Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/18/1995

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche einen guten Morgen und eröffne die Sitzung. Wir kommen zunächst zu allgemeinen Dingen. Durch das Ausscheiden unserer früheren Kollegin Claire Marienfeld muß ein Schriftführer nachgewählt werden. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt hierfür den Abgeordneten Hubert Deittert vor. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Hubert Deittert zum neuen Schriftführer gewählt. ({0}) Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt: 1. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Entwicklung der Ausbildungsplatzsituation in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere in den neuen Ländern ({1}) 2. a) Ergänzungswahl von Mitgliedern des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes Wahlvorschlag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. - Drucksache 13/1392 - b) Nachwahl eines beratenden Mitglieds des Wahlprüfungsausschusses gemäß 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsausschusses Wahlvorschlag der Gruppe der PDS - Drucksache 13/ 1393 3. Ergänzungswahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß I 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ({2}) - Drucksache 13/1401 4. Ergänzungswahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 41 Abs. 5 des Außenwirtschaftsgesetzes zur Kontrolle der Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses - Drucksache 13/1404 5. Wahl des Leiters der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und als ordentliches Mitglied im Ständigen Ausschuß der Nordatlantischen Versammlung - Drucksache 13/1387, 13/1388 6. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({3}) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({4}) - Drucksache 13/1395 7. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({5}) - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. März 1981 zwishen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über Kindergeld - Drucksache 13/ 665 - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. September 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Kindergeld - Drucksachen 13/664, 13/1320, 13/1398, 13/1399 8. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland ({6}) - Drucksachen 13/730, 13/1358 - 9. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Krebsrisiko durch bodennahes Ozon 10. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Respektierung des Stromeinspeisungsgesetzes - Für erneuerbare Energien - Drucksache 13/1384 - Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden, wobei wir gleich noch über eine Fristabweichung zum Tagesordnungspunkt 4 sprechen werden. Die für heute ursprünglich vorgesehene Regierungserklärung zum Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung wird auf Wunsch der Bundesregierung abgesetzt und dafür die Regierungserklärung zu den Auswirkungen der währungspolitischen Entwicklungen in der Europäischen Union auf die Landwirtschaft vorgezogen. Darüber hinaus ist interfraktionell vereinbart worden, daß über die Änderung des Futtermittelgesetzes - Punkt 15 a) der Tagesordnung - bereits nach Tagesordnungspunkt 4 namentlich abgestimmt werden soll. Anschließend finden die Wahlen und danach die Beratungen ohne Aussprache sowie die Fragestunde statt. Sind Sie mit den Änderungen bzw. Ergänzungen einverstanden? - Das ist der Fall. Es ist so beschlossen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Die Gruppe der PDS hat beantragt, den Tagesordnungspunkt 4, Mietenüberleitungsgesetz, von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Als Begründung wird angeführt, die Frist nach § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung für die Verteilung der Beschlußempfehlung sei nicht eingehalten worden. Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Gysi.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Geschäftsordnung hat ja bekanntlich einen tieferen Sinn. Die Geschäftsordnung haben wir uns selbst gegeben. Die Regelung des § 81 der Geschäftsordnung soll ermöglichen, daß nicht nur die in den Fachausschüssen im einzelnen mit den Beratungsgegenständen befaßten Abgeordneten, sondern alle Abgeordneten der Fraktionen und Gruppen in der Lage sind, sich rechtzeitig über eine Debatte, eine Diskussion und auch über entsprechende Entscheidungen zu Tagesordnungspunkten abzustimmen. Bei dem Tagesordnungspunkt 4, dem Mietenüberleitungsgesetz, geht es um eine Regelung, an der logischerweise die Abgeordnetengruppe der PDS ein besonderes Interesse hat. Sie wissen, daß wir vorwiegend in den neuen Bundesländern gewählt worden sind, und schließlich geht es um Mieterhöhungen, die Millionen Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern betreffen. ({0}) - Sie können doch trotzdem eine Frist einhalten, oder nicht? ({1}) Die Vorlage, über die heute hier entschieden werden soll, erreichte uns gestern abend um 20 Uhr. Die Abgeordnetengruppe der PDS war nicht mehr in der Lage, nach 20 Uhr zu tagen, um sich mit dieser Beschlußempfehlung auseinanderzusetzen. Wir wollen gerne gründlich darüber beraten, wie wir abstimmen, ob und gegebenenfalls welche Änderungsanträge wir stellen. Allerdings kennt unsere Geschäftsordnung auch eine Ausnahme, die besagt, daß mit Zweidrittelmehrheit in diesem Bundestag eine Fristverkürzung oder die Aufhebung der Frist beschlossen werden kann. Das setzt allerdings einen Antrag gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung voraus. Dort heißt es, daß ein solcher Antrag der Bundestagspräsidentin am Vortag bis 18 Uhr vorgelegt werden muß. Nach unserer Kenntnis lag ein solcher Antrag nicht vor. Nun sagen die Parlamentarischen Geschäftsführer und die Fraktionen, der Antrag sei dadurch gestellt worden, daß er im Beisein der Präsidentin in der Ältestenratssitzung am 11. Mai angekündigt wurde. Frau Präsidentin, ich widerspreche hier förmlich einer Abstimmung über die Abkürzung der Frist, weil § 20 Abs. 2 Satz 3 unserer eigenen Geschäftsordnung - da müssen wir schon genau sein - fordert, daß Ihnen ein solcher Antrag „vorgelegt" wird. Einen mündlichen Antrag kann man vielleicht vorbringen oder stellen, aber nicht vorlegen. Aus diesem Wort ergibt sich, daß der Antrag schriftlich gestellt werden muß und daß es sich in der Sitzung am 11. Mai lediglich um die Ankündigung eines solchen Antrags gehandelt haben kann, der dann aber nicht gestellt wurde. Mithin ist eine Abstimmung gar nicht zulässig. Ich weise darauf hin, daß es beim Petitionsausschuß 50 000 Petitionen zu diesem Mietenüberleitungsrecht gibt. Damit hat sich bisher weder der Bauausschuß noch der Rechtsausschuß beschäftigt. Wollen Sie den 50 000, die petitioniert haben, sagen, daß deren Meinung Sie überhaupt nicht interessiert, bevor Sie hier abschließend beraten und entscheiden? Ich weise darauf hin, daß gestern im Landtag von Brandenburg eine Volksinitiative beschlossen worden ist und daß ein entsprechendes Verfahren in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet, aber noch nicht entschieden ist. Auch dieses Verfahren sollten wir abwarten, bevor wir hier eine Beratung durchführen und zu einer Entscheidung kommen. Zumindest gibt es nicht die geringste Rechtfertigung, alles, was in unserer Geschäftsordnung geregelt ist, über Bord zu werfen - aus einem einzigen Grund: so schnell wie möglich die Mieten in den neuen Bundesländern zu erhöhen, wobei auch noch die Geschäftsordnung verletzt wird. ({2}) Sollten Sie sich über all das hinwegsetzen und glauben, von einem Antrag ausgehen und die Abstimmung durchführen zu können, und sollte sich eine Zweidrittelmehrheit entscheiden, dieses Gesetz ohne ausreichende Beratungszeit für die Fraktionen durchzubringen, nur um die Mieten so schnell wie möglich zu erhöhen, dann stelle ich einen Hilfsantrag. Nur für diesen Fall beantragen wir die Aussetzung der Plenarsitzung für zwei Stunden, damit sich unsere Gruppe mit der Beschlußempfehlung beschäftigen, das Abstimmungsverhalten besprechen und darüber hinaus prüfen kann, ob und welche Änderungsanträge sie gegebenenfalls stellt. ({3})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Bevor ich Herrn van Essen das Wort gebe, möchte ich darauf aufmerksam machen: Politische Zwischenrufe gehören zu einer lebhaften parlamentarischen Debatte. Wir müssen aber darauf achten, was wir dazwischenrufen. Das Wort „Brandstifter" - ich weiß nicht, wer es gerufen hat - gehört hier nicht hin. Darauf sollten wir uns verständigen. ({0}) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Dann möchte ich Herrn Gysi sagen - Sie haben dem allerdings gerade widersprochen -, daß die vorliegende Tagesordnung in der Sitzung des Ältestenrates am 11. Mai 1995 mit Beteiligung der PDS vereinbart worden ist. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, daß die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau erst am Mittwoch, dem 17. Mai 1995, vorliegen würde. Dazu erfolgte kein Widerspruch. Herr Gysi, Sie haben den Widerspruch hier eben formuliert. Ich nehme an, daß Herr van Essen jetzt dazu Stellung nehmen wird.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen des Bundestages haben mich gebeten, zu dem Begehren der PDS kurz Stellung zu nehmen. Niemand in diesem Hause nimmt den Wunsch einer Fraktion oder Gruppe, die eine Verschiebung wünscht, weil noch Beratungsbedarf besteht, auf die leichte Schulter. Aber in diesem Fall können wir dem Begehren wirklich nicht zustimmen; denn wir haben Mittwoch voriger Woche in der sogenannten interfraktionellen Runde ausführlich über die Problematik gesprochen, auch darüber, daß die Beratungen erst am gestrigen Mittwoch abgeschlossen sein würden. Wir haben auch darüber gesprochen, daß das natürlich bedeutet, daß Fristen nicht eingehalten werden. Der Geschäftsführer der PDS war dabei; er hat nicht widersprochen. Wir haben einvernehmlich festgestellt, daß die Einrede der Fristverkürzung nicht erhoben wird. Wir haben am letzten Donnerstag im Ältestenrat ebenfalls über dieses Thema gesprochen. Auch da ist die Tagesordnung für diese Woche einvernehmlich, mit Zustimmung der PDS, verabschiedet worden. Von daher besteht überhaupt kein Grund, diesem Begehren nachzugeben. Auch aus einem anderen Grund ist dies so: Der Kompromiß, über den heute beraten wird, ist ja seit Montag bekannt. Daher hatten Sie z. B. in Ihrer Gruppensitzung am letzten Dienstag Gelegenheit, über die Dinge zu sprechen, die heute beraten werden. Nein, so kann man im parlamentarischen Leben nicht miteinander umgehen. Wir müssen kurz und eindeutig feststellen: Wer sich auf die PDS verläßt, der ist offensichtlich verlassen. ({0}) Wir sind deshalb der Auffassung, daß wir die Tagesordnung so, wie beschlossen, heute abwickeln sollten. Das ist unser Antrag, Frau Präsidentin. Wir werden entsprechend abstimmen. