müssen sicher - nicht nur im Osten, sondern auch im Westen - einige Rahmenbedingungen ändern. Denn jeder Unternehmer, der seinen Laden schließen muß, der Mitarbeiter entlassen muß, weiß, daß offensichtlich die Kosten zu hoch sind. Die Arbeitskosten sind in Deutschland erheblich höher als in anderen Ländern. Von daher haben es Unternehmer und Mitarbeiter besonders schwer.
In dieser Frage nach dem Staat zu rufen hilft relativ wenig. Sehen wir uns einmal folgende Zahlen an: Das Verhältnis des Nettolohns zu den Arbeitskosten betrug 1950, beim Aufbau der Bundesrepublik, 68 Prozent; 1970 waren es immer noch 52 Prozent; 1994 sind wir bei 36 Prozent angekommen. Dies erschwert den Aufbau Ost natürlich enorm, aber behindert auch, daß Arbeitsplätze im Westen
geschaffen werden können. Insgesamt muß sich hier Erhebliches verändern.
({2})
Deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn sich die, die wie wir Analysen anstellen, aber das alles beklagen, dazu aufraffen könnten, folgende drei Dinge zu tun: erstens zu unterstützen, daß Steuern und Abgaben auf Arbeit gesenkt werden,
({3})
zweitens - Sie verteufeln das immer - die Steuern für Unternehmen herunterzufahren. Zwei Drittel der ausgewiesenen Unternehmensgewinne gehen an den Staat. Wie soll man da Risikokapital zurückzahlen?
({4})
Sicher ist hier eine Menge zu tun. Aber der Staat muß mit gutem Beispiel vorangehen.
({5})
Drittens gehören die Gesetze, die Arbeitsplatzkiller sind - jeder Unternehmer weiß, daß es solche gibt -, auf den Prüfstand, damit wir nicht, was uns immer vorgeworfen wird, Sozialabbau betreiben, sondern in die Lage versetzt werden, Arbeitsplätze zu schaffen. Denn das ist eine gute Grundlage für eine vernünftige Sozialpolitik.
Ich danke Ihnen.
({6})
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesministerium für Wirtschaft nimmt die steigende Zahl der Insolvenzen in den neuen Bundesländern sehr ernst. In diesem Jahr wird mit zirka 5 600 Unternehmenszusammenbrüchen in den neuen Bundesländern gerechnet. Dies ist zwar ein deutlicher Anstieg gegenüber dem letzten Jahr - da waren es rund 3 900 -, dennoch darf man, auch wenn man das Problem ernst nimmt, nicht zu falschen Interpretationen kommen.
Deswegen möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß nur knapp 600 dieser 5 600 Gesamtinsolvenzen, das heißt zirka 10 Prozent, auf ehemalige Treuhandprivatisierungen entfallen. Treuhandprivatisierungen haben sich damit als wesentlich stabiler erwiesen, als gemeinhin angenommen wird.
Ich will auch darauf hinweisen, daß das Insolvenz-geschehen zeitversetzt einem extrem hohen Anstieg von Existenzgründungen im Zuge der Wiedervereinigung folgt. Nicht jeder Existenzgründer oder Privatisierer hat sich als fähig erwiesen, sich im Wettbewerb zu behaupten. Wir erleben nunmehr die „notwendige Marktbereinigung". Dies ist in den neuen
Bundesländern nicht anders als in den alten. Es stellt einen zwar schmerzhaften, aber dennoch notwendigen Bestandteil unserer marktwirtschaftlichen Grundordnung dar.
Trotz dieser 5 600 Insolvenzen dürfen wir die Relation zu dem übrigen Marktgeschehen in den neuen Bundesländern nicht aus den Augen verlieren. In diesem Jahr wird es gleichzeitig wieder rund 50 000 neue Unternehmen am Markt geben. Das sind etwa neunmal mehr, als weggefallen sind. Bis Ende 1995 - die folgende Zahl ist nun wirklich beeindruckend - werden wir einen Bestand von insgesamt 530 000 selbständigen Unternehmen in den neuen Ländern haben.
Ich glaube, das ist wirklich eine enorme Aufbauleistung, auf die wir alle stolz sein können. Sie darf nicht durch eine einseitige Betrachtung der Austritte von Unternehmen aus dem Markt schlechtgemacht werden. Letztlich kommt es auf das Gesamtergebnis an. Das kann sich in der Tat sehen lassen.
({0})
Die Bundesregierung nimmt die Insolvenzentwicklung in den neuen Bundesländern keineswegs tatenlos hin. Unsere klare Leitlinie ist es, daß keinem sanierungswürdigen Unternehmen die erforderliche Hilfe versagt werden darf. Die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen für notleidende Unternehmen sind nach unserer verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung grundsätzlich aber in Verantwortung der Länder zu koordinieren. Das heißt, das jeweilige Land muß die Initiative ergreifen, es muß auf ein konzertiertes Vorgehen aller Beteiligten hinwirken. Mitwirken müssen die Eigentümer, die Banken, die Konsolidierungsfonds, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, BVS, usw. Vor allem sind aber die Eigentümer gefordert, auch die Banken müssen ihren Beitrag leisten.
Wo es - das sage ich sehr deutlich - an einer solchen Initiative der Länder fehlt, ist im Interesse der Absicherung ihrer Privatisierungserfolge oft auch die BVS, als zuständige Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt tätig geworden. Dies geschah und geschieht weiterhin in der Absicht, daß es kein Hinundherschieben der Verantwortung zu Lasten der betroffenen Unternehmen geben darf.
Der Bund hat insbesondere über die Treuhandanstalt und die BVS wichtige Beiträge zur Stabilisierung der privatisierten bzw. reprivatisierten Unternehmen geleistet.
({1})
Ich verweise dazu auf folgende Beispiele: Erstens. Ende des vergangenen Jahres sind vom Bund bzw. der Treuhandanstalt 500 Millionen DM für Konsolidierungsmaßnahmen bei notleidenden Privatisierungen bereitgestellt worden. Die Länder entscheiden in eigener Verantwortung über die Vergabe dieser Mittel. Diese Form der Hilfe hat sich schon in über 250 Problemfällen bewährt. Mehr als die Hälfte der bereitgestellten Konsolidierungsmittel ist bereits abgeflossen.
Zweitens. Der Bund hat ferner die für die Arbeit des Vertragsmanagements notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Seit September dieses Jahres ist mit der BVS eine Orientierung der Hilfsmaßnahmen nicht an einer engen juristischen Interpretation des Kaufvertrages, sondern an den mit dem Privatisierungsvertrag verfolgten Zielen vereinbart. Maßgeblich ist nach wie vor der Auftrag des Treuhandgesetzes. Das findet seinen Ausdruck insbesondere in der ausdrücklichen Ermächtigung zur Beteiligung der BVS an Auffanglösungen, in der Sicherstellung befristeter Managementunterstützung und auch in der Erweiterung des zeitlichen Rahmens bei Stundungen. Künftig sind hier Ausnahmen von der 12Monats-Begrenzung möglich.
Drittens. Einen weiteren Handlungsspielraum der BVS gibt es bei Problemfällen im Reprivatisierungsbereich: Abgeschlossene Reprivatisierungsvereinbarungen können wiederaufgenommen und nachgebessert werden.
