Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne hiermit die Sitzung.
Ich gebe bekannt: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte erweitert werden.
1. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({0})
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes - Drucksache 13/ 2838 -
b) Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Grundrechte für die in der Europäischen Union lebenden Menschen - Drucksache 13/2457 Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Außerdem ist vereinbart worden, den ohne Aussprache vorgesehenen Tagesordnungspunkt III j abzusetzen.
Darüber hinaus mache ich auf eine nachträgliche Ausschußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam.
Der in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Oktober 1995 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich dem Haushaltsausschuß auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze
- Drucksache 13/2746 -Überweisung:
Ausschuß für Gesundheit ({1}) Innenausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß mitberatend
und gemäß § 96 GO
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich rufe die Einzelpläne 04, 05 und 14 auf: Einzelplan 04
Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
- Drucksachen 13/2604, 13/2626 Berichterstattung:
Abgeordnete Helmut Wieczorek ({2}) Roland Sauer ({3})
Dr. Wolfgang Weng ({4})
Einzelplan 05
Auswärtiges Amt
- Drucksachen 13/2605, 13/2626 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Erich Riedl ({5})
Eckart Kuhlwein
Einzelplan 14
Bundesministerium der Verteidigung
- Drucksachen 13/2614, 13/2626 Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Kurt J. Rossmanith Jürgen Koppelin
Dr. Wolfgang Weng ({6})
Helmut Wieczorek ({7})
Ernst Kastning Oswald Metzger
Zum Einzelplan 04 liegen zwei Änderungsanträge der Gruppe der PDS, zum Einzelplan 05 zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und zwei Änderungsanträge der PDS vor. Zum Einzelplan 14 liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Einzelplan 04 und über einen
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Änderungsantrag zum Einzelplan 14 namentlich abstimmen werden.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache fünf Stunden vorgesehen. - Auch hierzu sehe ich keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat als erster der Kollege Günter Verheugen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere heutige Debatte wird von dem Mord an dem israelischen Ministerpräsidenten Rabin überschattet. Viele von uns haben Yitzhak Rabin persönlich gekannt und wegen seiner mutigen und konsequenten Politik bewundert.
Es wird heute noch genug Gelegenheit geben, uns zu streiten. Aber ich halte es für notwendig, mit einem Thema zu beginnen, das uns nicht nur im Deutschen Bundestag verbindet, sondern alle Menschen, die für Frieden und Versöhnung eintreten.
({0})
Der fanatische Mörder konnte Yitzhak Rabins Leben vernichten, aber nicht sein Lebenswerk.
({1})
Daß das wahr bleibt, ist unsere über die Tage der Trauer hinausreichende Verantwortung. Wir müssen deshalb den Friedensprozeß im Nahen Osten auch in der Zukunft mit allen unseren Kräften unterstützen.
Beifall bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
Für uns Deutsche geht es dabei um mehr als Hilfe bei der Beilegung eines beliebigen Konflikts. Der Frieden im Nahen Osten wird mehr sein als ein Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern. Er ist eine Existenzbedingung für den Staat Israel, und das geht uns Deutsche direkt und unmittelbar an.
({2})
Deshalb kann uns der Mord an Ministerpräsident Rabin in unserer Entschlossenheit nur bestärken, die deutsch-israelische Freundschaft als ein besonders kostbares Gut zu pflegen und zu bewahren.
({3})
Meine Damen und Herren, schrecklicher Haß, blind wütende Gewalt, entfesselter Fanatismus - das ist eine Realität in dieser Welt. Die Folgen haben wir jetzt in Israel erlebt. Seit Jahren erleben wir sie in unserer Nachbarschaft, im ehemaligen Jugoslawien. Zum erstenmal seit langer Zeit besteht jetzt Hoffnung, daß das Morden, Vertreiben und Plündern ein Ende findet und daß eine tragfähige Friedensregelung gefunden wird.
In dieser Situation sehe ich keinen Sinn darin, noch einmal lange die Frage zu erörtern, wer wann was vielleicht falsch gemacht hat. Jetzt geht es um etwas viel Wichtigeres: Was können wir tun, um dem Frieden auch im ehemaligen Jugoslawien eine Heimat zu geben? Ich hoffe, daß wir vom Bundeskanzler und vom Außenminister dazu heute mehr hören als eine allgemeine Bestätigung der deutschen Verantwortung und konkrete Aussagen vielleicht nur zu einer möglichen Beteiligung am militärischen Teil der Umsetzung eines Friedensplans.
Aus der Sicht der SPD-Bundestagsfraktion kommt es jetzt darauf an, vorausschauende Lösungen zu finden, die nicht nur Bosnien für den Augenblick Frieden bringen, sondern die gesamte Region stabilisieren und keine Konfliktherde übriglassen.
({4})
Ich weiß, daß das ein anspruchsvolles Ziel ist. Aber wenn wir es nicht wenigstens ernsthaft versuchen, werden wir mitverantwortlich für neues Blutvergießen und neue Gewalt. Ich unterscheide deshalb zwischen humanitärer Hilfe, Wiederaufbauhilfe für Kriegsgebiete und Aufbauhilfe für die gesamte Region.
Humanitäre Hilfe muß überall dort geleistet werden, wo die Menschen ihrer bedürfen, ganz egal, wer sie sind und wo sie sind.
Für den Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Gebiete sind zuerst die Konfliktparteien selbst verantwortlich. Wir sollten ihnen großzügig helfen, aber nicht ohne Bedingungen.
({5})
Solche sind: demokratische Strukturen, Schutz von Minderheiten, Rüstungsverminderung und Gewaltverzicht.
Die politische und wirtschaftliche Stabilisierung der gesamten Region reicht über das ehemalige Jugoslawien hinaus. Aufbauhilfe für die Region bis hin zur Eröffnung einer realistischen europäischen Perspektive verlangt grenzüberschreitende Kooperation, Vertrauensbildung und Abbau von Spannungsursachen. Wir wissen aus der Zeit der erfolgreichen Entspannungspolitik, daß ein solcher Weg möglich ist. Erfahrungen können genutzt werden. Gerade hier kann der deutsche Beitrag besonders ins Gewicht fallen.
Die deutsche und europäische Politik sollte in dem in Gang gekommenen Friedensprozeß auf Ausgrenzungen verzichten. Wir wollen nicht den einen für gut und den anderen für böse erklären, sondern an einem gemeinsamen Neubeginn aller mitwirken. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Serbien-Montenegro wieder einen Platz in der internationalen Gemeinschaft zu geben und entsprechend den Fortschritten des Friedensprozesses auch die Beziehungen zu diesem Land, bei dem ein Schlüssel für den Frieden in der Region liegt, wieder zu entwickeln. Die Zeit kann schnell kommen, wo auch Belgrad die Hand gereicht werden sollte. Es gibt gute Zeichen dafür, daß sie angenommen würde.
Meine Damen und Herren, die Hoffnung auf Frieden im ehemaligen Jugoslawien erspart uns nicht eine bittere Frage: Warum konnte dieser Krieg nicht früher gestoppt werden? Vor allem aber: Was muß geschehen, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt? Europa - das hat sich gezeigt - hat nicht das Maß an Einheit und den Entwicklungsstand seiner Institutionen, die es wirklich handlungsfähig gemacht hätten. Die Vereinten Nationen sind in ihrer politischen und militärischen Handlungsfähigkeit begrenzt. Dennoch wäre es falsch, das Engagement der Vereinten Nationen als Fehlschlag abzutun.
({6})
Hunderttausende Menschen verdanken dem Handeln der Vereinten Nationen ihr Leben. Die Friedensgespräche sind in Gang gekommen, nachdem es unter Führung der USA zu einem massiven militärischen Eingreifen gekommen war. Aber kann und darf das unser einziges Konfliktlösungsmodell sein? Nein. Wenn der Bosnienkonflikt eines deutlich gemacht hat, dann dies: Wir brauchen in Europa und in der Welt starke, handlungsfähige Systeme gemeinsamer Sicherheit, denen die Verantwortung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit obliegt und die sie zuverlässig wahrnehmen.
({7})
Davon sind wir weit entfernt. Ich weiß auch nicht, ob es in absehbarer Zeit erreichbar ist. Aber es kann ein großes gemeinsames Ziel der deutschen und der europäischen Außenpolitik sein, solche Systeme zu schaffen. Wir brauchen Instanzen in Europa und in der Welt, die die Legitimation und die Fähigkeit haben, die Ursachen von Spannung und Gewalt vorbeugend zu bekämpfen, Krisen mit politischen Mitteln zu entschärfen und als letzte und äußerste Möglichkeit Verstöße gegen das Gewaltverbot zu ahnden.
Die Satzung der Vereinten Nationen sieht das alles vor. Sie sieht auch Regionalorganisationen vor, die einen Teil ihrer Verantwortung übernehmen können. Für mich beantwortet sich die oft gestellte Frage nach der deutschen Verantwortung in der Welt so: Unser Land sollte mit seinem ganzen Gewicht und mit seinem ganzen Einfluß darauf hinwirken, daß die Vereinten Nationen so handeln können, wie es in ihrer Charta steht, und daß in Europa eine Sicherheitsgemeinschaft entsteht, die die Konfliktbewältigung zur gemeinsamen Aufgabe aller europäischen Staaten macht.
({8})
Was ein System kollektiver Sicherheit in seiner Verantwortung tut, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, das muß jedes Mitglied eines solchen Systems im konkreten Einzelfall unterstützen können, wobei Art und Ausmaß der Unterstützung selbstverständlich der Entscheidung in eigener, nationaler Verantwortung überlassen bleiben.
Meine Damen und Herren, die Lösung, die sich für das ehemalige Jugoslawien anbahnt, daß nämlich die NATO in einer noch zu regelnden Verbindung mit anderen Staaten das tut, was eigentlich die UNO oder eine europäische Sicherheitsgemeinschaft tun müßte, ist aus dem Zwang widriger Umstände geboren und kein auf Dauer tragfähiges Modell.
({9})
Ich kann Ihnen leicht ein Dutzend Konflikte in der Welt aufzählen, wo es so nicht funktionieren würde. Nicht einmal in Europa könnte es überall so gehen. Die NATO ist für eine solche Aufgabe nicht geschaffen. Sie würde auf Dauer daran zerbrechen. Wohl aber kann die NATO eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems geht. Sie würde in einem solchen System nicht überflüssig, sondern könnte es als transatlantische Klammer sinnvoll ergänzen.
Im Augenblick haben wir kein stabiles Sicherheitssystem, das ganz Europa umfaßt. Wir haben nur Bruchstücke. Bis jetzt kann ich nicht erkennen, wie die Bundesregierung aus den vorhandenen Einzelteilen NATO, OSZE, WEU, GASP, Partnerschaft für den Frieden usw. ein sinnvolles Ganzes schaffen will. Da wird an allen möglichen Ecken gewerkelt, aber ein Bauplan ist nicht zu erkennen.
({10})
So entsteht dieser Eindruck eines heillosen Gewurstels, eines sich irgendwie Durchmogelns, das so kennzeichnend für die Außenpolitik dieser Regierung ist.
({11})
Die verschiedenen Systeme sinnvoll aufeinander zu beziehen, sie anzupassen und zu verändern, wo es nötig ist, damit sie sich zu einem Ganzen fügen, das ist die große außenpolitische Aufgabe von heute.
({12})
Für mich ganz und gar unverständlich, werden vor allem die Chancen nicht genutzt, die in einem Ausbau der OSZE liegen. Der OSZE fehlt das völkerrechtliche Fundament. Wir wollen, daß dieses Fundament geschaffen und dann Schritt für Schritt eine europäische Friedensgemeinschaft entwickelt wird.
Die Europäische Union befindet sich in einer schwierigen Phase. Lassen Sie mich zunächst sagen, daß für uns Sozialdemokraten die europäische Einheit die alles entscheidende Konstante der deutschen Politik überhaupt ist.
({13})
Daran darf es keinen Zweifel geben. Es ist kein Zweifel an Europa und an unserem festen Willen zur deutschen Integration in Europa, wenn man angesichts der jetzt nahe herangerückten Termine an die Bedingungen der Währungsunion erinnert. Die schrillen Reaktionen aus dem Regierungslager auf die Hinweise des SPD-Vorsitzenden auf die Modalitäten der Währungsunion waren ganz und gar unangebracht.
({14})
Daß die Einhaltung der Stabilitätskriterien wichtiger ist als der Zeitplan, haben Sie, Herr Bundeskanzler, als erster gesagt. Das ist längst Allgemeingut in der deutschen Politik. Wir haben 1992 während der Maastricht-Debatte den Parlamentsvorbehalt durchgesetzt.
({15})
- Ja, gegen Sie, Herr Waigel. - Wir wollen, daß der Bundestag die Verantwortung dafür übernimmt, daß die gemeinsame europäische Währung keinen Verlust an Währungsstabilität bedeuten wird.
({16})
Der CDU-Parteitag war nicht nur wegen der Ref ormen, denen er sich verweigert hat, interessant; er hat in diesem Punkt etwas beschlossen, was hier zitiert werden muß. Ich zitiere den CDU-Parteitagsbeschluß:
Voraussetzung für eine gemeinsame europäische Währung bleibt die dauerhafte Erfüllung der strengen Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages. Die Sicherung einer dauerhaft integrierten Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten im europäischen Währungsgebiet ist Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion.
Wenn diese Worte einen Sinn haben, dann bedeuten sie, daß Maastricht nachgebessert werden muß; denn so steht es nicht im Vertrag.
({17})
Wir haben seinerzeit kritisiert, daß das nicht im Vertrag steht.
({18})
- Auf diesen Zwischenruf, Herr Irmer, habe ich gewartet. Ich habe genau hier hingeschrieben: „Zwischenruf Irmer: Warum haben Sie zugestimmt?".
({19})
Herr Irmer, wie sähe Europa heute aus, wenn der von dieser Regierung ausgehandelte und unterschriebene Vertrag an Deutschland und in Deutschland an der SPD gescheitert wäre? Das ist der Grund gewesen: Aus staatspolitischer Verantwortung haben wir diesem Vertrag zugestimmt.
({20})
- Da lachen Sie. Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, war damals nicht einmal in der Lage, die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für die Ratifizierung des Vertrags zu schaffen. Diese Arbeit haben wir für Sie gemacht.
({21})
Aber jetzt will ich etwas von Ihnen wissen, Herr Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender: Wann und wie wollen Sie diese Forderung Ihres Parteitages unseren Partnern in der Europäischen Union präsentieren? Soll das Gegenstand der Regierungskonferenz werden? Ich würde es begrüßen. Aber was machen Sie, wenn Sie diese Nachbesserung nicht erreichen? Kommt dann die Währungsunion nicht? Sie haben den Vertrag abgeschlossen. Jetzt wollen Sie ihn anders.
Ich könnte jetzt etwas zu Populismus und D-MarkNationalismus anmerken, aber ich unterlasse das, weil die Frage zu ernst ist und weil diese Debatte endlich in und mit der deutschen Öffentlichkeit geführt werden muß. Wo denn sonst, wenn nicht hier?
({22})
Unsere Aufgabe ist es, die Deutschen davon zu überzeugen, daß die Währungsunion kommen muß, wenn die Bedingungen stimmen. Ich glaube nicht, daß die Deutschen davon schon überzeugt sind.
({23})
Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen: Natürlich muß die Europapolitik Gegenstand der Debatte in Deutschland sein. Wir haben sie nicht zu oft, sondern zu selten geführt.
({24})
Europa braucht Europäer, und die gewinnt man durch Überzeugungsarbeit und nicht durch Gezerre hinter verschlossenen Türen.
({25})
Zur Diskussion steht heute die Gesamtpolitik der Bundesregierung. Wenn man Ihnen, Herr Bundeskanzler, außen- und sicherheitspolitisch noch zugute halten kann, daß es eine Reihe von großen Fragen gibt, auf die noch niemand eine endgültige Antwort hat, und selbst Sie eine neue Weltordnung nicht im Alleingang schaffen können,
({26})
so sieht Ihre innenpolitische Bilanz heute schlimmer aus denn je. Das kann man nach 13 Jahren Regierung Kohl mit Bestimmtheit sagen:
({27})
Ihre Politik hinterläßt tiefe Spuren der Beschädigung
in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen. Nach Ihnen wird einer lange Zeit schwer aufräumen müssen.
({28})
In der alles entscheidenden Frage der Beschäftigungspolitik sind Sie ein Kanzler der Untätigkeit.
({29})
Die Wurzel fast allen nationalen Übels bei uns ist die zu hohe Arbeitslosigkeit. Die jüngsten Zahlen von Ende Oktober zeigen: Die Arbeitslosigkeit liegt, mit steigender Tendenz, über der des Vorjahres. Sie kostet jetzt 130 Milliarden DM im Jahr. Das Hauptziel
der Regierungspolitik müßte sein: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und noch einmal Arbeitsplätze.
({30})
Aber Sie überlassen das Problem dem Selbstlauf der Wirtschaft. Die ist an ihren Kosten und Erträgen interessiert. Ich stelle das nur fest; das ist ja nun einmal so. Für eine aktive Beschäftigungspolitik zu sorgen wäre Ihre Aufgabe.
({31})
Ungenutzte Möglichkeiten gibt es zuhauf: regionale Strukturpolitik, mehr Forschung, mehr Qualifizierung, ökologischer Umbau. Das alles könnten Sie tun oder wenigstens fördern. Statt dessen kommen Sie uns mit dem Ladenschluß, der - so wie Sie es jetzt angelegt haben - beschäftigungspolitisch zu nichts anderem führen wird als einer uferlosen Vermehrung der 580-Mark-Jobs zu Lasten ordentlicher Teilzeitarbeitsverhältnisse.
({32})
Viel redet diese Regierung von der Globalisierung der Märkte und der damit verbundenen Risiken. Dagegen müßten Sie auf die Innovationsfähigkeit unserer Volkswirtschaft setzen, auf das Potential unserer Wissenschaftler und Techniker. Aber hier sind Sie ein Kanzler des Stillstands, der in sich ruht wie ein chinesischer Buddha.
(Lachen und Beifall bei der SPD -
Gefällt mir!)
- Es gefällt Ihnen?
(
Das gefällt mir sehr gut!)
Deutschland fällt als Forschungsstandort zurück. Sie haben Kapazitäten zerstört, statt neue zu entwikkeln. In unserem Land stecken große Kräfte. Aber Sie bringen es nicht fertig, sie freizusetzen.
({0})
Darf ich um mehr Ruhe im Saal bitten! Man kann den Redner kaum mehr verstehen.
Umweltpolitisch sind Sie der Kanzler des gebrochenen Wortes.
({0})
Ihre gegenüber der internationalen Gemeinschaft gemachte, in diesem Jahr erst erneuerte Zusage, einen deutschen Beitrag zur Vermeidung der Klimakatastrophe zu leisten und bis 2005 den CO2-Ausstoß um 25 Prozent zu senken, ist nicht mehr zu erfüllen. Das sagen Ihre eigenen Experten. Sie haben auch nichts dafür getan. Auf der Habenseite steht eine schwächliche Wärmeschutzverordnung, sonst nichts.
Von ökologischer Steuerreform ist bei Ihnen keine Rede mehr. Sie lassen auch hier die Dinge laufen und denken wohl: Soll doch die nächste Generation auch noch etwas zu tun haben. Und damit wir es nicht vergessen: Einen beklagenswerten Wechselbalg von Ozongesetz haben Sie zustande gebracht, in den Werten und technischen Erfordernissen so sehr manipuliert, daß kein Gesetz besser gewesen wäre als dieses. Man kann noch nicht einmal sagen, daß die Jahrhundertaufgabe der ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft bei Ihnen in schlechten Händen wäre. Sie haben diese Aufgabe überhaupt noch nicht erkannt.
({1})
Sie sind ein Kanzler der Wohnungsnot geworden. Es fehlen mehr als 2 Millionen Wohnungen, vom Sanierungsbedarf in Ostdeutschland ganz zu schweigen. Den sozialen Wohnungsbau haben Sie schon ruiniert, der freifinanzierte geht jetzt auch den Bach runter, wie die Verbände der Wohnungswirtschaft und der Bauindustrie übereinstimmend sagen. Und als hätten Sie die Mieter mit einer Politik, die bezahlbaren Wohnraum zu Mangelware macht, nicht schon genug geängstigt, verkaufen Sie jetzt mal soeben 48 000 Bundeswohnungen.
({2})
In diesen Wohnungen leben Menschen mit meist geringem Einkommen. Was glauben Sie wohl, wie diese Mieter über Ihre Regierungskunst und die Chaostruppe im Finanzministerium denken?
({3})
Sie sind der Kanzler der Höchstbesteuerung geworden. Im Durchschnitt sind die Einkommen jetzt bei einer Steuer- und Abgabenquote von 48 Prozent angekommen, fast 10 Prozent mehr als zu Beginn Ihrer Regierungsarbeit. Haben wir von Ihnen nicht einmal gehört, daß sich Leistung wieder lohnen soll? Sollte das eine sportpolitische Aussage gewesen sein, war Tennis gemeint, Herr Bundeskanzler?
({4})
Aber Sie haben die Steuerlast nicht nur erhöht, Sie haben sie auch anders verteilt, mit dem Ergebnis, daß die Normalverdiener heute wesentlich mehr zum Gesamtsteueraufkommen beitragen müssen als jemals zuvor. Es paßt ins Bild, daß es bei der Einkommens- und Vermögensentwicklung genau umgekehrt ist: Da sinkt der Anteil der Normalverdiener. Damit sind Sie auch noch zum Kanzler der Ungerechtigkeit geworden.
({5})
Der Kanzler der Höchstverschuldung sind Sie ja schon lange. Angetreten waren Sie mit dem Versprechen, die Staatsverschuldung abzubauen. Allein in der Amtszeit des jetzigen Finanzministers haben Sie die Schulden- und Zinslast verdoppelt. Jede vierte Steuermark wird im nächsten Jahr für das Zahlen von Zinsen verbraucht. Haben Sie sich eigentlich einmal
überlegt, was das gesellschaftspolitisch bedeutet, wer die Steuern bezahlt und wer die Zinsen bekommt?
({6})
Mit Ludwig Erhard verband sich einmal die Devise: Wohlstand ist für alle da. Das haben Sie mit Ihrer Politik gründlich widerlegt.
({7})
Mit Ihrer Schuldenpolitik verschieben Sie die Finanzierungsprobleme auf spätere Generationen. Ihr Enkel möchte man wirklich nicht sein.
({8})
Gelegentlich denken Sie auch ans Sparen, aber da fallen Ihnen immer nur diejenigen ein, die es ohnehin am schwersten haben. So soll es auch weitergehen: Arbeitslosenhilfe gekürzt, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Arbeitslose zusammengestrichen, alleinerziehenden Müttern die Hilfe weggenommen.
In diesem Jahr haben Sie sich einen weiteren Platz im Buch der Rekorde erworben: Sie haben das größte Haushaltsloch produziert, das diesem Parlament jemals eingestanden werden mußte. So sind Sie in Ihrer Regierungszeit wenigstens bei den Löchern zur Weltspitze aufgestiegen:
({9})
Sie haben das tiefste Loch, nämlich in Windischeschenbach in der Oberpfalz, und Sie haben das größte Loch, und zwar in Ihrem Haushalt, meine Damen und Herren.
({10})
Wissen Sie was: Sie haben einen Finanzminister, der mit Geld nicht umgehen kann.
({11})
Nein, er kann mit Geld nicht umgehen. Wäre er der Chef einer Bank, würden seine Schalter von der Bankenaufsicht geschlossen.
Wir kennen die Methoden, Herr Bundeskanzler, mit denen Sie die Ergebnisse Ihrer Politik vergessen machen wollen. Auf Parteitagen beklagen Sie die gesellschaftlichen Folgen Ihrer Politik, fordern mehr Verantwortung und Gemeinsinn und tun so, als hätten Sie nichts damit zu schaffen, daß diese Tugenden selten geworden sind.
({12})
Ich sage Ihnen: Jugendkriminalität, Gewaltbereitschaft, Rücksichtslosigkeit, zügellose Gewinnsucht - das alles fällt nicht vom Himmel. Das sind die sozialen Wirkungen politischer Ursachen, die Sie geschaffen haben.
({13})
Nachher werden Sie sich hierherstellen und fragen: Von welchem Land redet denn die SPD? Schauen Sie sich doch um: Den Leuten geht es gut. Was wollen Sie denn? - Ja, es ist wahr. Den meisten Menschen in unserem Land geht es, verglichen mit anderen Ländern, gut.
({14})
Aber es sind zu viele, denen es nicht gut geht, meine Damen und Herren.
({15})
Wir dürfen nicht nur die sehen, die im Lichte stehen. Wir müssen auch die sehen, die auf die Schattenseite der glitzernden Wohlstandsfassaden abgedrängt sind. Der Staat ist nicht in erster Linie für die Starken da; seine besondere Fürsorge muß den Schwachen gelten.
({16})
Wir wollen eine humane Gesellschaft, in der jeder seine gerechte Chance hat, aber die Politik dieser Regierung schafft Chancen nicht, sondern zerstört sie für zu viele. Wer das nicht sehen will oder die Zielgruppen der Fernsehwerbung für die ganze gesellschaftliche Wirklichkeit hält, der leidet an einem gefährlichen Realitätsverlust.
({17})
Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland sind vital und kreativ genug, um die großen Probleme zu bewältigen. Was die Gestaltungs- und Antriebskräfte lähmt, ist die Politik einer Regierung, von der auch nicht der Hauch jener Aufbruchstimmung ausgeht, die wir zur Gestaltung unserer Zukunft brauchen.
({18})
Als nächster spricht der Kollege Rudolf Seiters.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dieser Rede des Kollegen Verheugen weiß ich endlich, warum er als Generalsekretär und Bundesgeschäftsführer der SPD gescheitert ist.
({0})
- Habe ich leider nicht verstanden.
({1})
Manchmal haben unterschiedliche Mehrheiten im Deutschen Bundestag und in den Ländern auch etwas Gutes. Man kann nämlich auf die alte christliche Weisheit zurückgreifen, daß man Leute an ihren Taten mißt und nicht an ihren Sprüchen.
({2})
Ich finde es schon ein starkes Stück, daß die Sprecher der SPD gestern und heute hier im Deutschen Bundestag ein Horrorszenario von sozialer Kälte und finanzpolitischem Niedergang malen,
({3})
während ausgerechnet in den Ländern, in denen die SPD mit absoluter Mehrheit regiert, die Schulden explodieren und eine soziale Leistung nach der anderen gekürzt wird. Das ist die Wahrheit.
({4})
Ich möchte ein Beispiel Ihres ehemaligen wirtschaftspolitischen Sprechers nennen. Die SPD in Niedersachsen streicht und kürzt gegenwärtig, was das Zeug hält: bei den Krankenhäusern, den Sozialstationen, beim sozialen Wohnungsbau, bei den behinderten Menschen, den psychisch Kranken, den Obdachlosen und den Blinden. Sie wissen nicht, was in Deutschland los ist, sonst müßte ich sagen: Heuchelei, dein Name ist SPD.
({5})
Herr Kollege Seiters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Larcher?
Nein. - Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat in diesen Tagen der SPD-Alleinregierung in Niedersachsen geschrieben, er sei bestürzt über die konzeptionslose, verworrene und sparwütige Sozial- und Jugendpolitik in Niedersachsen. Planvolles und verläßliches Handeln sei nicht mehr feststellbar.
({0})
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der DGB-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen, wirft der SPD-Alleinregierung in Niedersachsen vor, in der Arbeitsmarktpolitik sei Niedersachsen Schlußlicht unter allen Bundesländern.
({1})
Niedersachsen und das Saarland - ausgerechnet die beiden Länder mit absoluter SPD-Mehrheit - sind unter den deutschen Flächenländern die Spitzenreiter in Sachen Arbeitslosigkeit. In der Finanzpolitik
sind Schröder und Lafontaine die Weltmeister im Schuldenmachen. Das ist die Wahrheit.
({2})
Schröders Wahlkampfversprechen vor einem Jahr: Wir machen jedes Jahr weniger Schulden. Zur Zeit sieht es so aus: Die Staatsverschuldung steigt und steigt und steigt. Ich sage das deswegen, weil es jeder Glaubwürdigkeit entbehrt, wenn Sie vor diesem Hintergrund eine auch im internationalen Maßstab erfolgreiche Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung angreifen, während Sie selbst dort, wo Sie mit absoluter Mehrheit nach sozialdemokratischen Vorstellungen handeln und entscheiden können, auf geradezu klägliche Weise versagen.
({3})
Noch toller finde ich eigentlich, daß Sie - ich sage das noch einmal -, die Weltmeister im Schuldenmachen, sich zu Hütern der Geldwertstabilität aufspielen, wenn es um das Thema Wirtschafts- und Währungsunion geht. Das ist schon ein starkes Stück.
({4})
Ich beziehe mich jetzt auf ein Interview mit Gerhard Schröder, der die Meßlatte immer höher legt.
({5})
Er fing damit an, der Bundeskanzler müsse wissen, daß er scheitere, wenn Italien bei der Währungsunion nicht dabei sei.
({6})
Dann hat er geradezu unverhohlene und offene Begeisterung gezeigt, endlich ein nationales Wahlkampfthema gefunden zu haben. Heute sagt er, die Währungsunion könne nicht zustande kommen; der Zeitplan müsse verschoben werden, wenn Italien, Spanien oder Großbritannien nicht dabei wären.
Sie kennen doch auch die besorgten Stimmen aus Ihrer eigenen Partei zu dieser Kampagne. Was heißt es denn, wenn der Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch, SPD, sagt:
Ich kann die SPD nur davor warnen, die Ängste der Bevölkerung vor der geplanten Einführung der EU-Währungsunion zum Wahlkampfthema zu machen. Die SPD kann auf einer nationalistischen Welle keine Wahlen gewinnen.
({7})
Was heißt es denn, wenn er sagt: „Da werden die Balken des eigenen Hauses verbrannt"?
({8})
Was heißt es denn, wenn Heide Simonis sagt: „Ich warne vor Stammtischdebatten" und wenn der thüringische Europaabgeordnete Gerhard Botz von einem „Schlag unter die Gürtellinie" spricht, der um so unverständlicher sei, als Scharping ja auch Vorsitzender der europäischen Sozialdemokraten sei.
Das ist ein massiver Fehler, das kann ich nicht mehr als Ausrutscher werten.
Wulf-Mathies und viele andere haben sich geäußert. Ich appelliere an Sie, diese Kampagne einzustellen. Ich warne die SPD, dieses zentrale Anliegen als Wahlkampfverfügungsmasse zu betrachten.
({9})
Nun zu den außenpolitischen Thesen des Kollegen Verheugen. Ich denke, daß die Außen- und Sicherheitspolitik eines der klassischen Beispiele dafür ist, wie isoliert die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist und wie unrealistisch ihre Positionen sind. Vor kurzem hat der „Vorwärts" vor einem Militarismus in der deutschen Außenpolitik gewarnt. Das ist wirklich abwegig.
Die SPD werde nicht zulassen, daß Außenpolitik auf die Frage von Bundeswehreinsätzen reduziert werde, hieß es weiter im „Vorwärts". Es ist unsinnig, das der Bundesregierung vorzuwerfen.
({10})
Über das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu seinen Nachbarn führt er aus: Die deutschfranzösischen Beziehungen seien nicht belastbar, das Verhältnis zu den Niederlanden sei überlagert von der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik seien immer noch vergiftet, das Verhältnis zu Polen sei so zerbrechlich wie feinstes Glas.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Äußerungen von Herrn Scharping, der sich zu der Absurdität verstieg, die Bundesregierung sei mit ihrer Bosnien-Politik international isoliert. Wer ein solches Zerrbild verbreitet, ist weder regierungs- noch oppositionsfähig.
({11})
Niemals war das Vertrauen in das demokratische Deutschland und der Wunsch nach Zusammenarbeit größer als heute. Das hat eben mit der jetzt 13jährigen Kanzlerschaft von Helmut Kohl und mit der Stetigkeit und Verläßlichkeit dieser Bundesregierung zu tun.
({12})
Deutschland ist ein absolut verläßlicher Partner im Bündnis. Deutschland ist ein konsequenter Verfechter europäischer Integration und atlantischer Partnerschaft. Deutschland ist Anwalt der Interessen unserer osteuropäischen Nachbarn. In Warschau, Budapest oder Prag hören Sie den Dank dafür, daß sich
Deutschland konsequent für den Beitritt dieser Länder zur NATO und zur Europäischen Union einsetzt.
({13})
Deutschland ist Partner Rußlands bei dessen schwerem Weg von der Diktatur zu Demokratie und Marktwirtschaft. Unstreitig ist auch, daß Deutschland hohes Ansehen in den Ländern der dritten und vierten Welt genießt. Wie wäre es wohl um das Ansehen Deutschlands bestellt, wenn Verheugen unsere deutschen Interessen bei der NATO, Lafontaine in Washington, Gerhard Schröder als Menschenrechtsexperte in Peking und Heide Wieczorek-Zeul in Paris vertreten würden?
({14})
Wie wäre es wohl um unsere deutschen Interessen bestellt?
({15})
Wir können uns keine außenpolitische Sonderrolle und keine bündnispolitischen Experimente leisten. Wir sind darüber froh, daß der kalte Krieg zu Ende ist. Der Kommunismus ist gescheitert, die osteuropäischen Staaten bewegen sich hin zu Demokratie und Marktwirtschaft. Wir haben die staatliche Einheit Deutschlands erreicht.
Aber wir sehen auch die neuen Gefährdungen: Mord und Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Nationalitätenkonflikte, Unsicherheiten über den politischen Kurs Rußlands, die Gefährdungen durch einen fundamentalistischen islamischen Extremismus und vieles andere mehr. Vor diesem Hintergrund brauchen wir auch künftig ein klares Programm zur äußeren Sicherheit. Wir brauchen auch künftig die NATO und die Bundeswehr, wir brauchen auch künftig eine Partei, die sich vor die Soldaten stellt, wenn diese mit Mördern verglichen werden.
({16})
Wir brauchen auch künftig Solidarität im Bündnis und eine Politik, die die europäische Einigung voranbringt.
Herr Verheugen, es war doch eine ganz unselige Diskussion in den vergangenen Monaten mit Ihrer Partei über den Einsatz der Bundeswehr bei friedenserhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen. Ich will in Erinnerung rufen: Am 8. April 1993 hat das Bundesverfassungsgericht Ihre Klage gegen einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen bei der Überwachung des Flugverbots über dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien mit der Begründung abgelehnt, daß sonst großer außenpolitischer Schaden entstehen würde.
({17})
Am 12. Juni letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht all Ihren Versuchen, das Grundgesetz hinsichtlich der Möglichkeit einer Teilnahme von Bundeswehrsoldaten an Friedensmissionen einzuengen, eine klare Absage erteilt. Am 30. Juni dieses Jahres haben Sie hier im Parlament gegen den
Beschluß der Bundesregierung gestimmt und damit auch ein Stück Solidarität gegenüber den geschundenen Menschen in Sarajevo und Bosnien und gegenüber unseren Verbündeten verweigert.
({18})
Als gäbe es keinen Anlaß, aus diesen Fehlentscheidungen die richtigen Lehren zu ziehen, als hätten Sie immer noch nicht mitbekommen, daß erst der NATO-Einsatz den Waffenstillstand in Bosnien ermöglicht hat,
({19})
wollen Sie jetzt - sehen Sie doch einmal in Ihre Papiere zum Parteitag in Mannheim! - in Mannheim halsstarrig Ihre Fehlentscheidung vom 30. Juni auch noch sanktionieren lassen. Ausdrücklich bekräftigen Sie Ihre Ablehnung vom 30. Juni bezüglich des Beschlusses der Bundesregierung. Es ist unglaublich. Sie wollen immer noch den Wiesbadener Parteitagsbeschluß festklopfen, daß man eine Trennlinie zwischen klassischen Peace-keeping-Missionen und friedenschaffenden Maßnahmen ziehen könnte, als hätte es sich nicht herumgesprochen, daß dies gar nicht möglich ist.
Meine Damen und Herren, jetzt will ich aus den Vorlagen zum Mannheimer SPD-Bundesparteitag zitieren und zeigen, wie Sie Ihre eigenen Parteitagsdelegierten manipulieren. Ich frage: Was bedeutet der Umstand, daß die Antragskommission den Beschluß des Wiesbadener Parteitags zu den Prinzipien von Peace-keeping wörtlich zitiert - wörtlich zitiert! -, dabei aber unvollständig bleibt und ein wichtiges in Wiesbaden beschlossenes Kriterium unterschlägt? Dort wurden folgende Kriterien genannt: die prinzipielle Zustimmung der Konfliktparteien, die strikte Neutralität gegenüber den Konfliktparteien, rein defensive Bewaffnung und Einsatzkonzeptionen. Die Passage mit der strikten Neutralität ist im Antrag für den Mannheimer Parteitag nicht zitiert.
({20})
Sie wird unterschlagen. Worüber will die SPD die deutsche Öffentlichkeit damit täuschen?
Wir sagen, Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer 40 Jahre lang Sicherheit importiert hat, der muß auch umgekehrt bereit sein, Solidarität im Bündnis zu üben. Wir lassen jedenfalls keinen Zweifel daran, daß die Bundesrepublik Deutschland auch bei der künftigen Suche nach einer Friedenslösung für Bosnien-Herzegowina ihren vollen solidarischen Beitrag leisten wird.
({21})
Wir haben im übrigen in diesem Zusammenhang eine Diskussion geführt, wie wir es denn künftig mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten halten. Ich habe damals beim Ringen um den Asylkompromiß gesagt: Bei allem Verständnis für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns in die Bundesrepublik
Deutschland kommen wollen, gehört die Hilfe unseres Landes in erster Linie den politisch Verfolgten und den Opfern von Krieg und Bürgerkrieg. Diese Hilfe könnten wir am besten dann leisten, wenn es uns gelänge, den Zustrom von Asylbewerbern, die aus wirtschaftlichen Gründen über unsere Grenzen kommen, zu begrenzen und wirksam zu steuern. - Das gilt auch heute.
Vor diesem Hintergrund habe ich allerdings die dringende Bitte an die Sozialdemokraten, den Asylkompromiß, den wir damals nach jahrelanger Diskussion beschlossen haben, nicht wieder in Frage zu stellen. Wenn Frau Däubler-Gmelin jetzt fordert, den Asylkompromiß insbesondere bei der Flughafenregelung und der Drittstaatenregelung zu ändern, dann kann ich nur sagen: Sie spielen mit dem Feuer. Wer immer in der gegenwärtigen Situation der politischen, der justizpolitischen und der verfassungsrechtlichen Diskussion das falsche Signal gibt, durch das die alten Probleme wieder aufgeworfen werden, der gefährdet erneut den inneren Frieden in unserem Lande, den wir mühsam hergestellt haben.
({22})
Wer eine Änderung des Asylkompromisses fordert, hat offensichtlich die provozierenden Bilder von geschleppten und geschleusten Asylbewerbern an den deutschen Grenzen und insbesondere auf dem Flughafen in Frankfurt vergessen.
({23})
Alle, die in Diskussionen in polemischer und wahrheitswidriger Weise behauptet haben - da können Sie auch in Ihre eigenen Reihen schauen, Herr Kollege Fischer -, der Asylkompromiß mache Deutschland zu einer Festung und schließe die deutschen Grenzen hermetisch ab, sind doch von der Praxis total widerlegt worden.
({24})
Es kommen jeden Monat 8 000 bis 9 000 Asylbewerber in unser Land, aber es kommen monatlich eben nicht mehr 50 000, die unsere Gemeinden völlig überforderten.
Ich bin für eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles. Es muß bei Abschiebungen human zugehen, und jeder Verantwortliche ist bei der praktischen Durchführung des Gesetzes ganz persönlich gefordert. Aber jetzt erneut am Gesetz herumzubasteln, da kann ich nur sagen: Bedenke das Ende. Wer immer im politischen Bereich oder auch bei Gericht zu entscheiden hat, trägt eine große Verantwortung für den inneren Frieden. Wir seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden jedenfalls alles tun, damit eine solche Gefährdung des inneren Friedens nicht wieder eintritt.
({25})
Herr Kollege Seiters, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte jetzt sowieso zum Schluß kommen.
Ich habe vorhin von Frau Däubler-Gmelin gesprochen. Ich bin der Meinung, auch folgendes gehört zu dieser Diskussion: Angesichts der unglaublichen Vorwürfe, zum Beispiel von Unmenschlichkeit an die Adresse des Bundesinnenministers, steht noch immer Ihre Entschuldigung aus. Das finde ich unanständig; das will ich mit aller Deutlichkeit sagen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Poppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ein paar Schwierigkeiten gehabt, festzustellen, an welcher Stelle der Tagesordnung wir uns eigentlich befinden.
({0})
Dem größeren Teil Ihrer Ausführungen, Herr Seiters, entnehme ich, daß wir jetzt vorrangig über den Haushalt des Auswärtigen Amtes und die Außenpolitik der Bundesrepublik sprechen. Ich möchte auch dabei bleiben und vorzugsweise zu diesem Thema reden.
Daß die Bundesregierung entgegen ihrer eigenen Behauptung schlecht gerechnet hat, ist während dieser Haushaltsdebatte schon mehrfach und heute wieder einmal zu Recht gesagt worden. Aber auch wenn sie besser rechnen könnte, wäre deswegen ihre Politik nicht besser. Das Problem ist nicht nur, daß zuviel Geld ausgegeben wird, sondern vor allem, daß es falsch verwendet wird.
({1})
Wie für viele Politikbereiche gilt das ganz besonders auch für die Außen- und Sicherheitspolitik. Die Reaktion der Bundesregierung auf die seit dem Ende der Blockkonfrontation völlig veränderte Situation in Europa halten wir nach wie vor für unangemessen. Wir sagen das seit fünf Jahren, und wir haben leider Veranlassung, es erneut zu sagen. Wieder einmal - das kann man durch den Vergleich der für Rüstung und Verteidigung verwendeten Haushaltsmittel mit denen für Konfliktverhütung, internationale politische Institutionen und humanitäre Hilfe sehr leicht feststellen - stellt dieser Haushalt die falschen Weichen. Wo früher Milliarden für Aufrüstung ausgegeben wurden, sind es jetzt vergleichbare Summen für Umrüstung. Viel zu wenig Beachtung wird nach wie vor den Ursachen von Konflikten und ihrer Bekämpfung geschenkt.
({2})
Ich will dazu einige Beispiele nennen. Allein 65 Millionen DM aus dem Einzelplan des Auswärtigen Amtes sollen für den Bau von Kriegsschiffen für die Türkei bereitgestellt werden. Diese Summe ist, verglichen mit dem Rüstungshaushalt, zwar gering, aber sie ist geradezu gigantisch gegenüber der Ausstattung der OSZE. Für diese erklärtermaßen zu fördernde, wichtige europäische Organisation, für ihre Zentrale, für ihr Menschenrechtsbüro, für den Minderheitenkommissar und für ihre schon mehrfach in akuten und latenten europäischen Konfliktfällen mit Erfolg vermittelnden Langzeitmissionen werden sage und schreibe ganze 5,3 Millionen DM aufgewandt. Also nicht einmal ein Zehntel dessen, was allein die kriegführenden türkischen Militärs für ihre Fregatten erhalten, ist der Bundesregierung die europaweite Konfliktprävention wert. Das ist nicht nur eine kurzsichtige und falsche Politik, das ist geradezu skandalös.
({3})
Ein anderes Beispiel: die Ausstattung von ausländischen Streitkräften und Polizei. Dafür wird viermal soviel Geld zur Verfügung gestellt wie für die Demokratisierungshilfe. Nun mag die eine oder andere Sanitätseinheit auch zur zivilen Gesundheitsversorgung beitragen. Den Schwerpunkt der Streitkräftehilfe aber so zu formulieren, als handele es sich eigentlich um die Förderung ärztlicher Versorgung in den betreffenden Ländern, halte ich - sehr zurückhaltend formuliert - für schwer nachvollziehbar.
Zur Demokratisierungshilfe dagegen fällt Ihnen gerade einmal die Wahlhilfe ein, und selbst die kann angesichts der knappen Mittel nicht gewährleistet werden. Mitunter kommt es einem so vor, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, als würden Sie ausländische Bevölkerung vorrangig als eine Ansammlung von Soldaten und Polizisten betrachten. Ist Ihnen denn die Bedeutung der zivilen Gesellschaft gerade auch für die Demokratieentwicklung und Friedensbewahrung bisher verborgen geblieben?
Auch diese Art zu sparen trägt dazu bei, welche Wahlen dann herauskommen. Da soll in Rußland eben mal eine wichtige Oppositionspartei von den Wahlen ausgeschlossen werden. Herr Bundeskanzler, Sie werden sich in Kürze, wenn Herr Jelzin die politische Bühne verlassen hat, wohl fragen müssen, in welches geheimnisvolle schwarze Loch denn all die russischen Demokraten, die Marktwirtschaftler, die Europäer verschwunden sind.
Oder nehmen wir einen anderen Ihrer Hoffnungsträger, den kroatischen Präsidenten Tudjman. Der verdoppelt einfach zwei Wochen vor den Wahlen die Sperrklausel und läßt Bürger eines anderen Staates, die Kroaten aus Bosnien-Herzegowina, mitwählen, um dem Ziel des Einparteienstaates, dem er sich wohl immer noch verpflichtet fühlt, näherzukommen.
Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Sie alle lassen erkennen, daß der außen- und sicherheitspolitische Ansatz der Bundesregierung überholt und kurzsichtig ist, daß er auf die falschen Personen abgestellt ist, daß er vorrangig auf die militärgestützte Konfliktbearbeitung setzt. Diese Politik ist kurzsichtig, weil dabei immer noch die Bedeutung demokratischer Stabilität, die Bedeutung von KonGerd Poppe
fliktprävention und Ursachenbekämpfung unterschätzt wird.
({4})
Wer vorrangig auf wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit mit undemokratischen Regimen setzt, wer nicht bemerkt, daß er damit zusätzliche Hindernisse für eine demokratische Entwicklung aufstellt oder neue gefährliche Konflikte provoziert, wem nicht einleuchtet, daß Konfliktvorbeugung politisch und ökonomisch sinnvoller ist als die Vorbereitung auf ihre militärische Bekämpfung, der betreibt die falsche Politik.
({5})
Ein letztes Beispiel will ich aufführen: die bevorstehende Reise des Bundeskanzlers nach China. Auf Ihrem Programm, Herr Bundeskanzler, steht, wenn ich richtig informiert bin, der Besuch einer chinesischen Militäreinheit. Sie wissen, welche Rolle das Militär bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung gespielt hat. Sie wissen, daß wichtige Vertreter dieser Bewegung, die seit Ihrem letzten Besuch in Peking freigelassen worden waren, inzwischen längst wieder inhaftiert sind.
Wir verlangen nicht, daß Sie diese Reise absagen oder verschieben, wir verlangen keinen Boykott. Führen Sie die Gespräche, auch über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber fordern Sie zugleich rechtsstaatliche Schritte. Fragen Sie beispielsweise nach Chen Ziming, dem Dissidenten, besuchen Sie seine mutige Frau, die kürzlich zum wiederholten Male festgenommen und verhört wurde. Fragen Sie nach Wei Jingsheng, der 13 Jahre in Haft war und nach seiner vorübergehenden Freilassung seit weit über einem Jahr an einem unbekannten Ort festgehalten wird. Verlangen Sie, ihn zu sehen. Und schließlich: Sagen Sie Ihren Besuch beim chinesischen Militär ab.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe heute morgen ein Stück Belehrung über die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland entgegengenommen.
({0})
Herr Verheugen, es wäre klüger gewesen, Sie hätten Ihre Beteiligung an wichtigen außenpolitischen Schritten dieses Landes, die damals richtig waren und zur Chance der Vereinigung geführt haben, zugegeben, hätten Ihre Verantwortung übernommen, anstatt die Außenpolitik komplett als verfehlt und in die falsche Richtung gehend darzustellen.
Tatsache nämlich ist: Die Entscheidungen in den zentralen Fragen der Außenpolitik, die nicht zuletzt vor wenigen Wochen von der Koalition getroffen worden sind, haben sich als richtig erwiesen, Ihre Vorschläge als falsch. Immer dann, wenn es in außenpolitischen Fragen ernst wurde, von der NATO-Nachrüstungsfrage bis hin zum Bosnien-Einsatz, haben Sie nein gesagt. Wir haben mit all unserer Kraft dafür gekämpft, daß die richtigen Entscheidungen getroffen wurden.
({1})
Wir haben diese Entscheidungen getroffen und öffentlich durchgesetzt. Sie aber haben sich auf sehr populistische Wege begeben.
({2})
Unser Vorwurf bei dem Thema Währungsunion, das Sie nun auszugraben beginnen, ist der gleiche. Auch wir wissen, daß in Deutschland eine kollektive Erinnerung an zwei Hyperinflationen vorhanden ist. Wir warnen Sie aber, von dem Grundsatz abzugehen, daß Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, auf den Weg zu einer stabilen Währung zu gelangen. Wenn Sie jetzt den Druck durch den Maastricht-Vertrag und seine Termine beseitigen, werden andere Länder nachlassen - das wissen auch Sie -, so daß der Weg zum Ziel eher instabil wird. Dann sind Sie die ersten, die hier im Bundestag aus innenpolitischen Gründen Anträge zur Erhöhung der Ausgaben stellen, anstatt Sparsamkeitsappellen zu folgen.
({3})
Wir wissen, daß der Maastricht-Vertrag und die Europäische Währungsunion in Deutschland ein schwieriges Thema sind. Wir wissen, daß dieses Land in manchen Identitätsfragen zurückgeworfen werden kann, auch bezüglich der stabilen Währung, die die Menschen erarbeitet haben. Sie wissen aber ebenso wie wir: Eine Stabilitätsinsel Deutschland wird es nicht geben. Es muß eine Stabilität in ganz Europa geben: ökonomisch, ökologisch und sicherheitspolitisch. Das ist der Kern des Weges, der hier vertreten wird.
({4})
Wir sind genau wie Sie für die Prinzipien der Geldwertstabilität, die die Menschen in Deutschland brauchen. Wir sind genau wie Sie für die Einhaltung der Konvergenzkriterien. Wir sind aber im Gegensatz zu Ihnen nicht für die Irritationen unserer europäischen Nachbarn bei Verträgen, die wir mit abgeschlossen haben und auf die sich diese Nachbarn müssen verlassen können; denn verläßliche Außenpolitik verlangt auch Verläßlichkeit in bezug auf Verträge.
({5})
- Herr Fischer, ich wundere mich ohnehin schon lange, daß Sie in den letzten Sitzungen nicht mehr geredet haben. Sie sind in außenpolitischen Fragen zu einem echten minderheitspolitischen Sprecher bei den Grünen geworden. Bei der SPD ist Zweifel an der Verläßlichkeit geboten; bei Ihnen liegt die UnzuDr. Wolfgang Gerhardt
verlässigkeit offen zutage. Sie werden mit Ihrer außen- und sicherheitspolitischen Konzeption keine Mehrheitsfähigkeit bei den Grünen erreichen. Deshalb sind wir einstweilen darum bemüht, sie abzuwehren. Sie sind in dieser Situation der Bundesrepublik Deutschland nicht regierungsfähig
({6})
Vorhin ist gesagt worden - da besteht zwischen uns keine Differenz, Herr Verheugen -, daß die Bundesrepublik Deutschland alle internationalen Bemühungen anstellen muß, um Menschen zu helfen und Stabilität in den Regionen herzustellen. Die moralische Kernfrage aber ist auch für die Sozialdemokraten, ob sie notfalls bereit sind, wenn irgendwo Völkerrecht gebrochen wird, Soldaten dorthin zu schikken, um Menschen daran zu hindern, andere Menschen umzubringen. Diese Frage beantworten Sie nicht, jedenfalls nicht bis zum Ende. Darauf möchten wir Sie heute morgen hinweisen.
Die sozialdemokratische Partei ist bezüglich der Rechte gerne in den Vereinten Nationen. Sie ist aber im Kern nicht bereit, die Pflichten aus der Völkergemeinschaft, die sich für die Bundesrepublik Deutschland ergeben, zu erfüllen.
({7})
Aus dieser Aufgabe aber können wir Sie nicht entlassen. Das ist eine Kernfrage der Verläßlichkeit der Politik in Deutschland.
Dazu gehört dann auch eine Klarstellung, die für unser Land wichtig ist, meine Damen und Herren: Soldaten sind keine Mörder. Die Soldaten der Bundeswehr verrichten einen Friedensdienst. Sie haben sich mit ihrer Entscheidung verpflichtet, unser Land zu verteidigen. Wir müssen auch bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die juristisch begründet sind, in der Öffentlichkeit aber erklärt werden müssen, sagen können, daß diejenigen, die in unserem Staat für die Bewahrung von Freiheit und Frieden den Dienst in der Bundeswehr leisten, keine Mörder sind und auch nicht als solche bezeichnet werden dürfen.
({8})
Ich zitiere einen Satz, den unser Freund und Kollege Hans-Dietrich Genscher bei der damaligen Debatte hier gesagt hat: Das Recht auf freie Meinungsäußerung selbst würde in seinem Kern beschädigt, wenn diejenigen, die dieses Grundrecht schützen, als Mörder bezeichnet werden dürften. Darüber gibt es mit den Liberalen nichts zu streiten.
({9})
Wir haben vor wenigen Tagen gemeinsam das große Jubiläum der Bundeswehr gefeiert. Und es ist zu Recht notwendig, heute morgen den Soldaten und ihren Familien zu sagen: Wir wissen, was sie für unser Land tun.
Meine Damen und Herren, eine berechenbare Außenpolitik ist eine Grundvoraussetzung für unser Land. Das ist kein beliebiger Punkt, über den jeder Streit begonnen werden könnte; denn dieses Land in der Mitte Europas ist auf Grund seiner geographischen Lage und seiner Geschichte wie kein anderes auf das Vertrauen der anderen angewiesen. Deshalb ist die Debatte über die Währungsunion, die Herr Schröder begonnen und die Herr Scharping mit dem Hinweis auf irgendeine Idee fortgeführt hat, nicht nur für die innenpolitische Situation gefährlich, weil man auf falsche Gedanken zurückgreift, sondern auch für die außenpolitische Situation sehr riskant, meine Damen und Herren. Das ist kein Punkt, mit dem man Wahlkampf führen sollte. Auch die Parteien haben die Aufgabe, Meinungsbildung bei den Menschen herbeizuführen. Sie haben nicht die Aufgabe, sich zu drücken, wenn es unbequem wird und wenn man Menschen über Tabuschwellen hinweghelfen muß.
({10})
Herr Verheugen hat heute morgen in einem ganz anderem Zusammenhang - dazu komme ich jetzt - sehr zu Recht einen Menschen gewürdigt, der von uns deshalb so geschätzt wird, weil er den Versuch gemacht hat, in einer ganz schwierigen Situation seinem Volk über Tabuschwellen hinwegzuhelfen, ihm zu sagen, daß es mit seinen Nachbarn auskommen muß, ihm eine Zukunft nicht mehr durch Kampf - Soldat war er ja auch -, sondern durch Frieden und die Kraft des Vertrauens zu anderen nahezulegen. Wenn dieser Mann dafür mit seinem Leben bezahlt hat, verdient er unseren Respekt. Ein Stück der Verhaltensweise, das Vertrauen der anderen zu erwerben und zu erhalten, zu wissen, daß man es braucht, täte uns allen in manchen politischen Diskussionen, die wir hier führen, gut.
({11})
Eines wird Ihnen, Herr Kollege Verheugen, nicht gelingen, und zwar die SPD als Modernisierungspartei in Deutschland darzustellen. Der Versuch ist gänzlich ungeeignet. Wir finden gerade bei Ihnen die größte Verweigerungshaltung, das größte Betondenken. Ihr Streit mit Herrn Schröder ist doch im Kern nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Ihnen und Herrn Schröder, er ist die Auseinandersetzung darüber, ob die SPD in Deutschland strukturellen Wandel überhaupt begünstigen oder gestalten kann oder ob sie es nicht kann. Bisher haben Sie ausschließlich Antworten gegeben, die zeigen: Sie können ihn nicht gestalten. Sie mußten doch erst einmal auf den Vorsitzenden der IG Metall hören, der nun gesagt hat, er fordere Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose. Als das mein Freund und Kollege Helmut Haussmann in seiner Zeit als Wirtschaftsminister gesagt hat, ist er als böser Kapitalist beschimpft worden. Nun sagt das der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft der Welt, sogar vor Ihnen sagt er das. Die Sozialdemokratische Partei ist weit hinter manchen Einzelgewerkschaften zurück, noch weiter hinter der IG Chemie.
({12})
Herr Zwickel hat tatsächlich erklärt: Lohnverzicht zugunsten von Arbeitsplätzen. Er hat noch etwas Bemerkenswertes gesagt: Er beharrt nicht mehr auf der 30-Stunden-Woche, weil er erkannt hat, daß immer
kürzere Arbeitszeiten nicht mehr Arbeitsplätze schaffen. Aber bei der SPD ist das immer noch Beschlußlage. Auf dem Wege fahren Sie doch immer noch. Nein, wenn es in Deutschland um die Frage geht, wer hier modernisiert, dann ist die Koalition moderner und bewußter.
Jetzt spreche ich dies bei dem Symbolthema Ladenschluß offen an. Das ist eine schwere Geburt in der Koalition.
({13})
Aber wenn ich, Herr Fischer und Herr Scharping, die Äußerungen aus Ihren Parteien nehme, dann muß ich fragen: In welchem Land leben wir eigentlich? Wir alle wissen doch, daß es Menschen gibt, die gerne abends einkaufen würden. Wir alle wissen doch, daß es Bäcker gibt, die ihre Dienstleistung gerne sonntags erbringen würden. Wir alle wissen doch, daß es Menschen gibt, die gerne abends arbeiten würden, auch Menschen mit 580-DM-Verträgen. - Und wir wollen Menschen vorschreiben, wann sie zu öffnen und zu schließen haben?! Frankfurt und Hamburg, die Tore zur Welt - und die Läden um 18 Uhr schließen. Das ist doch wirklich kein Zustand in der Bundesrepublik Deutschland!
({14})
Herr Dr. Gerhardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Büttner? - Bitte, Herr Büttner.
Herr Kollege Gerhardt, wie beurteilen Sie angesichts Ihrer Aussage zur Arbeitszeitverkürzung die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD, in der die Bundesregierung eindeutig konzediert, daß genau um den Prozentsatz, um den die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland in den letzten zehn Jahren gestiegen ist, die individuelle Arbeitszeit der Arbeitnehmer gesunken ist, nämlich um 8 Prozent? Das ist genau der Zusammenhang zwischen der Kürzung der Wochenarbeitszeit und der Schaffung neuer Arbeitsplätze, der damit durch Ihre Regierung erstmals bestätigt worden ist.
({0})
Herr Kollege, es gibt immer einen gewissen Zusammenhang. Aber was ich ansprechen möchte, ist die Monopolauffassung, daß man nur über diesen Weg zu Beschäftigung kommen könne und daß andere Wege ungeeignet seien. Darüber geht doch unsere Auseinandersetzung!
({0})
Die SPD kündigt immer an. Sie reden in manchen Bereichen so wie wir. Gestern las ich in der „FAZ", daß die SPD nun auf ihrem Parteitag Voraussetzungen dafür schaffen will, daß bei Dienstleistungen für private Haushalte gut bezahlte und sozial abgesicherte Arbeitsplätze entstehen. Das wollen wir schon lange. Sie haben es bisher als „Dienstmädchenprivileg" diffamiert.
({1})
Ich warte jetzt einmal ab, ob Sie etwas Entsprechendes beschließen.
Sie haben ebenfalls einmal gesagt, mit einer beschäftigungspolitischen Differenzierung könnten die Lohnentwicklungen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besser in Einklang gebracht werden. Was heißt denn das? Sie erkennen jetzt, daß Betriebe, deren Produktivität geringer ist, mit den Beschäftigten darüber verhandeln müssen, ob sie beim Lohn ein bißchen zurückstehen wollen, bis man einen höheren Grad der Produktivität erreicht haben wird. Als unsere Freunde das gesagt haben, sind sie nahezu als Verfassungsfeinde und Ankratzer der Tarifautonomie beschimpft worden. Sie gehen jetzt zu Ihrem Parteitag und sagen, ohne Reformen seien die sozialen Sicherungssysteme nicht mehr finanzierbar. Ich fordere Sie auf: Dann machen Sie es doch mit! Dazu stehen wir bereit. Wir können das gern machen.
({2})
Herr Dr. Gerhardt, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Anke Fuchs?
Nein, Frau Präsidentin; ich möchte das jetzt einmal ausführen.
Wir jedenfalls betreiben eine Politik für Wandel und für Veränderungen, die auf Ihrer Seite überhaupt keine Hilfe findet. Ihre Partei stellt überall Tabuwächter auf, die sofort aufpassen, daß sie dann, wenn irgend etwas verändert werden soll, den Bannstrahl gegen die schleudern, die Veränderung wollen. Das ist die Position der SPD, und Sie werden aus diesen Schützengräben nicht herauskommen, wenn Sie nicht großen Mut aufwenden und sich dem strukturellen Wandel stellen.
Im übrigen, Herr Kollege Fischer, merken Sie das doch auch in der Vereinbarung mit den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen. Das Thema Garzweiler ist doch nur ein Symbol dafür, wie der Wandel in unserer Industriegesellschaft bewältigt wird. Sie haben ja dort einen Formelkompromiß geschlossen; an sich lassen Sie ja zu, daß Garzweiler jetzt kommt. Aber die SPD sitzt doch seit Jahrzehnten auf Ladenhütern der Energiepolitik, die heute überhaupt nicht mehr tragen.
({0})
Dann stellt sich Herr Verheugen hier hin und sagt, die Sozialdemokraten seien die großen Modernisierer. Nein, Sie sind die Bremser; Sie handeln nach dem Motto „Das haben wir immer schon so geDr. Wolfgang Gerhardt
macht" oder „Das haben wir noch nie so gemacht" oder „Da könnte ja jeder kommen" oder „Wo kämen wir denn da hin?". In der Koalition ist Bereitschaft zur Veränderung zu finden, weil wir wissen, daß sich um uns herum alles verändert hat, daß nach dem Wegfall von Mauer und Stacheldraht große Herausforderungen wie die Globalisierung der Märkte auf uns zukommen. Sie verharren hier in dem alten Konservendosen-Denken der 70er Jahre, in denen wir jährlich beträchtliche Wachstumsraten hatten und die Politik den Wettbewerb um Verteilung machte. Das ist der Unterschied zwischen Koalition und Opposition.
Zu Ihrer eigenen Beruhigung und meiner Hilfestellung lese ich Ihnen jetzt aus einem Interview mit Helmut Schmidt vor. Helmut Schmidt hat schon 1994 in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche" auf die Frage:
Wie beurteilen Sie den SPD-Plan, Spitzenverdiener stärker zu belasten?
erklärt:
Wer nur die hohen Einkommen und Vermögen treffen will, muß sich fragen, ob er noch mehr Kapital- und Wohnungsverlagerungen nach Luxemburg, Monaco und anderswohin auslösen will.
Er hat hinzugefügt:
Das ist ebensowenig durchdacht wie die Pflegeversicherung. Die wird keine drei Jahre so laufen, das war eine gutgemeinte Idee, aber zum völlig falschen Zeitpunkt.
Ich zitiere das auch, weil es voll meiner Auffassung entspricht.
({1})
Dann hat man ihn auch gefragt: Wie hätten Sie es denn lieber?
Darauf hat Helmut Schmidt geantwortet:
Mir wäre es lieber, wenn das gesamte deutsche Sozialversicherungssystem generalüberholt würde. Der Abstand der Sozialleistungen von den regulären unteren Einkommen muß wieder deutlicher werden.
({2})
Potz Blitz! Das sagen wir seit Jahren. Sie beschimpfen uns dafür.
Das Interview mit Schmidt ist aber noch nicht zu Ende. Es wird auch noch gefragt - das gehört ja zu den berühmten Rezepten -:
Was halten Sie von einem subventionierten zweiten Arbeitsmarkt, um die Arbeitslosenzahl zu senken?
Großes Thema. Wissen Sie, was der Mann antwortet? Er antwortet:
Nichts. Das sagt er ganz glatt. Er fügt hinzu:
Je mehr der Staat eingreift, desto mehr geht schief. Die Sache ist ganz klar! Weil die unteren Lohngruppen zu stark angehoben worden sind, sind zu viele Arbeitsplätze weggefallen.
({3})
Ja, Herr Scharping, der Mann hat recht; er hat völlig recht. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel! Beschimpfen Sie uns nicht, wenn man Ihnen diese nüchternen Erkenntnisse eines großen Sozialdemokraten vorhält. Es ist die Wahrheit: Sie sind gegenwärtig zu einem flexiblen Wandel nicht in der Lage.
Dann will ich für die Freie Demokratische Partei ganz deutlich sagen: Jeder, inklusive Herrn Fischer, erklärt, die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland sei zu hoch. Wenn man sich dann aber daranmacht, eine Substanzbesteuerung wie bei der Gewerbekapitalsteuer zurückzuführen, hemmen Sie.
({4})
Die könnten wir schon in acht Wochen los sein, wenn Sie zur Entscheidung bereit gewesen wären.
({5})
Jetzt müssen wir ein Jahr länger warten, weil die Sozialdemokraten mehr Zeit brauchen,
({6})
obwohl jeder von Ihnen schon zugegeben hat, da finde eine Substanzbesteuerung statt.
Wir würden auch gerne die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbesteuer nach Ertrag umsetzen, weil wir für Arbeitsplätze sind. Die Freie Demokratische Partei will Steuern nicht senken, um irgend jemandem in Deutschland ein dickeres Portemonnaie zu verschaffen,
({7})
sondern wir wollen eine Unternehmensteuerreform, weil wir Arbeitsplätze in Deutschland schaffen wollen - zu keinem anderen Zweck.
({8})
Dieses Konzept dieser Koalition steht einem alternativen Konzept gegenüber: Noch immer glauben Sozialdemokraten und Grüne, es sei besser, den Menschen erst einmal etwas abzunehmen, um es dann erneut nach ihrem Gusto auf andere zu verteilen. Daß dies nicht funktioniert, daß dies Leistung zum Erlahmen bringt, daß dies die Menschen vom Sparen wegbringt und daß dies Menschen verärgert, ist ebenso klar. Deswegen sage ich der versammelten Opposition: Es gibt in diesem Hause keine Mehrheit für das Konzept, den Leuten erst mehr aus der Tasche zu ziehen und es dann nach sozialdemokratiDr. Wolfgang Gerhardt
schem Rezept auf andere zu verteilen. Das wird keine Chance haben.
({9})
Deshalb erkläre ich für die F.D.P. sehr deutlich: Wenn man über Senkungen der Steuer- und Abgabenbelastungen redet, dann muß man das auch umsetzen. Es ist das Ziel der Freien Demokratischen Partei, noch in dieser Legislaturperiode - nach unserer Zielvorstellung ab 1997 - die Belastungen zurückzuführen. Wir müssen die Kraft haben, auch im Haushalt einen Sparkurs zu fahren. Wir beginnen das jetzt, wir setzen das in der Koalition fort, und wir wollen ein Signal an die Öffentlichkeit geben. Wenn in Deutschland eine politische Konstellation die Kraft hat, Steuern zu senken, dann muß es die Konstellation aus CDU, CSU und F.D.P. sein.
Die F.D.P. wird entscheidend darauf drängen, daß in dieser Legislaturperiode eine Entlastung stattfindet, weil die Zukunft für den Standort Deutschland nicht darin liegt, den Menschen mehr abzunehmen, sondern darin, ihnen weniger abzunehmen. Wir wollen Menschen eine Chance belassen und nicht staatliches Umverteilen fördern.
({10})
Es spricht jetzt der Außenminister Dr. Klaus Kinkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Montag hat die Welt in Jerusalem Yitzhak Rabin, einen großen Staatsmann, zu Grabe getragen. Uns Deutsche berührt diese Tragödie in besonderer Weise. Wir fühlen für das Schicksal des israelischen Volkes Verantwortung.
„Genug der Tränen, genug des Leids", das waren die Worte von Yitzhak Rabin bei der Unterzeichnung der israelisch-palästinensischen Grundsatzerklärung im Weißen Haus am 13. September 1993. Frieden und Versöhnung, das ist sein Vermächtnis. Daß dies in Erfüllung geht, wünschen wir in diesen Tagen von Herzen Israel, dem palästinensischen Volk und allen arabischen Nachbarn.
({0})
Einige von uns waren bei der bewegenden Trauerfeier in Jerusalem dabei. Wir spürten bei aller tiefen Trauer: Diese schreckliche Mordtat hat die Hoffnung auf Frieden nicht zerstören können. Shimon Peres, dem Freund, wünschen wir, wünsche ich viel Glück.
({1})
Auch für das ehemalige Jugoslawien besteht erstmals eine realistische Friedenschance. In Ohio sitzen sich die Präsidenten Tudjman, Izetbegovic und Milosevic zum erstenmal direkt gegenüber. Für eine Prognose über Dauer und Erfolg dieser Verhandlungen ist es noch zu früh. Ich hatte gestern unseren Verhandlungsführer, den Politischen Direktor des Auswärtigen Amtes, Ischinger, zum Bericht gebeten. Ein ganz wichtiger und guter Schritt war die auf deutsche und amerikanische Initiative hin erzielte Vereinbarung zur Rückkehr von kroatischen und bosnischen Vertriebenen in ihre Heimatorte. Vertrauen schaffen ist jetzt mit weitem Abstand das Wichtigste.
Entsetzliches ist geschehen. Der Haß, die Entfremdung war und ist übergroß. Es ist außerordentlich schwierig, Brücken zu schlagen und sich die Hand zu reichen. Aber ist es nicht ein Fortschritt, daß wenigstens jetzt weitgehend die Waffen schweigen? Ist es nicht ein Fortschritt, daß die Menschen in Sarajevo, Bihac und Gorazde wieder frei atmen und zumindest mit dem Nötigsten versorgt werden können? Gewiß, dort ist alles noch sehr fragil. Aber es muß einfach gelingen, noch vor Weihnachten zu einer Friedensvertragsregelung zu kommen.
({2})
Wir Deutschen werden dazu beitragen, was wir nur können.
Was muß - Herr Verheugen, Sie haben die Frage gestellt - geschehen? Es geht zunächst um die Aushandlung der territorialen Frage. Es geht um Verfassungsfragen. Sie haben gefragt, wer hilft: Der deutsche Verfassungsrechtler und frühere Verfassungsrichter Professor Steinberger ist in Ohio dabei. Es geht um Rüstungskontrolle. Das ist unser ganz besonderes deutsches Anliegen. Es geht um die Flüchtlingsfrage, an der wir mit am meisten interessiert sind; denn wir haben mehr als doppelt soviel Flüchtlinge wie alle anderen Europäer zusammen in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen, über 400 000. Es geht um die Wiederaufbauproblematik, an der wir uns beteiligen wollen. Ja, Herr Verheugen, auch die Serben sollen und müssen ihren Platz in Europa wieder finden. Aber dafür sind natürlich Voraussetzungen notwendig. Menschen- und Minderheitenrechte müssen anerkannt werden. Und: Gewalt darf sich nicht gelohnt haben.
({3})
Es hat keinen Sinn - dazu ist es zu früh -, hier über alle Einzelheiten zu sprechen. Ich habe jedenfalls die Hoffnung, daß es uns - mit entscheidender deutscher Hilfe - gelingt, noch vor Weihnachten zu einer Lösung zu kommen.
Zur militärischen Absicherung eines Friedensschlusses - das ist nun leider einmal notwendig - hat das Kabinett am 24. Oktober 1995 den deutschen Beitrag in seinen Grundzügen festgelegt. Wir haben uns für die leidgeprüften Menschen in Bosnien entschieden, für unsere Partnerschaftsfähigkeit. Aber wir wollen das mit Augenmaß tun. Ich freue mich, daß die SPD und ein kleiner real existierender Teil der Grünen jetzt auf unsere Politik eingeschwenkt sind. Besser spät als nie.
Die positive, unaufgeregte Reaktion in der Öffentlichkeit zeigt im übrigen, daß die Bevölkerung ein völlig anderes, ein besseres Gefühl hat. Manchmal reagiert sie besser, ruhiger, gelassener und richtiger als mancher Politiker.
({4})
Die Bürger spüren, daß man sich nicht wegdrehen kann, wenn die Menschenrechte um uns herum mit Füßen getreten werden. Sie sind zu intelligent, um auf den Popanz, der im Hinblick auf Militarisierung aufgebaut wird, hereinzufallen. Schließlich sehen sie auch, welch großes Vertrauen sich die Bundeswehr mit ihren bisherigen Leistungen bei Friedensmissionen erworben hat. Vierzig Jahre Bundeswehr sind ein ganz wichtiger Beitrag zum Frieden in Europa und der Welt, auf den wir stolz sein können. Wir brauchen unsere Soldaten auch in Zukunft, um deutsche Außen- und Sicherheitspolitik so zu gestalten, wie es unseren deutschen Interessen entspricht: verläßlich, berechenbar, wert- und bündnisorientiert.
Unsere Soldaten dienen dem Frieden und nicht dem Krieg. Sie sind bereit, dafür notfalls Leib und Leben einzusetzen. Dafür sind wir ihnen Dank und Achtung schuldig.
({5})
Deshalb ist es zwingend und dringend notwendig, daß wir uns vor sie stellen, wenn sie für ihre Pflichterfüllung auch noch angegriffen und verunglimpft werden. Ich habe noch die „Mörder, Mörder! "-Rufe im Hofgarten im Ohr. Sie waren leider unüberhörbar.
({6})
Es mag sein, daß in einem liberalen Rechtsstaat, den wir haben und auf den wir stolz sind, solche Ausschreitungen eines Pöbels vielleicht nicht zu verhindern sind. Um so mehr gilt aber dann, daß unsere Soldaten vor Verunglimpfungen geschützt werden müssen, auch von unseren Gerichten.
({7})
Unsere Soldaten sind kein Freiwild für Verhöhnung!
Meine Damen und Herren, die europäische Integration - Herr Verheugen, ich habe mich über das gefreut, was Sie heute dazu gesagt haben - bleibt ein Schlüssel für eine gute Zukunft unseres Landes. Allerdings scheint die SPD nach ihrem Rückzug beim Thema Bosnien jetzt ein neues sozialdemokratisches Experimentierfeld für den Alleingang aufmachen zu wollen. Herr Scharping, wer von Europa als irgendeiner Idee spricht,
({8})
wer wie Herr Schröder, der sowieso alles und jedes mit großen Luftnummern auf- und angreift und dann meist schnell wieder zurückziehen muß, darin endlich ein „großes nationales Thema" für die SPD sieht, der ist wirklich von allen europapolitischen guten Geistern verlassen.
({9})
Sie haben - es ist heute morgen schon einmal gesagt
worden - dem Vertrag von Maastricht hier doch zugestimmt. Darauf waren Sie stolz; das haben Sie
heute morgen extra gesagt. Was gilt nun eigentlich? Ich frage Sie: Wer spricht für die SPD?
({10})
Ist es Herr Schröder? Ist es Herr Scharping? Ist es Frau Wieczorek-Zeul, oder ist es Herr Hänsch, der als Präsident des Europaparlaments vor „nationalistischem Stammtischgeschwätz" - das wirft er Ihnen vor - gewarnt hat?
({11})
Glauben Sie denn wirklich, daß es sich beim Wähler auszahlt, wenn Sie Ängste und Sorgen entfachen? Ich glaube das nicht! Dafür ist Ihre Suche nach einem vordergründigen Thema zu populistisch und zu billig.
({12})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wieczorek-Zeul?
Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende bringen.
Der Schaden, den Sie in Europa anrichten, steht jedenfalls in keinem Verhältnis dazu. Für unsere Nachbarn ist das, was Sie betreiben, ein klarer D-MarkNationalismus. Sie schaden damit unseren Bürgern und unserem Land, was unser Ansehen in Europa anbelangt.
({0})
Wir haben uns zu Maastricht doch nicht verpflichtet, weil wir anderen einen Gefallen tun wollen, sondern weil wir eine stabile, gemeinsame europäische Währung haben wollen, und diese werden wir zustande bringen. Da werden auch Sie zustimmen; da bin ich sicher.
Während Sie europapolitisches Porzellan zerschlagen - ich höre es ja draußen, wieviel Porzellan durch Ihre Bemerkungen zerschlagen worden ist; Sie hören es leider nicht so -, bereiten wir zusammen mit Frankreich eine gemeinsame Position für die Regierungskonferenz 1996 vor. Sie wird solide sein, und auf sie wird Verlaß sein.
Herr Verheugen, ich möchte zu dem, was Sie heute morgen gesagt haben, noch eine Anmerkung machen. Sie wollten uns jagen, wenn ich das richtig verstanden habe. Noch vor kurzem haben Sie im „Vorwärts" großspurig angekündigt, Sie wollten die deutsche Außenpolitik in Frage stellen. Sie waren - das muß ich Ihnen leider entgegenhalten - der Geist, der stets verneint.
({1})
Sie waren immer destruktiv und nicht konstruktiv.
({2})
Von Ihrer Kritik ist nicht viel übriggeblieben.
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- Sie, Herr Fischer, sollten Ihre Pirouetten in der Zirkuskuppel drehen, um Ihr Bündnis in die Richtung zu bringen, wo Sie es gerne hätten. Sie wollen mich ja ablösen. Dazu müssen Sie allerdings in der Außen- und Sicherheitspolitik noch ein bißchen bündnisfähiger werden und noch ein bißchen drauflegen.
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Meine Damen und Herren, wer die Konflikte unserer Zeit von Bosnien über den Nahen Osten bis nach Algerien verfolgt, stößt immer wieder auf eine Frage, die bei uns in der Außenpolitik zu sehr vernachlässigt wird: unser Verhältnis zum Islam. Deshalb halte ich es für eine der wichtigsten politischen Aufgaben, zu den islamischen Völkern, zu der Religion, zu der Kultur von 1,2 Milliarden Menschen - 23 Prozent der Menschheit - eine Brücke des' Vertrauens und des Dialogs zu schlagen.
Das ist das Ziel der Konferenz am 15./16. November 1995, zu der ich sieben Außenminister aus islamischen Ländern und rund 250 Islamexperten nach Bonn eingeladen habe. Ein solcher Dialog heißt nicht - das sage ich mit Nachdruck -, daß wir falsche Rücksicht nehmen oder womöglich unsere Grundüberzeugungen in Frage stellen. Toleranz ist keine Einbahnstraße; das habe ich bei der Einweihung der KönigFahd-Akademie in Bonn sehr deutlich gemacht. Die Freiheit des Wortes, der Schutz des Lebens oder das Verbot von Folter ist nicht verhandelbar.
In Deutschland leben wir mit über 2 Millionen Muslimen friedlich zusammen, die meisten von ihnen türkischer Herkunft. Die Türkei ist unser Freund. Ihre Probleme lassen uns nicht los. Wir müssen die Zollunion erreichen. Wir müssen aber auch sehen, wenn in der Türkei Fortschritte gemacht werden. Es hat ein paar Fortschritte gegeben. Art. 8 des Antiterrorgesetzes ist geändert worden. Immerhin sind 77 Personen freigelassen worden - zuwenig, viel zuwenig. Aber wir sollten sehen, daß die Bemühungen bei der türkischen Regierung vorhanden sind. Wir müssen der Türkei helfen, aus ihrer Bedrängnis herauszukommen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?
Nein, ich habe nur eine kurze Redezeit. Ich bitte wirklich um Verständnis.
({0})
Meine Damen und Herren, ich war letzte Woche mit einigen Angehörigen des Deutschen Bundestages zusammen in Kambodscha. Ich bin bewußt dort gewesen, um mir die Situation bei den Personenminen anzusehen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie das selber einmal vor Ort erleben. Da würden Sie ruhig werden und zuhören und sich ansehen, was an schrecklicher Not, an Verstümmelungen dort täglich passiert: nach wie vor jeden Monat 300 Menschen. Ich habe mir die Minenräumung und das Rehabilitationszentrum mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag angesehen. Ich kann nur sagen: Es muß unser Ziel sein und bleiben, von diesen Personenminen wegzukommen, und zwar möglichst schnell.
({1})
Meine Damen und Herren, wer sich heute vor allem in der Dritten Welt umsieht, dem wird bewußt, daß die eigentlichen schwerwiegenden Probleme dieser Welt nach wie vor nicht beseitigt sind, dem wird bewußt, welche Not herrscht, aber auch, wieviel Genügsamkeit und Leidensbereitschaft diese Menschen besitzen. Wir vergessen manchmal, wenn wir über Außenpolitik reden, auch hier im Deutschen Bundestag, daß die Welt nicht nur aus den reichen Metropolen, aus den glänzenden Finanzzentren besteht. Wir müssen uns daran erinnern, daß dem Wohl und dem Ansehen unseres Landes nicht nur das kalte Kalkül gedient hat oder dient. Interesse, Verantwortung und Solidarität, das läßt sich in unserer heutigen Welt nicht voneinander trennen.
Wer heute in Deutschland mit unseren Bürgern spricht, der weiß: Ihr Bewußtsein um diese Dinge ist stärker, als viele Politiker annehmen. Die Menschen wissen sehr wohl, daß wir Reichen auf der Nordhalbkugel dieser Erde nicht allein auf dieser Welt sind und daß die Menschheit ein gemeinsames Schicksal hat. Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft für eine Außenpolitik einsetzen, die sich zu ihrer Verantwortung für eine Welt bekennt.
({2})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kinkel hat vorhin über die Informationspolitik zur Europapolitik gesprochen. Er hat dabei auch mich genannt. Ich möchte an dieser Stelle das sagen, was ich vorhin nicht sagen konnte, und darauf verweisen, daß die Bundesregierung unter dem Datum von gestern der SPD-Bundestagsfraktion auf eine Große Anfrage mit 51 Fragen zur gemeinsamen Währung auf europäischer Ebene mitgeteilt hat, daß sie erst Mitte Februar 1996 imstande sein werde, diese Fragen zu beantworten.
Ich stelle fest: Diese Bundesregierung ist sich über zentrale Fragen der Auswirkungen der Währungsunion nicht im klaren. Sie ist nicht bereit, die Bevölkerung zu informieren. Sie schadet dem Ansehen der Europäischen Union durch das Vorenthalten von Informationen.
({0})
Ich weise darauf hin: Unter den Fragen, die vor Mitte Februar zu beantworten sich die Bundesregierung nicht imstande sieht, sind folgende:
Wird der Eintritt in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion Auswirkungen auf die Systeme der nationalen Arbeitslosen- und Alterssicherung in Deutschland haben? Sieht die Bundesregierung geeignete Instrumente, um zu verhindern, daß nach dem Wegfall des Instruments Wechselkursanpassung die Arbeitsmärkte ... negativ betroffen werden?
Welche Vor- und Nachteile im einzelnen hat der Bürger durch die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu erwarten?
Wie werden Forderungen und Verbindlichkeiten ({1}), Versicherungen . . ., Guthaben von Giro- und Sparkonten und Renten bzw. Pensionen auf die neue Währung umgestellt?
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dem Deutschen Bundestag, den Wählerinnen und Wählern, den Menschen in Deutschland solche Informationen vorzuenthalten heißt, in diesen Fragen der Europapolitik zu schaden. Eine offene Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern schafft Vertrauen. Die Bundesregierung ist dazu nicht imstande.
({2})
Herr Minister, wünschen Sie das Wort zur Replik? - Nein.
({0})
Dann hat als nächster der Abgeordnete Eckart Kuhlwein das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Kollegen Seiters vorhin gehört habe, dachte ich: Bin ich eigentlich im Niedersächsischen Landtag oder im Deutschen Bundestag?
({0})
Herr Kollege Seiters, Sie haben sich so liebevoll um dieses Land im Norden bemüht und generell sozialdemokratisch regierte Länder vorgeführt, indem Sie gesagt haben, Sie hätten jetzt auch Sparhaushalte eingebracht. Ich möchte Sie daran erinnern, wo denn
die gesamtstaatliche Verantwortung für Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik und Finanzpolitik liegt: Sie liegt bei dieser Bundesregierung.
({1})
Wie chaotisch die Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß gelaufen sind, kann jeder Redner eigentlich nur bei seinem Einzelplan wiederholen. Ich will das noch einmal deutlich machen: Während wir vor fünf Monaten zu dem Titel „Ausstattungshilfe" des Auswärtigen Amtes immerhin ein 53-Seiten-Papier bekommen haben, in dem über vier Jahre ganze 166 Millionen DM etatisiert und erläutert worden sind,
({2})
sollten wir in 24 Stunden über 20 Milliarden DM Umschichtung im Haushalt auf der Grundlage eines einzigen Wisches sachkundig und solide entscheiden. Dies ist ein unmögliches Verfahren. Wir bleiben dabei, daß es dieser Haushalt an Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit fehlen läßt.