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Gysi, noch einmal zum Antrag.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß der Parlamentarische Geschäftsführer der F.D.P. nichts zu der Frage gesagt hat, daß nach unserer Geschäftsordnung ein solcher Verkürzungsantrag Ihnen, Frau Präsidentin, bis zum Vorabend 18.00 Uhr vorliegen muß, und das verlangt Schriftform, was nicht gegeben ist. Ich möchte auch auf folgendes hinweisen. Sie haben hier einen Beschluß über den Status der Gruppe gefaßt. Dazu gehört, daß unsere Zustimmung zu einem Einvernehmen im Ältestenrat überhaupt nicht erforderlich ist, weil unser Parlamentarischer Geschäftsführer kein Stimmrecht hat. Uns dieses Recht erst zu nehmen und sich dann darauf zu berufen, das halte ich für ein ziemlich starkes Stück. Sie können doch in den Fraktionen alles ohne uns vereinbaren, und das tun Sie ja auch permanent! ({0}) Im übrigen nehmen wir den Bauausschuß und den Rechtsausschuß ernst. Beide haben hier am Mittwoch getagt. Wenn Sie davon ausgehen, daß jede Kungelei schon am Montag feststeht und die Ausschüsse gar nichts mehr zu sagen haben, ist das Ihr Problem. Wir mußten uns darauf einstellen, daß beide Ausschüsse am Mittwoch durchaus noch Veränderungen beschließen können. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Ich halte noch einmal fest: Nach ständiger Parlamentspraxis ersetzt eine Vereinbarung im Ältestenrat den in § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung genannten Antrag. Ich lasse dennoch über den Absetzungsantrag und über die Fristabweichung abstimmen. Wir stimmen zunächst über den Absetzungsantrag der Gruppe der PDS ab. Wer stimmt dafür, den Tagesordnungspunkt 4, Mietenüberleitungsgesetz, von der Tagesordnung abzusetzen? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Absetzungsantrag der PDS mit den Stimmen der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ohne Enthaltungen abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über die Fristabweichung. Wer stimmt dafür, heute die Vorlagen zum Mietenüberleitungsgesetz unter Abweichung von der Frist für den Beginn der Beratung zu behandeln? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist über diesen Antrag gegen die Stimmen der PDS positiv entschieden. Der Abgeordnete Gysi hatte einen Hilfsantrag gestellt. Die Vertagung bedarf nach § 26 unserer Geschäftsordnung entweder des Antrags einer Fraktion oder des Antrags von 5 % der Abgeordneten. ({0}) Ich lasse - mit Ihrem Einverständnis - trotzdem über den Hilfsantrag abstimmen. Wer stimmt für den Hilfsantrag auf Aussetzung, den Kollege Gysi gePräsidentin Dr. Rita Süssmuth stellt hat? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist auch dieser Hilfsantrag der PDS mit den Stimmen aller Fraktionen bei einer Enthaltung abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Auswirkungen der aktuellen währungspolitischen Entwicklungen in der Europäischen Union auf die Landwirtschaft Dazu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Fraktion der SPD vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung anderthalb Stunden vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jochen Borchert.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unser gemeinsames Ziel, das Vertrauen der Bürger in die weitere europäische Entwicklung zu festigen und zu gewinnen. Ohne dieses Vertrauen in die Verläßlichkeit getroffener Entscheidungen kann es keine Fortschritte im europäischen Einigungsprozeß geben. Vertrauen und Verläßlichkeit sind ebenfalls die Voraussetzungen für weitere Fortschritte in Richtung der Europäischen Währungsunion. Unsere Bauern leiden zur Zeit unter den Währungsturbulenzen in Europa. Es kann doch nicht vernünftig sein, daß die Bauern morgens die Devisenkurse studieren müssen, um abzuschätzen, ob sie für ihre Arbeit noch vernünftige Preise bekommen. Heute ist es so, daß die Schwäche einiger europäischer Währungen die deutsche Landwirtschaft besonders hart trifft und zu erheblichen Einbrüchen im Agrarexport geführt hat. Gleichzeitig steigen die Einfuhren nach Deutschland, weil Schwachwährungsländer zu Billigpreisen anbieten können. Die Folgen sind Markt- und Preisdruck, Einnahmeeinbußen und damit Einkommensverluste für die Landwirtschaft. Der Berufsstand schätzt die Einnahmeverluste auf Grund der Marktverschiebungen allein in den letzten vier Monaten auf rund eine Milliarde DM. Es ist unerträglich, daß die Landwirte in Deutschland mit Preissenkungen kämpfen müssen, während ihre Berufskollegen in anderen Ländern, in Großbritannien, Spanien und Italien, durch die Schwäche ihrer Währungen erhebliche Preis- und Einkommensvorteile verbuchen können. Ich weiß, meine Damen und Herren von der SPD, das agrarmonetäre System ist schwer zu durchschauen; es ist schwierig. Wenn Sie deshalb - zumindest entnehme ich das Ihrem Entschließungsantrag -immer noch nicht verstanden haben, daß das alte Switch-over-System überhaupt keinen Schutz vor abwertungsbedingten Preisvorteilen der Schwachwährungsländer geboten hat, dann ist das von Ihrer Seite sicher keine Böswilligkeit, sondern einfach nur die Folge mangelnder Kenntnisse über die Auswirkungen von Auf- und Abwertungen. Deshalb nehmen Sie mir bitte eines ab: Das seit Dezember 1994 geltende System ist sogar noch günstiger als das alte Switch-over-System. Ich bin gern bereit, in einem Währungsseminar Nachhilfe zu geben. Aber eines ist auch klar: Eine dauerhafte Beseitigung dieser Verzerrungen wird nur durch eine gemeinsame europäische Währung zu erreichen sein. ({0}) Deshalb fordert die deutsche Landwirtschaft alle Anstrengungen zur Verwirklichung der Währungsunion. Die Bauern wollen möglichst schnell eine europäische Währungsunion. In der derzeitigen Situation, wo auf der Marktseite der Druck größer wird, sind die Ausgleichszahlungen der Agrarreform ein wesentliches Element der Einkommensstabilisierung. Bei aller Kritik, die die Bauern bisher an der Agrarreform hatten: Die festen und kalkulierbaren Prämienzahlungen aus Brüssel, zusammen mit stabileren Erzeugerpreisen, bildeten die Brücke, die zu der wachsenden Akzeptanz der neuen europäischen Agrarpolitik geführt hat. Sie alle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben sicher schon die besorgten Fragen erlebt, die in jeder Bauernversammlung hochkommen: Wie sicher, wie dauerhaft sind diese Prämien? Können wir diese Zahlungen bei unserer Zukunftsplanung einkalkulieren? Diese Fragen wurden auch an die Kommission gerichtet. Kommissar Fischler antwortete darauf am 16. April in einer Zeitung - ich zitiere -: Das heißt ganz eindeutig, daß sie - gemeint sind die Ausgleichszahlungen stabil bleiben werden. Wir behalten die bisherige Politik bei und damit die Höhe der Ausgleichszahlungen. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht die Bundesregierung hat dies den Bauern eingeredet, wie Sie in Ihrem Entschließungsantrag behaupten; nein, es war die Kommission, die von der Aufwertungsfestigkeit der Prämien ausging. ({1}) Herr Fischler wollte noch im April die bisherige Politik und damit auch die Höhe der Ausgleichszahlungen beibehalten. Dann kam dieser agrarmonetäre Vorschlag. Für die deutschen Bauern ist das, vorsichtig ausgedrückt, ein ungeheuerlicher Vorschlag. ({2}) Die Kommission will eine Senkung der Ausgleichszahlungen der Agrarreform in Höhe des Aufwertungssatzes und einen befristeten Ausgleich für ein aufwertungsbedingtes Sinken der Interventionspreise. Dieser Kommissionsvorschlag ist für die Bundesregierung in keiner Weise akzeptabel, weil er eiBundesminister Jochen Borchert nen Bruch mit den Beschlüssen des Agrarrates vom Mai 1992 und Dezember 1994 darstellt und weil er die Landwirte in Deutschland und in den anderen Aufwertungsländern einseitig und unsolidarisch belastet. Zwar schlägt die Kommission gleichzeitig einen Einkommensausgleich vor. Aber er gleicht die Aufwertungsverluste bei weitem nicht aus, und er soll nach drei Jahren, spätestens nach fünf Jahren, auslaufen. Das hat nichts mehr mit Aufwertungsfestigkeit zu tun. Ich meine, auch für die Kommission muß gelten: Verträge sind einzuhalten. ({3}) Erst im Dezember 1994 haben wir das neue agrarmonetäre System beschlossen. Heute, wo dies erstmals zur Anwendung kommen könnte, sagt die Kommission lapidar: Den Paragraphen, der den Bauern in den Hartwährungsländern feste Prämien garantiert, wenden wir nicht an. So festigt man nicht das Vertrauen in Europa; so zerstört man die Ideale von Adenauer, Schuman und Monnet. ({4}) Im Kern geht es für Millionen von Bürgern um die Verläßlichkeit der Brüsseler Ratsentscheidungen und um das Vertrauen in die europäische Politik. Es kann nicht angehen, daß wir in harter und stabiler D-Mark in Brüssel einzahlen und durch eine Aufwertung unser Anteil an der Finanzierung des europäischen Haushalts laufend wächst, während die zurückfließenden ECU-Förderbeträge aus Brüssel für unsere Bauern in D-Mark immer weniger wert sind. Wem will man ein solches System noch erklären? Jeder weiß, daß die Kommission sehr viel Macht auf sich konzentriert. Wer so viel Macht besitzt, muß besonders verantwortungsvoll und sensibel damit umgehen. ({5}) Dies - aber nicht nur dies - vermisse ich bei dem Kommissionsvorschlag. Ich bin daher sicher, daß dieser Vorschlag einen Anstoß für eine grundsätzliche Diskussion über das Verhältnis von Kommission und Rat anläßlich der Regierungskonferenz 1996 geben wird. Meine Damen und Herren, als Hauptbegründung für ihren Vorschlag führt die Kommission Haushaltsengpässe an. Ich halte dies für nicht überzeugend. Denn die Haushaltssituation war im Dezember 1994, als die agrarmonetären Beschlüsse gefaßt wurden, schon bekannt. Die Kommission selbst hat die Finanzierbarkeit der Dezember-Beschlüsse bestätigt. Es sind zwischenzeitlich keine neuen haushaltswirksamen Fakten aufgetaucht. Aber selbst