Dies zeigt, daß wir sehr spezifisch gehandelt haben. Man muß sehen, daß es darüber hinaus als Flankierung das allgemeine Förderinstrumentarium des Bundes, insbesondere die Eigenkapitalhilfe und auch die Bereitstellung von Bürgschaften, gibt. Eine Gesamtdarstellung der Maßnahmen der Bundesregierung enthält der Bericht „Aufbau Ost - Die zweite Hälfte des Weges". Sie kennen diesen Bericht. Er wird zur Zeit in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages beraten. Ich darf sagen, er findet dort - nach allem, was ich bisher gehört habe - ein durchaus positives Echo.
({2})
Daraus ergibt sich, daß der Pessimismus verfehlt ist, wie ihn die PDS durch einseitige Auswahl von Negativbeispielen verbreitet. Der Aufbau Ost ist vielmehr auf dem Weg zum Erfolg, auch wenn zugegebenermaßen noch eine schwierige Wegstrecke zu gehen ist. Ich bitte Sie aber um Unterstützung für diese „zweite Hälfte des Weges".
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Ich erteile dem Abgeordneten Dietrich Austermann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie können sich selbstverständlich darauf verlassen, daß die Mehrheit der Koalition den guten Willen hat, die Regierung bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
Ich sage einmal, bezogen auf die überwältigende Mehrheit dieses Hauses: Wir brauchen es nicht, daß die Versager von gestern die Leistungsträger von heute kritisieren und in jeder Sitzungswoche Freitag mittag eine Aktuelle Stunde beantragen, man muß sagen: eine aktuelle Anmaßung begehen, indem sie uns für die Situation in den neuen Bundesländern sensibilisieren wollen.
({0})
Was Sie hier machen, ist, wie gesagt, eine aktuelle Anmaßung: Versager von gestern, die einen Scherbenhaufen hinterlassen haben, wollen heute den anderen erzählen, was zu tun ist. Ich sage das für die überwältigende Mehrheit des Hauses; ich kenne keinen Kollegen, der nicht guten Willens ist, den neuen Bundesländern die Hilfe angedeihen zu lassen, die erforderlich ist. Wenn Sie sich hier herstellen und so tun, als sei das nicht der Fall, ist das doch einfach unwahr.
({1})
Wir haben es nicht nötig, uns von Ihnen sensibilisieren zu lassen. Wer die Vergangenheit so verdrängt, hat offensichtlich null Sensibilität.
Ich habe dem Kollegen von den Grünen - er hat etwas erstaunt geblickt - für seinen wirklich nachdenkenswerten Beitrag Beifall gespendet, weil ich glaube, daß es richtig ist, daß wir in diesen Fragen ehrlich und offen miteinander reden. Keiner von uns wird die Situation in den neuen Bundesländern schönfärben wollen.
({2})
Jedes einzelne Schicksal eines Arbeitslosen macht jeden von uns betroffen. Wir bemühen uns, die Situation zu verbessern.
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Welche konkrete Empfehlung hat eigentlich der Vertreter von Ihnen gegeben, was man denn nun tun sollte, um die Situation zu verbessern?
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Es kam null. Er hat die Situation falsch gemalt, wie vom Kollegen Pohler am Beispiel SKET deutlich gemacht worden ist. Der Kollege von der PDS hat das verzerrt dargestellt und hat null Schlußfolgerungen gezogen, etwa nach dem Motto: An dieser Stelle muß dieses oder jenes noch passieren.
Nein, die sozialistische Planwirtschaft der DDR konnte nicht überleben und wird auch mit noch soviel möglicher Staatsbeteiligung nicht überleben können.
Ich glaube, es ist richtig, daß wir darauf hinweisen, daß wir 1994 mit dem Ende der Treuhandanstalt nicht mit der Unterstützung der Betriebe Schluß gemacht haben, die in großer Zahl privatisiert, reprivatisiert und der Marktwirtschaft überführt worden sind. Die 200 Milliarden DM, die vom Erblastentilgungsfonds übernommen worden sind, sprechen ja eine deutliche Sprache, was aufgewendet worden ist und was auch in Zukunft noch mit Zinsleistungen aufzubringen ist.
Die Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt, die Beteiligungs-Management-Gesellschaft Berlin und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, haben nach wie vor einen FinanzDietrich Austermann
bedarf in Milliardenhöhe. Noch 1996 sind Zuwendungen in Höhe von 230 Millionen DM für die BMGB eingeplant. Die BVS, die die unmittelbare Folgetätigkeit der Privatisierung ausüben soll, kann im kommenden Jahr über netto 1,8 Milliarden DM verfügen. Das heißt doch: Wir sind bereit, im Haushalt Mittel vorzusehen, um konkret zu helfen. Das gleiche gilt auch für die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft und die Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH usw. Niemand kann also ernsthaft behaupten, privatisierte Unternehmen aus der Erblast der DDR seien ausschließlich sich selbst überlassen.
Ich möchte den Blick auf ein interessantes kleines Beispiel lenken, das vielleicht etwas über die Situation in den neuen Bundesländern aussagt und deutlich macht, daß es falsch wäre, grundsätzlich schwarzzumalen: Wir werden bundesweit in diesem Jahr - das ist erkennbar - eine hohe Insolvenzquote haben. Das gilt für alle Bundesländer, nicht nur für die neuen, sondern auch für die alten. Der Hintergrund sind kaufmännische Defizite, zu geringes wirtschaftliches Wachstum - über den Standort Deutschland wird hier ständig gesprochen -, auch schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand - das betrifft auch die Gemeinden, auch die Länder - und Überkapazitäten.
Dabei unterscheiden sich in manchem Bereich die neuen Bundesländer durchaus positiv von den alten. So sind zum Beispiel, bezogen auf das Eigenkapitalhilfeprogramm, in den alten Bundesländern um 10 Prozent höhere Insolvenzen zu beklagen als in den neuen Bundesländern. In den alten sind es 16,7, in den neuen Bundesländern 6,8 Prozent. Die Ausfallquote beträgt in den alten Bundesländern 5 Prozent und in den neuen Ländern 1,4 Prozent.
Meines Erachtens muß in diesem Zusammenhang auch die ausländische Billigkonkurrenz im Bau- und Ausbaubereich angesprochen werden.
Ich möchte ein Weiteres sagen: Wenn man zu Recht die Zahl der Insolvenzen beklagt, muß man gleichzeitig feststellen, daß die Fülle der Unternehmen, die über die Treuhand privatisiert worden sind, ihre Arbeitsplatzverpflichtungen tatsächlich übererfüllt hat. Trotz der Insolvenzen sind insgesamt die von den Erwerbern garantierten Arbeitsplatzverpflichtungen mit 16 Prozent und die Investitionsverpflichtungen mit 42 Prozent bisher übererfüllt worden. Auch dies gehört zu dem Bild über die Arbeit der Treuhandanstalt.
({5})
Wir sind zuversichtlich, daß mit den gewählten Instrumenten die Privatisierung, damit auch die Sanierung und die Schaffung und Sicherung neuer Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern mittelfristig weiter erfolgreich sein werden. Das Wachstum und der Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen schreiten voran. Schon jetzt wird in den alten Bundesländern oft der Sorge Ausdruck verliehen, daß diese neuen Strukturen zu einer massiven Gefährdung in den alten Bundesländern führen können. Ich glaube, dies kann jeder von den Kollegen in den
alten Bundesländern jeden Tag bestätigen. Wenn ein solcher Wettbewerb entsteht, nutzt das dem Standort Deutschland, den neuen und den alten Bundesländern und damit uns allen.