({3})
Der Haushalt des Auswärtigen Amtes, zu dem ich heute sprechen möchte, gehört mit rund 3,8 Milliarden DM zu den kleineren Etats. 40 Prozent machen die Betriebskosten des Auswärtigen Dienstes aus, etwas mehr als 30 Prozent werden für auswärtige Kulturpolitik, etwas weniger als 30 Prozent für sogenannte politische Ausgaben aufgewendet. Diese Summen markieren bescheidene Größenordnungen, mißt man sie etwa am Verteidigungshaushalt oder auch an dem längst nicht ausreichend dotierten Haushalt für wirtschaftliche Zusammenarbeit, bei dem wir ja immer noch - mit anderen gemeinsam - auf die Friedensdividende warten.
Wenn der Haushalt des Auswärtigen Amtes gegenüber 1995 geringfügig aufgestockt wurde, hat das im wesentlichen zwei Ursachen, nämlich die Pflichtbeiträge zu den Vereinten Nationen und die erste Rate für den Zuschuß zu den der Türkei versprochenen MEKO-Fregatten. Die politischen Ausgaben im übrigen - dazu gehören eine Reihe von Instrumenten für friedliche Konfliktvermeidung und zivile Konfliktmoderation - stagnieren. Während wir Stunden um Stunden um kleinere Millionenbeträge für diese Aufgaben gefeilscht haben, werden im Verteidigungshaushalt zügig die hundertfachen Summen bewegt.
Ich will auf diese Schlagseite des Bundeshaushalts nur aufmerksam machen. Es wäre dringend an der Zeit, die gewachsene deutsche Verantwortung in der Welt nicht mehr in erster Linie militärisch zu definieren.
({4})
Wir werden das allerdings auch nicht zulassen, Herr Kollege Seiters. Die Frage, die wir bei allen Konflikten in der Welt beantworten müssen, ist doch nicht in erster Linie die, ob und inwieweit die Bundeswehr dort tätig wird. Die Frage ist doch zunächst, ob und inwieweit man mit zivilen Mitteln sehr viel wirksaEckart Kuhlwein
mer dem vorbeugen kann, daß sich Konflikte blutig zuspitzen.
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Ich will nicht verschweigen, daß die Koalition den Haushalt für auswärtige Kulturpolitik gegenüber dem Regierungsansatz um 15 Millionen DM aufgestockt hat, nachdem dort in den Vorjahren kräftig abgebaut worden ist. Das ist immerhin etwas mehr als gar nichts, aber noch lange nicht der vom Außenminister angekündigte „neue Schwerpunkt". Sie haben dafür ausdrücklich unsere Zustimmung, auch wenn ich mir etwas mehr Kooperation zwischen den Berichterstattern gewünscht hätte. Ich hoffe, daß wir rechtzeitig für 1997 das Konzept entwickelt haben, die Mittel für das Goethe-Institut zu plafondieren, damit dieser wichtige Träger deutscher Kulturarbeit im Ausland endlich selbständiger planen kann.
Meine Damen und Herren, es ist der gemeinsame Wille des Bundestages, daß sich Deutschland stärker als bisher an Minenräumaktivitäten beteiligt. In einem Sonderfonds der Ausstattungshilfe sind dafür, auf drei Jahre verteilt, 10 Millionen DM vorgesehen. Es ist nicht zuletzt dem Einsatz und dem Engagement unseres ehemaligen Kollegen Horst Jungmann zu verdanken, daß die Koalition für 1996 jetzt noch einmal 10 Millionen DM dazulegen will, damit die erfolgversprechenden Einsätze der Vereinten Nationen, zum Beispiel in Mosambik, fortgesetzt werden können.
({6})
Der Kollege Horst Jungmann hat dort an Ort und Stelle als Experte für die Vereinten Nationen mitgearbeitet. Das ist auch ein Beispiel dafür, daß Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuß nach ihrer Abgeordnetenzeit nicht unbedingt Lobbyisten für die Rüstungsindustrie werden müssen, wie das ja manchmal der Fall ist.
({7})
Trotz solcher Fortschritte in Erkenntnis und Handeln auf der Seite der Koalition: Die Negativposten überwiegen. Bei der humanitären Hilfe, bei UNICEF, beim Internationalen Roten Kreuz mauern CDU/CSU und F.D.P. noch immer. Dabei ließe sich dort mit verhältnismäßig geringen Beträgen große politische Wirkung erzielen. 80 Millionen DM im Haushalt für humanitäre Hilfe für die ganze Welt - dazu gehören Flüchtlingshilfe, Sofort- und Katastrophenhilfe -, aber 65 Millionen DM als erste Rate für türkische Fregatten. Das macht deutlich, wo diese Bundesregierung ihre falschen Prioritäten setzt.
({8})
Das Internationale Rote Kreuz hat im September einen Hilferuf gestartet und an die vergessenen Konflikte erinnert - an Afghanistan, an Liberia, an Sri Lanka, an den Kaukasus. Es hat bedauert, daß sich die Geberländer vor allem dort engagieren, wo sie sich eine große Medienwirkung versprechen. Bei den Beiträgen zu UNICEF und dem Weltkinderhilfswerk liegen wir in der Rangskala weit hinten und müssen uns von unseren Nachbarn Niederlande,
Norwegen, Schweden und Dänemark beschämen lassen.
Sie reden immer davon, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Humanitäre Hilfe, Flüchtlingshilfe, Menschenrechtsarbeit sind sehr viel wirksamer im Sinne einer globalen Friedenspolitik als die Beschaffung neuer Flugzeuge.
({9})
Oder ist es etwa falsch, daß ein einziges Exemplar des Eurofighters doppelt soviel kosten würde, wie der Haushaltsansatz für die humanitäre Hilfe umfaßt? Es muß erlaubt sein, solche Zahlen zu vergleichen, gerade wenn wir ernsthaft über neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten deutscher Außenpolitik nachdenken.
Im übrigen, meine Damen und Herren auf der Rechten des Hauses, halten wir den Eurofighter nach wie vor für sicherheitspolitisch überflüssig und für unbezahlbar. Und Sie werden, wenn Sie uns nicht nachweisen, daß das Flugzeug wirklich gebraucht wird, und aufzeigen, wie Sie es bezahlen, von uns keine positive Entscheidung bekommen.
({10})
Die Abrüstungshilfe für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist von der Bundesregierung um 5 Millionen DM aufgestockt worden. Das ist ein Fortschritt. Gemessen an den Bemühungen anderer westlicher Länder ist es immer noch viel zuwenig.
Ich möchte in dem Zusammenhang auf ein besonderes Problem eingehen: Wir warnen davor, die Lösung für die Beseitigung von waffenfähigem Plutonium in der Umwandlung zu Mischoxidbrennstäben zu suchen. In Deutschland - genauer gesagt: in Hanau - wird so etwas nie genehmigungsfähig und von der Bevölkerung niemals akzeptiert werden. Eine Pilotanlage in Rußland würde langfristig zusätzliches ziviles Plutonium mit immer noch hohem Proliferationsrisiko erzeugen. Gerade wegen dieses Risikos ist einst eine amerikanische Regierung aus der Mischoxidtechnologie ausgestiegen.
Deutschland sollte sich deshalb am Bau eines Sicherheitslagers in Rußland beteiligen. Dann sollte gemeinsam an der Vitrifikation, das heißt an der Einschmelzung in Glas, gearbeitet werden. Der Weg, der heute mit deutscher Unterstützung verfolgt wird, ist abrüstungspolitisch und energiepolitisch eine Sackgasse.
({11})
Ich habe die MEKO-Fregatten bereits erwähnt. Der Bundestag hatte zum Haushalt 1995 die Verpflichtungsermächtigungen gesperrt. Der Haushaltsausschuß hat die Mittel jetzt gegen unsere Stimmen freigegeben. Aber die Gründe für eine Sperre gelten nach wie vor: Keine Rüstungshilfe für die Türkei, solange es Spannungen im östlichen Mittelmeer gibt und die Lage der Menschenrechte noch immer nicht den Standards entspricht, die in der Nato auch als Wertegemeinschaft vereinbart worden sind.
({12})
Die Bundesregierung, der Bundesaußenminister hat uns immer noch nicht die Frage beantwortet, warum ausgerechnet diese Werfthilfe, die es sein soll, im Haushalt des Auswärtigen Amtes veranschlagt ist. Diese Frage ist immer noch offengeblieben. Sie wird hin- und hergeschoben. Ich bin gespannt darauf, ob bei dieser Werfthilfe die Brüsseler Kommission eines Tages interveniert und sagt, daß sie eigentlich mit dem europäischen Recht nicht vereinbar sei.
Der Vizeweltmeister beim Rüstungsexport hat keinen Grund, durch die Ausfuhr von weiteren Kriegswaffen nach dem Weltmeistertitel zu streben.
({13})
Dazu kommt, daß die Türkei jetzt zugeben mußte, daß deutsche Waffen aus der Rüstungshilfe entgegen den Verabredungen auch gegen Kurden im türkischen Inland eingesetzt worden sind. Wahrscheinlich gilt dies auch für die anhaltende völkerrechtswidrige Besetzung des nördlichen Teils von Zypern. Wir würden gern vom Außenminister hören, wie er mit den Brüskierungen umgehen will, nachdem er uns früher erklärt hat, er sei sicher, die Türkei habe die Wahrheit gesagt, als sie behauptete, deutsche Waffen seien nicht gegen Kurden eingesetzt worden. Wir würden gerne hören, ob Sie da etwas zu korrigieren haben.
({14})
- Ich habe einen Bericht gelesen, wonach Abgeordneten dieses Hauses, des Verteidigungsausschusses - -
Sie werden das gleich ergänzen können.
({15})
Im übrigen habe ich an anderer Stelle auch Informationen, was den Einsatz von deutschen Waffen in Zypern angeht, erhalten.
Meine Damen und Herren, leider kennzeichnen Haushaltstitel wie die MEKO-Subventionen die Einstellung der Koalition zu den Gewichten in der Außenpolitik mehr als die folgenlosen Bemühungen um die Verbesserung der zivilen Instrumente. Bezeichnend dafür ist auch, wie die Koalition mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages umgeht, in Guernica als Geste des Friedens ein Berufsbildungsprojekt zu fördern. Seit 1991 gibt es dazu einen Vertrag zwischen Guernica und seiner Partnerstadt Pforzheim. Gebraucht würden insgesamt 12 Millionen DM, aber die Koalition will nicht. Der Kollege Riedl bezweifelt sogar, ob die Geschichtsschreibung über Guernica 1937 neueren Erkenntnissen standhalten würde. Wer so mit der Geschichte und ihrer Aufarbeitung umgeht, setzt mühsam erworbenes Vertrauen aufs Spiel.
({16})
Ich bedaure auch, daß unsere Bemühungen um einen ersten Schritt zu einer deutsch-tschechischen Stiftung für die Opfer des Nationalsozialismus am Widerstand der Koalition gescheitert sind. Das paßt in dieselbe Generallinie, leichtfertig mit der deutschen Geschichte umzugehen.
({17})
Zum Schluß möchte ich die Bundesregierung darum bitten, neue Instrumente ziviler Konfliktbewältigung zu entwickeln und zu erproben, wie sie zum Beispiel von der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg angeregt worden sind, die als Mittel einer neuen Politik friedlicher Streitbeilegung einen zivilen Friedensdienst schaffen möchte. Das Forum Ziviler Friedensdienst, das aus dieser Initiative entstanden ist, hat dazu erste Vorschläge vorgelegt, die ich den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung ans Herz legen möchte.
Gerade jetzt, am Beginn des Friedensprozesses im ehemaligen Jugoslawien, brauchen wir viele engagierte und qualifizierte Menschen, die dabei helfen, vor Ort die verfeindeten Gruppen wieder zusammenzuführen. Es stünde unserem Land mit seiner Geschichte gut an, auch solche Wege zu suchen und zu gehen.
({18})
Ganz zum Schluß danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für ihre Unterstützung bei der Beratung des Haushalts.
Ich bitte die Kollegen Berichterstatter von der Koalition um bessere Terminabstimmung und mehr Information.
Es gibt für meine Fraktion keine ausreichenden Gründe, dem Haushalt des Auswärtigen Amtes und damit der Politik des Bundesaußenministers, auch wenn wir in manchen Fragen mit ihm übereinstimmen, zuzustimmen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
({19})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Erich Riedl.
({0})
Herr Fischer, ich kann mir vorstellen, daß das ein ewiger Wunschtraum von Ihnen sein wird.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Reden des Kollegen Kuhlwein und seiner SPD-Kollegen etwas aufmerkDr. Erich Riedl ({1})
sam zugehört hat, wurde einem der Grund klar, warum die SPD diese Haushaltsdebatte absetzen wollte: In keinem der Beiträge ist ein einziger vernünftiger und konstruktiver Gedanke zur deutschen Politik festzustellen gewesen.
({2})
Dabei weiß ich nicht, ob die Kollegen auch dagewesen wären, wenn wir den Punkt abgesetzt und in den Haushaltsausschuß zurückverwiesen hätten.
({3})
Der Kollege Kuhlwein lobt den SPD-Kollegen Jungmann dafür - den ich im übrigen genauso schätze wie Sie -, daß er sich für 10 Millionen DM mehr für Minenräumung eingesetzt hat. Justament zu dem Zeitpunkt, als wir über diese 10 Millionen DM diskutiert und sie beschlossen haben, war die SPD ausgezogen.
({4})
Vor der Tür setzt man keine 10 Millionen DM durch.
({5})
Herr Kuhlwein, auf Grund der Erfahrungen, die ich in diesem Haus schon gesammelt habe, möchte ich sagen: Man kann überall ausziehen. Nur aus zwei Gremien würde ich nicht ausziehen: aus dem Ältestenrat und aus dem Haushaltsausschuß.
({6})
Herr Kollege Riedl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhlwein?
Es ist mir ein Vergnügen.
Herr Kollege Riedl, ist es richtig, daß Sie bei der Beratung des Einzelplans 05 einen Antrag unserer Fraktion, 10 Millionen DM zusätzlich für Minenräumung einzusetzen, abgelehnt haben und daß sich die Koalition erst nach den freundschaftlichen Gesprächen, die der Kollege Jungmann nach seinen Erfahrungen in Mosambik auch mit Ihnen geführt hat, entschieden hat, doch 10 Millionen DM einzusetzen?
Herr Kuhlwein, Sie passen nicht einmal in Sitzungen auf, in denen Sie anwesend sind.
({0})
Ich kann es Ihnen noch schriftlich geben.
Ich habe Ihnen damals gesagt: Diese 10 Millionen DM müssen wir vom Finanzminister holen, weil wir sie aus dem Einzelplan 05 nicht herausstreichen konnten. Da habe ich gesagt: Gedulden Sie sich; das machen wir in der Bereinigungssitzung. Da sind Sie aber ausgezogen.
({1})
Es ist nur schade, daß Herbert Wehner nicht mehr lebt. Dessen Gesicht würde ich jetzt gern sehen, wenn er da vorne säße.
({2})
Ihre Meinung zum Jäger 90 kenne ich.
({3})
- Seien Sie vorsichtig, Herr Verheugen. Sie sind Abgeordneter in Bayern - zwar nur über die Liste, aber immerhin.
({4})
Sie würden die Mehrheit in einem Wahlkreis, in dem die Luftfahrtindustrie zu Hause ist, auch nicht bekommen. Sie haben sie nicht einmal in der Bierstadt Kulmbach erhalten.
({5})
- Nein, dort haben Sie sie nicht bekommen. In Kulmbach werden Männer gewählt, richtige Männer.
({6})
Ich bitte die Damen um Entschuldigung.
Lieber Herr Kuhlwein, zum Jäger 90 und zu den MEKO-Fregatten möchte ich Ihnen sagen: Bevor Sie an dieses Pult treten, empfehle ich Ihnen, das mit der IG Metall und den vor Ort tatsächlich noch zahlreich vorhandenen SPD-Betriebsratsmitgliedern zu diskutieren. Ich weiß, was die über Sie reden. Das kann ich Ihnen gratis und privatissime - wie Strauß immer zu sagen pflegte - mitteilen.
({7})
Ich habe gedacht, heute gibt es das große Donnerwetter über die Etatisierung der deutschen Außenpolitik innerhalb des Bundeshaushalts.
({8})
Mitnichten.
Es ist falsch, Herr Kuhlwein, wenn Sie sagen, die in der Welt gewachsene deutsche Aufgabe schlage sich in diesem Haushalt nicht entsprechend nieder. Das Gegenteil ist der Fall. Der Haushalt des Auswärtigen Amtes für 1996 - das ist schon gesagt worden - hat ein Gesamtvolumen von 3,782 Milliarden DM. Ich nenne Ihnen diese Zahl, weil ich Sie später bitten möchte, sie mit anderen Zahlen in Verbindung zu bringen. Herr Finanzminister, das sind 0,84 Prozent am gesamten Bundeshaushalt.
Dr. Erich Riedl ({9})
Ich darf Ihnen als Berichterstatter im Haushaltsausschuß sagen, daß die deutsche Außenpolitik mit diesem Haushalt den Kurs der soliden Haushaltsfinanzierung und -konsolidierung voll mitträgt. Das muß einmal gesagt werden, weil oft falsche Vorstellungen über das bestehen, was auswärtige Politik leistet.
Ich will das unterstreichen - es kommt viel zuwenig zum Ausdruck -: Unsere Diplomaten leisten einen lebenswichtigen Dienst für Deutschland. Sie leisten zunehmend einen wertvollen Dienst für unsere gesamte Volkswirtschaft. Der auswärtige Dienst ist nicht nur ein rein diplomatischer Dienst.
Manche Diplomaten - angesichts der vielen Krisenherde in der Welt muß man sogar sagen: viele Diplomaten - leben äußerst gefährlich mit ihren Familien in Krisengebieten und setzen täglich ihr Leben ein. Ich möchte an dieser Stelle unseren Diplomaten und ihren Familienangehörigen ein herzliches Dankeschön für ihre Arbeit sagen.
({10})
0,84 Prozent, also nicht einmal 1 Prozent aller Bundesausgaben werden für den auswärtigen Dienst Deutschlands aufgewendet, der weltweite Interessen einer großen Exportnation wahrnimmt, in der jeder dritte Arbeitsplatz exportabhängig ist, der bis in entlegenste Winkel der Erde seinen Bürgern - wir sind Weltmeister im Tourismus; das ist keine Beleidigung - im Notfall hilft und der in einem immer dichter werdenden Netz bilateraler und multilateraler Beziehungen für Frieden, Verständigung, sozialen Fortschritt und eine bessere Umwelt arbeitet. Das ist fürwahr kein Luxus, ganz im Gegenteil.
Herr Kollege Lamers, wir haben neulich in der Arbeitsgruppe darüber gesprochen: Weder die USA, Großbritannien, Frankreich noch die meisten anderen großen Industrienationen verfügen über eine derart bescheidene Quote ihres Haushalts für den auswärtigen Dienst am Gesamtstaatshaushalt.
Dieser Haushalt wächst trotz aller Konsolidierungsbemühungen 1996 gegenüber 1995 etwas an, und zwar um rund 217 Millionen DM. Herr Kollege Kuhlwein, die MEKO-Fregatten hätte ich auch herausgerechnet. Herr Kollege Wieczorek, wenn wir die Haushaltswahrheit angewandt hätten, hätten wir sie eigentlich in den Einzelplan 09 einsetzen müssen. Es hat jedoch andere Gesichtspunkte gegeben, deshalb rechne ich die Kosten der MEKO-Fregatten aus einer exakten Haushaltsanalyse heraus.
Der Zuwachs beruht in erster Linie auf der Höhe der Pflichtbeiträge an die Vereinten Nationen und internationale Organisationen. Daneben mußten eine ganze Reihe von Maßnahmen finanziert werden, die die große Not von vielen hunderttausend Menschen in der Welt lindern helfen können, bei denen manche angesichts der Beträge, die ich Ihnen gleich beispielhaft nennen will, sagen: Das ist kleinlich, und dieses große Deutschland könnte mehr tun.
Wir sollten sogar froh sein, daß es trotz der schwierigen Haushaltslage gelungen ist, einiges zu tun, was ich erwähnen darf. Das ist die Erhöhung der Mittel für die humanitäre Hilfe um 3,5 Millionen DM, für UNICEF um 3 Millionen DM, für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz um 400 000 DM und für die Beseitigung von Landminen.
Der Kollege Poppe hat vorhin die Ausstattungshilfe kritisiert, weil es unter diesem Titel auch Polizeihilfe gibt. Herr Kollege Poppe, ich will es in aller Ruhe und Nüchternheit sagen: Hier werden keine Waffen, keine Pistolen, keine Munition und überhaupt nichts Militärisches geliefert; das ist ausschließlich Ausstattung für Krankenhäuser und Infrastrukturen. Ich bin sehr froh, daß unter den wenigen Ländern der Welt, die diese Hilfe überhaupt leisten, Deutschland ist.
Wenn man sieht, wie die leidenden Menschen - ich habe Menschen im Jemen gesehen, die durch den dort herrschenden Bürgerkrieg fürchterlich verstümmelt wurden - von deutschen Ärzten, Schwestern und deutschen Einrichtungen gepflegt werden, und ihre Dankbarkeit miterlebt, dann sollte man, Herr Kollege Poppe, im Bundestag nicht so reden, wie Sie es getan haben.
({11})
Von den etwa 3,8 Milliarden DM, die im Einzelplan vorgesehen sind - meine Bitte lautet, daß Sie alles in Relation zu dieser Zahl stellen -, gehen 1,19 Milliarden DM in den Kulturhaushalt des Auswärtigen Amtes. Was mich immer ein wenig wundert - in meinem Alter ärgert man sich nicht mehr so leicht -, ist, daß ausgerechnet von denen, die seit Jahren von staatlichen Gehältern leben, öffentlich daran Kritik geübt wird, daß es noch nicht genug sei.
({12})
Wenn sie den Bundespräsidenten oder den verehrten Bundeskanzler treffen, dann geht das Klagelied los, und wir alle müssen uns das Klagelied anhören. Wenn ich dann dem Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten berichte, was wir alles sagen, dann höre ich: Das habt ihr gut gemacht. Also, meine Herren vom Goethe-Institut oder wie sie alle heißen: Seien Sie etwas vorsichtig mit ihren etwas vorlauten Kritiken, die nicht berechtigt sind. Auch das will ich hier einmal loswerden.
({13})
Es ist im übrigen interessant, daß in den Gremien zum Beispiel beim Goethe-Institut ausgerechnet die Kolleginnen und Kollegen mehr Geld fordern, die früher, als sie auf der Regierungsbank saßen, nicht in der Lage waren, mehr Gelder für das Goethe-Institut durchzusetzen. Dafür wird man vielleicht sogar heute noch mit einem Orden dekoriert.
Wir haben, den Kulturhaushalt um 20 Millionen DM aufgestockt. Dies ist in den Zeiten knapper Kassen ein politisches Signal für die auswärtige Kulturpolitik. Deutschland ist - das muß man wissen, und das weiß man - Gott sei Dank nicht autark. Unsere Politik ist europäisch eingebunden, unsere Wirtschaft mit weltweiten Handels- und Kapitalströmen verDr. Erich Riedl ({14})
netzt und unsere Wissenschaft und Forschung international orientiert. Deshalb brauchen wir eine leistungsfähige Auslandskulturpolitik. Wir werden die Zielsetzungen, die wir uns selbst gegeben haben, mit bescheidenen Zuwachsraten an Haushaltsmitteln auch in den nächsten Jahren realisieren.
Aber nicht alle Probleme lassen sich über den Haushalt lösen. Wenn die auswärtige Kulturpolitik das leisten soll, was wir und vor allen Dingen auch die Wirtschaft von ihr erwartet, dann braucht sie mehr und stärkere Unterstützung von allen gesellschaftlichen Kräften, nicht nur vom Bund und von den Ländern, sondern auch und in erster Linie von der deutschen Wirtschaft.
Die Bilanz ist sehr eindrucksvoll. Das Goethe-Institut wird demnächst den 750 000. Sprachkursteilnehmer begrüßen.
({15})
- Herr Fischer, Ihre Demagogie kenne ich. Ich rate Ihnen: Gehen Sie einmal ein Semester ins Goethe-Institut, und lernen Sie anständig Deutsch!
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- Um Gottes willen! Wenn wir auch Sie noch in der Münchener CSU hätten, dann hätte ich noch mehr Probleme als zur Zeit.
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Ein netter Mensch sind Sie nicht, Herr Fischer. Das muß ich Ihnen schon sagen.
Herr Bundeskanzler, mir wäre es recht - ich sage das jetzt mehr als Staatsbürger und als Erich Riedl -, wenn die deutsche Sprache vom Goethe-Institut auch noch in den nächsten Jahrzehnten so, wie sie in ihrer Orthographie heute besteht, und nicht in der verunstalteten Weise der Vorschläge, die zur Zeit von den Kultusministern der Länder diskutiert werden, vermittelt werden könnte. Ich bin sicher, daß wir uns da völlig verstehen.
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Ich muß im Zusammenhang mit den deutschen Vertretungen in der ganzen Welt auf einen Punkt zu sprechen kommen, den Sie sicher alle schon bemerkt haben. Wir müssen, wie Sie wissen, aus haushalterischen Gründen auch in diesem Jahr und auch für 1996 eine Kürzung von 1,5 Prozent des Personalbestands erdulden, erleiden und durchsetzen: Ich will für das Auswärtige Amt auch als Haushälter sagen, daß angesichts der zunehmenden Aufgaben in der Welt die Umsetzung dieser Kürzungen leider Gottes nur noch durch weitere Schließungen von Auslandsvertretungen möglich wird.
Wir müssen uns alle gemeinsam die Frage stellen, ob es sich Deutschland bei seiner gewachsenen Bedeutung auf Dauer leisten kann, diese Einsparungen mit der Schließung von Konsulaten und Generalkonsulaten zu erkaufen. Mir jedenfalls bereitet der kontinuierliche Abbau unserer Präsenz im Ausland größte Sorge. Ich würde es für gut halten, wenn darüber Einigung erzielt werden könnte, daß es das gesamtstaatliche Interesse erfordert, künftig die deutschen Auslandsvertretungen so, wie wir die Polizei, die Justiz und die Zollverwaltung ausgenommen haben, von den jährlichen Stellenkürzungen auszunehmen.
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Nun ein Wort zu den Kosten im internationalen Bereich. Ich richte meinen Appell, meine Bitte an Sie, daß Sie diese Zahlen in Relation zum Gesamtvolumen des Haushaltes setzen. Im Haushalt des Auswärtigen Amtes sind im Haushaltsjahr 1996 rund 770 Millionen DM für Pflichtbeiträge an die Vereinten Nationen und an andere internationale Organisationen vorgesehen. Das sind immerhin 70 Prozent aller politischen Ausgaben des Auswärtigen Amtes. Wenn Sie den gesamten Haushalt betrachten, dann stellen Sie fest, daß jede fünfte D-Mark des Haushalts des Außenministers für Pflichtbeiträge der Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen ausgegeben wird.
Herr Kollege Riedl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weng?
Herr Kollege Weng, wenn mir Ihre Frage auf meine Redezeit nicht angerechnet wird, gerne.
Herr Kollege Riedl, Sie haben gerade den Vorschlag gemacht, daß bei den Außenvertretungen des auswärtigen Bereichs Personalkürzungen nicht erfolgen sollten. Stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß der Beschluß, den der Deutsche Bundestag hierzu in der Folge des Beschlusses des Haushaltsausschusses fassen wird, der Regierung die Möglichkeit in der Umsetzung durchaus läßt, den Bereich der auswärtigen Vertretungen herauszunehmen?
Ich bin Ihnen für diesen Hinweis dankbar. Ich hätte ihn selber geben müssen. Es ist richtig, was Sie gesagt haben. Ich kann Ihnen zustimmen. Ich nehme Ihre Frage zum Anlaß, die Bundesregierung und insbesondere den verehrten Finanzminister zu bitten, diese Art von Flexibilität in die Spezialanweisung zur Durchführung des Bundeshaushalts 1996 mit aufzunehmen. Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bin auf eine andere Sache gestoßen, weil ich mir gedacht habe: Es kann doch nicht wahr sein, daß nur im Einzelplan 05 BeiDr. Erich Riedl ({1})
träge für internationale Organisationen etatisiert sind. Man höre und staune, daß Deutschland über 20 Einzelpläne hinweg an rund 350 internationale und supranationale Organisationen 6,7 Milliarden DM Pflichtbeiträge in 1996 leistet.
Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen, wenn Sie irgendwann einmal gefragt werden, ob die Deutschen ihren Verpflichtungen nachkommen, und wenn kritisiert wird, daß wir zuwenig bezahlen, die Ermutigung für diese Gespräche mit auf den Weg geben, daß es in der Welt außer uns keine Nation gibt, die so pünktlich zum Stichtag, umfassend und in diesem Volumen einmalig ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt. Das ist ein Musterbeispiel an internationaler Solidarität.
({2})
Mich ärgern allerdings - ich bin sicher, da bin ich nicht allein - zwei Dinge. Das erste ist, daß angesichts der Finanzleistungen, die wir erbringen, der deutsche Personalanteil fast überall in diesen Organisationen eindeutig unterrepräsentiert ist, aber nicht nur im VN-Bereich, sondern auch bei so gut wie allen europäischen Institutionen. Dies ist selbst bei der WTO - das ist die Nachfolgeorganisation des GATT - der Fall, bei der der deutsche Finanzanteil 12,5 Prozent beträgt, aber der deutsche Personalanteil nur 2,5 Prozent. Das ist ein Skandal.
({3})
Da muß etwas gemacht werden.
({4})
- Das war doch zu Ihrer Zeit noch viel schlimmer. Sie sind ja wirklich ein Clown. Sie waren im Haushaltsausschuß zu jener Zeit, als die SPD die Regierung gestellt hat. Dann haben Sie sich aus dem Haushaltsausschuß als Parlamentarischer Geschäftsführer verabschiedet, und inzwischen haben Sie alles vergessen, was im Haushaltsausschuß war.
({5})
- Denken Sie zurück. Setzen Sie Ihr Langzeitgedächtnis ein. Dann werden Sie mir zustimmen.
({6})
- Ob er eines hat, das weiß ich nicht. Da gebe ich Ihnen recht. Das weiß ich einfach nicht. Ich will keine falschen Behauptungen aufstellen.
Das zweite, was mich ärgert, ist, daß Deutsch als Amtssprache oder als Arbeitssprache - da wird unterschieden - so gut wie nirgendwo vorhanden ist. Ich freue mich, daß es jetzt - offenbar ist das das Ergebnis der jahrelangen Bemühungen unseres Bundeskanzlers, seiner Bundesregierung und auch deutscher Parlamentarier des Bundestages - zumindest im Europarat hierzu eine positive Entwicklung gibt, so daß wir im Einzelplan 05 für 1996 die finanziellen Voraussetzungen geschaffen haben. Wenn also grünes Licht für Deutsch als Amtssprache im Europarat gegeben wird, dann ist, Herr Minister, das Geld da.
({7}) Ich muß jetzt leider etwas überblättern.
({8})
Die Misere der SPD ist bekannt. Sie müßten mal Nachhilfeunterricht bekommen, der qualifiziert ist. Aber selbst dies lehnen Sie ab. Mit Ihnen ist es hoffnungslos! Mit Ihnen kann man nicht einmal Nachhilfeunterricht machen. Fürchterlich! Bin ich froh, daß ich nicht Mitglied der SPD bin!
({9})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß ein Wort über die deutschen Zielsetzungen bei der derzeit in Erarbeitung befindlichen Konzeption der Europäischen Union zum Wiederaufbau im ehemaligen Jugoslawien. Dieser Wiederaufbau nach einer, wann auch immer - Herr Minister, es wäre schön, wenn es bis Weihnachten so weit wäre; ich glaube das persönlich nicht -, in Kraft getretenen Friedensregelung muß eine internationale Gemeinschaftsaufgabe der Vereinigten Staaten, Japans und aller Industriestaaten sein. Alle Lasten müssen, wie es die Bundesregierung anpeilt - der Außenminister hat es heute hier dargelegt -, angemessen geteilt werden. Insbesondere die internationalen Finanzinstitutionen müssen maßgebliche Beiträge leisten. Dies muß vor allem auch für den Beitrag der Europäischen Union gelten. Dieser Beitrag muß unbeschadet flankierender nationaler Leistungen aus EU-Mitteln aufgebracht werden, wobei Richtschnur der derzeit gültige EU-Haushalt - ich füge ganz bewußt hinzu - im Rahmen der beschlossenen finanziellen Vorschau - bei uns heißt es mittelfristige Finanzplanung - sein muß. Dabei ist es selbstverständlich, daß vorzeitige Festlegungen der Politik - ich spreche auch dies ganz deutlich aus -, von wem auch immer, so lange zu unterbleiben haben, bis eine verläßliche Einschätzung des mittelfristig erforderlichen Finanzbedarfs einschließlich der Möglichkeiten für die Schuldenregelung durch Weltbank und IWF besteht.
Ich möchte deshalb an die Bundesregierung appellieren, insbesondere im Hinblick auf die auch in den kommenden Haushaltsjahren zu erwartenden enormen Sparanstrengungen im Rahmen unserer mittelfristigen Finanzplanung, finanzielle Zusicherungen für den Wiederaufbau im ehemaligen Jugoslawien nur in enger Abstimmung und im Einvernehmen mit allen Fraktionen des Deutschen Bundestages zu machen.
Die Zeit, Herr Kollege!
Ich mache den Satz noch zu Ende, Herr Präsident.
Dr. Erich Riedl ({0})
Angesichts des unsinnigen Krieges im ehemaligen Jugoslawien mit seiner sinnlosen Zerstörung der gesamten Infrastruktur und des verantwortungslosen Hinmordens unschuldiger Menschen liegt es in der Verantwortung der Industriestaaten, daß sich alle gemeinsam am Wiederaufbau beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich ganz zum Schluß sehr herzlich bedanken. Ich war schon Berichterstatter für mehrere Häuser. Aber ich möchte mich ausdrücklich bedanken, Herr Minister, für die außerordentlich qualifizierte und sparbewußte Haltung Ihrer Mitarbeiter im Haushaltsreferat.
({1})
Es ist für einen Minister immer gut, auch einmal ein paar Details über sein Haus zu erfahren. Mit der Abteilung können Sie wirklich sehr gut leben. Diese Abteilung hat sich außerordentlich konstruktiv erwiesen.
Ich möchte mich auch bei den Mitberichterstatterinnen und dem Mitberichterstatter für den Einzelplan 05 bedanken.
Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie dem Einzelplan 05 in zweiter Lesung zustimmen würden.
({2})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Verheugen.
Ich weiß zwar nicht, meine Damen und Herren, was der Kollege Riedl damit sagen wollte, daß ich selbst in der Bierstadt Kulmbach die Mehrheit nicht hätte gewinnen können, weil es ja viele Städte in Deutschland gibt, in denen CDU- oder CSU-Kollegen die Mehrheit nicht gewinnen konnten. Aber ich habe mir das Wahlergebnis kommen lassen. Erststimmenergebnis der letzten Bundestagswahl in der Bierstadt Kulmbach: CSU - Kollege Dr. Protzner, Generalsekretär der CSU - 41,38 Prozent, SPD - ich - 48,77 Prozent. Wenn ich richtig rechnen kann, ist das die Mehrheit für die SPD.
Ich erwähne das nur deshalb, weil ich das Gefühl gewonnen habe, daß Sie sich gern hier hinstellen, einfach irgend etwas daherreden und denken, es wird schon niemand merken, daß es falsch ist. Diesmal haben wir es gemerkt!
({0})
Herr Kollege Riedl.
Herr Verheugen -
Immer mit der Ruhe. Sie müssen warten, bis das rote Licht aufleuchtet.
Ich bitte um Entschuldigung, aber Technik ist etwas Fürchterliches.
({0})
Das jedenfalls haben Sie mit den Kollegen der SPD gemeinsam.
Herr Verheugen, in Ihrer Schublade liegt das Bundestagshandbuch. Wenn Sie hineinschauen, werden Sie sehen, daß den Wahlkreis Kulmbach der Kollege Protzner als Direktkandidat gewonnen hat,
({0})
und zwar mit einem Bombenabstand zu Ihnen. Lesen Sie doch zuerst einmal Ihre eigenen Wahlergebnisse, dann können Sie im Bundestag nicht einen solchen Blödsinn bekanntgeben.
({1})
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat jetzt der Kollege Kuhlwein.
Herr Kollege Riedl, wenn Sie noch einen Moment aufpaßten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Ich möchte noch etwas zur Klärung der Vaterschaft für diese zusätzlichen 10 Millionen DM sagen, die für Minenräumaktivitäten ausgegeben werden sollen. Sie haben versucht zu verwaschen, von wem die Initiative dafür gekommen ist. Deshalb möchte ich Sie an die Drucksache 13/2630, Bericht des Haushaltsausschusses, erinnern. Auf Seite 16 steht wörtlich:
Mehrheitlich abgelehnt hat der Haushaltsausschuß einen Antrag der Fraktion der SPD, die Ausstattungshilfe um 10 Mio. DM in 1996 sowie Verpflichtungsermächtigungen um 13,3 Mio. DM zur Finanzierung von Projekten zur Beseitigung der Landminengefahr zu erhöhen.
Das geschah im ersten Durchgang zum Einzelplan 05.
Dieser Titel war auch nicht zur Behandlung in der Bereinigungssitzung vorgesehen. Sie haben sich nachher dazu bewegen lassen; das begrüßen wir. Tun Sie aber nicht so, als hätten Sie diesen Ansatz allein entwickelt. Zudem fand ich es unfair, daß unser Name nicht auf der von Ihnen erstellten Drucksache gestanden hat.
({0})
Herr Kollege Riedl.
Herr Präsident! Wir waren uns im Bundestag über alle Fraktionen hinweg einig, daß wir bezüglich der Minenräumaktivitäten etwas machen müssen. Der eigentliche
Dr. Erich Riedl ({0})
Jammer besteht darin, daß der Herr Kollege Kuhlwein hier so tut, als ob das nur von ihm und Herrn Jungmann initiiert worden wäre. Bei der entscheidenden Abstimmung aber war er nicht da.
Wissen Sie, es ist so wie beim Fußball: Wenn eine Fußballmannschaft um 15.30 Uhr nicht im Stadion ist, hat sie verloren.
({1})
Der Herr Kollege Kuhlwein war bei der Abstimmung draußen. Ob er sich dort mit seinen Kollegen von der SPD darüber gestritten hat, ob es richtig war, hinauszugehen, oder ob es besser gewesen wäre, drin zu bleiben, kann Ihnen der Kollege Wieczorek sagen. Ob er seine Geheimhaltungspflichten unterwandern kann, ist aber wieder Sache der SPD. Das weiß ich nicht.
({2})
Eines muß ich noch sagen: Kulmbach ist eine herrliche Stadt. Der Abgeordnete Protzner hat den Wahlkreis 226, Kulmbach, mit 53,3 Prozent gewonnen,
({3})
der SPD-Kollege Verheugen hat nur 37,2 Prozent erzielt.
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Wir haben jetzt für Kulmbach genug Werbung gemacht, aber ich möchte noch hinzufügen: Sie gewinnen ihn auch in vier Jahren nicht. Das sage ich Ihnen schon heute voraus.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Fischer, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast wäre ich versucht, dem Haus zu einer gelungenen Parlamentsreform zu gratulieren; denn angesichts der Höhepunkte, die heute die Haushaltsdebatte um den Einzelplan des Bundeskanzlers erreicht hat, bleibt einem kaum noch eine Alternative. Es geht um die Bierstadt Kulmbach.
Man könnte fast meinen, das sei die Fortsetzung des CDU-Parteitages mit anderen Mitteln hier im Plenum: auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. Ich nehme an: Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert befindet sich auch die Bundesregierung mit dem Bundeskanzler.
({0})
- Ich bedanke mich ausdrücklich für diesen Beifall;
denn zu dem, was wir heute auf dem Weg ins
21. Jahrhundert geboten bekommen haben, kann ich nur sagen: Prost Mahlzeit!
({1})
Seine Erhabenheit, der Bundeskanzler - da muß man sich fragen, welches Verfassungsverständnis Sie haben -, Sie schweigen bereits den ganzen Morgen wie ein Buddha, obwohl es darum geht, Ihren Haushalt zu verteidigen. Dabei geht es nicht um Bierstadt oder ähnliches, sondern um höchst ernste Dinge, Herr Bundeskanzler.
Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert - das ist in der Tat das zentrale Thema, um das es sich zu streiten lohnt. Nur: Darum muß auch gestritten werden. Darum geht es. Wir freuen uns alle darüber, daß der siebenhundertfünfzigtausendste Besucher die Goethe-Institute endlich erreicht hat. Aber es ist nicht das Thema des 21. Jahrhunderts, meine Damen und Herren.
({2})
Deswegen lassen Sie uns einmal zu den substantiellen Themen kommen, über die es sich wirklich in aller Ernsthaftigkeit zu streiten lohnt. Herr Bundeskanzler, ich möchte Sie auffordern, mit diesem kindischen Spiel aufzuhören. Sie haben Ihren Haushalt zu vertreten. Kommen Sie hierher und vertreten Sie ihn. Das ist der entscheidende Punkt. Ich finde es höchst albern, wie Sie sich heute morgen hier gebärden.
({3})
Meine Damen und Herren, der CDU-Parteitag war insoweit richtungsweisend. Ich betone noch einmal: Herr Hintze, Sie haben es als Oberministrant hervorragend gemacht. Die Frage, wie dieses Land in das 21. Jahrhundert geführt werden soll, wird hoffentlich die entscheidende Kontroverse aller Parteien in den kommenden Jahren und wird hoffentlich der Entscheidungsmaßstab für die nächsten Bundestagswahlen sein. Ich glaube, darüber gibt es keinen Dissens, und kann es unter Demokraten keinen Dissens geben. Sehen Sie sich die Ergebnisse Ihres Parteitages an und wie Sie auf dem Weg in das 21. Jahrhundert erst einmal in der Vorbereitung bestimmte gesetzliche Vorschriften ausmanövrieren mußten, Ausnahmevorschriften gewissermaßen erlassen mußten, um dort Ihre höchst fortschrittliche Verpackungsvorstellung durchsetzen zu können.
({4})
- Herr Schäuble, das mag für Sie eine Kleinigkeit sein.
Der Bundeskanzler redet immer gerne in großen Worten über Umwelt. Wenn es konkret wird, sei es bei den Öko-Steuern, sei es bei der Verpackungsverordnung oder wo auch immer, dann stellt man fest,
Joseph Fischer ({5})
daß den schönen Worten keine Taten folgen. Aber das ist für mich nicht der entscheidende Punkt.
({6})
Der entscheidende Punkt ist, daß seine Eminenz ganz persönlich für die Frauenquote angetreten ist, daß es akzeptiert wird, daß es sich hierbei um einen wichtigen Schritt auch der Frauengleichstellung in der CDU handelt. Ihr Weg in das 21. Jahrhundert sah aber so aus, daß Sie beim ersten Schritt auf die Schnauze gefallen und im 19. Jahrhundert gelandet sind.
({7})
Das war die Konsequenz, meine Damen und Herren.
({8})
- Nein, nein, das ist kein Haushalt, das ist Präludium, das ist Ihre Fähigkeit, Zukunft zu gestalten. Wir kommen gleich noch zum Regierungsteil. Keine Sorge, keine Sorge.
Ich spreche noch einmal einen ganz entscheidenden Punkt an. Sie sagen, Sie können die Zukunft gestalten. Sie sprechen dauernd über Investitionshemmnisse. Sie sehen in der wachsenden Zahl der Arbeitslosen kein bedrängendes Problem, in der wachsenden Zahl der Armen kein bedrängendes Problem, sondern Sie sehen hier hauptsächlich Leute, die sich - so Ihre Sprache, vor allem von der F.D.P. - in das soziale Netz, in die soziale Hängematte legen. Ich frage Sie: Wo ist Ihr Reformansatz in einem der entscheidenden Punkte, wo Sie persönlich direkt Verantwortung tragen, nämlich bei der Reform des öffentlichen Dienstes? Wenn ich mir ansehe, was der Bundesinnenminister vorgelegt hat, dann kann man sagen, das ist die Wiederentdeckung der Langsamkeit bei der Reform des öffentlichen Dienstes.
({9})
Wo sind denn hier wirklich substantielle Eingriffe? Wo sind denn hier die Vorschläge für einen schlanken, für einen modernen, für einen hochproduktiven, gut bezahlten öffentlichen Dienst? Sie halten doch an dem bezopften absolutistischen Berufsbeamtentum fest. Das, was Sie sich an Reformen erlauben, verdient nicht einmal den Namen Reförmchen, meine Damen und Herren.
({10})
Das ist der Maßstab, wenn Sie über Zukunftsgestaltung reden.
Schauen Sie sich doch einmal die Lage an. Jedes Mal, wenn man mit jemandem aus der Wirtschaft redet, kommt eine endlose Litanei: hohe Arbeitslosigkeit - 3,5 Millionen. Und alle sagen, es wird vermutlich auf diesem Sockel weiter in die Arbeitslosigkeit hineingehen, denn Sie weigern sich konstant, eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Ja, dieser
Finanzminister hatte sogar noch die glorreiche Idee, in seinem Haushaltsansatz auf entsprechende Bundeszuschüsse bei der Bundesanstalt für Arbeit zu verzichten. Die Opposition hat Ihnen von Anfang an gesagt, mein lieber Waigel, daß es sich dabei um eine reine Luftbuchung handelt. Sie werden das nicht durchhalten können. Dann kamen Sie auch, als das Haushaltsloch da war, und mußten entsprechende Milliardenbeträge nachschieben. Hohe Arbeitslosigkeit, wachsende Armut und dann das, was man von der Wirtschaft immer wieder hört - und es sind keine grünen oder sozialdemokratischen Wähler -: geringe Investitionstätigkeit, mangelnde Flexibilität, starke Bürokratisierung, sehr hohe Steuer- und Abgabenlast, hohe Arbeitskosten durch sehr hohe Lohnnebenkosten.
Meine Damen und Herren, in bezug auf die Steuer- und Abgabenlast: Ich fand es ja putzig, wie Herr Gerhardt sich heute morgen hingestellt hat - Kohl und die F.D.P. regieren; die F.D.P. seit 26 Jahren - und sagt: Die F.D.P. hat mit nichts in diesem Lande zu tun, was unbequem ist. Schuld an der hohen Steuer- und Abgabenlast sind Rot und Grün. Diese Form der Arbeitsteilung können Sie wirklich nur noch dann machen, wenn Sie, wie die F.D.P., Zukunft offensichtlich völlig aufgegeben haben. Es ist doch nachgerade grotesk. Sie, CDU/CSU und F.D.P., verantworten die hohe Steuer- und Abgabenlast. Wenn wir über hohe Arbeitskosten sprechen, dann reden wir hauptsächlich darüber, daß diese Bundesregierung wesentliche Teile der Einheit über Lohnnebenkosten finanziert. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
({11})
- Ich freue mich ja, daß Sie wieder den Mund aufbekommen. Er war ja versiegelt.
Der Kollege Riedl hat ja, um jetzt nochmals auf ihn zurückzukommen - in Kulmbach sind Männer gefragt -, offensichtlich an jenem Wochenende Kulmbacher Bier getrunken, als er den Brief an seinen Parteivorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden geschrieben hat, in dem er wegen der Haushaltslage, wegen der Haushaltslöcher des Theo Waigel Alarm schlug.
Graf Lambsdorff hat ja dann ebenfalls eine klare Sprache in der Öffentlichkeit gefunden, indem er sagte: Dieser Haushalt ist auf das höchste gefährdet. Ich meine, der Bundeskanzler hat als Antwort darauf den Grafen Lambsdorff gewissermaßen zur politischen Entmündigung freigegeben, und seitdem schweigt er. Die F.D.P. versteckt ihn auf den hinteren Bänken.
Herr Weng schweigt. Sie wissen doch ganz genau, daß das, was hier als Haushalt und als Haushaltsausgleich vorgelegt wurde, auf mehr als dünnen und wackligen Beinen steht. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung nur noch etwas rückläufig ist - das wissen Sie, Herr Weng, genauso gut wie ich - werden Sie erkennen, daß Sie mit Einmalverkäufen die strukJoseph Fischer ({12})
turellen Defizite nicht werden lösen können. Das ist genau das, was Sie fürchten.
({13})
Nein, meine Damen und Herren.
Und zu den Helden von der F.D.P.: Was wird denn nun mit der Kinderstaatsangehörigkeit?
({14})
- Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert: Das sagen wir nicht. Das ist die Antwort; das finde ich hervorragend.
({15})
Es ist grotesk, wenn man sich die Situation hier in Deutschland anschaut. Ich war in der letzten Woche in Amerika. Man kann es keinem, ob einem Konservativen oder Demokraten, erklären, warum Menschen, die hier geboren sind, die hier seit 20, 30 Jahren leben, die in Frankfurt geboren und aufgewachsen sind, nicht selbstverständlich die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen,
({16})
wenn sie sie wollen.
({17})
Ich frage einmal die Helden von der F.D.P.: Wann endlich kommen wir hier zu einer Lösung, damit dieses überständige, absurde Staatsangehörigkeitsrecht endlich europäisch- demokratisch modernisiert wird.
({18})
Das ist einer der Punkte, bei denen ich mich freuen würde, wenn Sie endlich einmal Mumm zeigen würden und das durchsetzen könnten. Aber bis zum heutigen Tage bekommen wir immer nur Ihr zustimmendes Nicken, aber keine Taten. Das ist das ganze Problem.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Alle Welt spricht heute von der Notwendigkeit, auf die weltwirtschaftlichen Veränderungen seit 1989/90 zu reagieren.
({19})
- In der Tat, jetzt kommt's. Die Frage ist: Was kommt jetzt?
({20})
Jetzt kommt die Deregulierung und Privatisierung. Und als ob Sie es geahnt hätten, setzen Sie sich da vorn hin, um sich entsprechend rote Ohren zu holen.
Herr Haussmann, eine der entscheidenden Fragen der zukünftigen wirtschaftlichen Gestaltung
({21})
wird die Frage des ökologischen Umbaus sein.
({22})
Die Frage des ökologischen Umbaus wird daran festgemacht werden, wie man mit Energie umgeht.
({23})
Jetzt frage ich Sie: Wo ist denn der Deregulierungsvorschlag? Wo ist denn entsprechend der Entmonopolisierungsvorschlag dieser Helden der Marktwirtschaft, bezogen auf leitungsgebundene Energie auf dem hochregulierten und hochmonopolisierten Stromsektor? Wo kommt das denn von der F.D.P.?
({24})
Von uns werden Sie einen Deregulierungs- und Entmonopolisierungsvorschlag bekommen. Ich freue mich heute schon auf die Zustimmung dieser Helden der Marktwirtschaft. Ich bin gespannt, ob Sie zustimmen werden. Die Trennung von Produktion und Netz wird ein ganz, ganz wichtiger Gesichtspunkt werden.
({25})
Ebenso wichtig ist die Frage des freien Netzzuganges. Denn ich kann es nicht verstehen, wie Stromkonzerne in Deutschland argumentieren. Schauen Sie nicht so kritisch, Herr Wieczorek.
({26})
Ich weiß, daß Sie da vielleicht Bedenken haben, völlig klar. Aber da müssen Sie durch. Das schaffen Sie; da bin ich sicher.
({27})
Ich begreife nicht, warum dieselben Stromkonzerne bei der Frage der Privatisierung der Telekommunikation wie selbstverständlich den freien Netzzugang als eine der Voraussetzungen für eine wirkliche Privatisierung im Telekommunikationsbereich fordern, sich aber mit Händen und Füßen gegen einen freien Netzzugang bei der Stromproduktion wehren.
Wir versprechen uns davon endlich die Mobilisierung von Einsparpotentialen. Wir versprechen uns davon auch die Mobilisierung von zusätzlichen Chancen für den Mittelstand, auch im ländlichen Raum für die Landwirtschaft. Wir versprechen uns davon auch Chancen für die Mobilisierung dezentraler Energie-, Kraft- und Wärmeerzeugung. Das alles wird auf dem Tisch dieses Hauses liegen. Das ist der Weg ins 21. Jahrhundert. Den müssen wir gehen.
({28})
Joseph Fischer ({29})
Auch die Verkehrspolitik wird einen zentralen Stellenwert haben. Wir werden ja immer als Technikfeinde bezeichnet. Ich gebe ja zu: Im Verhältnis zum Bundeskanzler bin ich ein echter Technikfeind, zum Beispiel wenn ich nachts durchs Internet surfe. Ich bin Technikfeind bei der Arbeit - im Gegensatz zu Ihnen. - Das ist ja ein wirklich schönes Thema auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. Nur, glauben Sie, daß Sie das verkörpern können?
(
Aber Sie! - Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
- Nein. Sie sind Geschichte - im guten und im schlechten Sinne. Das wollten Sie immer werden; das haben Sie erreicht.
(
Also wunderbar!)
Aber Zukunft werden Sie nicht mehr sein.
({0})
Das ist, wenn Sie so wollen, drei Zentner Fleisch gewordene Vergangenheit. Das ist ja das große Problem der CDU: Sie denkt doch Tag und Nacht nur über eines nach: Wie können wir den Wechsel im Kanzleramt herbeiführen, ohne daß wir die Macht verlieren? Ihnen ist das bisher noch nicht eingefallen; deswegen sind Sie noch da. Das ist der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren.
Schauen Sie sich doch einmal die Verkehrspolitik an. Jetzt kommen Sie mit dem Transrapid. Ich bin kein Gegner der Magnettechnik.
({1})
- Nein. Wollen Sie das Argument hören? - Dann hören Sie zu!
Wir befinden uns doch in einer verkehrspolitischen Umbruchsituation. Wir werden in diesem Deutschland, in der Mitte Europas gelegen, riesige Transitprobleme bekommen - von den Quellverkehren ganz zu schweigen. Nachts ist ein endloser Güterzug auf den Bundesautobahnen unterwegs.
Der entscheidende Punkt ist: Ich verstehe nicht, warum wir jetzt zusätzlich auf eine Technik setzen, die sehr viel teurer als die bewährte Rad-SchieneTechnik ist, ohne daß die technischen und verkehrspolitischen Vorteile der Magnetschwebebahn nur annähernd dieses Risiko rechtfertigen würden. Ich argumentiere nicht technisch gegen die Magnetschwebebahn, sondern ich argumentiere verkehrspolitisch, und ich argumentiere finanzpolitisch dagegen.
({2})
Jetzt brauchen wir in der Tat verstärkte Anstrengungen, um alle Möglichkeiten zu nutzen, damit in der Tat so etwas wie eine zweite Eisenbahnrevolution im Nah- und im Fernbereich gelingt.
Da hat Europa zum Beispiel gegenüber Amerika einen riesigen Standortvorteil. Die Infrastrukturentscheidungen in der Energiepolitik und in der Verkehrspolitik werden auf die Arbeitsplätze von morgen und übermorgen und auch auf die Exportchancen entscheidende Auswirkungen haben.
({3})
Deswegen bin ich der Meinung, wir sollten dieses Geld lieber in den Ausbau der Rad-Schiene-Verkehrswege einsetzen. Wir sollten bei Energiesteuern nicht von Steuersenkungen reden, sondern wir sollten von Steuererhöhungen reden, weil höhere Energiesteuern dazu führen, daß wir die Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr und -fernverkehr steigern können. Gleichzeitig produzieren wir dadurch Chancen für neue Techniken auch und gerade im Automobilbau, in der Automobilindustrie. Das ist Zukunftsgestaltung des 21. Jahrhunderts.
({4})
Lassen Sie mich noch zwei Punkte ansprechen. Punkt eins: Sie reden immer über Modernisierungen. Sie reden aber nie über die Modernisierung zu sozial gerechten Bedingungen. Das werden Sie mit uns nicht bekommen.
Wenn Sie über Flexibilisierung reden - es mag sein, daß Flexibilisierung notwendig ist -, werden wir gleichzeitig über mehr Arbeitszeitsouveränität der abhängig Beschäftigten reden und darüber Vereinbarungen treffen müssen.
({5})
Sie haben Herrn Zwickel nur in einem Punkt zitiert. Ich würde mir wünschen, diese Bundesregierung hätte nur 10 Prozent der Modernität der IG Metall.
({6})
Meine Damen und Herren, wo gibt es das in einem anderen Land, daß an der Spitze der technischen und ökonomischen, aber auch der sozialen Modernisierungsdiskussion der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft steht? Das zeigt doch, wie wenig zukunftsfähig diese Regierung tatsächlich ist.
({7})
Ich kann nur sagen: Ich möchte der IG Metall zu dieser Initiative nachdrücklich gratulieren. Wir haben schon bei Betriebsvereinbarungen bei Opel, bei VW, bei BMW, bei der Deutschen Pirelli Erfahrungen gemacht. Das alles sind Schritte nach vorne. Wenn Sie das politisch umsetzen würden, wenn Sie nicht immer nur die Frage stellten, was es nützt und wie wir bessere Profitmöglichkeiten bekommen, sondern auch die soziale Dimension berücksichtigten, wenn Sie also beides zusammenfügen würden, dann würden Sie unsere Unterstützung haben. Wenn Sie allerdings diese Gelegenheit nutzen wollen, um in der Frage der sozialen Gerechtigkeit weiter von unten
Joseph Fischer ({8})
nach oben zu verlagern, werden Sie unseren entschiedenen Widerstand bekommen.
({9})
Meine Damen und Herren, nun lassen Sie mich zum Schluß noch eine Frage ansprechen. Selten wird soviel geheuchelt wie bei dem Thema Europa. Herr Bundeskanzler, sozusagen die geringste Differenz zwischen uns in der Politik gibt es in der Europapolitik. Ich zitiere Sie immer vorbehaltlos zustimmend, wenn Sie sagen: Die Frage der europäischen Einigung ist nicht zuerst eine Frage der Wirtschaft, sondern eine Frage von Krieg und Frieden in Europa im 21. Jahrhundert. Ich stimme nachdrücklich auch François Mitterrand zu, der die Hauptgefahr im Nationalismus ausmachte und in seiner letzten Rede vor dem Europäischen Parlament sagte: Nationalismus, das ist der Krieg in Europa.
Aber Sie werden die Währungsunion nicht so hinbekommen wie die deutsch-deutsche Währungsunion. Da hatten Sie 17 Millionen Menschen, die die Währungsunion wollten.
({10})
- Jetzt muß ich gleich wieder schreien, um mich durchsetzen zu können. Ich will ruhig argumentieren.
Ich sage Ihnen nochmals: Ich bin nachdrücklich der Meinung, daß es zum europäischen Einigungsprozeß inklusive Währungsunion und politischer Union keine Alternative außer einer furchtbaren gibt. Aber wir müssen doch zur Kenntnis nehmen: Wenn es zu einer Währungsunion kommt, dann müssen die ökonomischen Daten stimmen. Was wir auch brauchen, das ist eine Debatte darüber hier in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Weil es nur dann, wenn die Menschen überzeugt sind, nicht zu einer Flucht von Sparern und Anlegern etwa in den Schweizer Franken kommen wird - Sie werden doch der erste sein, der eine Vollbremsung macht, wenn dies passiert -, brauchen wir eine ehrliche Debatte darüber. Ehrlich heißt, daß die Fakten auf den Tisch müssen und daß diejenigen, die die Fakten auf den Tisch legen, nicht gleich wieder als diejenigen denunziert werden können, die Europa nicht wollen.
({11})
Allerdings bin ich der Meinung: Man sollte auch mit Begrifflichkeiten vorsichtig sein. Vor einem nationalen Thema scheue ich mich. Ich finde, das ist ein falscher Begriff. Den sollte man in diesem Zusammenhang nicht verwenden. Das will ich einmal klipp und klar sagen.
({12})
Deswegen müssen Sie, Herr Bundeskanzler, hier sagen, wie es gehen soll, und zwar nicht mehr nur in der Zielbeschreibung. Vielmehr muß der Weg von der Regierung definiert werden. Wird es gehen? Ist eine Währungsunion mit Frankreich aus gegenwärtiger Sicht denkbar? Ist sie ohne Frankreich denkbar? Ich halte es für absurd, eine Währungsunion ohne Frankreich auch nur anzudenken. Wie geht das zusammen: Vertiefung über die Währungsunion und gleichzeitig Ihre Zusage an Polen, im Jahre 2000 unmittelbar vor dem Eintritt in die EU zu stehen oder bereits Mitglied zu sein? Das alles sind Fragen, Herr Bundeskanzler, die endlich hier von Ihnen konkret beantwortet werden müssen. Denn die Alternative wird nicht sein, daß die Linke Ihnen die größten Schwierigkeiten macht. Hier auf den vielen leeren Plätzen, die Sie sehen,
({13})
werden die Anhänger der Esperantogeld-Agitation sitzen. Das wissen Sie so gut wie ich. Deswegen verlange ich von Ihnen, ohne Wenn und Aber ja zu einem demokratischen europäischen Einigungsprozeß zu sagen. Aber wir verlangen genauso von Ihnen, daß Sie heute hierher kommen und diesen Weg endlich konkret definieren und sich nicht mehr ins Wolkige flüchten. Sonst wird es nämlich mit dem Weg in ein gemeinsames Europa im 21. Jahrhundert nichts werden.
({14})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Graf Lambsdorff.
({0})
Herr Kollege Fischer, wer die deutsch-deutsche Währungsunion mit der Europäischen Währungsunion gleichsetzt, hat Inhalt, Charakter, Ziel und Technik der Europäischen Währungsunion nicht verstanden.
({0})
Es ist neuerdings Mode geworden, sich auf Körpersprache zu berufen. Als Sie vorhin gemeint haben, ich würde jetzt schweigen, hat der Finanzminister zurückgeblickt, und ich konnte von seinem Gesicht ablesen: Schön wäre es ja.
({1})
Es wird nicht so sein, zu wessen Freude oder zu wessen Enttäuschung auch immer.
Sie haben über die Energiepolitik gesprochen, über die leitungsgebundenen Energien, Konzessionsverträge usw. Seien Sie unbesorgt, diese Themen kommen hier in dieses Parlament. Nur eines müssen Sie wohl vernünftigerweise zugestehen: daß man erst einmal darauf wartet, wie die europäische Energierichtlinie aussehen wird. Am 14. Dezember ist die
entscheidende Sitzung. Dann haben wir unseren Handlungsspielraum, dann wird das weitergehen, und dann werden wir sehen, wie Ihre Vorschläge aussehen.
Meine Damen und Herren, der Hauptgrund meiner Kurzintervention ist Ihre Kritik an der Arbeitsmarktpolitik. Herr Fischer, das Ihnen nahestehende Öko-Institut - ich zitiere auch noch andere Quellen - sagt, man solle dem Abzug der Grundstoffindustrie ins Ausland nicht nachweinen. Wenn wir uns so verhalten, dann bedeutet das den Verlust von mindestens 100 000 Arbeitsplätzen. Die Tatsache, wie Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen mit Garzweiler umgeht, und die Umsetzung ihrer Ankündigung beim Bayerwerk „Wir werden dafür sorgen, daß die Chemieindustrie, vor allen Dingen die Chlorchemie, sich durch Steuern nicht mehr rechnet" bedeuten wiederum den Verlust von 100 000 Arbeitsplätzen. Ihre Arbeitsmarktpolitik besteht darin, daß Sie Arbeitsplätze vernichten. Und dann stellen Sie sich hierhin und kritisieren die Bundesregierung dafür, daß wir zugegebenermaßen auf diesem Gebiet nicht soweit gekommen sind, wie wir es eigentlich wollten.
({2})
Dazu fällt einem kaum noch ein eigenes Urteil ein; man kann sich nur noch auf einen Propheten berufen. Bei Jesaja heißt es: Seht, ihr seid nichts, und euer Tun ist nichts; ein Greuel, wer euch erwählt.
({3})
Herr Kollege Fischer.
Herr Kollege Lambsdorff, ich kann mir richtig vorstellen, wie Sie den Spruch des Propheten Jesaja nach jedem Wahlabend im Präsidium zum Besten geben
({0})
und die Nachfolger vor Enttäuschung und Wut in den Tisch beißen.
({1})
Herr Gerhardt, Sie sollten sich diesen Satz wirklich merken: Seht, ihr seid nichts.
({2})
Ich werde in Zukunft wieder verstärkt die Bibel lesen. Das verdanke ich einem Liberalen.
({3}) - Sehen Sie, es gibt Beifall von der CSU.
Herr Kollege Lambsdorff, ich freue mich, daß es mir gelungen ist, Sie hier wieder zum Reden zu bringen. Ich denke, das war sehr, sehr wichtig. Denn Sie haben ja, seitdem Sie Ihre öffentlichen Äußerungen gemacht haben, verbissen beredt geschwiegen. Insofern war das sehr gut.
Aber nun zur Sache, Herr Kollege Lambsdorff.
({4})
Punkt 1. Ich habe nicht die deutsche Währungsunion mit der Europäischen Währungsunion gleichgesetzt
({5})
- nein -, sondern ich habe folgendes gesagt: Der Bundeskanzler wird die Europäische Währungsunion nicht in der Weise, wie die deutsche Währungsunion gemacht wurde, nämlich durch einsamen politischen Entscheid, hinbekommen. Das weiß er auch. Er argumentiert in der Öffentlichkeit anders.
Ich fordere von der Bundesregierung - Graf Lambsdorff, vermutlich sind wir an diesem Punkt gar nicht soweit auseinander -: Je näher wir an den Termin kommen, desto mehr müssen die nächsten Schritte definiert und präzisiert werden, und zwar durch die Bundesregierung. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Ich möchte meine Befürchtung ausdrücken: Ich fürchte, ansonsten wird es eine Angstreaktion geben - ich betone es nochmals -, weniger im demokratisch-linken Spektrum als im konservativ-liberalen Spektrum. Wenn Sie in die Union hineinhören und wenn Sie sich den Beschluß des CDU-Parteitages anschauen, der noch verschärft wurde und zu dem Herr Kohl hoffentlich heute noch etwas sagen wird, dann wissen Sie, daß ich mit meiner Aufforderung, meiner Befürchtung und meiner Beschreibung der Situation gar nicht so falsch liege.
Punkt 2. Sie haben gesagt, die Grünen seien Arbeitsplatzvernichter. Herr Lambsdorff, solange es uns gibt, wird uns dies vorgeworfen. Sie sehen, dem Erfolg tat es keinen Abbruch. Das liegt entscheidend daran, daß dies nicht stimmt. Schauen Sie sich einmal die Umweltbewegung und auch den Wahlerfolg der grünen Partei an. Wir kennen das doch beide. 1985 verkündete Zimmermann, deutsche Urlauber müßten, wenn wir den Katalysator einführten, am Brenner ihre Autos stehenlassen und zu Fuß weiter nach Rimini oder sonstwohin gehen. Das war damals die Diskussion.
({6})
Der ökologische Umbau hat mehr Arbeitsplätze mit Zukunft geschaffen, er hat mehr Gewinne gebracht, als er gekostet hat.
({7})
Ich kann Ihnen, Graf Lambsdorff, zur Chemieindustrie nur sagen: Ich hatte im Jahre 1993 die Verantwortung für ein Unternehmen. Ich habe erlebt, was es bedeutet, für die Gefährdung von Arbeitsplätzen verantwortlich zu sein, wenn der ökologische Strukturwandel in einem solch bedeutenden Unternehmen verschlafen wurde. Sie werden dort von niemandem hören, daß eine grüne oder eine rot-grüne Regierung für die Verdrängung von Arbeitsplätzen verantwortlich war, sondern das, was dieses UnternehJoseph Fischer ({8})
men als Programm dann vorgestellt hat, ist von uns entwickelt worden. Soviel zu Ihrer Propaganda, verehrter Herr Kollege.
({9})
Ich sage Ihnen nochmals: Der ökologische Umbau wird Arbeitsplätze bringen. Er ist die entscheidende Herausforderung. Was ich demgegenüber mit Sorge sehe, ist, daß Herr Henseler verkündet, daß 25 Prozent der deutschen Exportanteile in Zukunft im Ausland produziert werden müssen.
Herr Kollege Fischer, die Kurzintervention hat drei Minuten.
Ich komme zum Schluß.
Wie soll es denn gehen, wenn diese Arbeitsplätze nicht durch Veränderungen im Energiebereich, im Verkehrsbereich und in der Telekommunikation neu geschaffen werden? Da werfe ich dieser Regierung vor, daß sie hemmungslos die Zukunft verschläft.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Haussmann, F.D.P.
Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Das Geschrei von Herrn Fischer hat auf eines hingewiesen: daß das wichtigste Thema die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit heute zu Recht nicht mehr mit nationalen Maßnahmen, sondern nur mit globalen Möglichkeiten angegangen werden kann. Herr Fischer, ich will Ihnen eines sagen: Im internationalen Bereich wird in Zukunft über Arbeitsplätze in Deutschland im Weltmaßstab dort entschieden, wo die Grünen weder eine Rolle spielen noch eine Konzeption haben. Die Grünen haben zur Weiterentwicklung einer Weltwirtschaftsordnung nichts beizutragen. Sie spielen in Brüssel keine Rolle. Es gibt überhaupt keinen Ansatz einer Europäisierung der Klimaschutzsteuer. Sie spielen auch überhaupt keine Rolle, was die Globalisierung der Weltmärkte angeht. Insofern, Herr Fischer, lösen Sie Ihre internationalen Aufgaben, schaffen Sie sich Mehrheiten, kommen Sie wieder, und melden Sie sich in dieser Debatte zurück.
Was aber der Opposition fehlt, ist der Oppositionsführer. Er fehlt in dieser Debatte immer noch.
({0})
Deshalb will ich - sollte er sich noch melden - vorsorglich sagen, daß führende Sozialdemokraten inzwischen unter einem schlimmen Wiederholungszwang leiden. So wie Oskar Lafontaine damals die deutsche Einheit verhindern wollte, so will jetzt ebenfalls Gerhard Schröder die europäische Einigung verhindern, mit ihm Herr Scharping und mit
ihm auch sein neuer Freund Spöri in Baden-Württemberg. Denn eines ist völlig klar: Wer von Neuverhandlungen spricht, wer auf das letzte Weichwährungsland mit der Realisierung der Wirtschafts- und Währungsunion warten will, knüpft den Vertrag auf, hebt damit den Druck auf und schafft damit auch keinen Fortschritt in der politischen Union.
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Das Perverse ist - da gebe ich sogar Herrn Fischer recht -, daß diese teuflische Schrödersche Strategie umgekehrt aufgeht; denn sein Populismus bereitet für chauvinistische Populisten überall in Europa den Boden, ohne der SPD zu nützen. Seine Verweigerung der Währungsunion zur vertraglich vereinbarten Zeit wirft die Europäer letztlich im globalen Wettbewerb mit Asien und Amerika weit zurück und erzeugt damit weitere Massenarbeitslosigkeit.
Herr Dr. Haussmann, einen Moment. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist zu unruhig. Ich muß Sie bitten, etwas ruhiger zu sein.
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- Ich bitte Sie, etwas ruhiger zu sein - unkommentiert.
Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die Sozialdemokratie muß heute klären, ob sie den Vertrag von Maastricht, dem sie zugestimmt hat, will oder nicht. Man kann nicht sagen: Wir wollen neue Verhandlungen; wir wollen die Verschiebung der Wirtschafts- und Währungsunion, bis Spanien, Italien und Griechenland kommen. Das hieße, daß man den Vertrag auflöst; denn der Termin ist Vertragsbestandteil, meine Damen und Herren. Das muß hier heute eindeutig geklärt werden. Wer diesen Druck auflöst, wirft Europa im internationalen Wettbewerb um Arbeitsplätze weit zurück und erzeugt Nationalismus, Abwertungswettlauf, mehr Arbeitslosigkeit und damit politischen Extremismus.
Es bleibt dabei: Wer die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland bekämpfen will, muß für internationale und für größere europäische Märkte und Währungseinheiten sorgen, damit die großen Firmen ebenso wie amerikanische und asiatische Firmen agieren können.
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- Wenn Herr Schröder ein Positives erreicht hat, dann das: Es gibt nun endlich die dringend erforderliche öffentliche Debatte um die Wirtschafts- und Währungsunion, und wir müssen sie endlich führen. Wir haben sie längst angemahnt; sie ist dringend notwendig.
Wer aber wie Herr Schröder von Monopoly-Geld oder wie früher Herr Gauweiler von Esperanto-Geld redet, der zeigt, daß währungspolitische Laien am Werk sind, die nicht verstanden haben, daß die Globalisierung der Weltwirtschaft heißt: völlige Öffnung der Finanzmärkte, weltweite Spekulationsmöglichkeiten. Deshalb besteht die Notwendigkeit der Entwicklung größerer, übernationaler Märkte und größerer Währungseinheiten, meine Damen und Herren.
Ist es denn, so frage ich Herrn Schröder, für einen Aufsichtsrat von Volkswagen oder für Herrn Wirtschaftsminister Spöri im Land von Daimler-Benz und Hewlett-Packard so schwer zu verstehen, daß es einen riesigen Vorteil für Arbeitsplätze bedeutet, wenn über 60 Prozent des Gesamtumsatzes von Volkswagen, Mercedes und Hewlett-Packard in Zukunft in einer europäischen Währung abzuwickeln sind? Meine Damen und Herren, das ist doch ein riesiger Vorteil. Warum versteht ein SPD-Wirtschaftsminister Spöri im Mittelstandsland Baden-Württemberg nicht, welchen immensen Vorteil und welche Beschäftigungssicherung es bedeutet, daß Mittelständler aus Baden-Württemberg dann 80 Prozent ihrer Kunden - nämlich in Deutschland, Frankreich, den Beneluxstaaten, Österreich und Großbritannien d. h. über 200 Millionen Verbraucher in Zentraleuropa, ohne Währungsverluste, ohne Umtauschverluste, ohne Sicherungsgeschäfte und damit langfristig auf der Grundlage einer klar kalkulierbaren europäischen Währung erreichen können?
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Deshalb wollen wir die Währungsunion, die ja nicht von einigen wildgewordenen Eurokraten in Brüssel erfunden wurde. Sie ist vielmehr eine Forderung der deutschen Wirtschaft, um im internationalen Wettbewerb mitmischen zu können.
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Denn die wirklichen Arbeitsplatzgewinner in Amerika und in Asien operieren heute eben in geschlossenen Binnenmärkten mit einer Währung - im einen Fall mit dem Dollar, im anderen Fall mit dem Yen -, und deshalb muß ein Exportland wie die Bundesrepublik Deutschland an der Spitze auf dem Weg zu einer soliden europäischen Währung marschieren.
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Der Zeitplan ist unter Experten völlig klar; bei Ihnen, Herr Fischer, leider noch nicht.
Wir haben erreicht, das Europäische Währungsinstitut in Frankfurt am Main anzusiedeln - gegen Ihren Widerstand und gegen eine völlig falsche Stadtverkehrspolitik in Frankfurt,
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- Natürlich, die rot-grüne Mehrheit in Frankfurt war das Hauptargument von London und Amsterdam, um für sich zu werben. Es war eine große Leistung der Koalition, Frankfurt als Standort durchzusetzen.
Wer aber die Verschiebung der Wirtschafts- und Währungsunion will, der macht einen großen Fehler, meine Damen und Herren. Zeit ist Geld. Zeit ist heute im internationalen Wettbewerb ein wichtiger Faktor zur Gewinnung von Vorteilen. Wenn ich als Ökonom die Währungsunion richtig verstehe, dann ist ja der Hauptzweck, die Währungen zu einem Zeitpunkt zusammenzulegen, wo die Inflationsraten gering sind. In den 80er Jahren gab es in Europa eine Inflationsrate von mehr als 13 Prozent; heute liegt die Inflationsrate in Europa bei 3 Prozent.
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Wann soll die Währungsunion denn kommen, wenn nicht jetzt?
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Glauben denn die Populisten vom Schlage eines Herrn Schröder, daß bei einer Verschiebung der Währungsunion der Druck auf die nationalen Haushalte anhalten würde? Nie und nimmer.
Die Zeit, Herr Kollege!
Deshalb will ich abschließend sagen: Wir, die F.D.P., werden uns vertragskonform verhalten. Wir wollen die Europäische Währungsunion, weil sie das beste Mittel zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist. Wir wollen den Vertrag von Maastricht in beiden Elementen: Deutschland und Luxemburg werden beginnen; Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Österreich werden in der Lage sein, an dieser Währungsunion noch in diesem Jahrhundert teilzunehmen. Wir wollen die Stabilität in Europa nicht irgendwann, sondern wir wollen sie noch in diesem Jahrhundert, wir wollen sie 1999.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Zwerenz, PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht gewußt, ich habe nicht ahnen können - da ich erst seit einem Jahr in diesem Parlament bin und vorher diese Verhandlungen nur vom Fernsehen her kannte -, wie unterhaltsam es bei Ihnen vormittags und mittags sein kann. Besonders unterhaltsam scheint es zu sein, wenn man bestimmte Biersorten erwähnt. Ich nehme an, daß es dafür Prämien gibt. Ich will deswegen keine Biersorte erwähnen, bitte aber diejenigen, die etwas bekommen, das an eine gemeinnützige Institution, vielleicht an den Tierschutzverein, weiterzugeben.
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Ich bin etwas traurig: Ich wollte nach dem Verteidigungsminister sprechen; jetzt aber ist es so, daß der Verteidigungsminister nach mir spricht. Das ist eine seltsame Dramaturgie. Ich werde mich dennoch auf den Verteidigungshaushalt konzentrieren.
Es ist kein Geheimnis, daß wir von Freunden und Partnern umgeben sind, daß ein Angriff auf unser Territorium nicht bevorsteht und von niemandem erwartet wird. Vor fünf Jahren, als diese Friedensperiode begonnen hat, wurde uns deshalb eine Friedensdividende in Aussicht gestellt. Aber seltsamerweise steigen seitdem die Rüstungsanstrengungen. Neuerdings sollen auch die Ausgaben wieder steigen, nach NATO-Kriterien auf etwas mehr als 60 Milliarden DM. Weitere Steigerungen sind eingeplant. Der Verteidigungsminister spricht von der bevorstehenden notwendigen Totalerneuerung des Großgerätes der Bundeswehr.
Mit der Aufstellung der Krisenreaktionsstreitkräfte ist natürlich eine neue Beschaffungsplanung verbunden. Allein die Beschaffung des umbenannten Jägers 90 wird voraussichtlich zwischen 20 und 30 Milliarden DM kosten. Vorsichtshalber sind andere Großprojekte wie Spionagesatelliten oder neue Raketenabwehrsysteme in die mittelfristige Finanzplanung gar nicht erst eingestellt.
Ich frage mich - dies werden wir auch von den Menschen im Lande gefragt -: Was rechtfertigt diese großen Ausgaben, wenn wir doch von Freunden und Partnern umgeben sind? Diese Frage ist angesichts der Zahlen im Haushalt offensichtlich nicht zu beantworten. Aber sie ist zu beantworten; denn zum Glück haben wir ja einen obersten Soldaten der Republik, nämlich den Generalinspekteur Naumann, der uns Aufschluß darüber gibt, was mit dieser Aufrüstung eigentlich geplant und beabsichtigt ist.
Ich lese im „Spiegel" Nr. 44 vom 30. Oktober 1995, daß der deutsche Soldat auch fern der Heimat versuchen müsse, Krisen von seinem Land fernzuhalten, das während seiner Abwesenheit in Frieden lebt. - Das ist ja ein ganz vernünftiger Wunsch. Er sagt aber dazu, deutsche Militärs hätten ähnliches in diesem Jahrhundert nur zweimal, vor 1945 und in den Einsätzen seit 1992, fertiggebracht. Das ist eine seltsame Geschichtsrechnung, die da aufgemacht wird. Naumann nämlich gibt zu, daß Kriegszüge der kaiserlichdeutschen Armee in den Jahren von 1900 bis 1904 von ihm gemeint sind.
Ich stelle fest, daß der oberste Bundeswehrsoldat die Niederschlagung des Boxer-Aufstands und den Völkermord an den Hereros auf eine ganz erstaunliche Weise qualifiziert, jedenfalls so, wie man es nicht zu erwarten gehabt hätte.
Der Generalinspekteur ist, wie ich bezeugen kann, persönlich ein äußerst freundlicher Mann. Meine früheren Vorstellungen vom preußischen Militär sind durch Leute wie diesen Generalinspekteur durchaus korrigiert worden. Es ist also nicht so, daß wir an veralteten Konstruktionen festhalten.
Aber gerade hier werde ich doch mißtrauisch. Ich frage mich: Was bringt ihn dazu, sich so zu einem Zwillingsbruder Kaiser Wilhelms II. auszustaffieren? Da finde ich eine weitergehende Antwort. In Heft 1/1995 von „Soldat und Technik" schreibt er:
Zum ersten mal seit 300 Jahren erleben wir die Gunst, nicht mehr Gegenstand externen Drucks zu sein, sondern wir haben die Chance, politischer Akteur zu sein.
Genau dies bestätigt den Verdacht derer, die mißtrauisch sind. Ich meine, daß hier geplant ist, auf eine Art und Weise aktiv zu sein, wie es uns von der Linken als höchst bedenklich erscheint. Es heißt in „Soldat und Technik" weiter, militärische Mittel seien dabei immer als Ultima ratio, also als äußerstes Mittel, zu verstehen, was man akzeptieren kann. Aber es heißt weiter:
was allerdings nicht heißen darf, daß man sie immer nur als letztes Mittel anwendet.
Dies ist die Frage, die ich stelle: Was geschieht mit diesen Geldern, was geschieht mit dieser Rüstung, wozu brauchen wir eine solche militärische Aufrüstung?
Minister und Generäle sollten uns und der Öffentlichkeit erklären, wie sie sich das vorstellen. Wie wollen wir in den Staaten dieser ganzen Welt verhindern, daß es zu einer weiteren Aufrüstung kommt? Wie wollen wir die Massenvernichtungsmittel abschaffen, wenn wir sehen, daß es fortwährend Bestrebungen gibt, weiterhin aufzurüsten?
In der Einleitung zur Hegelschen Rechtsphilosophie konstatiert kein anderer als Karl Marx nach einem allgemeinen großen Lob der Kritik folgendes:
Aber die Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffen nicht ersetzen.
Wenn ich mir diesen Satz genau überlege, muß ich feststellen, daß in diesem Hause, insbesondere auf der Regierungsseite, offenbar recht viele Marxisten vorhanden sind, denn das Militär, eben die Kritik der Waffen, bekommt einen neuen Stellenwert zugewiesen.
Ich glaube nun, daß diese Aufrüstung, daß diese Kritik durch Waffen wie in der Dritten Welt das gänzlich falsche Mittel ist. Hier wird ständig von Bedrohung geredet, von antiwestlichen fundamentalistischen Kräften, doch diesen Strömungen ist durch Aufrüstung nicht zu begegnen. Man muß ihnen anders das Wasser abgraben.
Ich weiß, daß hier ein äußerer Konfrontationskurs eingeschlagen worden ist. Ich befürchte, daß diesem äußeren Konfrontationskurs, der ganz nüchterne Realpolitik sein soll, ein innerer Konfrontationskurs entspricht. Jetzt wird für mich auch eindeutig, jetzt wird auch erklärlich, weshalb es zu solchen erstaunlichen Erscheinungen kommt wie dem Großen Zapfenstreich in Bonn. Der Herr Bundeskanzler hat sich da vielleicht einen ganz besonderen Wunsch erfüllt. Das muß man akzeptieren können. Er gehört zu einer Generation, der das Kriegspielen, das Spiel mit Zinnsoldaten 1945 gewissermaßen von der Geschichte untersagt worden ist. Das kapiere ich vollkommen.
Ich kann aber als ein etwas älterer Herr dem etwas jüngeren Herrn Bundeskanzler sagen: Es gibt dabei ganz bestimmte Gefahren. Wenn man sich schon dazu versteht, einen Großen Zapfenstreich in einer solchen Konfrontationssituation zu veranstalten, an einem Ort, wo sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Friedensbewegung gezeigt hat, und wenn man vier bemantelte Herren sozusagen als Stelen vor diesen Zapfenstreich stellt, dann muß man
sich nicht wundern, wenn man sich erkältet. Ich war bei der Gegenkundgebung und habe mich auch erkältet. Ältere Herren sollten also diese Mythologie bitte lassen.
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Ich will Ihnen noch eins sagen. Über das ,,Soldaten-sind-Mörder"-Urteil regen sich alle auf. Das wundert mich schon lange. Das ist doch juristisch eine vollkommen klare Sache. Wollen Sie denn die deutsche Geschichte auch da noch verändern? 1932 hat das Reichsgericht Ossietzky und Tucholsky freigesprochen, mit genau der gleichen Begründung, die heute mehrfach von unserem Bundesverfassungsgericht wieder vorgetragen worden ist, daß es nämlich keine Beleidigung ist, wenn man einen philosophischen, einen gesellschaftskritischen Satz sagt. Der Satz „Soldaten sind Mörder" könnte genausogut in der Bibel stehen. Er könnte überall stehen. Wir müssen zugeben, daß wir nicht damit einverstanden sein können, daß damit Soldaten oder andere beleidigt werden. Dazu gibt es Rechtsschutz. Es gibt aber keinen Grund, eine Meinungsdiktatur durchzusetzen und Sätze zu verbieten, die im Dritten Reich verboten waren, die natürlich in der DDR verboten waren. Wenn solche philosophischen, gesellschaftskritischen Sätze auch in der Bundesrepublik verboten werden, wird das dieses Land verändern. Darum geht es und um nichts anderes.