wenn man unterstellt, es stimmt, was die Kommission sagt, nämlich daß die geltende Regelung zu einer Ausuferung der Kosten führen würde, warum greift die Kommission dann nicht auf Alternativen zurück, die Kommissar Fischler im April-Rat selbst dargestellt hat und die nicht einseitig Landwirte in bestimmten Mitgliedsstaaten diskriminiert hätten? Warum schlägt die Kommission z. B. nicht vor, die Ausgleichszahlungen der Aufwertungsländer in nationaler Währung festzuschreiben? Dann wäre die Aufwertungsfestigkeit gewahrt, und die Abwerter hätten keinen ungerechtfertigten Anstieg der Ausgleichszahlungen in ihren Ländern. Ich kann nicht verstehen, warum die Kommission ausgerechnet das Modell gewählt hat, das die Landwirte am stärksten belastet, die bisher schon unter den Währungseinflüssen zu leiden hatten. ({6}) - Das gilt für Deutschland wie für Österreich und für Landwirte aus einer Reihe anderer Lander. Die Kommission beruft sich im Zusammenhang mit dem Haushaltsargument noch darauf, daß sich der Rat selbst die Möglichkeit vorbehalten habe, die bestehenden Regelungen zu ändern, wenn es die Haushaltslage erfordert. Auch der SPD-Antrag versucht verzweifelt, der Bundesregierung auf diesem Weg etwas am Zeug zu flicken. Nur, meine Damen und Herren von der SPD: Hier sind Sie schlecht informiert. Schließlich war dies ein Kernpunkt der Diskussion des Rates im Dezember 1994. Dort hatte der Rat einen anderslautenden Kommissionsvorschlag ausdrücklich zurückgewiesen. Rat und Kommission haben sich auf folgenden Text geeinigt - ich zitiere -: Die nationalen Beträge der Ausgleichszahlungen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik bleiben von Aufwertungen unberührt. Meine Damen und Herren, nach dem Kommissionsvorschlag soll nur ein Teilbetrag des Aufwertungsausgleichs zu 100 % von der Gemeinschaft finanziert werden. Das ist kein Ersatz für eine dauerhafte, währungsfeste Absicherung der Brüsseler Ausgleichsbeträge in D-Mark; denn nach drei Jahren soll die Beihilfe für die Senkung der Ausgleichszahlungen auslaufen. Zwar gibt es die Option auf eine Verlängerung um zwei Jahre, ob es aber dazu kommen wird, ist doch mehr als zweifelhaft, zumal Brüssel schon heute von einer Überkompensation spricht. Ich weiß gar nicht, wo die jetzt ins Feld geführte Überkompensation herkommen soll. Die Kommission meint, die Preise seien höher, als es bei der Festlegung der Ausgleichszahlungen geplant war. Ich halte dieses Argument für völlig unverständlich: Erstens war es das Hauptziel der Agrarreform, über Marktentlastung, über ein Gleichgewicht am Markt, wieder bessere Preise zu erzielen. Zweitens sind die Erzeugerpreise nach einem kurzen, sicher erfreulichen Intermezzo wieder deutlich gefallen, und das in erster Linie durch Interventionen der Kommission. Das bezeichnet die Kommission als befriedigend. Ich kann das nicht als befriedigend bezeichnen, sondern hier wird massiv in die Richtung, in die Zielsetzung der Agrarreform eingegriffen. ({7}) Es gibt aber noch mehr Fragezeichen hinter dem Kommissionsvorschlag. Die neuen Regelungen sollen nur bis zum 31. Dezember 1995 gelten. Ich frage mich: Was soll das? Was würde passieren, wenn wir am 3. Januar eine Aufwertung hätten? Würden dann wieder die alten Rechtsvorschriften gelten, wie es eigentlich der Fall sein müßte? Das scheint mir jedoch höchst zweifelhaft, wenn sie bereits jetzt, vor der ersten Bewährungsprobe, ausgesetzt werden sollen. Werden die Vorschläge, die jetzt gemacht werden, dann als Basis für weitere Benachteiligungen der Bauern in den Aufwertungsländern wieder aus der Tasche gezogen? Oder steht etwa die Absicht dahinter, die Aufwertungsfestigkeit gänzlich aufzuheben? Mein Mißtrauen ist groß, sehr groß. Alles in allem: viele Fragezeichen und viele Ungereimtheiten, die mich zu dem Schluß führen, dieser Vorschlag ist unausgewogen und unannehmbar. Er muß vom Tisch. ({8}) Für die Bundesregierung steht fest: Das, was wir mit der EG-Agrarreform und den agrarmonetären Neuregelungen beschlossen haben, nämlich die Mengenrückführung gegen feste, unbefristete und verläßliche Ausgleichszahlungen, muß weiterhin Bestand haben. Wer an diesen Eckpfeilern der Agrarreform rüttelt, verläßt die Geschäftsgrundlage der Agrarreform. ({9}) Deshalb werden wir nicht zulassen, daß das Vertrauen unserer Bäuerinnen und Bauern so mißachtet wird; wir werden nicht zulassen, daß alle, die auf die europäische Politik vertraut haben, enttäuscht werden. Wir werden nicht zulassen, daß diejenigen, die Europa ohnehin skeptisch gegenüberstehen, jetzt Oberwasser kriegen. Deshalb lehnen wir auch den SPD-Ansatz ab, uns mit einer völligen Neukonzeption der vielfältigen flächenbezogenen Beihilfen auf eine gefährliche Diskussion einzulassen. Angesichts der intensiven Produktion bei uns gäbe es bei diesem Vorschlag in Europa einen Hauptverlierer einer solchen Politik: die deutschen Bauern. Dies werden wir verhindern! ({10}) Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß Sie, daß der Deutsche Bundestag ebenso wie bereits der Bundesrat die Bundesregierung in ihrer Forderung unterstützen, daß an der Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichszahlungen der Reform und der Strukturbeträge nicht gerüttelt wird und daß aufwertungsbedingte Einkommensverluste als Folge von Preissenkungen aus dem europäischen Haushalt ausgeglichen werden. ({11}) Ich hoffe, daß der Deutsche Bundestag unseren Bäuerinnen und Bauern und der Bundesregierung in dieser essentiellen Frage den Rücken stärkt. Wir wollen mit aller Kraft den Prozeß der europäischen Einigung weiter vorantreiben. Das geht aber nur auf der Basis von Vertrauen und Verläßlichkeit. Vielen Dank. ({12})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Gerald Thalheim.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, wenn man Ihre Presseerklärungen ernst nimmt - das tun zur Zeit nicht allzu viele in Deutschland -, dann befinden wir uns gegenwärtig mitten im „Währungskrieg". Herr Bundesminister, Zweifel sind angebracht, ob das 50 Jahre nach Kriegsende die geeignete Vokabel ist. Zweifel sind aber auch angebracht, ob das nicht vielmehr eine Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission ist, die auf dem Rücken der Bauern ausgetragen wird. ({0}) Wie dieser sogenannte Krieg ausgehen kann, war vergangenen Montag in der „Süddeutschen Zeitung" zu lesen. Da stand als Überschrift: „Ernährungsminister Borchert steuert in Brüssel auf eine sichere Niederlage zu!" Herr Bundesminister, was ist in Deutschland geschehen, daß Sie von Krieg reden? Die Währungsturbulenzen der letzten Monate haben nicht nur zu Wechselkursänderungen gegenüber dem Dollar, sondern auch zu Wechselkursänderungen gegenüber Währungen im europäischen Binnenmarkt, wie der italienischen Lira, geführt. Die Folgen dieser Entwicklung - wie Sie das hier auch dargestellt haben - sind für die deutsche Landwirtschaft dramatisch. Sie wirken sich auf drei Ebenen aus. ({1}) Erstens. In erster Linie sind dadurch die Agrarexporte in die Abwertungsländer der Europäischen Union belastet. Diese haben sich deutlich verteuert und sind damit nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Agrarexporte aus Süddeutschland z. B. nach Italien, insbesondere bei Milch und Rindfleisch, sind davon in besonderer Weise betroffen. Umgekehrt strömen Agrarprodukte aus Abwertungsländern deutlich billiger auf den deutschen Markt. Marktanteile gehen verloren; die Einkommen der landwirtschaftlichen Familien sinken. Zweitens. Wechselkursänderungen schlagen nicht nur unmittelbar auf die Preise am Markt durch, sie beeinflussen auch die Marktordnungspreise, die von Brüssel festgelegt werden. Diese Marktordnungspreise, die im Rahmen der Interventionspreise festgelegt werden, entstehen vor allen Dingen bei Getreide, Milch und Zucker. Die Wechselkursänderungen in diesem Bereich führen zu zusätzlichen Einnahmeverlusten. Es droht sogar eine weitere Preisspirale nach unten. Drittens kommt hinzu, daß entgegen den gebetsmühlenhaft vorgetragenen Aussagen jetzt auch die Aufwertungsfestigkeit der in ECU festgelegten Ausgleichszahlungen der EU-Agrarreform zur Disposition gestellt werden soll. Wenn dies geschieht, steht bei Änderungen der Währungsparität in den Aufwertungsländern ein geringerer Betrag in nationaler Währung für die Flächen- und Tierprämien zur Verfügung. Die Situation in den Aufwertungsländern wird noch dadurch verschärft, daß in den Abwertungsländern erhebliche Einkommensverbesserungen entstehen, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Wir Sozialdemokraten und - darauf lege ich Wert - auch ich persönlich haben mehrfach auf das Risiko von Aufwertungsnachteilen für die deutschen Bauern hingewiesen. ({2}) Die Landwirte sind für die ungelösten Probleme in der Währungspolitik und auf den Devisenmärkten nicht verantwortlich. Sie dürfen keinesfalls die Leidtragenden sein. ({3}) Wir verlangen, daß die Ausgleichszahlungen den deutschen Landwirten in gleicher Höhe in deutscher Mark ausgezahlt werden wie in der Vergangenheit. ({4}) Das gilt insbesondere für die Flächen- und Tierprämien der EU-Agrarreform. Wir haben das sowohl im Deutschen Bundestag als auch am Montag in Brüssel gegenüber Kommissar Fischler deutlich gemacht. Soweit zur Bewertung der Situation. Was aber ist zu tun? Was hat die Bundesregierung entgegen den vielen Ankündigungen in den letzten Jahren wirklich getan, um dieses Ziel zu erreichen? Im agrarmonetären Bereich hat es seit Kiechle nur Flickwerk gegeben. ({5}) Kaum war ein Loch gestopft, brach ein neues auf. Kiechle selber hat immer gesagt, Herr Köhler, in dem Bereich könne man wählen zwischen Pest und Cholera. Meine Frage an Sie, Herr Minister: Was werden Sie wählen, die Pest oder die Cholera, ({6}) wenn es Ende Mai zur Entscheidung in Brüssel kommt? Mit der Bandbreitenerweiterung oder - besser gesagt - der Suspendierung des Europäischen Währungssystems im Jahr 1993 ist der Switch-over weggefallen. - Sie haben das vorhin angesprochen. Ich komme darauf zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zurück. - Offensichtlich haben die Aufwertungsländer - insbesondere Deutschland und die Niederlande - in der entscheidenden Nacht am 2. August 1993 die Dimension der Folgen nicht erkannt, um auf eine praktikable Nachfolgeregelung zu drängen. Das ist zumindest mein Eindruck, und entsprechende