Herzlichen Dank.
({6})
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Wolfgang Ilte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe es an dieser Stelle genauso wie Kollege Schulz. Die Aktualität dieser Frage kann ich nicht erkennen, zumindest nicht, wenn der Zusammenhang so hergestellt wird, wie ich ihn dem Antrag der Kollegin Enkelmann entnommen habe. Dem Antrag war zumindest zu entnehmen, daß Sie ein gewisses Junktim zwischen der Politik der TreuhandNachfolgeeinrichtungen und den derzeitigen Insolvenzen herstellen. Dies kann ich so nicht nachvollziehen. Sie haben es in dem Antrag, den Sie heute vorlegen, vorsichtshalber anders formuliert.
Zumindest aus meinem Wahlkreis kann ich die Beispiele und Erfahrungen nicht bestätigen. Im Gegenteil! Ich habe in meinem Wahlkreis im Laufe des letzten Jahres drei von der Treuhandanstalt ehemals privatisierte mittelständische Unternehmen, die in Zahlungs- und Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind, politisch betreut. In allen drei Fällen kann ich an dieser Stelle attestieren, daß die zuständige Treuhand-Nachfolgeeinrichtung, die BVS, die Unternehmen äußerst verantwortungsvoll und mit hoher Risikobereitschaft unterstützt und begleitet hat.
({0})
Natürlich waren die Gründe, die zu den Insolvenzen - manchmal absehbar - geführt haben, im einzelnen unterschiedlich. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle einen Fall schildern. Sehen Sie mir nach, daß ich im Interesse der Firmen und Mitarbeiter keine Namen nennen kann. Der Vorgang liegt mir aber vor.
In den Jahren 1991 und 1992 wurde eine Firma aus dem Baugewerbe mit rund 250 Beschäftigten an einen westdeutschen Investor verkauft. Der Kaufpreis betrug 3,5 Millionen DM und beinhaltete ein Unternehmen mit insgesamt sieben über meinen gesamten Wahlkreis verteilten Grundstücken einschließlich aufstehender Bauten. Dabei betrug der Verkaufspreis von Grund und Boden rund 10 Prozent des Verkehrswertes. Die Bilanzen waren gut, die Auftragslage ist noch immer hervorragend.
Warum ist das Unternehmen nun in Liquiditätsschwierigkeiten geraten? Die nicht betriebsnotwendigen Grundstücke wurden vom neuen Gesellschafter veräußert bzw. werden noch verkauft. Die Erlöse werden nicht im Unternehmen reinvestiert. Die zum Unternehmen direkt gehörenden Grundstücke wurden aus dem Unternehmen ausgegliedert und in das Eigentum einer Gesellschaft des Besitzers überführt. Das Bauunternehmen zahlt zur Zeit 400 000 DM per annum Miete für seine beiden Betriebsgrundstücke an die dem Gesellschafter gehörende Gesellschaft.
Wolfgang Ilte
Diese Betriebsgrundstücke sind gegenwärtig mit 9 Millionen DM belastet. Die Kredite sind vom Gesellschafter anderweitig verwandt worden. Weiterhin hat das Unternehmen auf Veranlassung des Gesellschafters eine Beteiligung an anderweitigen Geschäften in Höhe von 1,3 Millionen DM vorgenommen und 1 Million DM Kredit an eine andere Gesellschaft des Gesellschafters ausgereicht. Darüber hinaus hat das Unternehmen noch Forderungen von 1,6 Millionen DM an seinen eigenen Gesellschafter für in dessen Auftrag erbrachte Leistungen.
Nun ist das Unternehmen nicht mehr liquide. Akquirierte Aufträge in Höhe von 20 Millionen DM kann es nicht ausführen, weil es die Erfüllungsbürgschaften von 2 Millionen DM nicht hinterlegen kann, weil es einfach nichts mehr hat, was es beleihen könnte. Auf deutsch: Das Unternehmen ist trotz günstigster Auftragslage pleite.
Meine Damen und Herren, Rufe nach der BVS oder nach Hilfen aus dem Land sind in solchen Fällen wohl völlig ungeeignet. Ich kann an diesem Beispiel nur attestieren, daß die BVS durchaus verantwortungsvoll mit unser aller Geld umgegangen ist.
({1}) - Warten Sie einmal ab! ({2})
Im Gegenteil, die Treuhandanstalt hat das Unternehmen, wenn Sie allein den Kaufpreis und die Beleihungsfähigkeit der beiden Betriebsgrundstücke betrachten, äußerst komfortabel ausgestattet. Die Erfüllung der laut gewordenen Forderungen nach Nachfinanzierung und Nachkreditierung wäre unverantwortlich.
Ich hielte es deshalb für angezeigter, zu hinterfragen, ob seinerzeit, wie in diesem Beispiel, die Treuhandanstalt mit ihrer Politik der Privatisierung „auf Teufel komm raus, egal an wen, und nach mir die Sintflut" richtig gehandelt hat oder ob sie ihren eigentlichen Auftrag verstanden hatte. Ich halte es im Nachgang schon für eigenartig, daß Unternehmen aus dem Volkseigentum in die Privatisierung entlassen worden sind, ohne daß sich der Staat über die Treuhandanstalt Möglichkeiten der nachträglichen Einflußnahme gesichert hat. Wenn diese Möglichkeiten nämlich bestanden hätten oder wahrgenommen worden wären, dann hätten solche Machenschaften verhindert werden können.
({3})
Im übrigen wäre dann sicher auch zu verhindern gewesen, daß eine ganze Reihe von Unternehmen, die für einen Appel und ein Ei privatisiert worden sind, nur aus dem Grund erworben worden sind, um die Konkurrenz im Osten zu beseitigen. Dafür gibt es bekanntlich eine ganze Menge Beispiele.
({4})
In ihrem ursprünglichen Antrag haben Sie sogar
einige angeführt. Hierüber lohnt es sich zu debattieren und auch einmal eine Aktuelle Stunde zu bestreiten. Heute auf die BVS zu schimpfen halte ich zumindest für unangebracht. Nach meinen eigenen Erfahrungen versucht diese Nachfolgeeinrichtung zu retten, was zu retten ist.
Um den Insolvenzen zu begegnen, wäre an dieser Stelle ein schlüssiges Konzept der Bundesregierung erforderlich, das ich im Augenblick aber nicht sehen kann. Ein Abbau von 27 Milliarden DM bei den Fördermitteln für 1996 heißt auf deutsch: Damit wird der Waigelsche Haushalt bezahlt. Das Programm, das wir neulich diskutiert haben, ist auf halbem Wege stehengeblieben.
({5})
- Richtig.
In diesem Bericht - das habe ich auch im Ausschuß gesagt - sehe ich eine ganze Menge aufgeworfener Fragen und Probleme im Osten. Aber ich sehe an dieser Stelle kein Konzept. Denken Sie an Ihre Klagen über die F-und-E-Situation und die Insolvenzen, die Sie selber aufführen; Beispiele bringen Sie allerdings keine.
500 Millionen DM für den Beteiligungsfonds Ost sind für mich, offen gestanden, kein Konzept. Rechnen Sie das Ganze nach. Für meinen Wahlkreis habe ich es ausgerechnet: Mit den 500 Millionen DM per annum können Sie in meinem Wahlkreis acht Betrieben helfen. Das ist weiß Gott kein Konzept zur Rettung der deutschen Wirtschaft im Osten.