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Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich zu Beginn meiner Ausführungen auch namens der Bundesregierung noch ein kurzes Wort zur Ermordung von Premierminister Rabin sage.
Wir alle in Deutschland sind tief erschüttert über den Tod, die Ermordung von Yitzhak Rabin. Ich will die Gelegenheit nutzen - wie ich das auch in Jerusalem tun durfte -, vor allem seiner Frau, seinen Kindern, seinen Enkeln, seiner ganzen Familie unser herzliches Beileid zu übermitteln.
({0})
In diesen Tagen - es wird vielen so ergangen sein wie mir - hielten wir inne und überlegten, was es bedeutet, daß ein solches Leben - gelebter Patriotismus seit Kindertagen - durch diese barbarische Tat ausgelöscht wurde. Er war ein Mann, der ein ganzes Leben seinem Land in vielen Funktionen - als ganz junger Soldat, als Chef der israelischen Armee, als ein wichtiger diplomatischer Vertreter seines Landes wie auch als aktives Mitglied seiner Regierung, zum Schluß als Regierungschef - immer und zu jeder Zeit gedient hat. Ein solches Leben ist beispielhaft auch weit über Israel hinaus. Er war ein Mann, der dienen konnte, der Maßstäbe setzte und der in diesen Tagen zu Recht - ungeachtet der Tatsache, ob man mit jeder seiner politischen Entscheidungen einverstanden war oder nicht - zu den ganz großen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts gezählt wird.
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Ich will ihm auch von dieser Stelle aus noch einmal danken: für freundschaftliche, kameradschaftliche Begegnungen, für die Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten schwierigste Fragen ganz offen miteinander zu besprechen, für ein weites Herz gegenüber unserem Volk, gegenüber den Deutschen, die seinem Volk so viel angetan haben. Er kannte die Geschichte und vergaß nicht, war aber fähig, aus der Geschichte heraus Zukunft zu entwickeln. Manche, die hier im Saal sind, waren dabei, als wir im Sommer am letzten Abend unseres Besuches im Garten seines Hauses nicht nur gemeinsam Lieder sangen, sondern ins 21. Jahrhundert zu schauen versuchten.
Ich empfand - das wird Ihnen ähnlich gegangen sein -, daß die Trauerfeier am vergangenen Montag nicht nur die Sympathie und die Anteilnahme der ganzen Welt auf sich zog, sondern daß sie auch eine innere Kraft des jüdischen Volkes, des israelischen Volkes zeigte, die bewundernswert ist. Wir wünschen uns, daß diese Kraft erhalten bleibt.
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Meine Damen und Herren, auch das will ich sagen: Wir wünschen uns vor allem, daß die israelische Regierung, das israelische Parlament und, wie ich hoffe, die große Mehrheit des israelischen Volkes auch nach diesem feigen Mord den Weg des Friedens weitergeht. Yitzhak Rabin hatte recht: Es gibt keine Alternative zu diesem Weg. Wir, die Bundesrepublik Deutschland - ich denke, darin sind wir uns alle einig - werden auch als Teil der Europäischen Union und in allen internationalen Organisationen unseren Beitrag leisten.
Ich erinnere mich an ein Gespräch in diesem Sommer im Jordantal mit dem jetzigen israelischen Ministerpräsidenten, mit Yitzhak Rabin und dem König von Jordanien, bei dem wir uns einig waren, daß es eigentlich eine Schande wäre, wenn es den Menschen guten Willens nicht gelänge, in einer Region, in der drei Weltreligionen ihren Ursprung haben - der Islam, das Judentum und das Christentum -, zu einem Werk des Friedens zu kommen, jetzt und für künftige Generationen.
Ich will noch einmal namens der Bundesregierung sagen: Wir, die Deutschen, wollen dabei helfen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich habe gezögert, ans Pult zu gehen; denn in meinen jetzt 36 Jahren parlamentarischer Erfahrung habe ich gelernt, daß - so war es im Landtag in Mainz, und so war es in den über 40 Jahren auch hier immer - die Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzlers, in Mainz
des Ministerpräsidenten, die Stunde der Opposition und der großen Abrechnung ist.
({4})
Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob ich, wenn ich mich erst jetzt melde, nicht in den Verdacht komme, auch noch den Anspruch zu erheben, die Führung der Opposition zu übernehmen.
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Da Sie mir ja viel zutrauen, will ich vorsorglich sagen: Diese Absicht habe ich nicht.
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Da der Oppositionsführer nicht gesprochen hat - den Vorsitzenden der grünen Fraktion kann ich als solchen nicht anerkennen; da wären die Maßstäbe völlig verrutscht, zwar nicht bei Ihnen, aber bei den anderen -, will ich zu den Themen, die mir wichtig sind, sprechen.
Ich möchte mich ausdrücklich beim Kollegen Verheugen bedanken, der für mich einen neuen Begriff eingeführt hat - andere haben ihn aufgenommen -; er hat mich als Buddha bezeichnet. Ich bin mir nicht klar, ob Herr Verheugen wirklich weiß, was er damit getan hat. Ich habe meine Erinnerungen extra telefonisch aufgefrischt. Im Staatslexikon heißt es unter dem Stichwort Buddha, Herr Verheugen: Als Persönlichkeit zeichnete sich Buddha aus durch seinen Lebensernst, seine durchdachte und gelassene Lebensmeisterung, seinen Sinn für das Wirkliche und Mögliche, seine Mäßigung und Ausdauer.
({7})
Ich bin bereit, alles zu akzeptieren. Mit der Mäßigung habe ich allerdings gewisse Probleme. Diese teile ich mit dem Vorsitzenden der grünen Fraktion. Das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Daß Sie mich aber nach 13 Jahren in diesem Amt so ansprechen, tut mir wohl.
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Ich sage Ihnen, Herr Verheugen, ganz offen: Ich bin seit 23 Jahren Parteivorsitzender der CDU. Aber so hat mich meine Partei noch nie verwöhnt.
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Die gehen ganz anders mit mir um. Aber ich bin für dieses Lob dankbar, und es stimmt ja auch.
({10})
Ich will jetzt ein, wie ich hoffe, für uns gemeinsam wichtiges Thema ansprechen. Vielleicht kann auch diese Debatte dazu beitragen, daß wir zu einer Klärung darüber kommen, daß die Themen Bau des
Hauses Europa, Wirtschafts- und Währungsunion, Maastricht-II-Vertrag - also Abschluß der Regierungskonferenz - Themen sein sollten, die jedenfalls Demokraten in Deutschland nicht entzweien sollten.
Ich verstehe das, was sich hier in der SPD vollzogen hat, überhaupt nicht. Wenn es einen Grund gibt, daß Sie das alles vor Ihrem Parteitag gebraucht haben, um irgendwelche Stimmungen zu reflektieren - auch ich habe vor Parteitagen schon manchmal Fehler gemacht und Stimmungen reflektiert -, dann wollen wir das als läßliche Sünde einstufen. Die Grundfrage - ich behaupte, die Frage der Fragen - der deutschen Politik lautet: Werden wir Teil des neuen Europas im 21. Jahrhundert? In dieser Frage sollten sich - ich sage das sehr ernsthaft - die großen tradierten politischen Kräfte einig sein; sie haben in dieser Frage eine alte Tradition. Die SPD hat hier eine längere Tradition als alle anderen, weil sie eine sehr viel ältere Partei ist. Diese Frage wurde schon auf den internationalen Sozialistenkongressen vor 1914 von Ihrer Seite ganz klar angesprochen. Denken Sie an die große Rede von Jean Jaurès damals vor seiner Ermordung.
Dies alles ist ein Beispiel dafür, daß es sich um ein sehr kostbares Thema handelt - ich verwende bewußt diese Sprache - und daß es sich weder zur Legendenbildung noch zu einem billigen Populismus eignet. Ich will jetzt gar nicht zynisch sagen, Herr Vorsitzender Scharping, was Sie so oder so zu tun hätten. Ich habe als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ganz einfach die Bitte: Tragen Sie dazu bei, daß diese ungute Diskussion durch die SPD so schnell wie möglich beendet wird!
({11})
Sagen Sie auch Ihren politischen Freunden, die dabei ganz anderes im Schilde führen - ich nenne jetzt Herrn Schröder aus Hannover -, daß es diesem Thema natürlich nicht angemessen ist, zu sagen, es eigne sich, um die Spiele des Herrn Kohl zu stören. Es geht nicht um die Spiele des Herrn Kohl. Es geht um eine Säule deutscher Politik. Dies haben alle meine Amtsvorgänger ohne Wenn und Aber vertreten.
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Es ist gut, daß wir uns bei allem dringenden Diskussionsbedarf zu innenpolitischen Fragen - Europapolitik ist im übrigen längst zu einem Teil deutscher Innenpolitik geworden - darüber im klaren sind, daß wir in den nächsten zwei Jahren - bis zum Ende der Amtszeit des Kollegen Wim Kok als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union bis Sommer 1997 - in einem ungewöhnlich schwierigen innenpolitischen und außenpolitischen Umfeld vorangehen müssen.
Europa ist und bleibt Kern unserer Außenpolitik. Das heißt, wir wissen, daß von uns erwartet wird, daß wir mehr internationale Verantwortung übernehmen. Das heißt aber gleichzeitig - das ist die eigentliche Problematik -, daß uns alle unsere Nachbarn mit sehr viel intensiveren Blicken betrachten als noch vor ein paar Jahren zur Zeit des kalten Krieges, als man
glauben konnte, die Balance im Westen Europas sei ungefähr erreicht. Wir müssen sehen, daß das Mißtrauen nicht wegen der aktuellen Politik, sondern wegen der objektiven Daten gewachsen ist. In der Zeit des Jahres 1985/86 war es für den Beobachter in Paris, in London, in Rom und Den Haag sehr viel einfacher, die Deutschen entsprechend einzuordnen, weil wir ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl hatten, zwar eine stärkere Wirtschaftskraft, aber sich bestimmte militärische und andere Komponenten eben zugunsten der anderen entwickelt hatten. Das ist anders geworden. Die Bundesrepublik Deutschland ist heute ein Land mit knapp 80 Millionen Einwohnern und mit weitem Abstand trotz all unserer Probleme die stärkste Wirtschaftskraft Europas.
Mir sind jene Sätze mitten im Prozeß der deutschen Einigung unvergessen, die François Mitterrand damals in einer Rede sagte: „Es ist wahr, die Deutschen haben jetzt Probleme. Aber sie werden ihre Probleme lösen, sonst wären sie nicht mehr die Deutschen. Danach werden sie stärker sein als je zuvor." Der Satz „Danach werden sie stärker sein als je zuvor" geht durch Europa. Deswegen ist es wichtig, daß wir nicht vergessen, woher wir kommen.
1982 sprach man noch von „Eurosklerose". Wenn Sie einmal nachlesen, meine Damen und Herren von der SPD, was Sie von diesem Pult - ({13})
- Meine Damen und Herren, das entspricht dem Bild, das ich in diesen Jahren von Ihnen hier gewonnen habe. Sie sind mit Blumen in dieses Haus gezogen und haben mehr Zwietracht hereingebracht als viele andere.
({14})
- Lassen Sie den Abgeordneten operieren, wie er will.
({15})
- Er hat Angst wegen seiner Wiederwahl, und das ist ja verständlich.
({16})
Lassen Sie mich bitte wieder zu diesem für mich wirklich wichtigen Punkt zurückkommen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren aus einer Politik des Stillstands heraus eine neue europäische Dynamik entwickelt. Wir haben in diesen zehn Jahren gemeinsam mit unseren französischen Freunden - rühmen will ich den Präsidenten der Europäischen Kommission in dieser Zeit, Jacques Delors; das möchte ich ausdrücklich hinzufügen - Europa auf das richtige Gleis gebracht.
Entgegen allen Unkenrufen haben wir 1985 das Binnenmarktprogramm und 1986 die Einheitliche Europäische Akte durchgesetzt. Wir haben erreicht - das war nicht selbstverständlich -, daß am Ende alle unsere europäischen Nachbarn der deutschen Einheit zugestimmt haben.
({17})
Meine Damen und Herren, in dieser neumodischen Form der Indiskretion hat der langjährige Berater von François Mitterrand, Jacques Attali, vor einigen Tagen erneut ein Buch veröffentlicht und darin geschildert, daß auf dem Straßburger Gipfel im Dezember 1989 keine Mehrheit der Anwesenden in dieser Stunde für die deutsche Einheit war. Ich halte es für eine der ganz großen Leistungen deutscher Politik und dieser Bundesregierung, daß wir diese Stimmung verändert und mit dem Aufbruch nach Europa die Besorgnisse abgebaut haben.
({18})
Die in dieser Zeit meistgestellte Frage war, ob sich die Deutschen, wenn sie die Einheit gewinnen, wieder isolieren, neutralisieren lassen, ob sie abdriften oder ob sie die Bindung in die NATO und die Europäische Union beibehalten und gleichzeitig offen für zukünftige Entwicklungen in Mittelost- und Südosteuropa sind.
Herr Abgeordneter Fischer, Sie haben mich nach der Erweiterung gefragt. Ich habe in Polen nicht gesagt: Im Jahr 2000 tritt Polen bei. Das ist falsch zitiert. Ich habe gesagt, daß ich fest davon ausgehe, daß wir im Jahr 2000 mitten in den Verhandlungen über den Beitritt von Polen stehen. Da ein solcher Vertrag von allen ratifiziert werden muß, das heißt von allen 16, erkennt doch jeder, daß ein Zeitplan, der auf dieses Datum zielt, abwegig ist.
Aber ich bleibe dabei, für uns als Deutsche kann die Gleichung nur heißen: Wir sind für die Vertiefung der Europäischen Union, und wir sind für die Erweiterung der Europäischen Union. Die Ostgrenze Deutschlands, die Oder-Neiße-Linie, darf nicht die Ostgrenze der Europäischen Union sein. Das ist für mich eine entscheidende Voraussetzung.
({19})
Dann haben wir, François Mitterrand und ich, im April 1990 die gemeinsame Initiative zur Politischen Union ergriffen. Deswegen stellt sich doch die Frage gar nicht, Herr Fischer, ob man sich vorstellen kann, daß die Währungsunion ohne Frankreich beginnt. Das ist eine völlig abwegige Vorstellung. Das habe ich oft genug gesagt. Warum stellen Sie dann diese Frage? Sie können doch nicht die Momentaufnahme des heutigen Tages nehmen, nach der die Kriterien von Maastricht derzeit nur von Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland erfüllt werden. Sie wissen doch so gut wie ich, daß das kein Neubeginn wäre. Selbstverständlich müssen wir mit unseren Freunden darüber reden, aber nicht über das Absenken der Voraussetzungen; dazu will ich gleich noch etwas sagen.
Wir haben dann die Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag auf den Weg gebracht. Natürlich,
meine Damen und Herren, können Sie sich hinsetzen und sagen, dieses oder jenes sei schlampig ausgearbeitet.
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- Das können Sie sagen, weil Sie keine Ahnung haben! Jeder, der dabei war, auch die Mitglieder der Sozialistischen Internationale, die als Regierungschefs dabei waren, halten diesen Vertrag für einen ersten Schritt zu einem großen Wurf. Daß er nicht alle unsere Wünsche erfüllt, daß es nicht ein Vertrag ist, den wir hier zusammen erdacht und diktiert haben, sondern daß wir dazu die Zustimmung von anderen brauchen, ist doch auch ganz klar.
Meine Damen und Herren, was für eine Arroganz vor der Geschichte! Daß wir als Deutsche 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diesen Vertrag mit erreicht haben, zeigt doch, daß wir aus der Geschichte gelernt haben und daß wir etwas erreicht haben, von dem ich vor 20 Jahren nicht geglaubt hätte, daß es erreichbar sei.
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Die Sympathien und die Lebenserfahrungen der Völker haben sich in diesen paar Jahren doch nicht völlig verändert. Natürlich stimmen solche Sätze - die sind in der Sache nicht richtig -, die ich aus dem englischen Unterhaus gehört habe, nachdenklich: Wir haben sie zweimal geschlagen, jetzt sind sie wieder da! - Das ist doch die Realität, mit der wir uns in Europa auseinandersetzen müssen!
Deswegen müssen wir viele kleine Schritte tun. Deswegen müssen wir sehr viel Sympathie erwerben. Deswegen müssen wir sehr sensibel sein, auch gegenüber Einwänden und Vorwürfen, die wir selbst auf Grund unserer Geschichte als abwegig erkennen. Dennoch: Wir brauchen diesen Einigungsprozeß. Wir brauchen dieses Haus Europa. Europa muß unumkehrbar gemacht werden. Das ist entscheidend für die nächsten Jahre.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie Frau Kollegin Vollmer eine Zwischenfrage?
Nein, danke schön. Ich möchte die Debatte nicht so führen, daß der Gedankengang dabei unterbrochen wird.
({0})
- Aber Entschuldigung, ich war doch den ganzen Morgen dabei! Sie werden doch nicht sagen wollen, daß die Debatte nicht lebendig gewesen wäre!
Für mich ist entscheidend, daß wir jetzt fähig sind, diesen Prozeß mit Blick auf das 21. Jahrhundert unumkehrbar zu machen. Das ist die Aufgabe der Regierungskonferenz, die in ein paar Monaten beginnt. Dabei gibt es vier Zentralbereiche, wobei das, was ich jetzt sage und was wünschenswert ist, bei Maastricht II mit Sicherheit nicht vollständig erreichbar sein wird. Aber wir müssen einen weiteren entscheidenden Schritt vorangehen.
Zwei dieser zentralen Bereiche sind eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und das Thema der inneren Sicherheit, insbesondere die stärkere Zusammenarbeit gegenüber der Mafia, gegenüber dem grenzüberschreitenden organisierten Verbrechen und dem Terrorismus sowie eine gemeinsame Asyl- und Immigrationspolitik.
Hinzu kommt drittens die Verbesserung der Handlungsfähigkeit und der Effizienz der europäischen Institutionen. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf die Rolle des Europäischen Parlaments. Dieses tut sich sehr schwer, seine Rolle zu finden, weil es dort keine Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition gibt.
Viertens muß ein klares Wort zur Erweiterung gesagt werden. Es gibt z. B. den Beschluß, meine Damen und Herren, daß binnen sechs Monaten nach dem Abschluß der Regierungskonferenz die Verhandlungen mit Zypern und Malta aufgenommen werden. Ohne Prophet zu sein: Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir diesen Prozeß einleiten und nicht gleichzeitig mit den wichtigsten Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa Gespräche beginnen. Dabei lasse ich völlig offen, wie lange dies dauert und ob die einzelnen Länder in der konkreten Situation dies bereits wünschen. Die Länder selbst müssen dazu das Notwendige tun.
Diese Länder aber, sei es Polen, sei es Tschechien, die Slowakei oder Ungarn, müssen wissen: Die Bundesrepublik Deutschland - ich hoffe, daß ich das so sagen kann - wird Anwalt dieser Länder sein, damit sie in das Haus Europa kommen können.
({1})
In diesen Bereich gehören meines Erachtens als ein weiterer Punkt die Frage der Bürgernähe und die demokratische Verantwortung. Darunter fällt vor allem das Stichwort der Subsidiarität.
Ich bin mir darüber im klaren - das wird schon in wenigen Wochen auf dem EU-Gipfel in Spanien ein wichtiges Thema sein -, daß der Streit unter den jetzigen 16 Mitgliedstaaten, was wir unter Subsidiarität zu verstehen haben, noch lange nicht ausgetragen ist. Die nationalstaatliche Tradition der einzelnen Länder ist verschieden. Die einen, zum Beispiel Frankreich und Italien, kennen einen Zentralstaat. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, sind zu Recht stolz auf unsere Erfahrungen mit einer vernünftigen föderalen Struktur.
Wer sich jetzt hier hinstellt und sagt, wir müßten etwa das, was wir im Gemeindebereich seit dem Freiherr vom Stein hoch schätzen, anderen oktroyieren, der hat keine Ahnung von der Wirklichkeit in Europa. Wir müssen für diese Überzeugung rund um die Uhr werben.
Wir haben viel erreicht. Wenn man sich vor Augen führt, daß eine Konvergenz der Wirtschaftspolitiken vor zehn Jahren noch als völlig illusorisch betrachtet wurde, es heute aber in der EU ganz selbstverständlich ist, von einer solchen Konvergenz zu sprechen, wird deutlich, daß wir große Erfolge erzielt haben. Es waren Mitglieder der Bundesregierung, Finanz- und
Wirtschaftsminister, auch all diejenigen Kollegen, die die Verhandlungen geführt haben, die hervorragende Arbeit geleistet haben und nun Anerkennung dafür verdienen.
({2})
Zu der Wirtschafts- und Währungsunion. Meine Damen und Herren, ich finde es erstaunlich, daß es noch immer Leute für denkbar halten, daß wir eine Politische Union ohne eine Wirtschafts- und Währungsunion realisieren könnten.
({3})
- Lesen Sie nicht die Zeitung?
({4})
- Dann wissen Sie es ja. Es gibt viele dieser Leute.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Satz aber richtig ist, heißt das doch im Klartext, daß wir auch bei der Frage, wer an der Währungsunion zu welchen Zeitpunkten und bei Erfüllung der Kriterien teilnehmen kann, immer bedenken müssen, welche Auswirkungen das auf die Politische Union haben wird. In Wahrheit geht es nämlich um die Aufgabe von nationalen Souveränitätsrechten.
Ob wir es gern hören oder nicht: Wir haben es in den letzten 40 Jahren leichter gehabt, nationale Souveränitätsrechte abzugeben, weil wir erst mit dem Petersberger Abkommen nationale Souveränitätsrechte erhalten haben. Andere Länder waren Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und haben aus dieser Situation heraus völlig anders gedacht; zum Teil denken sie noch heute so.
Deswegen kann ich nur immer wieder sagen: Wir müssen hier Schritt für Schritt vorgehen. Ich bin zu jedem Gespräch bereit; das habe ich gerade im Auswärtigen Ausschuß vorgetragen. Es hat aber doch wenig Sinn - das wurde heute wieder verlangt -, als Bundesregierung öffentliche Postulate abzugeben, wenn wir unsere Partner erst dafür gewinnen müssen, sich in diese Richtung zu bewegen. Das ist doch eine absurde Vorstellung von internationalen Beziehungen.
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In diesem Zusammenhang möchte ich deutlich machen - auch das gehört in diese Debatte -, daß seitens vieler unserer Nachbarn kaum Verständnis für die Diskussion um die D-Mark in Deutschland vorhanden ist. Dies ist unseren Partnern und Freunden außerhalb unserer Grenzen sehr schwer zu vermitteln. Für andere gibt es eine andere Geschichtserfahrung.
Ich weise in meinen Gesprächen immer wieder darauf hin, wie die Situation im Jahre 1948 war; ich habe das als 18jähriger erlebt. Plötzlich war eine Währung da, der niemand eine Zukunft vorhersagte und die unter den Gurus der damaligen Zeit als eine Art Mißgeburt galt. Diese Währung aber hat sich Jahr für Jahr durchgesetzt. Man kann das so deutlich sagen: Die D-Mark hat uns Deutschen mehr Identifikation gebracht als die neugegründete Bundesrepublik, die mit ihrer Fahne und ihrer Hymne Probleme hatte. Vor diesem Hintergrund muß man doch bedenken, daß die Frage der D-Mark in diesem Land einen völlig anderen Stellenwert hat. Dies ist schon deswegen der Fall, weil die Generation der Älteren, die noch aus dem Ersten Weltkrieg die Erfahrungen von Inflation und Zusammenbruch hatte, und die Generation, die den Zusammenbruch von 1945 und danach den Zusammenbruch der Währung bis zur Einführung der D-Mark 1948 erlebt hat, ein völlig anderes Verhältnis zu dem Thema „Inflation und Verlust der Werte" haben als die Menschen in einem Land, das solches nicht erlebt hat. Wir müssen bei unseren Freunden darum werben, daß sie uns verstehen. Aber klar sein muß auch: Wenn die D-Mark, die Währung Nummer eins in Europa, nicht der Kern der Währungsunion ist, kann die Währungsunion nichts werden. Beides gehört zusammen.
Herr Fischer, Sie haben mich richtig zitiert. Wenn wir über diese Fragen reden, geht es nicht um eine Frage der Ökonomie - so wichtig sie ist -, nicht um eine Frage der sozialen Dimension - so wichtig auch diese ist -, sondern vor allem um die Frage, ob wir im 21. Jahrhundert in unserem Land und in Europa frei sind von Krieg, ob der Frieden bewahrt bleibt. Die eigentliche, für jeden Deutschen überzeugende Argumentation muß sein: So wichtig all diese ökonomischen Faktoren sind - ich schätze sie aus den eben genannten historischen Erfahrungen unseres Volkes ganz hoch ein -, bleibt es das wichtigste, den Frieden im nächsten Jahrhundert zu erhalten. Frieden und Freiheit in Deutschland und in Europa werden wir nur erhalten, wenn wir das Haus Europa bauen.
({6})
Meine Damen und Herren, es soll niemand glauben, daß wir in Deutschland oder anderswo in Europa von der Gefahr frei sind, daß wieder Chauvinismus aufkommt, wenn in ihrer großen Mehrheit eine Generation die Verantwortung hat, die keine persönlichen Erfahrungen mit dem Krieg und mit der damaligen Zeit hat. Deswegen kann ich nur leidenschaftlich dafür plädieren und dafür eintreten, daß wir wissen: Der Bau des Hauses Europa ist die Frage von Krieg und Frieden für die Deutschen im 21. Jahrhundert. Dies ist im übrigen auch die Frage nach der Wohlfahrt unserer Völker. Das Exportland Deutschland braucht Europa mehr als jedes andere Land in Europa. Sie werden auch keine wirklich bedeutsame ökologische Frage national lösen können. Wir müssen zu europäischen Dimensionen kommen.
({7})
Wenn dies alles richtig ist, dann kann man ruhig herumkritisieren, aber dann muß man doch zusehen, daß wir jetzt mit Klugheit ans Werk gehen. Heute morgen stand plötzlich eine Abgeordnete aus Ihren Reihen auf und hat eine Serie von Fragen vorgelesen und gesagt, die Bundesregierung sei nicht in der Lage, darauf Antworten zu geben. Damit es ganz klar ist: Ich will jetzt einen Teil der Antworten gar nicht geben, weil das Gegenstand von Verhandlungen ist und weil es eine abwegige Vorstellung von internationaler Politik ist, daß ich mich im Deutschen
Bundestag in 40 Fragen festlegen lasse, und anschließend rede ich mit den Schweden, rede ich mit den Iren, rede ich mit den Spaniern, und ich habe gar keinen Verhandlungsspielraum mehr. Das müssen Sie doch begreifen.
({8})
Sie müssen doch nach 13 Jahren Opposition, wenn Sie wieder an die Regierung wollen, endlich ein Stück Denken in sich aufnehmen, wie Sie Regierungsfähigkeit erwerben.
({9})
Meine Damen und Herren, es ist zu dem Thema Konjunktur und Arbeitsmarkt einiges gesagt worden. Auch ich will dazu einige kurze Bemerkungen machen. Zunächst möchte ich aber angesichts Ihrer Katastrophenmeldungen - das machen Sie ja nun auch schon über ein Jahrzehnt - feststellen - ({10})
- Wissen Sie, das können Sie nach Art einer Gebetsmühle betreiben, aber immerhin ist es so, daß die Wähler das anders sehen. Sie haben doch gerade in Berlin, einer Stadt voller Schwierigkeiten, erlebt, daß die Wähler in Berlin mich als Kanzler und Vorsitzenden der CDU nicht als Kanzler der Arbeitslosigkeit sehen. Sie haben doch die Wahl verloren, und Sie haben doch Angst vor Ihrem Parteitag. Reagieren Sie sich doch endlich einmal auf Ihrem Parteitag ab!
({11})
Meine Damen und Herren, trotz aller Schwierigkeiten ist die deutsche Wirtschaft weiterhin auf Wachstumskurs. In diesem Jahr sind es 2 1/4 oder 2 1/2 Prozent. Es ist unübersehbar,
({12})
daß das eine Entwicklung ist, die teils befriedigend und teils unbefriedigend ist. Es ist ebenfalls wahr, daß wir die Hoffnung haben, daß wir mehr schaffen können, weil wir auch mehr brauchen. Ich schiebe die Verantwortung nicht auf andere ab, aber wenn ich mir vorstelle, wie die Tariflohnabschlüsse gewirkt haben, dann hätte ich mir gewünscht, daß man bestimmte Erkenntnisse von heute schon vor einem Jahr gehabt hätte. Wir wären dann ein gutes Stück weitergekommen.
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Es gibt nicht den geringsten Grund, die Konjunktur schlechtzureden.
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- Ich weiß gar nicht: Sind Sie inzwischen unfähig geworden, einmal eine halbe Stunde ruhig zu sitzen?
Ich sitze hier, angeblich buddhaähnlich, und höre mir Ihr Geschrei schon seit Stunden an. Es ist ein tiefenpsychologischer Vorgang, den Sie endlich einmal beseitigen müssen, daß Sie nicht mehr zuhören können.
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Die wichtigsten Stützen des Wachstums - ({16})
- Ich will nur noch einmal etwas sagen: Ich weiß doch - das sage ich jetzt wegen der Fernsehzuschauer -, was Ihre Absicht ist. Aber jetzt bitte ich Sie wirklich: Sie haben mich in 13 Jahren nicht ausgehebelt; Sie schaffen das auch heute früh nicht.
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Sie haben auch gar keine Chance, das zu machen,
({18})
weil Sie ja außer diesen billigen Störungen keinen Beitrag zur Diskussion geleistet haben.
({19})
Eine der wichtigsten Stützen unserer Konjunktur - ich bin froh, daß man das sagen kann - ist auch weiterhin die lebhafte Weltkonjunktur. Es ist unübersehbar - das ist positiv -, daß die Zinsen in Deutschland mittlerweile niedriger sind als in fast allen anderen Industrienationen. Ich bin auch ganz sicher, daß Steuerentlastungen in absehbarer Zeit dem privaten Konsum eine entsprechende Unterstützung geben werden. Wir haben guten Grund anzunehmen, daß wir - das ist nicht die Welt und nicht in allen Punkten optimal, aber immerhin - im nächsten Jahr eine Zuwachsrate von 21/2 Prozent haben werden. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite, die nicht befriedigend ist, ist die Situation am Arbeitsmarkt; denn zum ersten Mal in 40 Jahren zeigt sich, daß Stabilität und auch ein leichter, sich fortsetzender Aufschwung im konjunkturellen Bereich sich nicht automatisch im Bereich des Arbeitsmarktes niederschlagen.
({20})
Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie unschwer erkennen, wie die Tatsachen sind. In dieser Woche veröffentlichen die drei großen Chemiekonzerne ihre Zahlen für die Dreivierteljahresbilanz. Es handelt sich um Rekordzahlen positiver Art. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sozusagen das Kleingedruckte betrachten, dann werden Sie feststellen, daß die guten Zuwachsraten insgesamt auch mit dem Abbau von Personal erkauft wurden. Das ist eine Entwicklung, die wir überall haben.
Deswegen muß man sich darüber im klaren sein - das gilt natürlich in hohem Maße auch für die EntBundeskanzler Dr. Helmut Kohl
wicklung in den neuen Ländern -, daß wir jetzt nicht nur auf die althergebrachten Formen der Konjunkturentwicklung setzen können, sondern daß wir in der Tat ein großes Gemeinschaftswerk - ich werde gleich mehr dazu sagen - auf den Weg bringen müssen. Denn die Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland kann nicht akzeptiert werden,
({21})
und das Schicksal der Arbeitslosen kann nicht einfach hingenommen werden.
({22})
- Alles, was Sie jetzt leisten, ist immer nur dazwischenschreien.
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- Ich bin ja doch noch bei meiner Rede. Was soll es denn? Es hat doch wirklich gar keinen Sinn, daß wir so miteinander umgehen.
Die Arbeitslosenunterstützung hilft, die Zeit der Arbeitslosigkeit finanziell zu überbrücken. Aber sie gibt den Menschen, die arbeitslos sind und diese Unterstützung erhalten, nicht das Gefühl, daß sie gebraucht werden; sie haben oft das Gefühl, die Anerkennung in ihrem ganz privaten Bereich wird ihnen vorenthalten.
({24})
Deswegen werden wir im Blick auf die konjunkturelle Entwicklung eben nicht einfach warten können; vielmehr müssen wir in allen Bereichen, in denen wir das können, wirtschaftliches Wachstum voranbringen, die Attraktivität unseres Standortes für Arbeitsplätze weiter erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit stärken und vor allem das Klima für Leistungswillen wieder verbessern.
({25})
Meine Damen und Herren, genau darin sehe ich die Aufgaben für die nächsten Jahre. Wir müssen jetzt die Voraussetzungen für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze verbessern. Dabei ist jeder gefordert. Deswegen begrüße ich das, was Herr Zwickel von der IG Metall jetzt gesagt hat. Wir werden das Angebot, miteinander zu sprechen, aufnehmen.
Übrigens, wenn Sie ihn zitieren, dann sollten Sie auch hinzufügen, daß derselbe Vorsitzende der IG Metall auf seinem Kongreß gesagt hat, der einzige Ort, an dem gegenwärtig in Deutschland vernünftige Diskussionen dieser Art möglich seien, sei die Runde beim Bundeskanzler.
({26})
Ich bin sofort bereit, seine These, daß wir den Aufbau und Ausbau von Arbeitsplätzen mit Vorrang sehen müssen, daß sich dem anderes unterordnen muß, entsprechend zu unterstützen. Wir müssen darüber ohne Tabus reden.
Dazu gehört beispielsweise eine Antwort auf die Frage, die uns viele Bürger stellen: Wie ist es möglich, daß der Arbeitsminister jährlich fast eine Million kurzfristige Arbeitserlaubnisse außerhalb der EU erteilt und wir beispielsweise im gleichen Sektor, der Bauwirtschaft, Arbeitslosigkeit haben?
Wir haben die Zahlen im Laufe des Wahlkampfs in Berlin diskutiert. Es ist doch absurd, daß wir in Berlin Zehntausende von arbeitslosen Baufacharbeitern haben und gleichzeitig in erheblichem Maße Arbeitskräfte von draußen hereinholen.
({27})
- Das ist eine Tatsache, die Sie auch mit Geschrei nicht widerlegen.
Deswegen gilt der Satz - ich hoffe, daß dieser Satz bei unseren Gesprächen durchdringt -, ohne daß wir jetzt in die Tarifautonomie eingreifen: Interessen der Arbeitslosen dürfen in tarifpolitischen Auseinandersetzungen nicht hinter den Einkommensinteressen der Beschäftigten zurückstehen.
({28})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. - Wir haben damit die Chance, bei Flexibilisierungen im Blick auf die Maschinenlaufzeiten mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.
Meine Damen und Herren, jetzt sagt die IG Metall - der Vorstand hat alles getan, um diesen 30-Stunden-Antrag nicht durchkommen zu lassen - genau das gleiche, was wir Ihnen seit Jahr und Tag erzählt haben. Und Sie haben dazwischengeschrien und erklärt, das sei soziale Demontage.
Wir brauchen mehr Flexibilität, das heißt mehr Freiräume für private Initiative. Es bleibt das Ziel, die Staatsquote zurückzuführen. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß Sie hier im Hause, aber noch mehr im Bundesrat eingeladen sind, Ihre Zustimmung dazu zu geben.
Wir werden die Konsolidierungspolitik fortsetzen. Was immer Sie hier sagen: Für mich ist entscheidend, was der Internationale Währungsfonds etwa zur Politik des Finanzministers sagt. Ich bin stolz darauf, daß Theo Waigel in den ganzen Jahren eine Politik ohne Populismus durchgesetzt hat. Die war gut für die Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Durch das Jahressteuergesetz werden die Bürger um fast 20 Milliarden DM entlastet. Bei der UnterBundeskanzler Dr. Helmut Kohl
nehmensteuerreform mit dem Schwerpunkt Gewerbesteuerreform können Sie ja jetzt mitwirken. Sie sollten dabei vor allem mit dem Unsinn des alten sozialistischen Neidkomplexes aufhören, das sei ein Geschenk für die Reichen. Es ist ein Geschenk für die Arbeitslosen, wenn wir mehr Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.
({1})
Deswegen ist es ganz wichtig, daß wir in der allernächsten Zeit - die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht, der, glaube ich, im Februar in diesem Hohen Hause diskutiert wird, neue, eigene Vorschläge vorlegen - zu einem Gesamtprogramm kommen. Ich hoffe, daß es in den Gesprächen mit den Gewerkschaften und mit den Arbeitgebern gelingt, wenigstens in den wichtigsten Teilbereichen ein Stück Konsens zu erzielen. Ich kann die Sozialdemokratie nur einladen, dann nicht das, was gemacht werden muß, im Bundesrat zu bremsen, sondern der Zukunft eine Chance zu geben.
Des weiteren müssen wir im Prozeß des Umdenkens zu der Erkenntnis kommen, daß wir jetzt in einer sehr viel schärferen Konkurrenz stehen. Wenn wir in wenigen Tagen in die Volksrepublik China aufbrechen und ein ganz maßgeblicher Teil der Unternehmensführungen der Bundesrepublik Deutschland dabei vertreten ist, dann tun wir das doch wahrlich, um Märkte für die Zukunft zu sichern. Genau das müssen wir tun, und das werden wir auch tun.
Auch zu einer anderen Frage sollte sich die SPD einmal äußern. Ich habe in den letzten Wochen oft genug dazu gesprochen. Wenn Sie die Entwicklung der Arbeitsplatzsituation und die Entwicklung der Demographie in Deutschland betrachten, dann kommen Sie unschwer zu dem Ergebnis, daß wir auf traditionelle Weise nicht viele neue Arbeitsplätze werden gewinnen können.
Wir verlangen mit Recht den schlanken Staat. Wenn wir aber zu einem schlanken Staat kommen wollen, kann das nicht bedeuten, daß die Zahl der öffentlich Bediensteten dramatisch zunimmt. Vielmehr wird die Zahl der öffentlich Bediensteten eher reduziert werden, und zwar auf allen Ebenen.
Wir wissen zum zweiten, daß, wenn ich einmal den Telekommunikationsbereich ausnehme, in weiten Teilen der deutschen Großindustrie nicht in großer Zahl neue Arbeitsplätze geschaffen werden, daß die Strukturierung dieser Unternehmen zur Rationalisierung führt, damit sie international wettbewerbsfähig bleiben. Das heißt doch, daß wir in Deutschland jetzt einen neuen Anlauf für den Aufbau neuer Betriebe im mittelständischen Bereich nehmen müssen,
({2})
anders ausgedrückt: daß wir eine breite Gründungswelle brauchen, so wie wir sie in den fünfziger Jahren erreicht haben, eine neue Kultur der Selbständigkeit.
({3})
Denn die mittelständischen Unternehmen beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmer. Im letzten Jahr entfielen 90 Prozent des Beschäftigungszuwachses auf Wirtschaftszweige mit hohen Selbständigenquoten.
In Deutschland sind 8 Prozent aller Erwerbstätigen selbständig; im Durchschnitt unserer Nachbarn in der EU sind es 11 Prozent. Daran gemessen - das sehe ich als die wichtigste Hausaufgabe für die nächste Zeit an - fehlen uns in Deutschland rund 800 000 Selbständige.
Noch etwas halte ich für ganz wichtig: daß wir im Blick auf vielerlei Entwicklungen der Demographie vor einer großen Übergabewelle im mittelständischen Bereich stehen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden rund 700 000 Betriebsinhaber im mittelständischen Bereich, darunter 200 000 Handwerker, ihren Betrieb aufgeben oder abgeben, weil sie keine Erben in der eigenen Familie haben. Meine Damen und Herren, es gibt eine totale Veränderung der gesellschaftlichen Struktur, wenn wir dagegen nicht das Notwendige tun. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern nach meiner festen Überzeugung vor allem eine Frage des gesellschaftlichen Klimas in Deutschland.
Wenn, wie Jürgen Rüttgers ausgerechnet hat, rund 40 Prozent der berufstätigen Hochschulabsolventen im öffentlichen Dienst arbeiten, ist das eine Zahl, die absolut außerhalb der normalen Verhältnisse anderer Staaten und Länder liegt. Hier müssen wir, von der Bildungspolitik angefangen und bis in andere Bereiche hinein, vor allem aber durch Umdenken, der Selbständigkeit einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft einräumen.
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Meine Damen und Herren, das heißt, daß wir uns alle - ich sage bewußt: alle - auch zu jenen Leistungseliten bekennen, die unsere Demokratie überhaupt erst zukunftsfähig machen. Ich spreche nicht von Eliten nach Geburt. Ich spreche von denen, die auf Grund ihrer eigenen Leistung in der Lage sind, etwas auf die Beine zu stellen,
({5})
die in allen Bereichen wirksam sind, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bereich der Kirchen, im Bereich der Parteien, im Bereich der Bürgerinitiativen und Vereine. Wenn sich diese Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 1995 dazu durchringt, daß dieser Bereich mit Vorrang unterstützt wird, werden wir auch auf dem Arbeitsmarkt einen entscheidenden Beitrag leisten können, weil jede Neugründung - das zeigt die Statistik - bis zu vier neue Arbeitsplätze schafft. So muß ein Stück der Zukunft gestaltet werden.
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Meine Damen und Herren, auch das möchte ich sagen, denn wir haben ja vor wenigen Wochen über das Thema „Fünf Jahre deutsche Einheit" diskutiert: Es ist fast auf den Tag sechs Jahre her - es war ja am 9. November 1989 -, daß Mauer und Stacheldraht gefallen sind. Natürlich sind die Emotionen dieser groBundeskanzler Dr. Helmut Kohl
ßen Stunden und Tage bereits vergessen oder nur noch in der Erinnerung schwach vorhanden.
Wahr ist, daß in diesen sechs Jahren Gewaltiges geschehen ist. Viele haben damals die deutsche Einheit für eine Illusion gehalten. Es ist mir ja wohl erlaubt, daran zu erinnern, daß ich bei der Vorstellung des Zehn-Punkte-Programms am 29. November 1989 hier im Deutschen Bundestag auf viel Skepsis gestoßen bin. Gelegentlich - Herr Scharping, Sie haben das neulich wieder gesagt - wird die kritische Frage gestellt, warum ich dieses Programm nicht mit den anderen abgestimmt hätte. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann lesen Sie bei Jacques Attali nach, wohin ich gekommen wäre, wenn ich damals in der Europäischen Union um Abstimmung nachgesucht hätte.
({7})
Wir haben vor vier Wochen gesagt: Die Bilanz nach fünf Jahren deutscher Einheit ist bei alledem, was noch zu tun ist, eindeutig positiv. Wir haben erfahren, daß dieser dramatische Wechsel gerade unseren Landsleuten in den neuen Ländern enorme Opfer abverlangt hat. Wir haben aber auch erfahren - das gehört ebenfalls ins Bild -, daß viele aus der alten Bundesrepublik und nicht zuletzt die Steuerzahler das Ganze mit einem ganz unglaublichen Engagement überhaupt erst möglich gemacht haben.
({8})
- Natürlich haben auch Spekulanten profitiert. Sie sind wohl ein solcher Übermensch, daß Sie dramatischste Veränderungen der Geschichte ohne jede Schwierigkeit bewältigen. Sie haben schlicht und einfach keine Ahnung vom Ablauf, wenn Sie solche Zwischenrufe machen.
({9})
Ich bin jedenfalls dankbar, daß sich durch die Hilfe vieler in vielen Funktionen und vielen Bereichen das Problem, wie wir mit der Hinterlassenschaft 40jähriger SED-Herrschaft, einer maroden Wirtschaft, einer veralteten Infrastruktur und einer geschundenen Umwelt, fertigwerden sollen, auf einem guten Weg befindet und daß wir Gott sei Dank gut vorangekommen sind.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird auch in den nächsten Jahren das Aufbauwerk Ost weiter unterstützen. Es kann gar keine Rede davon sein, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, die Unterstützung abzubrechen. Die Menschen in den neuen Ländern brauchen unsere Unterstützung. Das ist ein Akt elementarster Solidarität.
({10})
Wenn ich dies alles zusammenfasse, so bin ich ganz sicher, daß wir die Herausforderungen, manche mit großen Schwierigkeiten - das sei eingeräumt -, annehmen und meistern können.
Wir werden unseren Beitrag zum Frieden in der Welt leisten. Ich bin dem Kollegen Riedl sehr, sehr dankbar - ich wünsche mir, daß das eine breite Öffentlichkeit findet -, daß er hier heute einmal die Zahlen vorgetragen hat, die zeigen, in welchem Umfang die Bundesrepublik Deutschland bei internationalen Organisationen ihre Pflicht ganz selbstverständlich erfüllt. Wir brauchen uns hier vor niemandem zu verstecken. Wir tun das, was wir für selbstverständlich und richtig halten. Aber man darf doch wenigstens sagen, daß wir es tun, wenn andere, Vergleichbare es nicht tun.
Wir werden ganz gewiß die Herausforderungen, die mit Blick auf das frühere Jugoslawien auf uns zukommen werden, annehmen. Die Herausforderungen werden, wenn es zum Friedensschluß kommt, von dem wir alle hoffen, daß er bald erfolgt, auch in materieller Unterstützung bestehen; das muß jetzt schon klar ausgesprochen werden. Ohne die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland, teils direkt, teils über die Europäische Union, wird es dort keinen Aufbau geben.
Wir werden alles tun, um beim Bau des Hauses Europa Vorkämpfer zu sein, ohne daß wir unsere Überlegungen anderen aufzwingen. Wir werden vielmehr für unsere Ideen werben. Die Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa können sich darauf verlassen, daß die Deutschen ihre Partner und Freunde sind und daß wir unsere besondere historische Pflicht gegenüber Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Polen, um diese Länder einmal vor allem zu nennen, wahrnehmen.
Mit einem Wort, meine Damen und Herren: Bei aller Kritik bin ich froh, daß wir 1995 einmal mehr ein erfolgreiches Jahr hinter uns bringen können. Ich danke allen denen, die dabei geholfen haben.
Eines zu sagen sei mir persönlich noch zum Schluß erlaubt: Diejenigen, die sich weitere Zukunftsgedanken über den Inhaber des Kanzlersitzes machen, können ruhig schlafen. Wir werden unsere Pflicht tun, wie die ganzen Jahre, und es wird gutgehen.
({11})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, daß die Ost-Erweiterung der Europäischen Union für Sie ein wichtiges Anliegen ist. Ich komme aus einem Bundesland, das EU-Außengrenzen hat. Übrigens, das einzige Bundesland sind wir da nicht, auch die Bayern sowie andere Länder haben eine EU-Außengrenze, aber wir haben zwei, und wir lernen natürlich jetzt die Probleme des grenzüberschreitenden Wirtschaftens kennen.
Ich möchte Sie an den Taten Ihres Kabinettes messen und das mit dem vergleichen, was Sie jetzt gerade verbal als Eindruck herzustellen versucht haben. Die Haushaltsberatungen haben ein anderes Bild davon gezeigt, wie Sie bzw. Deutschland als Vorreiter innerhalb der Europäischen Union mit deren Erweiterung umgehen.
Es ist deutlich geworden, daß Sie keine gleichrangige Behandlung der verschiedenen mittel- und osteuropäischen Staaten anstreben, vielmehr behandeln Sie einige als „bessere Wirtschaftsobjekte" und andere als „schlechtere". Dementsprechend haben Sie sie entweder der Verantwortung des Wirtschaftsministeriums oder der des BMZ unterstellt. Das halte ich für unmöglich. Denn das BMZ heißt ja Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und sollte eigentlich für alle zuständig sein und nicht nur für diejenigen, die die Deutsche Bank oder vielleicht auch einzelne deutsche Großkonzerne als „Zielgebiete" entdeckt haben. Investive Maßnahmen in den osteuropäischen Ländern finden nämlich kaum statt, sondern es wird dorthin nur irgendwelche Produktion, die arbeitsintensiv ist, verlagert, um Lohnnebenkosten zu senken.
In diesem Zusammenhang wäre es also eine wirkliche Tat gewesen, alle Maßnahmen der Bundesregierung für die mittel- und osteuropäischen Staaten beim BMZ - dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Partnerschaft voraussetzt - zu bündeln und das Instrumentarium dieses Ministeriums zu erweitern, damit es dieser Aufgabe gerecht werden kann. Denn wir haben einige veränderte Bedingungen in diesen Ländern: zum Beispiel das Bildungsniveau der Bevölkerung. Sie haben das versäumt, und Sie haben sozusagen den mittel- und osteuropäischen Ländern keine Partnerschaft angeboten, sondern gesagt: Das ist das europäische Haus; wir sind einigermaßen fertig; wir haben noch eine Butlerwohnung und ein Dienstmädchenzimmer übrig, da könnt ihr hinein. - Ich halte das nicht für eine zukunftsweisende Erweiterungspolitik für die Europäische Union.
Danke.
({0})
Das Wort hat der Kollege Rudolf Scharping, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mir fällt es im Rahmen dieser Debatte schwer, zur üblichen Tagesordnung überzugehen, ohne etwas zur Ermordung von Yitzhak Rabin zu sagen.
Yitzhak Rabin war ein Mann, durchdrungen von der Vision zum Frieden, ein großer, ein mutiger Staatsmann, der in der Verbindung einer gesicherten Existenz seines Landes Israel mit dem Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser den Schlüssel zum Frieden sah. Ich fand es besonders beeindruckend, daß er noch vor wenigen Tagen direkt, unmittelbar und persönlich dafür plädiert hat, jetzt vor allen Dingen denjenigen zu helfen, die in einer wirtschaftlich und sozial schwächeren, zum Teil verzweifelten Situation sind, also jenen Menschen im Gazastreifen und in der Westbank.
Die große Lücke, die der Tod von Yitzhak Rabin reißt, zerstört hoffentlich nicht sein Lebenswerk. Der Friedensprozeß, der mit seinem und den Namen von Shimon Peres und Yassir Arafat untrennbar verbunden ist, ist eine große Chance für diese Region, für die Menschen, die dort leben und arbeiten. Er ist gerade für uns in Deutschland, aber auch für uns Europäer eine besondere Verpflichtung.
({0})
Wir sollten auch in Zukunft alles tun, um diesen Menschen auf einem friedlichen Weg zu helfen.
({1})
Ich fürchte, meine Damen und Herren, damit sind andere Fragen, die man durchaus auch gemeinsam behandeln könnte, nicht erreicht. Die Rede des Bundeskanzlers hat seine größte Stärke und zugleich seine größte Schwäche offenbart:
({2})
die Stärke, in geschichtlicher Dimension - jedenfalls scheinbar - und im Gefühl zu reden und zu argumentieren; die Schwäche, zur konkreten Lage in Deutschland nichts zu sagen, das Politik offenbaren würde - nichts.
({3})
Das kann man, meine Damen und Herren, an einer Reihe von Beispielen deutlich machen. Es hat sich ja in der wirtschaftlichen, in der sozialpolitischen, in der gesellschaftspolitischen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland durch den Vorschlag des Vorsitzenden der IG Metall einiges wirklich grundlegend verändert. Wenn der Bundeskanzler sagt, er komme jetzt zu den Themen, die ihm wichtig seien, und als erstes sich selbst nennt,
({4}) dann ist das schon beachtlich.
({5})
Zu den Hauptproblemen unseres Landes - so zu den Fragen: Können wir den sozialen Frieden verteidigen? Läßt sich die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Wie verbinden wir wirtschaftlichen Fortschritt mit sozialer Sicherheit? - Kommt außer ein paar wolkigen Formulierungen und einer ungewöhnlich selbstgefälligen Attitüde nichts Konkretes mehr - nichts mehr.
({6})
Ich will Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen, die in Ihrer Rede eine Rolle gespielt haben.
({7})
Sie haben davon gesprochen, es sei ein Skandal, daß
in Berlin deutsche Bauarbeiter keine Arbeit fänden.
Da haben Sie auch recht; es ist aber der Skandal IhRudolf Scharping
rer Politik, weil Sie immer noch nicht das Entsendegesetz verabschiedet haben.
({8})
Was sind Sie denn für ein Regierungschef, der sich hier in den Deutschen Bundestag stellt, die Ergebnisse seiner Politik beklagt, Umdenken anmahnt, ohne dann zu sagen, worin genau dieses Umdenken bestehen soll und was seine Regierung tut?
({9})
Sie haben doch die Mahnungen in den Wind geschlagen. Sie haben doch verhindert, daß auch auf den Baustellen gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird. Sie haben doch ein unzureichendes Gesetz vorgelegt.
Ich weiß sehr wohl, welche Risiken bestehen. Aber ein Risiko sollte nicht verschwiegen werden: Wenn Sie so weitermachen, dann wird das nicht nur die Bauarbeiter, nicht nur das Bauhauptgewerbe treffen, dann wird es auch andere Berufe treffen.
Ich will Ihnen eines sagen: Wer sich gegen eine vernünftige Gesetzgebung wehrt und dagegen, daß die deutsche Wirtschaft durch Innovation, Flexibilisierung und Forschung und Entwicklung wettbewerbsfähig bleibt, der wird am Ende das ernten, was Ergebnis Ihrer Politik ist, nämlich Auswanderung von Arbeitsplätzen und Einwanderung von Arbeitssuchenden mit Schaden für beide Seiten.
({10})
Dann reden Sie von Konsolidierung und davon, daß der Kurs der Konsolidierung fortgesetzt werde, uneingeschränkt.
({11})
Angesichts der Ergebnisse Ihrer Politik hört sich das fast bedrohlich an.
({12})
Verehrter Herr Bundeskanzler, es gehört schon entweder ein hohes Maß an Unkenntnis oder ein hohes Maß an Spekulation auf Unkenntnis dazu, angesichts Ihrer Haushaltspolitik von Konsolidierung zu reden.
({13})
Im Jahre 1990 hatte der Bund einschließlich seiner Schattenhaushalte 542 Milliarden DM Schulden. Ende 1996 wird es mit Ihrer Haushaltsplanung einen Schuldenberg von 1 378 Milliarden DM geben. Sie haben nicht nur die Zukunft dieses Landes verfehlt finanziert - zum großen Teil auf Pump, dann zu Lasten der Arbeitsplätze -, sondern Sie haben auch zusätzliche Schulden von 836 Milliarden DM in nur sieben Jahren aufgehäuft,
({14})
anderthalb mal soviel wie in den 40 Jahren der Geschichte der Bundesrepublik zuvor.
({15})
Angesichts dieser Zahlen von Konsolidierung zu reden ist dreist, wirklich dreist.
({16})
Die Zinsausgaben des Bundes betrugen 34,2 Milliarden DM im Jahre 1990. Im nächsten Jahr werden sie die 100-Milliarden-Grenze überschreiten. Und wenn es bei dem Trend, der sich jetzt abzeichnet, bleibt, dann werden wir schon im Jahre 1997 fast 28 Prozent unserer Steuereinnahmen nur für Zinsen ausgeben.
({17})
Mit dieser Politik erwürgen Sie die Gestaltungskraft der Politik, und Sie belasten die Arbeitsplätze zum Schaden unseres gemeinsamen Fortschritts.
({18})
Dann sagen Sie: Tja, müssen wir eben sparen! Wie üblich fällt Ihnen auf die allerdings sehr ernste Frage, ob sich sozialer Frieden unter dem Druck des globalen Wettbewerbes bewahren läßt, nur ein, etwas zum Sozialstaat zu sagen. Da reden Sie verschämt von einem „Umbau". Ist es „Umbau", arbeitslose Menschen noch stärker ins Abseits zu drängen? Ist es „Umbau", den Familien die finanziellen Hilfen zu kürzen?
({19})
- Ich rede von Ihren Vorstellungen. - Das hat mit „Umbau" überhaupt nichts zu tun.
({20})
Sie ruinieren den sozialen Frieden in einem Land - das will ich Ihnen dann doch noch etwas deutlicher sagen; denn es hilft ja nicht, sich darüber mit allgemeinen Floskeln hinwegzuretten -, in dem der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt von 1990 bis 1994 als einzigem Land in Europa gesunken ist. Ich rede vom Westen Deutschlands; auf die Sonderfragen des Osten Deutschlands will ich gleich zurückkommen. Wir sind das einzige Land, in dem der Anteil der Sozialausgaben gesunken ist. Sie reden von einem europäischen Vergleich und verschweigen, daß Großbritannien mittlerweile einen gleich hohen Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt hat. Sie verschweigen, daß Frankreich, Belgien, Italien, die Niederlande mittlerweile einen höheren Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt haben.
Nein, nicht der Sozialstaat, nicht der soziale Frieden, nicht die soziale Sicherheit sind zu teuer; Ihre Politik ist verfehlt, auf dem Rücken des sozialen FrieRudolf Scharping
dens Politik zu formulieren und zu finanzieren, die dort nicht hingehört.
({21})
Der soziale Friede kann behauptet werden. Dafür brauchen wir aber mehr und zielbewußtes, das heißt an Beschäftigung und am Schutz der Umwelt orientiertes Wachstum.
({22})
Und wir brauchen eine Modernisierung des Sozialstaats.
Nun kann man die Frage stellen: Was tun Sie eigentlich dafür? Sie stellen sich hier hin und sagen: Wir brauchen eine neue Gründerwelle. Das hört sich gut an, vor allen Dingen an jenem Tag, an dem die Deutsche Presseagentur meldet, daß der Anstieg der Pleitenzahlen sich im Sommer unvermindert fortgesetzt hat.
({23})
Im Juli und August gab es 3 700 Insolvenzen mehr, davon 2 800 von Unternehmen. Besonders schlimm sind die Zahlen im Osten Deutschlands.
Wenn eine Regierung nicht in der Lage ist, Unternehmen des Handwerks, des Mittelstands, der Bauwirtschaft anständig mit Eigenkapital auszustatten,
({24})
dann ist das die unmittelbare Frucht Ihrer Politik. Da können Sie viele Gründerwellen fordern, wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, die Pleiten mit zu verhindern, die jetzt eingetreten sind.
({25})
Wer eine moderne Wirtschaft will, leistungsfähig, intelligent in ihren Produkten, auf den Weltmärkten an der Spitze, der darf nicht die Frage stellen, ob wir billiger produzieren können als andere; er muß zuerst die Frage stellen, ob wir besser produzieren können als andere.
({26})
Es macht auch keinen Sinn, eine Politik immer weiter fortzusetzen, verehrter Herr Kollege Haussmann, die das Wachstum des Bruttosozialprodukts voranbringt, aber zugleich immer weniger Beschäftigung produziert, die den Konsum nicht bei den Privaten, sondern beim Staat immer weiter vorantreibt, ohne für die Zukunft wirksam Vorsorge zu treffen.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, es ist eine Binsenweisheit, daß produziert werden muß, bevor man verteilen kann.
({27})
Es ist aber genauso eine Binsenweisheit, daß der Politik die Frage gestellt wird: Unter welchen Bedingungen wird produziert, und wie sieht es mit der
Verteilung des gemeinsam Erwirtschafteten aus? Da beginnt die politische Gestaltung, und da ist bei Ihnen Mattscheibe. Da kommt überhaupt nichts.
({28})
Wenn wir für ein an Beschäftigung und Umwelt orientiertes Wachstum plädieren, wenn wir für eine intelligente, flexibel arbeitende und flexibel produzierende Wirtschaft plädieren, dann macht es wenig Sinn, eine Strategie zu verfolgen, wie das offenkundig die Ihre ist. Wenn man wirklich will, daß dieses Land Sozialpartnerschaft, Verantwortungsbewußtsein, Kreativität, Leistung der Arbeitnehmer herausfordert und fördert, anstatt sie immer wieder neu zu belasten,
({29})
dann darf man nicht eine Politik verfolgen, wie Sie das tun.
All die Stichworte, die hier mehrfach eine Rolle gespielt haben - Lohnfortzahlung, Kündigungsschutz, Einschränkung der Tarifautonomie -, sind am Ende primitive Konfliktstrategien, und Sie liegen damit weit hinter dem zurück, was Sozialdemokratie und Gewerkschaften zur wirtschaftlichen Modernisierung, zur Zukunft unseres Landes zu sagen haben.
({30})
Sie liegen übrigens auch weit hinter dem zurück, was die Praxis in den Unternehmen ist.
({31})
Vor allen Dingen würden wir alle gerne von Ihnen wissen, wie Sie auf das Angebot des Vorsitzenden der IG Metall reagieren. Sie haben es gelobt, Sie finden es positiv. Sorgen Sie mit dafür, daß die Politik, die zum Abdrängen von Arbeitslosen führt, beendet wird. Gehen Sie auf die Voraussetzungen ein, die Ihnen die wichtigen Gewerkschaften und auch die deutsche Sozialdemokratie nennen.
({32})
Sind Sie bereit, zu einem gemeinsamen Pakt für Beschäftigung zu kommen, oder wollen Sie Ihre Politik so fortsetzen wie bisher?
Wenn sich Wirtschaftspolitik in dem Affentheater der letzten Tage um den Ladenschluß erschöpft, kann ich nur sagen: Nichts kennzeichnet die „Fähigkeit" Ihrer Politik zur Gestaltung so sehr wie das.
({33})
Ein Affentheater ist es.
Ich füge ganz deutlich hinzu: Wenn Sie sich darüber beschweren, daß die Sozialversicherungsbeiträge so hoch seien, dann fangen Sie doch damit an, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie nicht steigen müssen. Sie können mit uns gerne über die Veränderung der Ladenschlußzeiten reden. Aber
dann seien Sie auch bereit, dafür zu sorgen, daß der Anreiz entfällt, im Handel und an anderer Stelle immer mehr Menschen ohne soziale Sicherheit zu beschäftigen.
({34})
Ein Land mit 4,5 Millionen Menschen, die ohne Sozialversicherung arbeiten, kann sozial nicht stabil bleiben.
Wir stimmen mit der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft überein, so unbedeutend sie selbst ist. Wir stimmen im Zweifel sogar mit Herrn Blüm überein; das ist schon ein bißchen wichtiger. Ich war aber gespannt darauf, was Sie, Herr Bundeskanzler, dazu meinen. Doch Sie sagten kein einziges Wort dazu. Wollen Sie gemeinsam mit vernünftigen Menschen
({35})
die Ausbeutung von Frauen im Handel endlich beenden und für anständige Teilzeitarbeitsplätze sorgen?
({36})
Sie kommen hierher, sprechen von einer Gründerwelle und sagen, man müsse mehr in Richtung Arbeitsplätze denken. Dann lassen Sie uns bitte in Richtung Arbeitsplätze denken. Mit Ihrer Politik wird vermutlich die Krankenversicherung - der Einigung im Krankenhausbereich zum Trotz - teurer, die Rentenversicherung ganz sicher.
Wir werden im nächsten Jahr einen Anstieg der Lohnnebenkosten zu verzeichnen haben, der fast alles zerstören wird, was mit dem Jahressteuergesetz erreicht worden ist.
({37})
Sie werden eine erneute Belastung der Arbeitsplätze und der Arbeitseinkommen festzustellen haben. Wenn Sie in der Lage sind, Ihre schöne Forderung umzusetzen - man hört häufig von Ihnen: Wir brauchen mehr Teilzeitarbeit; Sie haben als Beispiel immer die Niederlande erwähnt -, dann sorgen Sie doch dafür, daß aus den ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen gesicherte Teilzeitarbeit wird.
({38})
Dann gibt es mehr Beitragszahler.
Ich muß das aufgreifen, damit es jeder zur Kenntnis nehmen kann. Sie sagen, das sei schon längst geschehe. Der zahlenmäßige Anstieg dieser Beschäftigungsverhältnisse ist dramatisch geworden.
({39})
Wenn Sie Ihre Politik fortsetzen, wird er noch dramatischer werden, und zwar zu Lasten der betroffenen
Menschen und zu Lasten der Mitte der Gesellschaft,
die die steigende Belastung aus dieser verunglückten und falschen Politik finanzieren muß.
({40})
Wer hier von Gründerwelle und Arbeitsplätzen redet, der sollte zuerst und vor allen Dingen dafür sorgen, daß die Belastung der Arbeitsplätze mit jenen Finanzierungslasten, die bei den Arbeitsplätzen überhaupt nichts zu suchen haben, beendet wird. Da fehlt Ihnen der Mut; da fehlt Ihnen der Gestaltungswille; da sind Sie Gefangener einer Politik, die von Anfang an verfehlt war. So sehr Sie Umdenken anmahnen - das ist ein wunderschönes Wort, eine schöne Zielsetzung -, konkret findet nichts statt. Im Bereich der Teilzeitarbeit hätten Sie dazu eine gute Gelegenheit.
({41})
Ich will das an einem zweiten Beispiel deutlich machen, der Flexibilisierung. Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, ich will gar nicht mehr in den Urherberstreit eintreten; der ist unfruchtbar. Sie sprechen davon, wie Flexibilisierung in der deutschen Wirtschaft aussehen könnte, wer sie zuerst gefordert hat usw. Sie haben Flexibilität im Bereich der sozialen Sicherheit gefordert.
({42})
Wir haben sie immer im Bereich der Arbeitsorganisation und der Verantwortung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefordert. Überall da, wo sie existiert, sind die Ergebnisse gut.
Ich füge hinzu: Alle diese Fragen - Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Sicherung des Sozialstaates, internationale Wettbewerbsfähigkeit - sind in Europa gemeinsam besser zu beantworten, als wenn jedes Mitgliedsland der Europäischen Union das für sich allein täte. Das ist wahr.
({43})
Folglich wird man bei der Formulierung von Wirtschafts- und Sozialpolitik, von Haushalts- und Finanzpolitik immer darauf achten müssen, daß sie in einen europäischen Geleitzug passen, was Stabilität für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und das Geld bedeutet.
Da, Herr Bundeskanzler, ist mir etwas aufgefallen.
({44})
Sie haben gesagt, Sie wollten bestimmte Fragen nicht beantworten; das habe mit dem Stand der internationalen Verhandlungen zu tun.
({45})
Ich will Ihren im Zusammenhang mit unserer Großen Anfrage zur Wirtschafts- und Währungsunion eines sagen: Man kann über viele einzelne Fragen durchaus reden, man kann sogar einwenden, daß zu bestimmten Fragen eine Antwort detailliert, mit Festlegungen verbunden, zur Zeit noch nicht möglich ist.
Ich halte es aber für das Verständnis untereinander und für den Respekt vor dem Parlament abträglich,
wenn sich ein deutscher Bundeskanzler hier hinstellt und sagt, er wolle diese Fragen nicht beantworten.
({46})
So können wir nicht miteinander umgehen.
Dafür ist auch die Europäische Union zu wichtig. Wir halten unverändert daran fest, daß Europa geeinigt werden muß. Wir halten unverändert daran fest, daß Europa das beste Beispiel politischer Lernfähigkeit ist. Aus den europäischen Bürgerkriegen dieses Jahrhunderts haben gerade wir eine besonders bittere Erfahrung und gleichermaßen eine besonders fruchtbare Lehre gezogen.
Also ist gerade Deutschland verpflichtet, nie mehr Sonderwege zu gehen, fest in den westlichen Demokratien verankert zu bleiben und unauflöslich mit Europa verbunden zu sein.
({47})
Daraus folgt für uns zweierlei: Die europäische Integration ist zu vertiefen, die Union selbst zu erweitern. Diesen Maßstäben muß auch die Wirtschafts- und Währungsunion genügen. Darüber gibt es jetzt eine öffentliche Debatte; das ist auch gut so. Das ist schon deswegen gut, weil sich auf der Grundlage - ich sage ausdrücklich: auf der Grundlage - des Vertrages von Maastricht Fragen stellen und weil viele von uns die Sorge bewegt, daß wir die Vision eines gemeinsamen Europas in dem Verhakeln der Regierungen und in den bürokratischen Einzelheiten verlieren könnten. Als Wille ohne Vorstellung jedenfalls kann Europa nicht wachsen.
({48})
Wer ein Europa der Bürgerinnen und Bürger will, der wird für eine Stärkung des Parlamentes, für eine bessere demokratische Verankerung eintreten.
({49})
Das scheint aber nicht gerade das Herzensanliegen der Bundesregierung zu sein. Ein Bundeskanzler, der in wenigen Monaten zweimal in dieses Parlament kommt und sagt, ich bin Ihnen hier keine Rechenschaft schuldig, ich will Ihre Fragen nicht beantworten, der offenbart ein eigenartiges Verständnis von der offenen parlamentarischen und demokratischen Diskussion.
({50})
Wir wollen mit Blick auf Europa auch eine Stärkung und Verankerung von Bürgerrechten. Deshalb haben wir vorgeschlagen, sich auf eine Charta jener Bürgerrechte zu verständigen, die jedem Menschen in Europa zur Verfügung stehen. Deshalb mahnen wir eine gemeinsame Innen- und Sozialpolitik an, damit eingelöst werden kann, was in den politischen Zielen proklamiert wird.
({51})
Nach dem europäischen Binnenmarkt brauchen wir auch eine zielbewußte, jedenfalls in den Grundzügen gemeinsame Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik.
({52})
Wer von der gemeinsamen Währung redet, ohne von einer Verständigung auf wirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungspolitische Fortschritte zu reden, der entzieht der Währungsunion, die notwendig ist, einen wesentlichen Teil ihrer realwirtschaftlichen Grundlagen.
({53})
Das Ärgerliche ist: Daran war diese Bundesregierung beteiligt. Diese Bundesregierung hat - ich erinnere Sie an die Diskussion um das Weißbuch von Jacques Delors und der Europäischen Kommission - in diesem Bereich gemeinsam mit anderen gebremst, was an europäischem Fortschritt möglich gewesen wäre
({54})
und von einem klugen Europäer und Freund der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen worden war. Sie wissen auch um die Enttäuschung, die daraus entstand.
Viel wichtiger aber ist, daß man im Denken und in den Herzen der Menschen Europa einen Sinn und eine Seele gibt. Dazu gehört auch gemeinsames Geld; dazu gehört, daß möglichst viele daran beteiligt sind. Dazu gehört, daß es einen gemeinsamen Willen zur Sicherung wirtschaftlicher Stärke und sozialer Stabilität gibt.
Deshalb sind uns die Kriterien der europäischen Währung, der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wichtiger als die Zeitpläne. Ich verschweige nicht: Die Zeitpläne können eine förderliche disziplinierende Wirkung haben.
({55})
Ich bin damit allerdings angesichts des Verdachts der Lehrmeisterrolle Deutschlands sehr zurückhaltend.
({56}) Nun möchte ich Ihnen etwas zitieren:
Konvergenzmängel könnten daher die Stabilitätsorientierung, wenn nicht den Bestand der Währungsunion gefährden ... Angesichts dieser im Ganzen unbefriedigenden Entwicklung ist es besonders problematisch, daß die im Vertrag über die Europäische Union und in den einschlägigen Protokollen niedergelegten Konvergenzkriterien erhebliche Unschärfen aufweisen und demzufolge unterschiedliche Auslegungen zulassen. Hiervon sind tatsächlich alle Kriterien betroffen. Da sie jedoch ohnehin nicht besonders anspruchsvoll sind, muß im Interesse eines dauerhaften Erfolgs der Währungsunion jedem Versuch einer Aufweichung der Zugangsvoraussetzungen energisch entgegengetreten werden. Dies gilt um so mehr, als die Konvergenzprüfung großteils nur auf eine Momentaufnahme abstellt,
während ein befriedigendes Funktionieren der Währungsunion dauerhafte Konvergenzerfolge voraussetzt.
({57})
- Wenn Sie sagen, daß das nichts Neues sei, wenn Sie sagen, daß der Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank 1994 für Sie nichts Neues sei, dann verstehe ich überhaupt nicht mehr, warum Sie das Beharren der Sozialdemokratie auf einer Einhaltung der Stabilitätskriterien kritisieren und warum Sie kritisieren, daß diese dauerhaft gesichert werden müssen.
({58})
Denn das wird neu besprochen werden müssen. Maastricht, von dem man sagen kann, es sei der erste wichtige Durchbruch in Richtung auf eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion, braucht eine Ergänzung. Es braucht eine Ergänzung in Form einer besseren Abstimmung der Haushalts- und Fiskalpolitik, es braucht eine bessere, dauerhaftere Sicherung der Stabilitätskriterien, als das bisher im Vertrag vorgesehen ist. Das braucht es auch, damit die Europäische Zentralbank nicht überfordert wird. Das braucht es auch, damit stabilitätskonforme Länder nach Inkrafttreten der Währungsunion nicht für weniger stabilitätskonformes Verhalten in anderen Ländern bestraft werden, entweder über die Märkte oder über die Geldpolitik.
({59})
Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen noch einmal: Wir werden mit Blick auf den Parlamentsvorbehalt und mit Blick auf die ratifizierten Verträge von Maastricht strikt darauf achten, daß die Konvergenzkriterien eingehalten werden, daß sich möglichst viele europäische Länder beteiligen, daß die Konvergenz- oder Stabilitätskriterien für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Geld gleichermaßen wirksam sind und daß sie nicht nur für den Eintritt in die Währungsunion, sondern dauerhaft gelten.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Es ist gut, daß diese Debatte entstanden ist, selbst wenn sie manche Töne hat, die weniger erfreulich sind. Aber sie ist notwendig.
({60})
Ich füge hinzu: Wenn wir nicht in einer offenen Diskussion die Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen, daß gemeinsame Währung, gemeinsame Wirtschaft, gemeinsame Bewahrung des sozialen Friedens das Anliegen Europas sind, dann werden wir ihre Zustimmung nicht bekommen. Die Verständigung zwischen einzelnen Regierungen nutzt gar nichts, wenn die Bevölkerung nicht will und zustimmt.
({61})
Meine Damen und Herren, Politik in Europa, Integration in Europa ist eine Voraussetzung dafür, daß wir unsere Probleme besser lösen können, als wenn wir das alleine tun wollen. Das merkt man übrigens auch an der dramatischen Veränderung der Währungsrelationen. Dazu kein Wort von Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht ein einziges Wort, obwohl Ihre Finanzpolitik mit dazu beigetragen hat, daß sich die Währungsrelationen in erheblichem Umfang verändert haben, und zwar zum Schaden unserer Arbeitsplätze.
Herr Bundeskanzler, wer zu solchen Fragen im Zusammenhang mit dem europäischen Kontext nicht redet, der erzeugt einen vielleicht wohligen, vielleicht gefühligen, ganz sicher einen selbstgefälligen Nebel, aber nicht die Klarheit, die wir brauchen, um gemeinsam voranzukommen.
({62})
Das will ich Ihnen noch an einem anderen Beispiel deutlich machen: Die Steuerpolitik in Deutschland setzt ganz eindeutig falsche Prioritäten. Die hohe Verschuldung des Staates ist zu einem Instrument massiver Umverteilung geworden.
({63})
Die falsch organisierte Steuerbelastung wird zu einem immer größeren Risiko für wirtschaftlichen Fortschritt.
Es gibt einige Stichworte, bei denen ich gerne wissen würde, was der Bundeskanzler dazu sagt; denn auf das Wort des Finanzministers kann man sich erkennbar nicht mehr verlassen.
({64})
Eine Koalitionsvereinbarung besagt, Sie wollten die Gewerbekapitalsteuer abschaffen, die Steuern nach dem Gewerbeertrag senken und mittelfristig die Gewerbesteuer insgesamt abschaffen. In einem Brief des Bundesfinanzministers an die kommunalen Spitzenverbände steht, er wolle die Gewerbesteuer, aber in der Verfassung abgesichert. Ein Parlamentarischer Staatssekretär sagt im Deutschen Bundestag sogar, wie eine solche Formulierung aussehen könnte. Was gilt denn jetzt bei Ihnen?
({65})
Wollen Sie die Gewerbesteuer abschaffen, oder wollen Sie sie beibehalten?
Ich frage das deshalb, weil Sie dazu übergegangen sind, alle Probleme Ihrer Politik nach unten durchzureichen. Die Unfähigkeit, auf der Bundesebene Ordnung zu schaffen, ist durch diese Haushaltsberatungen so erschreckend deutlich bewiesen worden, daß man sich kaum noch daran freuen kann. Alle Zeitungen schreiben davon. Sie bewegen sich auf einem dünnen Eis, Sie täuschen einen soliden Haushalt vor,
({66})
Sie nehmen eine Kreditaufnahme vor, die nur dann ausreichen kann, wenn Ihre eigenartigen Privatisierungserlöse eintreten. Daß Sie die Gremien des Parlamentes damit beschäftigen, wegen 10 oder wieviel Millionen DM auch immer 140 Seiten - mit Folgen für die kommenden Jahre - zu studieren, aber auf einen Schlag, mit einem Wisch Papier 20 Milliarden DM scheinbar finanzieren, das ist in meinen Augen ein politischer Offenbarungseid.
({67})
Ein Finanzminister, Herr Kollege Waigel, der so mit Staatsfinanzen umgeht und glaubt, er könnte mit einem Wisch Papier - noch nicht einmal sorgfältig gerechnet; aber das nur nebenbei - ein Parlament zufriedenstellen, der kann das nur tun, weil er davon ausgeht: Ich habe innerhalb der Koalition vielleicht eine Mehrheit. Das geht ja auch gar nicht anders. Die Mitglieder dieser Koalition sind ja zur Zustimmung verpflichtet und müssen notfalls die eigene Desavouierung als eine besondere staatsmännische Tat noch bejubeln.
({68})
Denn das parlamentarische Bewußtsein ist so weit heruntergekommen, daß es sich ein Haushaltsausschuß mit seiner Mehrheit bieten läßt, mit einem Wisch von einer Seite 20 Milliarden DM Ausgaben erläutert zu bekommen, daß er es sich bieten läßt, daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses und die Berichterstatter im Finanzministerium jede Information verweigert bekommen, während der Finanzminister gleichzeitig in Hintergrundgesprächen ausbreitet, was er dem Parlament nicht mitteilen will.
({69})
Meine Damen und Herren, dies ist die Folge einer Politik, die den Sozialdemokraten immer gesagt hat: Wenn ihr finanzielle und wirtschaftliche Risiken beschreibt, dann malt ihr schwarz; ihr spielt Kassandra. Als wir im Verlauf des Jahres gesagt haben, leider wird sich die wirtschaftliche Entwicklung abschwächen, da haben Sie erwidert: Jetzt sind wieder die Miesmacher am Werk. Als wir gesagt haben, die hohe Steuerbelastung der Arbeitseinkommen, des Mittelstands, des Handwerks - dort insbesondere die hohe Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge - sei nicht notwendig, da haben Sie gesagt, wir seien daran ja selber schuld, wir seien diejenigen, welche . . . Als wir darauf hingewiesen haben, daß die Ziele des Jahreswirtschaftsberichts nicht eingehalten werden - das war im September, vor zwei Monaten -, da haben Sie gesagt: Miesmacherei, Schwarzmalerei, Kassandrarufe und weiß ich, was alles noch.
Nun kann man sich die Ziele des Jahreswirtschaftsberichts und die Realitäten, die - bedauerlicherweise - eintreten werden, ja ansehen. Sie haben eine Absenkung der Arbeitslosenzahlen versprochen. Im Oktober 1995 liegen die Arbeitslosenzahlen um 80 000 über dem Vorjahr. Im Februar waren wir noch auf dem Weg, um 260 000 unter den Zahlen des Vorjahres zu bleiben. Wie dramatisch soll eine Wende eigentlich sein? Und dann stellt sich der Bundeskanzler hin und sagt: Das ist leider etwas unbefriedigend, wir müssen mehr für die Menschen tun.
Sie haben sich, Herr Bundeskanzler, von der Vorstellung, die Menschen denunzieren zu können, sagen zu können, Deutschland sei ein kollektiver Freizeitpark, die Menschen lägen in der sozialen Hängematte, verabschiedet. Jetzt haben Sie eine neue Melodie drauf: Man muß für die Menschen etwas tun. Man darf sie nicht beiseite stehenlassen und dergleichen mehr. Das sagt der Chef einer Regierung, die gleichzeitig vorschlägt, die originäre Arbeitslosenhilfe abzuschaffen, die vorschlägt, die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre zu begrenzen, die vorschlägt, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erst nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit eintreten zu lassen usw. Herr Bundeskanzler, ich finde es empörend, wie Sie über die Ergebnisse und die Absichten Ihrer Politik hinwegreden!
({70})
Die Arbeitslosigkeit steigt, die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Das wirtschaftliche Wachstum erreicht in diesem Jahr, mit Folgen für alle weiteren Jahre - was übrigens Ihre gesamte Finanzplanung zur Makulatur macht -, leider nicht die Zahlen, die Sie uns vorgegaukelt haben. Das einzige, was übertroffen wird, ist das Ziel der Steigerung der Unternehmenseinkommen. Nichts gegen Gewinne! Im Gegenteil, wir brauchen sie.
({71})
Wir brauchen sie insbesondere für Investitionen. Dann aber sorgen Sie mit Ihrer Steuerpolitik dafür, daß es sich wieder lohnt, in Deutschland zu investieren!
({72})
Ich habe übrigens mit Interesse gehört, daß Herr Kollege Solms - er ist jetzt leider nicht da - gesagt hat, das sei alles Unsinn. Dann hat er mal nachgelesen - was ich übrigens den Mitgliedern der Bundesregierung auch empfehle - und dann gesagt, das sei ein durchaus diskussionsfähiger Ansatz.
Ich behaupte: Es wird hier so gehen wie in anderen Bereichen der Politik auch. Jahrelang haben wir darum gekämpft, daß Bestechungsgelder nicht von der Steuer abgesetzt werden können. Nach mehreren Jahren haben wir es erreicht. Jahrelang haben wir darum gekämpft, daß die Förderung des Eigentums an Wohnungen und Häusern unabhängig vom Einkommen, ohne Vorteil in der Progression, durchgesetzt wird. Jetzt haben wir es erreicht. Ich sage Ihnen voraus: Wir werden uns einige Jahre darum streiten, ob eine ökologische Modernisierung des Wirtschaftens notwendig und sinnvoll ist, und dann
werden wir es durchsetzen. Wir werden es durchsetzen!
({73})
Das ist nicht durchzusetzen mit einer Finanzpolitik, die eine enorme Pumpleistung jedes Jahr als Punktlandung verkauft. Das ist auch nicht durchzusetzen, Herr Bundeskanzler, mit einer Politik, die mit den „drei M" hantiert. Ich habe es schon in meiner eigenen Partei nicht sonderlich gern, wenn Kollegen auftreten und sagen: Man müßte mal! Das ist ein - leider auch bei uns - hier und da verbreiteter Bazillus. Aber von einem Regierungschef, der sich hier hinstellt und nach der Melodie singt „Ich verkünde ein gutes Gefühl, ich verbreite eine wohlige Selbstgefälligkeit" und im übrigen sagt „Man müßte mal", erwarte ich, daß er sich an den Kabinettstisch setzt und Herrn Rüttgers sagt, daß man die Ausbildungsinteressen der deutschen Studierenden nicht so rasieren kann wie er.
({74})
Von diesem erwarte ich auch, daß er sich an den Kabinettstisch setzt und sagt: Lieber Norbert Blüm, jetzt habe ich im Deutschen Bundestag geäußert, man dürfe die Arbeitslosen nicht zur Seite drängen und so kaltherzig mit ihnen umgehen. Setz einmal deine Politik durch! Ich korrigiere meine und helfe dir als Bundessozial- und -arbeitsminister - das ist ein Titel, den er nicht sonderlich verdient hat; aber gut - in Zukunft gegen Herrn Rexrodt und Herrn Waigel. - Ich bin einmal gespannt, wann das passieren wird.
({75})
Von einem Bundeskanzler, der hier herkommt und sagt „Ich bin für Konsolidierung, wir werden den Kurs fortsetzen", möchte ich gelegentlich auch einmal hören, daß er wenigstens in den Koalitionszirkeln seinen Finanzminister in die Mangel nimmt und ihm sagt: Wie kannst du mir aufschreiben, daß ich im Deutschen Bundestag von Konsolidierung reden soll, während du bei 40 000 Wohnungen und Privatisierungserlösen, die schon im letzten Jahr nicht erzielt werden konnten, Schein- und Luftbuchungen machst?
({76})
Von einem Bundeskanzler, der von der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft redet und davon, daß jetzt die Hemmnisse beseitigt werden müssen, erwarte ich, daß er irgendwann einmal in dieses Parlament kommt und sagt: Paßt einmal auf: Genehmigungsverfahren werden verkürzt. Wir organisieren es jetzt so, daß Projektmanagement möglich ist. Wir begrenzen den Beamtenstatus auf strikt hoheitliche Aufgaben. Wir sorgen dafür, daß viele Einzelheiten in der Gesetzgebung geregelt werden.
Herr Bundeskanzler, pfeifen Sie doch mal, anstatt nur den Mund zu spitzen.
({77})
Kommen Sie doch nicht hierher oder auf den Bundesparteitag der CDU und sagen: Man müßte mal. Wenn Sie dies sagen, droht immer die Gefahr, daß die Leute nicht so ganz wollen. Das hat man auch auf Ihrem Parteitag gesehen: Es existiert in politischen Sachentscheidungen Angst vor den eigenen Mitgliedern und Angst vor der Gleichberechtigung der Frauen, obwohl der Bundeskanzler gesagt hat: Man müßte mal.