Nachfragen - auch von mir - an Bundesminister Waigel im EU-Ausschuß haben diesen Eindruck eher bestätigt als widerlegt. Zunächst hielten sich die Wechselkursänderungen in den Monaten nach dem August 1993 in Grenzen, so daß der Eindruck entstehen konnte, daß dieses Thema nicht mehr von Gewicht sein würde. Wurde die agrarpolitische Brisanz der Währungsfragen verkannt, Herr Bundesminister? War es Ihre Gutgläubigkeit? War es das Prinzip Hoffnung als Politikersatz in diesem Bereich? Oder, Herr Bundesminister, war es - das betrifft das, was Sie uns vorgeworfen haben - etwa mangelnde Kenntnis? Nicht ohne Grund, Herr Bundesminister, wird seit Jahren die Geschichte erzählt, in Ihrem Ministerium gebe es zwei Leute, die sich in Währungsfragen auskennen. Der eine versteht sie, kann sie aber nicht erklären. Der andere kann sie zwar erklären, aber versteht sie nicht. ({7}) - Herr Hornung, bei Ihren Zwischenrufen frage ich mich immer, zu welcher Kategorie Sie in dieser Frage gehören. ({8}) Wenn Sie heute so tun, als wäre der Vorschlag der EU-Kommission wie ein Unglück über die Bundesregierung oder die deutsche Landwirtschaft hereingebrochen, dann, Herr Bundesminister, ignorieren Sie Ihre eigenen Beschlüsse - ganz konkret die vom Dezember des vergangenen Jahres. Wenn man zu Ihrem Bild der Währungskriegserklärung zurückkommt, dann muß man eher annehmen, Sie stehen nicht nur mit Brüssel auf Kriegsfuß, sondern auch mit der Wahrheit - oder besser: mit den Tatsachen. ({9}) - Herr Hornung, wir kommen jetzt zu den Details. Darüber können wir dann ganz genau diskutieren. Mit den jetzigen Vorschlägen droht sich das Chaos der Vergangenheit fortzusetzen. Zur Lösung der Probleme sind weder der von der Kommission beschlossene Verordnungsentwurf vom 10. Mai 1995 noch die unter Ihrer Präsidentschaft im Dezember 1994 beschlossenen Regelungen geeignet. Der nicht akzeptable Kommissionsbeschluß - hier sind wir sicher einer Meinung - sieht zwar vor, daß für drei Jahre die Aufwertungsverluste bei den Tier- und Flächenprämien zu 100 % aus der EU-Kasse ausgeglichen werden. Für weitere zwei Jahre ist eine Verlängerung auf der Grundlage eines Verwaltungsratsbeschlusses möglich. Unsere Erfahrungen mit Verwaltungsratsbeschlüssen lehren uns aber, daß die Kommission hier eine starke Stellung hat und diese Aussage damit auf tönernen Füßen steht. ({10}) Dies alles, Herr Köhler, steht bereits im Widerspruch zu der versprochenen Dauerhaftigkeit und Verläßlichkeit. Zudem trägt der Kommissionsbeschluß das „Verfallsdatum" 31. Dezember 1995. Er hat also eine recht kurze Halbwertszeit. Um bei diesem Bild zu bleiben: Für uns ist der Kommissionsvorschlag der Einstieg in den Ausstieg aus der Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichszahlungen. ({11}) Der Kommissionsbeschluß enthält noch weitere Belastungen für die Einkommen: Erstens. Eine Währungsveränderung von 1 Prozentpunkt wird bei den Marktordnungspreisen nicht ausgeglichen. Zweitens. Die Beihilfen werden innerhalb von drei Jahren degressiv abgebaut. Drittens. Die zugrunde gelegten Berechnungen für den Ausgleich der Einkommensverluste entsprechen nicht der Realität. Fazit: Der Beschluß der Kommission ist ungeeignet und nicht akzeptabel. ({12}) Er stellt zentrale Bestandteile der EU-Agrarreform von 1992 in Frage. Versprochen war, daß die Preissenkungen durch die Reform dauerhaft und verläßlich ausgeglichen werden sollen. Soweit, Herr Bundesminister, der Vorschlag der Europäischen Kommission. Wenden wir uns jetzt dem Verordnungsbeschluß zu, der in Ihrer Präsidentschaft verabschiedet wurde. Sie haben hier deutlich gemacht, was Sie eigentlich wollten. Das mag ja alles richtig sein. Nur, Herr Bundesminister, sind Sie in Europa nicht in der Opposition: Sie regieren in Europa! ({13}) Dann ist aber nicht entscheidend, was Sie möglicherweise gewollt haben. Entscheidend ist, was im Verordnungstext tatsächlich steht. Es reicht auch nicht, aus dem Kommuniqué zu zitieren, das Sie nach Abschluß der Verhandlungen vorgelegt haben. Ich werde Ihnen aus der Verordnung zitieren. Dann sieht das völlig anders aus. Genauso ungeeignet zur Lösung der Probleme ist der von Ihnen im Dezember gemachte Vorschlag. Nach Art. 7 dieser Verordnung soll zum Ausgleich währungsbedingter Veränderungen der Tier- und Flächenprämien der Agrarreform das sogenannte Mini-Switch-over eingeführt werden. Das bedeutet, daß die Prämien im stärksten Aufwertungsland - in der Regel ist dies Deutschland - in nationaler Währung gleichbleiben, während sie in allen anderen Ländern entsprechend angehoben werden. - Soweit die Verordnung. Welche Konsequenzen hat das? Dadurch werden die wettbewerbsverzerrenden Einkommensverbesserungen in den Schwachwährungsländern - die von Ihnen hier mit Recht so kritisiert werden - noch weiter ausgedehnt. Diese Vorteile werden heute auch nicht mehr wie in der Vergangenheit durch hohe Inflationsraten in diesen Ländern aufgezehrt. Im Gegenteil: In vielen dieser Länder liegt mittlerweile die Inflationsrate unter der deutschen, das heißt, diese Verbesserungen werden unmittelbar einkommenswirksam. Ein solcher Beschluß, nämlich die Anwendung von Art. 7, würde die Steuerzahler der Gemeinschaft zudem rund 1 Milliarde ECU zusätzlich kosten, wovon allein Deutschland 29 % beizutragen hätte. ({14}) - Herr Hornung, ich habe auch aus dem Munde des Ministers kaum gangbare Alternativen gehört. Und auf die möglichen Alternativen werde ich noch zu sprechen kommen. - Angesichts der Tatsache, daß die Agrarleitlinie von 1996 jetzt schon um 890 Millionen ECU überzogen ist, war daher auch diese Regelung von Anfang an unrealistisch. Jetzt, Herr Minister, zu der Nachfolgeregelung des alten ,,Switch-over". Sie wollten glauben machen, wir wüßten an diesem Punkt nicht Bescheid und Sie könnten unseren Entschließungsantrag so interpretieren. In Art. 8, der die Nachfolgeregelung des alten Switch-over beinhaltet, steht nichts anderes, als daß die Ausgleichszahlungen in Höhe von 50 % bzw. 25 % in den Ziel-1-Gebieten national mitfinanziert werden. Weiter steht in Art. 8 eine deutliche Degression. Sie müssen hier schon einmal erklären, wieso diese Regelung besser ist als der alte Switch-over. Dieser alte Switch-over wirkte automatisch, allerdings mit der Konsequenz, daß für das Aufwertungsland 25 % in jedem Jahr abgezogen - ({15}) - Herr Heinrich, wo kommen wir hin, wenn wir nicht einmal die zur Zeit geltenden Verordnungen zur Grundlage der Diskussion machen würden! ({16}) Bei den Beratungen der erwähnten Verordnung, Herr Bundesminister, wurde auch der Art. 9, der den Finanzierungsvorbehalt enthielt, erwähnt. Sie haben im Ausschuß und hier mehrfach darauf hingewiesen, daß Sie im Rahmen der Verhandlungen den Eindruck gewinnen mußten, daß Art. 9 nicht auf Art. 7 Anwendung findet. Nach den großzügigen Informationsmöglichkeiten, die Sie uns angeboten haben, ist zumindest bei mir angekommen, daß das zwar zuDr. Gerald Thalheim treffen mag. Das Entscheidende ist aber, daß in dem Kommissionsbeschluß eindeutig dieser Finanzierungsvorbehalt steht, auf den sich die Kommission jetzt beruft. Es mag ja sein, daß diejenigen, die später dazugekommen sind, z. B. Kommissar Fischler - und jeder, der heute die Verordnung liest, weiß nicht unbedingt, was in der Vergangenheit beraten wurde -, den Eindruck gewinnen, daß das der entscheidende Artikel ist. Aber nach wie vor bin ich der Meinung, daß im Zweifel das entscheidend sein wird, was im Verordnungstext steht. Fazit aus der Gegenüberstellung ist, daß sowohl der jüngste Beschluß der Kommission als auch Ihr Weg untauglich sind, die Probleme zu lösen. Ich gebe Ihnen recht - das war Ihr heute vorgetragener Alternativvorschlag -, daß es die eleganteste Lösung wäre, die Flächen- und Tierprämien in nationaler Währung festzuschreiben. ({17}) - Herr Hornung, ich habe hier und im Ausschuß eindrucksvolle Argumente gehört, denen nur beizupflichten ist. Allerdings bleibt da eine Frage: Wenn das so einleuchtend ist, warum hat man das dann nicht von Anfang an beschlossen? ({18}) - Das ist leicht zu sagen: Bei der EU-Agrarreform war Minister Kiechle der Entscheidende, der dieses Projekt mit vorangetragen hat. Und hier kann man ganz konkret fragen: Warum hat Minister Kiechle - wohlwissend um die Probleme in seiner langen Amtszeit, die es mit den Währungsfragen gab - nicht darauf hingewirkt, daß die Ausgleichszahlungen in nationaler Währung festgelegt werden? Herr Bundesminister, wenn Sie sich das heute als Ziel und Ausweg vornehmen, dann können wir Sie nur unterstützen und Ihnen bei dem Eintreten für dieses Ziel viel Erfolg wünschen. Es wird allerdings Ihr Geheimnis bleiben, wie Sie die Partner in der Gemeinschaft überzeugen wollen, dem zuzustimmen, da das nicht einmal im vergangenen Dezember unter deutscher Präsidentschaft gelungen ist. Es stellt sich damit die Frage: Zu welchem Preis werden Sie dieses Ziel erreichen? Meinen jüngsten Informationen zufolge soll Ende Mai ein Paket geschnürt werden, in dem eine Neufestsetzung der Preise enthalten ist und gleichzeitig die Tiertransporte behandelt werden sollen. Es besteht die Gefahr, daß Sie Ihr Ziel zu einem hohen Preis erreichen, daß Sie nämlich Ihre Vorstellungen in den beiden anderen Bereichen nicht durchsetzen können. An dieser Stelle sind weitere Befürchtungen anzumerken: Sie wissen, daß es nach wie vor Probleme im Ölsaatenbereich bzw. bei den Basisflächenfestsetzungen in den neuen Ländern gibt. Es wäre ein Pyrrhussieg, wenn Zugeständnisse gerade auf diesen Gebieten zu Lasten der deutschen Landwirtschaft der Preis wären, um die Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichszahlungen zu erreichen. ({19}) - Herr Heinrich, darüber wird noch zu diskutieren sein. Wenn man die Entwicklung zusammenfassen und sich die Probleme verdeutlichen will, kann man das sehr einfach und mit wenigen Bemerkungen tun: Eine Entscheidung, die hier vernünftig wäre, ist nicht durchzusetzen. Was aber durchzusetzen ist, ist nicht vernünftig. Was vernünftig und durchsetzbar ist, ist wiederum nicht bezahlbar. - Es besteht die Gefahr, daß hier ein Kompromiß zustande kommt, der wenig vernünftig und kaum bezahlbar ist. Auf nichts anderes als auf diese Gefahr wollten wir an der Stelle aufmerksam machen. Noch eines ist hinzuzufügen: Die Ursachen der gegenwärtigen Schwierigkeiten liegen in der mangelnden