Besten Dank.
({6})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gerhard Schulz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich das Thema dieser Aktuellen Stunde betrachte und mir die Begründung des Antrags der PDS anschaue, muß ich feststellen, daß Sie wieder einmal versuchen, durch unkorrektes Zitieren aus Presseerklärungen von Wirtschaftforschungsinstituten - ich will mich vorsichtig ausdrücken - Punkte zu machen und Demagogie zu betreiben.
({0})
Die Studie, auf die Sie sich berufen - Werner Schulz vom Bündnis 90 hat schon darauf verwiesen -, ist keine Studie, sondern eine Umfrage bei 500 ostdeutschen Unternehmen. Das ist ein Unterschied; das wissen wir alle. Ich habe mir diese Umfrage einmal genau angesehen. Man staune: Das Wort „Insolvenz" taucht in keiner einzigen Passage dieser Umfrage auf. Das kann es auch nicht; denn Gegenstand der Befragung waren die Geschäftsaussichten ostdeutscher Unternehmen. Aber ein insolventes und
Gerhard Schulz ({1})
im Konkursverfahren befindliches Unternehmen hat keine Geschäftsaussichten.
({2})
Ich muß der PDS allerdings dankbar sein, daß sie diese Umfrage anspricht. Denn genau betrachtet enthält sie ein paar bemerkenswerte Passagen zur Wirtschaftsentwicklung in den neuen Bundesländern, die ich diesem Haus nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere wörtlich aus der Presseerklärung des Geschäftsführers des IW Köln:
Beachtenswert ist, daß die Teilnehmer an der IWUmfrage die Exportchancen der ostdeutschen Wirtschaft so positiv wie nie zuvor beurteilen. Jüngste Meldungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, nach denen sich die ostdeutschen Exporte bereits im ersten Halbjahr 1995 positiv entwickelt haben, zeigen, daß es sich hierbei um mehr als um das Prinzip Hoffnung handelt. Besonders günstig sind die Erwartungen hinsichtlich der Lieferungen an die ehemaligen RGW-Partner. Beim Westexport ist die insgesamt recht robuste Weltkonjunktur bedeutsam sowie die Tatsache, daß in Ostdeutschland die Zahl der Unternehmen zunimmt, die weltmarktfähige Produkte anbieten können.
Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS, Sie freuen sich mit mir über diese Entwicklung. Ich freue mich jedenfalls darüber. Denn das ist das Bestreben und das Ziel unserer Wirtschaftspolitik.
({3})
Was den Arbeitsmarkt betrifft: Ohne Unternehmen, die produzieren können, gibt es keine Arbeitsplätze und damit auch keinen Arbeitsmarkt. Wir müssen am richtigen Ende und nicht am falschen Ende anfangen, wie Sie es immer wieder versuchen.
({4})
Weitere Umfrageergebnisse sind, daß rund 60 Prozent der befragten ostdeutschen Unternehmen steigende bis stark steigende Umsatzzuwächse und rund 58 Prozent steigende bis stark steigende Produktionsumsätze erwarten. Ist das nichts?
({5})
- Sind das keine Arbeitsplätze? Ich weiß nicht, wie Sie arbeiten. In Leipzig arbeiten die Menschen mit Menschen und nicht mit irgendwelchen Phantasien.
({6})
Einen Wermutstropfen kann ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD aber nicht ersparen. Wörtlich heißt es in der Presseerklärung des Instituts der deutschen Wirtschaft:
Geradezu dramatisch haben sich die Geschäftserwartungen in Sachsen-Anhalt verschlechtert.
({7})
- Herr Präsident, darf ich einen Moment unterbrechen, damit der Schreihals dort hinten zur Ruhe kommt?
Herr Kollege, Sie haben das Wort, und Sie sollten Ihre Zeit nutzen.
Angesichts der Tatsache, daß das Land Sachsen-Anhalt vor knapp 18 Monaten hervorragende Wachstumsraten vorweisen konnte, halte ich diese Entwicklung für bedenklich. Immerhin - das ist bekannt - trägt die PDS in weiten Bereichen Mitverantwortung für die Politik in Sachsen-Anhalt. Das zeigt einiges.
({0})
Die durchaus kritische Entwicklung in einigen ostdeutschen Regionen nun mit der Arbeit der Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, der BVS, in Verbindung zu bringen, halte ich für böswillig. Die BVS hat die Aufgabe, die nicht erledigten Fälle der Treuhandanstalt aufzuarbeiten - das sind bekanntermaßen nicht die leichtesten Fälle -, und sie soll die Vertragseinhaltung erledigter Fälle überwachen.
Nun habe ich mich aber nicht auf irgendwelche Pressemeldungen verlassen, sondern habe schlicht und einfach nachgefragt. Für mich als Leipziger Abgeordneter liegt die BVS-Geschäftsstelle in Leipzig am nächsten. Über deren Vertragsabwicklung kann ich folgendes berichten. Von rund 2 100 Verträgen, die in Leipzig von der BVS betreut werden, befinden sich 105 Fälle im Gesamtvollstreckungsund Konkursverfahren. Das sind 5 Prozent aller Verträge. Das ist schlimm genug für die Menschen, die konkret betroffen sind. Aber deshalb zu dem Schluß zu kommen, die Region Leipzig stehe vor dem Konkurs, entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Andererseits haben sich im Vertragsmanagement der Leipziger BVS-Geschäftsstelle Entwicklungen ergeben, deren Fakten den Behauptungen der PDS eindeutig widersprechen. Zugesagt war die Schaffung von 23 046 Arbeitsplätzen bis 1995. Tatsächlich geschaffen wurden 28 238, also etwa 5 200 mehr. Zugesagt waren Investitionen bis 1995 in Höhe von 850 Millionen DM. Investiert wurde aber mehr als 1 Milliarde DM.
Ich glaube, das reicht. Ich bin dankbar dafür, daß wir diese Aktuelle Stunde haben.
({1})
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Manfred Hampel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem dritten Anlauf, diese Aktuelle Stunde durchzuführen, hat die PDS
wenigstens ein halbwegs vernünftiges Thema zustande bekommen.
({0})
- Frau Enkelmann, ich habe Ihr Schreiben hier. - Der erste Anlauf stand im Zusammenhang mit der Finanzierung der Treuhandanstalt. Der zweite Anlauf stand im Zusammenhang mit den Insolvenzen und dem Ergebnis der Treuhandpolitik.
Zum Schluß haben Sie es wenigstens geschafft, zwei für die neuen Bundesländer wirklich wichtige Punkte, nämlich die steigende Zahl der Insolvenzen und die Treuhandnachfolgepolitik der Bundesregierung, in einem Thema unterzubringen. Es ist aber nicht aktuell. Wir müssen uns damit beschäftigen, aber ich sehe keine Notwendigkeit für eine Aktuelle Stunde.
Ich möchte mich der Politik der Treuhandnachfolger zuwenden, und zwar dem Teil, der uns als Abgeordnete in besonderem Maße interessieren muß, nämlich wie wir als Abgeordnete Einfluß auf die Gestaltung und die Politik der Treuhandnachfolge nehmen können und wollen. Hier waren wir uns in der 12. Legislaturperiode alle einig: Die Kontrolle der Treuhandnachfolger muß durch das Parlament erfolgen.