({78})
Ich rate also dringend dazu, nicht nur in den Deutschen Bundestag zu kommen und zu sagen: Man müßte mal. Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich, was Sie ankündigen! Verbleiben Sie nicht in dieser nebeligen Selbstgefälligkeit!
({79})
Es mag Ihnen gefallen haben, daß Sie auf den Vorwurf des Buddha so reagieren konnten, wie Sie reagiert haben. Einverstanden, jeder sieht zu, wie er da am besten herauskommt.
({80})
Der Kollege Verheugen hat, so meine ich, heute morgen eine Rede gehalten, die saß.
({81})
Für mich gibt es zwei sichere Indizien, um festzustellen, ob etwas gesessen hat, ob Sie sich getroffen und zu Recht kritisiert fühlen:
({82})
Das eine Indiz ist das spontan losbrechende Gelächter des Kollegen Waigel nach der Methode: Wenn schon alles schlecht ist, dann muß wenigstens ich lachen.
({83})
Das andere Indiz basiert auf der Reaktion des Bundeskanzlers. Er signalisiert das immer dadurch, daß er sich betont lässig, betont freundlich zurücklehnt. Und wenn er dann ans Pult kommt - jeder Zwischenruf wird übrigens fast als Majestätsbeleidigung empfunden - müssen Mitglieder der CDU-Fraktion aufstehen und sagen: Stellt mal eure Gespräche ein, der Bundeskanzler spricht! Wie könnt ihr so unhöflich sein! ({84})
Nein, ich will Ihnen einmal folgendes sagen: Ich habe nichts gegen Souveränität. Ich habe aber etwas gegen eine Form von Souveränität, die sich jeder Auseinandersetzung entzieht - und deshalb keine
mehr ist - und in völlige Selbstgefälligkeit umschlägt.
({85})
Wer dann - ich komme auf Ihre Stärken und Ihre Schwächen zurück - in Gefühl und Geschichte so stark ist, daß er für die Gegenwart des Landes wenig Interesse und wenig Gestaltungskraft aufbringt, wer in einer längeren Rede im Deutschen Bundestag fast nichts zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Entwicklung des Arbeitsmarktes, zur Finanzierung des Staates, zur Modernisierung und zum Abbau von Bürokratie sagt, dem sage ich noch einmal: So werden Sie die Politik für die Zukunft dieses Landes nicht wirklich machen können, so nicht!
({86})
Es ist leider eine Binsenweisheit:
({87})
Wer sich im Bundestag befindet und jede kritische Bemerkung, jeden kritischen Zwischenruf nach der Methode abbügelt „Der hat überhaupt keine Ahnung", der signalisiert nur eines: Es fehlen ihm schlicht die Argumente.
({88})
Also: Wir lassen Ihnen gerne die Stärke in Geschichte und Gefühl, aber wir fügen hinzu: Diese - wenn Sie so wollen - Stärke reicht nicht aus. Politik nach der Methode „Man müßte einmal" ist für die schwierigen Probleme, für die Herausforderungen der Zukunft unseres Landes unzureichend. Tun Sie endlich einmal etwas, anstatt immer nur davon zu reden!
({89})
Ich erteile dem Kollegen Dr. Wolfgang Schäuble das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß man nach der Rede des Kollegen Scharping ein Bedürfnis nach Pause hat und müde ist. Das kann ich verstehen.
({0})
Es geht offenbar auch zahlreichen Kollegen seiner Fraktion so.
Es ist überhaupt eine merkwürdige Debatte, Herr Kollege Scharping. Sie haben vom parlamentarischen Selbstbewußtsein gesprochen. Wenn in der Aussprache über den Einzelplan des Kanzleramtes der Oppositionsführer erst redet, nachdem der Kanzler eine Regierungserklärung abgegeben hat, so entspricht dies nicht meinem Verständnis von parlamentarischem Selbstbewußtsein.
({1})
Da wir Ihnen aber jeden Gefallen tun, ist der Bundeskanzler Ihnen hier entgegengekommen. Nur, daß Sie Ihren Parlamentarischen Geschäftsführer durch die Reihen Ihrer Fraktion schicken, um Unruhe zu organisieren, geht nun wirklich nicht. So gehen wir nicht miteinander um!
({2})
Nun haben Sie viel von Europa gesprochen, aber die entscheidende Frage haben Sie nicht beantwortet. Europa, die europäische Einigung ist zu wichtig, als das man drumherumreden kann.
({3})
- Es gibt eine ganz einfache Frage, die Sie irgendwann beantworten sollten: Wollen Sie am Maastricht-Vertrag festhalten, oder wollen Sie eine Neuverhandlung des Maastricht-Vertrages? Das ist die entscheidende Frage. Mit noch so vielen Überschriften kommen Sie an dieser Frage nicht vorbei.
({4})
- Ich habe sehr genau zugehört. Deswegen kann ich Ihre Kollegen verstehen, die den Saal verlassen. Wenn man Ihnen eine Stunde zugehört hat, hat man wirklich ein Bedürfnis nach Kaffee.
({5})
- Jetzt halten Sie doch einmal den Mund, oder schikken Sie Herrn Struck wieder durch die Reihen, um den Lärm zu organisieren, wie Sie wollen.
Sie reden von einer Ergänzung des Vertrags. Was ist das?
(
Ja!)
Wir, diese Bundesregierung, dieser Bundeskanzler, dieser Finanzminister, diese Koalition, brauchen von der SPD ganz gewiß keinen Nachhilfeunterricht in bezug auf die Einhaltung der Konvergenzkriterien. Von der Stabilität des Geldwertes verstehen diese Regierung und diese Koalition mehr als die Opposition.
({0})
Der Bundeskanzler und alle Redner der Koalition haben schon bei der Ratifizierung des MaastrichtVertrages gesagt, daß die Stabilitätskriterien streng eingehalten werden müssen, daß es keine Aufweichung geben wird und daß wir, wenn wir in einen Konflikt zwischen Zeitplan und Stabilitätskriterien geraten würden, diesen Konflikt nicht zu Lasten der Stabilitätskriterien lösen würden.
({1})
- Nein, tun wir nicht. Darin sind wir uns alle einig.
Nur, Herr Verheugen, warum wird dann von „Ergänzung" geredet? Genau darum geht es. Wenn man - das ist ja richtig - die Menschen in unserem Lande auch noch überzeugen muß - da ist noch viel zu tun -, dann darf man eben nicht in dieser Art reden, darf man keine unverbindlichen Andeutungen machen oder einen Satz wie den folgenden sagen:
({2})
„Für irgendeine Idee, die dann am Ende keine wirtschaftliche Stabilität und auch keine Stabilität des Geldes signalisieren würde, die D-Mark aufzugeben, hielte ich für falsch."
({3})
Ich frage Sie: Wer will denn das? Das ist doch nicht der Maastricht-Vertrag. Sie diffamieren doch die Währungsunion, und Sie schüren die Ängste der Menschen gegen die Währungsunion.
({4})
Herr Kollege Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Verheugen?
Bitte schön.
Herr Kollege Schäuble, nachdem der Bundeskanzler die Antwort auf die Frage verweigert hat, darf ich Sie vielleicht fragen, was in dem Zusammenhang der Beschluß des CDU-Parteitages bedeutet, der von einer dauerhaften Erfüllung der Stabilitätskriterien und von einer dauerhaften Zusammenfassung der Wirtschafts- und Währungspolitik der Länder spricht. Was bedeutet das in diesem Zusammenhang?
({0})
Herr Kollege Verheugen, ich bin Ihnen für diese Frage dankbar. Ich finde, daß wir auch die Chance nutzen sollten, das eine oder andere zu klären. Deswegen will ich Ihnen die Frage gerne beantworten. Unsere Position ist völlig klar: keine Ergänzung des Vertrages, keine Neuverhandlungen, keine zusätzlichen Voraussetzungen. Aber die Teilnehmer der Währungsunion, die hoffentlich am 1. Januar 1999 beginnen wird und an der Deutschland, weil wir dank der Politik dieser Bundesregierung die Stabilitätskriterien erfüllen, teilnehmen wird,
({0})
werden natürlich alles daransetzen müssen - dafür werden wir uns einsetzen -, daß die Kriterien auch dauerhaft erfüllt bleiben. Das ist dann Aufgabe der Teilnehmer. Das kann man „Schengen-Regime" nennen oder wie immer. Das ist eine Frage, die die Teilnehmer - es werden ja leider nicht alle 15 sein - entscheiden müssen. Aber Sie oder irgend jemand von Ihnen, Herr Kollege Verheugen, zum Beispiel Herr Scharping - wer immer mag -, müssen die Frage beantworten: Wollen Sie eine Auflösung des Vertrages? - Herr Schröder will. Von Herrn Schröder habe ich diesbezügliche Interviews hier; das müssen Sie klarstellen.
({1})
Sie haben in der nächsten Woche Ihren Parteitag. Sie, Herr Scharping, sollten dort nicht so reden, wie Sie hier geredet haben. Denn dem entnimmt jeder: Es muß etwas Ergänzendes hinzukommen, damit die Währungsunion kommt. Das ist der Punkt. Stellen Sie es klar; dann sind wir einen Schritt weiter. Lassen Sie uns um Himmels willen nicht Ängste der Menschen schüren, sondern lassen Sie uns den Menschen sagen: Die europäische Währung wird so stabil sein, wie die D-Mark immer gewesen ist, als die Union und diese Koalition in Bonn regiert haben.
({2})
Lassen Sie uns den Menschen ebenfalls erklären, daß die Währungsunion auch wirtschaftlich für uns alle von Vorteil ist. Sie haben mit großem Aplomb von der Lage der Beschäftigten in der Bauwirtschaft und vom Entsendegesetz gesprochen. Meine Damen und Herren, es zeigt sich doch eines: Ohne eine Harmonisierung im europäischen Binnenmarkt können wir weder unsere wirtschaftlichen noch unsere sozialen Probleme dauerhaft lösen. Deswegen machen wir das Entsendegesetz. Das ist aber nur eine Notlösung. Der bessere Weg ist die Harmonisierung im europäischen Rahmen; das gilt für die Umweltpolitik wie für die Sozialpolitik. Die Harmonisierung wird aber eher gefördert, wenn wir die Währungsunion zustande bringen. Wenn die Währungsunion scheitert, wird der Harmonisierungsdruck in Europa schwächer, und wir werden unsere Probleme schwerer lösen.
({3})
Deswegen werben wir so dafür, daß man begreift, daß die Währungsunion - unter der Voraussetzung, daß die Währung stabil ist; aber das ist gesichert für uns alle von Vorteil ist. Sie erst macht die wirtschaftliche Integration unumkehrbar. Sie wird den Leistungsaustausch stärken. Sie wird verhindern, daß die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb mit anderen Europäern durch ständige Wechselkurskorrekturen zusätzliche Nachteile erleidet. Das Problem ist nicht die starke D-Mark, wie Herr Scharping zu begründen beliebt hat - ich bin gottfroh, daß wir eine starke Währung haben; darauf komme ich gleich -, sondern das Problem sind die ständigen Wechselkursveränderungen, die unsere exportierende und auch importierende Wirtschaft belasten. Das alles wird durch die Europäische Währungsunion besser. Deswegen dient sie dem weiteren wirtschaftlichen Wachstum und der Beschäftigung.
Sie wird uns auch besser ermöglichen, in der Umweltpolitik in Europa gemeinsam voranzukommen. Wir können in Wahrheit kein Problem mehr national
lösen, in der Umweltpolitik schon gar nicht. Wir dürfen in einer Lage, in der die Beschäftigungssituation so angespannt ist, wie sie ist, Umweltpolitik nicht zum Gegensatz von Beschäftigung und Arbeitsmarkt werden lassen. Deswegen ist der Weg der Grünen mit nationalen Alleingängen, der Verteuerung der Energie und damit der weiteren Verschlechterung der Standortbedingungen Deutschlands ein falscher, der uns nicht mehr Umweltschutz, sondern nur weniger Arbeitsplätze bringt.
({4})
Dies alles wird besser vorankommen, wenn die europäische Einigung fortschreitet. Deswegen muß die europäische Einigung gelingen, und darum darf sie nicht so billig populistisch ausgebeutet werden, wie es Herr Schröder angefangen und Herr Scharping gleich nachgemacht hat.
({5})
Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Scharping, muß man in aller Kürze doch sagen: Wir haben schwierige Probleme, über die gesprochen werden muß. Wir sollten auch ein bißchen darum ringen, wer den besseren Weg hat. Sie haben uns aber leider nicht einmal den Hauch einer Alternative angeboten.
({6})
- Ich habe genau zugehört. Ich will Ihnen gleich Ihren Leitantrag für Ihren Parteitag vorlesen.
Es ist doch ein Zerrgemälde von der Wirklichkeit, wenn man von den gewaltigen Schulden und von dem ungeheuren Konsolidierungsdruck redet, dabei aber verschweigt, daß die Ausgaben im Haushalt 1996 niedriger sein werden als im Haushalt 1995. Das hat es in der Bundesrepublik seit 30 Jahren nicht gegeben. Der Erfolg dieser äußerst angestrengten Finanzpolitik ist doch, daß wir eine Preissteigerungsrate von 1,6 Prozent haben. Das ist doch ein Gütezeichen für die Finanzpolitik dieser Regierung.
({7})
Daß wir auch in schwierigen Zeiten ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum von fast 2,5 Prozent in diesem Jahr - und - nach allen Prognosen - voraussichtlich ebenfalls 2,5 Prozent im nächsten Jahr haben - und das bei Preisstabilität -, ist doch ein ungeheurer Erfolg.
Natürlich sind damit noch nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt gelöst. Aber wie wollen wir sie anders lösen als dadurch, daß wir zunächst darauf setzen, unsere Wirtschaft weiter zu modernisieren? Das heißt aber auch, daß man auf moderne Produkte und technologischen - wissenschaftlichen Fortschritt setzen muß.
Ich kann Ihnen dazu Beispiele nennen; das der Energiedebatte hören Sie nicht gerne. Dabei bin ich immer noch dafür, lieber Tschernobyl stillzulegen, als im nationalen Alleingang aus der Kernenergie auszusteigen.
({8})
Die Debatte über den Transrapid ist schon herzzerreißend. Jetzt haben wir ein verkehrstechnologisches System der Zukunft, und Rot-Grün setzt alles daran, den Bau dieses Systems in unserem Lande zu verhindern und jede Marktchance und jene Zukunftschance zunichte zu machen.
({9})
- Nein, das ist nicht absurd. Herr Fischer, das ist Ihr Problem: Sie halten allgemeine Reden, und sobald es konkret wird, kneifen Sie und weichen Sie aus.
({10})
Sie haben hier gesagt, Sie seien für die Technologie der Magnetschwebebahn. Aber Sie sind dagegen, sie hier zu bauen.
Bei der SPD liest sich das wunderbar. Deswegen möchte ich Ihnen das einmal vorlesen.
({11})
Herr Scharping kennt offenbar seinen eigenen Antrag nicht; denn er hat unsere Politik zum Sozialumbau diffamiert, obwohl im Antrag der SPD zum Thema Sozialumbau steht:
Ein funktionstüchtiger Sozialstaat ist die Grundlage für soziale Sicherheit und wirtschaftliche Produktivität. Der Politik des sozialen Abbaus erteilen wir eine Absage.
({12})
Ein Umbau des Sozialstaats ist aber notwendig. Ohne Reformen sind die sozialen Sicherungssysteme nicht mehr finanzierbar.
({13})
Eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten ist ein Beitrag zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen.
({14})
- Ich habe das genau vorgelesen.
({15})
Jetzt frage ich Sie: Wie wollen Sie denn gesetzliche Lohnnebenkosten senken, wenn Sie nicht bereit sind, in der Sozialhilfe und in der Arbeitslosenhilfe die Anreize zur Arbeit zu verstärken, wie wir das vorschlagen? Wie wollen Sie Lohnnebenkosten senken,
wenn Sie nicht zur Reform unseres Gesundheitswesens bereit sind? Jeden konkreten Vorschlag zur Begrenzung von Lohnnebenkosten lehnen Sie ab. Deswegen bleiben Sie bei den Überschriften.
({16})
Das können wir nahezu endlos fortsetzen.
({17})
- Frau Fuchs, ich kann nicht so laut schreien wie andere.
({18}) Deswegen lassen Sie mich das leise machen.
({19})
Jeden konkreten Vorschlag, Ausgaben zu kürzen, bekämpfen Sie. Einen eigenen haben Sie nicht gemacht. Eine Stunde haben Sie geredet, nichts haben Sie vorgeschlagen. Sie werden aber Lohnnebenkosten nicht senken, wenn Sie nicht zu Einsparungen kommen. Die Umschichtung von der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge auf die Finanzierung durch den Bundeshaushalt, die Steuerzahler, führt nicht zur Senkung, führt nicht zu Einsparungen, sondern ist lediglich ein Verschiebebahnhof. Deswegen ist das der falsche Weg. Ohne Einsparungen kommen wir um dieses Problem nicht herum.
({20})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin MatthäusMaier?
Bitte, gerne.
Herr Kollege Schäuble, es bleibt Ihnen unbenommen, unseren konkreten Vorschlag einer ökologischen Umorientierung der Steuerpolitik abzulehnen. Aber wollen Sie mir wenigstens zugestehen, daß es ein sehr konkreter Vorschlag ist, zu sagen - so steht es dort -: Wir senken die Lohnnebenkosten durch Verringerung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge um 2 Prozentpunkte um ein Drittel und finanzieren das - weil keiner in diesem Hause Geld in dieser Höhe netto auszugeben hat - durch eine maßvolle Verteuerung der Energiekosten? Dabei erinnere ich mich daran, daß Sie persönlich es waren, der in einer Zeitung gesagt hat, es sei nicht der Weisheit letzter Schluß, daß der Strom in diesem Lande durch den Wegfall des Kohlepfennigs billiger wird. Sind Sie nicht der Ansicht, daß das ein sehr konkreter Vorschlag ist, auch wenn Sie ihn vielleicht ablehnen?
({0})
Frau Matthäus-Maier, ich war gerade bei den Lohnnebenkosten und nicht beim Steuersystem.
({0})
Ich hatte gerade, bevor Sie sich zur Zwischenfrage gemeldet haben, gesagt - wenn Sie nicht immer dazwischenschreien würden, könnten Sie das auch hören -, daß ich überhaupt nichts davon halte, das Thema Lohnnebenkosten dadurch lösen zu wollen, daß man es anders finanziert. Wir müssen zu Einsparungen kommen. Wenn wir unsere zu hohe Sozialquote nicht durch Einsparungen zurückführen, werden wir scheitern.
({1})
Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen. - Ich war ja gerade bei meiner Antwort auf den Zwischenruf von Herrn Fischer. ({2})
Wenn wir auf Modernisierung setzen - ich habe den Transrapid und die Energiepolitik allgemein genannt, auch die Gentechnologie -: Wer glaubt denn, daß die chemische und die pharmazeutische Industrie in unserem Lande ohne die Gentechnologie eine Chance hat? Aber Sie vertreiben sie systematisch aus Deutschland, und zwar durch ausstiegsorientierten Vollzug. Wie weit das inzwischen geht - ({3})
- Ich will Ihnen einmal sagen, wie das bei Ihnen ist. Sie schreiben folgendes in Ihrem Antrag - danach zitiere ich ihn nicht mehr, ich verspreche es. - Doch, in einem Punkt noch immer.
({4})
Sie hören nicht gern Zitate aus Ihrem Antrag. Offenbar halten auch Sie nicht viel davon. Das ist sehr interessant.
({5})
- Passen Sie auf, Herr Scharping. Sie sind ein richtiger, mutiger Führer.
Sie schreiben unter dem Absatz „Technologische Leistungsfähigkeit" :
Wir wollen die Chancen der neuen Technologien nutzen. Mit ihnen können Krankheiten geheilt, Umweltschutz vorangebracht ... werden.
Sie vermeiden aber das Wort „Gentechnologie". Wissen Sie, was das heißt? Sie haben nicht einmal den Mut, dieses Wort in Ihren Antrag zu schreiben. Und so, glauben Sie, werden Sie die Standortbedingungen verbessern?
({6})
Der Kollege Catenhusen möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.
Nein, danke sehr, der Kollege Catenhusen war vorher unfreundlich.
Jetzt will ich Ihnen auch noch folgenden Punkt nennen: Wir beschäftigen uns alle zu Recht mit dem Vorstoß des Vorsitzenden der IG Metall. Ich finde, für den Vorsitzenden der größten Einzelgewerkschaft in Deutschland war das ein bemerkenswerter Vorstoß. Ich glaube, wir alle, die Arbeitgeber und auch die Politik, sollten positiv darauf reagieren, so wie es auch der Bundeskanzler gesagt hat.
({0})
Nur, wenn die Sozialdemokraten in ihrem Papier schreiben: „Die konservative Strategie des Lohndrucks ignoriert den Zusammenhang von Angebot und Nachfrage",
({1})
dann sind sie weit hinter Herrn Zwickel zurück, der in seinem Vorstoß genau den Zusammenhang zwischen Zurückhaltung in der Lohnpolitik und mehr Arbeitsplätzen erkannt hat.
({2})
Sie haben das immer noch nicht erkannt.
({3})
- Herr Scharping, Ihre etwas getragene Art, an den realen Zusammenhängen vorbeizureden, tut in der Tat manchmal weh, insbesondere wenn man es eine ganze Stunde lang ertragen muß. Das ist wahr.
({4})
Mich stört, daß man nicht mehr Argumente austauschen kann. Ich argumentiere. Ich sage: Wenn wir nicht auf die Modernisierung unserer Wirtschaft setzen, wenn wir nicht darauf setzen, mit modernsten Produkten bei unseren höheren Kosten auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, haben wir keine Chance, unseren Wohlstand und die Grundlagen unserer sozialen Sicherheit zu erhalten, und werden wir weniger anstatt mehr Arbeitsplätze haben.
({5})
Wenn wir nicht billiger oder wenigstens nicht teurer im Abstand zu anderen werden, insbesondere in den Lohn- und Lohnzusatzkosten - genau deswegen ist das Wort „Lohndruck" so töricht -, dann werden noch mehr Arbeitsplätze abwandern. Wenn wir durch nationale Alleingänge die Energie im Vergleich zu unseren Mitbewerbern weiter verteuern, dann werden wir noch mehr Arbeitsplätze verlieren. Das alles dürfen wir nicht machen. Wir müssen vielmehr darauf setzen, daß wir konkurrenzfähig bleiben
und daß wir dort, wo wir zu teuer sind, wieder billiger werden. Wir müssen auch flexibler und schlanker werden. Wir müssen ferner bereit sein, ein Stück weit unsere bürokratischen Prozesse abzubauen, die zu kompliziert gewesen sind.
({6})
- Entschuldigung, wir sind ein Bundesstaat, und nach dem Grundgesetz ist die Ausführung der Bundesgesetze Sache der Bundesländer.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an die Bundesländer zu appellieren,
({7})
von dem Prinzip des ausstiegsorientierten Vollzuges der Bundesgesetze endlich Abstand zu nehmen, weil das vielleicht die größte Gefahr und der größte Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist.
({8})
Unsere Gesetze sind weiß Gott schon kompliziert genug. Was aber in den Verwaltungen der Länder daraus gemacht wird, ist noch viel schlimmer.
Deswegen sollten wir wirklich eine gemeinsame Anstrengung dagegen unternehmen, und das vor allem in einer Zeit, in der bei den Gewerkschaften viel Bewegung, jedenfalls in Ansätzen, zu erkennen ist. Ich nenne nur die Baugewerkschaft und ihre Haltung beim Schlechtwettergeld gegen Ihre Diffamierung, die IG Metall und die IG Chemie. Reden Sie doch einmal mit der Chemiegewerkschaft, was sie von Ihren energiepolitischen Vorschlägen hält: überhaupt nichts. Sie sind gegen die Arbeitsplätze und gegen die Zukunftschancen der Menschen, die in der chemischen Industrie Arbeit und Brot finden, und gegen die Zukunftschancen unseres Landes.
({9})
Wir müssen diese Chancen und die Bereitschaft nutzen, auch überlieferte und überkommene Besitzstände zu überprüfen. Das wird in jedem Einzelfall auf Widerstände stoßen. Wer macht sich denn lustig über die Debatte zum Ladenschluß? Daß das für die betroffenen Menschen keine einfache Entscheidung ist, ist doch in Ordnung. Deswegen muß man mit ihnen darüber reden. Am Schluß muß man auch zu Entscheidungen kommen. Wir werden zu den Entscheidungen kommen; nur von Herrn Scharping habe ich kein Wort gehört. Ist er nun dafür oder dagegen? Er kritisiert es immer nur.
({10})
- Nein, überhaupt nicht. Das ist doch nicht wahr. Wir haben in der Koalition eine klare Absprache. Wir diskutieren in meiner Fraktion. Das zeigt, daß wir die Sorgen und Befürchtungen der betroffenen Menschen, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ernst nehmen. Wir werden zu den notwendigen Entscheidungen kommen. Nur, wir tun uns schwer in einer
Zeit, in der uns der Bundesrat mit seiner SPD-Mehrheit bei jedem konkreten Einsparvorschlag, der seiner Zustimmung bedarf, die Sache schwermacht.
({11})
Mir ist das Lachen längst vergangen, wenn ich den Herrn Scharping reden höre, die Bundesregierung müsse den Mittelstand mit genügend Eigenkapital ausstatten. Im übrigen ist mein Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft nicht, daß die Regierung verteilt. Nicht einmal der Finanzminister kann die Betriebe mit Eigenkapital ausstatten.
Aber daß Sie noch immer die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer blockieren, ist wirklich ein Schaden für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in unserem Lande.
({12})
Daß Sie noch immer den Gemeinden einen Zugang zu der langfristig stetigen, ständig wachsenden Finanzquelle der Mehrwertsteuer verschließen, indem Sie die Grundgesetzänderung verweigern, ist auch für die kommunale Selbstverwaltung der schlechtere Weg.
({13})
Daß Sie im übrigen den Gemeinden die dringend notwendigen Einsparungen durch die Reform der Sozialhilfe und durch die Veränderungen im Asylbewerberleistungsgesetz verweigern wollen, ist wiederum ein Beitrag dafür, daß Sie die kommunale Selbstverwaltung schwächen und nicht stärken. Das alles schadet unserem Land.
Wir sind in unserem Land - was der Haushalt 1996 ausdrückt - in einer guten Lage. Ich sage noch einmal: Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum von real 2,5 Prozent bei vollständiger Preisstabilität; auf dem Weg zur europäischen Einigung mit Chancen, wie wir sie vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht für denkbar gehalten hätten; eine Bundesregierung und einen Bundeskanzler, einen Finanz- und einen Außenminister, die in Europa und weltweit als Hort und Anker von Stabilität und Vertrauen angesehen werden, das alles sind hervorragende Zukunftschancen für unser Land, ein Land, das in Europa und weltweit an der Spitze in den Bemühungen zur Erhaltung der Umwelt steht, ein Land, das noch immer an der Spitze auch des technischen Fortschritts steht.
Wir haben keinen Grund zur Resignation. Wir haben nur Grund, unsere Kräfte und unseren Mut zusammenzunehmen, um angesichts vieler Widerstände gegen notwendige Veränderungen die erforderlichen Anpassungen an die Zukunft durchzusetzen. Das, Herr Kollege Fischer, ist der Weg in das 21. Jahrhundert, nicht Steuererhöhungen, bei denen Sie immer gleich landen, oder McDonalds. Wenn es um den Weg in das 21. Jahrhundert geht, meine Damen und Herren, dann ist die entscheidende Frage, ob wir die Kraft, den Mut und die Fähigkeit bewahren, die notwendigen Veränderungen rechtzeitig durchzusetzen.
({14})
- Herr Kollege Fischer, Sie waren gerade einen Moment draußen, das ist in Ordnung. Ich habe es gerade gesagt: In einer Zeit, in der wir teurer sind als andere - ich muß es wiederholen -, können wir nicht durch nationale Alleingänge den Standort Deutschland weiter belasten.
({15})
Wenn wir den Umweltschutz in einen Gegensatz zu Arbeitsplätzen bringen, dienen wir der Umwelt nicht und den Arbeitsplätzen auch nicht.
({16}): Aufkommensneutral!)
- Nein, aufkommensneutral funktioniert auch nicht. Herr Präsident, ich muß noch zwei Minuten länger reden, um das auch noch zu erklären. Frau MatthäusMaier, aufkommensneutral ist theoretisch, aber praktisch funktioniert es nicht. Denn die Menschen empfinden heute eine Steuererhöhung, sagen wir: um 1 DM als zehnmal so stark wie eine Steuersenkung um 1 DM.
({17})
- Jetzt lassen Sie mich das doch einmal erklären! Herr Kollege Scharping, ich wollte meine Position bezüglich des Einwands von Frau Matthäus-Maier und ebenfalls bezüglich des Einwands von Herrn Fischer erläutern. Wir können auch übereinander herschreien.
Ich sage noch einmal: Ein aufkommensneutraler Umbau des Steuersystems wird in der psychologischen Wahrnehmung der Menschen nicht aufkommensneutral sein, weil Steuererhöhungen bei der derzeit zu hohen Belastung mit Steuern und Abgaben stärker wahrgenommen werden als Steuersenkungen. Deswegen funktioniert das theoretisch denkbare Modell des aufkommensneutralen Umbaus praktisch nicht. Das wird dazu führen, daß die Investitionsbereitschaft weiter abnimmt und die Abwanderungsbereitschaft weiter zunimmt. Deswegen können wir nicht aufkommensneutral umbauen, und deswegen können wir nicht die Energie durch nationale Alleingänge verteuern.
({18})
Wir müssen statt dessen die Belastungen senken. Das ist der Weg, um Arbeitsplätze zu erhalten.
({19})
Deswegen, Herr Kollege Scharping, können wir im Umweltschutz wie in der sozialen Sicherung weitere substantielle Fortschritte nur in europaweiter Harmonisierung erreichen. Auch aus diesem Grunde sind weitere Fortschritte in der europäischen Politik
so existentiell notwendig für unser Land und unsere wirtschaftlichen Zukunftschancen. Weil es dagegen so viele Widerstände gibt, ist es unverantwortlich, hier Ängste zu schüren. Wer Ängste schürt, stärkt die notwendige Veränderungsbereitschaft nicht. Wir setzen auf Zukunft, und wir haben den Mut, die notwendigen Entscheidungen auch durchzusetzen.
({20})
Frau Kollegin Angelika Beer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, Sie haben eben sehr viel von Einsparungen und Notwendigkeiten gesprochen, von Belastungen, die zu senken sind. Es gibt konkrete Finanzierungsvorschläge meiner Fraktion zu dem Einzelbereich, wo diese Senkungen auch politisch dringend notwendig sind. Das ist der Einzelplan 14. Darauf möchte ich gleich eingehen.
Ihr Haushalt, Herr Waigel, ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Sie wursteln sich auf Kosten der Schwachen und der Ärmsten unseres Landes durch, statt den einzelnen sozial- und umweltverträglichen Einsparungen, nämlich den Streichungen von Wahnsinnsprojekten wie dem Jäger 90, dem Eurofighter, der weiteren Minenproduktion und vielem mehr, endlich das grüne Licht zu geben.
Daß dazu auch ein Wechsel im politischen Denken notwendig ist,
({0})
zeigt die Debatte seit gestern, wenn wir beobachten müssen, wie demokratiefähig unsere Militärpolitiker und -politikerinnen eigentlich sind. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist eigentlich eine demokratische Selbstverständlichkeit. Aber es läßt den Adrenalinspiegel des konservativen Teils der Republik in die Höhe schnellen. Auffallend ist die Diskrepanz zu den Jubelveranstaltungen anläßlich des 40jährigen Bestehens der Bundeswehr.
Ich muß sagen: Es stimmt bedenklich, wenn ein Bundesverteidigungsminister, der einer Armee, einer demokratischen Bundeswehr, vorsteht, sich zum zweitenmal als unfähig erweist und ein grunddemokratisches Urteil für die Meinungsfreiheit wieder bewußt politisch falsch interpretiert und Stimmung macht, Stimmung nicht zuletzt auch gegen die eigenen Soldaten.
({1})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik ist geprägt von einer Kultur der Zurückhaltung, die nicht nur in der alten Bundesrepublik vorherrschte, sondern auch jetzt im vereinten Deutschland gegenwärtig und bestimmend ist. Die Freunde des Militärs reagieren überempfindlich, wenn nicht alles für Gold gehalten wird, wenn der Helm und die Gewehrläufe nur glänzen.
Die Bundeswehrführung befürchtet, daß sie nicht genügend Soldaten bekommt. Die Verweigererzahlen nehmen weiter zu. Ich freue mich darüber, und ich finde es ausgesprochen beruhigend, daß immer mehr Menschen, die sich nicht bereit erklären, mit einer Waffe möglicherweise einen Krieg zu führen, diesem Staat ihre klare Absage erteilen.
({2})
Für die Bundesregierung ist dies natürlich ein Problem. Das wissen wir, und das ist heute deutlich geworden. Seit Jahren bemühen Sie sich, der Bevölkerung Bundeswehreinsätze außerhalb des Einsatzgebietes schmackhaft zu machen. Seit Jahren spielen Sie vor, Soldaten seien weltweit im Auftrage der humanitären Hilfe unterwegs. In Wirklichkeit geht es aber um nationale Interessen der Eliten dieser Republik und um eine globale Odnungspolitik im Interesse der reichen Staaten des Nordens, um eine Art OECD-Polizei. Sie versuchen natürlich, das einer mißtrauischen Bevölkerung noch mit schönen Formulierungen zu verkaufen, es zu verschleiern.
Der Preis für die Umrüstung der Bundeswehr in eine Krisenreaktionsarmee beträgt rund 50 Milliarden DM. Sie streichen das Geld für die sozial Schwachen, Sie streichen Wirtschaftshilfeprogramme zusammen. Diese Umrüstung der Bundeswehr auf Krisenreaktion ist die wohl größte Fehlentscheidung der Bundesregierung. Sie geht zu Lasten einer Umsteuerung für den Erhalt unserer Umwelt.
Die Umbenennung des besonders unsinnigen Programms Eurofighter 2000 - es ist umbenannt worden, weil man es noch irgendwie vernünftig europäisch verkaufen wollte - hat das gewünschte Ziel nicht erreicht. Der Bundesrechnungshof kommt nicht umhin, immer wieder auf die Verschwendung und Ineffizienz hinzuweisen. Der Bundeshaushalt ist allein durch dieses Wahnsinnsprojekt mit 9 Milliarden DM belastet. Wenn es tatsächlich zu der Beschaffung von 140 Stück kommen sollte, dann kostet das 21 Milliarden DM, die Hälfte des diesjährigen Verteidigungshaushalts. Diese Haushaltspolitik ist die Ursache dafür, daß im sozialen und im ökologischen Bereich nur noch geflickschustert wird. Unsere Gesellschaft hat die Lasten zu tragen.
Herr Kinkel, Sie können viel von Kambodscha erzählen und von der Erkenntnis, daß man Minen beseitigen muß. Erhöhen Sie die Mittel für die Räumung auf mehr als diese 13 Millionen DM, aber streichen Sie vor allem die 230 Millionen DM für die Weiterentwicklung von Minen! Das ist doch die Ursache für die weltweiten Todesopfer heute.
({3})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Anteil der militärischen Beschaffung soll immer weiter angehoben werden, nach Willen der SPD sogar um
35 Prozent. Ich kann Ihnen nur sagen: Vollziehen Sie eine Wende, und stimmen Sie in der namentlichen Abstimmung heute unserem Antrag zu! Streichen Sie alle Mittel für den Eurofighter, für die Krisenreaktionskräfte, und entsprechen Sie dem Anliegen vieler Petenten, die sich an alle Mitglieder des Bundestages gewandt haben mit dem Ziel, den Bau des Eurofighters nicht weiter zu verfolgen! Er ist militärisch, volkswirtschaftlich, arbeitswirtschaftlich ein Wahnsinnsprojekt, auch für Herrn Schröder. Stimmen Sie in der namentlichen Abstimmung unserem Antrag zu! Begraben wir dieses Projekt! Es diente wahrscheinlich noch der Unterstützung der Bundesregierung, jetzt endgültig die Bremse zu ziehen.
Wir dürfen die Kultur der militärischen Zurückhaltung nicht nur im Wort führen, sondern müssen sie finanzpolitisch dokumentieren. Runter mit den Mitteln des Einzelplans 14! Wir brauchen sie für die Aufgaben, die wir alle ernst nehmen müssen und die nur aus diesem Haushalt gewonnen werden können.
({4})
Frau Kollegin Ina Albowitz, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Fischer aus Frankfurt - er will gerade gehen, aber er hört sogar noch zu - hat heute morgen versucht, uns klarzumachen, daß wir über die wichtigen Dinge der Politik reden wollen. Ich verstehe ja, daß Sie Hunger haben - habe ich ja auch -, aber vielleicht sollten Sie doch noch zuhören.
({0})
- Ja, er könnte es fast vertragen, auf das Essen zu verzichten.
Angesichts dessen, was Sie heute morgen zu den Goethe-Instituten gesagt haben, glaube ich, daß Sie nicht wissen, wovon Sie reden.
({1})
- Ich will Ihnen trotzdem nachhelfen, damit auch die anderen wissen, wovon wir reden. Wir reden von 113 Auslandsschulen, von 1 500 Lehrern, die an ausländischen Schulen unterrichten, von 70 000 Schülern, die zur Zeit Deutschunterricht erhalten - ich glaube, das sind mehr Schüler, als Ihre Partei Mitglieder hat -, und von ganz vielen Menschen, die über die Goethe-Institute und die Mittlerorganisationen Botschafter Deutschlands im Ausland sind. Das haben Sie als „nicht wichtig" in der deutschen Politik bezeichnet.
Frau Kollegin Albowitz, der Kollege Fischer würde Sie gerne etwas fragen.
Das darf er.
({0})
Frau Kollegin Albowitz, ich bin immer der Meinung, daß man sich dann streiten soll, wenn es wirklich etwas zu streiten gibt. Aber würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß dies keine Herabsetzung der hervorragenden Arbeit der Goethe-Institute oder gar der deutschen Auslandsschulen ist, sondern daß ich im Gegenteil jedesmal, wenn ich im Ausland bin, versuche, in Goethe-Instituten Vorträge zu halten, Diskussionen zu veranstalten und auch die deutschen Auslandsschulen zu besuchen? In dieser Frage brauchen wir uns nicht zu streiten.
Lieber Herr Kollege Fischer, ich danke Ihnen sehr herzlich, daß Sie das so deutlich hier bestätigt haben, denn das tut der Auslandsarbeit gut, es tut der auswärtigen Kulturpolitik gut und den Goethe-Instituten auch. Insoweit sind wir uns dann wieder einig. Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, zur Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik etwas zu sagen. Sie hat die wichtige Aufgabe, die politischen Ziele unserer Außenpolitik mitzutragen und flankierend zu unterstützen. Es geht vor allem um die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, die Auslandsschulen, die Stipendienprogramme, die Forschungs- und Wissenschaftsförderung, die Medien.
Zusammengefaßt: Es geht um das Bild Deutschlands im Ausland, es geht um Friedenspolitik, und es geht um Völkerverständigung.
({1})
Nun kollidiert unbestritten die große Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik immer wieder mit den Finanzproblemen und den häufig überzogenen Wünschen aller Beteiligten. Deshalb sind effektive Schwerpunktbildungen erforderlich.
Als Berichterstatterin für den Einzelplan des Auswärtigen Amtes und als kulturpolitische Sprecherin der F.D.P.-Bundestagsfraktion freut es mich natürlich ganz besonders, daß die Koalition in der Bereinigungssitzung den Etat für die auswärtige Kulturpolitik um 15 Millionen DM aufgestockt hat.
({2})
Angesichts der Einsparungen in anderen Bereichen ist das mehr als ein erfreuliches Ergebnis, und wir scheuen uns auch nicht, dies laut zu sagen.
Dies bedeutet jedoch nicht, meine Damen und Herren, daß wir nun ein flächendeckendes Gießkannenverfahren einleiten. Es kann auch nicht erstauIna Albowitz
nen, daß nicht alles Wünschenswerte machbar ist. Allerdings meinen manche der selbsternannten Kulturgurus, die sich in der letzten Zeit über die Medien geäußert haben, nur mit Geld könne man gute auswärtige Kulturpolitik machen.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und den Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa haben sich neue Herausforderungen, neue Schwerpunkte ergeben. Insbesondere die Förderung der deutschen Sprache im Ausland sowie die zur Sympathiebildung beitragende Vermittlung kultureller Werte haben große Bedeutung für das Zusammenwachsen Europas.
Gerade in den Ländern Mittel- und Osteuropas dient die auswärtige Kulturpolitik den Menschen als ausgestreckte Hand zur Annäherung an die westeuropäische Kultur. Unsere Kulturpolitik ist föderalistisch und demokratisch, pluralistisch und liberal organisiert und wirbt durch Information und Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes für unser Land.
Soll diese Arbeit effizient sein, so ist es selbstverständlich, daß die Mittlerorganisationen eng eingebunden werden müssen. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß gerade bei den Mittlerorganisationen die organisatorische Effizienz im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen muß.
({3})
Wir haben 118 deutsche Auslandsschulen, die von etwa 70 000 Menschen in der ganzen Welt besucht werden. 1 500 entsandte Lehrer aus Deutschland werden dort beschäftigt und tragen das Bild als Botschafter Deutschlands in die Welt hinaus.
({4})
Diese Arbeit muß allerdings - das sollten wir hier auch deutlich sagen - besser koordiniert werden.
In kurzer Zeit, meine Kolleginnen und Kollegen, sind in 13 der wichtigsten Städte Mittel- und Osteuropas neue Goethe-Institute eröffnet worden; weitere sind ins Auge gefaßt. Von den zusätzlich eingestellten Mitteln erhält das Goethe-Institut 3 Millionen DM zur Finanzierung neuer Aufgaben. Ich halte daher Klagelieder des Instituts nicht für angemessen. Im übrigen gibt das Goethe-Institut zuviel Geld für Betriebskosten und zuwenig für die Programmarbeit aus. Das muß sich ändern, damit das Schwergewicht wieder auf dem letzteren liegt.
Meine Damen und Herren, für die deutsche auswärtige Kulturpolitik gibt der Bund alleine 3,5 Milliarden DM aus. Ich glaube, es ist ein wichtiger Bereich unserer Politik insgesamt.
Das Deutsch-Polnische Jugendwerk hat seine Arbeit erfolgreich aufgenommen. Die Hochschul- und Wissenschaftleraustauschprogramme laufen auf vollen Touren. Dies alles geschieht nicht umsonst. Der Bund, der seine Mittel effizienter einsetzen muß, setzt darum auf straffe Organisation, auf Neuorganisation in vielen Bereichen. Wir müssen darauf achten, daß dieser Mitteleinsatz gestrafft und zielgenau erfolgt. Flexibilität und Eigenverantwortung sind von allen Beteiligten gefordert.
Der Modellversuch „Flexible Budgetierung" kann, wenn alle Beteiligten es wollen, für 1997 auf das Goethe-Institut als hundertprozentigem Zuwendungsempfänger übertragen werden. Ich bin ziemlich sicher, daß das die Motivation der vielen tausend Mitarbeiter dieser Institute erheblich stärken würde.
({5})
In der Gesamtbetrachtung kann die auswärtige Politik eine Bilanz ziehen, die sich sehen lassen kann. Daß zur Finanzierung vieler Wünsche manches offenbleiben muß, liegt in der Natur der Sache. Aber sowohl der Bundesminister als auch die Berichterstatter der Koalition haben sich immer wieder für entsprechende Prioritäten eingesetzt und diese letztlich auch verwirklichen können. Darauf sind wir stolz.
Gerade meine Partei, die F.D.P., die als Partei und als Fraktion für die offene und liberale Bürgergesellschaft steht, betrachtet die Kultur im innerstaatlichen und auswärtigen Bereich als elementar für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
({6})
- Es mag sein, Herr Gysi, daß Ihnen das nicht gefällt, daß Sie da noch Lernprozesse durchlaufen müssen. Aber Sie haben in den kommenden Jahren noch Zeit zu üben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, weil heute morgen schon im ersten Teil der Debatte seitens der Grünen, der PDS und auch der SPD von den MEKO-Fregatten die Rede war, noch zwei Bemerkungen machen. Wir haben in diesem Frühjahr auf Veranlassung der Koalition den Etat, der 150 Millionen DM als Finanzierungshilfe von zwei MEKO-Fregatten vorsieht, gesperrt. Der Grund für die Sperre war seinerzeit die Intervention der türkischen Armee auf nordirakischem Gebiet. Der Grund ist weggefallen. Damit muß auch die Sperre wegfallen.
Ich glaube, der Minister hat hier heute morgen sehr deutlich gesagt: Noch nicht alles, was in der Türkei, unserem NATO-Partner, abläuft, ist so, wie wir uns das vorstellen. Ich meine aber, wir können nicht ständig kritisieren und den Dingen den Boden entziehen, die in einem Demokratisierungsprozeß ablaufen. Dazu gehören eben auch MEKO-Fregatten. Deswegen hat die Koalition - auch mit meiner Zustimmung - die Sperre aufgehoben.
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch im Namen meiner AbgeordDr. Gregor Gysi
netengruppe will ich etwas zu dem entsetzlichen Attentat in Israel sagen. Wir bringen vor allem unsere Hoffnung zum Ausdruck, daß sich jene Kräfte im palästinensischen und im israelischen Volk, die diesen Friedensprozeß voranbringen wollen, durch das Attentat nicht einschüchtern lassen, sondern - ganz im Gegenteil - noch zulegen. Die Mörder müssen eine Niederlage erleiden, indem der Frieden im Nahen Osten endlich Wirklichkeit wird. Das ist unser tiefer Wunsch.
({0})
Wenn man über die Außenpolitik der Bundesregierung spricht, dann muß man natürlich feststellen, daß es veränderte Schwerpunktsetzungen gibt. Es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen.
Mir ist aufgefallen, daß in der ganzen langen Debatte, in der es übrigens auch um den Etat des Bundeskanzlers geht, der schon nicht mehr teilnimmt, obwohl es um seinen eigenen Etat geht - das hängt vielleicht mit den Buddha-Vergleichen zusammen; darauf möchte ich noch zurückkommen -, nicht ein einziges Mal über die UNO gesprochen worden ist. Es ist sehr viel über die Europäische Union gesprochen worden - sicherlich zu Recht -, aber kein einziges Wort über die UNO. Ich warne vor dieser Art von Eurozentrismus.
Eine ganz wesentliche Aufgabe wird darin bestehen, die UNO zu stärken, und zwar nicht dadurch, daß Deutschland Großmacht wird, und nicht dadurch, daß Deutschland ein Vetorecht erhält, sondern dadurch, daß wir die UNO demokratisieren, zum Spiegelbild der Weltbevölkerung machen und Vetorechte abschaffen.
({1})
- Ich weiß, daß wir vor zwei Wochen eine Debatte dazu hatten. Wir hatten auch eine über die Europäische Union. Trotzdem ist heute über sie gesprochen worden. Es fällt schon auf, daß dieses Thema einmal besprochen wird; danach ist es wieder erledigt.
({2})
Es stört Sie immer, wenn man über die Militarisierung der Außenpolitik spricht. Diese Militarisierung macht mir ganz große Sorgen. Sie nimmt zu: Zu nennen sind nicht nur das Säbelgerassel beim Großen Zapfenstreich, nicht nur die Tatsache, daß heute der internationale Einsatz der Bundeswehr wie eine Selbstverständlichkeit klingt, nicht nur die Teilnahme an Kriegen, obwohl wir doch seit Jahrtausenden wissen, daß mit Kriegen Probleme in diesen Gesellschaften nicht gelöst werden, sondern auch folgendes Beispiel. 16 Milliarden DM hat die Bundesrepublik Deutschland für den Golfkrieg zur Verfügung gestellt. Jetzt, da die Wahrheit über diesen Krieg langsam herauskommt, da bekannt wird, daß Zehntausende Kinder und Erwachsene verseucht und vergiftet wurden, schauen Sie sich einmal an, was wir dort an humanitärer Hilfe leisten: Fast nichts. Ein Staat, der 16 Milliarden DM für Krieg ausgibt und fast nichts für humanitäre Hilfe, muß sich sagen lassen, daß seine Außenpolitik in jeder Hinsicht militarisiert worden ist. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung.
({3})
Wir haben die Diskussion über die Europäische Union und damit auch die Diskussion über die Währungsunion. Ich erinnere daran, daß die PDS-Bundestagsgruppe den Vertrag von Maastricht abgelehnt hat und für einen Volksentscheid eintrat und daß alle anderen Fraktionen dem Vertrag von Maastricht zugestimmt haben, auch die Fraktion der SPD, und gegen einen Volksentscheid waren.
({4})
Wenn Sie zum Vertrag von Maastricht ja gesagt haben, ist es jetzt nicht sonderlich redlich, die Währungsunion in Frage zu stellen, die Bestandteil dieses Vertrags gewesen ist.
({5})
Ich sage noch etwas: Wir haben bei der Diskussion über die europäische Währungsunion eines kritisiert, indem wir gesagt haben: Wir sind nicht Gegner der europäischen Währungsunion - sie muß kommen -, aber sie muß am Ende einer Entwicklung stehen, in der es vorher ökonomische, ökologische und soziale Angleichungen gegeben hat.
Wenn es diese Entwicklung nicht vorher gibt, sondern am Beginn einer Währungsunion steht, dann heißt das, diese Angleichungen werden erzwungen. Wozu das führt, haben wir in der DDR bei der Währungsunion erlebt. Deshalb warnen wir davor, die niedrigsten sozialen und ökologischen Standards zum Maßstab zu machen, indem man eine Angleichung erzwingt, statt hohe Standards durchzusetzen und erst als Schlußpunkt die Währungsunion einzuführen.
({6})
Es ist ein wenig gefährlich, wenn man einzelne Äußerungen von SPD-Politikern betrachtet - nicht die heutigen hier im Plenum, aber einige, die draußen zu hören waren -, bei denen plötzlich das nationale Element mitklingt. Davor - hier muß ich ausnahmsweise einmal der anderen Seite des Hauses recht geben - warne ich. Wir dürfen diese Diskussion nicht auf nationalistischer Ebene führen. Das wird kreuzgefährlich, davon haben ganz andere etwas, nämlich die, die von solchen Ängsten leben, die sie schüren und versuchen, sie für ihre Politik zu nutzen.
({7})
Was die innere Situation unserer Gesellschaft betrifft, so sage ich Ihnen, macht mir die Art der Ausgrenzung von immer größer werdenden Gruppen ganz beachtliche Sorge. Das betrifft eine Vielzahl von Menschen, die heute überhaupt nirgendwo mehr organisiert sind. Sie sind nicht in den Parteien organisiert, sie sind auch nicht in den Gewerkschaften organisiert, sie sind nicht in Verbänden, natürlich auch nicht in den Arbeitgeberverbänden, nicht einDr. Gregor Gysi
mal mehr in Vereinen organisiert. Zum großen Teil sind sie nicht einmal Mitglied der Kirchen.
Es sind Menschen, die von dieser Gesellschaft vollständig ausgegrenzt sind. Das betrifft nicht nur Arbeitslose, das betrifft nicht nur Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger, sondern das betrifft zunehmend Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und solche, die nur hin und wieder im Jahr ein Arbeitsverhältnis haben, das heißt, die eine Zeitspanne sozialer Sicherheit und dann wieder viele Monate sozialer Verunsicherung erleben. Das betrifft Menschen, die sich von Existenzkampf zu Existenzkampf durchrangeln und für die dabei jegliche soziale Sicherheit, jegliche Organisierung in dieser Gesellschaft immer absurder wird.
Sie fühlen sich nicht mehr durch uns vertreten, sie fühlen sich nicht mehr durch andere Organisationen vertreten, sie machen in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr mit. Das ist deshalb verheerend, weil es den Tag geben wird - leider; zumindest ist das zu befürchten -, an dem von ganz rechts außen die Sorgen dieser Menschen populistisch genutzt werden, um diese Gesellschaft in einem Sinne zu verändern, wie wir das alle nicht wollen.
Deshalb sage ich: Es ist eine ganz entscheidende gesellschaftspolitische Aufgabe, die Millionen Ausgegrenzten in dieser Gesellschaft wieder in politische, soziale, ökonomische und kulturelle Entscheidungen einzubeziehen.
({8})
Diesbezüglich leistet die Bundesregierung fast nichts. Das zerstört auch Chancen für die Jugend und damit für die Zukunft.
Es ist über den Umgang mit Flüchtlingen und Ausländerinnen und Ausländern nur ganz kurz gesprochen worden. Herr Seiters hat zum Beispiel die Flughafenregelung ausdrücklich verteidigt. Ich glaube, daß die Flughafenregelung eine der inhumansten Regelungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Sie sollte so schnell wie möglich überwunden werden. Am Umgang mit den Schwächsten in einer Gesellschaft zeigt sich der Grad der Humanität, nicht am Umgang mit anderen.
({9})
Es war bereits vom Wahlrecht die Rede. Ich sage Ihnen dazu eines: Daß uns die F.D.P. Ratschläge geben will, was wir üben sollen, wundert mich schon. Frau Albowitz, Sie könnten auch einen Moment zuhören. Sie hatten in Berlin sehr viel Zeit zum Üben; inzwischen haben Sie diese Möglichkeit in Berlin verloren.
Die F.D.P. möchte ich eines fragen: Was sind denn die liberalen Positionen dieser Partei, die in der Politik dieser Bundesregierung noch eine Rolle spielen? Wo bleibt denn ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht? Wo bleibt denn ein republikanisches Wahlrecht, das Ausländerinnen und Ausländern, die fünf Jahre oder länger ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, endlich das aktive und passive Wahlrecht einräumt? Nichts dergleichen können Sie in dieser Koalition durchsetzen, wenn Sie es denn wirklich wollen, was man inzwischen schon bezweifeln kann.
({10})
Wissen Sie, was ich auch eine Unverschämtheit finde? Da reist ein Deutscher, der seit 20 Jahren in Argentinien lebt, drei Monate vor der Bundestagswahl an, wählt hier den Kanzler, dampft danach wieder ab, und ich muß mich hier vier Jahre lang mit dem Kanzler herumschlagen. Nein, ich möchte, daß die Leute ihr Wahlrecht dort haben, wo sie leben. Das heißt, derjenige soll in Argentinien leben und dort seine Regierung und sein Parlament wählen.
({11})
Das nenne ich ein republikanisches Wahlrecht, das wir dringend benötigen.
({12})
- Was haben Sie denn daran auszusetzen? Geben Sie doch einmal eine logische Begründung, weshalb Sie den Ausländerinnen und Ausländern, die seit Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, ein so selbstverständliches Recht wie das Wahlrecht vorenthalten! Es gibt dafür nur inhumane oder rassistische Begründungen; das sage ich Ihnen ganz offen.
({13})
Wenn wir über Wirtschafts- und Sozialpolitik reden, dann tun Sie immer so, als ob es gar keine Alternativen zur gegenwärtigen Politik gibt. Seit Jahren steigen die Zahlen der Arbeitslosen, seit Jahren erklären Sie, daß das auch für Sie ein unerträglicher Zustand ist. - Ich freue mich, daß bei der Beratung des Etats des Bundeskanzleramtes der Bundeskanzler wieder erschienen ist.
(
Fünf Minuten aus dem Saal!)
- Ich freue mich einfach. Ich darf doch meine Freude zum Ausdruck bringen, Herr Bundeskanzler. Ich vergleiche Sie auch nicht mit Buddha wie die anderen, weil ich das für Gotteslästerung halte. So etwas mache ich nicht.
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Ich will auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückkommen. Wir müssen Wirtschaft endlich als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck begreifen. Wir müssen endlich zu einer sozialen Grundsicherung kommen, um Ängste zu nehmen und um die Zerstörungen, von denen ich gesprochen habe, zu beseitigen, so daß jedem und jeder wenigstens das Existenzminimum zu jeder Zeit gesichert ist und nicht darum gebangt werden muß. Es ist eben eine Tatsache, daß in unserer Gesellschaft Armut zunimmt, und zwar im Westen zum Teil schneller als im Osten; allerdings nimmt auch der Reichtum gewaltig zu, der jedoch im Westen.
Die sozialen Unterschiede wachsen. Sie rechtfertigen diese sozialen Unterschiede mit angeblichen Leistungsunterschieden und ähnlichem, obwohl Sie genau wissen, daß das nicht stimmt. Es ist in WirklichDr. Gregor Gysi
keit das Ergebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Wer Massenarbeitslosigkeit bekämpfen will, der muß grundsätzliche Reformen der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik einleiten. Es kann einfach nicht so weitergehen, daß jede spekulative Finanztätigkeit in der Bundesrepublik steuerlich begünstigt bleibt und jede aktive Wirtschaftstätigkeit, die Arbeitsplätze sichert oder schafft, steuerlich bestraft wird.
Wissen Sie, wer inzwischen die Bundesrepublik Deutschland allein bezahlt? Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die großen Konzerne und die Banken haben sich aus der Finanzierung der Bundesrepublik Deutschland längst verabschiedet. Die, die zahlen, werden aber noch permanent bestraft.
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Die zu verteilenden Mittel im Haushalt sind doch nur deshalb so knapp, weil sich diese Bundesregierung weigert, das Geld dort einzunehmen, wo es lagert. Sie sparen bei den Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfängern, bei den Arbeitslosen, bei den alleinerziehenden Müttern, bei Obdachlosen, im Kultur- und Bildungsbereich, also in all den Bereichen, in denen es um sozial Schwache oder um Zukunft oder Jugend geht. Aber es wäre nicht nur sozial gerechter, sondern auch viel einträglicher, wenn Sie sich endlich entschließen könnten, das frei vagabundierende Kapital von rund 750 Milliarden DM anzugreifen. Es wäre sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, wenn Sie die spekulativen Geldgeschäfte an Börsen und Banken wesentlich höher besteuern würden.
Es wäre sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, wenn Sie endlich dafür sorgen würden, daß die Unternehmen mit hohen Gewinnen und wenig Beschäftigten mehr in die Versicherungssysteme einzahlen müssen und jene mit hohen Beschäftigungszahlen endlich entlastet werden. Das ist etwas, wie man Lohnnebenkosten reformieren kann. Orientieren Sie die Einzahlungen der Unternehmen in die Versicherungssysteme doch nach Umsatz und Gewinn und genau nicht nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe des Bruttolohns! Das wäre eine Maßnahme für und nicht gegen Arbeit, so wie es gegenwärtig aussieht. Wer hindert denn die Bundesregierung daran, solche Reformen durchzuführen?
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- Das ist sehr richtig.
Es wäre auch sozial gerechter, arbeitsplatzschaffender und einträglicher, endlich eine ökologische Steuerreform durchzuführen. Das gleiche gilt für den Umstand, daß man hohe Erbschaften und hohe Vermögen natürlich anders besteuern und die wirklich Besserverdienenden zu einer Mehrabgabe heranziehen muß.
Und dann wundern Sie sich, daß sich die Bevölkerung in einer Zeit, in der Sie Sozialabbau betreiben und bei allem von Kürzungen reden, aufregt, wenn sich die Bundestagsabgeordneten selber phantastisch höhere Diäten zubilligen wollen. Das ist ein moralischer Widerspruch, der Ihnen nicht verziehen wird und, wie ich finde, zu Recht nicht verziehen wird.
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Nicht die zu hohen Löhne sind das Problem in der Bundesrepublik, sondern die zu hohen Abgaben, die damit verbunden sind, und eine falsche Währungspolitik. Sie reden immer von der stabilen Mark. Sie wissen ganz genau: Diese Mark ist ständig überbewertet. Der billige Urlaub in Bangkok kostet uns Tausende von Arbeitsplätzen. Machen Sie endlich reale Wechselkurse, dann würde es der Wirtschaft wesentlich bessergehen.
Natürlich muß ich auch noch einen Satz zur Situation in den neuen Bundesländern sagen. Ich höre das gerne - es wird immer so gönnerhaft davon geredet -: Wir werden die Förderung nicht einstellen. Das Hauptproblem ist: Die industriellen Kerne sind zerstört, und wenn sie nicht wiederhergestellt werden, wird es eine eigenständige Wirtschafts- und Finanzentwicklung in den neuen Bundesländern nicht geben. Sie werden auf die Hilfe der anderen Bundesländer angewiesen sein, und das schafft Demütigung.
Ich sage Ihnen noch eines: Jetzt kämpfen plötzlich alle um PDS-Wählerinnen und PDS-Wähler. Selbst der große Run auf die ehemaligen SED-Mitglieder ist plötzlich gestartet worden. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg damit.
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Nur, auch das sage ich Ihnen: Ihre Politik der permanenten sozialen und politischen Ausgrenzung in den neuen Bundesländern hat zu den Verwerfungen geführt, mit denen wir es heute zu tun haben.
Versuchen Sie nicht, die Bürger dort pauschal in Gute und Böse einzuteilen. Das wird Sie nicht weiterbringen. Wer die deutsche Einheit will, der muß auch die Menschen aus den neuen Bundesländern wollen und darf sich nicht selektiv aussuchen, welche er mag und welche er nicht mag, welche er benachteiligt, welche er durch Rente bestraft, welchen er Altschulden aufdrückt und welche er politisch diskriminiert. Das ist Ihre Politik seit fünf Jahren.
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Seit fünf Jahren nutzen Sie nicht die Erfahrungen der Menschen aus den neuen Bundesländern. Wir haben zwei Systeme erlebt. Das macht problembewußter. Wir können Ihnen sagen, was alles nicht funktioniert, weil wir das schon erlebt haben. Deshalb können wir Ihnen sagen, daß Ihre Politik verfehlt ist. Menschen, die zwei Systeme erlebt haben, sind in besonderem Maße in der Lage, problembewußt für Vernderungen einzutreten. Das haben Sie nie ernst genommen. Das haben Sie zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis genommen. Sie sind entweder gönnerhaft, oder Sie bestrafen. Das ist Ihre Politik in bezug auf die neuen Bundesländer. Das muß letztlich zu einem Fiasko führen.
Der Umgang mit den Altschulden zeigt das ganz deutlich. Nichts gilt aus der DDR; alles verwerfen
Sie. Nur die Altschulden sollen die einzig wahre Größe sein. Diese haben Sie erst den Betrieben aufgebürdet, um sie kaputtzumachen, dann den Wohnungsgenossenschaften, und jetzt wollen Sie auch noch die Kommunen zerstören. Dagegen werden wir auftreten.
Übrigens: Wir bekommen in den neuen Bundesländern so viel Zuspruch, weil wir versuchen, diese Probleme einfach zu artikulieren, weil wir psychologisch anders mit den Problemen umgehen und weil wir Verständnis für das sehr unterschiedliche Leben der Menschen in den neuen Bundesländern haben.
Ich komme damit zu meinem letzten Satz: Der eigentliche Anspruch für eine solche Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, müßte darin bestehen, Fortschritte in Richtung Zivilisation zu erreichen. Dazu würde zum Beispiel gehören, daß in der Politik der Bundesregierung Bildung und Kultur einen höheren Stellenwert bekommen. Ich sehe diesen Abbau in den alten und in den neuen Bundesländern. Ich warne vor diesem Abbau. Überall, wo wir Bildung und Kultur abbauen, bauen wir auch Liberalität, Humanismus und Zukunft ab. Machen Sie diesbezüglich endlich eine andere Politik! Machen Sie wirklich einmal Reformen, um die Massenarbeitslosigkeit und die soziale Ausgrenzung in dieser Gesellschaft endlich zu beenden!
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Ich erteile dem Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Beginn eine Bemerkung zum Haushalt: Ich möchte mich bei dem Finanzminister sowie bei den Verteidigungs- und Haushaltspolitikern der Koalition bedanken. Denn ich weiß, daß es angesichts der allgemeinen Finanzschwierigkeiten nicht einfach ist, einen stabilen Haushalt im Bereich der Verteidigung vorzulegen. Aber genau das ist gelungen. Wir sind weiterhin gezwungen, äußerst sparsam zu sein. Aber das Wort gegenüber den Soldaten, daß wir eine stabile Haushaltsperspektive in den nächsten Jahren haben, ist gehalten worden.
Das, was die Bundeswehr an Einsparungen durch Rationalisierung und auch durch Personalabbau erbringt, wird schon im Haushalt des nächsten Jahres für mehr Investitionen bis hin zu einem Anteil von 25 Prozent genutzt. Das ist auch notwendig, um die Bundeswehr in eine moderne Zukunft zu führen. Wir sind zuversichtlich, daß wir Ende der 90er Jahre auf einen Anteil von 30 Prozent kommen können.
Ich denke, angesichts der Konferenz in Dayton, Ohio, wo in den nächsten Tagen wirklich viel auf dem Spiel steht und wo im Falle eines Friedensabkommens, wie es das bisher noch nicht gegeben hat, möglicherweise der Einsatz von NATO-Soldaten unter Einschluß der Bundeswehr für erforderlich gehalten wird, aber auch angesichts der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stände es uns gut an, in dieser Debatte nicht nur über Zahlen und den Haushalt zu sprechen, sondern uns noch einmal der ethischen Grundlagen und auch der praktischen Pflichten unserer Politik der Friedenswahrung und der Friedenssicherung zu vergewissern.
Militärbischof Dr. Löwe hat bei dem ökumenischen Gottesdienst zum 40jährigen Bestehen der Bundeswehr hier in Bonn Worte gesagt, für die ich ihm dankbar bin. Das habe ich auf der Tagung der EKD-Synode am Sonntag auch zum Ausdruck gebracht. Er sagte:
Wofür Soldaten einstehen, das ist nicht schon der Friede Gottes. Aber den irdischen Frieden, die Abwesenheit von Krieg, die wir zusammen mit der Politik ganz wesentlich auch der Bundeswehr verdanken, dürfen wir nicht selbstverständlich nehmen, nicht gedankenlos wahr sein lassen.
Der Militärbischof hat die Soldaten in seiner Dankesrede als „Diener des Friedens" bezeichnet. Das hat ihnen gutgetan, und ich denke, das ist auch eine geglückte Formulierung.
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Die Bundeswehr bereitet sich in diesen Tagen zusammen mit den Streitkräften der Verbündeten und Partner darauf vor, ihren Beitrag zu leisten, daß die leidgeprüften Menschen im früheren Jugoslawien endlich wieder in Gerechtigkeit und Frieden leben können. Krieg, Folter und Vertreibung dürfen nicht das letzte Wort behalten. Es geht darum, der humanitären Hilfe, dem Wiederaufbau und vor allem auch der Versöhnung zwischen den Völkern eine neue Chance zu geben.
Der Präses der Synode der EKD, Dr. Jürgen Schmude, ein früherer geschätzter Kollege aus der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, schrieb vor zwei Jahren:
Menschenrechtsverletzungen sind eine grausame Realität in unserer Welt. Sie gehen uns alle an. Sie sind nicht eine innere Angelegenheit des Einzelstaates, sondern der gesamten Staatengemeinschaft.
So weit Jürgen Schmude. Ich denke, er hat recht.
Außen- und Sicherheitspolitik muß Krisen und Konflikten vorbeugen oder sie am Ort ihres Entstehens eindämmen, in erster Linie mit politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln. Aber politisches Verhalten kann scheitern, wenn nicht die Bereitschaft dahinter steht, notfalls auch mit militärischen Mitteln denen in den Arm zu fallen, die eben nicht friedenswillig sind. Militärische Gewalt allein kann zwar keinen dauerhaften Frieden schaffen. Wenn aber die politischen Mittel erschöpft sind, dann können Streitkräfte als äußerstes Mittel Aggression verhindern oder den Weg zur politischen Lösung wieder ebnen, so wie wir es hoffentlich im Jugoslawien-Konflikt erleben.
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Der Einsatz militärischer Mittel kann sehr unmoralisch sein; wir haben das häufig genug in der Geschichte erlebt. Aber es kann ebenso unmoralisch
sein, Soldaten nicht einzusetzen, wenn ihr Einsatz notwendig ist, um Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.
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Dafür gibt es genug Beispiele aus der jüngsten Geschichte.
Worum es also geht, ist der verantwortliche Gebrauch von Macht, auch von militärischer Macht, zu sittlichen Zwecken. Denn wir können selbst auf Dauer nur dann in Frieden leben - auch hier in Deutschland -, wenn auch andere Völker in Europa in Frieden leben.
Die letzten Wochen haben gezeigt, daß unser maßvolles Vorgehen von einem wachsenden Konsens in Deutschland getragen wird. Ich freue mich übrigens, Herr Verheugen, daß Sie auf der Tagung des Bundeswehrverbandes, wie mir berichtet worden ist, diesen Satz voll unterschrieben haben: daß es sehr unmoralisch sein kann, Soldaten nicht einzusetzen, um gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Ich glaube, daß die Lage in Jugoslawien ganz offensichtlich ist.
Die Soldaten brauchen diesen Konsens. Wer nämlich bereit ist, in letzter Konsequenz mit Leib und Leben für unseren Frieden und unsere Freiheit einzustehen, der hat Anspruch auf Unterstützung durch uns alle.
Damit komme ich zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. Er ist nicht zu einem Zeitpunkt des tiefsten Friedens erfolgt, sondern zu einem Zeitpunkt, in dem wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß schon heute tagtäglich Soldaten der Bundeswehr ihr Leben riskieren und es auch verlieren, damit all das verhindert wird, von dem ich hier gesprochen habe. In einer solchen Situation haben die Soldaten einen noch größeren Anspruch auf Unterstützung und entsprechende Würdigung ihrer Arbeit.
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Wir müssen davon ausgehen, daß das, was die deutschen Soldaten im Zusammenhang mit der NATO-Mission leisten müssen, kein Spaziergang ist. Ich selbst habe es erlebt: Unsere Transall-Maschinen sind mit Kanonen und Raketen beschossen worden. Mit viel Glück ist ein Abschuß verhindert worden. Plötzlich aber haben wir sieben Soldaten auf einem Routineflug verloren. Wir müssen immer damit rechnen, daß Soldaten in Ausübung ihres Berufes zum Opfer werden können. Das ist ein weiterer Grund dafür, daß wir mit ihnen ganz besonders sorgfältig umgehen müssen.
Das Bundesverfassungsgericht hat erneut über die Äußerung „Soldaten sind Mörder" entschieden. Ich meine, die Soldaten der Bundeswehr und wir alle können damit nicht zufrieden sein.
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Zwar stellt das Gericht fest, daß die wertende Gleichstellung eines Soldaten mit einem Mörder eine tiefe Kränkung ist,
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der verallgemeinernde Gebrauch aber ist weiterhin straffrei. Zudem ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wieder einmal nicht so eindeutig, wie es notwendig gewesen wäre, um Rechtsfrieden zu bekommen.
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Klar muß sein: Das Recht auf Meinungsfreiheit ist kein Freibrief, die Würde unserer Soldaten zu verletzen. Schließlich haben unsere Soldaten 40 Jahre lang gemeinsam mit den Truppen der Alliierten dafür gesorgt, daß die Freiheit, auch die Meinungsfreiheit, geschützt wird. Dann aber kann man nicht im Namen der Meinungsfreiheit den Soldaten den notwendigen Ehrenschutz verweigern.
Unser Staat verpflichtet die jungen Männer zum Waffendienst, zum Wehrdienst, und verlangt von ihnen Gehorsam. Wir, der Deutsche Bundestag, tun dies. Wir haben die entsprechenden Gesetze beschlossen. Ich finde - da stimme ich mit dem überein, was als Minderheitsmeinung formuliert worden ist -: Ein Staat, der auf Grund seiner Rechtsordnung, auf Grund der Gesetze, die im Parlament verabschiedet werden, junge Männer bezüglich des Wehrdienstes, des Waffendienstes in die Pflicht nimmt, der hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie auf jede Weise vor jeder Ehrverletzung zu schützen.
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Ich und Sie alle mit mir, wir haben doch die Rufe während des Zapfenstreiches hier in Bonn, aber auch während des Zapfenstreichs in Erfurt, bei vielen Gelöbnissen gehört: „Mörder! Mörder!" Das ist nicht im Sinne von Tucholsky. Es ist auch nicht die serbische Soldateska, die damit angesprochen worden ist. Angetreten sind vielmehr die Wehrpflichtigen der Bundeswehr. Es muß verdammt noch mal strafbar sein, wenn in diesem Zusammenhang von Mördern gesprochen wird.
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Was wir brauchen, ist Klarheit. Die Justiz muß den Ehrenschutz für die Soldaten eindeutig gewährleisten. Ich hoffe, daß die Gerichte, an die die Verfahren zurückgegangen sind und auf die eine zukünftige Entscheidung zukommt, die notwendige Klarheit herstellen. Wenn nichts anderes hilft - da bin ich für das dankbar, was Wolfgang Schäuble gesagt hat -, müssen wir über gesetzgeberische Konsequenzen nachdenken.
Ich sage es noch einmal: Die Gefahr für Leib und Leben unserer Soldaten wird zunehmen. Von daher wächst unsere Verantwortung gegenüber den Soldaten, dies klarzustellen.
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Nächsten Sonntag, am 12. November 1995, dem 240. Geburtstag Scharnhorsts, legen junge Wehrpflichtige aller drei Teilstreitkräfte in Bordenau, dem Geburtsort des Reformers, ihr Gelöbnis als Soldaten der Bundeswehr ab. Ich werde dort sein und bin dankbar dafür, daß Vizepräsident Klose dort sprechen wird.
Wir setzen damit ein Zeichen, daß die Bundeswehr die Armee der deutschen Demokratie ist. Freiheit, Menschenwürde, Recht und Hilfe sind Werte, für die die Bundeswehr seit 40 Jahren einsteht und für die sie auch in der Zukunft mit wachsendem Risiko für die Soldaten einstehen wird. Dafür verdienen sie unser aller Unterstützung.
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Das Wort hat der Kollege Ernst Kastning, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, da das Thema wieder ganz aktuell geworden ist, wenigstens eine kurze Bemerkung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts machen. Ich mache es wirklich kurz, weil ich denke, daß wir heute auch ein paar Worte zum Verteidigungshaushalt verlieren sollten. Ich betrachte jedenfalls meine Aufgabe als Haushälter im wesentlichen in dieser Richtung.
Ich bin davon überzeugt, daß dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Fortschritt ist - das sollten wir befriedigt aufnehmen - gegenüber dem, was wir noch vor Monaten an Rechtsprechung hatten. Damals gab es helle Aufregung - überwiegend berechtigt, muß ich sagen; demgegenüber ist es ein Fortschritt -, ich will aber auch für meine Person erklären: Wir sollten nicht in diesen Tritt verfallen, den wir immer pflegen, wenn irgendwo etwas passiert ist, nach neuen Gesetzen zu rufen, sondern ich halte es für richtig und wichtig, in den zuständigen Ausschüssen und hier im Plenum zu prüfen, was denn machbar ist, auch im strafrechtlichen Sinne. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, daß das vorhandene Recht angewendet wird, und zum anderen sollten wir versuchen, gemeinsam zu erreichen, daß der gesellschaftliche Konsens, die Bundeswehr betreffend, gefestigt wird; denn ich denke, daß solche Bezeichnungen, wie sie hier vor Gericht standen, auch nur in einem ganz bestimmten gesellschaftlichen Klima gedeihen können, und zwar in Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
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Meine Damen und Herren, der Verteidigungshaushalt ist in Umfang und Struktur Ausdruck der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik, im guten wie im schlechten. Er kann und darf aber nicht losgelöst von unserer volkswirtschaftlichen Kraft, von der Finanzlage und von der Gesamtheit der übrigen Staatsaufgaben betrachtet werden.
In diesen Wochen ist viel vom Milliardenloch des Bundesfinanzministers die Rede gewesen, auch heute wieder. Hinreichende Deckungsvorschläge sind nicht bekannt. Dennoch wird von der Koalition stets die Plafondgarantie für den Einzelplan 14 betont. Sie haben die Zusicherung gegeben. Herr Minister, Sie haben sich beim Finanzminister noch einmal ausdrücklich bedankt, daß sie noch gewährt bleibt, obwohl sie mit 183 Millionen DM unterlaufen wird, und Sie haben sich bei den Berichterstattern der Koalition bedankt, obwohl die Plafondgarantie schon gar nicht mehr existiert. Meine Damen und Herren, diese Plafondgarantie beinhaltet neben der Absichtserklärung, das verteidigungspolitisch Notwendige im Haushalt abzusichern, zugleich aber auch das Eingeständnis der Tatsache, daß der Wehretat jahrelang heruntergefahren worden ist, und zwar nicht nur auf Grund der international vereinbarten Abrüstung und der Truppenreduzierung, sondern auch auf Druck des Finanzministers: 1994 durch eine allgemeine Haushaltssperre in einem riesigen Umfang und 1995 durch pauschale Sperren, zum Beispiel bei allen Positionen, die die Datenverarbeitung angehen, die für die Streitkräfte nicht gerade unwichtig sind. Die Folge ist, daß leider personalpolitisch überfällige Maßnahmen unterblieben sind. Wir sind uns darin einig, daß im Laufe der letzten Jahre eine Überalterung der Ausrüstung der Bundeswehr in vielen Bereichen die Folge war.
Die Plafondgarantie soll, wenn ich es richtig verstehe, von seiten der Bundesregierung ein besonderes Maß an Fürsorge für die Bundeswehr ausdrükken. Aber während Sie stets aufs neue betonen, wie sehr Sie die Arbeit der Streitkräfte und der Menschen, die in ihnen Dienst tun, schätzen, werden von der Koalition in den nichtöffentlichen Haushaltsberatungen - auch das muß man einmal erwähnen dürfen - Millionen für die finanzielle Absicherung eben dieser Arbeit hin- und hergeschoben, binnen weniger Monate, ja, binnen weniger Wochen, gerade so, als sei die Bundeswehr ein Brettspiel, wo man nach Belieben die Figuren neu setzen und dann auch noch im Laufe von wenigen Wochen die Spielregeln nach Belieben ändern kann.
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- Herr Rossmanith, lieber Kurt, du hast dich an dem Spiel locker beteiligt, manchmal zu meinem Erstaunen in einer Art und Weise, daß ich schon die Seriosität der Beratungen anzuzweifeln begann.
Herr Kollege Kastning, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Breuer?
Wenn meine Zeit nicht weiterläuft, Herr Präsident.
Das wird nicht angerechnet. - Bitte.
Herr Kollege Kastning, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß in den letzten Jahren seitens Ihrer Bundestagsfraktion, gegen den Willen der Verteidigungspolitiker zum BeiPaul Breuer
spiel, ständig Anträge zur Reduzierung des Verteidigungshaushaltes gestellt wurden?
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Wenn Sie hier lautstark auftrumpfen und sagen, daß die Koalition der Bundeswehr schaden würde, muß ich Ihnen sagen: In jedem Jahr war es so, daß Frau Matthäus-Maier das Geld für den Bundeswehretat schon irgendwo anders verarbeitet hat.
Herr Breuer, es wird Sie nicht verwundern, daß ich sehr erstaunt gewesen wäre, wenn Sie sich heute während meines Redebeitrages nicht gemeldet hätten. Ich kann Ihnen sagen: Ich habe mir, bevor ich am Beginn dieses Jahres dieses Amt des Berichterstatters übernahm - Sie wissen ja, daß ich noch neu bin in dem Geschäft -, die Anträge angesehen, und ich habe festgestellt, daß aus der SPD zum Beispiel für den Haushalt 1994 in der zweiten Lesung ein Antrag gestellt worden ist, der nicht einfach so pauschal sagte: „Kürzen!", in dem vielmehr ganz differenziert einzelne Titel angeschaut wurden und geprüft wurde, ob man das Geld braucht oder nicht. Ich gedenke diesen Arbeitsstil fortzuführen. Das ist das eine.
Das zweite ist - das werden Sie ja wohl nicht bestreiten können -, daß es die Koalition und die Bundesregierung im Laufe der letzten Jahre fertiggebracht haben, eine Kürzung von über 6 Milliarden DM in die Tat umzusetzen. Das heißt: Sie haben im Grunde genommen nur das nachvollzogen, was die Opposition mal gedanklich auf das Papier gebracht hat. Da Sie regieren, tragen Sie dafür auch die Verantwortung; das ist doch wohl außer Frage.
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Unsere Wehrpflichtigen, die einen Dienst für unser Land, für unsere Gemeinschaft leisten, werden vom Verteidigungsminister mit netten Worten bedacht. Das ist soweit gut. Aber Taten folgen dieser Wertschätzung nicht. Es ist mehr als drei Jahre her, daß der Wehrsold zum letzten Mal erhöht worden ist. Die Bundestagsfraktion der SPD hat im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt, hier endlich eine Verbesserung herbeizuführen und den Sold eines jeden einzelnen Wehrdienstleistenden in diesem Jahr um 2 DM pro Tag zu erhöhen. Dies haben die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Es kann doch wohl nicht an den dafür nötigen 105 Millionen DM gelegen haben. Wenn Sie wieder einmal zu den Wehrdienstleistenden gehen und mit ihnen sprechen, dann sagen Sie ihnen die Wahrheit; sagen Sie: „Ihr habt unsere Wertschätzung, aber 2 DM mehr am Tag für jeden von euch - das ist nach unserer Ansicht nicht drin."
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Sie kürzen auch noch das Weihnachtsgeld und das Entlassungsgeld.
Herr Kollege Kastning, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Bitte, Herr Kollege Koppelin.
Herr Kollege Kastning, ist Ihnen, als Sie den Haushalt lasen, vielleicht doch entgangen, daß gerade die Koalition einen entscheidenden Schritt für die Wehrpflichtigen getan hat, indem wir nämlich die Mobilitätszulage eingeführt haben, und ist Ihnen vielleicht entgangen, daß wir da trotz der knappen Mittel, genau gesagt 101 Millionen DM zur Verfügung stellen, was ja gerade kein Pappenstiel ist? Ist das nicht eine großartige Leistung für unsere Wehrpflichtigen?
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Erstens, Herr Kollege Koppelin, wissen Sie aus Berichterstattergesprächen ganz genau, daß ich den Haushalt sehr aufmerksam zu lesen pflege, ja sogar manchmal den Koalitionskollegen Berichterstattern auf die Sprünge helfen muß, weil sie etwas übersehen. Also, ich lese sehr genau.
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- Ja, da müssen Sie etwas besser aufpassen.
Zweitens ist mir das überhaupt nicht entgangen. Mir ist ebenfalls nicht entgangen, daß Sozialdemokraten diesem Passus, der den Mobilitätszuschlag enthält, im Verteidigungsausschuß zugestimmt haben. Ferner ist mir nicht entgangen, daß der Mobilitätszuschlag in der Praxis bedeutet: Schaffung von drei Gruppen, um nicht zu sagen: drei Klassen unter den Wehrpflichtigen.
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Ich komme auf den Einwand des Herrn Nolting gleich zurück. - Ich frage Sie: Wie wollen Sie erklären, daß von drei Kameraden in einer Stube zwei sind, die auf Grund dieses Zuschlages 30 Prozent mehr Wehrsold bekommen, während der dritte, der sogenannt heimatnah untergebracht oder eingezogen ist, diese 30 Prozent nicht bekommt? Herr Nolting sprach von den Kosten der Wehrsolderhöhung: 105 Millionen DM.
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- Entschuldigung, aber sie bekommen schließlich das Fahrgeld ersetzt. Oder müssen die auf eigene Rechnung zum Standort fahren? Das habe ich noch nicht erlebt.
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- Ist ja gut, Herr Rossmanith. - Ich will Ihnen nur sagen: Das ist eine Maßnahme.
Die andere ist, daß Sie die Wehrpflichtigen in Gruppen aufteilen und daß Sie sagen: Ihr, die ihr heimatnah untergebracht seid, könnt mit dem Wehrsold
von vor drei Jahren weiterleben; das ist der Dank des Vaterlandes für die Erfüllung eurer Pflicht.
Statt dessen haben Sie das Geld lieber für VIP-Hubschrauber und ähnliches für Spitzenpolitiker ausgegeben. Nebenbei bemerkt, Frau Karwatzki, was die Hubschrauber angeht: Wenn sie dazu dienten, das große Milliardenloch von der Luft her aufzuklären und dessen Ausmaße zu erkennen, könnte man noch zustimmen. Aber diese Absichtserklärung der Regierung liegt leider nicht vor.
Meine Damen und Herren, die Verweigerung der Wehrsolderhöhung hat noch einen anderen Beigeschmack. Es muß doch in den Ohren der Betroffenen schon zynisch klingen, wenn Sie, jedenfalls in den Ausschußberatungen, sagen - das können Sie nicht bestreiten -: Wir wollen die Erhöhung nicht, weil sie indirekt auch den Zivildienstleistenden zugute kommt. Das nenne ich einen Keil treiben zwischen zwei Gruppen von Menschen, die nach dem Gesetz ihren Dienst tun.
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- Das ist keine frei erfundene Äußerung. Herr Austermann muß das heute bestätigen, wenn er nicht lügen will.