wirtschafts- und finanzpolitischen Konvergenz in der Europäischen Union. Derzeit bewegen wir uns von dem Ziel einer Währungsunion eher weg als darauf zu. Wenn der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ein Vorwurf zu machen ist, dann ist es der, daß kaum noch politischer Wille erkennbar ist, auf dieses Ziel zuzugehen. Eine grundsätzliche Lösung der agrarmonetären Probleme ist nur im Rahmen einer Währungsunion möglich. Ein gemeinsamer Agrarmarkt und vor allem ein funktionsfähiger Binnenmarkt sind auf Dauer ohne gemeinsame Währung nicht denkbar. ({20})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Kollege Rudolf Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine erste Anmerkung lautet: Wir haben wahrhaftig keine Veranlassung, uns für die Stabilität der D-Mark zu entschuldigen, ({0}) weder für die in den vergangenen zehn Jahren konkurrenzlos niedrige Inflationsrate - heute liegt sie bei 2,3 % - noch für die Aufwertung der D-Mark gegenüber den Währungen der anderen EU-Länder in den vergangenen vier Monaten von über 5 %. Die Stabilität einer Währung ist der Ausweis ihrer Leistungsfähigkeit und gleichzeitig ein Indikator für solide Finanzpolitik. ({1}) Unsere Währung hat in den vergangenen Monaten selbst den stärksten Spekulationen und Turbulenzen standgehalten. Sie hat obendrein die Stabilität der mit der D-Mark gekoppelten europäischen Währungen verteidigt. Deswegen sage ich zuallererst: Wir haben allen Grund, mit der Währungspolitik der Bundesbank und der Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung zufrieden zu sein. ({2}) Meine zweite Anmerkung lautet: Der Vorwurf der SPD, die Bundesregierung habe die Lage verkannt bzw., so der Entschließungsantrag, den Bauern hinsichtlich der Ausgleichszahlungen etwas Falsches eingeredet, liegt haarscharf neben der Sache - er ist falsch abwegig und unbegründet. Ihre Kritik, Herr Kollege Thalheim, war in der Substanz wirklich ausgesprochen dünn. Lassen Sie mich aus meiner Erfahrung aus Oppositions- und Regierungstagen in diesem Hause eines sagen: Für die Glaubwürdigkeit einer Opposition ist es manchmal sehr viel wichtiger, sich, wenn man sich in der Sache schon einig ist, dann auch einmal ohne Wenn und Aber hinter die gemeinsame deutsche Position zu stellen, als daran oberflächlich herumzumäkeln. ({3}) Der Minister hat es bereits gesagt: Erst im Dezember letzten Jahres wurde das agrarmonetäre System in Europa auf eine neue Basis gestellt. In Kenntnis der GATT-Beschlüsse und in Kenntnis der haushaltspolitischen Eckdaten wurden ausdrücklich die Entscheidungen aus der Agrarreform 1992 bestätigt, für aufwertungsfest erklärt und von der EG-Kommission, dem Ministerrat, dem Europäischen Parlament und auch vom Deutschen Bundestag getragen. Insbesondere hat das Europäische Parlament mit seinen Beschlüssen immer wieder bekräftigt, daß die Bauern vor Währungsschwankungen geschützt werden sollen und die mit der EG-Agrarreform festgelegten Prämienzahlungen sicher und verläßlich sind. Worauf soll man sich denn verlassen, wenn nicht auf solche klaren Beschlüsse? Das muß auch in der Zukunft gelten. ({4}) Das heißt: Nicht die Finanzpolitik oder die Agrarpolitik der Bundesregierung machen diese heutige Debatte erforderlich, erst recht nicht die deutsche Landwirtschaft, die in den vergangenen fünf Jahren einen dramatischen Strukturanpassungsprozeß bewältigen mußte. Anlaß für die heutige Debatte ist, daß der Vorschlag der EU-Kommission die getroffenen Agrarvereinbarungen unterläuft, die EG-Agrarpolitik unglaubwürdig macht und deshalb für die deutsche Landwirtschaft und für die Politik gleichermaßen nicht akzeptabel ist. ({5}) Es geht um erhebliche aufwertungsbedingte Verluste. Wir können die deutschen Bauern nicht auf diesen Verlusten sitzen lassen - auch nicht teilweise -, wie die Kommission es will, denn unsere Landwirte haben diese Verluste nicht zu verantworten. ({6}) Meine Damen und Herren, wir wollen Europa voranbringen. Wir halten am Kurs der Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union fest. Wir wollen die Handlungsfähigkeit der Union verbessern, die demokratische Kontrolle stärken, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik entwickeln, Fortschritte in der Innen- und Rechtspolitik erreichen sowie die Wirtschafts- und Währungsunion verwirklichen. Wir messen unsere hohen Beiträge an die Europäische Union nicht nur an den Rückflüssen aus der Agrarmarktordnung, weil wir wissen, daß die Bundesrepublik Deutschland politisch und ökonomisch von der Europäischen Union in höherem Maße profitiert, als dies durch Agrarrückflüsse und Hilfen aus den Strukturfonds ausgedrückt wird. Wir halten an der gemeinsamen Agrarpolitik fest, weil wir überzeugt sind, daß auch die deutsche Landwirtschaft davon ihren Nutzen hat. Aber wir können nicht stillschweigend zusehen, wenn durch eine Entscheidung der Kommission Grundsatzbeschlüsse in der gemeinsamen Agrarpolitik unterlaufen und verbindliche Zusagen über die Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichszahlungen der Agrarreform gebrochen werden. ({7}) Wir können nicht stillschweigend zusehen, wenn eine Ausgleichsbeihilfe für Währungsverluste angeboten wird, die keinen vollen Ausgleich vorsieht, die befristet ist und vom Aufwertungsstaat mitfinanziert werden muß, während gleichzeitig eine Reihe von Abwertungsländern erhebliche Währungsgewinne erzielen, die nicht abgeschöpft werden. ({8}) Und wir können nicht stillschweigend zusehen, wenn bei Landwirten und Bürgern in Europa der Eindruck entsteht, daß das System der Ausgleichsmaßnahmen der Europäischen Union für die Anpassung der landwirtschaftlichen Umrechnungskurse bei Währungsveränderungen eine stabilitätsorientierte Währungs- und Finanzpolitik bestraft, während es eine Politik, die die Stabilität der eigenen Währung vernachlässigt, belohnt. Das geht nicht, meine Damen und Herren! ({9}) Wir lehnen also die Kommissionsentscheidung ab: nicht nur weil sie die Landwirte in den Aufwertungsländern zusätzlich und einseitig belastet, sondern auch weil sie ein verhängnisvolles Signal für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion bedeutet. Es ist nicht akzeptabel, die Landwirtschaften in den Aufwertungs- bzw. Hartwährungsländern finanziell dafür büßen zu lassen, daß eine Mehrzahl der EU- Mitgliedstaaten die im Vertrag von Maastricht geforderten Stabilitäts- und Konvergenzkriterien bislang nicht erfüllt. Es kann auch nicht hingenommen werden, daß die Kommission einen vollen Ausgleich der Aufwertungsverluste mit der Begründung verweigert, daß die Mittel im EU-Haushalt dazu nicht ausreichten und die Agrarrichtlinie überschritten werde. Gerade vor dem Hintergrund unserer eigenen Beiträge an die EU-Kasse - die sich durch die DM-Aufwertung übrigens weiter erhöhen - können wir nicht zulassen, daß die Kommission die Haushaltsprobleme einseitig auf dem Rücken der deutschen, der niederländischen oder der dänischen Landwirtschaft lösen will. ({10}) Insofern - da sollten wir uns doch einig sein - reichen die Auswirkungen der aktuellen währungspolitischen Entwicklung in der Europäischen Union weit über die Agrarpolitik hinaus. ({11}) Sie zeigen vor allem, daß es richtig ist, an den in Maastricht beschlossenen Konvergenzkriterien für die Währungsunion ohne Wenn und Aber festzuhalten. Sie zeigen zudem, daß dem Konvergenzkriterium Wechselkursstabilität ein wichtiger Stellenwert zukommt. Gleichzeitig sind die Entwicklungen eine überzeugende Begründung dafür, daß es mit der Verwirklichung des Binnenmarktes allein nicht getan ist, daß ein Binnenmarkt ohne Währungsunion monetär instabil bleibt und eine gemeinsame europäische Währung der deutschen Wirtschaft ebenso wie dem einzelnen Bürger zugute kommt. ({12}) Wir unterstützen die Absicht der Bundesregierung, im Falle einer Aufwertung des „grünen" Kurses der D-Mark eine reale Absenkung der Ausgleichszahlungen für die deutsche Landwirtschaft zu verhindern und auf der bevorstehenden Sitzung des Agrarministerrats Ende Mai diesen Vorschlag abzulehnen. Wir unterstützen das Ziel der Bundesregierung, daß die aufwertungsbedingten Einkommensverluste der deutschen Landwirtschaft in vollem Umfang durch die Europäische Union kompensiert werden. Was die EU-Kommission jetzt vorgeschlagen hat, ist leider ein politisch falsches Signal. Es zerstört das Vertrauen in die Gültigkeit europäischer Zusagen. Es schadet der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik. Es untergräbt die Bereitschaft zur Solidarität, die gerade Deutschland gegenüber der Union immer wieder unter Beweis gestellt hat. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, daß alles dies nicht geschieht. Die Landwirte in Deutschland und in anderen Aufwertungsländern sowie die Bürger in ganz Europa haben bessere Lösungen verdient. Für diese besseren Lösungen werden wir uns mit Nachdruck einsetzen. ({13})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächste spricht die Kollegin Frau Höfken.