({1})
Wir waren uns über alle Fraktionen hinweg weiterhin darüber einig, daß dies durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses geschehen sollte. Ich glaube, daß ich auf die Bedeutung dieser Kontrolle nicht hinweisen muß. Es ist oft genug gesagt worden. Ich möchte aber noch einmal die Fakten nennen: Fast 2 Millionen Hektar land- und forstwirtschaftliche Fläche im Bereich der BVVG, 80 000 Hektar gewerbliche Nutzfläche, rund 60 000 gewerbliche Immobilien sowie Wohnimmobilien im Bereich der TLG, rund 30 000 Verträge im Bereich der BVS und 3 000 Abwicklungen, wobei ich jetzt nicht von den Nachverhandlungen spreche, die sich in jüngster Zeit ergeben haben. All diese Dinge machen es zwingend erforderlich, daß das Parlament auf die Entscheidungen - wenn es auch nicht daran beteiligt wird - zumindest Einfluß nehmen kann.
({2})
Kienbaum hat in einer Untersuchung vom Oktober dieses Jahres die Defizite noch einmal aufgezeigt. Wir haben uns im Haushaltsausschuß und in der Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" damit beschäftigt. Das Ergebnis ist: Die Treuhand-Nachfolgeeinrichtung BVS wird nicht in der Form arbeiten, wie wir es in dem Treuhandnachfolgegesetz ursprünglich geregelt haben:
Erstens. Der Zeitraum für die Erledigung der hoheitlichen Aufgaben wird wahrscheinlich deutlich länger sein. Sie sollten 1996 beendet sein. Nach dem jetzigen Konzept wird das über das Jahr 1996 hinausgehen.
Zweitens. Die Anzahl der Verträge hat sich - wie uns dargestellt worden ist - deutlich erhöht. Die Komplexität der Aufgaben hat ebenfalls zugenommen. Damit ist auch eine Korrektur des Zeithorizonts verbunden, insbesondere in der Personalausstattung. Die BVS arbeitet darauf hin, als Einrichtung über das Jahr 1998 hinaus tätig zu sein. Ich meine, es kann nicht unser Ziel sein, das zu unterstützen. Wir müssen als Parlament darauf achten, daß diese Aufgaben schnell, zügig, im Interesse der Unternehmen und im Interesse der Betriebe erledigt werden.
({3})
Ich möchte deswegen noch einmal eindringlich an die Kollegen von der Koalition appellieren: Die Aufgaben müssen anders strukturiert werden. Bei der letzten Beratung der Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" war nur ein einziger Kollege von der Koalition anwesend. Wenn das Ihre Haltung zu dieser Tätigkeit, zu dieser Aufgabe ist, dann machen Sie sich zum verlängerten Arm der Bundesregierung,
({4})
die das Thema möglichst kleinhalten und aus dem politischen Geschäft heraushalten will.
({5})
Ich meine, diese Aufgabe ist so wichtig, daß man sie nicht einfach der Administration überlassen darf. Schauen Sie sich an - ich hatte die wirtschaftlichen Kenndaten vorhin genannt -, welchen wirtschaftspolitischen Einfluß dieses Vorgehen in den neuen Ländern hat.
({6})
Das sind zentrale Stellen: ob das die BVS mit ihrem Einfluß auf die Vertragsgestaltung ist, ob das die TLG mit ihrer Verkaufspolitik ist oder ob es die BVVG mit Vermietung, Verpachtung und Verkauf ist. Das alles sind Dinge, die weitreichenden Einfluß auf die Wirtschaft der neuen Bundesländer haben. Das kann und darf man nicht einfach der Exekutive überlassen.
({7})
Ich bitte Sie, uns zu unterstützen, damit wir vielleicht doch noch gemeinsam ein Gremium von parlamentarischer Bedeutung schaffen.
({8})
Nun gebe ich das Wort dem Abgeordneten Manfred Kolbe.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer über die Lage der Wirtschaft im Osten Deutschlands wirklich reden und nicht nur polemisieren will, muß immer drei Dinge beachten und kann nichts weglassen: Das ist erstens die Ausgangslage; das sind zweitens die bisher erreichten Erfolge; das sind drittens die Politik
für die Zukunft und die Korrektur der Fehler, die bisher gemacht worden sind.
Erstens zur Ausgangslage: Das Land, aus dem ich stamme, Sachsen, war 1939 das Industrieland Deutschlands. Das Bruttosozialprodukt pro Einwohner war in Sachsen damals doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg. Was war 1989 daraus geworden?
({0})
Dazu zitiere ich Ihnen aus dem Papier der Herren Schürer, Beil, Schalck usw. - wenn Sie es mir nicht glauben - einige Auszüge:
Mißverhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Überbau und der Produktionsbasis. Die Verschuldung im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet ist seit dem 8. Parteitag gegenwärtig auf eine Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt. Ökonomisch uneffektiver Instandhaltungs- und Reparaturbedarf.
Ich frage mich wirklich allen Ernstes, wie einige von Ihnen, die dort jahrzehntelang leitende Funktionen übernommen hatten, hier manchmal die Stirn haben zu polemisieren.
({1})
Ich würde mich da zumindest zurückhalten.
Zweitens. Niemand kann, wenn er glaubhaft Kritik üben will, an den beachtlichen Erfolgen vorbeigehen. Die Wachstumsraten liegen bei 8 Prozent, der Anteil des Ostens am gesamtdeutschen Bruttosozialprodukt ist von 7,2 auf 10,4 Prozent angestiegen. Die Infrastruktur wird ausgebaut. Es gibt seit 1991 55 Milliarden DM an Verkehrsinvestitionen; das sind 60 Prozent der gesamtdeutschen Verkehrsinvestitionen, die in den Osten fließen.
({2})
In den östlichen Bundesländern gibt es 4,2 Millionen neue Telefone, die DDR hatte ganze 1,8 Millionen Telefone. Das kann man nicht verschweigen, wenn man als Kritiker ernst genommen werden will.
({3})
Damit komme ich zum dritten Punkt, zur bisherigen Politik. Ich darf aus dem Bericht der Bundesregierung zitieren. Wir haben nie verschwiegen, daß auch die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren nicht fehlerfrei war und daß wir erst die erste Hälfte des Aufbaus Ost erreicht haben. Genauso lautet der Titel eines Berichts, den die Bundesregierung herausgegeben hat. Er hat die nüchterne Überschrift: „Aufbau Ost - die zweite Hälfte des Weges".
({4})
Ich darf daraus zitieren; denn ich kann mich diesen Worten voll anschließen:
Angesichts der erfreulichen Fortschritte darf allerdings niemand aus den Augen verlieren, daß der Aufbau Ost bei weitem noch nicht bewältigt ist.
Das ist richtig.
Die zweite Hälfte des Weges liegt noch vor uns. Sie wird nicht weniger schwierig sein als die bisher zurückgelegte Wegstrecke.
Und insbesondere:
Trotz der Fortschritte und Erfolge beim Aufbau Ost ist das Ziel einer sich aus eigener Kraft im Wettbewerb behauptenden ostdeutschen Wirtschaft und die Angleichung der Lebensverhältnisse bei weitem noch nicht erreicht.
Dem können wir uns voll anschließen.
({5})
Was muß in Zukunft getan werden? Erstens. Der Hauptvorwurf gegen die Treuhandanstalt ist sicherlich der, daß zu wenig eigenständige Unternehmen entstanden sind und die Eigenkapitalausstattung zu schwach ist. Deshalb muß die Eigenkapitalhilfe Ost weiter fortgeführt werden.