Meine Damen und Herren, ich denke, beiden Gruppen, Wehrdienst- und Zivildienstleistenden, gebührt der Respekt des Parlaments und der Dank für ihren Einsatz, für ihr Engagement.
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Sowenig wir im Grad der Anerkennung beider Gruppen Unterscheidungen vornehmen sollten und dürfen, so wenig sollten und dürfen wir es zulassen, daß mit Mitteln der Haushaltspolitik die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich immer für eine Reduzierung der Streitkräfte eingesetzt, soweit sich dies im Rahmen der sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland vertreten ließ. Der Truppenabbau etwa im Rahmen der international vereinbarten Abrüstung stand und steht für uns außer Frage. Es ist allerdings nicht hinnehmbar, Herr Minister, wenn der personelle Abbau und die Schließung von Standorten sowie Bundeswehreinrichtungen - nicht nur militärischen Standorten - nicht rational nachvollziehbar vonstatten geht.
Ich sage Ihnen meine Position: Wenn dem nicht zwingende militärische Notwendigkeiten entgegenstehen, müssen auch regionalpolitische Aspekte in Standortentscheidungen jeglicher Art einfließen. Gerade weil die Kommunen unter der Politik dieser Bundesregierung, die die weitestgehende Abwälzung finanzieller Verantwortung auf Städte und Gemeinden zur Richtschnur erhoben hat, zu leiden haben, ist die Regierung, ist der Bund hier besonders in der Pflicht.
Ich will noch einen anderen Punkt ansprechen: Es kann auch nicht angehen, daß - wie etwa im Bereich der Wehrtechnik - Personal pauschal abgebaut wird und dadurch Lücken entstehen, die gerade auf bestimmten Spezialgebieten in der Zukunft kaum zu schließen sein werden.
Wir sagen ja zur Optimierung der Betriebsabläufe, aber nein zu personeller und infrastruktureller Aushungerung von Einrichtungen, die letztendlich nur dazu dient, eines Tages wegen absehbar entstehender Mängel in der Aufgabenerfüllung mit dem Knüppel der Privatisierung zu drohen.
Meine Damen und Herren, immer wieder wird von der Truppe selbst und von Politikern - wir nehmen uns da nicht aus - die mangelnde Attraktivität der Bundeswehr beklagt. Ich habe heute einer Tickermeldung entnommen, daß das drohende Personalloch bei den Zeitsoldaten inzwischen dadurch geschlossen werden soll, daß man Soldaten als Zeitsoldaten akzeptiert, die nicht die volle Wehrfähigkeit haben. Aber daß das Loch dasein wird, Herr Minister, können Sie nicht bestreiten. Wir haben im Haushalt schon von Zeitsoldaten zu Grundwehrdienstleistenden umgeschichtet. Wenn das so ist, Herr Rühe, müssen auch ein paar fundierte Vorschläge zur Beseitigung dieses Mißstandes her. Dann kann man die jungen Männer nicht nur mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen dafür begeistern, daß sie ihren Dienst tun.
Steigern Sie die Attraktivität unter anderem dadurch, daß Sie den Soldaten gute Berufsperspektiven geben! Ein Beispiel dafür wäre die von uns angeregte Feldwebellaufbahn.
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Die für diese Maßnahme erforderlichen und verhältnismäßig geringen Kosten würden sich meines Erachtens tausendfach zugunsten von besser ausgebildeten Führern in der Truppe, größerer zivilberuflicher Anerkennung und besseren Chancen für den Aufstieg auszahlen. Sie haben sich diesem Vorschlag leider vom Hause und vom Ressort aus verweigert.
Ein breiter Konsens über zentrale Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik ist wichtig. Es ist gut, daß er sich abzeichnet und in weiten Bereichen bereits erkennbar vorhanden ist. Das schließt ein, daß wir Sozialdemokraten - das sage ich hier ganz offen - dazu bereit sind, aus diesen Übereinstimmungen erwachsende finanzielle Belastungen mitzuverantworten und mitzutragen. Dies ist einer der Gründe dafür, daß wir unverantwortlichen Anträgen, wie sie etwa durch Bündnis 90/Die Grünen mit der parlamentarischen Initiative zur Streichung aller Beschaffungs-, Forschungs- und Entwicklungskosten für die Krisenreaktionskräfte und darüber hinaus vorgelegt worden sind, nicht zustimmen können.
Frau Kollegin Beer, Sie haben uns - ich glaube, es war in der „Zeit" - menschenverachtende Politik unterstellt, weil wir Ihrem Antrag auf Streichung von Mitteln für die Minen nicht zugestimmt haben. Ich sage Ihnen: Wir haben eine Haushaltssperre beantragt, um zu erfahren, was geschieht. Wir bleiben bei dieser Linie der konkreten, sachlichen Diskussion. Ich sage weiter: Wir haben letztlich interfraktionell erreicht - das wurde schon heute morgen angesprochen -, daß im Einzelplan 05 Mittel für die MinenräuErnst Kastning
mung in den Entwicklungsländern eingesetzt werden.
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Ich darf Ihnen versichern: Sowohl an dieser Maßnahme wie an der anderen werden wir dranbleiben.
Es hat mich geradezu vom Stuhl gehauen, was Herr Zwerenz von der PDS vorhin gesagt hat, nämlich daß wir nicht mehr bedroht würden und deshalb keine Bundeswehr mehr bräuchten. So habe ich ihn verstanden. Das kommt mir so vor, als würde in dem kleinen Dorf, in dem ich wohne, der Bürgermeister sagen: Wir brauchen keine Feuerwehr. Wenn es dann brennt, sammelt er in der Gemeinde, und wenn er das Geld zusammen hat, dann ruft er eine große Firma in Ulm an und fragt: Wann könnt ihr denn das Feuerlöschfahrzeug liefern? Dann braucht man aber nicht mehr zu löschen.
Ich füge hinzu: Dieses Bekenntnis zur Notwendigkeit von Sicherheitsvorkehrungen beinhaltet nicht - um wieder zu dem Bild des Dorfbürgermeisters zu kommen -, daß ich etwa da, wo kein Hochhaus vorhanden ist, eine motorisierte Drehleiter bestelle.
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So kritisch, sachlich und seriös sollten wir Verteidigungshaushalte beraten und dann entscheiden.
In einer Zeit knapper Kassen müssen eindeutig die Mittel Vorrang haben, die der Sicherheit unserer Soldaten dienen. Dazu gehören eine gute Ausbildung und das notwendige Material und Kampfgerät, das den Soldaten diese Sicherheit gewährt. Soldaten einsetzen heißt auch, Verantwortung für diese Menschen und ihre Familien zu übernehmen.
Wenn die Garantie des Kabinetts, den Verteidigungshaushalt nicht anzutasten, dazu dient, diese Aufgaben zu erfüllen, dann gehen wir so weit mit. Wir gehen aber nicht mit, wenn die Plafondgarantie dazu dienen soll, willkürliche Maßnahmen und schludrige Haushaltspolitik zu kaschieren. Wir gehen schon gar nicht mit, wenn das Haushaltsrecht regelrecht verbogen wird, wie das in diesem Jahr bei den Mehrkosten für die Entwicklung des Jägers 90, also des EF 2000, geschehen ist.
Dieses Jahr hat an mehreren Beispielen gezeigt, wie man eine Kabinettsgarantie mißbrauchen kann. Es sind mehrere hundert Millionen DM gewesen, und zwar mehr als im Vorjahr - ich weiß, daß man nicht alles auf den Pfennig planen kann -, die man hin- und hergeschoben hat und die man schließlich für andere Projekte ausgegeben hat - auch für Projekte, von denen selbst Militärs offenbar nicht überzeugt sind, daß man sie dringend gebraucht hat -, weil die ursprünglich geplanten nicht beschaffungsreif waren.
Ich denke, Herr Rühe, das darf so nicht weitergehen. Es darf nicht noch einmal passieren, daß in der öffentlichen Berichterstattung die Nachricht die Runde macht, auf der Hardthöhe mache man sich Sorgen, weil das „Risiko von Minderausgaben" drohe. Herr Rühe, ich sage Ihnen: Wenn Sie das zulassen, machen Sie es allen schwer. Herr Blüm hat ähnliche Probleme mit Ihnen oder Sie mit ihm. Wer im Laufe eines Jahres Mittel so hin- und herschiebt, der schadet der Bundeswehr, weil er damit das Verständnis in der Bevölkerung für die Sicherheitsaufgaben bei knappen Kassen wirklich tangiert und gefährdet.
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Meine Damen und Herren, ich könnte für dieses Jahr eine Reihe von Beispielen dafür aufzeigen, wie auch beim Verteidigungsetat bei den Haushaltsberatungen offenbar nicht sachgerecht vorgegangen worden ist.
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Herr Kollege Austermann, wenn ich für die SPD beantragt habe, bei der Instandsetzung von Kraftfahrzeugen 10 Millionen DM einzusparen, und Sie das ablehnen, weil kein Pfennig übrig sei, und wenn dann auf einmal eine Vorlage aus dem Finanzministerium kommt, man könne diesen Titel um 80 Millionen DM kürzen, dann frage ich Sie: Wo ist da noch ein sachgerechtes Vorgehen? Das ist Willkür.
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Sie haben es dann verhindert, weil Sie Angst bekommen haben; denn die Hälfte aller Bundeswehrfahrzeuge hätte im nächsten Jahr nicht mehr gewartet werden können.
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Ich könnte noch mehrere Beispiele nennen.
Ich habe eine Kürzung um 5 Millionen DM bei der Bewirtschaftung von Grundstücken, Gebäuden und Räumen vorgeschlagen, weil man davon ausgehen kann, daß es technische Investitionen gibt, die zu Ersparnissen führen. Unmöglich, sagt die Hardthöhe, weil das alles spitz gerechnet sei. In der Bereinigungssitzung werden aber kurzerhand 30 Millionen DM in diesem Titel gestrichen. Das kann man ja einfach so machen.
Meine Damen und Herren, der Haushalt, der hier jetzt zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt wird, trägt nicht die Züge sinnvoller Planung, sondern eher willkürlicher Mehrheitsentscheidungen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt kurz ansprechen. Ein trauriges Kapitel ist nämlich die Auseinandersetzung um die Gelder für die Nachversicherung der Berufs- und Zeitsoldaten in der Rentenversicherung. Da verkündet die Hardthöhe zunächst, sie könne im nächsten Jahr 594 Millionen DM aus diesem Ansatz erübrigen. Das sei spitz gerechnet und gesetzlich alles in Ordnung. Dann protestiert jemand aus der F.D.P. und offensichtlich Herr Blüm. Daraufhin wird in einer Nachtsitzung vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gesagt: Nein, 400 Millionen DM müssen zurück, obwohl man sie schon bei Beschaffungen zugeschlagen hatte. Entweder waren die angesetzten Geldmengen für
die Bundeswehr notwendig, dann müßte ihr die Streichung bei der Beschaffung jetzt schaden,
({13})
oder aber die eingesetzten Geldmengen waren nicht notwendig, dann waren Spielräume von mehreren hundert Millionen DM vorhanden, und dann hat man hier gegen eine sparsame Haushaltsführung verstoßen.
Meine Damen und Herren, ich will ja nur, daß bei allem Bekenntnis zur Bundeswehr und dem, was nötig ist, auch dieser Haushalt sachgerecht beraten wird und daß dort keine Sparkassen versteckt werden, über die sich im Laufe des Jahres auch Koalitionäre ärgern müssen, weil die Stimmung in der Bevölkerung auf den Nullpunkt gebracht wird, was die Bundeswehr angeht.
({14})
Noch eine Bemerkung zum Bosnien-Einsatz: Ich habe zu denen gehört, die zum ersten Einsatz schon ja gesagt haben. Ich leite besonders auch daraus das Recht ab, als Haushälter zu fragen, wie der BosnienEinsatz finanziert werden soll. Ich möchte ihn, auch im nächsten Jahr, wenn denn alles stimmt, Herr Minister, und wenn auch die Soldaten, die da eingesetzt werden, vernünftig ausgestattet sind. Ich habe gehört, daß Sie unter anderem Soldaten aus Ostdeutschland mit einer Besoldung da hinschicken wollen, die nicht der der Soldaten aus dem Westen entspricht. Ich würde noch einmal darüber nachdenken, ob das vernünftig ist. Ich möchte also wissen, wie wir das finanzieren. Ich möchte wissen, woher wir das Geld nehmen. Oder soll das der Verteidigungsminister aus seinem Plafond erwirtschaften? Dann werden wir noch Probleme bekommen. Darüber muß doch im Rahmen von Haushaltsberatungen geredet werden, ohne daß man jemandem unterstellt, er sei gegen den Einsatz. Das ist ein Mangel dieses Verteidigungshaushalts, ein ganz großer.
Meine Damen und Herren, ich will auch noch etwas zur Rüstungsindustrie sagen, weil sie zur Beratung des Haushalts ja immer auf der Matte steht. Es ist für mich und für uns klar, daß wir im Bereich der Beschaffung nur Mittel ausgeben können, die auf Grund unserer Sicherheitspolitik tatsächlich erforderlich sind.
Es ist selbstverständlich - da herrscht Gott sei Dank Konsens unter den Berichterstattern der Koalition und der SPD -, daß, wenn Aufträge auch im Rahmen europäischer Lösungen vergeben werden, die deutsche Industrie beteiligt wird. Wir müssen darauf drängen, daß es dort, wo Aufträge in das außereuropäische Ausland gehen, Kompensationslösungen gibt. Denn die Zeit für Einbahnstraßen ist wirklich vorbei. Das heißt auch, daß wir ein Mindestmaß an wehrtechnischer Kapazität, gerade auch im Hochtechnologiebereich, erhalten müssen, aber in einem gewissen Rahmen. Wir sind nicht bereit, den Rahmen des Rüstungsexportrechtes zu sprengen.
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Die Industrie wird sich darauf einstellen müssen, daß hier keine totale Freigabe geschehen kann. Die Regeln dafür liegen fest; sie müssen eingehalten werden. Zukunftsgerichtete Unternehmen sollten wissen, daß ihr Standbein nicht mehr allein Rüstung sein kann, daß sie sich umorientieren sollten. Es gibt dafür positive Beispiele, die hoffentlich in der Wirtschaft Schule machen.
Meine Damen und Herren, mir scheint, daß dieser Verteidigungsetat in seinem Plafond etwa auf der Höhe von 1995 ausreichen müßte, um eine auftragsgerechte Struktur zu erhalten bzw. herzustellen.
Zeit, Herr Kollege.
Das ist der letzte Satz, Herr Präsident.
Denn durch die Schaffung von mehr Effizienz können Mittel von den laufenden Betriebsausgaben auf Investitionen umgeschichtet werden, und das im Zusammenhang mit einer wirksamen Investitionsplanung sowie einer gezielteren und kontrollierteren Beschaffung. Da dies nicht der Fall ist, werden wir Ihnen heute nicht zustimmen können.
({0})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tribüne hat Platz genommen der Außenminister von Costa Rica, Herr Dr. Fernando Naranjo, der sich mit einer Delegation zu Gesprächen in Bonn aufhält.
({0})
Herr Außenminister, ich begrüße Sie und Ihre Delegation sehr herzlich im Deutschen Bundestag. Ich hatte für das Präsidium Gelegenheit zu einem Gespräch mit Ihnen, das mir einmal mehr gezeigt hat, wie gut und eng die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Costa Rica sind. Ihr Besuch trägt dazu bei, diese Beziehungen weiter zu vertiefen. Costa Rica ist ein kleines, aber ein sehr wichtiges Land mit großem politischen Einfluß. Herr Außenminister, der Bundestag fühlt sich durch Ihre Anwesenheit geehrt. Seien Sie uns herzlich willkommen!
({1})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Krüger, CDU/ CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte nach der Rede von Herrn Kastning nicht ganz einfach sein, die Mitglieder des Parlaments, die wohl zeitweise eingeschlafen waren, wieder munter zu machen.
({0})
Trotzdem würde ich mich freuen, wenn Sie mit etwas mehr Aufmerksamkeit meiner Rede lauschen würden.
Der Haushalt, über den wir heute debattieren, ist kein Haushalt der großen Sprünge. Das ist deutlich geworden. Wir diskutieren heute einen Haushalt der Stabilität und Solidität für West und Ost,
({1})
einen Haushalt, der im übrigen das erste Mal seit dreißig Jahren nicht wächst, sondern endlich einmal wieder sinkt. Ich denke, das ist eine große und dankenswerte Leistung dieser Koalition.
Die Transferleistungen des Bundes in die neuen Länder waren in den letzten Jahren enorm hoch. Die alten Länder haben sich bei diesen Transferleistungen wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Transferleistungen des Bundes waren hoch; der vom Sozialismus hinterlassenen Aufgabe waren sie angemessen. Sie waren gut angelegt.
Der Bundeshaushalt 1996 belegt, daß wir die Früchte dieser enormen Anstrengungen langsam zu ernten beginnen können. Wir haben erstmals wachsende Rückflüsse aus Steuermehreinnahmen in Höhe von 6 Milliarden DM, und wir haben einen erheblichen Minderbedarf an Sozialleistungen - beides dank einer sich ständig verbessernden Wirtschaftssituation. Wir haben einen sprunghaft sinkenden Mittelbedarf bei der Treuhandanstalt, der heutigen BVS, als Ergebnis der Privatisierungs- und Sanierungsbemühungen dieser Einrichtung.
Nur am Rande möchte ich erwähnen, daß ein erheblicher Anteil des rechnerischen Rückgangs der Transferleistungen, der hier von der Opposition angesprochen wurde, durch Umschichtung des Kindergeldes auf die Einnahmenseite der Länder bedingt ist.
Herr Kollege Krüger, einen Augenblick.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt das Dauerproblem dieses Hauses: Wir nähern uns den Abstimmungen, und es wird laut und gegenüber dem Redner unhöflich.
({0}) Ich bitte um etwas mehr Ruhe.
Zusammenfassend, meine Damen und Herren, können wir feststellen: Hinter dem rechnerischen Rückgang der Nettotransfers verbergen sich also bei genauem Hinsehen überwiegend erfreuliche Entwicklungen in den neuen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, es hat auch etwas mit der Identität und dem Selbstwertgefühl der Menschen in den neuen Bundesländern zu tun, daß wir keine Dauerförderung wollen. Niemand im Osten will auf ewig am Tropf des Westens hängen. Auch deshalb sind wir entschieden für die Konzentration der Förderung auf prioritäre Aufgaben, auf die Bereiche, die in den neuen Bundesländern defizitär sind. Wir, die Ostabgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, haben auf einer Klausurtagung den Handlungsbedarf noch einmal genau definiert: im Bereich der
Industrieforschung, im Bereich der Eigenkapitalsituation der Unternehmen, im Straßenbau der neuen Länder, bei der Eigentumsförderung, wobei hier insbesondere die Wohneigentumsförderung zu nennen ist.
Wir konnten im Rahmen der parlamentarischen Beratungen in allen Punkten Verbesserungen erreichen. Wir haben in der Industrieforschung etwa 60 Millionen DM im Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums draufsatteln können, nachdem wir schon beim Regierungsentwurf im BMBF-Bereich 50 Millionen DM mehr durchsetzen konnten. Wir haben im Eigenkapitalhilfebereich für die Unternehmen zusätzlich 70 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen, um auch weiterhin eine bessere Förderpräferenz in den neuen Ländern aufrechterhalten zu können, durchgesetzt, nachdem wir schon beim Jahressteuergesetz Kapitalsammelfonds in Höhe von 500 Millionen DM zur Eigenkapitalstärkung der Unternehmen im Osten durchsetzen konnten. Wir haben beim Bundesfernstraßenbau mit unseren Kollegen gemeinsam Erhöhungen durchsetzen können, die im Bereich von 100 Millionen DM auch den neuen Bundesländern zugute kommen.
({0})
Wir werden noch stärker in die Öffentlichkeit bringen, was wir im Bereich der Wohneigentumsförderung mit dem Gesetz, das wir in der letzten Sitzungswoche hier verabschiedet haben, erreichten; denn wir haben eine klare Präferenz für die niedrigeren Einkommen, also für die neuen Bundesländer, durchsetzen können, das heißt auch eine verstärkte Privatisierung und Sanierung von Altbauten durch bessere Förderbedingungen und durch ein neues Burgschaftsprogramm. Das Ganze wird dazu führen, daß wir einen deutlichen Schub bei der Privatisierung, bei der Eigentumsbildung im Osten, im Wohnungsbaubereich und bei der Sanierung von Wohnungen, was ich für ganz besonders wichtig halte, erreichen.
({1})
Ich denke, liebe Kollegen, daß damit in Anbetracht der Haushaltssituation im nächsten Jahr eine den Prioritäten und der Situation der neuen Bundesländer angemessene Förderung erreicht wird. Wenn wir heute damit eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft vornehmen, wollen wir nicht vergessen, wo wir vor fünf Jahren standen, liebe Kollegen.
Ich habe den Eindruck, daß Herr Scharping in seiner Rede gar nicht berücksichtigt hat, daß wir in den letzten Jahren einigungsbedingte Lasten zu tragen hatten. Es waren nicht nur die maroden Industriestrukturen, nicht nur die schlechten Straßen, nicht nur die vergiftete Umwelt, nicht nur die verfallenen Häuser, die uns Milliardensummen, Hunderte von Milliarden DM, zusätzlich gekostet haben. Es war vor allem auch das, was man nicht vordergründig sieht: eine Schuldenlast von rund 600 Milliarden DM, die uns der Sozialismus aufgebürdet hat und die wir als Bund zu tragen hatten.
({2})
Diese Hinterlassenschaft, liebe Kollegen, einer sozialistischen Mißwirtschaft ist entstanden, obwohl die Menschen nicht schlechter qualifiziert waren, obwohl die Menschen nicht fauler waren als hier im Westteil Deutschlands. Wir werden daran noch lange zu tragen haben. Aber wir werden auch nicht aufhören, immer wieder klar und deutlich die Schuldigen zu benennen. Das haben nämlich nicht die Menschen im Osten zu verantworten, sondern das marode sozialistische System hat dazu geführt.
({3})
Ich frage mich, wo wir gelandet wären, wenn die SPD diese Lasten abzutragen hätte.
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Ich habe heute das zweite Mal in diesem Hause eine große Rede des Oppositionsführers Scharping gehört, in der er nicht einmal die neuen Bundesländer erwähnt hat.
({5})
Ich frage mich, mit welchem Recht die Genossen von der SPD diesen Haushalt kritisieren. Man muß nicht nur feststellen, daß sie an den Verhandlungen im Haushaltsausschuß nicht teilgenommen haben, sondern auch fragen: Sind sie haushaltspolitisch überhaupt kompetent? Schon zu DDR-Zeiten war fast allen von uns bekannt - das zeigt sich jetzt auch, wenn man sich die Entwicklung der SPD-geführten alten Länder anschaut -, daß die SPD nicht mit Geld umgehen kann.
({6})
Herr Schröder hat es verstanden, seinen Haushalt in sechs Jahren um 50 Prozent des Gesamtvolumens zu steigern, und das bei dem höchsten Personalzuwachs, der höchsten Neuverschuldung und der geringsten Investitionsquote aller Länder. Verbunden war diese Entwicklung mit einem enormen Sozialabbau.
({7})
Sogar Herr Scharping hat das erkannt. Im „Stern", Heft 28/1995, sagt er: „Gerhard Schröder hat den Landeshaushalt total ruiniert" .
Die Pro-Kopf-Verschuldung in Niedersachsen ist seit 1990 um 23,2 Prozent gewachsen, in Bayern ist sie im gleichen Zeitraum um 2,6 Prozent gesenkt worden.
({8})
Hier zeigt sich ganz eindeutig haushalts- und finanzpolitische Kompetenz.
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Die Art, wie die SPD mit dem Geld umgeht, setzt sich mittlerweile auch in den neuen Bundesländern fort. Die Verschuldung pro Kopf beträgt im Bundesland Sachsen 2 700 DM. Im von der SPD geführten
Land Brandenburg betrug sie bis dato 6 000 DM - und war damit schon die absolut höchste in den neuen Ländern -; nach dem neuen Haushaltsentwurf soll sie sogar auf 7 700 DM steigen.
({10})
Ich bitte die SPD, auch das einmal zur Kenntnis zu nehmen. Brandenburg hat übrigens - das sage ich nur, weil das in der Debatte heute eine Rolle gespielt hat - nicht nur die höchste Verschuldung, sondern auch die höchsten Sozialausgaben und die niedrigsten Forschungsausgaben.
Liebe Kollegen von der SPD, wenn Sie wirklich etwas für die neuen Länder tun wollen, dann helfen Sie mit, daß sich Ihre Fraktion und Ihre Bundesratsmitglieder vernünftigen Gedanken bei den dringend notwendigen Reformen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland nicht weiterhin verweigern.
({11})
Tragen Sie zu einem Wirtschaftswachstum bei, welches die Finanzierung des Aufbaus Ost nicht nur erleichtert, sondern dazu führt, daß der Aufschwung Ost zunehmend aus eigener Kraft erfolgen kann. Wachstum ist von vielen Faktoren abhängig. Der Bundeshaushalt ist nur einer dieser Faktoren. Der Bundeshaushalt dieser Koalition wird auf der Basis einer stabilen Finanzpolitik einen wichtigen Beitrag für die zukünftige Entwicklung im Westen wie im Osten leisten.
Vielen Dank.
({12})
Das Wort zu einer Kurzintervention, die schon vor der letzten Wortmeldung hätte stattfinden sollen - ein Versäumnis von mir -, hat jetzt der Kollege Augustinowitz, CDU/ CSU.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Aber die Rede des Kollegen Kastning hat mich doch dazu veranlaßt, etwas zu sagen. Man konnte den Eindruck gewinnen, daß die Wehrpflichtigen nach der Gesetzgebung, die die Koalition durchgesetzt hat, weniger bekommen als vorher. Dieser Eindruck darf nicht hier im Raume stehenbleiben. Die SPD schimpft hier. Aber in der Bundeswehr freut man sich darüber, daß wir etwas für die jungen Wehrpflichtigen tun.
Deshalb will ich dem Parlament die Fakten nennen: Erstens. Wir haben zum 1. Oktober dieses Jahres das doppelte Verpflegungsgeld an allen Feiertagen sowie an Samstagen und Sonntagen wieder eingeführt. Das macht für jeden Wehrpflichtigen 50 DM im Monat aus und kostet den Bundeshaushalt 90 Millionen DM.
Zweitens. Mobilitätszulage. Mehr als jeder zweite ist davon positiv betroffen. Kosten: über 100 Millionen DM.
Drittens. Verbesserung der Beförderungsintervalle. Das heißt, zukünftig wird man nach drei Monaten Gefreiter. Das macht für den jungen Mann im Monat 50 DM mehr aus. Kosten für den Bundeshaushalt: 60 Millionen DM.
Viertens - eine alte Forderung -: Vorziehen des Freizeitausgleichs oder des finanziellen Ausgleichs auf den vierten Monat. Kosten: wiederum 50 Millionen DM.
Unter Berücksichtigung dessen, daß wir Weihnachtsgeld und Entlassungsgeld den kürzeren Zeiten anpassen, bedeutet dies für die jungen Wehrpflichtigen ein Mehr von über 300 Millionen DM netto im Jahr. Ich finde, es gehört zur Redlichkeit, hier die Dinge beim Namen zu nennen und nicht so zu tun, als ob wir etwas täten, was gar nicht hinter der Sache gesteckt hat. 300 Millionen DM sind ja wohl ein Wort. Ich finde, das könnte auch die Opposition einmal würdigen.
({0})
Herr Kollege Kastning.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht mehr gemeldet, wenn Herr Augustinowitz seine Ausführungen nicht so eingeleitet hätte, daß man den Eindruck bekommen konnte, ich hätte Behauptungen aufgestellt, die er zu widerlegen versuchen müßte.
Ich bin ganz sicher, daß ich hier nicht gesagt habe, es sei für die Grundwehrdienstleistenden überhaupt nichts Positives geschehen. Ich habe Ihnen vorgeworfen, daß Sie differenzieren - um es sehr seriös auszudrücken -, und habe überspitzt gesagt, daß Sie die Wehrdienstleistenden in Gruppen einteilen, um nicht zu sagen: einen Keil dazwischentreiben.
Was Sie wollen, ist zwar eine Besserstellung - dagegen ist nichts einzuwenden -, aber Sie nutzen diese Besserstellung zugleich zu einer Differenzierung. Das ist das Übel. Sie weigern sich, auch etwas für die zu tun, die bei Ihnen jetzt nicht bei der Auszahlung von Geld erfaßt sind, und zwar beim Mobilitätszuschlag.
Es ist nach drei Jahren doch wohl Ihre Pflicht und Schuldigkeit, eine Überprüfung vorzunehmen und zu beschließen, daß der allgemeine Wehrsold angepaßt wird. Sonst dürfen Sie sich nicht wundem, daß draußen Diskussionen laufen, die Sie selbst nicht mehr in den Griff bekommen.
Im übrigen möchte ich betonen, meine Damen und Herren: Es gibt Dinge, die wir auch gemeinsam gemacht haben. Das ist nicht zu bestreiten. Herr Augustinowitz, Sie hätten der Vollständigkeit halber sagen sollen, daß Sie das doppelte Verpflegungsgeld zwar eingeführt haben, nicht aber neu eingeführt haben.
Sie hatten es nämlich, wenn ich mich recht erinnere, vor 1993 oder 1992 gestrichen und führen es jetzt wieder ein. Das ist ein „wunderbarer Erfolg". Dem will ich nicht widersprechen.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Stephan Hilsberg, SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Paul Krüger, Sie sind doch Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten. Neulich haben Sie sich darüber beschwert, daß Sie von Ihrer eigenen Fraktion über den Tisch gezogen wurden. Nach Ihrer Rede - das muß ich sagen - kann ich das verstehen.
({0})
Denn statt ihnen in kräftiger Interessenvertretung ostdeutscher Belange kräftig in den Hintern zu blasen, reden Sie ihnen nach dem Mund. Sie reden einen Haushalt schön, der Ostdeutschland viel zuwenig hilft und die Probleme, die wir in Ostdeutschland haben, noch nicht einmal richtig beim Namen nennt.
({1})
Sie müssen doch wissen, wie die Finanzentwicklung ist: Die Schere zwischen Ost und West klafft weiter auseinander - sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen. Ostdeutschland hat von dem Kuchen des Solidarpakts so gut wie gar nichts abbekommen.
Wenn Sie in Ostdeutschland fragen, ob man dort in der Lage ist, aus dem Tal aus eigener Kraft herauszukommen, sagt Ihnen jeder Experte, daß dies nicht der Fall ist. Die ostdeutschen Kommunen haben höhere Lasten, die ostdeutschen Länder haben höhere Lasten. Da nützt es überhaupt nichts, wenn Sie hier Krokodilstränen wegen der hohen Pro-Kopf-Verschuldung vergießen.
({2})
Ihr Haushalt hat nichts dazu beigetragen, daß den ostdeutschen Kommunen und Ländern wirklich geholfen werden kann. Statt dessen kürzen Sie die ostdeutschen Fördermittel. Ich sage Ihnen, Herr Krüger: Jammern und kürzen, damit können Sie Ostdeutschland nicht helfen. Kürzen ist immerhin noch ein bißchen mehr, als die PDS tut; die PDS jammert nur. Aber ansonsten können Sie sich mit denen wirklich in ein Boot setzen.
({3})
Ich will das an einem Beispiel zeigen. Wenn Sie durch Ostberlin fahren, sehen Sie, daß dort ein Bürohaus neben dem anderen entsteht. Wer befindet sich in diesen Häusern? Niemand. Die Bürohäuser werden nicht genutzt. Investitionen in Projekte, die nicht genutzt werden, bringen uns auch nichts. Dann ist es
in der Tat sehr viel besser, das Geld in Investitionen für anderes zu stecken.
Auch die Forschungsförderung kommt viel zu kurz. Sie selber, Ihre eigene Regierung, sind mit dafür verantwortlich, daß über 90 Prozent der außeruniversitären Forschungskapazität in Ostdeutschland kaputtgegangen sind. Jetzt gibt es Krokodilstränen, weil wir zuwenig Kapazität haben.
Als verlängerte Werkbank hat Ostdeutschland keine Zukunft. Es hat nur mit einer starken Forschungsförderung, mit Innovationen in Software und Hardware eine Zukunft. Alle Signale, die es in diesem Bereich zur Zeit gibt, verdeutlichen, daß die Unternehmen überlegen, ob sie sich nicht zurückziehen. Was sagt man bei Mercedes denn in puncto Ludwigsfelde? Rückzug ist die alarmierende Meldung. Mit Ihrem Haushalt werden Sie dieser Situation nicht gerecht. Ostdeutschland ist bei weitem noch nicht über den Berg.
({4})
Die finanzielle Situation für Ostdeutschland ist dramatisch. Es wird nicht nur finanzielle Auswirkungen geben, es wird nicht nur die Gefahr drohen, daß die soziale und wirtschaftliche Schranke zwischen Ost- nd Westdeutschland bestehen bleibt, sondern es wird auch politische Auswirkungen geben. Sie tragen die Verantwortung dafür.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zum Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Gruppe PDS vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/2902? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/2914? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 04 in der Ausschußfassung. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird später bekanntgegeben.*)
*) Seite 5802A
Wir könnten theoretisch die Beratung fortsetzen, praktisch jedoch nur, wenn Sie Platz nehmen. Wenn Sie es wünschen, kann ich die Sitzung gern für eine Viertelstunde unterbrechen. - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich Sie noch einmal, Platz zu nehmen.
Ich rufe den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - auf. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und zwei Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2886? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.
Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2887. Dazu hat zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung der Kollege Kuhlwein das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit ihrem Antrag auf Drucksache 13/ 2887 einen Antrag von uns abgeschrieben, den wir im Haushaltsausschuß bei der normalen Beratung des Einzelplans 05 gestellt hatten. Dieser Antrag wurde von der Koalition im Haushaltsausschuß abgelehnt.
Ich bleibe bei meiner Position. Auch meine Fraktion vertritt diese Position nach Ihren Beschlüssen. Dennoch werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten, weil dieser Haushalt auch durch noch so gutgemeinte Korrekturen nicht zu retten ist. Ich gehe davon aus, daß das viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion genauso sehen.
Schönen Dank.
({0})
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2887? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS und einzelne Stimmen aus der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung des größeren Teils der SPD-Fraktion abgelehnt.
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/ 2909. Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS mit den Stimmen aller anderen Fraktionen des Hauses abgelehnt.
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/ 2910. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Wer stimmt für den Einzelplan 05 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen zum Einzelplan 14, Bundesministerium der Verteidigung. Dazu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Ich muß erst einmal etwas klären. Herr Kollege Struck, ich habe eine Wortmeldung, aber ich weiß nicht, zu welchem Antrag.
({0})
- Dann behandeln wir diese Drucksache zuerst.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung hat Kollege Struck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei diesem Antrag um die Bewilligung von Mitteln für den Eurofighter. Ich will für die Bundestagsfraktion der SPD erklären, daß wir bisher keine einzige Mark für die Entwicklungskosten dieses Projektes bereitgestellt haben und bei dieser Meinung auch bleiben werden. Ich will gleichzeitig erklären, daß wir angesichts des desolaten Zustands des Bundeshaushalts und angesichts der schlampigen Arbeit, die Finanzminister Waigel vorgelegt hat - Herr Waigel, in Klammern sage ich: Sie sind nach dem, was Sie hier vorgelegt haben, für mich der schlechteste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland;
({0})
ich weiß, daß Ihnen das nicht gefällt, aber das ist so; Sie sind noch schlechter als Rolf Dahlgrün und andere -,
({1})
gar keinen Sinn darin sehen, hier durch Umschichtung - das ist Ziel des Antrags der Grünen - irgend etwas zu erreichen.
({2})
In einem 20-Milliarden-DM-Loch kann man nichts umschichten. Man kann nur sagen: Der gesamte Haushalt ist Mist. Wir werden den Haushalt am Freitag entsprechend bescheiden und ablehnen.
Hier geht es jetzt nur darum, daß wir deutlich feststellen: Dieses Spielchen werden wir nicht machen. Wir werden uns bei allen Anträgen, die vorgelegt werden, der Stimme enthalten, weil es keinen Sinn hat, sich weiter mit diesem Haushalt zu beschäftigen.
({3})
Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag auf Drucksache 13/ 2885 ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung.
Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. )
Wir setzen die Beratung mit der gleichen Mahnung wie zuvor fort. Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. - Wir setzen die Beratung fort und kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2888. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Gruppe der PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2899? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion und der Gruppe PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2900? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/2908? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Gruppe PDS abgelehnt.
Über den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung können wir erst abstimmen, wenn das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag vorliegt.
Ich kann Ihnen aber jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Jahr 1996, Einzelplan 04, mitteilen: Abgegebene Stimmen 651. Mit Ja haben gestimmt 335, mit Nein 316; keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
*) Seite 5807 A
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Endgültiges Ergebnis Michaela Geiger Dr. Norbert Lammert Roland Richter
Norbert Geis Helmut Lamp Roland Richwien
Abgegebene Stimmen: 652; Dr. Heiner Geißler Armin Laschet Dr. Norbert Rieder
davon: Michael Glos Herbert Lattmann Dr. Erich Riedl ({0})
ja: 336 Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Klaus Riegert
Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann Dr. Heinz Riesenhuber
nein: 316 Peter Götz Werner Lensing Hannelore Rönsch
Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer ({1})
Ja Joachim Gres Peter Letzgus Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Kurt-Dieter Grill Editha Limbach Dr. Klaus Rose
Wolfgang Gröbl Walter Link ({2}) Kurt J. Rossmanith
Hermann Gröhe Eduard Lintner Adolf Roth ({3})
CDU/CSU Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold Norbert Röttgen
Manfred Grund ({4}) Dr. Christian Ruck
Ulrich Adam Horst Günther({5}) Dr. Manfred Lischewski Volker Rühe
({6})
Peter Altmaier Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Dr. Jürgen Rüttgers
Anneliese Augustin Hammerstein ({7}) Roland Sauer ({8})
Jürgen Augustinowitz g g Gottfried Haschke Julius Louven Ortrun Schätzle
Dietrich Austermann ({9}) Sigrun Löwisch Dr. Wolfgang Schäuble
({10})
Bargfrede Gerda Hasselfeldt Heinrich Lummer Hartmut Schauerte
Franz Peter Basten Rainer Haungs Dr. Michael Luther Heinz Schemken
g
Dr. Wolf Bauer Otto Hauser ({11}) Erich Maaß ({12}) Karl-Heinz Scherhag
Brigitte Baumeister Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo Gerhard Scheu
Meinrad Belle ({13}) Erwin Marschewski Norbert Schindler
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Dietmar Schlee
Hans-Dirk Bierling Manfred Heise Dr. Martin Mayer Ulrich Schmalz
DDr. Joseph-Theodor Blank Dr. Joseph-Theodor Dr. Renate Hellwig ({14}) Bernd Schmidbauer
g
Blank Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg Christian Schmidt ({15})
Dr. Heribert Blens Peter Hintze Rudolf Meinl Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Peter Bleser Josef Hollerith Dr. Michael Meister ({16})
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Angela Merkel Andreas Schmidt ({17})
Dr. Maria Böhmer Siegfried Hornung Joachim Hörster Friedrich Merz Hans-Otto Schmiedeberg
Jochen Borchert Hubert Hüppe Rudolf Meyer ({18}) Hans Peter Schmitz
Wolfgang Börnsen ({19}) Peter Jacoby Hans Michelbach ({20})
Wolfgang Bosbach Susanne Jaffke Meinolf Michels Michael von Schmude
Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Dr. Gerd Müller Birgit Schnieber-Jastram
Klaus Brähmig Helmut Jawurek Elmar Müller ({21}) Dr. Andreas Schockenhoff
Rudolf Braun ({22}) Dr. Dionys Jobst Engelbert Nelle Dr. Rupert Scholz
Paul Breuer Dr.-Ing. Rainer Jork Bernd Neumann ({23}) Reinhard Freiherr von
Monika Brudlewsky Michael Jung ({24}) Johannes Nitsch Schorlemer
Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Claudia Nolte Dr. Erika Schuchardt
Klaus Bühler ({25}) Dr. Egon Jüttner Dr. Rolf Olderog Wolfgang Schulhoff
Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl Friedhelm Ost Dr. Dieter Schulte
({26}) Bartholomäus Kalb Eduard Oswald ({27})
Dankward Buwitt Steffen Kampeter Norbert Otto ({28}) Gerhard Schulz ({29})
Manfred Carstens ({30}) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Gerhard Päselt Frederick Schulze
Peter Harry Carstensen Manfred Kanther Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze ({31})
({32}) Irmgard Karwatzki Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe
Wolfgang Dehnel Volker Kauder Ulrich Petzold Dr. Christian SchwarzHubert Deittert Peter Keller Anton Pfeifer Schilling
Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden Angelika Pfeiffer Wilhelm-Josef Sebastian
Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Dr. Gero Pfennig Horst Seehofer
Renate Diemers Hans Klein ({33}) Dr. Friedbert Pflüger Wilfried Seibel
Wilhelm Dietzel Ulrich Klinkert Beatrix Philipp Heinz-Georg Seiffert
Werner Dörflinger Dr. Helmut Kohl Dr. Winfried Pinger Rudolf Seiters
Hansjürgen Doss Hans-Ulrich Köhler Ronald Pofalla Johannes Selle
Dr. Alfred Dregger ({34}) Dr. Hermann Pohler Bernd Siebert
Maria Eichhorn Manfred Kolbe Ruprecht Polenz Jürgen Sikora
Wolfgang Engelmann Norbert Königshofen Marlies Pretzlaff Johannes Singhammer
Rainer Eppelmann Eva-Maria Kors Dr. Albert Probst Bärbel Sothmann
Heinz Dieter Eßmann Hartmut Koschyk Dr. Bernd Protzner Margarete Späte
Horst Eylmann Manfred Koslowski Dieter Pützhofen Carl-Dieter Spranger
Anke Eymer Thomas Kossendey Thomas Rachel Wolfgang Steiger
Ilse Falk Rudolf Kraus Hans Raidel Erika Steinbach
Dr, Kurt Faltlhauser Wolfgang Krause ({35}) Dr. Peter Ramsauer Dr. Wolfgang Freiherr von
Jochen Feilcke Andreas Krautscheid Rolf Rau Stetten
Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner Helmut Rauber Dr. Gerhard Stoltenberg
Ulf Fink Heinz-Jürgen Kronberg Peter Harald Rauen Andreas Storm
Dirk Fischer ({36}) Dr.-Ing. Paul Krüger Otto Regenspurger Max Straubinger
Leni Fischer ({37}) Reiner Krziskewitz Christa Reichard ({38}) Michael Stübgen
Klaus Francke ({39}) Dr. Hermann Kues Klaus Dieter Reichardt Egon Susset
Herbert Frankenhauser Werner Kuhn ({40}) Dr. Rita Süssmuth
Dr. Gerhard Friedrich Karl Lamers Dr. Bertold Reinartz Michael Teiser
Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Erika Reinhardt Dr. Susanne Tiemann
Hans-Joachim Fuchtel ({41}) Hans-Peter Repnik Dr. Klaus Töpfer
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Gottfried Tröger Nein Uwe Hiksch Dr. Martin Pfaff
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Reinhold Hiller ({42}) Georg Pfannenstein
Gunnar Uldall Stephan Hilsberg Dr. Eckhart Pick
Dr. Horst Waffenschmidt SPD Gerd Höfer Joachim Poß
Dr. Theodor Waigel Jelena Hoffmann ({43}) Rudolf Purps
Alois Graf von Waldburg-Zeil Brigitte Adler Frank Hofmann ({44}) Hermann Rappe
Dr. Jürgen Warnke Gerd Andres Ingrid Holzhüter ({45})
Kersten Wetzel Robert Antretter Erwin Horn Karin Rehbock-Zureich
Hans-Otto Wilhelm ({46}) Hermann Bachmaier Eike Hovermann Margot von Renesse
Gert Willner Ernst Bahr Lothar Ibrügger Renate Rennebach
Bernd Wilz Doris Barnett Wolfgang Ilte Otto Reschke
Willy Wimmer ({47}) Klaus Barthel Barbara Imhof Bernd Reuter
Matthias Wissmann Ingrid Becker-Inglau Brunhilde Irber Dr. Edelbert Richter
Simon Wittmann Wolfgang Behrendt Gabriele Iwersen Günter Rixe
({48}) Hans Berger Renate Jäger Reinhold Robbe
Dagmar Wöhrl Hans-Werner Bertl Jann-Peter Janssen Gerhard Rübenkönig
Michael Wonneberger Friedhelm Julius Beucher Ilse Janz Dr. Hansjörg Schäfer
Elke Wülfing Rudolf Bindig Dr. Uwe Jens Gudrun Schaich-Walch
Peter Kurt Würzbach Lilo Blunck Volker Jung ({49}) Dieter Schanz
Cornelia Yzer Dr. Ulrich Böhme ({50}) Sabine Kaspereit Rudolf Scharping
Wolfgang Zeitlmann Arne Börnsen ({51}) Susanne Kastner Bernd Scheelen
Anni Brandt-Elsweier Ernst Kastning Siegfried Scheffler
Benno Zierer Tilo Braune Hans-Peter Kemper Horst Schild
Wolfgang Zöller Dr. Eberhard Brecht Klaus Kirschner Otto Schily
Edelgard Bulmahn Marianne Klappert Dieter Schloten
Ursula Burchardt Siegrun Klemmer Günter Schluckebier
F.D.P. Hans Martin Bury Hans-Ulrich Klose Horst Schmidbauer
Hans Büttner ({52}) Dr. Hans-Hinrich Knaape ({53})
Ina Albowitz Marion Caspers-Merk Walter Kolbow Ursula Schmidt ({54})
Dr. Gisela Babel Wolf-Michael Catenhusen Fritz Rudolf Körper Dagmar Schmidt ({55})
Hildebrecht Braun Peter Conradi Nicolette Kressl Wilhelm Schmidt ({56})
({57}) Dr. Herta Däubler-Gmelin Volker Kröning Regina Schmidt-Zadel
Günther Bredehorn Christel Deichmann Thomas Krüger Heinz Schmitt ({58})
Jörg an Essen Karl Diller Horst Kubatschka Dr. Emil Schnell
Dr. Olaf Feldmann Peter Dreßen Eckart Kuhlwein Walter Schöler
Gisela Frick Rudolf Dreßler Konrad Kunick Ottmar Schreiner
Horst Friedrich Freimut Duve Christine Kurzhals Gisela Schröter
Rainer Funke Ludwig Eich Dr. Uwe Küster Dr. Mathias Schubert
Hans-Dietrich Genscher Peter Enders Werner Labsch Richard Schuhmann
Dr. Wolfgang Gerhardt Gernot Erler Brigitte Lange ({59})
Joachim Günther ({60}) Petra Ernstberger Detlev von Larcher Brigitte Schulte ({61})
Dr. Karlheinz Guttmacher Annette Faße Waltraud Lehn Volkmar Schultz ({62})
Dr. Helmut Haussmann Elke Ferner Robert Leidinger Ilse Schumann
Ulrich Heinrich Lothar Fischer ({63}) Klaus Lennartz Dr. R. Werner Schuster
Walter Hirche Gabriele Fograscher Dr. Elke Leonhard Dietmar Schütz ({64})
Dr. Burkhard Hirsch Iris Follak Klaus Lohmann ({65}) Dr. Angelica Schwall-Düren
Birgit Homburger Norbert Formanski Christa Lörcher Ernst Schwanhold
Dr. Werner Hoyer Dagmar Freitag Erika Lotz Rolf Schwanitz
Ulrich Irmer Anke Fuchs ({66}) Dr. Christine Lucyga Bodo Seidenthal
Dr. Klaus Kinkel Katrin Fuchs ({67}) Dieter Maaß ({68}) Lisa Seuster
Detlef Kleinert ({69}) Arne Fuhrmann Winfried Mante Horst Sielaff
Roland Kohn Monika Ganseforth Dorle Marx Erika Simm
Dr. Heinrich L. Kolb Norbert Gansel Ulrike Mascher Johannes Singer
Jürgen Koppelin Konrad Gilges Christoph Matschie Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Iris Gleicke Ingrid Matthäus-Maier Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Dr. Otto Graf Lambsdorff Günter Gloser Heide Mattischeck Wieland Sorge
Heinz Lanfermann Dr. Peter Glotz Markus Meckel Wolfgang Spanier
Sabine Leutheusser- Günter Graf ({70}) Ulrike Mehl Dr. Dietrich Sperling
Schnarrenberger Angelika Graf ({71}) Angelika Mertens Jörg-Otto Spiller
Dieter Grasedieck Dr. Jürgen Meyer ({72}) Antje-Marie Steen
Uwe Lühr Achim Großmann Ursula Mogg Ludwig Stiegler
Günther Friedrich Nolting Karl Hermann Haack Siegmar Mosdorf Dr. Peter Struck
Dr. Rainer Ortleb ({73}) Michael Müller ({74}) Joachim Tappe
Lisa Peters Hans-Joachim Hacker Jutta Müller ({75}) Jörg Tauss
Dr. Günter Rexrodt Klaus Hagemann Christian Müller ({76}) Dr. Bodo Teichmann
Dr. Klaus Röhl Manfred Hampel Volker Neumann ({77}) Jella Teuchner
Helmut Schäfer ({78}) Christel Hanewinckel Gerhard Neumann ({79}) Dr. Gerald Thalheim
Cornelia Schmalz-Jacobsen Alfred Hartenbach Dr. Edith Niehuis Wolfgang Thierse
Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Liesel Hartenstein Dr. Rolf Niese Dietmar Thieser
Dr. Hermann Otto Solms Klaus Hasenfratz Günter Oesinghaus Franz Thönnes
Dr. Max Stadler Dr. Ingomar Hauchler Leyla Onur Uta Titze-Stecher
Carl-Ludwig Thiele Dieter Heistermann Manfred Opel Adelheid Tröscher
Dr. Dieter Thomae Reinhold Hemker Adolf Ostertag Hans-Eberhard Urbaniak
Jürgen Türk Rolf Hempelmann Kurt Palis Siegfried Vergin
Dr. Wolfgang Weng Dr. Barbara Hendricks Albrecht Papenroth Günter Verheugen
({80}) Monika Heubaum Dr. Willfried Penner Ute Vogt ({81})
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Karsten D. Voigt ({82}) Cem Özdemir
Hans Georg Wagner Gerd Poppe
Hans Wallow Simone Probst
Dr. Konstanze Wegner Dr. Jürgen Rochlitz
Wolfgang Weiermann Halo Saibold
Reinhard Weis ({83}) Christine Scheel
Matthias Weisheit Irmingard Schewe-Gerigk
Gunter Weißgerber Rezzo Schlauch
Gert Weisskirchen ({84}) Albert Schmidt ({85})
Jochen Welt Wolfgang Schmitt
Hildegard Wester ({86})
Lydia Westrich Ursula Schönberger
Inge Wettig-Danielmeier Werner Schulz ({87})
Dr. Norbert Wieczorek Rainder Steenblock
Helmut Wieczorek ({88}) Christian Sterzing
Heidemarie Wieczorek-Zeul Manfred Such
Dieter Wiefelspütz Dr. Antje Vollmer
Berthold Wittich Ludger Volmer
Dr. Wolfgang Wodarg Helmut Wilhelm ({89})
Verena Wohlleben Margareta Wolf ({90})
Hanna Wolf ({91})
Heidi Wright
Uta Zapf PDS
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Gila Altmann ({92}) Heinrich Graf von Einsiedel
Elisabeth Altmann Dr. Ludwig Elm
({93}) Dr. Dagmar Enkelmann
Volker Beck ({94}) Dr. Ruth Fuchs
Angelika Beer Dr. Gregor Gysi
Matthias Berninger Dr. Uwe-Jens Heuer
Annelie Buntenbach Dr. Barbara Höll
Amke Dietert-Scheuer Dr. Willibald Jacob
Franziska Eichstädt-Bohlig Ulla Jelpke
Dr. Uschi Eid Gerhard Jüttemann
Andrea Fischer ({95}) Dr. Heidi Knake-Werner
Joseph Fischer ({96}) Rolf Köhne
Rita Grießhaber Rolf Kutzmutz
Antje Hermenau Andrea Lederer
Kristin Heyne Dr. Christa Luft
Ulrike Höfken Heidemarie Lüth
Michaele Hustedt Dr. Günther Maleuda
Dr. Manuel Kiper Manfred Müller ({97})
Dr. Angelika Köster-Loßack Rosel Neuhäuser
Steffi Lemke Dr. Uwe-Jens Rössel
Vera Lengsfeld Christina Schenk
Dr. Helmut Lippelt Steffen Tippach
Oswald Metzger Klaus-Jürgen Warnick
Kerstin Müller ({98}) Dr. Winfried Wolf
Winfried Nachtwei Gerhard Zwerenz
Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe jetzt zunächst die Tagesordnungspunkte III a bis i sowie die Zusatzpunkte 1 a und b auf:
III a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes
- Drucksache 13/2687 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({99})
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß sowie über den Bau und den Umbau einer Grenzbrücke im Raum Forst und Erlenholz ({100})
- Drucksache 13/2688 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr ({101}) Finanzausschuß
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Erhaltung der Grenzbrücken im Zuge der deutschen Bundesfernstraßen und der polnischen Landesstraßen an der deutsch-polnischen Grenze
- Drucksache 13/2689 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr ({102}) Finanzausschuß
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. März 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Zusammenschluß der deutschen Bundesstraße B 97 und der polnischen Landesstraße 274 sowie über den Bau einer Grenzbrücke im Raum Guben und Gubinek
- Drucksache 13/2690 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr ({103}) Finanzausschuß
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes
- Drucksache 13/2713 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({104}) Ausschuß für Wirtschaft
f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlagerung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig
- Drucksache 13/2714 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({105})
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
g) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes
- Drucksache 13/2904 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({106})
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
h) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der von den britischen Streitkräften freigegebenen bundeseigenen Wohnsiedlung in Werl
- Drucksache 13/2650 -
Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
i) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Leipzig, Essener Straße 1-3, an den Freistaat Sachsen
- Drucksache 13/2678 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
ZP1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
({107})
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
- Drucksache 13/2838 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({108})
Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
b) Beratung des Antrags der Gruppe der PDS
Grundrechte für die in der Europäischen Union lebenden Menschen
- Drucksache 13/2457 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({109})
Auswärtiger Ausschuß
Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu den Abkommen mit der Republik Polen über Straßenbauprojekte auf den Drucksachen 13/ 2688 bis 13/2690 sollen zusätzlich zur Mitberatung dem Finanzausschuß überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte IVa und b sowie IV e bis i auf:
Abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes ({110})
- Drucksache 13/192 - ({111})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({112})
- Drucksache 13/1583 -
Berichterstattung: Abgeordnete Annette Faße
b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994
- Drucksache 13/1667 - ({113})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({114})
- Drucksache 13/2648 -
Berichterstattung: Abgeordnete Sabine Kaspereit
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({115}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Filmförderungsgesetz
- Drucksachen 13/1666, 13/1899 Nr. 2, 13/ 2647 Berichterstattung:
Abgeordneter Wolfgang Börnsen ({116})
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({117})
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Erfahrungen mit der befristeten umsatzsteuerlichen Übergangsregelung und den Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Warenverkehr sowie über den Stand der Bemühungen, zu einer endgültigen Umsatzsteuer-Regelung im europäischen Binnenmarkt zu kommen
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
- zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
Funktionieren der MwSt-Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr
- Drucksachen 12/8221, 13/725 Nr. 62, 13/ 1097, 13/1096 Nr. 2.1, 13/2673 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Detlev von Larcher Johannes Selle
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({118}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 1113 Titel 64611 - Erstattung des Sozialzuschlags für Rentenempfänger in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet
- Drucksachen 13/2096, 13/2275 Nr. 1.6, 13/ 2762 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel Ina Albowitz
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({119})
Sammelübersicht 73 zu Petitionen
- Drucksache 13/2765 -
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({120})
Sammelübersicht 74 zu Petitionen
- Drucksache 13/2766 Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes auf Drucksache 13/ 192. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/1583, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/192 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Internationalen Kaffee-Übereinkommen auf Drucksache 13/1667. Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/2648, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt IVe: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Bericht der Bundesregierung zum Filmförderungsgesetz auf Drucksache 13/2647. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion der SPD und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt IV f: Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung zur Umsatzsteuer-Regelung im europäischen Binnenmarkt und zum Bericht der Europäischen Union zur Mehrwertsteuer-Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr auf Drucksache 13/2673. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt IV g: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu überplanmäßigen Ausgaben bei der Erstattung des Sozialzuschlags für Rentenempfänger im Beitrittsgebiet auf den Drucksachen 13/2096 und 13/2762. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt IV h: Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 13/2765. Das ist die Sammelübersicht 73. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen.
Tagesordnungspunkt IVi: Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 13/2766. Das ist die Sammelübersicht 74. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS angenommen.
Ich gebe Ihnen jetzt zu Einzelplan 14 das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1996 auf Drucksache 13/2885, bekannt. Abgegebene Stimmen 646. Mit Ja haben gestimmt 91. Mit Nein haben gestimmt 338. Enthaltungen 217. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Endgültiges Ergebnis Rainder Steenblock Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl
Christian Sterzing ({121}) Bartholomäus Kalb
Abgegebene Stimmen: 646; Manfred Such Dankward Buwitt Steffen Kampeter
davon: Dr. Antje Vollmer Manfred Carstens ({122}) Dr.-Ing. Dietmar Kansy
ja: 91 Ludger Volmer Peter Harry Carstensen Manfred Kanther
Helmut Wilhelm ({123}) ({124}) Irmgard Karwatzki
nein: 338 Margareta Wolf ({125}) Wolfgang Dehnel Volker Kauder
enthalten: 217 Hubert Deittert Peter Keller
Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden
PDS Albert Deß Dr. Bernd Klaußner
Ja Renate Diemers Hans Klein ({126})
Wolfgang Bierstedt Wilhelm Dietzel Ulrich Klinkert
Petra Bläss Werner Dörflinger Dr. Helmut Kohl
SPD Maritta Böttcher Hansjürgen Doss Hans-Ulrich Köhler
Eva Bulling-Schröter Dr. Alfred Dregger ({127})
Hans-Werner Bertl Heinrich Graf von Einsiedel Maria Eichhorn Manfred Kolbe
Friedhelm Julius Beucher Dr. Ludwig Elm Wolfgang Engelmann Norbert Königshofen
Rudolf Bindig Dr. Dagmar Enkelmann Rainer Eppelmann Eva-Maria Kors
Peter Conradi Dr. Ruth Fuchs Heinz Dieter Eßmann Hartmut Koschyk
Peter Dreßen Dr. Gregor Gysi Horst Eylmann Manfred Koslowski
Ludwig Eich Dr. Uwe-Jens Heuer Anke Eymer Thomas Kossendey
Christel Hanewinckel Dr. Barbara Höll Ilse Falk Rudolf Kraus
Uwe Hiksch Dr. Willibald Jacob Dr. Kurt Faltlhauser Wolfgang Krause ({128})
Nicolette Kressl Ulla Jelpke Jochen Feilcke Andreas Krautscheid
Detlev von Larcher Gerhard Jüttemann Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner
Christa Lörcher Dr. Heidi Knake-Werner Ulf Fink Heinz-Jürgen Kronberg
Otto Reschke Rolf Köhne Dirk Fischer ({129}) Dr.-Ing. Paul Krüger
Dr. Hansjörg Schäfer Rolf Kutzmutz Leni Fischer ({130}) Reiner Krziskewitz
Dagmar Schmidt ({131}) Andrea Lederer Klaus Francke ({132}) Dr. Hermann Kues
Heinz Schmitt ({133}) Dr. Christa Luft Herbert Frankenhauser Werner Kuhn
Dr. Angelica Schwall-Düren Heidemarie Lüth Dr. Gerhard Friedrich Karl Lamers
Horst Sielaff Dr. Günther Maleuda Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers
Hans Wallow Manfred Müller ({134}) Hans-Joachim Fuchtel ({135})
Gert Weisskirchen ({136}) Rosel Neuhäuser Michaela Geiger Dr. Norbert Lammert
Dr. Uwe-Jens Rössel Norbert Geis Helmut Lamp
Christina Schenk Dr. Heiner Geißler Armin Laschet
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Michael Glos Herbert Lattmann
Steffen Tippach Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs
Gila Altmann ({137}) Klaus-Jürgen Warnick Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann
Elisabeth Altmann Dr. Winfried Wolf Peter Götz Werner Lensing
({138}) Gerhard Zwerenz Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer
Volker Beck ({139}) Joachim Gres Peter Letzgus
Angelika Beer Nein Kurt-Dieter Grill Editha Limbach
Matthias Berninger Wolfgang Gröbl Walter Link ({140})
Annelie Buntenbach Hermann Gröhe Eduard Lintner
Amke Dietert-Scheuer Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold
Franziska Eichstädt-Bohlig CDU/CSU Manfred Grund ({141})
Dr. Uschi Eid Horst Günther ({142}) Dr. Manfred Lischewski
Andrea Fischer ({143}) Ulrich Adam Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann
Joseph Fischer ({144}) Peter Altmaier Hammerstein ({145})
Rita Grießhaber Anneliese Augustin Gottfried Haschke Julius Louven
Antje Hermenau Jürgen Augustinowitz ({146}) Sigrun Löwisch
Kristin Heyne Heinz-Günter Bargfrede Gerda Hasselfeldt Heinrich Lummer
Ulrike Höfken Franz Peter Basten Rainer Haungs Dr. Michael Luther
Michaele Hustedt Dr. Wolf Bauer Otto Hauser ({147}) Erich Maaß ({148})
Dr. Manuel Kiper Brigitte Baumeister Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo
Dr. Angelika Köster-Loßack Meinrad Belle ({149}) Erwin Marschewski
Steffi Lemke Dr. Sabine Bergmann-Pohl Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten
Vera Lengsfeld Hans-Dirk Bierling Manfred Heise Dr. Martin Mayer
Dr. Helmut Lippelt Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Renate Hellwig ({150})
Oswald Metzger Renate Blank Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg
Kerstin Müller ({151}) Dr. Heribert Blens Peter Hintze Rudolf Meinl
Winfried Nachtwei Peter Bleser Josef Hollerith Dr. Michael Meister
Cem Özdemir Dr. Norbert Blüm Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Angela Merkel
Gerd Poppe Friedrich Bohl Siegfried Hornung Friedrich Merz
Simone Probst Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Rudolf Meyer ({152})
Dr. Jürgen Rochlitz Jochen Borchert Hubert Hüppe Hans Michelbach
Halo Saibold Wolfgang Börnsen ({153}) Peter Jacoby Meinolf Michels
Christine Scheel Wolfgang Bosbach Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller
Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Elmar Müller ({154})
Rezzo Schlauch Klaus Brähmig Helmut Jawurek Engelbert Nelle
Albert Schmidt ({155}) Rudolf Braun ({156}) Dr. Dionys Jobst Bernd Neumann ({157})
Wolfgang Schmitt Paul Breuer Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch
({158}) Monika Brudlewsky Michael Jung ({159}) Claudia Nolte
Ursula Schönberger Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Dr. Rolf Olderog
Werner Schulz ({160}) Klaus Bühler ({161}) Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Eduard Oswald Gerhard Schulz ({162}) Rainer Funke Iris Follak
Norbert Otto ({163}) Frederick Schulze Hans-Dietrich Genscher Norbert Formanski
Dr. Gerhard Päselt Diethard Schütze ({164}) Dr. Wolfgang Gerhardt Dagmar Freitag
Dr. Peter Paziorek Clemens Schwalbe Joachim Günther ({165}) Anke Fuchs ({166})
Hans-Wilhelm Pesch Dr. Christian Schwarz- Dr. Karlheinz Guttmacher Arne Fuhrmann
Ulrich Petzold Schilling Dr. Helmut Haussmann Monika Ganseforth
Anton Pfeifer Wilhelm-Josef Sebastian Ulrich Heinrich Konrad Gilges
Angelika Pfeiffer Horst Seehofer Walter Hirche Iris Gleicke
Dr. Gero Pfennig Wilfried Seibel Birgit Homburger Günter Gloser
Dr. Friedbert Pflüger Heinz-Georg Seiffert Dr. Werner Hoyer Dr. Peter Glotz
Beatrix Philipp Rudolf Seiters Ulrich Irmer Günter Graf ({167})
Dr. Winfried Pinger Johannes Selle Dr. Klaus Kinkel Angelika Graf ({168})
Ronald Pofalla Bernd Siebert Detlef Kleinert ({169}) Dieter Grasedieck
Dr. Hermann Pohler Jürgen Sikora Roland Kohn Achim Großmann
Ruprecht Polenz Johannes Singhammer Dr. Heinrich L. Kolb Karl Hermann Haack
Marlies Pretzlaff Bärbel Sothmann Jürgen Koppelin ({170})
Dr. Albert Probst Margarete Späte Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Hans-Joachim Hacker
Dr. Bernd Protzner Carl-Dieter Spranger Dr. Otto Graf Lambsdorff Klaus Hagemann
Dieter Pützhofen Wolfgang Steiger Heinz Lanfermann Manfred Hampel
Thomas Rachel Erika Steinbach Sabine Leutheusser- Alfred Hartenbach
Hans Raidel Dr. Wolfgang Freiherr von Schnarrenberger Dr. Liesel Hartenstein
Dr. Peter Ramsauer Stetten Uwe Lühr Klaus Hasenfratz
Rolf Rau Dr. Gerhard Stoltenberg Günther Friedrich Nolting Dr. Ingomar Hauchler
Helmut Rauber Andreas Storm Dr. Rainer Ortleb Dieter Heistermann
Peter Harald Rauen Max Straubinger Lisa Peters Reinhold Hemker
Otto Regenspurger Michael Stübgen Dr. Günter Rexrodt Rolf Hempelmann
Christa Reichard ({171}) Egon Susset Dr. Klaus Röhl Dr. Barbara Hendricks
Klaus Dieter Reichardt Dr. Rita Süssmuth Helmut Schäfer ({172}) Monika Heubaum
({173}) Michael Teiser Cornelia Schmalz-Jacobsen Reinhold Hiller ({174})
Dr. Bertold Reinartz Dr. Susanne Tiemann Dr. Hermann Otto Solms Stephan Hilsberg
Erika Reinhardt Dr. Klaus Töpfer Dr. Max Stadler Gerd Höfer
Hans-Peter Repnik Gottfried Tröger Carl-Ludwig Thiele Jelena Hoffmann ({175})
Roland Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr. Dieter Thomae Frank Hofmann ({176})
Roland Richwien Gunnar Uldall Jürgen Türk Ingrid Holzhüter
Dr. Norbert Rieder Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Wolfgang Weng Erwin Horn
Dr. Erich Riedl ({177}) Dr. Theodor Waigel ({178}) Eike Hovermann
Klaus Riegert Alois Graf von Waldburg-Zeil Lothar Ibrügger
Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Jürgen Warnke Barbara Imhof
Hannelore Rönsch Kersten Wetzel Enthalten Brunhilde Irber
({179}) Hans-Otto Wilhelm ({180}) Gabriele Iwersen
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Gert Willner Renate Jäger
Dr. Klaus Rose Bernd Wilz SPD Jann-Peter Janssen
Kurt J. Rossmanith Willy Wimmer ({181}) Ilse Janz
Adolf Roth ({182}) Matthias Wissmann Brigitte Adler Volker Jung ({183})
Norbert Röttgen Simon Wittmann Gerd Andres Sabine Kaspereit
Dr. Christian Ruck ({184}) Robert Antretter Susanne Kastner
Volker Rühe Dagmar Wöhrl Hermann Bachmaier Ernst Kastning
Dr. Jürgen Rüttgers Michael Wonneberger Ernst Bahr Hans-Peter Kemper
Roland Sauer ({185}) Elke Wülfing Doris Barnett Klaus Kirschner
Ortrun Schätzle Peter Kurt Würzbach Klaus Barthel Marianne Klappert
Dr. Wolfgang Schäuble Cornelia Yzer Ingrid Becker-Inglau Siegrun Klemmer
Hartmut Schauerte Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Behrendt Dr. Hans-Hinrich Knaape
Heinz Schemken Benno Zierer Hans Berger Walter Kolbow
Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zöller Lilo Blunck Fritz Rudolf Körper
Gerhard Scheu Dr. Ulrich Böhme ({186}) Thomas Krüger
Norbert Schindler Anni Brandt-Elsweier Horst Kubatschka
Dietmar Schlee SPD Tilo Braune Eckart Kuhlwein
Ulrich Schmalz Dr. Eberhard Brecht Konrad Kunick
Bernd Schmidbauer Arne Börnsen ({187}) Edelgard Bulmahn Christine Kurzhals
Christian Schmidt ({188}) Wolfgang Ilte Ursula Burchardt Dr. Uwe Küster
Dr.-Ing. Joachim Schmidt Dr. Uwe Jens Hans Martin Bury Werner Labsch
({189}) Hans-Ulrich Klose Hans Büttner ({190}) Brigitte Lange
Andreas Schmidt ({191}) Gudrun Schaich-Walch Marion Caspers-Merk Waltraud Lehn
Hans-Otto Schmiedeberg Dr. Mathias Schubert Wolf-Michael Catenhusen Robert Leidinger
Hans Peter Schmitz Dr. Herta Däubler-Gmelin Klaus Lennartz
({192}) Christel Deichmann Dr. Elke Leonhard
Michael von Schmude F.D.P. Karl Diller Klaus Lohmann ({193})
Birgit Schnieber-Jastram Rudolf Dreßler Erika Lotz
Dr. Andreas Schockenhoff Ina Albowitz Freimut Duve Dr. Christine Lucyga
Dr. Rupert Scholz Dr. Gisela Babel Peter Enders Dieter Maaß ({194})
Reinhard Freiherr von Hildebrecht Braun Gernot Erler Winfried Mante
Schorlemer ({195}) Petra Ernstberger Dorle Marx
Dr. Erika Schuchardt Günther Bredehom Annette Faße Ulrike Mascher
Wolfgang Schulhoff Jörg van Essen Elke Ferner Christoph Matschie
Dr. Dieter Schulte Gisela Frick Lothar Fischer ({196}) Heide Mattischeck
({197}) Horst Friedrich Gabriele Fograscher Markus Meckel
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Ulrike Mehl Rolf Schwanitz
Angelika Mertens Bodo Seidenthal
Dr. Jürgen Meyer ({198}) Lisa Seuster
Ursula Mogg Erika Simm
Siegmar Mosdorf Johannes Singer
Michael Müller ({199}) Dr. Cornelie SonntagJutta Müller ({200}) Wolgast
Christian Müller ({201}) Wieland Sorge
Volker Neumann ({202}) Wolfgang Spanier
Gerhard Neumann ({203}) Dr. Dietrich Sperling
Dr, Edith Niehuis Jörg-Otto Spiller
Dr. Rolf Niese Antje-Marie Steen
Günter Oesinghaus Ludwig Stiegler
Leyla Onur Dr. Peter Struck
Manfred Opel Joachim Tappe
Adolf Ostertag Jörg Tauss
Kurt Palis Dr. Bodo Teichmann
Albrecht Papenroth Jella Teuchner
Dr. Willfried Penner Dr. Gerald Thalheim
Dr. Martin Pfaff Wolfgang Thierse
Georg Pfannenstein Dietmar Thieser
Dr. Eckhart Pick Franz Thönnes
Joachim Poß Uta Titze-Stecher
Rudolf Purps Adelheid Tröscher
Hermann Rappe Hans-Eberhard Urbaniak
({204}) Siegfried Vergin
Karin Rehbock-Zureich Günter Verheugen
Margot von Renesse Ute Vogt ({205})
Renate Rennebach Karsten D. Voigt ({206})
Bernd Reuter Hans Georg Wagner
Dr. Edelbert Richter Dr. Konstanze Wegner
Günter Rixe Wolfgang Weiermann
Reinhold Robbe Reinhard Weis ({207})
Gerhard Rübenkönig Matthias Weisheit
Dieter Schanz Gunter Weißgerber
Rudolf Scharping Jochen Welt
Bernd Scheelen Hildegard Wester
Siegfried Scheffler Lydia Westrich
Horst Schild Inge Wettig-Danielmeier
Otto Schily Dr. Norbert Wieczorek
Dieter Schloten Helmut Wieczorek
Günter Schluckebier ({208})
Horst Schmidbauer Heidemarie Wieczorek-Zeul
({209}) Dieter Wiefelspütz
Ursula Schmidt ({210}) Berthold Wittich
Wilhelm Schmidt ({211}) Dr. Wolfgang Wodarg
Regina Schmidt-Zadel Verena Wohlleben
Dr. Emil Schnell Hanna Wolf ({212})
Walter Schöler Heidi Wright
Ottmar Schreiner Uta Zapf
Gisela Schröter Dr. Christoph Zöpel
Richard Schuhmann Peter Zumkley
({213})
Brigitte Schulte ({214})
Volkmar Schultz ({215}) F.D.P.
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dr. Olaf Feldmann
Dietmar Schütz ({216}) Dr. Burkhard Hirsch
Ernst Schwanhold Dr. Irmgard Schwaetzer
Wer stimmt jetzt für den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 14 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I. 13 auf: Einzelplan 23
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Drucksachen 13/2620, 13/2626 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Emil Schnell
Jürgen Koppelin
Dazu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Schnell, SPD-Fraktion.
({217})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße all die, die an Entwicklungspolitik interessiert sind, und ich hoffe, daß sich die populistischen Entgleisungen seitens der Koalition vom Vormittag nicht über die weiteren Beratungen ziehen. Ich denke, wir sind eher zur Sachlichkeit aufgerufen.
({0})
Wir hatten zum Einzelplan 23 ein konstruktives Berichterstattergespräch und hatten auch eine vernünftige und gute erste Runde im Haushaltsausschuß. Wir haben in der Tat über jeden Titel, über jede Mark, über jede Umschichtung ernsthaft gestritten, bis uns leider der Finanzminister für die Bereinigungssitzung das sogenannte Waigel-Wischpapier auf den Tisch gelegt hat, ({1})
- Ja, Herr Minister, das ist leider so -, wo Sie Milliardenbeträge als Hausnummern an Veränderungen zum Haushalt 1996 begründen wollten. Wer die Haushaltsberatungen auch nur halbwegs ernst nimmt, kann sich damit nicht abfrühstücken lassen.
({2})
Ein Stück Haushälterehre sollten wir uns bewahren. Herr Minister, Sie waren früher auch einmal Haushälter und haben seinerzeit konkret gearbeitet. Ich denke, daß Sie sich so etwas nicht hätten bieten lassen. Ich bin schon verwundert darüber, daß gerade Sie uns ein derartiges Papier auf den Tisch legen. Deshalb war es unumgänglich, daß wir die Bereinigungssitzung verlassen mußten.
Wir erinnern uns noch sehr gut an das Geschrei zur sogenannten Trendwende des Entwicklungsetats. Die Pressestimmen zeigen, daß es durchaus ein PR-Erfolg der Regierung war, leider mit massiver Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. 500 Nichtregierungsorganisationen haben sich bereit erklärt, Aufrufe zu verfassen und den Minister zu unterstützen. Ich kann nur hoffen, daß die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen aus diesem Vertrauensmißbrauch lernen und die richtigen Schlußfolgerungen ziehen.
Einige Zeitungsüberschriften dazu lauteten: Mehr Geld für die Dritte Welt; Spranger unterstützt Appell an Kanzler Kohl; auch die Kirchen beteiligen sich an einer Aktion für Minister Spranger; Spranger sieht positive Wende in der Entwicklungshilfe; Steigerung um 1,7 Prozent als Erfolg gewertet; Entwicklungshilfe blieb verschont; Kanzler will Entwicklungshilfe verstärken; und schließlich: Unionsabgeordnete verlangen Erhöhung des Etats auf 9 Milliarden DM und so weiter. Wo sind denn jetzt die lieben Unionsabgeordneten? Alle abgetaucht und umgefallen.
({3})
Sie sollten sich für die massive Täuschung der Öffentlichkeit entschuldigen, Herr Minister.
({4})
Wenn Ihr Etat Spiegelbild der gestiegenen Verantwortung Deutschlands gegenüber der Dritten Welt sein soll, wissen wir, wohin die Reise geht.
Schauen wir einmal, wie sich der Plafond von Minister Spranger entwickelt hat. Der Finanzplan vom Sommer 1992, der sogenannte Rio-Finanzplan, hatte noch 9,13 Milliarden DM für den Einzelplan 23 vorgesehen. Dies sind plus 12,6 Prozent gegenüber dem 95er Plafond. Der Finanzplan 1994 betrug 8,34 Milliarden DM, der Regierungsentwurf von diesem Jahr 8,24 Milliarden DM. Das sind nur noch plus 1,7 Prozent. Die Bereinigungsvorlage der Koalition betrug 8,14 Milliarden DM, plus 0,5 Prozent, lag also weit unter der Inflationsrate.
Was wir daraus lernen, meine lieben Kollegen, ist, daß die Finanzplanung der Regierung schlicht unbrauchbar und nichtssagend ist.
({5})
Das politische Ziel der Trendwende wurde damit glatt verfehlt. Das nennen Sie dann Punktlandung. In dem Fall sind es 0,5 Prozent.
In Anbetracht der schwierigen Haushaltslage, sozusagen als Ergebnis der ständigen Punktlandungen des Finanzministers, haben wir Sozialdemokraten mit viel Augenmaß Anträge in den Schwerpunktbereichen Armutsbekämpfung, Umwelt, Bekämpfung des Bevölkerungswachstums, Schuldenumwandlung, Unterstützung der Frauen in der Dritten Welt und bilaterale technische Zusammenarbeit gestellt, die leider zum Teil mit großer Ignoranz von der Koalition abgelehnt wurden.
({6})
Wir hatten seriöse Deckungsvorschläge - in diesem Fall aus dem Einzelplan 14. Wir haben im großen und ganzen eher bescheidene Anträge gestellt, um überhaupt ein Wachstum zu ermöglichen und das Ziel von 0,7 Prozent wenigstens in kleinen Schritten anzusteuern, im Gegensatz zu dem, was Sie hier getan haben.
Ich möchte die wenigen positiven Veränderungen im Einzelplan 23 nicht verschweigen, zumal sie unseren Intentionen und Anträgen gedankt sind.
Folgende Punkte, die wir schon im Berichterstattergespräch gefordert haben, die dort abgelehnt wurden, die wir in der ersten Beratung des Haushaltsausschusses wieder gefordert haben, dort wieder abgelehnt wurden und jetzt doch im Haushalt stehen, zeigen, daß Vernunft offensichtlich doch ansteckend sein kann. Es sind: Erhöhung der bilateralen FZSchuldendienstregelung von 110 auf 200 Millionen DM für Umweltmaßnahmen und Armutsbekämpfung, Umschichtung von leider nur 4 Millionen DM aus dem Einzelplan 60 für die GUS/MOEL-Beratungshilfe zum Stiftungstitel im Einzelplan 23, 100 Millionen DM Expo-2000-Unterstützung für ärmere Partnerländer und, was wir als Genugtuung empfinden, die Tatsache, daß unser Vorschlag für einen neuen Titel „Entwicklungspolitische Soforthilfe" - sie nennen das Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe - von der Regierung entsprechend aufgenommen wurde. Zwar liegt der Mittelansatz noch unter unseren Vorstellungen, aber wir werden sehen, wie die Mittel 1996 abfließen werden, und sollten dann 1997 im Haushalt eine angemessene Größenordnung einstellen.
Die unbefriedigende Gestaltung der GUS/MOELBeratungshilfe wurde von mir schon beim 95er Haushalt angesprochen, allerdings ohne wirklichen Erfolg. Die Federführung für die Koordinierung der Beratungshilfe für 11 Länder liegt beim BMWi und dem Auswärtigen Amt; dafür sitzt der Staatssekretär a. D. Kittel im Wirtschaftsministerium.
15 Ressorts sind fachlich zuständig; 7 Ressorts verfügen über eigene Haushaltsansätze. Bei der Umsetzung der Projekte bedienen sich die Fachressorts allerdings der in der Entwicklungszusammenarbeit erfahrenen und insofern dem BMZ zugeordneten Durchführungsorganisationen. Die aufgeteilten Mittel fließen so teilweise wieder zusammen.
Einige Ressorts haben sich leider extra Strukturen geschaffen, die vergleichbare Aufgaben wahrnehmen wie bereits existierende Organisationen. Auch von daher ist die Konzentration der Aufgaben im BMZ naheliegend. Kollegin Hermenau hat das in ihrer Kurzintervention richtig angedeutet, aber es kommt noch schlimmer.
Die Umsetzung der Beratungshilfe von knapp 300 Millionen DM beansprucht in den Ressorts rund 60 Planstellen. Das BMZ benötigt für die Umsetzung von 200 Millionen DM für vergleichbare Aufgaben zirka 12 Mitarbeiter. Das heißt: Gut 50 Planstellen könnten eingespart werden bei deutlicher Steigerung der Effizienz des Mitteleinsatzes; denn die Nachteile der jetzigen unmöglichen Konstruktion liegen auf der Hand.
Meine Damen und Herren, hier könnten Sie einmal demonstrieren, was Sie von verschlanktem Staat und schlanker Verwaltung tatsächlich halten.
({7})
Ich fürchte, das, was der Bundeskanzler heute dazu gesagt hat, sind hohle Phrasen gewesen. Und ich befürchte ebenfalls, daß die eigentlichen Bremser bei dieser Konzentration der Aufgaben im BMZ eher die F.D.P. sein dürfte, die damit eine sinnvolle Mittelverwendung boykottiert. Das Fazit kann nur sein: Konzentration der Beratungshilfe Ost beim BMZ.
Auch in den Vorjahren wurde der Einzelplan 23 durch Wechselkursanpassungen empfindlich gekürzt. Dazu hat der Haushaltsausschuß am 21. September 1995 die Bundesregierung aufgefordert, im Falle einer Wechselkursanpassung für entsprechenden Ausgleich zu sorgen. Die im multilateralen Bereich eingesparten Mittel sollten dem bilateralen Bereich zur Verfügung gestellt werden. Die Koalition hat bisher keine Anstrengungen unternommen, ihre mitgetragene Forderung umzusetzen.
Dramatisch sieht die Situation für die Zuwendungsempfänger des BMZ aus, also für die Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung, die CarlDuisberg-Gesellschaft, für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik und für den Deutschen Entwicklungsdienst. Für diese Einrichtungen bedeutet der Regierungsentwurf eine Stellenkürzung bis Ende 1996 um 30 Stellen. Würde das an den richtigen Stellen in Ministerien passieren, würde es sicherlich keinen Widerstand unsererseits geben. Aber insbesondere eine Reihe Ende 1995 wirksam werdender kw- Vermerke führt jedoch zu einer Existenzkrise der in den neuen Bundesländern aufgebauten neuen Standorte, in Magdeburg, Zschortau, Berlin-Mitte und Brandenburg.
Aus der Entscheidung des Rechnungsprüfungsausschusses, das Ärzteprogramm der DSE weiterzuführen, müßten jetzt die personalwirtschaftlichen Konsequenzen gezogen werden. Jedoch Fehlanzeige bei der Koalition.
Wir fordern eine angemessene Stellenausstattung für die Zuwendungsempfänger in den neuen Ländern. Sonst sind diese Außenstellen in zwei Jahren am Ende.
({8})
Am Beispiel Nicaragua, wo wir unzählige Zuschriften mit bilateralen Entschuldungsforderungen erhalten haben, kann man das Problem der Schulden von ärmsten Ländern gut darstellen. Dabei spielen die Forderungen aus der Ex-DDR in Höhe von 590 Millionen Dollar, die wir übernommen haben, eine gewichtige Rolle.
Nicaragua hat mit zirka 2 500 Prozent - Stand 1993 - die mit Abstand höchste Schuldenexportquote. Die Verschuldungsindikatoren sind dramatisch und stellen eine besondere Härte dar, der man multilateral wie bilateral Rechnung tragen muß.
Deshalb ist es sinnvoll, zusätzliche bilaterale Sonderentschuldungsmaßnahmen, wie sie übrigens auch andere Länder anwenden, nach Einzelfallprüfungen zu ermöglichen. Im Falle Nicaraguas sollten diese zur Anwendung kommen. Die Bedenken der Kollegen der Koalition kann ich nicht teilen.
Wir müssen also auch in diesem Bereich flexibel sein. Das heißt auch, daß in besonders krassen Fällen Regierung und Parlament in der Lage sein müssen zu handeln.
({9})
Wir begrüßen das dritte Umschuldungsabkommen mit Nicaragua vom 3. November 1995 - das ist also erst wenige Tage her -, wonach rund 80 Prozent der Altschulden erlassen wurden. Weitere 152 Millionen Dollar sollen für 23 Jahre gestundet werden. 67 Prozent der DDR-Handelsforderungen wurden erlassen. Hier müßte es eine bilaterale Sonderentschuldung auf Null geben, wie es übrigens auch viele Nichtregierungsorganisationen fordern.
({10})
Deutschland wird mit rund 3 Milliarden ECU zweitgrößter Beitragszahler für den 8. Europäischen Entwicklungsfonds sein. Wir bezahlen 160 Millionen ECU mehr, als wir uns vorgestellt haben. Wir akzeptieren das aber als Kompromiß im Hinblick auf die Verbesserungen der Grundsätze für die Mittelvergabe, die neuen Rahmenbedingungen und die Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen.