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Seiters, wir beklagen doch nicht die Festigkeit der deutschen Währung, sondern wir beklagen, daß ein bestimmter Wirtschaftszweig Leidtragender der nicht erreichten Ziele der EU und der Bundesregierung ist. Was die deutsche Position angeht, haben wir sie in Brüssel einhellig vertreten. Aber wir sind hier im Deutschen Bundestag, und hier können wir auch die Verantwortlichen für diese Entwicklung benennen. Die EU-Agrarreform ist noch nicht einmal in der dritten Stufe der Umsetzung, und schon zerbröseln ihre Fundamente. Für die staatlich verordneten Preissenkungen innerhalb der Agrarreform wurde den Bauern der volle Ausgleich für die Verluste zugesichert, und die Bundesregierung hat sich zum Garanten für die Einhaltungen dieser Zusicherungen erklärt. ({0}) Wie dem Rattenfänger von Hameln folgten die Bauern dem Pfeifen der CDU/CSU, der F.D.P. und der Verbandsvertreter auf die Subventionsschiene. Auch die SPD hat eine Politik der staatlichen Einkommenstransfers vertreten. Zu Recht können die Landwirte, aber auch die Verbraucherinnen und die Verbraucher sowie die Umweltschützerinnen und die Umweltschützer heute die Bundesregierung des Vertrauensbruchs anklagen. Denn bereits zu Beginn der Agrarreform waren die Gefahren der weiteren Abkoppelung der Einkommen der Landwirtschaft von den Preisen der Produkte absehbar und sind von uns und der Agraropposition auch deutlich benannt worden. Die EU-Agrarpolitik, unterstützt von der Bundesre- gierung ({1}) - wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, daß die deutschen Kommissare den Vorschlägen zugestimmt haben -, ({2}) verschärft die Politik des Preisdrucks und richtet sich auf die künstlich niedrig gehaltenen Weltmarktpreise aus. Sie wissen genau wie ich, daß kein Land der Welt auf Dauer einen Preisdruck, ein Dumping, aushalten kann, d. h., Lebensmittel unter den Erzeugungskosten auf den Markt zu werfen. Ebensowenig können das 90 % der Betriebe in Deutschland und auch nicht der größte Teil der jetzigen Ostbetriebe, die auf einem stärkeren Modernisierungsstand sind. Zu meiner eigenen Überraschung vertritt der österreichische Kommissar Fischler diese Preisdruckposition, diese Ausrichtung der EU-Politik, deutlicher als andere Kommissare vor ihm. Ganz klar hat er am Montag das Ziel der Realisierung des Preisdruckes formuliert. Er hatte es nicht einmal mehr nötig, das ganze politisch zu verbrämen, indem er sagt, es gehe um Einkommensstabilität, um Umwelterhaltung, um Mengenreduzierung. Nein, er hat sich von Kompensationszahlungen massiv distanziert. Milchquoten, Flächenstillegungen, Prämien und Währungspolitik werden von der EU jetzt mehr als vorher verschärft als Elemente des Preisdruckes benutzt, nicht nur im Wettbewerb der Betriebe oder einzelner Regionen untereinander, sondern auch der Mitgliedstaaten, in diesem Fall zu Lasten der Mitgliedstaaten mit stärkerer Währung. Mit den jetzigen Vorschlägen der Kommission über Ausgleichsmaßnahmen für die Senkung der landwirtschaftlichen Umrechnungskurse einiger Währungen wird der Ausstieg aus der Währungsfestigkeit eingeleitet und damit - auch das wissen Sie - der Ausstieg aus den Ausgleichszahlungen. Damit steht, wie Sie gesagt haben, die Agrarreform zur Disposition. ({3}) Die Kommission hat in der Währungsfrage keine pragmatischen Lösungen vorgeschlagen, sondern sich nach den Mehrheiten gerichtet. Im Hinblick auf die Haushaltslage der EU wäre es sachlich angemessen gewesen, Vorschläge in Richtung einer Auszahlung in nationaler Währung zu unterbreiten und damit im EU-Haushalt Gelder einzusparen. Pragmatisch wären Vorschläge zum Ausgleich des Haushaltes zwischen 1995 und 1996 durch Vorziehen der Zahlungen gewesen, was in der Vergangenheit bereits praktiziert wurde. Die jetzigen Vorschläge - kein Ausgleich für den ersten Prozentpunkt; das haben Sie alles schon erwähnt -, vor allem aber die Begrenztheit der Vorschläge auf drei Jahre bzw. bis zum 31. Dezember 1995, machen deutlich, daß diese ganze Politik der EU verstärkt auf die Wettbewerbsschwächung und einen erneuten Preisdruck abzielen. Ich gönne den Bauern in Italien und in Großbritannien durchaus ihre höheren Gewinne und ihre besseren Einkommen - das ist gar keine Frage -, aber langfristig wird diese Entwicklung hin zu einem zusätzlichen Preisdruck auch nicht im Sinne dieser Länder liegen. ({4}) Dies wird dann auch dort nicht mehr haltbar sein, wenn sich die Inflationsrate anders entwickelt, als das gegenwärtig der Fall ist. ({5}) Eine Weiterentwicklung in diese Richtung wird die Landwirtschaft in Europa insgesamt zu einer agrarindustriellen Produktion führen, und das zu Lasten aller Länder. Aber die Verantwortung für diese Entwicklung hat die Bundesregierung, auch auf Grund der Beschlüsse zur Neuordnung des agrarmonetären Systems im Dezember 1994. Es war durchaus absehbar, welche Optionen - die sie jetzt wahrgenommen hat - die Kommission mit dieser Neuordnung gehabt hat. Darauf zieht sich Kommissar Fischler, eigentlich zu Recht, zurück. Ich erwarte, daß wir in den Verhandlungen - das ist absehbar - einen Kompromiß erreichen werden, aber einen mehr oder minder faulen Kompromiß, der den Ausgleich nicht in voller Höhe sicherstellt. Dann wird die Bundesregierung aufgefordert sein, einen nationalen Ausgleich bereitzustellen. Das wird von ihr zu Recht erwartet und eingefordert werden. ({6}) - Oh doch. Besonders betroffen sind Betriebe, die exportorientiert wirtschaften, wie z. B. die Milchbetriebe, die nach Italien liefern, und die Regionen, die über keinen eigenen Markt mehr verfügen. Das ist sicher die Crux der Agrarpolitik der Bundesregierung: Sie fährt eine Politik, die die eigenen Märkte systematisch vernichtet, und orientiert sich auf das EU-Agrarsystem mit seiner mehr oder minder staatskapitalistischen Ausrichtung. ({7}) Die Agrarreform, deren Geschäftsgrundlage bereits verlassen ist, ist, wenn man sie an ihren eigenen Zielen mißt, gescheitert. Wir brauchen eine neue Politik, die die Landwirtschaft in der Bundesrepublik wieder neu orientiert, die Überschüsse umweltgerecht reduziert, den Bauern neue Einkommensmöglichkeiten schafft, die Umwelt bewahrt und rückstandsfreie Lebensmittel liefert. Wir brauchen politische Unterstützung zur Schaffung einer wieder marktorientierten Landwirtschaft. Die Modelle der Massenproduktion haben ohnehin keine gesellschaftliche Unterstützung. Das sehen Sie in allen Veröffentlichungen der letzten Zeit - ob das die Klima-Enquete ist, die Diskussion des Sachverständigenrates, oder ob es die Presseerklärungen des Naturschutzbundes Deutschlands sind -, eine Massenproduktionslandwirtschaft mit all ihren Nebenwirkungen und Risiken findet keine Unterstützung. Aber wenn sich die Landwirtschaft den Zielen der Umweltpolitik verschreibt und diese unterstützt, dann erhält sie auch eine entsprechende Unterstützung. Das habe ich z. B. in der letzten Woche in Hannover bei der Demonstration im Zusammenhang mit der Atomkraft gesehen. Es waren 300 Trecker dort. Ich habe vorher noch nie gesehen, wie eine Bauerndemonstration in diesem Ausmaß von jungen Leuten beklatscht wurde. Da, so glaube ich, gibt es ein gesellschaftliches Bündnis, das durchaus auch eine andere Landwirtschaftspolitik und eine bessere Situation der Bauern und Bäuerinnen erwirken kann. ({8}) Wir werden den Entschließungsantrag der SPD unterstützen, ({9}) auch den Antrag der CDU/CSU, weil sie ja letztlich in ihren Aussagen nicht unterschiedlich sind. Aber wir erwarten von Ihnen eine Neuausrichtung der Agrarpolitik, damit das endlich wahr wird, was Sie immer wieder - auch jetzt - angekündigt haben, nämlich eine Reform der Reform, die spätestens mit der Revision der Maastricht-Verträge eingeleitet werden muß. Danke. ({10})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Es spricht jetzt der Kollege Günther Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die EG-Agrarreform war notwendig." Das schrieb ich am 22. Mai 1992 in einer Presseerklärung der F.D.P.-Fraktion zu den damaligen Entscheidungen des EG-Ministerrates zur Reform der EG-Agrarpolitik. Und weiter schrieb ich damals: Es bleibt in Brüssel leider bei zu wenig Mut zum Markt und zu marktwirtschaftlicher Anpassung. Da die Reform im Ergebnis zu mehr Agrarsubventionen führen wird, bleibt die Landwirtschaft auch jetzt, weil keine klare Anpassungsorientierung gefunden wurde, weiterhin in hohem Maße von staatlichen Transfers abhängig. Am 10. Mai 1995, also drei Jahre später, beschließt die EU-Kommission einmütig, für die deutschen Landwirte die Ausgleichszahlungen zusammen mit den Marktordnungspreisen bei Aufwertung entsprechend zu senken, sie zeitlich zu befristen und zum Teil national finanzieren zu lassen. Trotz meiner damaligen Skepsis hätte ich mir nicht vorstellen können, daß so schnell eine solch brutale Politik der Kommission gegenüber unseren deutschen Bauern umgesetzt würde. Diese Entscheidung steht im klaren Widerspruch zu den Zusagen vom Dezember 1994 und ist damit ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber unseren Bauern. ({0}) Die Glaubwürdigkeit der EU-Agrarpolitik, ja die Akzeptanz der so notwendigen Weiterentwicklung unserer Politik zu einem vereinten Europa steht auf dem Spiel. Die F.D.P. ist nicht bereit, die Beschlüsse der Kornmission zu akzeptieren. Mit Schreiben vom 9. Mai 1995 an die verantwortlichen EU-Kommissare haben wir dies unmißverständlich klargemacht. Die Vorschläge sind weder politisch noch sachlich haltbar. Sie sind eine Zumutung für die deutschen Landwirte. Und nicht nur das: Sie stellen die Glaubwürdigkeit der Politik in Frage. ({1}) Die Vorschläge der Kommission sehen vor, nicht nur die Marktordnungspreise, sondern auch die strukturund reformbedingten Ausgleichszahlungen, wie Flächenprämien, Tierprämien usw., voll an den ECU zu binden. ({2}) Ein solcher Beschluß erfolgt knapp ein halbes Jahr nachdem die Aufwertungsfestigkeit der reformbedingten Ausgleichszahlungen den Bauern zugesagt worden war, nämlich im Dezember 1994. Auch unser Bundesminister Jochen Borchert und der Bundeskanzler stehen hier gegenüber den deutschen Landwirten im Wort, da sie immer wieder erklärten, die Ausgleichszahlungen sind aufwertungsfest, dauerhaft und verläßlich. ({3}) Die F.D.P. unterstützt daher Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, auf der nächsten Ministerratssitzung eine Korrektur des Kommissionsbeschlusses zu erreichen. Nach Berechnungen des Deutschen Bauernverbandes haben die deutschen Landwirte durch die agrarmonetäre Währungsentwicklung in den ersten vier Monaten des Jahres 1995 Erlösverluste von rund 1 Milliarde DM hinnehmen müssen. Es zeigt sich ganz deutlich, daß deutsche Milchprodukte, z. B. Käse, auf Grund der harten D-Mark auf dem italienischen Markt keine Chance mehr haben. Umgekehrt können die Italiener durch die schwache Währung ihre Produkte - Obst, Gemüse und Wein - in Deutschland zu Preisen absetzen, die unsere Produzenten unter Druck bringen. Die starke Mark führt innerhalb des gemeinsamen europäischen Marktes zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die deutschen Landwirte. Dies darf so nicht weitergehen. In Hartwährungsländern müssen währungsbedingte Verluste durch EU-Mittel ausgeglichen werden. ({4}) Die jetzigen Vorschläge der Kommission belasten einseitig die Landwirte in den Aufwertungsländern. Die schon bisher bestehende Überkompensation in Abwertungsländern durch in nationaler Währung geringere Preissenkungen und höhere Ausgleichszahlungen soll dagegen unverändert beibehalten werden und würde durch neue Abwertung sogar noch drastisch verstärkt. So beläuft sich die Überkompensation zur Zeit in Italien auf 52 %, in Großbritannien auf 22 %, in