Die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten haben bei der Beratung des Bundeshaushaltes durchgesetzt, daß die Verpflichtungsermächtigung insoweit aufgestockt wurde und die besseren Ostkonditionen vorerst weiter gelten.
Zweitens. Die industrielle Basis im Osten ist noch zu schwach. Der Anteil der industriellen Produktion beträgt im Osten 18 Prozent, im Westen 28 Prozent. Hier muß noch etwas getan werden.
({6})
Wir haben deshalb die Sonderabschreibungen auf den industriellen Bereich konzentriert.
({7})
Wir haben die Gemeinschaftsaufgabe Ost nach heftigen Auseinandersetzungen in alter Höhe fortgeführt, und wir haben die Mittel für die Industrieforschung ebenfalls bei den parlamentarischen Beratungen des Haushalts, insbesondere dank der Unterstützung unseres Fraktionsvorsitzenden, auf der alten Höhe fortgeführt.
({8})
Drittens. Wir müssen die Absatzsituation der ostdeutschen Unternehmen verbessern. Der Handelsbilanzüberschuß West gegenüber Ost beträgt 219 Milliarden DM. Zum Vergleich: Der Handelsbilanzüberschuß gegenüber Frankreich beträgt nur 7 Milliarden DM. Hier liegt die Hauptcrux. Wenn wir nicht die Absatzsituation der ostdeutschen Industrie verbessern, dann werden die Transfers die alte Höhe beibehalten.
Wir werden uns dort in besonderem Maße einsetzen. Das machen wir aber nicht durch Showveranstaltungen, sondern durch konkrete Politik, mit der wir bereits etwas erreicht haben. Wir haben bei den Beratungen des Bundeshaushalts unstrittig etwas erreicht.
Die meisten von uns sind direkt gewählte Abgeordnete und machen das durch tägliche Kleinarbeit im Wahlkreis, wenn sie sich um die Belange der Unternehmen des Wahlkreises kümmern. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
({9})
- Die kommen nicht zu Ihnen, wenn sie Probleme haben, die kommen zu uns. Diese Sacharbeit werden wir weiter fortführen.
({10})
Wir werden auch die zweite Hälfte des Weges - bei allen Problemen, die wir im Gegensatz zu Ihnen früher heute nie leugnen - zurücklegen und letztendlich die innere Einheit Deutschlands erreichen.
({11})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Rolf Schwanitz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kolbe, Sie haben in Ihrer Rede noch einmal massiv auf den Terminus der zweiten Hälfte des Weges abgestellt. Man muß ja froh sein, wenn man wenigstens ab und zu in diesen semantischen Umschreibungen einen Hauch von Kritik an den Programmen der Bundesregierung verspürt. Leider haben wir nicht mehr die Hälfte der Industrieunternehmen, und das ist das Problem, über das wir reden. Insofern war das deplaziert, was hier an Semantik versucht worden ist.
Ich glaube, der wirkliche Kern dieser Aktuellen Stunde ist, daß die Zahl der Insolvenzen angestiegen ist, natürlich in Gesamtdeutschland, aber in Ostdeutschland mit anderen Zahlen und aus ganz spezifischen Problemsituationen heraus. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Ursachen sind die Unerfahrenheit in Management- und Marketingfragen sowie in anderen Fragen, die Eigenkapitalschwäche, die angesprochen worden ist, das fehlende Risikokapital bei den Unternehmen oder der Zugang zu Risikokapital und, ich sage einmal, auch das Vollkaskodenken der Kreditgeber an vielen Stellen.
({0})
Wir sitzen alle hier und haben die Vertreter der Unternehmen bei uns in den Büros. Sie klagen darüber, wie schlecht die Zugangsmöglichkeiten zu den Kreditgebern und zu entsprechendem Kapital sind. Dazu gehört auch die schlechte Zahlungsmoral, wobei ich unterstelle, daß Sie alle in Ihren Wahlkreisen immer wieder hören, daß dort offensichtlich auch
die öffentlichen Hände zunehmend hinzugerechnet werden können.
({1})
Ich nenne auch den Bürokratismus. Tatsache ist, daß wir immer noch die 520 staatlichen Förderungsprogramme mit den 700 Einzelförderungsmaßnahmen haben, bei denen gerade der mittelständische Unternehmer nahezu keine Chance hat, entsprechende Förderung zu erlangen, wie das ein großes Unternehmen kann. Das sind natürlich alles Rahmenbedingungen, die dort die Ursachen schaffen.
Ich sage an der Stelle auch: Sicherlich ist die wirtschaftliche Situation der ostdeutschen Unternehmen zusätzlich durch die Treuhandpolitik der vergangenen Jahre geprägt. Ich glaube, es fällt uns überhaupt nicht schwer - ich appelliere besonders an Sie von der Bundesregierung -, das einfach einmal zuzugeben. Sie fordern ja auch von anderen Teilen, immer Vergangenheitsdinge mit in die Debatte einzubringen. Wir machen das natürlich ebenso. Hier ist ein „Vergangenheitsding" der Politik der Bundesregierung aus den letzten Jahren. Das muß man einfach auch einmal sagen.
({2})
Ich gehe jetzt auf das Thema Altschulden der Betriebe ein, und ich unterstelle noch einmal, daß auch bei Ihnen die Unternehmer und beispielsweise die Reprivatisierer, die enteignet worden sind, in den Büros waren und sich darüber beklagt haben, wie mit dem Instrument der Altschulden auf die Leute, die einsteigen wollten, teilweise über viele Jahre hinweg Druck gemacht worden ist. Dann lese ich in einem Brief der Bundesregierung, daß offensichtlich 95 Prozent der Altschulden bei den Unternehmen zum Schluß weggenommen worden sind.
({3})
Aber schließlich kommt doch der Satz, daß man der Meinung ist, daß das Konzept der einzelfallbezogenen Entscheidung - wie gesagt über Jahre hinweg - offensichtlich dennoch richtig war. Ich frage mich: Ist das Volksverdummung, oder was versucht man damit noch zu beschönigen an dieser Situation?
({4})
Ich sage an der Stelle aber auch: Natürlich hilft es nicht, die ostdeutsche Seele zu befriedigen, indem wir immer nur auf die Treuhandanstalt abstellen. Vielmehr ist klar, daß wir mehr Beratungshilfen brauchen. Wir müssen die Instrumente ausbauen. Wir brauchen Zugang zu mehr Fremdkapital. Wir brauchen besseres und quantitativ höheres Beteiligungskapital. Das hat mein Kollege Ilte vorhin angeführt.
Der Förderdschungel muß gelichtet werden. Selbstverständlich - das sage ich als Sozialdemokrat - müssen wir etwas dagegen tun, daß die Subventionsmentalität weiter um sich greift. Dazu gibt es im übrigen Vorschläge. Ich nenne hier nur das Stichwort
Einführung eines Subventionskontos. Das muß bei den entsprechenden Unternehmen durchaus geprüft werden.
Eine letzte Bemerkung möchte ich gerne zu etwas machen, worauf Herr Kollege Hampel bereits abgestellt hat. Ich bin in den vergangenen fünf Jahren hier im Bundestag in vielen Ausschüssen gewesen. Ich habe noch keinen Ausschuß und noch kein parlamentarisches Gremium erlebt wie dieses Gremium, das sich den Namen „Aufbau Ostdeutschland" gegeben hat und sich um die Treuhandnachfolge kümmelt. Eine Stunde pro Sitzungswoche - und die Kollegen aus der Koalition kommen regelmäßig zu spät, so daß wir keine Beschlußfähigkeit haben.