Wir haben allerdings als Haushaltsausschuß eine Kontrollmöglichkeit eingebaut. Wir möchten informiert werden, bevor die Mittel verwendet werden. Wir möchten auch sicherstellen, daß die Bedenken des Europäischen Rechnungshofs ausgeräumt werden.
Fast 40 Milliarden DM deutsche Zusagen, über die ganze Welt verstreut, befinden sich in der, wie wir es nennen: VE-Pipeline. Das sind zum Teil 20 Jahre alte völkerrechtlich verbindliche Zusagen an Staaten, die kumuliert diesen gewaltigen Betrag ausmachen.
Wir wollen diese Entwicklung in Zukunft nicht mehr so hinnehmen. Deshalb haben wir beschlossen, daß in den völkerrechtlichen Zusagen zu vereinbaren ist, daß die Verpflichtungen entfallen, soweit innerhalb von acht Jahren nach der Zusage der Mittel eine Durchführungsvereinbarung nicht abgeschlossen wurde.
Der sogenannten Scheckbuchdiplomatie, wo Kohl oder Kinkel dem Spranger zurufen: „Herr Spranger, schreiben Sie das mal auf", und schon sind 100 Millionen DM Verpflichtungen entstanden, soll so Einhalt geboten werden.
({11})
- Dafür gibt es mehrere Beispiele. Ich nenne bloß Vietnam; das war, glaube ich, ein eher unrühmliches Beispiel.
Zu den Anträgen anderer Fraktionen wurde hier schon klargestellt: Wir selber stellen zur zweiten Lesung keine Detailanträge, weil es bei diesem Haushaltsverfahren und bei der Haltung der Koalition unwahrscheinlich ist, mit Einzelanträgen zum Erfolg zu kommen. Wir denken nicht, daß wir den Haushalt damit in Ordnung bringen können.
Wir haben deshalb im Entschließungsantrag für die dritte Lesung unsere politischen Forderungen noch einmal in konzentrierter Form dargelegt. Wir werden uns entsprechend bei den Abstimmungen über die Anträge in der zweiten Lesung enthalten.
Abschließend möchte ich sagen: Wir werden dem Einzelplan 23 nicht zustimmen können, zumal der Durchbruch zum wirklichen Zukunftsministerium, wie wir es eigentlich erwarten, von der Struktur, der Mittelbündelung und der Plafondentwicklung her gesehen nicht zu erkennen ist. Ich glaube, daß das 0,7-Prozent-Ziel für die Regierung offensichtlich erledigt ist.
Vielen Dank.
({12})
Das Wort hat der Kollege von Schmude, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Schnell hat zu Recht von einer guten ersten Runde in der Haushaltsausschußberatung gesprochen. Ich kann Ihnen versichern: Die zweite Runde war noch viel besser. Um so mehr bedauere ich, daß die SPD an dieser zweiten Runde nicht teilgenommen hat. Ich bedauere das auch aus einem anderen Grund: Der Kollege Dr. Schnell ist ein von mir sehr geschätzter Kollege, der sich sehr um Sachinformationen bemüht. An seiner Rede eben habe ich festgestellt, daß ihm die Sachinformationen, die in der Bereinigungssitzung vermittelt wurden, offensichtlich entgangen sind.
Die Eckwerte des Einzelplans 23 können sich sehen lassen. Sie signalisieren nach außen wie nach innen, daß wir gewillt sind, auch in Zukunft einen angemessenen deutschen Beitrag zu leisten. Ihnen, Herr Minister Spranger, gebührt dafür besonderer Dank. Sie haben eine Erfolgsbilanz vorgelegt, die sich sehen lassen kann. Wir haben zur Zeit einen Höchststand an Projekten, nämlich 2 868.
Vor dem Hintergrund knapper Finanzmittel - der Bundeshaushalt geht bekanntlich um 1,4 Prozent zurück - kann man erst recht von einer Trendwende in der deutschen Entwicklungshilfe sprechen. Der Regierungsentwurf ist unter dem Strich gesehen sogar qualitativ verbessert worden.
({0})
- Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen: gerne.
Ich sprach von einer qualitativen Verbesserung: Wir haben 165 Millionen DM mehr an Verpflichtungsermächtigungen, und wir haben auch mehr Flexibilität in den Einzelplan hineingebracht.
Der Rückgang der ursprünglichen Steigerungsrate - hier beklagt - von 1,7 Prozent auf jetzt 0,5 Prozent ist nahezu ausschließlich auf die Aufwertung der D-Mark gegenüber Dollar und ECU zurückzuführen. Unsere Beiträge an internationale Organisationen überweisen wir nun einmal in Fremdwährungen und nicht in D-Mark: Die Stabilitätspolitik unserer Regierung hilft uns, hier Geld zu sparen, ohne es anderen wegzunehmen. Die starke D-Mark verbessert nicht nur im Inland die Kaufkraft. Was für den deutschen Urlauber im Ausland bezüglich der D-Mark gilt, gilt auch für unsere Fördermittel bei den Drittländern.
Über Effizienz und Effektivität unserer Entwicklungshilfe müssen wir weiterhin nachdenken.
({1})
Wir haben uns auf den Grundsatz verständigt, nur Leistungen zu transferieren, die von den Empfängerländern nicht erbracht werden können. Insofern ist es zu begrüßen, daß das Ministerium jetzt ein Konzept vorgelegt hat, wie lokale Personalressourcen besser von uns genutzt werden können. Ich begrüße dies. Denn oft haben qualifizierte akademisch ausgebildete Arbeitskräfte keine Chance auf einen Arbeitsplatz.
Wir müssen aber dringend eine Korrektur bei der Bezahlung einheimischer Kräfte vornehmen. Es kann nicht hingenommen werden, daß zum Beispiel - wie wir festgestellt haben - in Nepal ein in deutschen Diensten stehender einheimischer Mitarbeiter rund 5 000 DM und ein einheimischer Kraftwerksleiter umgerechnet nur 300 DM im Monat verdient.
({2})
Ein besserer Kosten-Nutzen-Effekt wird auch erreicht, wenn die berufliche Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer stärker vor Ort erfolgt. 170 Millionen DM haben wir dafür vorgesehen.
({3})
Bei der ersten Lesung unseres Haushalts lag der Bericht des Europäischen Rechnungshofs über den EEF nur in Teilen vor. Das ganze Ausmaß von Mißwirtschaft kann man jetzt dem kompletten Bericht entnehmen. Das hat zu folgendem Haushaltsvermerk geführt, den wir als Koalition, aber auch in Übereinstimmung mit der Opposition eingeführt haben: Vor Auszahlung von deutschen Mitteln ist dem Haushaltsausschuß ein Bericht über die Planung der Mittelverwendung und die Zahlung anderer europäischer Staaten an die Fonds sowie über die Aufarbeitung der Beanstandungen des Europäischen Rechnungshofs vorzulegen. - Der Rechnungshofbericht bestätigt im übrigen unsere Zielsetzung, die bilaterale Hilfe zu verstärken. Im vorliegenden Haushalt allerdings wird der Gesamtzuwachs von 41 Millionen für eingegangene Verpflichtungen im multilateralen Bereich benötigt.
Die vereinzelt geäußerte Befürchtung, wir würden unserer Verantwortung im multilateralen Bereich nicht gerecht, weise ich mit Nachdruck zurück. 6,7 Milliarden DM Beiträge an internationale Organisationen sprechen ein deutliche Sprache.
Der Haushaltsausschuß hat angesichts der laufenden Verhandlungen zu IDA 11 in den Haushalt 1996 sowie in die Finanzplanung bis 1999 eine deutsche Beteiligung in gleicher Höhe wie bei IDA 10 eingeplant, nämlich 3,2 Milliarden DM. Dabei liegen wir anteilig sogar über dem Betrag, den die Weltbank zur Zeit anvisiert.
Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir sitzen hier als Deutsche nicht irgendwo auf der Reservebank und warten nur darauf, fröhlich für andere, die kurzfristig ausfallen, einzuspringen.
({4})
Der Haushalt enthält im übrigen einen Vorbehaltsvermerk, der auch für andere Titel wie den EEF gilt. Wir haben gute Gründe, im Konsens mit anderen Geberländern zu verhandeln. Die Probleme können überall nur gemeinsam gelöst werden, und dies gilt im besonderen Maße auch für den Schuldenerlaß.
Erst vor wenigen Tagen konnte mit Nicaragua ein neues Abkommen vereinbart werden, und ich möchte mich ausdrücklich beim Bundesminister der Finanzen und beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit bedanken, daß wir zu einem solchen Ergebnis gekommen sind.
({5})
- Es war auch schwierig, Frau Kollegin Eid, außerordentlich schwierig!
Das Land gehört mit 11,3 Milliarden Dollar Verschuldung zu den höchstverschuldeten Staaten der Welt. Unsere Ursprungsforderung belief sich auf 1,6 Milliarden DM, davon nicht 559 Millionen Dollar DDR-Schulden, lieber Kollege Dr. Schnell, sondern umgerechnet 1,2 Milliarden DM DDR-Schulden.
Es ist schon ganz interessant, daß damals diejenigen, die heute den totalen Schuldenerlaß fordern, sich hierher gestellt und uns die DDR-Hilfe für Nicaragua als Vorbild vorgehalten haben. Das waren die gleichen, die sich zum Teil in ihren Ferien als Kaffeepflücker irgendwo in Nicaragua fotografieren ließen, meine Damen und Herren. Wären wir diesen Ratschlägen gefolgt, hätten wir es heute mit einer ganz anderen Schuldendimension zu tun. Wir haben - Nicaragua III einbezogen - diesem Land jetzt rund 1 Milliarde DM Schulden erlassen, rund 1 Milliarde DM! Das darf nicht kleingeredet werden!
({6})
Der Rest ist überwiegend langfristig umgeschuldet worden. Von der Möglichkeit, Schulden zu erlassen, wenn der Schuldnerstaat 20 Prozent eigene Mittel für den Umweltschutz und auch für Armutsbekämpfung einsetzt, wurde in diesem Fall Gebrauch gemacht.
Wir haben der Bundesregierung durch einen Haushaltsvermerk jetzt die Möglichkeit eingeräumt, künftig nicht für 400 Millionen, sondern bis zu 200 Millionen an Stelle von bisher 110 Millionen für Schuldenerlaß in dieser Form zu gewähren. Ich bin froh, daß Nicaragua auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, und sage hier: Wir werden uns dieses Instrument sehr genau anschauen und hier in Zukunft auch bei kommenden Haushalten flexibel reagieren.
Für Nicaragua hat das deutsche Entgegenkommen gleichzeitig die Tür für ein weiteres Abkommen mit der Weltbank geöffnet, durch das nämlich insgesamt 1,37 Milliarden Dollar kommerzieller Schulden mit einem Abschlag von 92 Prozent aus dem Markt genommen werden konnten.
So erfreulich diese Schritte auch sind, es bleibt abzuwarten, wie das Land mit der jetzt stark reduzierten Schuldenlast dennoch fertig wird. Auch hier werden wir die Entwicklung aufmerksam beobachten.
Die noch vor wenigen Jahren formulierte Absicht, die Zahl der Länder bei der finanziellen und technischen Zusammenarbeit zu reduzieren, läßt sich angesichts der Entwicklung in Osteuropa so schnell nicht verwirklichen. Zunehmend öffnet sich unsere Entwicklungshilfepolitik nach Osten. Aber an Stelle der Beratungshilfe für die MOE-Staaten treten jetzt Projekt- und strukturpolitische Maßnahmen. Insbesondere sind wir auch den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, nämlich Mazedonien, Kroatien und BosnienHerzegowina, verpflichtet.
Für Sonderhilfen zur Bewältigung der Kriegsfolgen, zum Beispiel Projekte in der Energie- und Wasserversorgung, in der Transportinfrastruktur oder bei den kommunalen Diensten, werden wir 1996 voraussichtlich 30 Millionen DM in bar einsetzen und darüber hinaus 90 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen benötigen. Der Kollege Dr. Schnell hat zu Recht darauf hingewiesen: Aus dem neuen Titel „Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe" mit einem Betrag von 116 Millionen DM werden wir Hilfe in Bosnien leisten können.
Ich sage ganz nachdrücklich: Wir machen bei diesem Beispiel deutlich, daß Entwicklungshilfe auch immer ein Beitrag zur Friedenssicherung ist. Dies gilt im besonderen Maße für unsere Hilfe im Nahen Osten, wo wir den Friedensprozeß Israel-PalästinaJordanien mit 100 Millionen DM für gemeinsame Projekte, die dort von den betroffenen Staaten entwickelt werden, nachhaltig fördern wollen.
Wir können nicht alle diese Hilfen alleine bewerkstelligen. Es wird gerade in bezug auf die ehemaligen jugoslawischen Staaten und auch in bezug auf den Nahen Osten darauf ankommen, daß Organisationshilfe von der EU geleistet wird, aber auch von der gesamten westlichen Welt.
Was uns im Zusammenhang mit unseren Hilfsmaßnahmen Sorge macht, sind die stark gestiegenen Getreidepreise. Der Haushaltstitel ist nicht erhöht worden. Wir konnten das nicht, weil es zunächst keine Deckung dafür gab und es diese Deckung auch bis heute nicht gibt. Wir müssen aber sicherstellen - das können wir durch entsprechende Haushaltsvermerke auch -, daß bei einem Nichtausreichen auf die Mittel der finanziellen Zusammenarbeit zurückgegriffen wird.
In diesem Zusammenhang bitte ich die Bundesregierung, doch einmal bei der EU-Kommission in Brüssel vorstellig zu werden. Auf Grund der weltweiten Getreideknappheit hat man in Brüssel die Exporterstattungshilfe für Getreide gestrichen und statt dessen eine Exportabgabe eingeführt, die den Export von Weizen verteuert.
({7})
Für Hilfslieferungen in die Dritte Welt sollte Brüssel von derartigen Abgaben absehen. Ich meine, daß wir das mit Nachdruck in Brüssel vertreten sollten.
({8}):
Hier wird gesagt, Sie hätten keine Ahnung!
Stimmt das?)
Für die ärmeren Entwicklungsländer haben wir übrigens im Haushalt 100 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigungen bereitgestellt, um ihnen die Teilnahme an der Expo 2000 zu ermöglichen.
Bei der Gesamtbewertung unserer entwicklungspolitischen Leistungen wird oft übersehen, daß wir der Dritten Welt völkerrechtlich verbindliche Zusagen in einer Größenordnung von 40 Milliarden DM gemacht haben - übrigens zeitlich unbefristet. Der Stau in der Pipeline, wie es so schön heißt, erklärt sich vor allem durch politische Instabilität und durch Bürgerkriege in den Entwicklungsländern. Dieses unlimitierte Gewähren von Hilfen bedeutet, daß wir, wenn wir dem nicht in irgendeiner Form Einhalt gebieten, ein Anwachsen bekommen, das eines Tages haushaltstechnisch nicht mehr beherrschbar ist. Um dieses deutsche Obligo in realisierbaren und im Hinblick auf zukünftige Haushalte verantwortbaren Grenzen zu halten, sind nach einem Haushaltsvermerk, den wir eingeführt haben, künftig völkerrechtliche Zusagen so abzuschließen, daß die Verpflichtungen entfallen, soweit nicht innerhalb von acht Jahren nach der Zusage der Mittel eine entsprechende Durchführungsvereinbarung abgeschlossen wird.
Herr Kollege von Schmude, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Bitte, Herr Kollege Schuster.
Herr Kollege von Schmude, wissen Sie und Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß, daß genau dieser Vorschlag nicht von den Haushältern, sondern von den Entwicklungspolitikern und von der Opposition kam, um mehr Flexibilität zu bekommen?
Ich streite mich nicht um das Erstgeburtsrecht. Aber die Kollegen im Haushaltsausschuß und auch die Kollegen im
AWZ, jedenfalls unsere, können bestätigen, daß das meine Formulierung war und daß ich sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt unseren Fraktionskollegen im AWZ mitgeteilt habe. Denn mir liegt, weil ich als Haushälter natürlich diese Dramatik, die sich hier entwickelt, sehe, einerseits daran, daß wir nichts aufbauen, was uns bindet und in Erklärungsnotstand bei den betroffenen Ländern bringt, die dann mit irgendwelchen Projekten kommen, die wir nicht gutheißen können, aber gutheißen müssen, um das Ganze abzubauen. Auf der anderen Seite müssen wir auch Flexibilität für neue Verpflichtungsermächtigungen haben. Das ist vom ersten Tag meiner Tätigkeit für diesen Einzelplan an meine Zielvorstellung gewesen.
Ich will bei den übrigen Maßnahmen, die der Kollege Dr. Schnell hier auch aufgeführt hat, sagen, daß ich das gerne auch gemeinsam mit Ihnen und der Vertreterin der Grünen im Haushaltsausschuß in der Bereinigungssitzung noch einmal erörtert hätte - dazu war aber bedauerlicherweise keine Gelegenheit -; denn auch hier kamen die Denkanstöße durchaus von verschiedenen Seiten. Auch hier gab es aber den notwendigen Informationsbedarf, um entscheiden zu können, mit welcher Größenordnung wir an die eine oder andere Titeletatisierung herangehen, um wirklich einen Haushalt zu haben, der das Haus bei knappen Ressourcen zum einen in die Lage versetzt, effektiv zu arbeiten, dem Haus andererseits aber durch Haushaltsvermerke die Möglichkeit gibt, flexibel auf die Notwendigkeiten und Erfordernisse zu reagieren.
Mein Dank gilt zum Abschluß den Mitarbeitern des Ministeriums für die ausgezeichnete Vorbereitung des Haushalts, aber auch den Vertretern zahlreicher NGOs, die mit ihren Anregungen und Informationen gerade auch für die Bereinigungssitzung, bei der sich die Opposition verweigert hat, wichtige Entscheidungshilfe geleistet haben.
Die Koalitionsfraktionen stimmen dem Einzelplan 23 zu.
({0}) Schönen Dank.
({1})
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Schmitt, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf die zurückliegende Abstimmung zurückkommen. Es wundert mich schon, wenn der Kollege von der SPD hier lauthals die bestehenden Defizite in der Entwicklungsfinanzierung beklagt, seine Fraktion aber offenbar nicht in der Lage ist, einem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen, der die Streichung des „Jäger 90" vorsieht, eines Projekts, das nicht nur verteidigungspolitisch unsinnig ist, sondern dessen Wegfall auch finanzpolitiWolfgang Schmitt ({0})
sche Spielräume eröffnen würde, die gerade ihren entwicklungspolitischen Anliegen dienen würden.
({1})
Ich meine, wenn man sich hierhin stellt und die Regierung kritisiert, dann ist man bei allen Schwierigkeiten, die dieses Haushaltsverfahren in diesem Jahr geboten hat, auch verpflichtet, an entscheidenden Stellen politische Akzente zu setzen. Man kann sich nicht mit Enthaltungen aus der Affäre ziehen.
({2})
Meine Damen und Herren, in der nachrichtenarmen Zeit dieses Sommers hat Entwicklungshilfeminister Spranger lauthals vor der Presse verkündet, eine Trendwende sei in Sicht, es gebe mehr Geld, die Bundesregierung werde ihrer internationalen Verpflichtung gerecht, Entwicklungshilfe sei eine Investition in die Zukunft, der Etat werde um 1,7 Prozent erhöht.
Diese Ankündigung hat dann auch bei verschiedenen Nichtregierungsorganisationen Anklang gefunden, und engagierte Einzelpersonen haben sich in der Presse geäußert und durchaus positiv auf die Äußerungen des Ministers Bezug genommen. Diese Personen schrieben damals an den Bundeskanzler: Setzen Sie sich dafür ein, daß im Parlament der vom Kabinett beschlossene Zuwachs nicht wieder revidiert wird und daß die Politik der Kürzungen für die Entwicklungszusammenarbeit nicht fortgesetzt wird. - Doch der Kanzler hat, das wissen wir alle, nach den Hiobsbotschaften des Finanzministers andere Sorgen, als sich um den Etat des Bundesentwicklungshilfeministeriums zu kümmern. Das Resultat: Es wird keine nennenswerte Erhöhung des Etats geben. Wir müssen zurück auf „Los" - übrigens ohne 8 000 DM zu gewinnen - und das Ganze noch einmal von vorne beginnen.
In Zahlen ausgedrückt, wurde der ursprüngliche Entwurf um 93 Millionen DM gekürzt. Um es deutlich zu sagen: Es gibt keine Trendwende in der Mittelausstattung des Einzelplanes 23. Von einem höheren Stellenwert der Entwicklungszusammenarbeit kann keine Rede sein.
({3})
Der Etat wird sich weiter von dem in Rio vom Bundeskanzler verkündeten Ziel entfernen, die Entwicklungshilfemittel sukzessive auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben.
({4})
- Ja, wir sind alle gespannt, was er denn da außer leeren Taschen anzubieten hat.
Die Bundesrepublik bildet keine Ausnahme beim international feststellbaren Trend zur Reduzierung der Entwicklungshilfefinanzierung. Auch in diesem Bundestag - schließlich wird der Etat vom Bundestag verabschiedet - greift die Müdigkeit zu helfen um sich, wie dieses fatale Phänomen mittlerweile im internationalen Kontext genannt wird.
({5})
Einer größeren Zahl von Partnerländern stehen weniger Geld und weniger Personal gegenüber. Preisbereinigt haben wir es sogar mit einer echten Kürzung der Etatmittel zu tun.
({6})
So sehr ich es als grüner Entwicklungspolitiker auch akzeptieren kann, daß wir interfraktionell bereit sein müssen, Lobbyarbeit im Sinne unseres Politikfeldes zu betreiben: Der vorgelegte Entwurf ist nicht dazu angetan, optimistisch in die Zukunft zu blicken.
({7})
Wir kritisieren unter anderem die zu geringe Konzentration der Mittel auf die sogenannten „Least Developed Countries ". Aber halt, die Bundesregierung und der Haushaltsausschuß servieren uns noch ein Schmankerl: Ein neuer Titel in Höhe von 100 Millionen DM ist eingestellt, damit auch die ärmsten Entwicklungsländer an der Expo 2000 in Hannover teilnehmen können.
({8})
Ich frage sie: Welches ärmste Entwicklungsland ist hier in Bonn vorstellig geworden und hat die Bundesregierung darum gebeten, diese Mittel bereitzustellen?
({9})
Ich habe eher den Eindruck, daß das Kino der Frau Breuel offenbar nicht gefüllt wird und daß man auf diese Art und Weise ein paar Freikarten verkauft, damit die Expo zu einem Erfolg wird.
({10})
Dieser Haushaltsposten ist, Herr Wieczorek, übrigens symptomatisch für das Verhältnis zwischen Haushalts- und Entwicklungshilfeausschuß: Statt sich mit quantitativen Aspekten der Entwicklungsfinanzierung zu beschäftigen, setzt der Haushaltsausschuß qualitative Fakten, siehe U-Bahn Shanghai, siehe Expo 2000 in Hannover. Die einstimmigen Vorschläge des Fachausschusses wurden noch nicht einmal diskutiert. Während Sie, Herr Pinger, wohlfeil über Selbsthilfe in unserem Ausschuß räsonieren dürfen, sind es andere, die in diesem Hause die entwicklungspolitischen Fakten setzen.
({11})
Wolfgang Schmitt ({12})
Darüber hätte im Zusammenhang mit einer Parlamentsreform gesprochen werden müssen.
({13})
Nun ist die Kritik am Etat kein Selbstzweck. Den Titel „Schuldenumwandlung für Umweltschutzprojekte und Projekte der Armutsbekämpfung" auf 200 Millionen DM aufzustocken ist für mich ein positives Beispiel. Das geht im übrigen auf eine Initiative meiner Fraktion im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zurück.
({14})
Meine Damen und Herren, der Ausschuß hat im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen beschlossen, bei der Schuldenreduzierung für die hochverschuldeten ärmsten Länder in Ausnahmefällen über das Niveau internationaler Vereinbarungen hinauszugehen. Dafür sollte im Einzelfalle die Zustimmung des Haushaltsausschusses und des AWZ erforderlich sein. Ein Haushaltsvermerk im Einzelplan 32 schränkt notwendigerweise den Handlungsspielraum der Regierung ein.
Mir steht es nicht zu, das in diesem Haushaltsvermerk zum Ausdruck kommende Mißtrauen der Parlamentsmehrheit gegenüber der eigenen Regierung zu kommentieren. Aber nach dem Vorschlag, den wir gemacht haben, nämlich daß dem zwei Ausschüsse zustimmen müssen, und der gestrigen Abstimmung - bei der sich die SPD übrigens abermals enthalten hat ({15})
stelle ich fest, daß in diesem Hause das Mißtrauen gegenüber zwei Ausschüssen so dominant ist, daß wir die Schuldenproblematik nicht flexibel behandeln können.
({16})
Meine Damen und Herren, die Gestaltungsspielräume für die Entwicklungszusammenarbeit schrumpfen weiter. Es geht längst um die Substanz der entwicklungspolitischen Arbeit, sowohl bilateral als auch multilateral. Dieser Etat ist in Zeiten international zurückgehender Entwicklungsfinanzierung das falsche Signal. Die Bundesregierung wird dem, was sonntags die „Verantwortung für globale Probleme" genannt wird, im harten finanzpolitischen Alltag nur unzulänglich gerecht.
Ich danke Ihnen.
({17})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Laschet.
({0})
Der Kollege Schmitt hat manches Richtige gesagt, aber er hat bei manchem auch nicht richtig dargestellt, wie es im Ausschuß erörtert worden ist.
({0})
Zum einen haben wir den Haushaltsvermerk mit der Zielsetzung beschlossen, für Nicaraguas große Verschuldungsprobleme eine Lösung zu finden. Es hätte natürlich gut zu einem solchen Debattenbeitrag gepaßt, hier einmal darzustellen, was wir für Nicaragua in den letzten Wochen an Positivem erreicht haben, wie hoch die Reduktion für Nicaragua bei dem ist, was in der Tat alles Schulden bei der früheren DDR sind.
Hierüber müssen wir die Debatte allerdings fortsetzen. Ich denke, daß wir auch im nächsten Jahr zu einem weiteren Schuldenerlaß kommen müssen. Der demokratische Nachfolger der früheren DDR kann nicht von den demokratischen Nachfolgern der kommunistischen Sandinisten in Nicaragua Gelder für Waffen für sich fordern. Das war unsere gemeinsame Überzeugung im Ausschuß; deshalb dieser Haushaltsvermerk. Die Dringlichkeit, dies zu übernehmen, hat sich dadurch erledigt, daß die Verhandlungen zu einem so positiven Ergebnis geführt haben.
Eine zweite Bemerkung. Man kann natürlich darüber streiten, was eine Trendwende ist. Was an Trendwende erreicht worden ist, reicht natürlich längst nicht aus. Aber nach jahrelang sinkenden Haushalten nun bei einem Bundeshaushalt, der auch in diesem Jahr in fast allen Bereichen absinkt, beim Entwicklungshilfeetat zu erreichen, daß er ansteigt, halte ich für ein Signal der Trendwende. Das war im Sommer kein Schautheater des Ministers und der Kollegen von uns, die das vertreten haben, sondern ich glaube auch, daß die Debatte des Sommers und die Debatte, die davor stattgefunden hat, dazu beigetragen haben, daß dieses Ergebnis jetzt möglich geworden ist.
Ich denke, daß die Debatte im nächsten Jahr weitergeht. Wenn wir entgegen dem Gesamthaushalt wieder in diesem Trend liegen könnten, so wäre das auch eine Sache, für die wir allerdings erst kämpfen müssen, auch gegenüber manchen, die die Bedeutung der Entwicklungshilfe nicht erkannt haben, aber nicht unter den Entwicklungspolitikern, sondern bei anderen.
({1})
Herr Kollege Schmitt.
Herr Kollege Laschet, ich kann verstehen, daß Sie engagiert die Politik der BundesregieWolfgang Schmitt ({0})
rung verteidigen müssen und möchten. Aber gestatten Sie mir wenigstens den Hinweis darauf, daß das Abkommen mit Nicaragua nach Beendigung der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuß getroffen wurde. Wir haben in unserem Ausschuß auf Initiative aller Fraktionen einstimmig einen Beschluß gefaßt.
Es ist schon bezeichnend, daß Sie nicht in der Lage sind, Ihre eigenen Haushaltspolitiker von diesem Vorhaben zu überzeugen. Der einstimmige Beschluß des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist nicht in die Beratungen des Haushaltsausschusses eingeführt worden, nicht durch die Grünen, weil wir nicht teilgenommen haben, nicht durch die SPD, weil sie nicht teilgenommen hat; aber es war ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen, und es hätte Ihnen gut angestanden, wenn Sie die Beschlüsse, die mit Ihren Stimmen, zum Teil auf Ihre eigene Initiative hin, im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefaßt wurden, in adäquater Weise in den Haushaltsausschuß eingespeist hätten. Das ist der Grund für meine Empörung.
Ich finde, dieser Vorfall spricht Bände, welchen Stellenwert die entsprechenden Fachpolitiker in den Reihen der CDU/CSU- und der F.D.P.-Fraktion haben.
({1})
Das ist das entscheidende Manko. Ich spreche Ihnen keineswegs das persönliche und politische Engagement in diesen Sachfragen ab. Aber man muß sich ehrlich fragen, Herr Kollege Laschet: Wozu beschäftigt sich unser Fachausschuß mehrere Stunden lang mit Haushaltsproblemen, mit Problemen der internationalen Entschuldung,
({2})
wenn dem Vernehmen nach die gemeinsame Beschlußlage des Ausschusses im Haushaltsausschuß mit der Bemerkung „Das sind die Beschlüsse des AWZ" zu den Akten gelegt wird und man sich noch nicht einmal bemüßigt fühlt, sich ernsthaft mit den einstimmig gefaßten Beratungsergebnissen unseres Ausschusses auseinanderzusetzen? Ich denke, als Fachpolitiker hat man das Recht und die Pflicht, diesen Mißstand zu beklagen.
({3})
Eine Kurzintervention des Kollegen von Schmude.
Herr Kollege Schmitt, ich muß leider feststellen, daß auch Sie nicht umfassend informiert sind.
({0})
Das ist das Ergebnis der Nichtteilnahme an der Bereinigungssitzung. Wir haben uns als Berichterstatter
im Haushaltsausschuß sehr wohl Bach- und fachkundig gemacht, um abzuklären: Mit welcher Marschrichtung geht die Bundesregierung in die Nicaragua-Verhandlungen? Ich habe mich vorher erkundigt, mit welchen Vorstellungen man ganz konkret verhandeln will, um zu dem Ergebnis zu kommen, das wir alle für notwendig halten, unabhängig davon, in welchem Ausschuß wir sitzen.
Es ist ein Zweites anzumerken. Sie können sich im Ausschuß - das ist Ihre Aufgabe - Ihre Meinung zu fachlichen Dingen bilden und dazu Beschlüsse fassen. Im Haushaltsausschuß haben wir aber die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die finanziellen Folgen solcher Beschlüsse genau zu untersuchen.
({1})
Erstens hat es sehr wohl haushaltstechnische Auswirkungen, wenn wir irgendwo einen Schuldenerlaß durchführen. Man kann das nicht einfach als eine glatte Ausbuchung von bereits abgeschriebenen Forderungen abtun.
Zweitens stelle ich fest, daß wir auch mit dem jetzigen Haushaltsvermerk beim Einzelplan 32 die Möglichkeit haben, bei der FZ einen Schuldenerlaß durchzuführen. Das sind die beiden Instrumente, die wir haben.
({2})
Darüber hinaus haben wir - das wiederhole ich - auch die verbesserte Möglichkeit, Schuldenumwandlung, Schuldenerlaß in der Form vorzunehmen, daß die Entwicklungsländer einen 20prozentigen Anteil leisten, um Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zum Umweltschutz durchzuführen.
Ich glaube, wir haben in diesem Bereich ausreichend Instrumentarien. Wir wollen den Haushalt mit Vermerken auch nicht überfrachten. Wir schaffen nur da Vermerke, wo es unbedingt notwendig ist, wo es die Flexibilität unseres Handelns und möglicherweise auch, wenn es erforderlich ist, das Handeln der Regierung erleichtert.
Will jemand antworten? - Das ist nicht der Fall.
Dann hat jetzt das Wort der Abgeordnete Roland Kohn.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedanke mich dafür, daß niemand mehr antworten wollte. Ich habe jetzt die Chance zu reden, nachdem zwei Kollegen, die bereits gesprochen hatten, ihre Redezeit mit Kurzinterventionen ausgedehnt haben. Soviel zum Thema Parlamentsreform.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den vergangenen Jahren ist der Einzelplan 23, bedingt durch die Kosten zur Überwindung der kommunistischen Hinterlassenschaft in Deutschland und EuRoland Kohn
ropa, zurückgefahren worden. Im Haushalt 1996 haben wir erstmals wieder ein Wachstum von einem halben Prozent zu verzeichnen. Der Anteil des Einzelplans am Gesamthaushalt liegt unverändert bei 1,8 Prozent.
Die auf Grund der Beratungen im Haushaltsausschuß gegenüber dem Regierungsentwurf vorgesehene Kürzung der Barmittel im Einzelplan um 93 Millionen DM auf rund 8,2 Milliarden DM ist zum allergrößten Teil durch Wechselkursgewinne bedingt: schwacher Dollar - starke D-Mark. Insoweit sind mit diesen Kürzungen keinerlei Einschränkungen unseres entwicklungspolitischen Programms oder des entwicklungspolitischen Spielraums dieser Regierung verbunden. Insofern möchte ich das, was hier von seiten der Opposition kritisch bemerkt wurde, als weit über das Ziel hinausschießend zurückweisen.
({1})
Wichtiger für unsere Arbeit ist jedoch die vorgesehene Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen - allein im bilateralen Bereich um 4,3 Prozent -; das entspricht der Intention und dem Wunsch des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Insbesondere im Hinblick auf die künftigen Entwicklungsnotwendigkeiten brauchen wir mehr Flexibilität bei den Instrumenten und mehr Nachhaltigkeit der Entwicklung bei unseren Partnerstaaten. Deswegen ist auch ein weiterer Aufwuchs gerade bei den Verpflichtungsermächtigungen unabdingbar.
Natürlich ist eine Steigerung des entwicklungspolitischen Etats um ein halbes Prozent nicht das, was sich manche erträumt haben: angesichts großer Probleme, angesichts der gewachsenen internationalen Verantwortung und des Gewichts unseres Landes. Das Wachstum des Einzelplans stellt aus meiner Sicht ein um so bemerkenswerteres Ergebnis dar, als der Bundeshaushalt 1996 insgesamt erstmals seit Jahrzehnten nicht wächst, sondern zurückgefahren wird. Hiermit wird in der Tat, wie es Herr Kollege Laschet formuliert hat, ein vernünftiges Signal für den Stellenwert gegeben, den wir dieser Politik im Rahmen unserer Gesamtverantwortung einräumen.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Wir müssen der Wahrheit einfach ins Auge blicken.
({2})
- Herr Kollege Wieczorek, es muß sein, so schwer es gerade der SPD und den anderen Oppositionsparteien fällt.
Auch in den nächsten Jahren werden wir mit knappen Kassen leben müssen. Deshalb sollten wir uns nicht jammernd und zagend an die Klagemauer des Haushaltsausschusses stellen und unseren Frustrationen darüber freien Lauf lassen, wie schlecht doch die Welt als solche sei.
Statt sich darüber zu beklagen, daß die Mittel für die Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren nicht nennenswert gesteigert werden können, sollten wir der Lage nüchtern Rechnung tragen. Wir Liberale jedenfalls begreifen diese Situation als eine Erneuerungschance für die Entwicklungspolitik und als eine Herausforderung an Kreativität und Innovationskraft.
({3})
Es muß mit der rein quantitativen Betrachtungsweise der Entwicklungspolitik, wie sie in allen Redebeiträgen der Oppositionspolitiker vorgetragen wurde, Schluß sein.
({4})
Wir müssen gemeinsam überlegen, wie die vorhandenen knappen Ressourcen in Zukunft noch besser, noch effizienter im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eingesetzt werden können. Wir müssen auch unkonventionelle und zukunftsträchtige Alternativen zu den ausgetretenen Pfaden der Vergangenheit prüfen.
In diesem Zusammenhang drängen sich geradezu eine Reihe von Fragen auf, von deren Beantwortung die Qualität unserer Entwicklungspolitik in Zukunft entscheidend abhängen wird: Wie kommen wir beispielsweise in der Entwicklungszusammenarbeit weg von dem reinen Subventionsprinzip hin zu einem verstärkten Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente, um so die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern? Wie können wir unsere entwicklungspolitischen Instrumentarien im Sinne einer effektiven Ressourcennutzung optimieren? Was müssen wir tun, um die Selbsthilfekräfte und die Eigenverantwortung in den Entwicklungsländern selbst zu fördern? Wie können wir die Eliten in unseren Partnerländern stärker in die Pflicht nehmen?
Ich sehe zum Beispiel überhaupt nicht ein, daß manche Führungskräfte in der Dritten Welt Milliardenbeträge in die Schweiz verschieben, statt dieses Geld zur Förderung der Lebensbedingungen der Menschen in ihrem eigenen Land einzusetzen.
({5})
Wie kommen wir weg von der bürokratiegeschwängerten und personalkostenintensiven Einzelprojektitis, die auch bei uns im Ausschuß um sich greift? Welche Alternativen gibt es? Könnte es zum Beispiel ein Wettbewerb in Gestalt kommunaler und regionaler, also dezentraler Budgethilfe sein?
({6})
Wie schaffen wir es, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einrichtungen, die auf diesem Felde international tätig sind, zu verbessern und zu einer echten Koordination ihrer Bemühungen zu kommen? Brauchen wir wirklich die nahezu unüberschaubare Vielzahl von Institutionen und Organisationen, die sich auf dem Felde der Entwicklungspolitik tummeln, erheblichen Koordinierungsaufwand verursachen und wahrlich - man kann es sich vor Ort anschauen - nicht immer Synergieeffekte in diesen
Ländern erzielen? Wann endlich gibt es eine sachlich plausible Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union einerseits und den einzelnen Mitgliedstaaten andererseits?
Diese Liste ließe sich verlängern. Darüber möchte ich gern mit Ihnen in diesem Parlament streiten und nicht über formale Zielsetzungen quantitativer Art. Wir müssen vor allem diese Fragen beantworten,
({7})
wenn wir die Zustimmung der Bürger für unsere Politik erhalten wollen.
Ich habe mich bereits in der Debatte zur ersten Lesung zur Gesamtverantwortung für die Haushaltspolitik bekannt. Ich wiederhole deshalb: Der Weg in noch höhere Verschuldung darf im Interesse der jungen Generation nicht weitergegangen werden. Die Steuer- und Abgabenlast der Bürger ist zu hoch und muß abgebaut werden.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir in allen Politikfeldern, auch in der Entwicklungspolitik, diese Situation als Erneuerungschance begreifen und nutzen. Nur so werden wir die Zustimmung der Bürger für diese Politik erhalten.
Der Beginn der deutschen Entwicklungspolitik ist mit den Namen von zwei Liberalen verbunden: Walter Scheel war der erste Entwicklungsminister der Bundesrepublik Deutschland, und der Mannheimer Abgeordnete Robert Margulies war der erste Vorsitzende des entwicklungspolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages.
Seither haben sich viele Mitglieder meiner Partei für dieses immer wichtiger werdende Politikfeld engagiert, wie zuletzt unsere frühere Kollegin Ingrid Walz. Dies, Herr Minister Spranger, ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß es nicht richtig sein kann, Wahlrechtssysteme zu propagieren, die den Wählerwillen jedenfalls nicht fair widerspiegeln, um es sehr zurückhaltend auszudrücken.
({8})
Wir Liberalen bekennen uns ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit den armen Ländern auf dieser Erde. Demokratie und Partizipation, Achtung der Menschenrechte, Minderheitenschutz, Rechtsstaatlichkeit und Soziale Marktwirtschaft bleiben für uns Richtschnur der Entwicklungspolitik.
({9})
Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei stimmt deshalb dem Einzelplan 23 zu.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Willibald Jacob.
Frau Präsidentin, um Sie am Ende durch die Länge meiner Rede oder die Überschreitung der Zeit nicht in Bedrängnis zu bringen, möchte ich das Ergebnis meiner Rede vorwegnehmen. Meine Damen und Herren, ich muß gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der PDS den Planteil 23 ablehnen.
({0})
- Natürlich keine. - Wir erwarten im Zusammenhang mit dem Gesamthaushaltsplan eine Neufassung.
Das, was Kollege Kohn vor mir gesagt hat, ist natürlich richtig. Es geht um die Qualität. Ich möchte deshalb, weil es um den Dialog unter uns nicht nur im Ausschuß, sondern auch hier geht, die Gegenfrage stellen: Wie kommt es dazu, daß aus den, wie Sie sagen, Subventionen innerhalb der Entwicklungshilfe Subventionen an die deutsche Wirtschaft im Ausland werden? Das sind Positionen des Planteils 23. Die Eliten aus den Entwicklungsländern sind Ihre Partner, Partner deutscher Wirtschaft und deutscher Regierungspolitiker. Ich denke, primär sind Sie in der Pflicht, das zu realisieren, was Sie anmahnen.
Ich möchte im Blick auf den Planteil 23 zwei grundlegende Bemerkungen machen.
({1})
Erstens. Der Ertrag der drei UNO-Konferenzen des Jahres 1995 in Kopenhagen, Berlin und Peking ist die Erkenntnis, die Globalisierung der Märkte, der Finanzen und der Produktion bedeutet gleichzeitig die Globalisierung von Hunger, Armut und sozialer Rechtlosigkeit,
({2})
aber auch die Globalisierung der Verschuldung.
({3})
Einen Moment bitte. Liebe Kollegen, ich bitte um ein bißchen mehr Ruhe. Es ist für den Redner sonst wirklich schwer zu reden.
({0})
In Indien zum Beispiel heißt „lean production" unter dem Druck ausländischer Investoren, daß Betriebe so behandelt werden wie in Ostdeutschland. In einer mittleren Industriestadt habe ich es in der letzten Woche erlebt. Ein Zementwerk entläßt von 2 500 Mitarbeitern 2 150. 350 bleiben übrig, und das in einem Land der billigen Arbeitskräfte. Die Folge ist eine 16prozentige registrierte Arbeitslosigkeit wie bei uns in Ostdeutschland.
({0})
- Natürlich. - Global ist die Weltbevölkerung zu 80 Prozent weiterhin unterernährt, zu 20 Prozent vom Hungertod bedroht. Weiterhin sterben täglich 40 000 Kinder. 170 Millionen Kinder kämpfen ums Überleben. Die Problematik der Straßenkinder ist bekannt.
Dies alles sind Folgen einer gigantischen Strukturanpassung, die auch bei uns vorgenommen wird. Zerstörung von Produktion, das ist in Ostdeutschland passiert. Arbeitslosigkeit und Verschuldung als Folge dessen geschehen bei uns.
({1})
In diesem Sinne ist die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland voll in die Globalisierung der Märkte einbezogen,
({2})
so wie Kollege Helmut Haussmann es uns immer wieder nahezubringen versucht. Insofern ist unser Finanzminister von den Wirkungen seines eigenen Systems voll getroffen und weiß nicht angemessen darauf zu reagieren. Das Loch im Haushaltsplan ist ein Zeichen dafür.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Uschi Eid?
Bitte, ja.
Herr Kollege, Sie haben soeben aufgezählt und bedauert, was alles in der Welt passiert, daß sehr viele Menschen an Hunger leiden und es sehr viele Behinderte gibt.
Ich komme gerade aus Angola zurück. Wir haben von dem Landminenräumungsbüro eine Liste bekommen, auf der die Minen, der Typ und das Herkunftsland verzeichnet sind. Wir mußten feststellen, daß zwei Landminentypen aus der ehemaligen DDR nachweislich noch heute in Angola liegen und dort bei Minenräumungen gefunden werden. Ich hätte gerne Ihre Meinung dazu gewußt. Wie stehen Sie dazu, daß die ehemalige DDR Landminen an Angola geliefert hat?
({0})
Ich finde das fatal und falsch. Ich selber bin in der DDR Wehrdienstverweigerer vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, gewesen.
({0})
Nun ist die Frage, ob wir in diesem vereinten Deutschland das, was in der DDR falsch gemacht worden ist, fortsetzen. Das ist der Punkt, der mich heute beschäftigt. Insofern gibt es also in meinem Leben eine Kontinuität in den Erfahrungen. Ich kann nicht nachlassen, vielleicht auch in Ihrem Sinne kritisch nachzufragen.
({1})
Trotz meiner Kritik bin ich der Meinung, daß Entwicklungshilfe und Solidarität unsere Verpflichtung sind, obwohl die Bundesrepublik Deutschland - das sage ich jetzt im Kontext Ihrer Frage an mich -40 Jahre lang daran beteiligt war, Länder der Dritten Welt auszuplündern. Auch das ist die Basis des Wohlstandes, der im Westen entstanden ist.
Zweitens. In einer Situation der Verschuldung hilft nur, sich das Geld von denen zurückzuholen, zu denen es transferiert worden ist und die damit spekulieren. Das ist in dieser Debatte heute schon oft gesagt worden. Die Opfer der Entwicklung erwarten das in den Entwicklungsländern wie bei uns selbst.
Dazu kommen Ausgrenzung und Sinnlosigkeit des Lebens, geschehen in weit schlimmerem Maße bei den Menschen im Süden. Es hilft nicht, den Opfern der Entwicklung die Schuld in die Schuhe zu schieben, im Süden mit dem Argument „Ihr habt zu viele Kinder" und bei uns mit „Die Ostdeutschen sind schuld" . So ist das im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit im September sinngemäß immer wieder geschehen, genau in den Sitzungen, in denen ich dabei war. Da mußte ich mein Veto einlegen.
({2})
Ihre Redezeit ist um.
Meine Zeit ist um,
({0}) und im Prinzip habe ich alles gesagt.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Carl-Dieter Spranger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Investitionen in die Zukunft, die Förderung strukturellen Wandels, die Bekämpfung der Risiken für Wohlstand und soziale Sicherheit, dies sind die zentralen Themen des Haushalts 1996. Dabei gewinnt die Sicherung unserer Zukunft immer mehr eine internationale Dimension. Die Globalisierung der Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte ebenso wie die Globalisierung der Risiken durch grenzüberschreitende ökologische Probleme sowie soziale und ethnische Konflikte lassen
Bundesminister Carl-Dieter Spranger uns immer weniger die Chance, Zukunftssicherung allein aus einer rein innenpolitischen Betrachtungsweise heraus zu betreiben.
({0})
Die deutsche Entwicklungspolitik der 90er Jahre ist wichtiger Bestandteil einer so verstandenen globalen Strategie. Entwicklungspolitik dient dem Frieden, indem sie zum Abbau wirtschaftlicher und sozialer Spannungen beiträgt. Sie hilft, die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu erhalten, und sie unterstützt die Menschen in ihrem Bemühen, ihr Leben aus eigener Kraft zu gestalten. Damit wirkt die Entwicklungspolitik der Bundesregierung auch in unserem wohlverstandenen eigenen Interesse.
Die Rolle der modernen Entwicklungspolitik haben wir in diesem Jahr bereits mehrfach diskutiert. Im Grundsatz besteht darüber, soweit ich sehe, kein Dissens. Lieber Kollege Dr. Schnell, ich begrüße den Aufruf zur Fortsetzung der sachlichen Diskussion. Man sollte sich dann aber auch selber daran halten und die 500 Nichtregierungsorganisationen, die in der Sommerpause unsere Arbeit unterstützt und deutlich gemacht haben, welch große entwicklungspolitische Lobby sich in Deutschland entwickelt hat, nicht diskreditieren, sondern sagen: Das ist eine prima Sache!
({1})
Wir hoffen, daß wir in dieser Gemeinschaft der Entwicklungsarbeit weiter auf Erfolgskurs bleiben. Auch Ihre Kritik, Herr Schmitt, ist damit zurückgewiesen.
({2})
Eine Politik, mit der wir unserer internationalen Verantwortung nachkommen und zur Sicherung der Zukunft nachfolgender Generationen beitragen wollen, verdient eine gute finanzielle Ausstattung.
Mit dem Haushalt 1996 setzt die Bundesregierung für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit neue Akzente. Ich sehe darin einen ersten Erfolg der Bemühungen, für ein besseres Verständnis von Entwicklungspolitik zu werben und die Bedeutung der Auslandskooperation für die Lösung globaler Probleme zu unterstreichen.
Was haben wir nun mit dem Haushalt 1996 erreicht? Auf der positiven Seite ist zu vermelden: Zum einen: Nach der Kürzung in den vergangenen Jahren wird der Einzelplan 23 etwas bessergestellt. Die Steigerungsrate ist angesichts der angespannten Haushaltssituation mit 0,5 Prozent äußerst maßvoll und kann nicht alle Erwartungen erfüllen. Bei einem zurückgehenden Gesamthaushalt ist sie jedoch ein deutliches politisches Signal. Die Kollegen Kohn und Laschet haben das in ihren Beiträgen auch richtig und sachlich begründet.
({3})
Herr Schmitt hat gesagt, daß die Preisbereinigung sozusagen zur Stagnation führe. Wenn Sie eine Preisbereinigung durchführen, dann müssen Sie natürlich auch die Inflationsraten in den Entwicklungsländern berücksichtigen. Da diese Inflationsraten wesentlich höher sind als unsere Inflationsrate, ist das sogar ein erheblicher Gewinn, den die Entwicklungsländer durch unsere DM-Leistungen erfahren. Insofern steigen unsere Leistungen zusätzlich.
({4})
Zum anderen: Die positive Zukunftsperspektive, das heißt die Trendwende zugunsten künftiger Steigerungen der bilateralen Zusammenarbeit, kommt vor allem in der Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung um 4,3 Prozent zum Ausdruck. Ich kann mich noch an manche Debatte erinnern, in der gerade aus der Oppositionsecke behauptet wurde, es sei das entscheidende Manko, daß die Verpflichtungsermächtigungen stagnieren. Jetzt haben wir ein Wachstum von 4,3 Prozent. Das ist ein durchaus bedeutsamer Fortschritt.
({5})
Nicht erreicht wird - das muß man offen eingestehen - eine Trendwende bei der Entwicklung der ODA/BSP-Quote. Bei einer Steigerungsrate des Einzelplans um 0,5 Prozent und einer geschätzten Wachstumsrate des BSP von 4 bis 5 Prozent wird sie weiter sinken. Auch der Anteil der gesamten öffentlichen Hilfe unter Einschluß der Hilfen für die weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer und die Transformationsländer wird nach einem starken Anstieg zu Beginn der 90er Jahre zurückgehen. In diesem Bereich würde ich mir natürlich eine deutliche Trendwende wünschen.
Bedauerlich ist auch - das ist schon gesagt worden -, daß die Einsparungen von 87,5 Millionen DM im multilateralen Bereich, die wechselkursbedingt sind und nicht etwa zur Kürzung von Programmen führen, erneut nicht für dringende Aufgaben im bilateralen Bereich verwendet werden konnten. Dennoch, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage ist die Feststellung, Deutschland werde seiner gestiegenen internationalen Verantwortung gerecht, vertretbar.
Wir haben im Haushalt Weiteres erreicht. In einigen wichtigen Bereichen wurde der Handlungsspielraum der Bundesregierung und des BMZ erweitert. Zu nennen sind:
Erstens. Das Verzichtsvolumen für die Umwandlung von Schulden ärmerer Entwicklungsländer gegen Umweltschutz wurde von 110 auf 200 Millionen DM erhöht und auf Projekte der Armutsbekämpfung erweitert. Damit erwerben wir Flexibilität bei der Schuldenstrategie. Maßnahmen bei der Schuldenentlastung können jetzt noch besser in die entwicklungspolitische Gesamtkonzeption einbezogen werden.
Zweitens. Mit dem neuen Titel „Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe" wird es leichter, die verschiedenen, auch über die Nahrungsmittelhilfe hinausgehenden Elemente der Not- und Flüchtlingshilfe schnell und dem jeweiligen Bedarf entsprechend zu einem integrierten Hilfsprogramm zusammenzustellen. Gleichzeitig wird die Bedeutung der Zusammenarbeit des BMZ im Kontinuum zwischen humanitärer Hilfe und langfristiger Unterstützung unterstrichen. Auch das ist ein Bemühen, das jahrelang angehalten hat. Hier kommen wir Schritt für Schritt zu einer Konsolidierung.
Drittens. Der BMZ-Haushalt wurde als zentrales Instrument des Bundeshaushalts bei der Unterstützung der MOE/NUS-Länder bestätigt. Rund 350 bis 400 Millionen DM sind für diese Region im Einzelplan 23 insgesamt vorgesehen. Die Zusammenfassung der Sonderhilfen mit den Beratungshilfen für die vom BMZ federführend betreuten Länder schafft zusätzlichen Handlungsspielraum, insbesondere im Hinblick auf Südosteuropa.
Ich brauche nicht zu betonen, daß die heutige Intervention von Frau Hermenau in einem anderen Zusammenhang der Strategie und der Auffassung des BMZ, mich natürlich eingeschlossen, entspricht.
({6})
Viertens. Im multilateralen Bereich ist hervorzuheben, daß für die elfte Wiederauffüllung der IDA eine Verpflichtungsermächtigung eingestellt wurde, die für die anstehenden Verhandlungen genügend Spielraum enthält. Der IDA - das sollte man nicht vergessen - kommt entscheidende Bedeutung für die wirtschaftlichen Reformprogramme gerade der ärmeren Länder zu. Diese Reformprogramme dienen zugleich als Grundlage unserer bilateralen Programme und der Verhandlungen im Pariser Club.
Meine Damen und Herren, damit sind wir gerüstet, um den heute sichtbaren Anforderungen des Jahres 1996 zu begegnen. Daneben werden wir unsere Bemühungen um Effizienzsteigerung und Verfahrensvereinfachung fortsetzen, wie es auch Herr Kohn wiederholt zutreffend gefordert und angeregt hat. Es kommt in Zukunft noch mehr darauf an, daß alle drei Säulen der Zusammenarbeit - die bilaterale staatliche, die bilaterale nichtstaatliche und die multilaterale - noch enger miteinander verzahnt werden und einander ergänzen.
In der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, die angesichts der in vielen Ländern eingeleiteten gesellschaftlichen Reformprozesse, aber auch wegen des von uns beherzigten Grundsatzes der Subsidiarität in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, haben wir eine neue Qualität erreicht, für die wir alle miteinander dankbar sein sollten. Wir können nur sagen: Diese Art von Gemeinsamkeit wollen wir auch in den kommenden Jahren kontinuierlich ausbauen.
({7})
1997 und in den Jahren danach müssen, was die finanzielle Ausstattung angeht, weitere Schritte folgen, um die 1996 eingeleitete Trendwende zu bestätigen und zu verstärken.
Ich möchte mich zum Schluß für alle Unterstützung und Hilfe vor allem beim Finanzminister, beim Haushaltsausschuß insgesamt, bei den Kollegen im AwZ, insbesondere aber bei der Dame und den Herren Berichterstattern - Herrn von Schmude, Herrn Koppelin, Herrn Dr. Schnell und Frau Hermenau -, die uns in vielen Stunden Arbeit sehr geholfen haben, bedanken. Vielen Dank für Ihre Arbeit und Unterstützung. Ich freue mich auf eine weitere Zusammenarbeit mit den Ausschüssen und dem Parlament.
({8})
Es spricht jetzt der Abgeordnete Werner Schuster.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Spranger, es gibt ein gutes deutsches Sprichwort: Not macht erfinderisch. Das scheint jedoch für das BMZ nicht zu gelten. Dieser Haushalt ist business as usual. Nichts von dem, was Herr Kohn an Innovation gefordert hat, ist enthalten. Oder, Herr Minister, könnte es sein, daß die Not noch immer nicht groß genug ist?
Bevor Sie im Jahre 1990 Ihr Amt antraten, betrug die ODA-Quote 0,41 Prozent. Ende 1996 wird die ODA-Quote bei 0,3 Prozent liegen. Wenn man das hochrechnet, Herr Minister, haben wir in zehn Jahren eine ODA-Quote in Höhe von 0 Prozent.
Meine Damen und Herren, auf die Vorgeschichte hat Herr Kollege Schnell schon hingewiesen. Ich will nur eines wiederholen: Sie haben die NGOs gebeten, für Entwicklungszusammenarbeit zu werben. Es ist kein Geheimnis, daß der heute zu verabschiedende Haushalt ein großes Desaster ist, und viele NGOs sind maßlos enttäuscht.
Was lernen wir daraus, meine Damen und Herren? - Drei Dinge: Erstens. Herr Minister, Sie sägen offensichtlich systematisch Ihren eigenen Ast ab. Die Leute, die für unser Anliegen, den Nord-Süd-Ausgleich, in die Bütt gehen, die NGO-Vertreter, bekommen nicht mehr als vorher. Die entwicklungspolitische Bildung spielt ebenfalls kaum noch eine Rolle. 1993 waren es noch 5,6 Millionen DM, jetzt sind es nur 4,3 Millionen DM. Wir wollten nur kleine Beträge. Aber, meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wer soll eigentlich diesen so staatstragenden Haushältern Dampf machen, wenn nicht die Mitglieder der NGOs die Öffentlichkeit in Deutschland entsprechend mobilisieren, wenn nicht ein entsprechender Bewußtseinswandel organisiert wird?
({0})
Wer soll deutlich machen, meine Damen und Herren, daß der Nord-Süd-Ausgleich nicht eine Frage des Südens ist, sondern eine Frage unseres eigenen Überlebens?
({1})
Ich frage Sie, Herr Minister: Wollen Sie diesen strategischen Aspekt der Verbündeten nicht wahrhaben, oder müssen Sie ihn verdrängen? Ich bitte Sie an dieser Stelle, sich bei den NGOs zu entschuldigen, damit es nicht noch mehr Scherben gibt.
({2})
Zweitens. Zu den falschen Prioritäten, Herr Kohn: Wenn Ihnen, Herr Minister Spranger, Herr Kohl - im Gegensatz zu den Vereinbarungen von Rio - schon nicht mehr Geld zur Verfügung stellt, dann muß doch die Frage erlaubt sein, ob man das vorhandene Geld nicht wirksamer, nachhaltiger ausgibt, ob man nicht andere Prioritäten setzen muß. Ich will nicht mißverstanden werden. Prioritäten setzen heißt nicht: entscheiden zwischen guten und schlechten Projekten, sondern innerhalb von wichtigen Projekten noch einmal eine neue Rangordnung schaffen.
Ich darf Sie daran erinnern: Dieser Bundestag hat vor 13 Jahren, 1982, einstimmig beschlossen, daß die Hauptzielgruppe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit die ärmsten Bevölkerungsschichten sein sollten. Die Mobilisierung und die aktive Beteiligung der betroffenen Bevölkerung am Entwicklungsprozeß sollten bestimmende Kriterien für Programme und Projekte sein. Und besonderer Wert ist auf die Förderung von Frauen zu legen. Wenn Sie das, meine Damen und Herren, mit dem vergleichen, was wir neulich in der Anhörung zur Armutsbekämpfung gehört haben, haben Ihnen hoffentlich die Ohren geklungen. Und Sie, meine Damen und Herren vom
BMZ, muß man fragen: Was machen Sie eigentlich mit solchen Beschlüssen des Bundestages? Legen Sie die auf Ihre Kopfkissen - und das war's dann, die Karawane zieht weiter?
Ich meine, Herr Minister Spranger, wir müssen endlich lernen, daß Herr Nyerere in einem Punkt recht hatte: Menschen können nicht entwickelt werden, sie können sich nur selbst entwickeln. Das ist aber sehr personalintensiv, Herr Kohn.
Drittens. Wenn Sie schon nicht genug Geld von Herrn Kohl für ausreichendes Personal bekommen: Warum machen Sie dann weiterhin die „Projektitis"? Sie haben ein Riesenreservoir an Organisationen. Sie könnten eine Menge Arbeit delegieren und bekämen endlich die manpower frei, um so wichtige Fragen wie die Beeinflussung der Politik der Weltbank, des IWF oder auch von Brüssel zu klären.
Meine Damen und Herren, Herr Spranger, nach meinem Verständnis haben Sie zwei Handlungsalternativen: Entweder machen Sie weiter so. Dann wird Ihr Name leider untrennbar mit einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit des BMZ verbunden sein. Oder aber, Herr Spranger, Sie machen tatsächlich aus der Not eine Tugend, suchen sich systematisch Verbündete, unterstützen diese, setzen andere Prioritäten und organisieren einen Reformprozeß in Ihrem Haus.
Wir, meine Damen und Herren, die wir nach wie vor der Vision von dem gemeinsamen solidarischen Leben in der einen Welt nachhängen, würden uns freuen, wenn Sie sich für die zweite Alternative entscheiden. Das wünschen wir uns von Ihnen.
({3})
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/2882? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag auf Drucksache 13/2882 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung von SPD und PDS abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/2883? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit denselben Stimmenverhältnissen abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/2884? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist mit denselben Stimmenverhältnissen abgelehnt worden.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/2912. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS bei Enthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt worden.
Wer stimmt für den Einzelplan 23 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 23 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden.
Ich rufe auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
- Drucksachen 13/2606, 13/2626 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Klaus Uelhoff Carl-Detlev Frhr. von Hammerstein Ina Albowitz
Oswald Metzger
Einzelplan 33
Versorgung
- Drucksachen 13/2624, 13/2626 Berichterstattung:
Abgeordnete
Carl-Detlev Frhr. von Hammerstein Ina Albowitz
Oswald Metzger
Zum Einzelplan 06 liegen neun Änderungsanträge der Gruppe der PDS und ein Änderungsantrag des Abgeordneten Manfred Such vor.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
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- Ich bitte ein wenig um Ruhe.
Ich eröffne nun die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Uta Titze-Stecher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern umfaßt ein Finanzvolumen von 9 Milliarden DM. Die leichte Steigerung um 2,4 Prozent gegenüber dem Haushalt des letzten Jahres erklärt sich sehr einfach: Der Einzelplan 36, Zivile Verteidigung, wurde aufgelöst und erstmalig im Einzelplan 06 veranschlagt, allerdings um 4,3 Prozent gesenkt.
Wer glaubt, der zuständige Innenminister Kanther habe sich die massiv geäußerten Vorwürfe der Opposition anläßlich der letzten Haushaltsberatung Ende März zu Herzen genommen und zeige sich nun reformwillig, reformfähig, entschlossen und konzeptionell neuorientiert - Bereiche dafür gäbe es genug -, der täuscht sich gewaltig; Fehlanzeige in allen Bereichen, wie ich gleich im einzelnen nachweisen werde. Im Gegenteil, der Minister ist sich treu geblieben; er handelt entschlossen am Parlament vorbei.
Dies zeigt sich exemplarisch im Zusammenhang mit der Erarbeitung und Umsetzung des Konzepts zur Neuordnung des Zivilschutzes. Wie Sie wissen, haben wir seit 1989 veränderte politische Verhältnisse durch das, was in Osteuropa geschehen ist. Das hat auch die Situation der politischen Sicherheit und damit die militärische Bedrohungslage der Bundesrepublik Deutschland geändert. Daß dies Auswirkungen auch auf die Ausgestaltung des Zivilschutzes haben mußte und haben muß, ist klar und unbestreitbar. Genau deshalb hat der Deutsche Bundestag seit 1991 den zuständigen Bundesinnenminister wiederholt zur Vorlage eines Konzepts aufgefordert, zuletzt im Juni 1992. Was glauben Sie, wann dieses Konzept endlich überkam? Nach Zwischenberichten, endgültigen Zwischenberichten haben wir am Ende der Sommerpause diesen Jahres, also nach genau drei Jahren Brütezeit, endlich das endgültige Konzept auf den Tisch bekommen; es ist bis heute noch nicht parlamentarisch beraten. ({0})
Ich rüge ausdrücklich, daß dies nicht geschehen ist. - Aber die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen und haushaltsrechtlichen Schlußfolgerungen werden bereits mit dem Haushalt dieses Jahres, also seit 1995, in Gang gesetzt bzw. gezogen. Damit brüskiert der Innenminister eindeutig den gesamten Bundestag. Daß Sie, die Kollegen von der rechten Seite, sich das gefallen lassen, das verstehe ich nicht.
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Wir werden im Zusammenhang mit der zivilen Verteidigung sehr genau aufpassen müssen, damit die vom Minister zugesagte Budgetierung der Mittel für das THW - gegen die wir nichts haben - nicht durch klammheimlichen Personalabbau ausgehöhlt wird. Denn die Beschäftigten beim THW - wozu auch die Helferorganisationen gehören - brauchen Verläßlichkeit nach den vergangenen Jahren der absoluten Unsicherheit.
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Der Minister ist aber nur da so saumselig, wo es ihm paßt, zum Beispiel in Sachen zivile Verteidigung. Ganz im Gegensatz dazu steht seine Entschlußfreude, wenn es um seine Lieblingsspielfelder geht, nämlich die innere Sicherheit - freilich so, wie er innere Sicherheit versteht. Für den BGS - Bundesgrenzschutz - und das BKA - Bundeskriminalamt - hat Herr Kanther immer ein offenes Ohr und vor allem ein offenes Portemonnaie.
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- Dafür sind Sie zuständig; dafür sorgen Sie. - Im Regierungsentwurf sind für den BGS 2,9 Milliarden DM vorgesehen, gut 200 Millionen DM mehr als gegenüber dem Vorjahr, was eine satte Steigerung von 7,5 Prozent bedeutet.
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- Von der Seite brauche ich wirklich keinen Beifall. - Auch das Haushaltsvolumen des BKA erhöht sich um 10 Prozent.
Damit Sie sich nicht täuschen: Auch der SPD ist klar, daß ein leistungsfähiges BKA ein unverzichtbarer Bestandteil der inneren Sicherheit ist. Das heißt, sowohl die Personalausstattung als auch die Struktur des BKA müssen mit Blick auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Ordnung sein.
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Das ist auch der Opposition bekannt. Ebenso ist uns bekannt, daß sich die OK - organisierte Kriminalität - besorgniserregend verstärkt hat und daß internationale Verbrechersyndikate auch in Deutschland arbeiten,
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wodurch sie jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen. Daran tragen Sie und der zuständige Innenminister ein erhebliches Maß an Mitschuld. Ich werde das jetzt erklären.
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- Sie brauchen gar nicht so laut zu schreien, Herr Marschewski. Sie haben nachher noch genug Gelegenheit dazu.
Das Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 und die geltenden Vorschriften des Geldwäschegesetzes haben sich - das beweist der Anstieg der organisierten Kriminalität - im Kampf gegen international agierende Banden als nicht ausreichend erwiesen. Nach Angaben des BKA selbst konnte 1994 bei Finanzermittlungen nur in 4 Prozent der Verfahren der VerUta Titze-Stecher
dacht der Geldwäsche konkretisiert werden. Herr Kanther, hier wartet jede Menge Arbeit auf Sie. Es kann nicht hingenommen werden, daß Teile der Koalition vor einer Lobby kapitulieren, die den Schutz von Finanztransaktionen höher bewertet als die Verbrechensbekämpfung selbst.
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Eine bereits im Mai 1993 von der SPD eingebrachte und zwischenzeitlich aktualisierte Große Anfrage zu diesem Komplex ist bis heute - das ist anscheinend bewährtes Muster - nicht beantwortet worden. Vielleicht verraten Sie in Ihrer anschließenden Antwort, Herr Minister, warum.
Drei abschließende Bemerkungen zum Thema Kriminalität und BKA: Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen nun einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem es im Wege einer einstweiligen Anordnung im Juli dieses Jahres die im Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 durch den Bundesnachrichtendienst vorgesehene „verdachtslose Rasterfahndung" wegen schwerwiegender Nachteile für Bürgerinnen und Bürger gestoppt hat.
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Das heißt, ein Teil Ihres Gesetzes ist schlicht außer Kraft gesetzt worden. Da kann ich nur sagen: handwerklicher Pfusch. Damit sind die schweren Bedenken der SPD im nachhinein bestätigt worden.
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Zweiter Punkt. Die jährliche Präsentation der amtlichen Kriminalitätsstatistik - sonst als Frühjahrsritual des Ministers nach dem immer gleichen Motto „Warnung, Alarm, Entsetzen" zelebriert - wurde diesmal sehr zögerlich und relativ spät durchgeführt. Der Grund ist klar: Die aktuellen Zahlen waren in keiner Weise geeignet, um daraus einen allgemeinen Anstieg der Kriminalität abzuleiten. Den leichten Anstieg der Kinderkriminalität allerdings nannte der Minister „besorgniserregend", obwohl er weiß, daß gerade deren Registrierung auf Grund der Strafunmündigkeit von Kindern unter 14 Jahren ein reiner Zufall ist.
Die eigentlich erschreckende Information aber wurde gar nicht erst erwähnt. Deswegen kommt sie jetzt: In Ostdeutschland ist die Straffälligkeit Jugendlicher, bezogen auf Räubereien und schweren Diebstahl, rund dreimal höher als im Westen und entspricht in etwa derjenigen junger Ausländer im Westen. Der Schluß daraus ist eindeutig: Subjektive und objektive Armut und. Perspektivlosigkeit schlagen bei beiden Gruppen in Kriminalität um. Was helfen Ihnen, Herr Kanther, da neue Strafgesetze, wenn die Zahl der Sozialhilfeempfänger unter den Jugendlichen ständig ansteigt?
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Wenn alte Netzwerke nicht mehr halten, sondern - im Gegenteil - von dieser Koalition mutwillig durchlöchert und zerstört werden, dann wächst soziale
Desintegration. Schärfere Strafgesetze sind kein Ersatz für eine sinnvolle Lebensperspektive.
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Gefragt ist gerade im Blick auf Jugendliche, auch ausländische Jugendliche, Kriminalprävention. Dazu werde ich im weiteren Verlauf noch einiges an sinnvollen Vorschlägen bringen. Aber das paßt wohl nicht in das Weltbild dieses Ministers und vor allem dieser Koalition.
Dritter Punkt. Ich wüßte schon ein Betätigungsfeld auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung. Eine BKA-Studie über Korruption in Deutschland stellt fest, daß Bestechung im Amt nicht ausreichend geächtet wird. - Wie wahr! Der Komplex Bestechung im Amt ist kein Peanut. Nach BKA-Angaben wurden allein 1994 7 000 Delikte registriert, von den nicht registrierten gar nicht zu sprechen. Hier empfehlen die BKA-Experten schärfere Gesetze und höhere Strafen sowie die Ernennung von Korruptionsbeauftragten, um in den Behörden die Vorbeugung zu verbessern. Als Präventivmaßnahmen werden ausdrücklich bessere Aus- und Fortbildung von öffentlich Bediensteten mit dem Ziel der Sensibilisierung für dieses Thema genannt. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Wie soll denn das geschehen, wenn die Koalition gerade in diesen Bereichen, also in den Bereichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Mittel besonders gern nach unten korrigiert?
Ich komme nun zu einem Bereich, der durch das Beharrungsvermögen des Ministers sowie der Bürokratie seines Hauses im Schneckentempo angegangen wird: die dringend notwendige und eigentlich überfällige Reform des öffentlichen Dienstes. Diese anzupacken wäre Ihre vornehmste Pflicht, Herr Minister. Bekenntnisse zum Berufsbeamtentum ersetzen keinesfalls Reformen.
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An die Adresse der F.D.P. sei gleich gesagt, daß Sie die Reformdiskussion durch den völlig unnötigen Streit über das Berufsbeamtentum zwar auf die bewährte Weise etwas abwürgen können, aber nicht verhindern können.
Die SPD - damit das hier im Raume klar ist - hält am Berufsbeamtentum fest
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- hören Sie gut zu; Sie haben anscheinend unsere Papiere nicht gelesen -,
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will allerdings die Verwendung von Beamten prinzipiell auf den hoheitlichen Kernbereich beschränken. Dies fordert sogar die entsprechende EU-Richtlinie.
Ihre Vorschläge hingegen strotzen von Ängstlichkeit und Widersprüchen. Können Sie, Herr Minister, mir erklären, wie Sie die Forderung, Beamte in den Tätigkeitsfeldern der staatlichen Daseinsvorsorge einzusetzen, mit der Forderung in Einklang bringen
wollen, diese Daseinsvorsorge mehr und mehr zu privatisieren? Erklären Sie mir doch diese Ungereimtheit! Vielleicht ist der Blick auf die Wählerstimmen die einzige Erklärung. Mir ist das zu unsachlich, weil primitiv.
Ich kann auch die Begründung nicht nachvollziehen, mit der Sie die Vergabe von Spitzenpositionen auf Zeit ablehnen. Beamte - so sagen Sie - sollten sich nicht an politischen Vorgaben, sondern an Rechtsstaatlichkeit und Loyalität orientieren. Mit dieser absurden Argumentation konstruieren Sie einen Widerspruch zwischen Politik und Rechtsstaatlichkeit. Das schadet dem Ansehen der Politik von uns allen.
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Warum wehrt sich der zuständige Innenminister so, durch die Modernisierung von Staat und Verwaltung einer Entwicklung Rechnung zu tragen, die in immer kürzeren Zeiträumen und mit immer größerer Dynamik Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verlangt? Länder und Gemeinden haben in ihren Verwaltungen bereits gehandelt. Können Sie mir sagen, Herr Kanther - wenn Sie nachher antworten -, wieso Sie den von Rheinland-Pfalz geplanten Pensionsfonds für neu eingestellte Beamte ablehnen? Diese Begründung würde mich interessieren.
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Wie sieht denn die Alternative zur Lösung des Problems der horrenden Versorgungslasten aus? Die Länderchefs kritisieren zu Recht Ihre mageren Vorschläge und fordern neue Verhandlungen mit den Zielen mehr Teilzeit, neues Besoldungsrecht und effizientere Verwaltungsstrukturen. Setzen Sie als federführender Minister doch wenigstens die Forderung des Bundesrechnungshofes durch, der seit Jahren die Praxis der Personalbedarfsermittlung und der Dienstpostenbewertung kritisiert.
Jetzt komme ich zu einer Sache, die für Konservative das eigentliche Horrorszenario darstellen sollte: 70 000 Vorschriften - Sie hören richtig - regeln in diesem Staat, was Bürger und Firmen zu tun haben. Das können Sie nicht auf die SPD zurückführen.
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Angesichts dieser Situation komme ich in diesem Punkt ausnahmsweise zur selben Bewertung wie der bayerische Ministerpräsident Stoiber:
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Die Bürokratie hat sich in diesem Lande zu einem Standortrisiko ersten Ranges entwickelt.
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Da ist Verschlankung gefragt! Aber da sich die Staatsdiener den Ast, auf dem sie sitzen, nicht selbst absägen, muß dies natürlich dazu führen, daß die von Ihnen eingesetzte Kommission „Schlanker
Staat" Vorschläge produziert, die ich nur als Kosmetik betrachten kann.
Folge: Der Staat wird zur Beute seiner Bediensteten. Damit Sie sich das mal in Zahlen klarmachen können: Die Personalkosten sind bereits heute der drittgrößte Posten im Bundeshaushalt. Da liegt zukünftiger Sprengstoff. Das bedeutet, daß die frei verfügbaren Mittel und damit der Gestaltungsspielraum des Bundes, des Staates für neue Aufgaben immer geringer wird. Die Zukunftsperspektive ist düster. Wahrscheinlich verschiebt der zuständige Minister die Vorlage des seit einem Jahr überfälligen Versorgungsberichts deswegen bis nach Abschluß der diesjährigen Haushaltsberatungen.
Eines ist sicher: So wie Waigel in der Zins- und Schuldenfalle, so sitzt dieser Staat in der Kostenfalle.
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In den nächsten zwei Jahrzehnten verdoppelt sich die Zahl der Pensionäre, die - ohne je einen Pfennig dafür eingezahlt zu haben - auf Staatskosten ihre Pensionen genießen können. Sollen sie auch! Aber nun kommt das Haushalterische an der Lage: Die Pensionszahlungen werden von heute 40 Milliarden DM in 20 Jahren auf über 100 Milliarden DM und im Jahre 2040 auf 240 Milliarden DM ansteigen.
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Auf 100 Beamte im Dienst werden dann 93 Pensionäre kommen, wenn sich nichts ändert. Das Motto „Nach mir die Sintflut" ist angesichts dieses Szenarios schlicht verantwortungslos.
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Es muß sich einiges ändern, und zwar sehr radikal und sehr schnell. Aber wie soll das geschehen, wenn der teuerste Produktionsfaktor in der Kiste, das Personal im öffentlichen Bereich, der am schlechtesten gemanagte ist? Mut zur Zukunft und zur Innovation ist bei vollem Pensionsausgleich wohl schwerlich zu haben.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Frau Kollegin, können Sie bestätigen, daß die Personalentwicklung in den Ländern - und ich denke hier insbesondere an Nordrhein-Westfalen - dazu geführt hat, daß mittlerweile mehr als 50 Prozent des Etats für Personalkosten ausgegeben werden? Und können Sie ebenfalls bestätigen, daß die Grundlagen für die von Ihnen beklagte Pensionslawine, die in den nächsten zwei Jahrzehnten auf uns zukommt, im wesentlichen in der sozialliberalen Koalition gelegt worden sind?
Ich kann Ihnen gern bestätigen, daß die Länder von denselben Sorgen bedrückt und bedrängt sind. Zum Teil liegen die ProUta Titze-Stecher
zentsatzzahlen für die Versorgungslasten dort noch höher, als Sie sie nannten, nämlich bei 60 Prozent. Eben weil der Druck unten in den Gemeinden und Ländern größer ist, haben die unter diesem Druck bereits begonnen, das Ruder herumzuwerfen. Anscheinend ist der Druck dem Minister nicht bekannt, oder er will ihn nicht wahrnehmen, oder er sagt „Nach mir die Sintflut"; soll das nach mir ein anderer auslöffeln!
Das ist das erste, was ich sagen will: Die Länder kennen das Problem. Aber daß es auf die sozialliberale Koalition zurückzuführen ist, bestreite ich. Rechnen Sie mal zurück! Das würde ja heißen, daß fast alle in diesen Jahren der Wende - es sind 13 Jahre - auf einen Schlag in Pension gegangen sein müßten. Aber da es auch unter Beamten nach der Verteilung entsprechend der Gaußschen Kurve und der Alterspyramide einen großen Teil junger Beamter, Beamter mittleren Alters und älterer Beamter gibt, kann Ihre Rechnung nicht aufgehen.
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Die SPD ist bereit - und Sie wissen, uns zwickt schlicht und einfach der Zwang, der durch die EU-Richtlinie ausgeübt wird -, das Beamtenrecht flexibler und leistungsgerechter auszugestalten. Allerdings sagen wir Ihnen gleich, Herr Kanther: Wir wollen die Dienstrechtsreform mit der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung verknüpfen, das heißt die Verwaltungsreform dazunehmen und nicht, wie Sie, abkoppeln und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Lassen Sie mich noch zwei weitere Bereiche ansprechen, die ebenfalls in den Geschäftsbereich des Bundesinnenministers fallen: zum einen die Bewilligungen für Kultur und zum anderen - ich nenne es nach dem dafür zuständigen Staatssekretär immer „Kapitel Waffenschmidt" - die Bewilligungen für Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigte, Aus- und Übersiedler. Zu letzterem wird mein Kollege Graf ganz detailliert Ausführungen machen.
Daher von mir nur ein Beispiel dafür, wie „deutsches Geld in der sibirischen Steppe vergraben wird". Dies ist der Titel eines Artikels in der seriösen „Süddeutschen Zeitung" vom 13. Juli 1995. Danach geht die Rechnung des Aussiedlerbeauftragten Waffenschmidt bis heute nicht auf. Im Gegenteil: Die Millionenprogramme der Bundesregierung erweisen sich zunehmend als Bumerang: Anstatt in den ursprünglichen Siedlungsgebieten - so zum Beispiel in dem vor drei Jahren neu gegründeten deutschen nationalen Rajon Asowo nahe der kasachischen Grenze - zu bleiben und sich dort mit bundesdeutscher Millionenhilfe eine neue Existenz aufzubauen, benutzen viele Rußlanddeutsche den Landkreis als Sprungbrett nach Deutschland.
Zum Beweis: 1994 hatte Asowo die höchste Zahl an Ausreisenden aus dem Gebiet Omsk. Bei den Rußlanddeutschen wächst - was für mich noch bedrükkender ist - der Unmut über Fehlplanungen, denn die rußlanddeutschen Funktionäre bedienen sich der
Bonner Finanzhilfen sehr kräftig zu Lasten der rußlanddeutschen Flüchtlinge aus Mittelasien und der Alteingesessenen nach dem Motto: „Villen für die Chefs, Container fürs Volk."
Solch eine Verteilung von deutschen Steuergeldern schafft Ärger und festigt eben nicht die vom Aussiedlerbeauftragten behauptete Strategie, für die Rußlanddeutschen eine „Insel der Hoffnung" zu schaffen. Auch die im Haushalt 1996 für das nächste Jahr angesetzten 150 Millionen DM werden die Situation, wenn so weitergewurstelt wird, nur verschärfen und nicht entspannen.
Sinnvoller und ehrlicher wäre es angesichts einer jährlichen Zuwanderung von rund 220 000 auslandsdeutschen Aussiedlern - das ist eine Folge des von uns allen gewollten Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes -, die Bundesrepublik als das zu definieren, was sie ist: ein Einwanderungsland.
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Aber das, Herr Minister, fürchten Sie und die Koalition wie der Teufel das Weihwasser. Der Grund dafür ist ebenfalls klar: Die Konsequenz einer solchen Definition wäre nämlich ein Einwanderungsgesetz, das den Staat zu einer zukunftsweisenden Migrationspolitik zwingen würde. Diese müßte sowohl eine verbesserte Integration als auch eine aktive Zuzugssteuerung umfassen, um den Belangen der Zuwanderer gerecht zu werden und die soziale Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.
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- Es ist ja nicht ganz unproblematisch, was Sie hier anzetteln. Mein Kollege Graf wird das sehr plastisch und sehr bildhaft darstellen.
Unter uns leben bereits 7 Millionen Ausländer. Die Politik muß sich endlich entscheiden: Einwanderung steuern oder Deutschland zur geschlossenen Gesellschaft erklären. 80 Prozent der Bevölkerung wollen laut Umfragen genau dasselbe wie die SPD, nämlich Zuwanderung per Gesetz steuern.
Aber nicht nur hier besteht Nachholbedarf. Wir fordern Sie auf, Ihre Verweigerung gegenüber den Forderungen nach erleichterter Einbürgerung und doppelter Staatsbürgerschaft endlich aufzugeben. Das völkisch verengte Staatsbürgerrecht aus dem Jahre 1913 - es tut mir um den militärischen Ausdruck leid, Herr Kanther - ist buchstäblich „out of area".
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Nur noch Hardliner wie Sie und eine kleine radikale Minderheit Ewiggestriger blockieren vernünftige Reformen. Seit einem halben Jahr liegt der Antrag der SPD zur Erleichterung von Einbürgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft auf dem Tisch. Seit Monaten betreibt diese Koalition verzögerungstaktische Spielchen im Innenausschuß mit der Begründung „Beratungsbedarf". Wissen Sie, Herr
Minister, was notwendig ist? Kein Beratungsbedarf, sondern Entscheidungsbedarf.
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- Ich sehe die Lampe hier schon blinken; ich muß mich auch entscheiden, und zwar für das Ende meiner Rede.
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Sie sollten nicht zögern, hier zu entscheiden und sich im Sinne unserer Vorschläge zu bewegen, Herr Minister. Dazu gehört - um das gleich in einem Aufwasch zu machen - ebenfalls die Einlösung der im Asylkompromiß vereinbarten Zusagen, nämlich der gesetzlich zugesicherten Altfallregelung und des Status für Bürgerkriegsflüchtlinge.
Letzte Bemerkung zur Kultur: Der Kulturetat ist von 1995 bis 1999 plafondiert. Das bedeutet faktisch Stillstand und Rückstand. Ich hoffe, Sie können damit ruhig schlafen.
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Wir lehnen den Einzelplan 06 auf Grund der unerledigten Hausaufgaben ab. Beim Einzelplan 33 - Versorgung - enthalten wir uns wegen des nicht vorgelegten Versorgungsberichtes; es handelt sich immerhin um gesetzliche Leistungen.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus-Dieter Uelhoff.
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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann sogar verstehen, wenn meine Kollegin Titze-Stecher sagt, sie werde diesen Etat ablehnen; denn sie hat ja ein Szenario beschrieben, bei dem auch ich diesem Etat nicht zustimmen könnte.
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Nur, die Welt in Deutschland sieht anders aus. In einigen Punkten wird der Minister sicherlich selber einiges dazu sagen; denn ich erinnere mich an seine hervorragenden Vorschläge zur Verschlankung des Staates. Das ist ein wichtiges Thema. Die 70 000 Vorschriften, die uns alle und die Verwaltung belasten, sind uns allen in der Tat ein Dorn im Auge.