({5})
Das soll diesen Problemen gerecht werden? Ich stimme Ihnen zu, das ist nicht Ihr Privatvergnügen. Hier sind Sie verlängerter Arm der Bundesregierung, aber das zeigt die Haltung der Bundesregierung gegenüber den Treuhand-Nachfolgeproblemen.
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Nun spricht noch einmal der Kollege Wolfgang Bierstedt.
({0})
-- Ich muß doch bitten, Herr Kollege!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hollerith, ich entschuldige mich bei Ihnen, daß ich auf Ihre folgende Rede vielleicht nicht mehr antworten kann, aber ich möchte einfach einmal auf einige Positionen, die benannt worden sind, antworten. Sehen Sie es einfach einmal als den Versuch einer inhaltlichen Auseinandersetzung.
Erstens zu Herrn Dr. Pohler. Sie haben zum SKET gesprochen und von verschiedenen Konzepten, von Unternehmenskonzepten, Erhaltungskonzepten. Ich empfehle Ihnen ganz einfach mal die Presse- und dpa-Meldungen als Lektüre, die heute herausgekommen sind, und ich empfehle Ihnen auch die Äußerungen des Konzernbetriebsrats und verschiedene andere Studien, die vorliegen. Ich sage Ihnen ganz einfach, ich stimme mit den Kollegen vom Betriebsrat und auch mit den beiden Geschäftsführern völlig überein. SKET mit tausend Leuten ist scheibchenweise zum Untergang verurteilt. Das muß man sehen. Ein Maschinenbauunternehmen in dieser Größenordnung und mit dieser Leistung - alles aus einer Hand! - auf tausend Leute abschmelzen zu wollen, Kernbereiche herauszunehmen, das ist kein Konzept, das ist Tod auf Raten.
({0})
Nun zum Problem Bischofferode. Herr Jüttemann hat ja leider nicht die Chance, sich hier zu melden,
aber er hat mich gebeten, eine Erwiderung zu Bischofferode zu geben.
({1})
700 Dauerarbeitsplätze waren versprochen, 700 bis 1000. 40 Arbeitsplätze sind am Standort Bischofferode bis jetzt geschaffen worden. Die für kommenden Montag geplante Regionalkonferenz Nordthüringen wurde infolge zunehmend zu erwartender Erfolglosigkeit wieder einmal abgesagt.
Jetzt sage ich mal etwas ein bißchen Kompliziertes. Ich bitte von vornherein um Entschuldigung. Mein Kollege Jüttemann und ich kennen die Kollegen dort, er als Betriebsratsvorsitzender natürlich viel, viel besser. Er lädt Sie mit Ihrer Rede nach Bischofferode ein und verspricht Ihnen, wenn Sie Ihre Rede vor den Kumpels gehalten haben - die lassen sich nämlich nicht gern veralbern -, wird er Sie persönlich beschützen.
({2})
Gehen Sie da hin, und sagen Sie den Leuten das, was Sie hier gesagt haben! Haben Sie den Mut, machen Sie es!
Frau Kaspereit, hinsichtlich der Unterstützung durch die Landesregierungen stimme ich mit Ihnen überein. Wir hatten das am Montag beim Ministerpräsidenten schon einmal kurz skizziert. Dazu will ich nichts weiter sagen, da haben wir ziemlichen Konsens.
Herr Schulz, zur Konjunkturumfrage: Ich hatte Ihnen schon am Telefon gesagt, zumindest Ihrem Mitarbeiter, daß das ein kleiner Lapsus gewesen ist. Sie haben das seit 48 Stunden, und es hat sich um eine Umfrage gehandelt, nicht um eine Studie. Da hatte ich um Entschuldigung gebeten.
Aber eines kann ich hier nicht im Raum stehen lassen, und das betrifft Ihre Frage nach der Aktualität. Sie haben sie sehr stark in Zweifel gezogen. Es fällt mir schwer, aber ich sage Ihnen: Das ist ganz einfach ein Schlag ins Gesicht Ihrer grünen Kollegen, die mit mir gemeinsam an diesen Arbeitskämpfen teilgenommen haben.
({3})
Ich finde, es ist ganz einfach ein starkes Stück. Sagen Sie es bitte Ihren eigenen Kollegen.
({4})
- Na gut, das ist eine Aktuelle Stunde, ich mache eine Nachlese. Wissen Sie, wenn man hier gemeinschaftlich niedergemacht wird, dann hat man sicherlich auch mal die Chance, darauf einzugehen.
Herr Kollege Paul Friedhoff, wissen Sie, mir fiel eigentlich nur ein Stichwort ein: Sehhilfe. Arbeitgebersicht ist letztlich nicht Arbeitnehmersicht. Das ist wahrscheinlich der Unterschied, den man letztlich nicht gesehen hat.
({5})
Zu den Substanzfragen in Richtung des Herrn Staatssekretärs Kolb. Sie haben sehr ernst gesagt: Aber. Das ist ja eine Formel. Ich will Ihnen einfach sagen, 16,5 Prozent Arbeitslose sind eine ernste Geschichte. Dann haben Sie gesagt, es gibt erfolgreiche Privatisierungen, und da gibt es keine Insolvenzen. Das kann ja sogar stimmen. Aber wenn Sie das MAW von 6 000 bis 8 000 Arbeitskräften auf 200 herunterrubeln, die Waggonfabrik Dessau von 3 000 bis 4 000 auf 135,
({6})
SKET von 12 000 auf 1 000, Getriebewerk Wernigerode von 1 000 auf 26 und die Maschinenfabrik Buckau von 2 000 auf 50, dann muß ich Ihnen doch ganz einfach sagen: Gehen Sie einmal dorthin, dann kann ich Ihnen die Geschichte mit Buckau ganz genau erzählen, was da alles gelaufen ist.
({7})
Vielleicht noch ein ganz kleines Problem dazu. Der Kollege fing hier doch immer so an: Schlußfolgerungen. Herr Austermann, Schlußfolgerung null. Wenn ich mich recht entsinne, sind Sie Mitglied des Haushaltsausschusses.
({8})
Ich hatte eine ganze Reihe von Schlußfolgerungen vorbereitet. Ich will Ihnen mal eine vorlesen:
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben gibt in diesem Jahr fast 2 Milliarden DM weniger aus, als vom Bundesfinanzminister als Deckungslücke bewilligt war. Die BVS plant eine Kürzung des Budgets im nächsten Jahr auf 3 Milliarden DM und 1997 eine weitere Kürzung auf 1,8 Milliarden DM. Die Kürzungen erfolgen mit Billigung der Mehrheit des Haushaltsausschusses.
({9})
Meine Schlußfolgerung biete ich Ihnen einfach an: Setzen Sie sich im Haushaltsausschuß auseinander, und probieren Sie das einfach einmal!
Herr Ilte, Sie haben etwas Schönes über diese Baufirma gesagt. Das ist eine ganz tolle Sache. Ich sage Ihnen ganz einfach: Schauen Sie mal ein bißchen über den Tellerrand!