Ich bin allerdings auch sicher, daß manches, was Sie zu den Aussiedlern gesagt haben, wirklich an der Sache vorbeigeht. Es ist eine hervorragende Doppelstrategie in der Aussiedlerpolitik, daß der einzelne von den vier Millionen, die in Osteuropa leben, die Chance hat, entweder dort zu bleiben und sich mit deutscher Hilfe Infrastruktur zu schaffen oder jetzt oder später im Rahmen der Kontingente nach Deutschland zu kommen.
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Das ist eine hervorragende Idee, die diese Bundesregierung vertreten hat und für die sie immerhin, was die Eingliederung und die Unterstützung der Minderheiten in Ost- und Mitteleuropa angeht, 1996 in mehreren Einzelplänen insgesamt 3,5 Milliarden DM ausgibt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit gerade auch den sozialen Betreuungsverbänden sehr herzlich danken, mit deren Hilfe es gelingt, diese Deutschen, die in harten Zeiten in Rußland und anderswo ausgeharrt haben, hier zu integrieren.
Ein weiterer Punkt: Es ist richtig, daß die Ausgaben für die innere Sicherheit - wie Kollegin Titze-Stecher gesagt hat - um 200 Millionen DM zunehmen, und das in einer Situation, da der Haushalt - erstmals übrigens seit 1949 - abgesenkt wird. Das ist ein Ausweis der Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung; denn innere Sicherheit gehört zum Schwerpunktthema, das sich diese Bundesregierung und diese Koalition gestellt haben.
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Deshalb ist es auch richtig, daß hier 200 Millionen DM mehr für diesen wichtigen Bereich ausgegeben werden.
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Das sind Personalkosten, das betrifft wichtige Anstrengungen der Organisationen, die mit der Verbrechensbekämpfung befaßt sind. Neben gesetzlichen Maßnahmen wie Geldwäschegesetz und Kronzeugenregelung müssen auch die sonstigen Ausstattungen unserer Polizeiorgane den Anforderungen angepaßt werden, die zu erfüllen sind, wenn Drogen- und Menschenschmuggel oder organisierte Kriminelle, die heute grenzüberschreitend operieren, erfolgreich bekämpft werden sollen.
Der Bundesgrenzschutz hat sich seit 1990 grundlegend verändert. Die offenen Grenzen im Osten, das Schengener Abkommen im Westen, die neuen Tätigkeitsfelder Bahnpolizei und Luftsicherheit erlauben heute durchaus den Vergleich mit der Schutzpolizei der Länder. Die Forderung, wenn sich die Aufgaben angleichen, dann auch bei Planstellen, Besoldung und Beförderung für Vergleichbarkeit zu sorgen, halte ich für berechtigt. Ich will hier ausdrücklich festhalten, daß es unsere feste Absicht ist, die entsprechenden Strukturen beim Bundesgrenzschutz denen der Polizeien der Länder mittelfristig anzugleichen.
Wir haben 1995 einen wichtigen Schritt mit 3 000 Stellenhebungen von A 7 nach A 8 getan. Für 1996 können wir bei immerhin 1 000 Hebungen davon ausgehen, daß auf Grund der Beförderungschancen für Beamte, die auf Planstellen nachrücken können, die andere freigemacht haben, beim Bundesgrenzschutz etwa 2 000 Beamte befördert werden können.
Ich will ausdrücklich anerkennen, daß Sie, Herr Minister Kanther, die regionale Verteilung der Planstellen nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgenommen haben, sondern Bef örderungsmöglichkeiten
gezielt dort schaffen, wo Unterdeckung im Personalbestand vorhanden ist. Ich halte das für einen hervorragenden Ansatz, im bestehenden Recht die Mobilität unserer Beamten zu fördern.
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Da wir in diesem Jahr, wie jedermann weiß, in einer besonders schwierigen finanziellen Situation stehen, müssen wir uns für 1996 mit den genannten Verbesserungen abfinden. Ich will aber noch einmal ausdrücklich erklären: Es ist der Wille der Koalition, daß der Bundesgrenzschutz Anschluß an die Verhältnisse der Schutzpolizei der Länder findet.
Wir unterstützen nachdrücklich die Bemühungen des Bundesinnenministers, weiterhin vorhandenes, aber bei verschiedenen anderen Behörden nicht mehr benötigtes Personal umzusetzen. Dies gilt vor allem für das Bundesamt für die Anerkennung von ausländischen Flüchtlingen. Daß bei diesem Bundesamt weniger Arbeit anfällt, als noch vor einigen Jahren angenommen, will ich ausdrücklich als einen Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen um die Verbesserung des deutschen Asylrechts anerkennen.
Heftige Kritik haben Sie, Herr Minister Kanther, wegen der Abschiebung der Sudanesen vom Frankfurter Flughafen einstecken müssen - Kritik, die sich im nachhinein als völlig unhaltbar erwiesen hat, auch durch die Aussagen der betroffenen Menschen selbst, die sich dann eindeutig als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge zu erkennen gegeben haben. Sie, Herr Minister Kanther, haben der Glaubwürdigkeit der deutschen Politik einen guten Dienst erwiesen.
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Der Bundesgrenzschutz konnte seit Beginn dieses Jahres allein an unseren Westgrenzen - dies ist ein Problem, das ich als Abgeordneter, dessen Wahlkreis unmittelbar betroffen ist, sehr gut nachvollziehen kann - die illegale Einreise von 2 267 Personen verhindern. Was besonders festgehalten werden muß: Es konnten 157 professionelle Schlepper festgenommen werden.
Mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsabkommens im März dieses Jahres sind die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes an den deutschen Westgrenzen im wesentlichen auf das Tätigwerden bei konkreten Verdachtsfällen und auf die beobachtende Präsenz reduziert worden. Als Abgeordneter aus einem großflächigen Wahlkreis mit unendlich langen grünen Grenzen zum Elsaß und zu Lothringen weiß ich offene Grenzen als eine hervorragende Errungenschaft eines zusammenwachsenden Europas zu schätzen. Aber ich weiß auch um die Besorgnis der Bevölkerung vor steigender Bedrohung durch die zunehmende internationale, grenzüberschreitende Kriminalität durch Schlepperbanden und Drogenschmuggel.
Ich halte es deshalb für eine wichtige Aufgabe der inneren Sicherheit, daß auch künftig die Lageentwicklung an unseren Westgrenzen und im grenznahen Raum sorgsam beobachtet wird. Dies kann, wie jüngst von unseren französischen Nachbarn vorgeschlagen, durch gemeinsame mobile Polizeieinheiten geschehen oder auch durch Kontrollen hinter der Grenze, wie dies in Bayern vorgesehen ist.
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Die Verhütung von Straftaten allerdings gebietet in jedem Fall derartige Maßnahmen, sei es durch die Länderpolizeien oder durch den Bundesgrenzschutz. Ich bin sehr sicher: Dies findet auch die nachdrückliche Unterstützung der betroffenen Bevölkerung.
Politischer Handlungsbedarf besteht in bezug auf das Schleusen von Menschen aus dem Balkan über Italien nach Deutschland. Dies ist keineswegs eine theoretische Mahnung an die Adresse der Bundesregierung, sondern hat den sehr konkreten Hintergrund, daß nach wie vor Personen - oft von Schleppern geführt - illegal über die deutsch-französische Grenze nach Deutschland einreisen.
Da es zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien keine Visumpflicht gibt, kann es nicht verwundern, daß auch Schlepperbanden diesen Weg mißbrauchen. Um die illegale Zuwanderung wirksamer unterbinden zu können, sollte deshalb Italien mit Nachdruck ersucht werden - wie die übrigen EU-Mitgliedsländer auch -, die Visumpflicht für Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien einzuführen. Herr Minister, ich möchte Sie ausdrücklich auffordern, dies mit Nachdruck gegenüber unseren Freunden in Italien zu betreiben.
Die innere Sicherheit gehört zur „political hardware" des Bundesinnenministeriums und des Einzelplans 06. Angesichts der Härte und der Schwierigkeiten dieses Aufgabenbereiches ist es auch für den Berichterstatter im Haushaltsausschuß fast erholsam, jedenfalls angenehm, auch für schönere Dinge verantwortlich zu sein. Meine Kollegin hat ja am Ende noch ein wenig zur Kulturpolitik ausgeführt. Ich füge ausdrücklich hinzu: Auch der Sport gehört dazu. Es ist erfreulich, daß in diesen Politikfeldern bei allen politischen Gruppierungen ein hohes Maß an Konsens vorhanden ist.
Lassen Sie mich einige Sätze zur Sportförderung sagen. Wir erkennen die Bemühungen des Deutschen Sportbundes ausdrücklich an, gemeinsam mit den Fachverbänden das Stützpunktsystem effizienter zu gestalten. Hier zeigt sich jedoch, daß erst der sanfte Zwang der Verhängung der qualifizierten Sperre durch den Haushaltsausschuß im Ergebnis zu einer Konzentrierung der Stützpunkte geführt hat. Dies hat nichts mit einer „Inquisition, die ihre Instrumente zeigte", wie eine namhafte Zeitung einmal schrieb, zu tun. Ich hoffe, daß die im Bericht des Bundesinnenministers angekündigten weiteren Zusammenlegungen auf bis zu 13 Bundesleistungszentren mit den Fachverbänden nunmehr auch zügig vereinbart werden können.
Auch für das Jahr 1996 haben wir im Ausschuß wieder zwei qualifizierte Sperren im Bereich des Sportes ausgebracht, nicht etwa um beim Sport zu sparen, sondern um den Einsatz der Steuergelder im Interesse des Sports, der Sportler und der SportfördeDr. Klaus-Dieter Uelhoff
rung, effizienter zu machen, letztlich also ausschließlich, um dem Sport zu nützen.
Die Sperre von 5 Millionen DM bei den Bundesleistungszentren soll ausschließlich gewährleisten, daß man das Konzept und den beschrittenen Weg nicht auf halbem Weg verlassen muß, sondern letztlich weiterverfolgen kann.
Zum zweiten haben wir beim Kölner Bundesinstitut für Sportwissenschaft eine Sperre von einer halben Million DM beschlossen. Sosehr ich von der wichtigen Arbeit dieses Institutes und der beiden aus DDR-Zeiten übernommenen nützlichen Einrichtungen, FES und IAT in Leipzig und Berlin, überzeugt bin, so sehr bin ich doch der Ansicht, daß der Bund nicht unbedingt drei voneinander unabhängige Institute braucht, um Sportforschung zu betreiben, da den Sportlern etwas geboten werden soll und nicht in erster Linie den Verwaltern, den Bürokraten und den Forschern.
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- Nein, wir haben eine Sperre gemacht und erwarten einen Bericht. Jetzt sind diese Institute dran, und jetzt ist der Innenminister gefordert.
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Insofern war vorher nichts zu besprechen. Wir haben nichts gekürzt, wir haben nichts weggestrichen, sondern wir erwarten einen Bericht und noch längst keinen Vollzug. Darüber wird auch mit den Fachleuten zu reden sein.
Meine Damen und Herren, das Sportmuseum in Köln hat uns einige Jahre lang beschäftigt. Wir haben insgesamt 6 Millionen DM dafür vorgesehen, nachdem nunmehr definitiv gesichert ist, daß der Bund für Betriebs- und Unterhaltungskosten nicht in Frage kommt. Ich möchte hinzufügen: Damit hat der Bund seine gesamtstaatliche Repräsentationspflicht, was Sportmuseen angeht, abschließend erfüllt.
Eine letzte Anmerkung zu dem sehr wichtigen und schönen Bereich der Kultur. In Deutschland trägt auch der Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen und finanziellen Möglichkeiten Erhebliches zur Förderung der Kultur bei; mit rund 700 Millionen DM mehr als jemals zuvor im Etat des Bundesinnenministers.
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- Ich stimme Ihnen zu, es ist zuwenig. Aber es ist natürlich bei der Entwicklungshilfe, bei der inneren Sicherheit, es ist überall zuwenig. Aber wir wissen eben auch das Geld des Steuerzahlers nur einmal auszugeben und versprechen nicht, die Mark dreimal auszugeben, obwohl wir sie nur einmal haben.
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Um den notwendigen Freiraum für Kunst und Kultur zu sichern, konnten die meisten Fördermaßnahmen fortgeschrieben werden. Mehr als 60 Institutionen erhalten Mittel für Personalausgaben und Investitionen. 20 Einrichtungen werden als sogenannte Leuchttürme in den neuen Bundesländern gefördert - Leuchttürme der Geschichte und der Kultur unseres Landes, der Geisteswissenschaften, der Kunst und der Musik.
Gerade in Westdeutschland, meine ich, ist diesen Einrichtungen viel mehr Aufmerksamkeit zu wünschen; denn Luther, Bach, Goethe und Schiller, die Wartburg, das Bauhaus in Dessau oder die Preußischen Gärten in Potsdam, Cottbus und Muskau sind prägende Gestalten bzw. Institutionen unserer Nation. Wer sich hier umsieht, kann ermessen, daß die wiedergewonnene Einheit gerade auch uns Westdeutsche reicher gemacht hat
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und vieles neu begreifen läßt, was über 40 Jahre verschüttet war.
Die europäischen Kulturminister haben uns Deutschen die große Chance gegeben, 1999 mit Weimar die „Kulturstadt Europas" zu präsentieren. Wir haben dafür den Bundeszuschuß von 24,5 Millionen DM so umgeschichtet, daß bereits im nächsten Jahr die ersten Vorarbeiten geleistet werden können. Bei einem Besuch unserer Berichterstattergruppe konnten wir uns vor Ort über Pläne informieren, übrigens auch über die wichtige Einbindung der nationalen Gedenkstätte Buchenwald in die Pläne für die Europa-Kulturstadt Weimar.
Wer sich in den neuen Bundesländern umsieht, wird bald feststellen, wie sehr die Denkmalpflege, von einigen Prestigeobjekten abgesehen, in 40 Jahren real existierendem Sozialismus schändlich vernachlässigt wurde. Quedlinburg ist dafür nur ein Beispiel. Für die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Innenstadt wollen wir mit der bescheidenen Summe von nur einer halben Million Mark wenigstens symbolisch unsere Solidarität zeigen.
Ein auf fünf Jahre angelegtes Förderprogramm „Dach und Fach" soll zur baulichen Sicherung und Erhaltung denkmalgeschützter Objekte insgesamt in den neuen Bundesländern beitragen.
Jetzt will ich noch ein hartes, aber notwendigerweise deutliches Wort zum regionalen Förderprogramm sagen. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, daß dies seit langem immer wieder gefordert wird. Aber Politik ist nun einmal die Kunst des Möglichen und nicht das Zauberwerk des Wünschbaren. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Verantwortung der Bundesländer für regionale Maßnahmen sieht sich der Bund auch vor der unüberwindbaren Hürde, ein solches Programm zu finanzieren. Ich halte es deshalb für ein Gebot der Redlichkeit, zu einem regionalen Förderprogramm dezidiert und definitiv nein zu sagen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Titze-Stecher?
Ich vermöchte meiner verehrten Kollegin niemals eine Frage abzuschlagen.
Also, dann soll es so passieren. Bitte.
Herr Kollege Uelhoff, Sie haben sich eben vehement gegen die Installierung eines regionalen Förderprogramms entlang der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechischen Grenze gewandt. Sie sagten, daß nicht der Bund, sondern originär die Länder dafür zuständig seien.
So ist es.
Wollen Sie bestätigen, daß bei der Installierung des Denkmalschutzsonderprogramms „Dach und Fach", das Sie zuvor erwähnt haben, von gestern auf heute plötzlich 5 Millionen DM möglich waren? Ich will nicht die Sache selbst in Abrede stellen; die finde ich in Ordnung: „Dach und Fach" für von Nässe gefährdete Kirchen in Ostdeutschland.
Stimmen Sie mit mir nicht überein, daß a) plötzlich Geld da war, weil der Minister die Sache politisch wollte, und daß b) auch in einer Sache Geld etatisiert wurde, für die eigentlich auch originär die Länder zuständig sind? Die Begründung im heute vorgelegten Papier lautet:
Die Finanzierung des Denkmalschutzes ist vorrangig Sache der Länder, Kreise, Kommunen und Maßnahmeträger. Die Bundeszuwendungen sollen deswegen in der Regel ein Drittel der zuwendungsfähigen Kosten je Einzelmaßnahme nicht übersteigen.
Das heißt, vorrangig ist es Sache der Länder, Kreise und Kommunen, aber der Bund beteiligt sich ausnahmsweise - terminiert auf einige Jahre - an dieser Sache. Wie stehen Sie zu diesem Widerspruch?
Verehrte Frau Kollegin, ich bin sehr dankbar, daß diese 5 Millionen DM nicht aus dem plafondierten Teil des Kulturetats stammen,
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sondern daß sie aus dem Einnahmetitel für kulturelle Maßnahmen genommen werden konnten. Eben wurde kritisiert, daß man da viel mehr machen müsse. Dies ist so ein Fall.
Außerdem sind beim Denkmalschutz - dort aber weniger als beim Regionalprogramm; denn beim Denkmalschutz haben wir es mit bestehender Bausubstanz zu tun, beim Regionalprogramm ging es um neue Dorfgemeinschaftshäuser usw. - andere Gesichtspunkte zu beachten. Bei diesem „Dach-und-
Fach"-Programm handelt es sich im Grunde um ein Notprogramm. Wir haben in Mecklenburg, Brandenburg, auch in Sachsen und Thüringen, aber insbesondere im nördlichen Teil Ostdeutschlands, Tausende von kleinen Kirchen, von Einrichtungen aus der Tradition und aus der Kultur unseres Volkes, die schlicht und einfach kaputtgehen, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß wenigstens ein Dach darauf kommt, so daß später, wenn die Zuständigen dazu in der Lage sind, unterhalb des Daches die notwendigen dauerhaften Reparaturen vorgenommen werden können. Dieses „Dach-und-Fach"-Programm ist im Grunde ein Notprogramm und hat mit dem regionalen Förderprogramm inhaltlich überhaupt nichts zu tun.
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?
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Bitte schön.
Wenn wir schon zusammen die neuen Länder bereisen, dann darf man mir auch Fragen erlauben.
Herr Kollege Uelhoff, die Frage war die nach dem Widerspruch. Für beide Angelegenheiten, die angesprochen wurden, sind originär die Länder zuständig. Trotzdem fühlt sich der Bund in dem einen Fall mit zuständig, in dem anderen Fall nicht. Warum?
Meine zweite Frage: Sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß die kulturelle Begegnung, die jahrzehntelang über die Flüchtlingsverbände erfolgt ist - zwischen den Deutschen jenseits der Ostgrenze bzw. der damaligen Zonengrenze und diesseits -, allmählich von den Flüchtlingsverbänden hin zu offeneren Organisationen gelenkt werden müßte? Das heißt, nicht nur vom Vertriebenenverband mit seinen Unterorganisationen sollten Gelder für kulturelle Aktivitäten grenzüberschreitender Art genutzt werden.
Ich entnehme dem zweiten Teil der Frage, daß Sie mir im ersten Teil zustimmen, daß es sich beim Förderprogramm „Dach und Fach" und bei der Regionalförderung um zwei unterschiedliche Dinge handelt.
Ich stimme Ihnen zu, daß die Vertriebenenverbände natürlich nicht nur ganz wesentliche Aufgaben haben - vielleicht werten wir das anders -, sondern auch als Brückenfunktion gegenüber der tschechischen und der polnischen Republik erfüllen.
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Deswegen bin ich für diese kulturelle Arbeit, die die Vertriebenenverbände gegenüber unseren Nachbarn im Osten leisten, dankbar.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Weng?
Natürlich, bitte schön. So komme ich zu einer ungeahnt langen Redezeit.
Ist es mir entgangen oder ist es ein Versehen Ihrerseits, daß Sie bei der Nennung von Teilen des Programms „Leuchttürme" die Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale nicht genannt haben, wo doch Halle an der Saale auch aus liberaler Sicht eine Stadt von ganz besonderer Bedeutung ist?
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Ich weiß natürlich, daß der von uns beiden geschätzte frühere Außenminister dort eine besondere Rolle spielt. Ich habe sie nicht vergessen, ich habe einfach die 20 Leuchttürme im einzelnen nicht aufzählen können. Ich habe auch das Meeresmuseum in Stralsund nicht aufgezählt. Ich hätte Ihnen allein drei LutherGedenkstätten aufzählen können.
Es gibt eine unglaubliche Menge von Gedenkstätten der deutschen Geschichte. Dazu gehören insbesondere die Franckeschen Stiftungen in Halle und das Bach-Archiv in Leipzig. Ich bin sehr dankbar, daß ich als Berichterstatter in dieser Legislaturperiode bei ihrem Erhalt mithelfen kann.
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Ich möchte zum Schluß nur noch einen Punkt nennen, der leider nicht mehr zum Einzelplan 06 gehört, obwohl er für die Kultur wichtig ist. Wir haben uns in den letzten Monaten mit den Berlinern, insbesondere mit dem - Gott sei Dank - nicht mehr nominierten Kultursenator heftig herumgeschlagen. Berlin hat in diesem Jahr 30 Millionen DM erhalten. Im Einzelplan 25 sind für das kommende Jahr entsprechend des Hauptstadtvertrags 60 Millionen DM vorgesehen, die auf wenige herausragende Kultureinrichtungen konzentriert werden sollen. Es war der ausdrückliche Wille des Haushaltsausschusses, daß natürlich auch die Berliner Philharmoniker dazugehören.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzelplan 06 ist abgerundet. Er ist in der Bereinigungssitzung - leider ohne den Sachverstand der Opposition - gründlich durchberaten worden. Ich empfehle Ihnen gleichwohl, ihm zuzustimmen. Es lohnt sich. Er nützt uns allen.
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Es spricht jetzt der Abgeordnete Rezzo Schlauch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Getreu Murphys Gesetz kam bei diesen Haushaltsberatungen fast alles anders, als es geplant war. Mit Waigelscher Ignoranz und Selbtgefälligkeit haben Sie beschlossen, das Haushaltsloch einfach weiter vor sich herzuschieben.
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- Sie zum Beispiel; Sie schieben ja mit vor sich her. Aber denken Sie daran: Wer anderen ein Haushaltsloch gräbt, der fällt - möglicherweise bald - selbst hinein.
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Nicht einmal da, Herr Kollege Marschewski, wo Sie mit uns zusammen und mit Ihren Kollegen im Innenausschuß der Ansicht waren, daß man sparen könnte, wo sich das Sparen geradezu aufgedrängt hätte, nämlich beim Regierungsbunker in Marienthal, sind Sie zu Einschnitten bereit gewesen. Streichen Sie diese 16 Millionen DM im Innenetat. Sie, Herr Kanther, haben sich, so glaube ich, politisch und mental doch schon so eingebunkert, daß dieser Regierungsbunker völlig überflüssig ist.
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So wie Finanzminister Waigel Milliardenlöcher im Bundeshaushalt mit einem Schulterzucken zu den Akten nimmt, so verspielen Sie, Herr Kanther, innenpolitisch alle Chancen, die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik aktiv zum Positiven zu gestalten.
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Ich möchte mich drei Themenbereichen zuwenden: innere Sicherheit, Verwaltungsreform und Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.
Bei der inneren Sicherheit doktern Sie seit Jahren hilflos an den Symptomen herum, statt sich auf die Ursachen zu konzentrieren. Sie rufen nach immer neuen Strafgesetzen. Nachdem es hier im Bundestag nicht ganz geklappt hat - vielleicht verhilft die F.D.P. irgendwann doch noch dazu -, lassen Sie das Feld von Ihren großen Koalitionen in den Ländern bestellen. Stichwort: großer Lauschangriff und Vermögensbeschlagnahme.
Herr Kollege Maurer aus Baden-Württemberg, der schon im Europa-Wahlkampf mit seiner durchsichtigen Anti-Mafia-Kampagne einen Riesenflop für die SPD gelandet hat,
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versucht sich nun als Kanthers Hilfssheriff zu profilieren. Weil die SPD fürchtet, beim kriminalpolitischen Muskelspiel - ich weiß, daß das weh tut, aber so ist es nun einmal - den kürzeren zu ziehen, lassen Sie sich auf einen Deal ein nach dem Motto: Opferst du mir die Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes, opfere ich dir die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger in Art. 13 des Grundgesetzes. Als ob Grundrechte nur zum Verschachern da wären!
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Mit dieser rechtspolitischen Abrißbirne schleifen Sie wichtige bürgerrechtliche Standards in diesem Land, die von Ihren jährlichen Bekämpfungsgesetzen in der Vergangenheit noch übriggeblieben sind.
Wir wollen die irrationale Spirale von immer mehr polizeilichen Mitteln und Befugnissen und schärferen Strafbestimmungen, die beispielsweise eine immer höhere Drogenkriminalität nach sich zieht, durchbrechen. Statt Stigmatisierung, Kriminalisierung und daraus folgender sozialer Verelendung der Drogensüchtigen setzen wir auf Prävention durch Aufklärung ohne Verteufelung, durch niederschwellige Hilfen zunächst zum Überleben und dann zum Ausstieg aus der Droge.
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Unsere grüne Kollegin Nimsch hat dies modellhaft und sowohl für die Betroffenen wie für das Gemeinwesen erfolgreich auf den Weg gebracht. Es wäre höchste Zeit, daß dieses Parlament aus diesen Erfahrungen die Konsequenzen zieht.
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- Herr Sauer, Missionare wie Sie haben viel Leid über die Welt gebracht. An Missionare halte ich mich nicht.
Organisierte Kriminalität kann man nicht bekämpfen, indem sich die Strafverfolger selbst wie Kriminelle benehmen, indem der Staat wie beim großen Lauschangriff durch die Verfassung geschützte hochrangige Rechtsgüter verletzt oder indem der Staat Vermögen demnächst auf Verdacht beschlagnahmen will, in einer Art und Weise, die an Wegelagerei oder räuberische Erpressung grenzt. Diesen weiteren Kahlschlag von Grundrechten im höchst sensiblen Verhältnis Bürger und Staat werden wir Grünen mit allen politischen und rechtlichen Mitteln bekämpfen.
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Eine weitere Herausforderung der Innenpolitik ist die Reform des öffentlichen Dienstes. Was wir da bisher von Ihnen, Herr Innenminister, gehört haben, sind keine Reformen, es ist pure Kosmetik.
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Es bleibt beim Berufsbeamtentum weitgehend in den Strukturen des 19. Jahrhunderts. Flexibilisiert, Herr Minister, werden vor allem die Rechte des Dienstherrn. Die Strukturen und die Hierarchien verfestigen Sie durch Versetzungen und Abordnungen. Die Motivation der Beschäftigten wird das mit Sicherheit nicht verbessern.
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Vom Reformziel der modernen, effizienten, bürgerfreundlichen öffentlichen Dienstleistung sind Sie meilenweit entfernt. In der Gehaltstabelle sollen Leistungsaspekte berücksichtigt werden. Das klingt gerade so, als ob sie bisher noch nie berücksichtigt worden sind. Führungspositionen will der Innenminister auf Probe besetzen. Das wird die Verantwortungsbereitschaft nicht steigern, sondern verringern. Die richtige Antwort ist die Besetzung von Führungspositionen grundsätzlich auf Zeit.
Selbst die größte Chance, mit dem Umbau der Verwaltung zu beginnen, übersehen Sie, Herr Minister: den Umzug nach Berlin. Nichts, aber auch gar nichts an Streichungs- und Straffungsvorschlägen hört man vom Verwaltungsreformminister für sein eigenes Haus. Statt dessen wird im Begleitgesetz zum Umzug mit vollen Händen Geld, das bekanntlich nicht vorhanden ist, ausgegeben, wird der „goldene Handschlag" im Überfluß für Beamte geplant. Von Verwaltungsreform keine Spur, von verantwortungsbewußtem Haushalten ganz zu schweigen.
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Während Sie sich bei der inneren Sicherheit, Herr Minister, mit Gesetzentwürfen im Hauruck-Verfahren überschlagen, haben Sie beim innenpolitischen Dauerbrenner Reform des Staatsbürgerschaftsrechts die hohe Kultur des Aussitzens für sich entdeckt. Im Staatsangehörigkeitsrecht können und dürfen sich unsere Gesellschaft und die Betroffenen keine weitere Runde staatlicher Tatenlosigkeit leisten, wenn nicht auf Dauer der soziale Friede gefährdet werden soll.
Renationalisierung, Selbstisolation und Flucht in religiösen Extremismus unter den Einwanderinnen und Einwanderern ohne gesicherten Rechtsstatus weisen auf drohende Entwicklungen hin. Dem kann nur durch eine entschiedene Abkehr von der jahrzehntelang betriebenen Ausgrenzung und durch neue Zugehörigkeitsangebote begegnet werden. Es kann doch nicht angehen, meine Damen und Herren, daß ein Land mit humanem Selbstverständnis inländische Menschen über Jahre und Jahrzehnte als Ausländer definiert, daß Kinder und Jugendliche, die hier geboren worden sind, die hier aufgewachsen sind, die hier gelernt haben, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, noch immer in das Herkunftsland ihrer Vorfahren, das sie gar nicht kennen, abgeschoben werden. Diese Situation ist eines humanen Staatswesens unwürdig. Wir haben auch kein Verständnis dafür, daß erst die dritte Generation der Einwanderer als Inländer akzeptiert wird.
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Das führt, meine Damen und Herren von der SPD, zu der absurden Situation, daß hier geborene Kinder, deren Eltern im Alter von einem Jahr nach Deutschland gekommen sind, einen völlig anderen Rechtsstatus erhalten als ebenfalls hier geborene Kinder von Eltern, die zufällig erst in Deutschland das Licht der Welt erblickt haben. So werden Menschen der gleichen Generation mit völlig identischem Lebensmittelpunkt künstlich in In- und Ausländer gespalten. Wir werden deshalb nicht länger warten und die Beratung unseres Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung setzen.
Fassen wir zusammen. In Fragen der inneren Sicherheit steht der Innenminister in der Tradition des Obrigkeitsdenkens, nicht in der Tradition der Zivilgesellschaft. So wird es ihm nicht gelingen, mehr Sicherheit und weniger Kriminalität zu erwirken.
Bei der Verwaltungsreform, Herr Innenminister, liegt die Betonung auf „Reform", nicht auf „VerwalRezzo Schlauch
tung". Mit der Einstellung „Das war schon immer so", „Das haben wir ja noch nie gehabt", und „Wo kommen wir denn da hin?" werden Sie jedenfalls nicht weit kommen.
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- Herr Weng, vielleicht stört es Sie, daß Sie in meiner Rede nicht vorkommen, aber ich habe mir Sie heute einfach erspart.
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Herr Kanther, wer als Hessischer Löwe in Wiesbaden gesprungen ist, um in Bonn als Silberlöwe an den Beharrungskräften der eigenen Bürokratie zu scheitern, der wird kein König der Löwen mehr.
In der Staatsbürgerschafts- und Einwanderungsfrage scheint Ihnen der Stahlhelm nicht auf dem, sondern der Stahl im Kopf zu sitzen. Nichts ist von Ihnen zu hören außer dem Festhalten am Blutsrecht, als ob das Zeitalter der sich herausbildenden Nationalstaaten nicht längst hinter uns wäre. Dabei ist doch der Kopf, Herr Kollege Zeitlmann und meine Damen und Herren von der Union, rund, damit das Denken in verschiedene Richtungen möglich ist und auch die Richtung ab und zu einmal wechseln kann und es nicht immer nur so wie bei Herrn Kanther ist: eindimensional und geradeaus.
Ihre Gesamtbilanz, Herr Kanther, läßt sich in zwei Begriffe fassen: Ignoranz gegenüber gesellschaftlichen Realitäten und rückwärtsgewandte Nationalideologie. Ihren Haushalt, der diese Politik in Zahlen gießt, lehnen wir deshalb ab.
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Es spricht jetzt der Abgeordnete Burkhard Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schlauch, wenn Sie mit „Blutrecht" auf Bodenrecht anspielen, dann ist zu sagen: Das ist auch nicht schöner. Früher hieß es immer Blut und Boden. Ob das eine vornehmer ist als das andere, will ich dahingestellt sein lassen. Es ist ja Kennzeichen einer jeden freien Gesellschaft, daß es in ihr Gegensätze gibt. Die Liberalität einer Gesellschaft macht aus, wie ein Staat mit diesen Gegensätzen umgeht, ob er auf Konfrontation oder auf Integration setzt, ob er Gemeinsamkeiten und Toleranzen mobilisiert
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oder ob er auf die Ausübung staatlicher Macht setzt. Kein Staat kann darauf verzichten, Recht und Gesetz durchzusetzen. Aber er muß sorgfältig darauf achten, daß die Mittel, die er dazu einsetzt, mit den Grundwerten übereinstimmen, die er verteidigen will. Man
kann die Werte einer Verfassung nicht verteidigen, wenn man sie immer weiter einschränkt.
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Die dringendste Aufgabe, der wir uns in der Innenpolitik gegenübersehen, ist es, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates neu zu bestimmen. Dazu gehört sowohl die Modernisierung des öffentlichen Dienstes - immerhin machen die Personalkosten 40 Prozent des Innenetats aus - als auch die Frage, ob der Staat wirklich alles tun muß, was er tut und wie er es tut. Die Koalition hat Vorschläge zur Mobilisierung der personellen Ressourcen vorgelegt, die nach meinem Urteil weitergehen als alle bisherigen Vorschläge.
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Ich habe die Kritik, die hier geäußert worden ist, überhaupt nicht verstanden. Dazu gehören die größere Durchlässigkeit der Laufbahnen, der unbedingte Vorrang der anderweitigen zumutbaren Verwendung eines Beamten an Stelle seiner Frühpensionierung, also auch die Versetzungsmöglichkeit in andere Laufbahnen und zu anderen Dienstherren, und zwar auch ohne die Zustimmung des Beamten, wohl aber unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Personalrates, Leistungsanreize auch bei den Besoldungsregelungen ähnlich denen bei der gewerblichen Wirtschaft und vieles andere.
Die ständig wiederholte Vorstellung, die Reform des öffentlichen Dienstes bestehe darin, möglichst viele Beamte durch Angestellte zu ersetzen, ist finanziell falsch, wie die Untersuchungen auch sozialdemokratischer Finanzminister zeigen.
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Es ist altes Denken. Wir wollen und wir werden das Berufsbeamtentum wegen seiner inneren Unabhängigkeit, und weil es sich bewährt hat, erhalten. Es ist nun einmal ein unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsstaates.
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Ebenso wichtig sind die Modernisierung des Dienstrechts und die Aufgabenkritik, also das, was wir als „schlanken Staat" bezeichnen. Städte und Gemeinden sind mit der Privatisierung vorangegangen. Der Bund ist in außerordentlichem Umfang gefolgt; Beispiele sind Flugsicherung, Bahn und Post. Die Länder bleiben aufgefordert, ihren Bereich entschlossen zu überprüfen.
Ein Detail möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen. Wir müssen den öffentlichen Dienst von der Kameralistik befreien und weitestgehend zu einer modernen Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung kommen, ohne die ein wirklicher Leistungsvergleich und die Delegierung von Verantwortung nicht möglich sein wird.
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Die Experimentierklausel, die es in diesem Bereich gibt, reicht nicht aus.
Im übrigen muß dem Bürger gesagt werden, daß die Deregulierung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Es ist leichter, staatliche Regelungen zu treffen, als sie aufzuheben. Das bedeutet gleichzeitig, bisher gesetzlich geregelte Entscheidungen dem Selbstlauf der Gesellschaft zu überlassen. Also: weniger Gleichheit und mehr eigenes Risiko, weniger Staat und mehr Selbstverantwortung.
Die zweite elementare Aufgabe der Innenpolitik ist es, die Rechte der Bürger vor Kriminalität und Gewalt zu schützen. Das ist eine elementare liberale Aufgabe; denn auf den schwachen Staat folgt immer der starke Mann, und die starken Männer stehen meistens schon bereit, ehe sie gerufen werden.
Die Koalition hat im Laufe des letzten Jahres mit den Gesetzen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und dem Verbrechensbekämpfungsgesetz eine geradezu verschwenderische Fülle neuer strafrechtlicher Regelungen verwirklicht, die ich hier nur dann aufzählen könnte, wenn es mir nicht auf meine Redezeit angerechnet werden würde. Wir fordern den Innenminister - und natürlich auch die Justizministerin - dringend auf, im kommenden Jahr eine wirklich aussagekräftige Bilanz über die Wirksamkeit der getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen vorzulegen. Es ist nicht damit getan und furchtbar leicht, immer neue Gesetze zu produzieren, immer neue Strafvorschriften zu schaffen und sich damit insbesondere in Wahlkampfzeiten als strahlender Held herauszustellen.
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Es ist sehr viel wichtiger, dafür zu sorgen, daß die schon beschlossenen Gesetze wirksam angewendet werden.
Das Geldwäschegesetz ist bei weitem nicht so schlecht, wie es dargestellt wird, weil es nämlich viele Fahndungsansätze geliefert hat. Aber es muß nach den bisherigen Erfahrungen weiterentwickelt werden.
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- Ein Gesetz kann nur Ansätze liefern, verehrter Herr Kollege. Die Polizei muß sich darum bemühen, aus diesen Ansätzen Erfolge zu machen. So ist es nun einmal. Ich glaube, daß man die Wirksamkeit des Geldwäschegesetzes nicht, wie das häufig geschieht, an der Frage messen kann, wieviel Geld beschlagnahmt worden ist, sondern wir müssen es auch an der Frage messen, wieviel Kriminalitätsbekämpfung oder wieviel Fahndungsansätze gefunden worden sind, um weiter aufzuklären. Das sieht nicht so schlecht aus, wenn Sie sich das Vergnügen machen würden, sich das einmal im Detail anzusehen.
Ebenso kann und muß die Korruptionsbekämpfung nach den bisherigen Erfahrungen verbessert werden.
Wir wundern uns aber schon, mit welcher Leichtigkeit die schwarz-rote Koalition in Baden-Württemberg, natürlich rechtzeitig vor der Landtagswahl, den großen Lauschangriff mit einer elementaren Verletzung der Unschuldsvermutung bei der Einziehung von Vermögen durch Verwaltungsentscheidungen kombiniert - dies sogar ohne Anhörung des Betroffenen und mit der treuherzigen Versicherung, er könne ja dagegen klagen. Wir nehmen an, meine verehrten Kollegen, daß das zu den Willenserklärungen gehört, die in der Erwartung abgegeben werden, daß ihr Mangel an Ernsthaftigkeit nicht verkannt wird.
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Uns interessiert die praktische Polizeiarbeit. Die Kriminalitätsstatistik zeigt, daß die Zusammenarbeit der Polizeien der Bundesländer untereinander und über die europäischen Grenzen hinweg nicht in Ordnung ist. Die gravierenden Unterschiede zwischen der Kriminalität in den neuen Bundesländern und in Westdeutschland bleiben von den Verwaltungen weitgehend unbeantwortet. Wir sehen nichts von dem notwendigen Ausbau der Polizeiführungsakademie in Hiltrup. Wir sehen nichts von der gegenseitigen Hilfe bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität. Wir vermissen in den Länderhaushalten die Verstärkung der Polizei. Wir erwarten dringend den Ausbau von Europol und die drastische Verbesserung der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg nach West und Ost.
Wir leisten unseren Beitrag dazu durch die zügige Beratung des neuen Bundeskriminalamtgesetzes und ebenso durch die drastische Verbesserung der finanziellen Ausstattung des Bundesgrenzschutzes. Dafür möchte ich meiner Kollegin Albowitz als unserer Berichterstatterin in diesem Bereich wirklich herzlich danken.
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Für die Bekämpfung der den Bürger belastenden Alltagskriminalität bringt die Bundesgesetzgebung allerdings nicht allzuviel.
Ich möchte noch ein anderes Thema ansprechen, nämlich die Integration der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer. Es ist unbestreitbar, daß wir der Zuwanderung Grenzen setzen müssen, urn die Integration der hier lebenden Ausländer nicht zu erschweren. Deswegen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, das zwischen Bürgerkriegsflüchtlingen, politischen Flüchtlingen und Einwanderern differenziert.
Wir sind übrigens, um das hier nur mit einem Satz anzusprechen, nicht bereit, den absoluten Stillstand zwischen Bund und Ländern in bezug auf die Bürgerkriegsflüchtlinge auf Dauer hinzunehmen. Wir werden uns des Problems der Abschiebehaftanstalten annehmen. Sie gefährden unser internationales Ansehen und den inneren Frieden h unserer Gesellschaft.
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Zum Asylrecht mache ich heute lieber keine Bemerkung. Wir erwarten mit größtem Interesse die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Der Kernpunkt der Integrationspolitik ist es, zu begreifen, daß die Integration der in der BundesrepuDr. Burkhard Hirsch
blik lebenden Ausländer nicht ausschließlich in deren Interesse liegt. Es ist vielmehr unser eigenes Interesse,
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dafür zu sorgen, daß sich in unserem Land nicht eine Diaspora von über 7 Millionen Menschen bildet, die mindere Rechte haben und hier auf Dauer leben, aber doch nicht richtig zu uns gehören.
Wir müssen den jungen Menschen unter ihnen eine gesicherte Perspektive geben. Deswegen brauchen wir ein massives Integrationsangebot auch im Staatsangehörigkeitsrecht.
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Die Doppelstaatsangehörigkeit entspricht bereits in Hunderttausenden von Fällen der Lebenswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland.
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Wir wollen die Doppelstaatsangehörigkeit nicht flächendeckend, aber doch als ein Mittel, um der zweiten und dritten Generation verläßlich zu sagen, daß sie zu uns gehören und daß wir bereit sind, das Problem der Integration mit ihnen zu teilen und nicht ihnen allein aufzubürden.
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Unser Dank gilt in diesem Zusammenhang insbesondere der Ausländerbeauftragten, der Kollegin Schmalz-Jacobsen, und ihren Mitarbeitern, die für den inneren Frieden in unserer Gesellschaft einen ganz unverzichtbaren Beitrag leisten.
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Herr Kollege Hirsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Cem Özdemir?
Mit großem Vergnügen.
Verehrter Kollege - Dr. Burkhard Hirsch ({0}): Übrigens gilt dies natürlich auch für Herrn Wiefelspütz.
Herr Wiefelspütz, ich hatte zuerst nach der Gestattung einer Zwischenfrage von Herrn Özdemir gefragt.
Ich lasse Ihnen gern den Vortritt, wenn Sie darauf bestehen.
Nein.
Lieber Herr Hirsch, stimmen Sie mir angesichts des Szenarios, das Sie gerade beschrieben haben und bei dem ich Ihnen insofern zustimme, als es in unserem Interesse, im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und der hier lebenden Menschen, liegt, die Nichtdeutschen dringend in diese Gesellschaft zu integrieren, zu, daß durch das Instrument der Kinderstaatsangehörigkeit genau dies nicht erfolgen wird?
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Herr Kollege Özdemir, es ist kein Geheimnis, daß ich der Meinung bin, daß nach allen Untersuchungen, die wir bisher angestellt haben, feststeht, daß dieses in der Koalitionsvereinbarung enthaltene Instrument nicht so weit führen wird, wie wir es für notwendig halten. Das ist in der Tat unsere Überzeugung.
Ich hoffe, daß wir in dieser Frage wesentlich weiter kommen, ohne neue Begriffe einführen zu müssen, als mit den Instrumenten, die unser Staatsangehörigkeitsrecht traditionell zur Verfügung stellt. Dabei muß man sehen, daß das Problem der Integration darin liegt, daß die Integrationslasten in unserer Gesellschaft unterschiedlich verteilt sind. Dieser Tatsache ist bisher nicht ausreichend Rechnung getragen worden.
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Jetzt Herr Wiefelspütz. Bitte.
Herr Kollege Hirsch, es geht nicht darum, beim Staatsbürgerschaftsrecht das Rad neu zu erfinden, und es geht sicherlich nicht um eine gesetzgeberische Revolution, sondern es geht um eine notwendige, angemessene Modernisierung unseres Staatsbürgerschaftsrechtes. Ich habe den Eindruck, es gibt in diesem Hause Mehrheiten für eine angemessene, notwendige Modernisierung. Ich darf Sie fragen: Wann bekommen wir denn mit Ihrer Unterstützung, Herr Kollege Hirsch, einen Entscheidungsprozeß, wo wir in einem überschaubarem Zeitrahmen - ich sage einmal: innerhalb von einem viertel oder halben Jahr - das Notwendige auf diesem Sektor tun und entscheiden und uns nicht von Debatte zu Debatte entlanghangeln an
({0})
schönen Erklärungen von Ihnen, die leider nicht zu Taten werden und nicht zu Entscheidungen kommen?
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Herr Kollege Wiefelspütz, Sie sind lange genug im Hause, um zu wissen, wie schwierig es manchmal ist, Mehrheiten zu erhalten. Ich erinnere Sie zum Beispiel daran, als es in dieDr. Burkhard Hirsch
sem Hause eine breite Mehrheit gab, um das Wahlrecht für Deutsche im Ausland herbeizuführen, und wo es nur an wenigen, allerdings außerordentlich namhaften Mitgliedern Ihrer Fraktion scheiterte, dieses Wahlrecht einzuführen, bis insbesondere eines der außerordentlich namhaften Mitglieder Ihrer Fraktion aus dem Bundestag ausschied. Dann wurde es gemacht. Der Hinweis darauf, daß es Mehrheiten gibt, ist zwar hochinteressant, ist aber nicht der einzige Punkt. Ich kann Ihnen nur zusagen - und das ist kein Geheimnis -, daß wir in der Koalition über diese Frage wirklich sorgfältig reden und verhandeln. Ich habe die Hoffnung - sonst würde ich das nicht sagen -, daß wir uns auf eine Linie verständigen, die weite Teile des Hauses akzeptieren könnten. Ich hoffe das. Wir werden jedenfalls nach besten Kräften daran arbeiten. Die Mitglieder des Innenausschusses wissen das.
Frau Sonntag-Wolgast, Sie sehen so aus, als ob Sie meine Redezeit auch noch verlängern wollen.
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- Nein, gut.
Dann eine letzte Bemerkung zum Haushalt. Wir freuen uns, daß es gelungen ist, im kulturellen Bereich das Programm „Leuchttürme Ost" fortzuführen und ein Denkmalschutzprogramm „Dach und Fach" einzurichten, durch das der drohende Verfall unseres gemeinsamen kulturellen Erbes in den neuen Bundesländern aufgehalten werden soll und durch das übrigens auch die Gedenkstätte SachsenhausenOranienburg unter gleichwertiger Mitwirkung des Landes Brandenburg erhalten werden kann.
Dann muß ich noch etwas zu dem von Herrn Schlauch schon erwähnten Regierungsbunker in der Eifel sagen: 20 Millionen. Wissen Sie, das Bauwerk braucht man nun wirklich nicht mehr mit Geheimhaltung zu umgeben.
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- Nun, Herr Kollege Weng, dann sollten wir uns gemeinsam darum bemühen, das zu ändern, weil jeder, der sich für den Bunker interessiert, ihn in- und auswendig kennt. Seine Lage ist bekannt. Was da geheimzuhalten ist, habe ich auch nach heftigem Nachdenken nicht herausbekommen.
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Wir müssen uns einmal überlegen, ob es wichtiger ist, mit diesen Mitteln, die dort eingesetzt werden, den Verfall dieses Bauwerkes aufzuhalten, oder ob es vielleicht besser ist, mit denselben Mitteln den Bau von Kulturdenkmälern in Ostdeutschland aufzuhalten.
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Oder ist es vielleicht besser, diese Mittel nicht in Beton zu investieren, sondern in sozialverträgliche Lösungen bei der Abwicklung der Zivilschutzmitarbeiter, die einen aufopferungsvollen Dienst geleistet haben? Ich denke, daß uns die Entscheidung des Haushaltsausschusses nicht an einer ruhigen Erörterung hindert.
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Mit dieser Maßgabe werden wir dem Einzelplan zustimmen.
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ulla Jelpke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers des Innern steht erneut im Widerspruch zur allgemeinen Haushaltsentwicklung. Während die Bundesregierung bei den sozial schwächsten Gruppen, bei Arbeitslosen und bei Sozialhilfeempfängern und Sozialhilfeempfängerinnen und vor allen Dingen bei Flüchtlingen, drastische Kürzungen vorsieht, steigt der Haushalt des Innenministeriums um 2,4 Prozent. An Einzelposten läßt sich diese Haushaltspolitik deutlich machen. Die Gelder, die für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und auch für den BGS ausgegeben wurden, stiegen seit 1989 rasant an, allein für den BGS sage und schreibe um 122,47 Prozent. Für das kommende Haushaltsjahr sind noch einmal Steigerungen von 7,5 Prozent vorgesehen.
In der Haushaltsentwicklung der Grenzpolizei spiegelt sich der Ausbau der Festung Europa wider. Mit der Anschaffung von weiteren sogenannten Wärmebildkameras wird die quasi-militärische Sicherung der deutschen Ostgrenze weiter vorangetrieben. Allein für die Rückführung von Flüchtlingen sind nicht weniger als 15,5 Millionen DM veranschlagt. Die Bundesregierung versucht derzeit systematisch, mit Hilfe sogenannter Rückführungsabkommen das ramponierte Asylrecht endgültig ad absurdum zu führen. Mit Folterregimen wie der Türkei, Algerien, Kroatien, Rest-Jugoslawien und nicht zuletzt dem Sudan verhandelt Innenminister Kanther offensichtlich besonders gern, wenn es um Abschiebung geht. Sie machen so Staatsterroristen wie die Regierung des Sudan zu Kronzeugen der bundesdeutschen Asylpolitik und zu Helfershelfern Ihrer Abschiebepolitik. Diese Herren werden sich freuen und die Hände reiben, wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland formal als verfolgungsfreie Herkunftsländer eingestuft werden.
Für Maßnahmen zur Flüchtlingsabschiebung bzw. Abschottung, zum Ausbau von Abschiebehaftanstalten und zur Rückführung von Flüchtlingen werden die Behörden nicht auf Di it gesetzt, sondern finanziell gemästet. Gekürzt werden im Gegenzug die medizinischen und die Sozialhilfeleistungen für Asylantragstellerinnen und -antragsteller sowie insbesonUlla Jelpke
dere für Bürgerkriegsflüchtlinge. Vertreter der evangelischen Kirche kritisierten am Dienstag auf ihrer Synode in Friedrichshafen die herrschende Abschiebepolitik und stellten fest, daß es nicht gut um das deutsche Asylrecht steht. Gerügt wurde vor allem auch die sogenannte Drittstaatenregelung. Bischof Kohlwage meinte - ich zitiere -:
Das Asylrecht ist ein zentraler Punkt unseres Gemeinwesens, ein Vermächtnis aus bitteren Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Solche Überlegungen haben offensichtlich die Richter des Bundesverwaltungsgerichtes nicht geleitet. Mit ihrem jüngsten Urteil zur Drittstaatenregelung hat Innenminister Kanther für seine Politik „Ausländer raus" neue Rückendeckung bekommen. Die Richter haben eindeutig festgelegt, daß nicht der Asylgrund, sondern der Reiseweg entscheidend ist, ob politisch Verfolgte hier in diesem Land Zuflucht finden oder nicht.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wir hören hier immer wieder, daß Sie zum Beispiel die doppelte Staatsangehörigkeit, die erleichterte Erlangung der Staatsangehörigkeit einklagen. Das ist richtig, aber ich möchte Sie auch daran erinnern, daß Sie mit für diese verheerende Asylpolitik verantwortlich sind. Damals, als Sie dieser Politik zugestimmt haben, haben Sie darauf verzichtet, das Paket, das Sie immer schnüren wollten, um Erleichterungen einzuführen - dazu gehörte übrigens auch die Erleichterung der Einbürgerung -, zu schnüren. Deswegen müssen Sie heute kläglich hinterherlaufen, damit überhaupt irgend etwas Positives in Sachen Asylpolitik herauskommt.
Auch das Bundeskriminalamt konnte seit 1989 eine Etatsteigerung um nicht weniger als 80,25 Prozent verzeichnen. Für das kommende Haushaltsjahr kann das BKA mit einer Erhöhung um 10 Prozent rechnen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des BKA-Gesetzes die fortschreitende Zentralisierung und Politisierung einer deutschen Bundespolizei geplant ist.
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Die entsprechende Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln auch zum technischen Ausbau des BKA soll den Bundesapparat stärken und wird die Einschränkung länderpolizeilicher Kompetenzen zur Folge haben.
Diese Absichten haben die sozialdemokratischen Bundesländer zu Recht kritisiert. Von dieser Kritik ausgespart bleibt jedoch - im Unterschied zu Warnungen der Datenschutzbeauftragten - die Möglichkeit eines Lauschangriffes durch das BKA. Hier zeigt sich meines Erachtens, daß im Bereich der sogenannten inneren Sicherheit Grund- und Menschenrechte bei der Sozialdemokratie nicht weniger gut auf gehoben sind als bei der Regierung.
Letzte Woche hat die SPD - wie Herr Dr. Burkhard Hirsch hier bereits sagte - in Baden-Württemberg, wo sie sich mit der CDU in einer großen Koalition befindet, den großen Lauschangriff durchgesetzt. Hier soll ganz offensichtlich demonstriert werden, daß die F.D.P. mit ihrem Mitgliedervotum überflüssig ist, aber auch ansonsten. Notfalls wird dieses Repressionsmittel auch in diesem Haus mit einer großen Koalition durchgesetzt.
Über den Haushalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz darf die Öffentlichkeit wieder einmal nichts wissen: kein Stellenplan, keine Übersicht über die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und keine Nachweise über die Ausgaben für Sachmittel.
Allerdings läßt sich nachrechnen, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus seinen Etat nicht senkte. Im Gegenteil: Die Schlapphüte haben seither 11 Prozent mehr bekommen.
Die Jahresberichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die Gefahren des Rechtsextremismus sind ein Eingeständnis tatsächlicher oder zur Schau gestellter Unwissenheit. Das Bundesamt übersieht seit Jahrzehnten eine wesentliche Strömung des bundesdeutschen Neofaschismus, nämlich die Neue Rechte. Bei der Neuen Rechten handelt es sich um eine überaus gefährliche und erfolgreiche Strömung des Rechtsextremismus. Ganze neun Zeilen werden ihr im letzten Jahresbericht gewidmet.
Auch zu theoretischen Fragen will sich dieser Bericht nicht äußern, zum Beispiel zur konservativen Revolution. Das ist meiner Meinung nach gezielt politisch gewollt.
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Meine Damen und Herren, ähnliches könnte man zu dem vorgelegten Bericht über rassistische und faschistische Gewalt sagen. Auch hier gibt es eine erhebliche Steigerung. Dennoch will das Bundesamt für Verfassungsschutz dort nach wie vor keinen organisierten Charakter sehen, auch nicht, daß es in Hamburg und NRW bereits rechtsterroristische Ansätze gibt.
Wenn es dagegen um Linke und Antifaschisten geht, ist dieses Amt besonders aktiv. Wie wir wissen, werden antifaschistische Organisationen und Einzelpersonen von diesem Amt besonders diskreditiert.
Zu einem Haushalt, der den Ausbau staatlicher Machtkonzentration, die Einschränkung von Freiheits- und Bürgerrechten sowie eine menschenverachtende Asylpolitik weiter vorantreibt, sagen wir logischerweise nein.
Zum Abschluß möchte ich noch einen Satz zu unserem Antrag zur parteinahen Stiftung sagen, den wir heute erneut - ich glaube, das fünfte Mal zu einem Haushalt - vorgelegt haben. Ich bitte Sie ganz besonders, diesem Antrag endlich zuzustimmen.
Danke.
({2})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Freiherr von Hammerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Worte zum Einzelplan 33 sagen, zu Herrn Schlauch und zu Uta Titze-Stecher.
Herr Schlauch, Sie sind Gott sei Dank ein brüllender Löwe, der aber wenig beißt. Wenn Sie den Innenminister anklagen und sagen, er sollte im Bereich der Verschlankung des öffentlichen Dienstes etwas tun, dann würde ich zunächst vor der eigenen Haustür kehren und in Ihrer Fraktion einmal gucken - die im Augenblick natürlich nicht vollzählig ist -, wie viele im Bereich des öffentlichen Dienstes tätig sind.
Liebe Uta Titze-Stecher, wenn du an der Bereinigungssitzung teilgenommen hättest, hättest du auch gehört, daß der Innenminister zum Versorgungsbericht etwas gesagt hat. Dieser Versorgungsbericht, liebe Uta, wird noch in diesem Jahr vorgelegt. Der Innenminister hat dazu ein paar klare und deutliche Aussagen gemacht: Dieser Bericht wird genaue Daten über die Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst sowie über die Entwicklung der Versorgungsausgaben bis zum Jahre 2008 enthalten. An Hand dieses Berichtes wird zu prüfen sein, welche Folgerungen zur Eindämmung der Versorgungsausgaben zu ziehen sind.
Schon jetzt sind nach dem Entwurf des Dienstrechtsreformgesetzes Einsparungsmaßnahmen vorgesehen, nämlich erstens die Anhebung der Altersgrenze bei den Beamten vom 62. auf das 63. Lebensjahr zum 1. Januar 1997 - wobei ich es für besser hielte, lieber Herr Minister, diese Maßnahme einzusetzen, sobald das Gesetz in Kraft tritt, weil die Einsparungen dann sicherlich noch erheblich höher sind, als wenn damit erst am 1. Januar 1997 begonnen wird -, zweitens das Vorziehen der Versorgungsabschlagsregelung vom Jahre 2002 auf voraussichtlich schon Anfang 1998 und drittens die Begrenzung von Frühpensionierungen infolge Dienstunfähigkeit durch die Verschärfung des Grundsatzes Rehabilitation vor Versorgung.
Nun lassen Sie mich zum Einzelplan 36 kommen. Da möchte ich mit einem Wort anfangen: Das Zauberwort heißt „sparen".
({0})
Die meisten unter uns sparen gerne bei den anderen, aber nie bei sich selber. Hier möchte ich dem Innenminister und dem gesamten Innenministerium eine Gratulation aussprechen für das, was im Einzelplan 36, im Bereich der zivilen Verteidigung, erreicht wurde. Das zu vollbringen, was hier in der Kürze geschaffen worden ist, ist eine grandiose, enorme Leistung.
Ich nenne hier einige Beispiele. Erstens. Der BVS, der Bundesverband für Selbstschutz, ist völlig aufgelöst worden. Hier ist die Möglichkeit geschaffen worden, daß alle Mitarbeiter flexibel überall in der Bundesrepublik untergebracht werden können, was meines Erachtens auch hervorragend angenommen wird.
Zweitens. Große Teile der Mitarbeiter der zivilen Verteidigung sind in andere Ministerien eingegliedert worden.
Drittens: Luftrettungsdienst. Ich freue mich, daß es uns nach über einjährigen Verhandlungen über die Parteigrenzen hinweg gelungen ist, 17 neue Hubschrauber im Leasingverfahren anzuschaffen, um den Luftrettungsdienst so zu gestalten, wie wir uns das wünschen. Das hat zugleich einen guten Nebeneffekt: 17 neue Hubschrauber schaffen auch viele neue Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland.
Viertens - das ist meines Erachtens die Meisterleistung im Bereich der zivilen Verteidigung -: das Technische Hilfswerk. Ich würde mir wünschen, daß auch in anderen Ministerien die Möglichkeit geschaffen wird, die Budgetierung vorzunehmen. Hier haben wir den Mitarbeitern in einem Teil der zivilen Verteidigung mit einem über mehrere Jahre hinweg konstanten Haushalt von 390 Millionen die Möglichkeit gegeben, sowohl im investiven Bereich als auch im Personalbereich alleine zu entscheiden. Ich glaube, das ist eine Maßnahme, die nachahmenswert ist. Ich möchte mich hier ganz herzlich bei den vielen Mitarbeitern des Technischen Hilfswerkes für ihre Hilfsbereitschaft, insbesondere aber auch für das ehrenamtliche Engagement bedanken.
({1})
Als letztes - da meine Zeit schon wieder um ist - möchte ich die drei Aufgaben nennen, die das Technische Hilfswerk zu verrichten hat: erstens das Bergen, zweitens die internationalen Einsätze und drittens - ich bitte Sie, Herr Minister, ein bißchen darauf zu achten, daß auch das einmal erwähnt wird - das Instandsetzen z. B. von Wasserleitungen - ich denke gerade an Mostar - oder Abwasserleitungen. Hier wird also in vielen Bereichen Hilfe von ehrenamtlichen Helfern geleistet. Das sollte man nicht vergessen zu erwähnen.
Ich darf mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen, lieber Manfred Kanther, und bei Ihren Mitarbeitern für hervorragende Leistungen bedanken.
({2})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Günter Graf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Bevor ich mich mit einem Aspekt des Einzelplanes 06 befasse, möchte ich hier - zumindest für mich ganz persönlich - meine Betroffenheit über die heutigen Haushaltsplanberatungen zum Ausdruck bringen. Ich habe heute morgen den Eindruck gehabt, daß hier mit einem Maß an Arroganz, mit einem Maß an Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit, wie auf einer Wolke schwebend, eine Problembeschreibung in diesem Land vorgenommen wurde; aber Lösungsansätze konkreter Art habe ich sehr vermißt.
({0})
Günter Graf ({1})
Insbesondere hat dies, so glaube ich, der Bundeskanzler in der Art, wie er sich heute morgen hier dargestellt hat, sehr deutlich bewiesen. Ich habe den Eindruck, er sieht die Probleme nicht, oder will sie einfach nicht mehr sehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist unübersehbar: Der Sozialabbau in unserem Staat ist unverkennbar und trägt in gravierender Weise dazu bei, unser Land in Arm und Reich zu spalten.
Dies nur als kurze Vorbemerkung zur heutigen Debatte, die ich von heute morgen an hier verfolgt habe.
Ich möchte die Redezeit benutzen, um mich dem Einzelplan 06 zuzuwenden. Ganz kurz noch eine Anmerkung dazu. Mir ist heute einmal mehr sehr deutlich geworden, daß diese Bundesregierung handlungsunfähig ist, wenn es darum geht, eine notwendige Strategie zur Bekämpfung des internationalen Verbrechens, der internationalen Kriminalität zu entwickeln. Offenbar lähmt sie der Koalitionspartner in dieser Frage.
Es hilft auch nichts, wenn der Bundesinnenminister immer sagt, was er denn gerne tun möchte, um mit diesem Problem in diesem Lande fertig zu werden, wenn er handlungsunfähig ist, weil ihm in dieser Frage die Unterstützung verwehrt wird.
({2})
Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Damit schadet die Bundesregierung diesem Land, weil sich in ihm die organisierte Kriminalität mehr und mehr festsetzt und damit die illegalen Geldströme in dieses Land zu einer massiven Gefährdung unserer Demokratie führen.
Ich fordere Sie daher auf, gemeinsam mit uns - wir haben dazu Vorschläge unterbreitet; ich nenne Stichworte wie Vermögenseinziehung, Beweislastumkehr und Einsatz technischer Mittel zum Abhören - endlich gesetzliche Regelungen zu schaffen, damit diejenigen, die in unserem Staat für die Sicherheit zu sorgen haben, einen Teil des notwendigen Rüstzeugs bekommen, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden. Das hierzu.
({3})
Nun möchte ich aber, liebe Kolleginnen und Kollegen - wie meine Kollegin Uta Titze-Stecher schon angekündigt hat - einen besonderen Aspekt des Einzelplanes 06 herausnehmen, und das ist die Aussiedlerproblematik. Ich habe das im Innenausschuß schon einmal getan, und ich möchte es hier wiederholen.
Ich komme aus einem Wahlkreis - Cloppenburg/ Vechta -, der durch den unkontrollierten Zuzug von Aussiedlern in einem starken Maße betroffen ist.
({4}) Frau Kollegin, Sie müssen sich das vor Ort einmal ansehen.
({5})
- Frau Kollegin, ich werde gleich noch einige Zitate Ihrer Kollegen aus der Fraktion und von der CDU/ CSU bringen. Dann, glaube ich, reden Sie anders, oder wir sprechen hinterher einmal darüber.
({6})
Ich will hier nur sagen: Wir haben - das ist nachvollziehbar -, in den 50er und 60er Jahren, als Spätaussiedler zu uns gekommen sind, in bestimmten Regionen mit Hilfe der Kirche dafür gesorgt, daß sie hier bei uns verdientermaßen eine Heimat finden. Das war gut und richtig. Es hat allerdings über Jahre und Jahrzehnte ständig Verbindungen zu den Menschen, die drüben bleiben mußten, gegeben. Diese Situation führt heute dazu - wo jährlich zirka 225 000 Menschen herüberkommen -, daß sie sich verständlicherweise - ich würde es genauso tun - dahin orientieren, wo bereits andere Menschen wohnen. Die gesetzliche Regelung betreffend vorläufige Festlegung eines Wohnortes ist nach meinem Dafürhalten absolut unzureichend. Es muß etwas anderes hinzukommen, ein anderes Steuerungsinstrument.
({7})
- Frau Kollegin, nun reden Sie nicht. Sie müssen sich schon vorher schlau machen, bevor Sie solche Zwischenbemerkungen machen.
Wenn Sie also einen Ort haben, in dem es einen Anteil von 25 Prozent an Aussiedlern gibt, dann können Sie sich vorstellen, was das bedeutet. Ich rede hier nicht gegen diese Menschen. Diese Menschen sind bei uns willkommen, wir nehmen sie auf. Wir haben aber auch dafür zu sorgen, daß es in diesem Land in bestimmten Regionen nicht zu Spannungen kommt. Diese gibt es aber im Lande Niedersachsen, diese gibt es im Lande Baden-Württemberg
({8})
- und zum Teil in Nordrhein-Westfalen, aber bei weitem nicht so gravierend, wie Sie vielleicht vermuten, Frau Kollegin.
Dieses hat Folgen. Dieses Problem betrifft nicht nur Cloppenburg, es betrifft das Emsland, den Landkreis Osnabrück, die Gemeinden Gifhorn oder Lahr. Ich will Ihnen nun einmal einige Zitate bringen, die ich gestern zusammengeschrieben habe. Herr Eppelmann sagte am 15. Juni 1995: „Davon habe ich heute zum erstenmal gehört. Ich werde diese Problematik sowohl in der CDA wie auch im CDU-Bundesvorstand erörtern." Ob etwas geschehen ist, weiß ich nicht.
Herr Eveslage, Präsident des Niedersächsischen Städte- und G emeindebundes, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Hannover und stellvertretender Fraktionsvorsitzender in Hannover, sagt, beispielsweise müsse der Sprachunterricht wieder verlängert werden, den Bonn auf
Günter Graf ({9})
sechs Monate verkürzt hatte. Er kritisiert dabei auch die eigenen Reihen. Ich könnte Ihnen dazu noch eine ganze Menge mehr vorlegen.
Der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Carstens, mein Kollege aus dem Wahlkreis, sagt, so könne es nicht weitergehen, man müsse etwas tun. Er fordert sogar die Bürgermeister auf, sich bei der Baulandausweisung in dieser Frage zurückzuhalten, was ich für diskriminierend halte. Das will ich Ihnen ganz offen sagen. In Gemeinderäten in der Weise zu argumentieren, daß man sagt: „Wir können diese Leute hier nicht bauen lassen. Ihr kriegt keinen Bauplatz, sondern nur die Einheimischen", kann nicht die Politik in einem demokratischen Staat sein. Wenn das ein Parlamentarischer Staatssekretär vor Ort kritisiert, gehe ich davon aus, daß das auch in das Kabinett getragen wird und daß sich das Kabinett mit diesen Fragen beschäftigt. Das scheint mir aber nicht der Fall zu sein.
Der Staatssekretär Dr. Walter Priesnitz war auch dort und schreibt in einem Brief an Ihren Kollegen, Herrn Paul Friedhoff, daß die Kosten, die dort entstehen, nicht mehr allein von den Leuten dort getragen werden können, daß einiges mehr notwendig ist, daß den betroffenen Kommunen Hilfe zukommen muß. Was ist die Folge? Was ist geschehen? Nichts! Wir kürzen im Einzelplan 06 - gucken Sie hinein -, gerade was die Eingliederungshilfen insgesamt angeht.
({10})
- Zur Sozialhilfe will ich Ihnen gleich noch einige Zahlen nennen.
Der Kollege Hans Eveslage, den ich eben schon zitiert habe, will über alle Parteiräson hinaus im Konflikt mit der CDU/F.D.P.-Bundesregierung eine finanzielle Besserstellung der Kommunen erreichen. Damit ist der Gang zum Bundesverfassungsgericht eine kalkulierbare Größe für ihn geworden. Herr Eveslage sagt, er erwäge eine Verfassungsklage gegen den Bund wegen dieser Situation. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schon bekannt ist.
Die CDU/CSU-Fraktion hat eine Ausländerbeauftragte. Früher war es Kollegin Dempwolf, heute ist es die Kollegin Kors. Was sagen die eigentlich zu dieser Problematik? Das kann ich einmal zitieren. Am 20. Februar 1995 heißt es für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im DUD-Sonderdienst:
Die neu eintreffenden Mitbürger brauchen - gerade in Zeiten von Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot - verstärkte Hilfe von politischer Seite. Finanzielle Mittel, wie z. B. die Sprachschulungen und der Garantiefonds,
({11})
der speziell für jugendliche Aussiedler da ist, dürfen nicht weiter gekürzt werden.
Ich könnte diese Reihe von Aussagen von Mitgliedern dieser Koalition unbegrenzt fortsetzen, aber meine Redezeit ist relativ kurz.
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- Ja, es ist immer unbequem, wenn man sich bittere Wahrheiten anhören muß. Das weiß ich, das geht mir manchmal auch so; man macht ja auch nicht alles richtig. Aber das muß einmal gesagt werden.
({13})
Jetzt will ich Ihnen noch einmal einige Zahlen nennen, die belegen, wie sich die Situation darstellt. Zum Beispiel betrugen im Landkreis Osnabrück die Sozialhilfeausgaben 1993 3,1 Millionen DM, im Jahre 1994 25,1 Millionen DM, und 1995 ist eine Steigerung auf über 25 Millionen DM zu erwarten.
Im Landkreis Gifhorn waren es vor diesem Hintergrund - ich habe den Schwerpunkt angesprochen -1993 20 Millionen DM, 1994 34 Millionen DM; 1995 werden es voraussichtlich 45 Millionen DM sein.
Im Ortenaukreis - ich habe auf Lahr hingewiesen - betrugen die Sozialhilfeausgaben 1993 2 Millionen DM und 1994 12 Millionen DM. 1995 werden es 18 Millionen DM sein.
Wie sieht es bei mir im Landkreis Cloppenburg aus? Auch das will ich nicht verschweigen: 1993 23 Millionen DM, 1994 34 Millionen DM und 1995 voraussichtlich mehr als 45 Millionen DM Sozialhilfeausgaben. Dies hat zur Folge gehabt, daß wir zweimal die Kreisumlage erhöht haben; wir befinden uns jetzt bei 46, 47 Prozent. Die Gemeinden sind finanziell am Ende.
Ich frage mich, was das noch mit der Garantie kommunaler Selbstverwaltung zu tun hat. Ich erinnere an den Art. 28 des Grundgesetzes, der diese Garantie enthält. Die Kommunen sind finanziell am Ende. Die Haushalte können nicht mehr ausgeglichen werden, ganz zu schweigen von den Personalausgaben, die notwendig sind, um mit dieser Problematik, die sie zusätzlich belastet, fertig zu werden.
Wir haben im Innenausschuß des Deutschen Bundestages drei Anträge vorgelegt.
Wir haben ein Sofortprogramm für die Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland gefordert, die in besonderer Weise betroffen sind. Es wurde ohne große Diskussion mit der Koalitionsmehrheit abgelehnt.
Wir haben einen Antrag zur Erhöhung der Mittel für den Garantiefonds eingebracht. Die Mittel für die Sprachförderung im schulischen und außerschulischen Bereich sind seit 1992 kontinuierlich von 450 Millionen DM auf 240 Millionen DM im Jahre 1995 zurückgegangen, und das in einer Zeit, wo ein Mehr erforderlich ist und nicht ein Weniger.
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Wir haben einen dritten Antrag gestellt, der sich auf die Eingliederungshilfen bezieht, auf die die beGünter Graf ({15})
treffenden Personen Ansprüche haben und bei denen alleine der Bund der Zahlungspflichtige ist. Allein bei uns im Landkreis konnten 15 Millionen DM - obwohl geprüfte, berechtigte, genehmigte Anträge auf Eingliederungshilfen vorlagen - nicht ausgezahlt werden, weil der Bund die Finanzmittel erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren zur Verfügung stellt, was wiederum dazu führt, daß die betreffenden Personen natürlich den Weg zum Sozialamt antreten müssen, um Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, und daß sich die Kommunen nachher auf dem Verwaltungswege die Mittel zurückholen müssen, wenn die Antragsteller das Geld haben. Das nenne ich unter dem Stichwort Erhöhung der Effizienz der Verwaltung, Verschlankung des Staates.
Dies alles ist widersinnig. Ich kann Sie alle, insbesondere die Bundesregierung, nur auffordern, sich ganz konkret mit diesen Fragen zu befassen, sich die von mir angesprochenen Anträge noch einmal zu vergegenwärtigen und vielleicht im nachhinein doch noch eine Regelung zu finden, um diesen Kommunen zu helfen.
Herzlichen Dank.
({16})
Ich erteile dem Abgeordneten Erwin Marschewski das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Günter Graf, wenn Sie Lösungsansätze der Union oder der Bundesregierung vermißt haben, dann müssen Sie sehr vieles vergessen haben. Wir haben das Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingebracht, mit verdecktem Ermittler, mit Vermögenseinziehung. Da haben Sie nein gesagt. Wir haben das Geldwäschegesetz eingebracht. Da haben Sie nein gesagt. Wir haben das Verbrechensbekämpfungsgesetz eingebracht, mit Kronzeugenregelung, mit Bundesnachrichtendienst. Da haben Sie nein gesagt. Erst nach vielen Stunden und Tagen im Vermittlungsausschuß haben Sie dem Ganzen zugestimmt. Ich denke, daß Sie vieles verschlafen haben müssen, wenn Sie hier eine solche Aussage treffen.
({0})
Wir haben dies natürlich getan, weil wir gesagt haben: Die Sicherheit vor Verbrechen ist ein Menschenrecht. Es ist kein Populismus, wenn man die Kriminalitätsfurcht der Bürger ernst nimmt, auch wenn sie nicht immer der objektiven Sicherheitslage entspricht. Der Staat hat, so meine ich, nicht nur für die Eindämmung der Kriminalitätsphänomene zu sorgen, sondern auch für die Eindämmung der Bedrohtheitsgefühle, weil sie die Lebensqualität und letzten Endes die freiheitliche Demokratie beeinträchtigen.
Wir wollen keinen gesetzgeberischen Aktionismus. Wir wollen keine Gesetzesverschärfungen um ihrer selbst willen. Nur, die rasante Entwicklung der Technik und die weltpolitischen Umbrüche haben natürlich zu einer dramatischen Veränderung der Welt des Verbrechens geführt. Denken Sie doch an die ehemalige Sowjetunion. Denken Sie an die Schmuggelei von spaltbarem Material. Denken Sie doch an die Zwangsprostitution, die Verschleppung junger Mädchen und Frauen nach Westeuropa.
Unsere Sicherheitslage hat sich beträchtlich verändert.
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Deswegen brauchen wir neue, verschärfte Gesetze, um dieser Sicherheitslage zu begegnen.
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Wir müssen - erstens - die Mobilkommunikation denselben Abhörmöglichkeiten unterwerfen, wie es beim herkömmlichen Fernmeldeverkehr der Fall ist.
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Dies gilt genauso für Mailboxen.
Zweitens wollen wir das BKA-Gesetz dringend modernisieren. Hierzu liegt ein Entwurf der Bundesregierung vor. Noch ein Satz zur Eigensicherung der Bundeskriminalbeamten: Wir können nicht hinter dem zurückbleiben, was für die meisten Polizeibeamten der Länder möglich und nötig ist. Ich halte es für dringend erforderlich, hier etwas zu unternehmen.
Drittens. Natürlich lernt man aus der neuen, sich verändernden Sicherheitslage. Selbstverständlich müssen und werden wir das Geldwäschegesetz reformieren. Wir halten es für richtig, den Vortatenkatalog des § 261 StGB zu erweitern. Wir müssen die Beweisführung erleichtern, dürfen die Beweislast aber nur dann umkehren, wenn dies wirklich vonnöten ist. Ganz wichtig ist: Um letzten Endes an die Drahtzieher der organisierten Kriminalität heranzukommen, müssen wir es ermöglichen, das Schwarzgeld weiter fließen zu lassen. Nur so kommen wir an die Gangster im Hintergrund heran.
Ich bedauere, daß Sie es damals im Vermittlungsausschuß abgelehnt haben, die Hauptverhandlungshaft einzuführen.
({4})
Ich glaube, spätestens die Chaostage in Hannover müssen Sie gelehrt haben, daß es dringend vonnöten ist, diese Hauptverhandlungshaft einzuführen
({5})
einfach deswegen, weil die Strafe auf dem Fuße folgen muß. Das gilt natürlich auch für Sie, Herr Kollege Fischer.
({6})
- Ich habe im Augenblick das Mikrophon; deswegen bin ich etwas im Vorteil.
Die Innenpolitik der kommenden Jahre steht vor großen Herausforderungen. Ich bedanke mich bei den Haushältern, daß wir im Etatbereich Erhöhungen haben vornehmen können. Mein herzlicher Dank gilt meinem Freund Klaus-Dieter Uelhoff. Herzlichen Dank für die Tätigkeit im Sinne und zugunsten der inneren Sicherheit.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich biete Ihnen erneut an zusammenzuarbeiten. Das ist nötig. Wir haben damit in der Vergangenheit im Bereich der Asylgesetze gute Erfahrungen gemacht. Beim Verbrechensbekämpfungsgesetz war dies, Herr Kollege Schily, zumindest im Vermittlungsausschuß letzten Endes in Ordnung.
Zum Schluß: Eine liberale Rechtsordnung ist auf wirkungsvolle Gesetze und auf ihre Durchsetzung angewiesen, wenn sie nicht zum Gespött werden soll und wenn das ohnehin geschwächte Rechtsbewußtsein nicht weiter der Erosion ausgesetzt werden soll.
Herzlichen Dank.
({7})
Ich erteile dem Bundesminister Manfred Kanther das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Es ist zu spät für Grundsatzreden geworden. Deshalb will ich mich darauf beschränken, zu ein paar Punkten, die hier in der Debatte eine Rolle gespielt haben, knapp Stellung zu nehmen.
Erstens. Frau Kollegin Titze-Stecher, was ist schlecht daran, wenn die Ausgaben für die Bundespolizei steigen und nachweisen, daß diese Koalition es mit der inneren Sicherheit ernst meint?
({0})
Sie werden auch weiterhin steigen; das wollen wir, das ist Gegenstand unserer Koalitionsvereinbarung.
Zweitens. Integration von Ausländern ist eine gewaltige Aufgabe, jetzt und in Zukunft. Jeder, dem der innere Frieden angelegen ist, muß sie angehen.
({1})
Ich habe dazu in der ersten Lesung Näheres ausgeführt. Ich will nicht alles wiederholen. Es ist falsch, so zu tun, als könnten die Integrationsbeiträge zuvörderst auf dem Umweg über das Staatsbürgerschaftsrecht geleistet werden. Sie geben den Menschen Steine statt Brot, wenn Sie ihnen dieses vormachen.
({2})
Einbürgerung kann Beiträge leisten. Aber man darf
es nicht falsch machen: Einen Regelanspruch auf
doppelte Staatsbürgerschaft wird es nicht geben,
aber weiterhin die vielen Ausnahmen, die wir auch heute schon kennen.
({3})
Bei Ihren Ausführungen zum Einwanderungsgesetz, liebe Frau Titze-Stecher, habe ich gedacht: Warum ist denn wohl Frau Däubler-Gmelin heute nicht da? Wollte sie Ihnen vielleicht nicht zuhören? Haben Sie die Anträge zu Ihrem Bundesparteitag in der nächsten Woche gar nicht gelesen?
({4})
Ist Ihnen aufgefallen, wie wenig Sie sich selbst grün in der Hinsicht sind, ob Sie ein Einwanderungsgesetz wollen oder nicht, und daß ein halbes Dutzend von Fragen von der Öffentlichkeit und auch von uns ständig an Sie gestellt werden?
Sie sind eine sehr viel freundlichere und sachkundigere Kollegin, als es eben den Anschein hatte. Warum in drei Teufels Namen bringen Sie als Fraktion nicht endlich ein Einwanderungsgesetz in den Bundestag ein, damit man überhaupt weiß, wovon Sie reden? Sagen Sie dem staunenden Volk, wie hoch die Quote sein soll, die Sie gerne zusätzlich zu all denen noch gerne hätten, die ohnehin kommen, etwa als Asylbewerber! Sagen Sie das alles, oder lesen Sie die Begründung Ihrer Kommission zum Parteitag, die Ihnen davon abrät, dies zu tun!
({5})
Vierter Punkt: innere Sicherheit und neue Gesetze. Natürlich brauchen wir auch neue Gesetze, ebenso wie die Anwendung und kritische Hinterfragung der alten. Deshalb verlängern wir die Kronzeugenregelung. Deshalb hoffe ich, daß wir zu vernünftigen Vorschriften im Bereich des Abhörens von Gangsterwohnungen kommen.
Aber ich bin der Verfassungsminister, und ich sehe mit äußerstem Mißtrauen einen Vorschlag, der schlichtweg auf die Beweislastumkehr abzielt. Ich weiß, daß viele verantwortungsbewußte Sozialdemokraten das auch mit Bedenken sehen, und zwar nicht, weil das nicht mit Art. 14 vereinbar wäre, sondern weil der Kernbereich des Art. 79 Abs. 3 und der Unschuldsvermutung tangiert sein könnte. Die Unschuldsvermutung im Rechtsstaat ist ein hohes Gut und kann nicht einfach freihändig unter dem Tagesaspekt des Wahlkampfes aufs Spiel gesetzt werden.
({6})
Das geht so nicht. Das wollen wir sachkundig und sicher auch miteinander prüfen. Was aus Baden-Württemberg vorgelegt worden ist, scheint mir vom Ansatz her richtig zu sein, aber in der Einzelfragenstellung muß man das noch einmal sehr überprüfen.
Im Zivil- und Katastrophenschutz - ich bedanke mich für die freundlichen Bemerkungen der Kollegen Uelhoff und von Hammerstein - sparen wir Hunderte von Millionen Mark gegenüber früher, und
Hunderte von Mitarbeitern werden anderweitig eingesetzt werden können. Das ist ein praktischer Beitrag zum schlankeren Staat und nicht nur ein allgemeines Gerede darüber.
({7})
Das dafür notwendige Abschlußgesetz wird selbstverständlich hier im Bundestag eingebracht. Aber was hätten Sie mir zu dessen erster Lesung wohl erklärt, wenn ich mit dem Abschlußgesetz zwei Jahre gewartet hätte und in der Zwischenzeit gar nichts getan, sondern das Geld verbraten hätte? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst.
Die Fragen des Dienstrechts sind umfassender angepackt als in Jahrzehnten zuvor. Wie kommt es denn hier zu Ihren Bemerkungen und der Zustimmung der überwiegend sozialdemokratischen Ministerpräsidenten auf ihrer letzten Konferenz, die außer den wenigen, die grundsätzlich an das Beamtenrecht heranwollen, nur an einem einzigen Punkt Kritik geübt haben? Das ist die Frage der Zeitverträge über zweimal fünf Jahre für Führungsbeamte. Dazu kann man ganz unterschiedlicher Meinung sein. An den Argumenten ist auch etwas dran, aber an den Argumenten ist auch viel nicht dran. Man kann so oder anders entscheiden.
Mag der Bundesrat seine Vorstellungen einbringen. Mein Stolz ist, daß die Ministerpräsidenten den Vorschlägen, die wir gemacht haben, als tauglich zugestimmt haben. Wir haben vier Aspekte, die entscheidend sind, nämlich die Verstärkung von Leistungsaspekten - natürlich nicht ihre erstmalige Begründung - bei der Förderung und Besoldung, die Kräftigung der Vorgesetztenverantwortung, die Stärkung der Mobilität der Bediensteten in einer sich schnell ändernden Arbeitswelt und das erste Anpakken der Problematik des vorzeitigen Ruhestands, die so nicht bleiben kann.
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Wir arbeiten am Versorgungsbericht. Er wird so bald wie möglich vorgelegt. Mir ist bei einem so wichtigen Werk viel wesentlicher, daß es absolut zutreffend die Lage beschreibt, als daß es vorzeitig in Teilen oder auf einzelne Länder oder Dienstherren bezogen vorgelegt wird und dann die kritischen Fragen nicht aushält. Wir legen diesen Bericht so schnell wie möglich vor, aber nicht überstürzt.
Die dienstrechtliche Versorgungsfragestellung ist nur ein Spiegelbild der allgemeinen gesellschaftlichen Problematik, daß die Versorgungslasten unserer Volkswirtschaft außerordentlich hoch sind. Es ist keine besondere Fragestellung an das Dienstrecht.