({10})
Ich sage Ihnen, ich komme aus einem Unternehmen in Sachsen-Anhalt, das in den letzten zwei Jahren eine Vervierfachung des Umsatzes erzielt hat. Damit Sie vielleicht einmal eine Vorstellung von der Größenordnung bekommen: Wir liegen derzeit bei
120 Millionen DM. Es ist eines der erfolgreichsten Unternehmen in den neuen Bundesländern, aus dem ich komme.
({11})
Trotzdem gehe ich davon aus, daß man auch mal ein bißchen über den Tellerrand schauen muß und nicht nur in seinen kleinen Bereich sehen darf.
Zu Herrn Schulz. Sie hatten mich ja schon als Schreihals bezeichnet. Na gut, das steht Ihnen einfach zu. Ich muß es Ihnen aber noch einmal sagen: Lesen und zitieren Sie die Studie bis zum Schluß. Dort steht nämlich drin, daß 40,5 Prozent der Unternehmen von einem Arbeitsplatzabbau ausgehen. Natürlich ist es positiv, wenn der Umsatz steigt und sich die Unternehmen in einer stabilen Situation befinden. Das Problem ist aber doch ein ganz anderes. Es geht um den Arbeitsmarkt. Hier stellt sich das Problem, daß die Arbeitslosigkeit ständig ansteigt. Es geht um die Leute, nicht nur um den Umsatz.
({12})
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ein letzter Satz: Herr Schürer ist nicht mein Freund; das gebe ich ganz ehrlich zu. Ich möchte auch dem Kollegen aus Sachsen noch einen Tip geben: Wenn Sie schon aus dem Jahre 1939 zitieren, dann ziehen Sie doch bitte die Rüstungsindustrie ab. Das wäre vielleicht etwas fairer. Darüber können Sie einmal nachdenken. Schätzen Sie dann noch einmal die realistische Wirtschaftssituation in Sachsen ein! Wir verleugnen doch nicht die Erfolge. Aber Erfolgshudelei hatten wir in der DDR genug. Sehen Sie sich einmal das Problem an, das auf der Tagesordnung steht. Es geht um Arbeitslosigkeit!
Danke schön - und schönes Wochenende.
({0})
Ich erteile dem Abgeordneten Josef Hollerith das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich empfinde es als ziemliche Unverfrorenheit,
({0}) daß die PDS diese Aktuelle Stunde beantragt hat.
({1})
Es ist eine besondere Dreistigkeit, wenn der Versuch unternommen wird, hier die Feuerwehr, die Sanierer, die Männer und Frauen, die die Beseitigung der Altlasten des Kommunismus leisten,
({2})
an den Pranger zu stellen, um von den Brandstiftern, also den Verursachern dieser Misere, abzulenken.
({3})
Sie von der PDS sind die Nachfolger dieser Brandstifter. Sie sind die Nachfolger der Kommunisten, die Nachfolger der SED. Der Kollege Bierstedt war laut seiner Biographie schon 1978 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.
Sie lösen die großen Probleme, die in den neuen Bundesländern bestehen, auch nicht dadurch, daß Sie hier Zensuren erteilen. Sie haben in dieser Debatte mit keinem Satz Lösungen aufgezeigt, die den Menschen dienen könnten.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine gerechte Bewertung zu ermöglichen, muß man auf die Ausgangslage blicken, auf die Eröffnungsbilanz nach 40 Jahren Kommunismus, nach 40 Jahren Planwirtschaft, Stasi-Herrschaft und Unterdrückung der Menschen. Wie war denn die Ausgangslage im Jahr 1990? Die Ausgangslage war durch wegbrechende Märkte, ein ausgeplündertes Land, eine kaputte Infrastruktur und unterlassene Investitionen in den Betrieben gekennzeichnet.
({5})
Ich muß sagen: Ich bewundere die Menschen in Leuna - ich habe das dort mit eigenen Augen gesehen -, daß sie ausgehalten haben, daß sie in diesen maroden Fabriken und unter diesen gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen überhaupt noch in der Lage waren, die Produktion aufrechtzuerhalten und damit Sozialprodukt zu erwirtschaften.
({6})
Das war die Ausgangslage nach 40 Jahren Kommunismus. Sie wurde von denen hinterlassen, deren Nachfolger Sie sind.
({7})
Eine Sekunde, Herr Kollege.
Herr Jüttemann, ich mahne Sie, sich zurückzuhalten. Ansonsten werde ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. Es reicht allmählich.
Bitte fahren Sie fort.
Danke, Herr Präsident.
Natürlich erfordert es ein gigantisches Werk, diese Strukturen zu verändern. Dies hat in Deutschland gewaltige Anstrengungen zur Folge; dabei denke ich zum Beispiel an den Solidaritätszuschlag. Dies hat gewaltige Einschnitte für die Menschen in den neuen Bundesländern bedeutet.
Natürlich sind bei diesem gigantischen Umbau auch Fehler vorgekommen. Die Marktwirtschaft ist ein Prozeß, der durch „Trial and error" gekennzeichnet ist und in der Summe zum Erfolg führt. Bei der Summenbilanz bin ich sehr optimistisch. Wir haben, was die Perspektiven und die Aufbauleistung angeht, eine positive Bilanz vorzuweisen. Die große Mehrheit der Menschen in den neuen Bundesländern, so empfinde ich es jedenfalls, erkennt diese positive Bilanz.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat am 14. November 1995 festgestellt,
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daß er bei den zentralen Indikatoren in den neuen Bundesländern im Jahre 1995 ein Wachstum von 7 Prozent und im Jahre 1996 ebenfalls von 7 Prozent erwartet. Er erwartet in den neuen Bundesländern ein Plus in der Zahl der Erwerbstätigen von 154 000 Menschen für 1995, in 1996 ein Plus von 111 000 Menschen - und dies bei einem sehr, sehr moderaten Inflationswert von 2,75 Prozent.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Botschaft, die wir den Menschen bringen müssen, ist natürlich auch, daß wir dort, wo Probleme sind, wo Schwierigkeiten sind, Lösungen anbieten. Das heißt für uns, daß wir die Kultur der Selbständigkeit, die in 40 Jahren Kommunismus vernichtet worden ist, wieder entwickeln,
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daß wir die Instrumente der regionalen Strukturpolitik, die Aufgabe der Länder ist, weiter entwickeln, daß wir die Möglichkeiten der Eigenkapitalhilfe, der Existenzgründungen, der Risikokapitalbereitstellung verstärken, daß wir den Mut aufbringen, die Aufgaben gemeinsam in einem großen Pakt der Solidarität von Kapital und Arbeit entwickeln. Das ist die Botschaft, die wir politisch ins Land bringen müssen und nicht eine Negativbotschaft, die Sie hier zu entwikkeln versuchen, die von den wahren Ursachen abzulenken versucht und das Erreichte in den negativen Trend bringen möchte, um den Menschen die Perspektive zu nehmen. Sie wollen nur die alten Strukturen wiederherstellen. Sie wollen nicht, daß es damit aufhört, daß es den Menschen besser geht und daß die Menschen mit Optimismus in die Zukunft schauen.
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Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Ehe ich schließe, möchte ich darauf hinweisen, daß am Dienstag, den 16. Januar 1996, um 11 Uhr der israelische Staatspräsident Weizman vor den Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates sprechen wird. Es wird Ihnen dazu eine gesonderte Einladung zugehen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 17. Januar 1996, 13 Uhr ein.
Ich möchte allen Anwesenden ein frohes Weihnachtsfest, ein glückliches, gesundes neues Jahr und Ihnen allen persönlichen Erfolg wünschen.
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Die Sitzung ist geschlossen.