Zur Kultur. Ich bin stolz darauf, daß wir in Berlin statt 30 Millionen DM 60 Millionen DM einsetzen können, in einem Haushalt, der zurückgeführt werden mußte, mit allgemeinen Engpässen, mit vielen sozialdemokratisch regierten Großstädten, in denen unter der Überschrift „Sport und Kultur" die freiwilligen Ausgaben reduziert werden.
Ich habe die Hoffnung, daß sich das Land Nordrhein-Westfalen an dem Erhalt der Symphonia Hungarica beteiligt.
({9})
Wir haben erklärt: 7 Millionen DM auf fünf Jahre fest, zu einem Stiftungszweck, der wirklich nicht mehr so vorhanden ist wie in den 50er Jahren. Das Land Nordrhein-Westfalen zackert mit der Frage herum, ob es 350 000 oder 600 000 DM geben will. Wenn die Symphonia Hungarica weiter spielen soll, ist die Frage, ob das Land Nordrhein-Westfalen einen angemessenen Beitrag leistet oder nicht. Ich hoffe, es tut das.
({10})
Wir haben ein kleines Programm zugunsten der neuen Bundesländer aus der Taufe gehoben. Ich kann leider nicht behaupten, daß das Programm „Dach und Fach" die Probleme löst. Es gibt zu viele kleine kostbare Kulturdenkmäler in ländlichen Gegenden der neuen Länder: kleine Kirchen, Bürgerhäuser, innerstädtische Ensembles, Scheunen. Dafür haben wir im Westen Deutschlands Programme. Wenn wir in den nächsten Jahren Dach und Grund nicht gegen Feuchtigkeit sichern, besteht die Gefahr, daß wir es in zehn Jahren, wenn wir vielleicht wieder Geld hätten, um in den neuen Ländern größer einzusteigen, nicht mehr können.
Deshalb gibt es diesen Ansatz. Darüber herrscht allgemeine Freude. Mein Dank gilt dem Haushaltsausschuß, der dies ermöglicht hat, indem er an anderen Stellen eingespartes Geld so einsetzt.
({11})
Das sind alles keine weltbewegenden Dinge; es sind kleine Fortschritte. In finanzpolitisch beengter Zeit ist die Politik gefragt, sachkundig kleine Fortschritte zu bewirken.
Im Sportbereich gibt es mit dem Deutschen Sportbund nach Jahren der Übung und vom Haushaltsausschuß richtigerweise gesperrten Geldern endlich Bewegung und ein Konzept für die Olympiastützpunkte. Das ist doch gut. Es ist gut, daß Geld wieder gesperrt ist, damit der Zwang zum Weiterarbeiten erhalten bleibt.
Lieber Herr Graf, ich verstehe Ihren Ansatz, der auch heimisch geprägt ist, gut. Die Konzentration der Aussiedler an wenigen Punkten ist nicht gut. Deshalb haben wir doch unseren Gesetzentwurf über die Wohnortzuweisung und den Sozialhilfelastenausgleich vorgelegt, dem der Bundesrat bereits zugestimmt hat. Binnen kurzem wird der Gesetzentwurf hier vorliegen.
Wenn Sie den Rückgang der Mittel des Garantiefonds beklagen, frage ich Sie: Warum hat das von Ihren Freunden regierte Niedersachsen im vorigen Jahr nicht einmal die Mittel ausgegeben, die ihm zur Verfügung standen, sondern sie zum Teil verfallen lassen?
({12})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gleich. - Ich glaube, wir sollten mit den gegenseitigen Bezichtigungen einfach vorsichtiger umgehen. In allen Bereichen der Innenpolitik arbeiten wir unter Volldampf. In allen Bereichen haben wir die Koalitionsvereinbarung angepackt oder in der Bearbeitung schon weitgehend abgeschlossen.
Daß wir aber ein Programm für vier Jahre vereinbart haben und nicht nur eines für das erste Jahr, das ist zuzugeben. Deshalb haben wir noch ein Stück Weges vor uns, das wir miteinander gehen wollen.
Bitte stellen Sie nun Ihre Zwischenfrage.
Herr Minister, wir erleben zur Zeit, daß die Bürger auf ungerechte Art und Weise verschiedene Lasten tragen müssen.
({0})
Was das Problem Aussiedler betrifft, so hatten wir in der Stadt Lahr durch den Abzug der kanadischen Streitkräfte schon einen wirtschaftlichen Rückgang zu verzeichnen. Zur Zeit wohnen dort zwischen 3 000 und 4 000 Aussiedler.
({1})
Das Problem ist, daß die Sozialhilfe von 2 Millionen auf 18 Millionen DM gestiegen ist. Der gesamte Kreis darf das bezahlen.
In der Nähe gibt es einen Landkreis, wo es überhaupt keine Aussiedler gibt, weil dort keine Einrichtungen vorhanden sind, in die sie einziehen könnten. Dieser Landkreis bezahlt nichts, der andere bezahlt mit ungefähr 3- bis 4prozentiger Erhöhung der Kreisumlage.
Hinzu kommt, daß Sie von der Bundesregierung die Aussiedler mit der Reduzierung von zwölf auf sechs Monate benachteiligt haben. Halten Sie es für in Ordnung, daß man die Mittel so ungerecht verteilt? Halten Sie es nicht für dringend notwendig, daß ein Gesetz geschaffen wird, in dem geregelt ist, daß das vom Bund bezahlt wird?
Verehrter Herr Kollege, beim allerbesten Willen nicht! Und so funktioniert auch unser Staatsaufbau nicht - wenn Sie mir einen Rückfall in frühere finanzministerliche Zeiten gestatten.
Das ist ein klassisches Beispiel für den kommunalen Finanzausgleich, wenn es nur ums Geld geht. Es geht aber bei der Massierung von Aussiedlern um sehr viel mehr. Es geht um eine Zusammenballung von Fremdheit, die in der Umgebung nur schwer ertragen wird. Es geht um Wohn- und Arbeitsplatzprobleme. Das kann man mit dem kommunalen Finanzausgleich nicht steuern.
Diese Frage greifen wir mit dem jetzt vom Bundesrat beschlossenen Gesetz auf. Ich kann von dieser Stelle aus nicht Mängel des kommunalen Finanzausgleichs abstellen. Ich kann nicht schnell genug auf solche Phänomene im Land reagieren und sie schon gar nicht durch den Neueinsatz von Bundesgeldern beseitigen.
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Umschichtung von Landesgeld ist hier gefragt. Deshalb müssen Sie Ihre Kritik an Ihren Parteifreund, den Innenminister, richten, wenn der kommunale Finanzausgleich nicht so sein sollte, wie er unter diesem Aspekt notwendig wäre. Ebenso muß sich der liebe Herr Graf an den Zuständigen in Niedersachsen wenden, wenn es darum geht, den Garantiefonds auszuschöpfen oder nicht.
Nach dem Kollegen Dreßen möchte nun der Kollege Graf eine Zwischenfrage stellen.
Herr Präsident, Sie sind sehr gnädig mit mir. Es mag geschehen.
Das ist dann sozusagen die Schlußfrage.
Herr Minister, da Sie soeben so getan haben, als läge es am Land Niedersachsen, daß Garantiefondsmittel nicht abgerufen worden sind, frage ich Sie, ob Ihnen folgendes bekannt ist. Ich zitiere, was mir das niedersächsische Innenministerium vor dem Hintergrund dieser Problematik geschrieben hat:
Dem Land Niedersachsen wurden 1994 zunächst 16 Millionen DM Garantiefondsmittel zugewiesen. Die Bedarfsmeldung lag demgegenüber bei 20 Millionen DM. Durch nachträgliche Bewilligung des Bundes erhöhten sich die Garantiefondsmittel auf 19,55 Millionen DM. Davon wurden 1,95 Millionen DM erst im November zugewiesen. Zum Jahresabschluß 1994 mußte Niedersachsen 4,3 Millionen DM als nicht verausgabt zurückgeben. Insgesamt mußten von allen Bundesländern ca. 25 bis 30 Millionen DM Garantiefondsmittel zurückgegeben werden.
Ich bin gern bereit, Ihnen das Schreiben zur Verfügung zu stellen. Vielleicht erhalte ich dann eine umfassende Antwort.
Ich danke Ihnen, daß Sie meine Bemerkung bestätigt haben. Es paßt nicht zusammen, daß der eine Kollege Bundesgeld zur Bewältigung des Problems fordert und der andere mir auch noch bestätigt, daß das zur Verfügung gestellte Bundesgeld von den Ländern nicht abgerufen worden ist. Beides zusammen geht nicht in einen Kopf, Herr Kollege Graf.
Danke sehr.
({0})
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zum Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern. Dazu liegen zehn Änderungsanträge vor.
Wir stimmen zunächst über neun Änderungsanträge der Gruppe der PDS ab.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2901 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition und bei Enthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt worden.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2913 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt worden.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2915 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD abgelehnt.
({0})
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2916 auf. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2917 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2918 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit denselben Stimmverhältnissen abgelehnt worden.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2919 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2920 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Gruppe der PDS und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Drucksache 13/2925 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit demselben Stimmergebnis abgelehnt worden.
Ich rufe den Änderungsantrag des Abgeordneten Manfred Such auf Drucksache 13/2903 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einzelplan 06 ist in der Ausschußfassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des restlichen Hauses angenommen.
Ich rufe Einzelplan 33, Versorgung, auf. Wer stimmt für den Einzelplan 33 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einzelplan 33 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Damit sind wir am Ende dieses Einzelplans. Ich rufe auf:
Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Drucksachen 13/2617, 13/2626 Berichterstattung: Abgeordnete Peter Jacoby
Siegrun Klemmer Kristin Heyne
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Siegrun Klemmer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Es wird manchmal bergauf gehen, aber viel öfter noch bergab." Das kommt Ihnen vielleicht bekannt vor, Frau Ministerin. Was während einer Radtour in Thüringen, anläßlich deren Sie mit diesen Worten Optimismus unter Ihre Mitradler streuen wollten, ein schwungvolles und müheloses Dahingleiten verspricht, läßt sich ebenso mühelos auf die Arbeit Ihres Ministeriums und den hier zur Beratung anstehenden Einzelplan 17 übertragen. Nur steht derselbe Satz hier leider für eine rasende Schußfahrt in inhaltliche Erstarrung und finanzielle Lähmung.
({0})
Ein frauen- und familienpolitisches „Weiter so", das die gewandelten Befindlichkeiten und Widersprüche im vereinten Deutschland ignoriert, führt in Tateinheit mit diesem Haushalt dazu, daß von Ihrem
Haus der Generationen, so oft gepriesen, nur noch Bruchstücke bleiben.
({1})
Ihre Jugendpolitik, Frau Ministerin, zeigt sich leider so, als hätte es weder die gewalttätigen Hilferufe gesellschafts- und politikverdrossener junger Menschen noch deren wissenschaftliche Erfassung im Achten und Neunten Jugendbericht gegeben.
Daß die Senioren wieder zuletzt erwähnt werden, trägt nur der Prioritätensetzung Ihres Hauses Rechnung. Denn allen demographischen Entwicklungen zum Trotz: Wer zu alt ist, um seine Interessen lautstark einzufordern, hat bei Ihnen keine Lobby.
({2})
Dabei, Frau Ministerin, sind Ihre Voraussetzungen auf den ersten Blick nicht schlecht. Als mit Abstand jüngstes Kabinettsmitglied wäre es Ihre Aufgabe, mit Schwung und kritischer Distanz all denen kräftig in die Suppe zu spucken, die in bornierter Verwaltungsroutine überholte Ansätze über die Zeit retten wollen.
({3})
Der Einzelplan 17 und seine Instrumente müssen eben mehr sein als therapeutische oder pädagogische Korrektur; denn es ist ja kein zu therapierendes Gebrechen, weiblich oder jung oder alt zu sein.
({4})
Aber auch unter Ihrer Leitung, Frau Ministerin, hat sich noch nicht durchgesetzt, mit gezielten Ansätzen Impulse zu geben, um die ungeheuer brachliegenden Potentiale junger und alter Menschen selbstbestimmt zur Entfaltung zu bringen. Statt dessen machen Sie sich zur Sachwalterin der Gralshüter am Kabinettstisch oder anderswo. Denn wie anders als eine Verbeugung vor der Vergangenheit soll es denn aussehen, wenn die Frauenministerin den interfraktionellen Kompromiß zum Abtreibungsrecht ablehnt, weil er ihr zu liberal erscheint? Mit der Lebenswirklichkeit von Frauen in Deutschland 1995 hat dieses Votum wahrlich nichts zu tun. Vermittelbar ist es auch nicht.
({5})
Die vollmundigen Verlautbarungen und Rechenschaftsberichte Ihres Hauses - so im Jahresbericht der Bundesregierung für 1994 - können trotz der ständigen Betonung angeblicher. Fortschritte über eines nicht hinwegtäuschen: Die Schwerpunkte des Ministeriums bleiben einer konservativen Ideologie unterworfen. Frauen sollen sich in tradierte Rollenmuster einfügen, und Ihr Ideal für junge Menschen heißt Normalität. Kritik und Verweigerung gelten Ihnen noch immer als Störfall.
Für die Parlamentarische Staatssekretärin, die Kollegin Dempwolf, ist das alles ganz einfach:
Der vorgelegte Haushaltsentwurf ermöglicht es, - so sagte sie in diesem Haus am 7. September die bewährten Instrumente unserer Politik für Familien, Senioren, Frauen und Jugend fortzuführen. Er gewährleistet Kontinuität und gibt Raum auch für die Verwirklichung neuer Ansätze.
({6})
Es mag ihr Geheimnis bleiben, wo sie diese Spielräume bei einem Rückgang der freien Mittel erkennen kann. Um über 11 Millionen DM sollen die allgemeinen Bewilligungen sinken. Gerade noch knappe 870 Millionen DM - das sind magere 6 Prozent dieses Etats - stehen damit für die Förderung von Maßnahmen zur Verfügung. Der Rest nämlich wird durch gesetzliche Leistungen sowie durch Personal- und Sachhaushalte gebunden.
Da liegt es auf der Hand, daß dieser Rückgang jeglichen Gestaltungsspielraum zunichte macht und die vielbeschworenen neuen Ansätze Makulatur werden läßt. Wenn die Zuwendungen an die Träger der Maßnahmen nicht einmal mehr die Inflationsverluste des Vorjahres ausgleichen, muß dies zu einem realen Weniger bei Maßnahmen und Projekten führen. In vielen Gesprächen haben mir die Betroffenen ihre desolate Situation geschildert. Für nicht wenige steht tatsächlich die Fortsetzung ihrer Arbeit in Frage.
Damit ist auch eine ordnungspolitische Frage aufgeworfen. Das Subsidiaritätsprinzip war jahrzehntelang eine Säule der bundesdeutschen Sozialordnung. Fällt die Bezuschussung freier Träger für deren Beitrag zur Sozialstaatlichkeit dem Haushalt zum Opfer, werden dort, wo Staat und Markt versagen, Versorgungslücken bei öffentlichen Aufgaben unweigerlich entstehen.
Lassen Sie mich, Frau Ministerin, weil es von Ihrem Hause in bekannter Regelmäßigkeit als Aushängeschild benutzt wird, noch ein Wort zum Familienleistungsausgleich sagen. Es ist richtig: Mit der Neuregelung sind Verbesserungen für Familien erreicht worden. Mit Beharrlichkeit aber verschweigen Sie, welch großen Anteil wir Sozialdemokraten an dem erreichten Kompromiß tragen.
({7})
Auf jeden Fall ist dieser Fortschritt völlig ungeeignet, die finanzielle Misere des hier zu beratenden Einzelplans zu kaschieren oder gar zu legitimieren.
Ich komme zu einigen ausgewählten Politikbereichen und beginne mit der Familienpolitik.
Daß für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in diesem Haushalt deutlich höhere Ansätze veranschlagt sind als bisher, bestätigt die Argumente, mit denen wir diese Aufstockung immer gefordert haben. Experten haben mehrfach darauf hingewiesen, daß der Finanzbedarf bei jährlich 20 Millionen DM liegt. Wenn die Aufgaben, die der Bundeszentrale auch durch höchstrichterliche Rechtsprechung im Präventionsbereich zugeschrieben werden, erfüllt werden sollen, muß natürlich in den nächsten Jahren noch einmal kräftig nachgebessert werden. Wir sehen den jetzigen Ansatz als ersten Schritt.
So erfreulich sich diese finanzielle Ausstattung gestaltet, so bedenklich muß die Entwicklung erscheinen, daß die BZgA inhaltlich immer stärker in das ideologische Korsett der Bundesregierung gezwängt wird. Wenn Herr Minister Seehofer auf Betreiben einer katholisch-konservativen Allianz die Aufklärungsbroschüre „Starke Mädchen" aus dem Verkehr zieht, dann steht dies symptomatisch für den neuen Wind, der all denen ins Gesicht weht, die jungen Menschen eine selbstbestimmte und lustvolle Sexualität zugestehen und sie ihnen auch zielgruppengerecht vermitteln möchten. Es ist nicht gerade ein Ruhmesblatt, Frau Ministerin, wenn Sie diesem Vorgang kommentar- und tatenlos zusehen.
({8})
Mit einiger Überraschung habe ich der Bereinigungsvorlage zu diesem Haushalt entnommen, daß beim Erziehungsgeld für 1996 in letzter Minute eine Kürzung um 850 Millionen DM veranschlagt worden ist. Aus der Vorlage ist zu ersehen, daß es sich dabei um eine Anpassung „auf Grund aktueller Entwicklung" handelt. Gemeint ist damit gleichwohl nicht das riesige Milliardenloch des Finanzministers, sondern die Tatsache, daß die seit Jahren unveränderten Einkommensgrenzen mittlerweile so absurd niedrig sind, daß ein rasant steigender Teil der Familien leer ausgeht. Wenn Sie, Frau Ministerin, erst untätig zusehen, daß Ihr familienpolitisches Paradeinstrument zahnlos wird, und dann mit gespieltem Erstaunen Herrn Waigel eine Minderausgabe in den Schoß legen, dann ist das an Zynismus kaum noch zu überbieten.
({9})
Ich komme zur Seniorenpolitik und beginne mit einer Weisheit aus der Politik, die da lautet: Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis. Für die Seniorenpolitik kann man sagen: Oder man erteilt einen Forschungsauftrag.
({10})
Schaut man sich die Dimension und die Ausrichtung der Projekte an, mit denen Ihr Haus, Frau Ministerin, Seniorenforschung betreibt, muß die Ratlosigkeit groß sein. - Herr Kollege Kalb, hören Sie mal gut zu. Sie sind zwar noch ein bißchen jünger, aber auch Sie werden älter.
Völlig unstreitig ist die Notwendigkeit, den demographischen Wandel wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die fehlende Koordination jedoch, mit der zwei Altersforschungsinstitute institutionell und ein zusätzlicher globaler Forschungstitel aus dem Einzelplan 17 gefördert werden, erweist der Sache wahrhaftig einen Bärendienst.
({11})
Wenn man den Forschungsaufwand in Relation stellt zum Bundesaltenplan, erkennt man ein krasses Mißverhältnis zuungunsten der Förderung konkreter Maßnahmen.
Die einseitig funktionalistische Betrachtung älterer Menschen, nach der das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben einen automatischen Statusverlust nach sich zieht, muß endlich der Vergangenheit angehören.
({12})
Staatliche Fürsorge für Senioren beinhaltet mehr, als dafür zu sorgen, daß sie für die letzten Jahre einigermaßen geordnet über die Runden kommen.
Eine Gesellschaft, die auf die Beiträge und Erfahrungen alter Menschen verzichtet, tut sich keinen Gefallen. Das alte Bild des Älterwerdens bezieht sich vor allem auf Defizite, auf Verlust von Kraft und Kompetenzen. Eine genaue Sichtweise hingegen erkennt, daß auch Alter voll von Tatkraft und Kreativität sein kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Um diese Erkenntnisse entsprechend umzusetzen, bedarf es selektiver Instrumente innerhalb einer schlüssigen Gesamtkonzeption. Diese fehlen. Die mageren Mittel lustlos zu verteilen, Frau Ministerin, kann nicht Ihr letztes Wort sein.
({13})
Ich komme zur Frauenpolitik. Ich will mir das Zitat aus Zeitgründen ersparen, das Sie, Frau Ministerin, während der Gleichberechtigungskonferenz vorige Woche in Berlin gesagt haben. Wir alle kennen dieses Zitat. Leider sieht die Praxis immer anders aus.
Der jüngste CDU-Parteitag hat zum Entsetzen des Kanzlers offengelegt, daß die Gleichstellung von Frau und Mann in der CDU noch immer ein nachgeordneter Politikbereich ist. Die Parteitagsregie hätte diesen Eindruck gerne vermieden. So aber erscheint dieser Haushalt nur als Fortsetzung der alten Politik mit alten Mitteln. Das ist zwar nicht mehr fortschrittlich, aber wenigstens ehrlich.
Noch immer ist der Frauentitel im Einzelplan 17 mit 24 Millionen DM mehr als kläglich ausgestattet. Noch immer sammelt sich darunter eine Vielzahl von Projekten, deren Zusammenstellung sich weder mit einem bundespolitischen Erkenntnisinteresse noch mit einem inhaltlichen Konzept erklären läßt. Vielmehr hat unter den Trägern längst ein fruchtloser, schädlicher Wettbewerb Einzug gehalten; denn Neuankömmlinge müssen sich mit abstrusen Mitteln gegenseitig an Originalität überbieten, um überhaupt eine Chance zu haben, in die Förderung aufgenommen zu werden.
Ich sage Ihnen, Frau Ministerin: Hauen und Stechen können nicht die Mechanismen einer problembewußten Frauenpolitik sein.
({14})
Der Titel muß erhöht werden. Zudem muß ein Konzept her für die Förderung von Frauen in Bundeszuständigkeit. Das steht bei Ihren Hausaufgaben an erster Stelle.
Was noch immer fehlt, ist Ihre ideologiefreie Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen. Sie bleiben noch immer fest im Dickicht Ihrer Vorbehalte stecken. Wir haben auch dieses Jahr zum wiederholten Male gefordert, daß Sie einen SchwerSiegrun Klemmer
punkt „lesbenpolitische Maßnahmen" in den Frauentitel aufnehmen. Zumindest wäre dieses Zugeständnis an die Realität längst überfällig gewesen.
Frau Ministerin Nolte, es kann nicht genügen, wenn Sie nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Frauenförderung ein Lippenbekenntnis ablegen. Alles sei halb so schlimm, sagten Sie hier anläßlich der Bundestagsaussprache, auch biete das Urteil endlich Rechtsklarheit, und zudem werde sich die Bundesregierung dadurch nicht von ihrem Weg der Frauenförderung abbringen lassen. Na prima! Warum, so frage ich Sie, blockiert dann die Bundesregierung als einzige von 15 Regierungen der Europäischen Union das 4. Aktionsprogramm zur Frauenförderung?
({15})
Diese Frage haben Sie der Kollegin Schmidt in der Debatte nicht beantwortet. Vielleicht sagen Sie heute etwas dazu.
Zur Jugendpolitik. Heerscharen von Jugendforschern, darunter das Deutsche Jugendinstitut, stehen seit einigen Jahren einem Phänomen gegenüber, das nur mit dem Begriff der Entfremdung treffend zu benennen ist. Voll resignativer Skepsis wenden sich große Teile der jungen Generation ab oder blenden sich aus. Die alten Lebensentwürfe sind vom Tempo einer sich rasant verändernden Gesellschaft überrollt; neue Orientierungen und Perspektiven aber sind für viele nicht zu sehen.
So werden Teile der jungen Generation zur Szene. Sie sind zersplittert in Trends, teilweise in mystische Kulte; sie finden sich in den Erwachsenen völlig verschlossenen Cliquen zusammen. Das konnten Sie gerade gestern in einem erschütternden Bericht über zwei junge Selbstmörderinnen aus München im „Spiegel" lesen.
Die Chancenlosen unter ihnen greifen zum Brandsatz. Selbst die, die einfach nur normal sein wollen, kommen in verschärfter Konkurrenz um Bildung und Arbeit zunehmend aus der Bahn. Die neue deutsche Armut, so meldet die „Berliner Zeitung", ist vor allem jung. In Berlin sind mittlerweile 42 Prozent der Sozialhilfeempfänger jünger als 25 Jahre. Was machen Sie? Die Regierung kürzt im gleichen Augenblick die Arbeitslosenhilfe.
Welche Ängste und Reaktionen dies freisetzt, hat der Neunte Jugendbericht der Bundesregierung für Ostdeutschland eindrucksvoll belegt. Fast 700 Seiten hat die Sachverständigenkommission Ihnen ins Stammbuch graviert. Die Botschaft allerdings ist bei Ihnen offenbar noch nicht angekommen: Der Kinder- und Jugendplan ist zu einem Steinbruch geworden.
Verbände der Jugendhilfe und die Jugendverbände müssen seit Jahren eine nominale Stagnation hinnehmen. Diese ermöglicht es ihnen mit Müh und Not, auf dem Level zu bleiben, den sie vor fünf Jahren hatten; denn durch die Preissteigerungen wird ihnen all das, was dazugekommen ist, wieder weggenommen.
Der Deutsche Bundesjugendring und seine Mitgliedsorganisationen bieten den Rahmen für die Artikulation und Selbstorganisation junger Menschen nach demokratischen Prinzipien und müssen deshalb auch als politische Sozialisationsinstanz anerkannt werden. Auch das Ehrenamt als die Säule von Jugendarbeit muß von Ihnen endlich wieder gestärkt werden.
({16})
Wer dann, wie die Berichterstatter der Koalition, den Regierungsansatz für den Kinder- und Jugendplan noch einmal auf glatte 205 Millionen DM abrundet, entlarvt das ganze Ausmaß seiner Ignoranz. Junge Menschen sind keine Verfügungsmasse für Haushaltssanierung.
({17})
Zu unterschiedlichen Bereichen der Jugendpolitik haben die Sozialdemokraten Anträge gestellt: zu Jugendbildungsstätten, zu Betreuungstiteln für junge Aussiedler und Flüchtlinge. Sie haben alle unsere Anträge abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie müssen sich daher vorhalten lassen, die Zukunftschancen der jungen Generation auf dem Altar unseriöser Haushaltspolitik und inhaltlicher Trägheit zu opfern.
({18})
Zum Schluß möchte ich einige Anmerkungen zum Zivildienst machen. Die Äußerung der Wehrbeauftragten Frau Marienfeld, Zivildienstleistende als Egoisten abzuurteilen,
({19})
ist Gott sei Dank auch in ihren eigenen Reihen kopfschüttelnd als Fehlstart aufgenommen worden.
({20})
Diese Entgleisung hat nicht nur im Umfeld des Zivildienstes gewaltigen Flurschaden angerichtet; sie legt auch in seltener Deutlichkeit offen, welchen Stellenwert der Zivildienst in Ihren Reihen tatsächlich immer noch hat. Hinter Ihren freundlichen Kulissen, meine Damen und Herren Kollegen von der Koalition, wird die Kriegsdienstverweigerung nämlich immer noch als spleenige Idee der Verfassungsväter gehandelt.
({21})
Die häßlichen Attribute von den Drückebergern, denen, so Frau Marienfeld in einem Interview vom 5. August, bei ihrer Arbeit keine besonderen Leistungen abverlangt würden, sprechen eine deutliche Sprache.
({22})
Wer im Pflegedienst oder im Umweltschutz wertvolle
Arbeit leistet, muß sich für seine Motive weder von
Ihnen diffamieren lassen noch die ständige Litanei ertragen,
({23})
wie sehr viel staatsdienlicher und normaler doch der Wehrdienst ist.
({24})
So bleibt der Zivildienst wehr- und beschäftigungspolitischen Opportunitäten ausgeliefert. In Zeiten, in denen die Bundeswehr aus allen Nähten platzt, werden Verweigerer im Eilverfahren anerkannt und als mobile Eingreiftruppe gegen Pflegenotstand und soziale Unterversorgung eingesetzt. Das kennen wir. Kaum sieht die Hardthöhe die Sollstärke wanken, wird die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sozusagen zum hoheitlichen Gnadenakt.
({25})
Zunächst werden formale, schließlich werden inhaltliche Anerkennungskriterien verschärft. Die 118 000 jungen Männer, die 1996 Zivildienst leisten werden, treffen diese Entscheidung allerdings unabhängig von der Ausgestaltung des Zivildienstes. Für sie stehen Fragen der Attraktivität und der Sinnhaftigkeit des Dienstes bei der Bundeswehr im Vordergrund.
Der hier zu beratende Einzelplan 17 ist ein Dokument der Randstellung des Zivildienstes. Die Zivildienstschulen hinken mit ihren Kapazitäten dem Bedarf hinterher. Die Quote der Zivildienstleistenden, die überhaupt in den Genuß eines Einführungslehrganges kommen, ist so mittlerweile auf 36 Prozent zurückgefallen.
({26})
Diejenigen Verbände, die den fachlichen Teil der Einführung in eigener Regie übernehmen, mußten eine siebenjährige Stagnation bei den Zuschüssen hinnehmen.
({27})
Als diese Zuschüsse Mitte dieses Jahres endlich angehoben wurden, geschah dies nur im Gegenzug zu einer Verschlechterung der Abrechnungsmodalitäten.
Ein ganz eklatanter sozialpolitischer Skandal ist der Wegfall der Aufwandszuschüsse an die Träger von Dienststellen im Bereich der sogenannten individuellen Schwerstbehindertenbetreuung ab dem 1. Januar 1996.
({28})
Zahlreiche Verbände haben angekündigt - die haben sich auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der Koalition gemeldet -, diese Zivildienststellen abzubauen. Die Pflegeversicherung wird, wie es momentan aussieht, nur den Kernbereich der Pflegeleistungen abdecken, so daß mit der Rund-um-die-UhrBetreuung und den „weichen" pflegerischen Tätigkeiten die Grundlage für die ambulante Versorgung von Schwerstbehinderten im eigenen Hausstand wegfällt. Drohende Heimeinweisungen werden die Folge sein, und die ausdrückliche gegenteilige Absicht, die das bei Einführung der Pflegeversicherung verhindern sollte, wird ad absurdum geführt.
({29})
Ich komme zum Schluß. Dieser Haushalt, Frau Ministerin, verwüstet leider das „Haus der Generationen" . Es ist nicht in Ordnung. Zentrale Politikbereiche werden gerupft, andere dämmern unter den Nachwirkungen der letzten Sparhaushalte konturlos dahin, aber Bekenntnisse und Broschüren ersetzen keine politischen Schwerpunkte.
({30})
Leider sind Sie zu stark verstrickt in eine Gemengelage aus rückwärtsgewandter Ideologie und sich addierenden Effekten politischer Fehlentscheidungen, und - das ist im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen am schlimmsten - Sie, Frau Ministerin, fügen sich dem finanzpolitischen Crash-kurs Ihres Kollegen Waigel. Dabei bleiben die Chancen wesentlicher Teile unserer Gesellschaft auf der Strecke. Sie werden diese Folgen zu verantworten haben.
Wenn Sie, Frau Ministerin, unsere Vorschläge berücksichtigen, dann können Sie sich der Unterstützung der Sozialdemokraten im Haushaltsausschuß bei den Auseinandersetzungen mit dem Finanzminister sicher sein. So aber bedingen dieser Haushalt und Ihre kleinlaute Beschränkung auf symbolische Politik folgerichtig unsere Ablehnung des Einzelplans 17.
({31})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Peter Jacoby.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst einmal sagen, daß es mir in der Tat schwerfällt, nach einem sachlichen Berichterstattergespräch und nach einer einigermaßen sachlichen Diskussion im Ausschuß jetzt zu dieser Stunde im Plenum des Deutschen Bundestages unvermittelt auf Polemik umzuschalten, und das in der Form, wie wir es eben gehört haben. Ich muß sagen, das fällt mir einigermaßen schwer.
({0})
Ich möchte deshalb gleich zu Beginn folgendes sagen.
Erstens. Was hat das Stimmverhalten von Frau Minister Nolte in der Angelegenheit der Neuregelung des § 218 mit dem Haushalt des Jahres 1996 zu tun?
({1})
Ihre Bemerkung zu diesem Thema möchte ich zum Anlaß nehmen, zu sagen: Wer selbst in einer solchen Frage nicht den Respekt vor der persönlichen Gewissensentscheidung eines Abgeordnetenkollegen oder einer Ministerin oder eines Ministers zum Ausdruck bringt,
({2})
der geht mit Maßgaben und Vorgaben an die Haushaltsdiskussion heran, die nicht zu dem Ziel führen können, um das es uns geht, nämlich die unterschiedlichen Gruppen, die unter die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen,
({3})
die Jugendlichen, die Frauen, die Familien, die Senioren, zusammenzuführen und eben nicht auszugrenzen und auseinanderzudividieren. Das ist für meine Begriffe ein entscheidender Unterschied.
({4})
Eine zweite Vorbemerkung möchte ich auch noch machen. Sprache kann schon verräterisch sein.
({5})
Es gibt, Frau Kollegin, in der Tat Hilferufe junger Menschen. Aber von dieser Stelle aus davon zu sprechen, es gebe gewalttätige Hilferufe junger Menschen, das, finde ich, geht ebenfalls zu weit, und das geht über das Maß des Verständnisses hinaus, das wir von einer Stelle wie dem Rednerpult des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen sollten. Jawohl, wir kümmern uns um Randgruppen, und wir kümmern uns um Probleme. Wir kümmern uns darum, wenn Hilferufe zu uns gelangen. Aber Verständnis für Gewalttätigkeit haben wir in keiner Weise und in keinem Zusammenhang. Auch das, glaube ich, muß gesagt werden.
({6})
Eine dritte Vorbemerkung zu den Ausführungen von Frau Kollegin Klemmer. Sie haben in der Tat recht: Der Haushalt des Ministeriums in der Größenordnung von rund 12,5 Milliarden DM enthält zu etwa 93 Prozent gesetzliche Leistungen.
({7})
Lediglich 7 Prozent sind freiwillige Ausgaben. Nur, was soll es, sich hierherzustellen und diese beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen, wenn wir auf der anderen Seite immer wieder von Planungssicherheit und Verläßlichkeit reden und wenn wir darauf drängen, daß sozialpolitische Anliegen in Gesetze umgegossen werden, diese also unsere Antworten auf soziale Herausforderungen in unserem Land sind? Insofern ist es völliger Unsinn, darüber zu reflektieren, wieviel freiwillige und wieviel gesetzliche Leistungen es in diesem Haushalt gibt. Es gibt jedenfalls eine Steigerung auch in diesem Etat gegenüber dem Vorjahr. Das ist der entscheidende Punkt. Das hängt mit unserer Prioritätensetzung zusammen.
({8})
Würde dieser Einzelplan 17 unsere Regelungen zum Familienleistungsausgleich beinhalten, wie wir sie zum nächsten Jahr beschlossen haben - ({9})
- Er beinhaltet das deshalb nicht, weil wir die Familienleistungen von einer Sozialleistung hin zu einer Steuervergünstigung umgestellt haben. Das heißt, dieser Posten erscheint an anderer Stelle des Gesamtetats. Aber das soziale Anliegen, das dahintersteht, hat doch in unsere gesetzliche Regelung Eingang gefunden. Darüber kann doch nicht diskutiert werden.
Würde dies genauso geregelt wie in den zurückliegenden 20, 25 oder 30 Jahren, dann würde der Etat des Einzelplans 17 gegenüber dem Vorjahr um sage und schreibe 20 Prozent ansteigen - 20 Prozent wegen unserer Prioritätensetzung in der Familienpolitik!
({10})
Deshalb ist es doch unsinnig, die Mathematik so anzuwenden, wie das eben gemacht worden ist. Das wird nicht dem gerecht, was wir sozialpolitisch, familienpolitisch im Blick auf Familien mit Kindern auf den Weg gebracht haben. Es wird auch nicht der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit in unserem Land gerecht. - Das, glaube ich, muß zu dem gesagt werden, was eben Diskussionsthema gewesen ist.
({11})
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf folgendes hinweisen: Wir haben eine Prioritätenentscheidung, und wir haben nicht zuletzt durch Ihr Mitwirken im Vermittlungsausschuß - deshalb diskreditieren Sie sich jetzt doch selbst - dieser gemeinsamen Prioritätensetzung zum Durchbruch verholfen.
Das Kennzeichen, das Markenzeichen des Ministeriums und der Schwerpunktsetzungen hier sind die Erhöhung des Kindergeldes, die Anhebung des Freibetrages, das Heraufsetzen der Altersgrenze auf 18 Jahre, die Perspektive der weiteren Anhebung über 1997 hinaus
({12})
und schließlich die erklärte politische Absicht einer Dynamisierung der familienpolitischen Leistungen über 1998 hinaus.
({13})
Das sind die Fakten, meine Damen und Herren, zu diesen Fakten bekennen wir uns, und zu diesen Fakten stehen wir.
Das sind keine isolierten Maßnahmen - auch das muß zu Ihren Überlegungen zu den gesetzlichen Leistungen und den freiwilligen Leistungen gesagt werden -, sondern es bildet sich aus vielen Mosaiksteinen ein Bild gesellschaftspolitischen Engagements dieser Bundesregierung, und das über Jahre hinweg. Denn der Erziehungsurlaub, das Erziehungsgeld und die Anerkennung nicht nur der Erziehungsleistungen, sondern auch der Pflegeleistungen für die Rente sind ebenfalls gesetzlich verbrieft.
({14})
Sie finden auch ihren Ausdruck in den Ansätzen des Haushaltes. Deshalb sollten wir die Dinge nicht kleinreden, nicht herabwürdigen, sondern wir sollten sie so darstellen, wie sie sind.
({15})
Im übrigen möchte ich sagen, meine Damen und Herren - auch dieser Gedanke ist mir bei Ihrem Hinweis auf das Stimmverhalten von Frau Minister Nolte im Zusammenhang mit der Regelung des § 218 gekommen -: Sie haben im Berichterstattergespräch und im Ausschuß selber begrüßt, daß der Aufwuchs um 3 Millionen auf jetzt 10 Millionen für die Umsetzung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes von uns gemeinsam beantragt worden ist. Das ist letztendlich allerdings alleine durchgesetzt worden. Sie haben das selber begrüßt.
Ich finde, das ist Konsequenz, auch im Zusammenhang mit der Umsetzung dessen, was vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben worden ist. Diese Konsequenz drücken wir auch in den anderen Bereichen aus: in der Jugendpolitik, in der Seniorenpolitik und in anderer Hinsicht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau von Renesse?
Bitte schön.
Herr Kollege, wenn Sie im Zusammenhang mit der Kindergeldregelung im Jahressteuergesetz und im Zusammenhang mit der weiteren Dynamisierung beziehungsweise der vorgesehenen Anhebung in späteren Jahren von Leistungen sprechen, ist Ihnen dann eigentlich klar, daß diese Regelungen auf Grund von bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen im Rahmen der Gleichbehandlung von Leuten mit Kindern zu Leuten ohne Kinder Minimalleistungen sind, die vom Finanzminister auch noch so heruntergerechnet wurden, wie das normalerweise unterhaltspflichtige Väter tun?
({0})
Ich möchte darauf hinweisen, daß sich alle daran Beteiligten, einschließlich der SPD und der Bundesländer, zu der jetzt beschlossenen Regelung positiv bekannt haben. Deshalb hat es doch keinen Sinn, ein Vierteljahr später hinzugehen und dies herabzuwürdigen. Umgekehrt ist doch die Betrachtungsweise richtig: Stellen Sie doch bitte in Rechnung, welche finanzpolitischen Argumente gerade aus den sozialdemokratisch geführten Bundesländern gekommen sind,
({0})
die die finanzpolitischen Rahmenbedingungen zur Kenntnis zu nehmen hatten und haben, wie das auch auf unserer Seite der Fall ist.
({1})
Insofern sage ich noch einmal: Wir stehen zu dieser Schwerpunktsetzung.
Zum Abschluß möchte ich noch auf eines hinweisen, das in dieser Diskussion unehrlich ist. Sie diskutieren hier in einseitiger Schuldzuweisung gegenüber der Bundesregierung und erwecken den Eindruck, als ginge es lediglich darum, alles, was sozialpolitisch wünschenswert ist, hier zur Darstellung zu bringen.
Schauen Sie sich bitte die Haushaltsplanberatung im Lande Niedersachsen an: Niedersachsen läßt viele soziale Leistungen ersatzlos wegfallen. - Oder schauen Sie sich die Haushaltsplanberatungen in Hessen an: Finanzminister in Hessen kündigt Einschnitte an. Auch Leistungsgesetze sind nicht ausgespart. - In dem Land, aus dem ich komme, im Saarland, protestieren insbesondere die Jugendverbände gegen eine fünfprozentige Minderung im Etatansatz, die durch die Landesregierung zu verantworten ist.
Da ist es schon eine große Leistung, daß wir in finanzpolitisch schwieriger Zeit eines auf jeden Fall verhindert haben - und das war das Ansinnen der Verbände, wie es uns gegenüber vorgebracht worden ist -: Wir haben Abstand genommen von dem Gedanken, eine globale Minderausgabe zu beschließen und vorzunehmen, denn die hätte dann in der Tat Probleme mit sich gebracht, die bis in den institutionellen Teil gereicht hätten. Das haben wir nicht gemacht.
Das wird auch anerkannt von denen, auf deren Engagement gerade in der ehrenamtlichen Ausprägung wir auch in der Zukunft Wert legen wollen, weil wir uns immer und immer wieder vergegenwärtigen sollten: Wir bieten hier die Initialzündung. Diese Initialzündung wird durch viele Initiativen in der freien Verantwortung multipliziert. Dafür sagen wir Dank. Wir sichern zu, daß dies auch in der Zukunft in Deutschland gut geschehen kann.
Vielen Dank.
({2})
Ich erteile der Abgeordneten Rita Grießhaber das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte steht im Prinzip unter dem Motto: Kürzen, sparen, Löcher stopfen und kaschieren.
Nun ist dieser Haushalt für Familien, Senioren, Frauen und die Jugend wahrhaftig nicht üppig. - Den Rest vom Kabinett interessiert das offenbar auch nicht besonders. - Aber gleichzeitig ist es doch so, daß die betroffenen Gruppen unterstützender Hilfe immer notwendiger bedürfen. Denn dieses „Haus der Generationen", Frau Nolte, gerät doch zunehmend aus den Fugen. Warum? Das Fundament gerät ins Wanken, weil die bezahlte Erwerbsarbeit immer weniger wird. Das heißt, die daraus abgeleiteten sozialen Absicherungen geraten ins Wanken. Die Frauen wollen auch nicht mehr nahezu unbezahlt die gesamte Erziehungs- und Pflegearbeit alleine schultern. Sie können es auch nicht mehr, wenn nicht dieses soziale Netz, das Hilfsnetz, ausgebaut wird. Zum anderen müssen doch diese Arbeiten, die sie tun, Perspektiven eröffnen und dürfen nicht länger in Sackgassen und Einbahnstraßen enden. Wenn da nichts geändert wird, wird die soziale Bereitschaft für diese Arbeit immer mehr abnehmen.
Was tun angesichts der Schuldenberge? Ich denke, in diesen Zeiten knapper Kassen haben wir, Frau Ministerin, mit dem Frauenministerium einen kleinen Vorteil: Wir Frauen sind an Mangel gewöhnt und müssen alles andere als überzogene Ansprüche abspecken. Das kann man hier einmal feststellen. Aber daß Sie ausgerechnet bei den Mitteln für Maßnahmen zur Gleichberechtigung, die sowieso nur einen ganz verschwindend kleinen Teil Ihres Haushalts ausmachen, noch einmal über eine Million DM kürzen, grenzt an Provokation.
({0})
Knappe Mittel sind ein Problem, aber sie bedeuten doch nicht zwangsläufig politische Handlungsunfähigkeit. In diesen Zeiten kommt es darauf an, Prioritäten zu setzen, Phantasie zu investieren und die Mittel, wo sie vorhanden sind, nicht zu blockieren. Da sage ich nur noch einmal: viertes mittelfristiges Aktionsprogramm der Europäischen Union zur Verwirklichung der Chancengleichheit für Männer und Frauen - blockieren Sie es nicht länger, sondern stimmen Sie zu!
({1})
Nach wie vor gibt es natürlich Dinge, die einfach Geld kosten. Aber da muß man auch wieder fragen, wie man mit bescheidenen Mitteln spätere teure Reparaturen vermeiden kann. Wenn Sie nur an diese bedrückenden Aussagen bei der Anhörung zum Neunten Jugendbericht denken, meine Damen und Herren, Aussagen über die Situation in den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern, dann weiß man doch, wie notwendig Investitionen des Bundes gerade im Jugendbereich sind. Verabschieden Sie sich von dem Ziel, die Sonderprogramme Jugend Ost auf Null zu streichen!
({2})
Ich wurde in meiner Schulzeit sehr stark von den Möglichkeiten geprägt, die der deutsch-französische Jugendaustausch geboten hat. Ich denke, auf dieser Basis haben inzwischen Generationen die Idee des westlich geeinten Europas ganz real erfahren. Lassen Sie uns doch diese Idee verstärkt auch mit unseren osteuropäischen Nachbarn fördern! Sie haben ja Ihren Beitrag zum Deutsch-Polnischen Jugendwerk erhöht,
({3})
aber ein Blick auf das deutsch-tschechische Verhältnis zeigt doch, wir sollten in Zukunft auch an die anderen osteuropäischen Nachbarn denken, sie nicht außen vor lassen, und die beiden Präsidenten Havel und Herzog haben hier richtige Zeichen gesetzt und zu Jugendtreffen aufgerufen. Stellen Sie die Mittel dafür bereit!
({4})
Ein weiterer Bereich, in den Sie mehr Geld investieren, in dem aber auch, denke ich, mehr Phantasie gefragt ist, ist dieses traurige Kapitel vom Unterhaltsvorschuß.
Frau Nolte, Sie haben gesagt, wer Politik für Kinder aus der Sicht von Kindern definiert, darf sie nicht schlechterstellen, nur weil ihre Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Das sollte aber auch bei Unterhaltsregelungen gelten. Es paßt doch nicht mehr in unsere Zeit, wenn Kinder Alleinerziehender beim Unterhalt schlechtergestellt sind als eheliche Kinder nach einer Scheidung. Sie haben diesen Haushaltstitel um 70 Millionen DM erhöht, ich weiß, wegen der Anhebung der Altersgrenze und der steigenden Zahl der Fälle. Aber es gilt doch auch mal nachzuforschen, warum denn einerseits die Zahlungsmoral der Väter ständig abnimmt und andererseits Kinder in dieser Gesellschaft für immer mehr Menschen anscheinend unbezahlbar werden. Da muß man mal nachforschen, was die Ursachen sind und welche familienpolitischen Konsequenzen das hat.
Aber vielleicht müssen Sie ja auch Strukturen ändern; denn die Jugendämter, die das Geld von Bund und Land ausbezahlen, haben überhaupt keinen finanziellen Anreiz, dieses Geld auch wieder einzutreiben. Ob jetzt dabei so drastische Maßnahmen wie in den USA - Führerscheinentzug - hilfreich wären, ist eine andere Diskussion. Aber dieses strukturelle Problem angehen, ich denke, das müssen wir tun.
({5})
Dann gibt es, was die Strukturen angeht, sehr viele andere Dinge. Bauen Sie doch den sogenannten Erziehungsurlaub zu einem flexibel zu gestaltenden Zeitkonto für die Eltern aus!
Dann ist auch die Frauenquote ein strukturelles Instrument, wo Sie parteimäßig in die Gänge kommen
müssen, wo man aber auch sagen kann: Die Frauenquote ist ein wichtiger Mosaikstein, doch wenn andere notwendige Bedingungen nicht da sind, wie eine bedarfsgerechte verläßliche Kinderbetreuung, dann läuft sie auch ins Leere. Das muß man hier einmal ganz klar sagen.
In Ihrem eigenen Hause sollten Sie, denke ich, endlich auch einmal Ihr begrenzt wirkendes Gleichberechtigungsgesetz dadurch stärken, daß Sie endlich die entsprechenden Arbeitszeitregelungen in dem eigenen Ministerium einführen. Die fehlen nämlich auch.
Zum Schluß möchte ich noch einen Punkt nennen, bei dem es um ideologische Unterstützung geht, was überhaupt kein Geld kostet. Das ist, meine Damen und Herren, die Frage der Vergewaltigung in der Ehe. Menschenrechte sind unteilbar, auch in der Ehe, denn es wäre willkürlich, wenn der Staat die Eheschließung als Grund für eine Relativierung von Persönlichkeitsrechten ansähe.
({6})
Widerspruchs- und Versöhnungsklauseln schaffen bewußt eine unklare Rechtslage, die Tat wird vom Verbrechen zum Konflikt. Lehnen Sie diese Klauseln ab!
Frau Nolte, der soziale Kitt in Ihrem Generationenhaus bröckelt. In Ihren Kassen ist nicht viel Spielraum. Um so nötiger sind strukturelle Änderungen. Sie kosten vor allem Mut. Sie haben auf der fünften Gleichberechtigungskonferenz gesagt: Frauen- und Gleichberechtigungspolitik dürfen kein Luxus sein, den man sich nur in guten Zeiten leistet, sondern sie sind eine gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns jetzt und in Zukunft stellen müssen. Tun Sie es! Wir unterstützen Sie gerne. Aber dem Einzelplan stimmen wir nicht zu.
({7})
Vielen Dank.
({8})
Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Heinz Lanfermann.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Tatsache, daß jetzt ein Mann zu diesem Thema spricht, in den Reihen der SPD-Fraktion wieder einmal zu bestimmten Bemerkungen geführt hat, darf ich einmal daran erinnern, daß Sie dieses Feld der Politik offensichtlich für so wichtig halten, daß ich unter den gut zwanzig Mitgliedern Ihrer Fraktion, die anwesend sind, gerade vier oder fünf Männer sehen kann. Es könnten ja auch ein paar mehr sein.
({0})
Nachdem der Kollege Jacoby dankenswerterweise vieles von dem, was die Kollegin Klemmer an Falschem und zum Teil wirklich nicht Hinnehmbarem gesagt hat, schon behandelt hat, kann ich direkt auf den Haushalt und auf Zahlen zu sprechen kommen. Die Haushaltsberatungen für das Jahr 1996 sind nicht einfach, und Sparen ist dringend nötig. Alle Gruppen der Gesellschaft müssen ihre Ansprüche an den Staat zurückschrauben.
Vor diesem Hintergrund und dem Leitgedanken der Haushaltspolitik der F.D.P., bei strikter Ausgabendisziplin in entscheidenden Bereichen Prioritäten zu setzen, verdient der Einzelplan 17 Anerkennung. Trotz der Vorgabe, auch aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung die Ansätze des laufenden Jahres 1995 nicht zu überschreiten, werden die Finanzmittel für die Familien nicht gekürzt. Im Gegenteil: Es gibt viel mehr Geld, insbesondere weil die Eltern ab 1996 für das erste und das zweite Kind monatlich ein Kindergeld von 200 DM, für das dritte Kind 300 DM und ab dem vierten Kind 350 DM erhalten und weil dieser Ansatz - wie jetzt schon feststeht - zum 1. Januar 1997 für das erste und das zweite Kind auf 220 DM im Monat bei gleichzeitiger Erhöhung der Kinderfreibeträge erhöht wird.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich glaube nicht, daß es die Familien sonderlich interessiert, aus welchem Haushaltstitel das Geld kommt, das sie jetzt mehr bekommen. Es geht vielmehr darum, daß diese Leistung erbracht wird.
({1})
Das können Sie nicht mit „bürokratischen" Finessen versuchen geringzureden.
Diese Neuregelung des Leistungsausgleichs ist gleichzeitig der Einstieg in eine dynamische Familienförderung, denn wir werden in Zukunft über die Höhe von Kindergeld und Kinderfreibetrag politisch entscheiden. Wir haben ein neues Verwaltungsverfahren, das einen guten Einstieg bietet, zum einen in das Bürgergeldsystem, zum anderen in die Verwaltungsvereinfachung. Dadurch werden viele Verwaltungen entlastet, so daß wir dort hohe Beträge sparen, die wir den Kindern und Eltern zugute kommen lassen können. Das sei nur am Rande erwähnt.
Eine solche Leistungssteigerung von über 6 Milliarden DM geringzureden, das sollte eigentlich nicht einmal der Opposition gut anstehen. Sie wissen, daß das auch in der Öffentlichkeit so gesehen wird.
Wir können natürlich nicht über Familien- und Frauenpolitik sprechen, ohne über das Thema „Kindergartenplatz und Betreuungsangebote" zu reden, zumal es gerade in diesen Tagen wieder eine große Diskussion gibt. Ich darf noch einmal zur Erinnerung sagen: Im Juni 1992 hat der Bundestag einmütig den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz beHeinz Lanfermann
schlossen, und zwar für jedes Kind ab Vollendung des dritten Lebensjahres; das ist der dritte Geburtstag - dies für alle, die das mittlerweile offensichtlich vergessen haben; also nicht irgendein Tag nach dem dritten Geburtstag, sondern der dritte Geburtstag.
Auch die Länder haben bis auf eine Ausnahme diesem Gesetz zugestimmt, und sie haben nachher noch erheblich mehr Geld vom Bund bekommen, um diese Aufgabe zu schultern. Vielleicht wäre es in manchen Ländern ja einmal eine Idee gewesen, das Geld an die Gemeinden weiterzuleiten.
({2})
Dann stünden die nämlich jetzt nicht vor so großen Schwierigkeiten.
Es wird eingeredet, man plane etwas Gutes, nämlich eine Stichtagsregelung, die aber etwas Schlechtes ist. Das bedeutet ja nur, daß Hunderttausende von Kindern nicht - wie von allen Parteien versprochen - am dritten Geburtstag ihren Kindergartenplatz erhalten, sondern erst ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr später. Im Bundesrat haben Länder dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, den man unter verständigen Abgeordneten eigentlich nur als eine Unverschämtheit bezeichnen kann, weil darin nichts von den Fakten steht, sondern nur das Begehren an uns gerichtet wird, wir mögen ihnen doch unbefristet die Möglichkeit zu einer solchen Stichtagsregelung lassen. Ich sage Ihnen für die F.D.P.: Wir entlassen die Länder nicht aus ihrer Verantwortung, und der Anspruch auf einen Kindergartenplatz darf nicht ausgehöhlt werden.
({3})
Anfang dieser Woche hat eine Anhörung zu dieser Frage stattgefunden. Auf meine Nachfrage sah sich der Vertreter der federführenden Landesregierung Schleswig-Holstein nicht in der Lage, konkrete Zahlen zu nennen, wie viele Plätze fehlten und wie hoch die finanzielle Entlastung durch die Stichtagsregelung ausfallen solle, und zu sagen, wie und in welchen Zeiträumen die säumigen Länder die fehlenden Plätze bereitzustellen gedächten. Eine solche Darstellung, verbunden mit einem konkreten Plan und einer verbindlichen Zusage, wäre doch wohl das mindeste gewesen, was man von denen erwarten kann, die ihrerseits vom Deutschen Bundestag die Zustimmung dazu erwarten, ihre Versäumnisse nachträglich zu genehmigen.
Deswegen wird es keine Lösung geben, die den Ländern einfach - sozusagen als Blankoscheck - erlaubt, diese Dinge weiter vor sich hin zu schieben. Im übrigen konnten oder wollten die Vertreter der Gemeinden nicht garantieren, daß mit Auslaufen einer eventuellen Verlängerung die Kindergartenplatzgarantie vollständig erfüllt würde.
Frau Niehuis, ich wäre an Ihrer Stelle in dieser Diskussion sehr zurückhaltend.
({4})
- Weil Sie zwischen Baum und Borke sitzen, weil Sie
der Bevölkerung dauernd etwas versprochen haben,
weil Sie diesen Anspruch hier mit beschlossen haben
und stolz darauf waren und weil jetzt Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern kommen und Sie drängen, hier für eine Lösung durch einen Gesetzentwurf einzutreten, der - ich sage es noch einmal - eine Zumutung ist, da nicht einmal eine einzige Zahl darüber, was denn nun eigentlich passieren soll, in ihm enthalten ist, und hier praktisch Hilfestellung für den Bundesrat zu leisten.
({5})
Ich will noch einen Punkt dazu sagen. Frau Ministerin Nolte, ich habe es sehr begrüßt, daß Sie am 6. November im Süddeutschen Rundfunk, 1. Programm, ein Interview mit folgendem klaren Satz gegeben haben: Mit mir wird es eine Aushöhlung des Kindergartenplatzanspruches nicht geben. Das war eine ganz klare, eindeutige Aussage. Das fand ich hervorragend.
Das hatte sich leider nicht bis in Ihr Haus herumgesprochen; denn da ist eine ganz bedauerliche Panne passiert, daß nämlich in einem Faltblatt steht: Bundestag und Bundesrat wollen deshalb noch vor dem Jahresende 1995 eine Übergangsregelung für die Zeit bis Ende 1999 beschließen. Das kann nur eine ganz bedauerliche Panne sein. Denn erstens wäre es nicht so ganz das, was Sie gesagt haben, und zweitens muß da wohl ein Beamter nicht aufgepaßt haben; denn die Gesetze beschließt der Bundestag, und er und nicht die Bundesregierung beschließt auch, ob er Gesetze beschließen will. Ich bin sicher, daß Sie diese Panne ausräumen und daß wir dann ein Faltblatt bekommen, das den Realitäten entspricht.
({6})
Herr Lanfermann - Heinz Lanfermann ({0}): In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich habe überzogen; ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident.
({1})
Ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.
Nein, jetzt nicht mehr.
Gut. - Dann erteile ich der Abgeordneten Heidemarie Lüth das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jacoby, Herr Lanfermann, wenn die verfassungsrechtliche Freistellung des Existenzminimums für Kinder das Markenzeichen des
Ministeriums, um das es hier geht, ist, dann ist das wohl eine Markenware, die reduziert aus dem Winterschlußverkauf kommt.
({0})
Im Einzelplan 17 wird wohl das „Haus der Generationen" aus Haushaltssicht betrachtet; die Messen werden allerdings in anderen Ressorts gesungen, und dort werden auch die Noten geschrieben. Die Auftraggeber des Werkes und der Dirigent sitzen auf der Regierungsbank.
Alles, was in diesem Haushalt an Sozialabbau, Deregulierung, Diskriminierung von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, Kranken, Pflegebedürftigen und Behinderten in neuer Qualität fortgeschrieben wird, wirkt negativ auf die Lebensqualität zahlloser Familien, Frauen, Kinder, Jugendlicher und der Alten in der Gesellschaft.
Offensichtlich müßte eigentlich der normale Menschenverstand ausreichen, um die Wirkungen auf diesen Kreis unserer Gesellschaft zu erfassen.
Und dennoch wird in diesem Haushalt festgeschrieben: Der Bund wird den öffentlichen Verkehrsunternehmen das Fahrgeld für Schwerbehinderte künftig nicht mehr erstatten. Die originäre Arbeitslosenhilfe soll wegfallen; weitere Kürzungen im Bereich der Arbeitslosenhilfe sind vorgesehen. Die Auffüllbeträge für Seniorinnen und Senioren in den neuen Bundesländern sollen ab dem 1. Januar 1996 wegfallen.
Es ist eindeutig, wohin diese Reise gehen soll: hinein in eine Gesellschaft, die dem Ideal der Koalition nahekommt, koste es, was es wolle. Natürlich kostet es vor allem den Normalbürger etwas. Verluste sind eingeplant.
Länder und Kommunen geben diese Kürzungen in der Tat gleich weiter. Sie wirken sich in dem Bereich aus, für den der Haushalt für das „Haus der Generationen" Forschungsaufträge und Modellprojekte eingestellt hat. Diese sollen dann, zum Teil für viel Geld, erkunden, was diese vorgeschriebene und betriebene Politik angerichtet hat.
Frau Ministerin Nolte hat am 31. Oktober in Bonn auf dem Kongreß „Kinder in Deutschland - wie sie leben, was sie brauchen" wieder einmal die Ziele ihrer Politik verkündet und die Aufgaben verteilt. Es ist bemerkenswert, in welcher Reihenfolge die Aufgaben verteilt wurden: Zuerst kamen die Länder, die Kommunen, die Kirchen, und auch die großen gesellschaftlichen Gruppierungen wurden sehr wohl mit Aufgaben bedacht. Am Ende schließlich stand der Bund.
Haushaltspolitisch bedeutet das: Im Einzelplan 17 sind diejenigen Posten die fettesten, die die parteipolitischen Ziele der Koalition transportieren. Ich erinnere nur an Maßnahmen zur Durchführung der zentralen familienpolitischen Tagungen und die Institutionalisierung der Familienkonferenz, an die Herstellung und den Vertrieb von Erfolgsbroschüren für Frauen, Familien und die ältere Generation sowie an Projekte, die den konservativen Familienbegriff weiter zementieren. Selbst ein Versuch im Ausschuß, hier umzuverteilen, wurde abgelehnt, wie zum Beispiel der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, mehr Mittel für den Schutz der Frauen vor Gewalt einzustellen.
Dann schlug noch einmal der Dirigent des Haushaltes zu, und mit großer Ergebenheit wurde den Wünschen des Ministers stattgegeben. Es wurde noch einmal gespart, auch diesmal wieder nicht an Glanzbroschüren, sondern vor allem bei Hilfen für behinderte Menschen, bei Zuschüssen für überregionale Modelleinrichtungen für Behinderte, bei Zuschüssen und Leistungen für laufende Zwecke an Länder und Träger für Aufgaben der freien Jugendhilfe.
Der gesamte Einzelhaushalt 17 atmet die Arroganz des Umgangs mit den Vorschlägen und Protesten von Verbänden, Organisationen und Gewerkschaften durch diese Koalition. Dies hat zur Folge, daß Kommunen gezwungen werden, auf Grund dieser Haushaltslage den Vereinen Briefe zu schreiben, in denen sie verkünden müssen: Weil aus genannten Gründen die Mittel nicht mehr antragsgemäß zur Verfügung stehen, kann eine gesonderte Ausweisung der Kofinanzierung für Maßnahmen nach § 249h AFG nicht mehr erfolgen.
Das ist natürlich ein Schlag gegen Seniorenverbände und Selbsthilfegruppen. Aus einem Bericht des Vereins „Graue Löwen" aus Leipzig geht zum Beispiel hervor: Wenn die drei ABM-Kräfte, die dieser Verein hat, auf Grund der Haushaltslage nicht mehr beschäftigt werden können, werden die über 38 ehrenamtlichen Helfer die 468 Seniorinnen und Senioren nicht mehr betreuen können.
Es ist sicherlich eindeutig, daß die Abgeordnetengruppe der PDS diesem Haushalt nicht zustimmen wird.
Danke.
({1})
Zu einer Kurzintervention zu der Rede des Kollegen Lanfermann erteile ich dem Abgeordneten Matthias Berninger das Wort.
Herr Kollege Lanfermann, ich nehme Ihre Äußerungen zum Problem der fehlenden Kindergartenplätze in diesem Land zum Anlaß, noch einmal auf das leidige Problem der Stichtagsregelung einzugehen.
Zunächst - ich glaube, darin besteht in diesem Haus eine große Einigkeit -: Wir brauchen mehr Kindergartenplätze. Auch in den Ländern, in denen nicht genügend Kindergartenplätze vorhanden sind, müssen größere Anstrengungen unternommen werden.
Ich finde, Sie haben hier mit einem denkbar schlechten Beispiel versucht, eine populistische Position der F.D.P. zu etablieren.
({0})
Wenn man schon über Stichtagsregelungen redet, soll man vor der eigenen Haustür kehren. Sie sind zwar in Nordrhein-Westfalen rausgeflogen, aber in Rheinland-Pfalz haben Sie für ein paar Monate noch ein kleines Türchen. In Rheinland-Pfalz gibt es die Stichtagsregelung, gegen die Sie hier so populistisch argumentiert haben, schon seit längerem. Dort regiert die F.D.P. zumindest für ein paar Monate noch mit. Auch wenn Sie bald vor dieser Tür stehen, will ich Ihnen sagen, daß sich dieses Thema absolut nicht dazu eignet - ({1})
- Wenn wir in Hessen die Stichtagsregelung einführen, haben wir auch die Abdeckung, Frau Babel. Das ist überhaupt kein Problem, weil wir in Hessen 30 000 Plätze in nur vier Jahren geschaffen haben. Das hat keine Landesregierung zuvor getan.
Sie werden irgendwann in der Lage sein, einen so populistischen Kurs nach dem Motto „Vergessen wir die Situation in den Ländern und Kommunen" zu fahren, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie werden dort nicht mehr vertreten sein. Aber das werden Sie nur für eine begrenzte Zeit machen können, denn ohne Mandate in den Ländern und Kommunen werden Sie auch nicht mehr im Bundestag sein.
Lassen Sie uns bitte über andere Themen populistisch streiten, aber nicht über die Frage des Kindergartenplatzes, bei der der Bund auf die Länder zeigt, die Kommunen sagen, sie hätten überhaupt kein Geld mehr, und die Mütter und Väter einfach dastehen und für ihre Kinder keine Unterbringungsmöglichkeiten haben. Sie verfolgen in Rheinland-Pfalz genau die Politik, die ich ablehne, sich nämlich um die Kindergartenplätze zu drücken, und tragen in Hessen diese Politik mit. Deswegen sollten Sie sich außerhalb von Nordrhein-Westfalen umschauen; lange werden Sie das ja nicht mehr können.
Lassen Sie uns bitte das Thema Kindergartenplätze in einer anderen Art und Weise diskutieren, als Herr Lanfermann es hier probiert hat. Dann werden Sie im übrigen bei den nächsten Wahlen auch nicht punkten.
({2})
Herr Kollege Lanfermann, Sie haben das Wort.
Es ist schon richtigerweise gesagt worden: Hochmut kommt vor dem Fall. Ich glaube, wenn wir über Kindergartenplätze sprechen, dann brauchen wir nicht über die Situation von
Parteien zu sprechen. Ich habe nicht gehört, daß jemand von den Liberalen irgend etwas Gehässiges gesagt hätte, als Sie aus einigen ostdeutschen Landtagen hinausgeflogen sind.
({0})
Ich finde Ihre Art, wie Sie mit der Sache umgehen, äußerst hochmütig. Das will ich Ihnen bei der Gelegenheit durchaus sagen.
Was die Kindergartenplätze angeht, weiß ich nicht, was an meinen Aussagen populistisch sein soll. Ich habe gesagt, daß der ganze Bundestag, der ganze Bundesrat allen Eltern dieser Republik verspricht, daß ab 1. Januar 1996 jedes Kind einen Kindergartenplatz hat. Jetzt gibt es Bemühungen quer durch das ganze Haus, diesen Rechtsanspruch in Hunderttausenden von Fällen auszuhöhlen, und da machen Sie jetzt mit, nur weil Sie in Hessen mit in der Regierung sitzen, weil Sie in Niedersachsen in einer Landesregierung waren, die Sie auch wieder verlassen mußten, weil Sie sich dort nicht profilieren konnten, weil Herr Schröder mit Ihnen gemacht hat, was er wollte.
Aber eines haben sie mitgetragen in Niedersachsen, daß nämlich in den Jahren vor der letzten Landtagswahl dort auch nicht genug getan worden ist. Niedersachsen sieht in der Statistik auch schlecht aus.
({1})
Da gibt es eine grüne Mitverantwortung für Mängel, und deswegen benehmen Sie sich jetzt schon wie manche andere, die das nicht mehr wahrhaben wollen.
Der Gesetzgeber hat in Deutschland 1992 etwas beschlossen und den Menschen etwas versprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, daß bei der Neuregelung des § 218 die Kindergartenplatzgarantie ein Eckpfeiler ist, weil der Staat sich wegen des Schutzes des ungeborenen Lebens gar nicht aus der Bestrafung zurückziehen darf, wenn er nicht diese Angebote an Betreuung bietet. Da gibt es einen inneren Zusammenhang, Herr Kollege; lesen Sie einmal die Urteile, und rufen Sie sich die Bemerkungen ins Gedächtnis zurück, die auch vor dem Bundesverfassungsgericht gemacht wurden.
Wenn Sie denjenigen für populistisch halten, der an die Rechtslage erinnert, und wenn Sie denjenigen für populistisch halten, der den Anspruch der Menschen, den wir alle hier beschlossen haben, aufrechterhalten will, während Sie versuchen, daran mitzuarbeiten, ihn auszuhöhlen, dann haben Sie irgend etwas falsch verstanden, Herr Kollege.
({2})
Ich erteile der Abgeordneten Maria Eichhorn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verantworten und gestalten - das bleibt unser politisches Ziel, auch in den nächsten Jahren. Wir müssen die Veränderungen der Zeit, müssen die Erwartungen von Familien, von Jugendlichen, von Senioren und von Frauen immer wieder analysieren und darauf politisch reagieren.
Verharren bedeutet oft Rückschritt; Weiterentwicklung auf solider Grundlage bedeutet sichere Zukunftspolitik. Wir haben in diesem Jahr keine Zweifel daran aufkommen lassen, daß wir nach diesem Motto handeln. Die Fakten beweisen es - Herr Jacoby und auch Herr Lanfermann haben bereits darauf hingewiesen -: Der Familienleistungsausgleich wird sich 1996 für die Familien segensreich auswirken. Ich bestätige und betone nochmals: Dies sind große Leistungen, die den Familien spürbar zugute kommen und die deutlich machen, daß Familienpolitik bei uns einen wichtigen Stellenwert hat.
({0})
Der Einzelplan 17 stellt sicher, daß im nächsten Jahr an die erfolgreiche Arbeit dieses Jahres angeknüpft wird. Daß die Opposition einige Schwerpunkte anders setzen will, ist ihr gutes Recht. Die eingebrachten Änderungsanträge konnten uns aber nicht überzeugen. Wenn Mitglieder der SPD, Frau Kollegin Klemmer, im Ausschuß fordern, den Haushaltsansatz zur Unterrichtung älterer Menschen zu kürzen, also die Seniorenpolitik zu beschneiden,
({1})
ist das für mich kein Zeichen konsequenter Seniorenpolitik. Ältere Menschen umfassend über ihre Rechte, über neue Betätigungsfelder zu informieren ist Grundvoraussetzung für eine gute und zukunftsgerichtete Seniorenpolitik. Ich freue mich, daß zur Förderung von gesellschaftspolitischen Maßnahmen für die ältere Generation 1996 insgesamt rund 1,3 Millionen DM mehr veranschlagt worden sind.
({2})
Wer die Arbeit der Seniorenbüros kennt und deren große Akzeptanz bei den älteren Menschen erfahren hat, der weiß, daß diese Gelder zukunftssicher angelegt sind. Daß wir mit unserer Politik für die aktiven Senioren auf dem richtigen Weg sind, beweist mir eine Schlagzeile aus der „FAZ" der letzten Tage, die lautete: „Die Weltbank sucht den Rat der Senioren." Dies spricht für sich.
Auch die Mittel, die zur Altersforschung im Haushaltsplan eingesetzt worden sind, sind richtig und gut angelegt. Die Erkenntnisse, die wir heute aus den veränderten Lebensbedingungen und Verhaltensweisen, aber auch aus Krankheitsbildern von älteren Menschen ziehen, werden uns auf die Aufgaben der nächsten Jahrzehnte gut vorbereiten.
Die demographische Entwicklung stellt hohe Anforderungen an uns, die wir nicht hoch genug bewerten können. Wenn wir sie meistern wollen, müssen wir ohne Berührungsängste an diese Themen herangehen. Daher ist es besonders wichtig, daß die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" ihre Arbeit in dieser Legislaturperiode fortsetzt.
Ein weiteres ebenso wichtiges Feld ist der Ausbau der Maßnahmen für pflegebedürftige ältere Menschen. Mit der Pflegeversicherung haben wir den Grundstein gelegt. In den nächsten Monaten wird es unsere Aufgabe sein, mit dem Heimgesetz eine Grundlage für die Kurzzeitpflege zu schaffen. Diese Kurzzeitpflege ist besonders im Rahmen der ambulanten Pflege, der häuslichen Pflege, unverzichtbar und muß gestärkt werden.
Meine Damen und Herren, die Diskussion darüber, wie die Leistungen, die Familien erbringen, unterstützt und gestärkt werden können, muß weitergeführt werden. Eines ist uns dabei klar: Wir müssen die Leistungen von Familien bei der Rente auf Dauer noch stärker berücksichtigen. Ich weiß, daß dieser Berg nicht so leicht zu erklimmen sein wird. Die Familien erwarten von uns aber, daß wir in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren einen Weg weisen.
Ich verweise auch auf die Notwendigkeit der Anhebung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld. Wir werden dafür sorgen, daß diese Einkommensgrenzen in den nächsten Jahren erhöht werden.
({3})
Bei den anstehenden Neuregelungen des Mutterschutzgesetzes werden wir uns mit dem Kündigungsschutz für Hausangestellte beschäftigen.
({4})
Ich meine, daß es bei einer Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Arbeitnehmerinnen nicht bleiben darf.
({5})
Ich habe mich schon in der letzten Legislaturperiode dafür eingesetzt. Der Bundesrat hat einstimmig für eine Gleichbehandlung votiert. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme gesagt, daß sie das noch eindeutig und intensiv prüfen wird. Unsere Aufgabe im Ausschuß wird es sein, dies intensiv zu behandeln. Ich meine, wir sollten jetzt den berechtigten Forderungen vieler Fachverbände endlich nachgeben.
Mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1996 schaffen wir die finanziellen Rahmenbedingungen. Aber das ist nur eine Säule zielgerichteter Politik. Die andere muß darin bestehen, der Werteorientierung wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Das war eines der Themen, die wir gestern zusammen mit Jugendverbänden diskutiert haben. Dabei wurde sehr deutlich, daß die zunehmende Individualisierung von Jugendlichen die Arbeit in den Verbänden nicht leichter gemacht hat. Die Verbandsarbeit steht nach wie vor hoch im Kurs, aber die Erwartungen sind sehr angestiegen.
Jugendliche suchen nach Orientierung, sie wollen die Vermittlung von Werten. Ehrenamtlichkeit wird nach wie vor großgeschrieben. Aber nicht so sehr der
Ruf nach finanzieller Unterstützung, sondern viel mehr der nach gesellschaftlicher Anerkennung steht hier im Vordergrund. Das ist uns gestern sehr deutlich geworden.
Deswegen ist es wichtig, das Image des Ehrenamtes wieder anzuheben. Darum ist es auch richtig und notwendig, daß wir uns im Rahmen unseres Arbeitskreises „Ehrenamt", den unsere Fraktion eingesetzt hat, dieser Frage vertieft annehmen.
Orientierungshilfen müssen vielfältiger angesetzt werden. Es muß auch unsere Aufgabe in der Politik sein, daß Jugendliche lernen, Werte wie Akzeptanz und Verantwortungsbereitschaft mit ihren Lebensmaßstäben, die heute immer mehr individualisiert sind, zu verknüpfen.
Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr werden wir wichtige und interessante Aufgaben zu lösen haben. Wir knüpfen an die erfolgreiche Arbeit dieses Jahres an. Der Haushalt 1996 ist eine gute Basis zur Verwirklichung unserer Ziele.
({6})
Ich erteile nun der Bundesministerin Claudia Nolte das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten knapper Kassen können nicht alle Wünsche erfüllt werden. Ich bin entschieden dafür, daß wir sparen, weil ich es nicht gut finde, heute das Holz zu verbrennen, an dem sich unsere Kinder die Hände wärmen sollen.
({0})
Um so wichtiger ist es, Prioritäten zu setzen. Das ist uns mit diesem Haushalt gelungen. Wir machen unsere Zusagen wahr und entlasten die Familien ab 1996 mit zusätzlich 7 Milliarden DM.
({1})
Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang den Berichterstattern der beiden Ausschüsse und den Mitgliedern des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Haushaltsausschusses. Sie waren mit viel Engagement dabei, und die Beratungen waren bis kurz vor dieser Sitzung hier im Plenum sehr konstruktiv.
Ich bin sehr zufrieden, daß es neben den spürbaren Verbesserungen beim Familienlastenausgleich gelang, die Kontinuität für alle Bereiche zu sichern und dadurch eine Verstetigung der Arbeit zu ermöglichen. Frau Klemmer, hier von Erstarrung zu sprechen, finde ich mehr als unangebracht.
Was haben Sie damals in der sozialliberalen Koalition gemacht? Sie haben zum Beispiel das Kindergeld gekürzt, als es in der Kasse knapp wurde. Es dürfte sich auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben, daß die Hauptverantwortlichen für diese Bereiche die Länder sind. Was passiert denn phantasievolles in den SPD-regierten Ländern?
Ihre Rede hätten Sie im niedersächsischen Landtag nicht halten dürfen, weil Sie dort nicht von Kontinuität oder „Weiter so" reden können.
({2}) Dort wird gekürzt.
Es wurde der Neunte Jugendbericht angesprochen. Ich möchte ihn als ein Beispiel aufgreifen. Gerade dort wird bei all den Dingen, die noch zu machen sind, ausdrücklich anerkannt, was der Bund in den neuen Bundesländern in dieser kurzen Zeit geleistet hat. Das, was dort an Forderungen erhoben wird, wird auch klar an die Länder gerichtet, die jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Insofern finde ich es sinnvoll, daß wir die Zuordnung richtig gestalten.
Wir haben durchgesetzt, daß im Investitionsförderungsgesetz für die neuen Bundesländer auch Investitionen für den Jugendbereich gefördert werden können. Das sind 6 Milliarden DM pro Jahr für zehn Jahre. Jetzt liegt es an den Ländern, diese Mittel auch dort zu investieren. Unterstützen Sie da Ihre Mitstreiter in den Ländern!
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unverzichtbar für unser Land, daß junge Menschen Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, ihren Wunsch zu verwirklichen, in Familien, mit Kindern zu leben. Natürlich entscheiden in einer freiheitlichen Gesellschaft zuallererst die Menschen selber darüber, wie sie zusammenleben und ob sie es tun. Sie geben ihrem Familienleben selber einen Sinn. Aber wir sind als politisch Verantwortliche im Bund, in den Ländern und in den Kommunen selbstverständlich gefordert, Leistungen der Familien anzuerkennen und zu fördern. Hierzu hat die Bundesregierung mit der Neuregelung des Familienlastenausgleichs einen wichtigen Beitrag geleistet. Ich erinnere auch an die neue Wohnbauförderung, mit der ganz klare familienpolitische Prioritäten gesetzt wurden.
({4})
Es ist richtig, Frau Klemmer: Wir sind auch in Zukunft gefordert. Sie sprachen zu Recht die Nichterhöhung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld an. Es ist mein fester Wille, hier eine Erhöhung in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Das hat für mich Priorität. Ich hoffe da auf Ihre Unterstützung. Sie wissen, man kann nicht alles auf einmal und sofort durchsetzen.
Um so besser war es, daß wir 3 Millionen DM zusätzlich für die Sexualaufklärung zur Verfügung stellen können. Gerade im Hinblick auf unser gemeinsames Anliegen, Abtreibungen zu verhindern - ich hoffe zumindest, daß wir hier ein gemeinsames AnBundesministerin Claudia Nolte
liegen vertreten -, sind diese zusätzlichen Mittel ganz besonders wertvoll.
Für die Zukunft der Familien wie für die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt ist entscheidend, daß Familie und Erwerbsarbeit miteinander vereinbart werden können. Auch hier sind in erster Linie die Tarifpartner gefordert. Gerade dem Bereich flexible Arbeitszeiten kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung zu. Deshalb werden wir unsere Modellprojekte in diesem Bereich fortsetzen, zum Beispiel die Mobilzeitberatung, indem wir Betrieben Unterstützung anbieten, qualifizierte Teilzeitarbeit auch in Fach- und Führungspositionen einzusetzen.
Mit einem Projekt zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit von Frauen als Beitrag zur kommunalen Wirtschaftsentwicklung wollen wir die Voraussetzungen dafür verbessern, daß sich Frauen anspruchsvolle und erfolgversprechende Tätigkeitsfelder für eine Existenzgründung in ihrem Umfeld erschließen können. Ich habe am 9. Oktober dieses Jahres in Thüringen eine Arbeitsmarktkonferenz durchgeführt. Ich will in allen neuen Bundesländern gemeinsam mit den Wirtschaftsministern, den Tarifparteien, Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaftsförderung sowie der Arbeitsverwaltung alles dafür tun, daß wir gemeinsam Strategien und Wege erarbeiten, die den Frauen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Denn es kann nicht sein, daß wir uns mit einem geteilten Arbeitsmarkt abfinden, den Männern den ersten, den Frauen den zweiten.
({5})
Deshalb ist es natürlich notwendig, diejenigen, die die Hauptverantwortung für den ersten Arbeitsmarkt tragen, mit in die Pflicht zu nehmen und ihnen deutlich zu machen, daß sie sich für Chancengleichheit einsetzen müssen.
({6})
- Zum Beispiel diese Konferenzen, dieses Miteinander-Reden.
Daß die Gleichberechtigung von Frau und Mann noch nicht verwirklicht ist, hat auch die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking noch einmal aufgezeigt. Für Deutschland wird dies ganz klar deutlich, wenn wir uns anschauen, wie hoch der Frauenanteil in Führungspositionen ist, egal ob in Politik oder Wirtschaft, und wir die Benachteiligungen von Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt erleben. Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an den wirtschaftlichen Ressourcen und den politischen Entscheidungen zu verwirklichen steht für mich deshalb im Vordergrund. Ich habe in der Debatte zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes meine Haltung zum vierten Aktionsprogramm Chancengleichheit deutlich gemacht, und ich bleibe dabei. Ich will dieses Programm und werde mich dafür stark machen.
({7})
- Wir müssen uns in der Bundesregierung schon einig werden. Ich habe gesagt, ich trete dafür ein und kämpfe, Herr Diller. Ich weiß, daß Sie sich in der SPD-Fraktion immer einig sind, vor allen Dingen in der Partei. Darauf können wir bauen.
({8})
Ich setze mich mit meiner Politik im „Haus der Generationen" für eine Partnerschaft der Geschlechter, aber auch für ein Miteinander der Generationen ein. Denn Politik für und mit Senioren ist gerade angesichts der demographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft, des Zuwachses an älteren Menschen notwendig. Es ist erforderlich, ältere Menschen in unser Politikfeld einzubeziehen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Aufgabe ist es vor allen Dingen, daß sich alte Menschen am gesellschaftlichen Leben beteiligen können und daß sie sich mit ihrer Lebenserfahrung und Kompetenz in die Gesellschaft einbringen. Hier zu behaupten, wir täten nichts dafür, geht an der Realität wirklich völlig vorbei. Wir haben den Bundesaltenplan als das Förderinstrument zwar noch nicht allzulange. Er erweist sich aber als besonders effektiv. Ich will in der nächsten Zeit Schwerpunkte in dem Bereich „Wohnkonzepte der Zukunft" setzen.
Wir haben mit dem Modellprogramm Seniorenbüro ein hervorragendes Beispiel dafür geliefert, wie man Anlaufpunkte schaffen kann. Auf diese Weise wird älteren Menschen ermöglicht, mit Freunden zusammen zu sein und ihre Freizeit selber zu gestalten. Für mich ist dabei wichtig: Das können auch Treffpunkte sein, wo Begegnungen über Generationengrenzen hinweg stattfinden. Ich bin dafür eingetreten, daß wir über Mittel des Kinder- und Jugendplanes sowie des Bundesaltenplanes solche Aktivitäten in besonderer Weise fördern, die vor allem dem Dialog der Generationen dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Europa, das zusammenwächst, ist auch das Miteinander über Grenzen hinweg unverzichtbar. Von diesem Gedanken wird die internationale Jugendarbeit getragen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn im Osten ein Schwerpunkt. Denn für mich ist es wichtig, daß gerade im Bewußtsein der jungen Generation Europa nicht an Oder und Neiße endet, sondern daß wir ein Bewußtsein für das ganze Europa schaffen.
Ausdrücklich hat der deutsch-polnische Jugendrat kürzlich in Warschau das große Interesse junger Deutscher und Polen an gegenseitigen Begegnungen begrüßt. Zirka 60 000 Jugendliche aus beiden Ländern wurden 1995 aus Mitteln des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes unterstützt. Ich habe mich erfolgreich dafür stark gemacht, daß die RegierungsBundesministerin Claudia Nolte
beiträge der deutschen und der polnischen Seite erhöht werden.
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Auch bei den freiwilligen Jahren für junge Menschen im Inland habe ich Verbesserungen erreicht, da es notwendig ist, Bewährungsfelder für sie zu schaffen. Mit dem freiwilligen sozialen und ökologischen Jahr erhalten junge Menschen die Chance, sich unter Beweis zu stellen und sich gleichzeitig für andere Menschen zu engagieren.
Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Die Lösung schwieriger Probleme in vielen Bereichen hängt davon ab, ob wir es schaffen werden, Einzelinteressen zurückzustellen und zu überwinden und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Nur im Miteinander der Generationen und in der Partnerschaft zwischen Mann und Frau entsteht das menschliche Klima, das für die Zukunft unseres Landes so entscheidend ist.
Vielen Dank.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17. Wer dem Einzelplan 17 in der Ausschußfassung zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Einzelplan 17 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden ist.
Weitere Wortmeldungen liegen für die heutige Sitzung nicht vor.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. November 1995, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.