Spanien auf 29 %. Dies zeigt doch deutlich, wie notwendig eine gemeinsame europäische Währung ist. Solange die mit den Maastrichter Verträgen beschlossene Wirtschafts- und Währungsunion nicht umgesetzt ist, brauchen wir für die Landwirtschaft in Europa ein funktionsfähiges agrarmonetäres System. Der jetzige Beschluß der EU-Kommission zu Währungsveränderungen und Ausgleichsmaßnahmen führt zu einer weiteren Benachteiligung der deutschen Bauern, aber auch der Landwirte in Österreich, den Beneluxstaaten und Dänemark. ({5}) Zu den Einzelheiten: Erstens. Ausgleichszahlungen und Strukturbeträge sind im Rahmen der Agrarreform festgelegt worden. Wesentliches Merkmal dieser Ausgleichszahlungen war ihre Aufwertungsfestigkeit. Dies ist bei der Entscheidung über die Neuregelung des agrarmonetären Systems im Dezember 1994 vom EU-Agrarministerrat nach ausführlichen Diskussionen und in Kenntnis der Restriktionen des EU-Haushaltes noch einmal bestätigt worden. Jetzt sollen die landwirtschaftlichen Direktbeihilfen dem landwirtschaftlichen Wechselkursmechanismus unterworfen werden. Sollen nun die deutschen Bauern, die Einkommenseinbußen in der Regel nicht durch Verlagerung ihrer Produktion oder weitere Rationalisierungsmaßnahmen abfangen können, Verlierer der Agrarreform werden? Zweitens. Brüssel wird Einkommensverluste durch Währungsänderungen bei den Agrarpreisen nicht zu 100 % ausgleichen. Als Ersatz für die bisherige Regelung bietet man den Landwirten nun einen auf drei Jahre befristeten degressiven Einkommensausgleich an. Die Kosten will man nur noch zu 50 %, in strukturschwachen Gebieten zu 75 % tragen. Der Rest soll durch nationale Hilfen ausgeglichen werden. Die prekäre EU-Haushaltssituation soll also auf dem Rükken der Hartwährungsländer ausgetragen werden. Dies käme einer Bestrafung einer erfolgreichen und soliden Währungspolitik gleich. Dies werden wir in dieser Form nicht akzeptieren. Drittens. Der Regelungsvorschlag aus Brüssel betrifft den Geltungszeitraum bis zum 31. Dezember 1995. Was danach geschehen soll, steht noch in den Sternen. Wie verträgt sich dies mit der von uns geforderten und notwendigen langfristigen, auf verläßlichen Rahmendaten basierenden Agrarpolitik? Auf Schnellschüsse dieser Art sollte eine solide Agrarpolitik verzichten. ({6}) Viertens. Die Behauptung der Kommission, der Vorschlag egalisiere Überkompensationen auch in Hartwährungsländern, ist aus meiner Sicht völlig unhaltbar. Richtig ist vielmehr, daß bei der EG-Agrarreform durch Mengenbegrenzung wieder mehr Markt möglich werden sollte. ({7}) Will die EU-Kommission den ersten Keim eines Markt-Preis-Gefüges mit ihren Vorschlägen erstikken? Setzt sie weiter auf dirigistische Bestimmungen und konterkariert damit die Ziele der Agrarreform? Wird der Kurs der Politik des Drucks hin zu Weltmarktpreisen fortgesetzt? Es ist ganz eindeutig: Sobald wir durch die Agrarreform im Bereich des Getreides etwas mehr Luft bekamen und sich die Preise leicht positiv entwickelten, hat die Kommission versucht, durch verschiedene flankierende Maßnahmen und Entscheidungen sofort wieder einen Druck in Richtung Weltmarktpreis auszuüben. Man muß das, glaube ich, einmal so hart sagen. Denken Sie daran, daß wir bei der Einführung der Milchgarantiemengenregelung zunächst auch eine durchaus positive Entwicklung hin zu mehr Markt und hin zu auskömmlichen Preisen hatten. ({8}) Leider Gottes, muß man sagen, entwickeln wir uns heute stark in Richtung auf 50 Pfennige für den Liter Milch, nähern uns also dem Weltmarktpreis. Man kann einfach nicht verstehen, daß die Kommission genau den anderen Weg beschreitet, obwohl die Situation klar ist, was die Mengen angeht. Wir sind ja auch bereit, hier das Richtige zu tun; das hat auch Minister Borchert erklärt. ({9}) Ich sage Ihnen das einmal aus meiner Praxis heraus: In den letzten fünf Jahren sind die Milchpreise um 12 bis 15 Pfennige gefallen. Das bedeutet für einen ganz durchschnittlichen Betrieb - ich rechne nur mit 12 Pfennigen - mit 50 Kühen gleich 300 000 kg Milch, daß er immerhin 36 000 DM weniger auf dem Markt erzielen kann. Leider hält diese Tendenz an. Meine Damen und Herren, wir sollten auch hier der Kommission die rote Karte zeigen. ({10}) Fünftens. Der Vorschlag der EU, einen Sockelbetrag bei den Beihilfen einzuziehen - für Deutschland sind dies 40,7 Millionen DM je Prozentpunkt Aufwertung - käme einer Begrenzung in zweierlei Hinsicht gleich: Höhe und Zeitraum sind gedeckelt. Auch das war so nicht beschlossen. Auf der nächsten Sitzung des Agrarministerrats sollte ernsthaft darüber verhandelt werden, ob Reformausgleichszahlungen nicht in nationaler Währung festgeschrieben werden können. Im Bereich direkter Hilfen entstünden dadurch keine Handelsverzerrungen. Aufwertungsfestigkeit wäre erreicht. Sechstens. Der Kommissionsvorschlag, den ersten Prozentpunkt einer Aufwertung nicht auszugleichen, bedeutet eine weitere Benachteiligung unserer Landwirte. ({11}) Auch dies ist so nicht akzeptabel. ({12}) Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft muß wissen, wohin die Reise geht. Investitionsentscheidungen können nur vor dem Hintergrund verläßlicher Rahmenbedingungen getroffen werden. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion fordert daher Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert auf - er hat dabei unsere volle Unterstützung -, unseren Bedenken, die sich auch in dem Entschließungsantrag der Koalition widerspiegeln, Rechnung zu tragen und in Brüssel im Agrarministerrat unmißverständlich unsere Forderungen vorzutragen. Das heißt, Aufwertungsfestigkeit muß erhalten bleiben, und währungsbedingte Einkommensverluste sind zu 100 % durch EU-Mittel auszugleichen. In der EU sind mehr Markt und mehr unternehmerische Landwirtschaft nötig. Dies hat die F.D.P. immer wieder betont. Weitere Flickschusterei in Form dirigistischer Entscheidungen darf es nicht länger geben. Die F.D.P. erwartet, daß die Agrarreform in der verabredeten Form umgesetzt wird und insbesondere den deutschen Bauern, die sich dem erforderlichen Strukturanpassungsprozeß in der EU stellen und diesen auch meistern, keine weiteren wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Ich bedanke mich. ({13})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Herr Maleuda.

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei allen Unterschieden in der Bewertung der europäischen Agrarpolitik besteht die Erwartung, daß die heutige Plenardebatte und die Beratung des Agrarausschusses am vergangen Montag mit dem Agrarkommissar in Brüssel die Position des Bundesministers für die bevorstehenden Beratungen Ende Mai stärken. Ein großer Aufschrei zu den Währungsturbulenzen in der EU geht durch den Blätterwald. Parteien und Verbände versuchen, sich in ihren Erklärungen zu übertreffen. Von Vertrauensbruch und Handelskrieg ist die Rede. Die europäische Agrarreform sei in Frage zu stellen. Auf keinen Fall dürfe eine harte D-Mark gegen einen weichen ECU eingetauscht werden. Was ist geschehen? Es sind die für die Marktwirtschaft normalen Währungsschwankungen auf den internationalen Märkten eingetreten, allerdings mit unerwarteten Folgen. Diese Währungsschwankungen sind nicht nur Ausdruck wirtschaftlicher Stärke, sondern zunehmend auch ein Mittel des Kampfes um Märkte und der Spekulation. Inzwischen haben sich die Währungsrelationen innerhalb der EU wieder umgekehrt. Italien, das einer der Sündenböcke für die ganze Aufregung war, liegt inzwischen mit 6,164 % über dem Grünen Kurs und damit an der Spitze aller EU-Mitgliedsländer. Jetzt werden die Italiener Hilfe von Brüssel fordern. Die Deutsche Mark hat die 5-%-Marke inzwischen wieder unterschritten. Aus der Sicht der Bauern ist jedoch zu sagen, daß das Kind bereits im Brunnen liegt. Die Einnahmen der Bauern sind um ca. 1 Milliarde DM zurückgegangen; weitere Einnahmeausfälle stehen bevor. Es muß sofort gehandelt werden. Deshalb unterstützt die Abgeordnetengruppe der PDS die Anstrengungen von Minister Borchert, im Agrarministerrat Ende Mai einen durch die EU finanzierten Einkommensausgleich für die Währungsverluste zu erreichen. Die Währungsfestigkeit der Flächenprämien muß gesichert werden. Aber es geht nicht nur um Geld; denn im Ergebnis der von der EU-Kommission angestrebten agrarmonetären Regelungen wächst die Verunsicherung und schwindet das Vertrauen der Bauern in die Politik weiter. In der europäischen Agrarpolitik ist offensichtlich einiges außer Kontrolle geraten. Oder handelt es sich ganz bewußt um entsprechende Zielsetzungen? Niemand kann heute sagen, was in naher und ferner Zukunft an der Währungsfront passieren wird. ({0}) - Sie können dafür ja einen anderen Begriff nehmen. Aber ich glaube, Sie, ich und andere verstehen, was gemeint ist. Wir halten es für unrealistisch, die offenen Fragen der europäischen Agrarpolitik mit der schnellen Einführung einer einheitlichen EU-Währung zu beantworten. Bei den gegenwärtigen Strukturdefiziten in der deutschen Landwirtschaft würde das für viele Unternehmen das Aus bedeuten. Generell geht es doch um die Rolle von Markt oder Regulierung. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß in der praktischen Politik kein Widerspruch zwischen Markt und Regulierung besteht. Können Profite durch Marktwirtschaft realisiert werden, dann wird der Kampf gegen Regulierung geführt. Sind Profite in Gefahr oder lassen sie sich durch Regulierung - sprich: durch Subventionen, Steuersenkungen, Außenzölle oder Absatzförderung - erhöhen, dann wird um Regulierungen gekämpft. Es wird beklagt, daß durch die Währungsturbulenzen „die Warenströme im EU-Binnenmarkt verändert und durcheinandergebracht wurden". Davon kann doch eigentlich niemand überrascht sein. Was sind denn die Ursachen für den durch die EU-Kommission verstärkten Preisdruck? Steckt nicht auch hinter dieser Politik der Versuch von interessierter Seite, „die Warenströme" zum eigenen Vorteil zu verändern? Die gegenwärtige breite Debatte sollte nicht auf die währungspolitischen Probleme verengt werden. Es muß auch über die vorhersehbaren Konsequenzen des GATT gesprochen werden. Nach einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, sind die Hauptnutznießer des GATT die amerikanischen und kanadischen Farmer und sicher noch mehr die Nahrungsmittelkonzerne, die eine Steigerung des landwirtschaftlichen Nettoexports um 7,1 Milliarden Dollar erreichen werden. Auch Australien und Neuseeland werden mit ähnlichen Steigerungsraten auf der Gewinnerseite stehen. Für Westeuropa prognostiziert die FAO, daß sich die Nettoeinfuhren der wichtigsten landwirtschaftlichen Rohstoffe im Jahre 2000 gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1987/89 von 5,5 Milliarden auf 15,3 Milliarden Dollar erhöhen, sich also fast verdreifachen werden. In diesem Lichte handelt es sich bei den gegenwärtigen Währungsturbulenzen um einen Wind, der die Agrarstrukturen durcheinanderwirbeln kann. Ein Sturm ist aber nicht ausgeschlossen. Auch deshalb gehört die EU-Agrarpolitik auf den Prüfstand. Unserer Meinung nach sind z. B. solche Fragen zu beantworten: Welche Entscheidungen müssen unbedingt in Brüssel getroffen werden, um den europäischen Integrationsprozeß zu fördern? Welche Entscheidungen gehören in nationale Kompetenz, um den differenzierten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der einzelnen Länder Rechnung tragen zu können? Oder: Welche Regelungen sind notwendig, um eine optimale Standortverteilung der Produktion, eine flächendeckende Landbewirtschaftung und eine Regionalisierung der Produktion zu erreichen? Oder schließlich: Wie muß sich die Agrarproduktion in Europa entwickeln, um die Welternährungsprobleme lösen zu helfen? Gerade in diesen Zusammenhängen gesehen unterstützen wir die Forderungen des Deutschen Bauernverbandes, Klarheit über die Zukunft der Landwirtschaft zu schaffen und - wie es von Herrn Bredehorn gerade gesagt wurde - die Frage zu beantworten, wohin die Reise gehen soll. Meine Damen und Herren, Währungskrisen kommen und gehen; die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland jedoch müssen in allen Wechselfällen des Lebens eine Zukunft haben. Wir erneuern deshalb unsere an dieser Stelle geäußerte Bereitschaft, uns an dem notwendigen Dialog über eine neue Agrarpolitik zu beteiligen und für ihre Umsetzung zu wirken. Ich danke Ihnen. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Meinolf Michels.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Hintergrund für diese Regierungserklärung ist der unannehmbare Vorschlag - wie wiederholt dargestellt - der Europäischen Kommission zur Regelung währungsbedingter Entwicklungen. Ich bin dankbar dafür - und ich sage dies auch für meine Fraktion -, daß die Regierung in dieser entschlossenen Weise für die deutschen Bauern eintritt. ({0}) Die SPD macht es sich zu leicht, wenn sie in einer so schwierigen Situation mit ihrem Entschließungsantrag die deutsche Regierung einseitig attackiert. Dies ist vordergründig und in der Sache wenig hilfreich. ({1}) Meine Damen und Herren, wir wollen Europa. Daher haben wir nicht nur das demokratische Recht, sondern auch die Pflicht, für Fairneß und gerechte Rahmenbedingungen zu kämpfen. Worum geht es? Um nichts anderes als darum, daß die Kommission mit ihrem Vorschlag das in die Agrarreform gesetzte Vertrauen mißbraucht. Die Agrarreform ist mit der Zusicherung in Gang gesetzt worden, den Landwirten die Ausgleichszahlungen währungssicher zuteil werden zu lassen. Nach kurzer Zeit verläßt die Kommission diese Linie und mutet gerade den Landwirten der Hartwährungsländer eine Regelung zu, die voll zu ihrem Nachteil geht. Gemessen an der Gesamtsituation dieser Agrarpolitik und der Behandlung in Brüssel handelt es sich hierbei lediglich um den sogenannten berühmten letzten Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat. Während der letzten Jahre war stets zu beobachten, daß die Kommission immer den kleinsten gemeinsamen Nenner bei ihren Vorschlägen verwirklichte. Nicht fachliche und faire Vorschläge sind gemacht worden, sondern solche, die bei der widerstreitenden Interessenlage, die eine Wirtschaftsunion mit 15 teils unterschiedlichen Ländern mit sich bringt, Zustimmung erfahren. Diese Verhaltensweise hat dazu geführt, meine Damen und Herren, daß einerseits die einen - meist die Weichwährungsländer - alle ihre Forderungen erfüllt bekamen, andererseits die Lasten fast einseitig auf die Hartwährungsländer, insbesondere auf Deutschland, abgeschoben wurden. ({2}) Die Folge ist klar: Deutschlands Bauern finden sich, was ihr heutiges Einkommen im Vergleich zu dem in anderen EU-Ländern anbelangt, im unteren Drittel der Skala wieder. 1984 wurde die Milchquotierung eingeführt. Sie wurde von der Zusage begleitet, daß am Verbrauch orientierte Mengen für die Landwirte zu auskömmlichen Preisen führen würden. Die Landwirtschaft hat dies akzeptiert. In den letzten Jahren aber ist die Kommission ihrer Verantwortung nicht nachgekommen. Sie hat eben nicht die produzierte Menge dem veränderten Verbrauch angeglichen, im Gegenteil. England z. B. legt großen Wert darauf, die Quote ungekürzt zu behalten, weil in England die Milchproduktion auf Grund der währungsbedingten Preisentwicklung außerordentlich günstig ist. Italien hat seine völlig unsolidarische Verhaltensweise am Ende noch mit einer Erhöhung der Quote gekrönt bekommen. ({3}) Obwohl Italien die Einzelquotierung bis heute noch nicht umgesetzt hat, hat es die Strafzölle nicht bezahlen müssen. Die deutschen Bauern produzieren zur Zeit die Milch zu einem Preis, der so schlecht ist, daß sich jeder milchproduzierende Betrieb heute schon ausrechnen kann, wann er sich in die Pleite gemolken hat, wenn sich dies nicht schnellstens ändert. Vor drei Jahren kam es nun zu der Agrarreform. Diese fußt im wesentlichen darauf, daß die Getreidemengen näher an den Bedarf herangeführt werden. Die zurückgeführte Erntemenge sollte am Markt einen auskömmlichen Preis finden. Was ist daraus geworden? Erstens. Frankreich und England haben eine Kürzung der Flächenstillegung durchsetzen können. Die Folge: Die Überschußmenge steigt; die Preise sinken. Frankreich ist mit seinen Forderungen bei der Kommission fast immer erfolgreich. Zweitens, Während die Zusage, daß sich der Preis am Markt bilden sollte, sich noch nicht einmal voll auswirken konnte, gab die Kommission Getreide aus der Intervention in großer Menge für den europäischen Markt frei. ({4}) Damit hat die Kommission ihre eigene Aussage konterkariert. Unsere Forderung kann nur sein: Der Handel soll sich bitte am Markt bedienen; dort sollte sich auch der Preis bilden. Aber heute bildet die Intervention für den Handel eine billige und zu jeder Zeit verfügbare Vorratshaltung. Die Preise sind auf ein völlig unakzeptables Niveau gesunken. Ich habe den Kommissar Fischler aufgefordert, kein Getreide mehr aus der Intervention freizugeben, damit zumindest die Preisfindung für die neue Ernte sich nicht noch weiter verschlechtert. Meine Damen und Herren, zur Zeit wird über Preise gesprochen, die bestenfalls ein gutes Trinkgeld ausmachen. Unser Gespräch am Montag in Brüssel haben wir genutzt, um Kommissar Fischler, der für die Fehlentscheidungen der Vergangenheit nicht verantwortlich gemacht werden kann, unsere Sorgen vorzutragen. Ich habe ihm acht Punkte vorgelegt und um entsprechende Beachtung gebeten. Erstens. Er möge sich als Kommissar um Gerechtigkeit gegenüber allen Mitgliedsländern bemühen; dies sei seine Pflicht. ({5}) Zweitens. Wenn ein währungsbedingter Ausgleich notwendig ist, dann müßte er voll und unbegrenzt geleistet werden, damit die Zusage, die bei Einführung der Agrarreform gegeben wurde, eingehalten wird. Drittens. Die Milchquote muß europaweit zeitgleich und korrekt angepaßt werden. Viertens. Keine Interventionsgetreidefreigabe in den europäischen Markt hinein. Fünftens. Wir brauchen ein Signal. Was soll z. B. nach Ablauf der Milchquotenregelung und Agrarreform werden? ({6}) Die Landwirte müssen langfristig planen können. Nur dann können sie investieren. Ohne Investitionen verlieren unsere Bauern ihre Zukunft. Sechstens. Keine weitere Reduktion der Flächenstillegung, damit die Getreidemenge näher an den Bedarf herangeführt wird. Siebtens. Es ist nicht mehr einsehbar, daß die Einzahlungen in nationaler Währung und die Ausgleichszahlungen in europäischer Währung geleistet werden. Hier muß der Forderung unseres Ministers Borchert gefolgt werden, Einzahlungen und Auszahlungen in nationaler Währung festzusetzen. ({7}) Schließlich können wir z. B. bei der Rapspreisgestaltung kein derartiges Abschmelzen der Ausgleichsleistungen hinnehmen, wie dies zur Zeit von seiten der Kommission vorgesehen ist. Man kann sich heute schon ausrechnen, wann unsere Bauern dafür bezahlen müssen, daß sie überhaupt noch Raps anbauen dürfen. Letztendlich geht es nicht an, daß die Weichwährungsländer bei uns zunehmend Marktanteile gewinnen, während unsere jungen Bauern von Jahr zu Jahr perspektivloser dastehen. ({8}) Daß wir diese Entwicklung zu allem Überfluß gegen unsere eigenen Interessen finanzieren, ist vollends unannehmbar. Meine Damen und Herren, selbst Experten hätten es nicht für möglich gehalten, daß sich die in der Kritik des Deutschen Bauernverbandes gegenüber der EG-Agrarreform und der GATT-Regelung zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen so schnell bewahrheiten sollten. Ursache sind falsche Entscheidungen der Kommission. Die deutschen Bauern haben ein Recht darauf, daß ihre Sorgen hier artikuliert werden. In so schwieriger Zeit muß der gerechte Schutz für unsere Bauern eine Staatsaufgabe sein. Mit unserem Entschließungsantrag unterstützen wir Bundesminister Jochen Borchert bei seinen schwierigen Verhandlungen, die er am 29. dieses Monats in Brüssel zu führen hat, und wünschen ihm von Herzen im Interesse der deutschen Landwirtschaft dabei viel Erfolg. ({9})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Jetzt hat der Abgeordnete Horst Sielaff das Wort.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich zwei Vorbemerkungen machen. Die erste Vorbemerkung: Lieber Meinolf Michels, wir wollen die eigene Regierung nicht einseitig kritisieren. Das gemeinsame Gespräch in Brüssel hat das gezeigt. Die Regierung hat ausdrücklich gelobt, wie einmütig wir dort aufgetreten sind. ({0}) Aber man muß auch zur Kenntnis nehmen: Nicht wir als Opposition sitzen im Ministerrat und in den Gremien, sondern die Regierung. Man muß es sich schon gefallen lassen, daß man in die Verantwortung genommen wird. Man kann sich da nicht herausstehlen. ({1}) Die zweite Vorbemerkung: Ich glaube, es ist unbestritten, daß wir es waren, die diese Thematik sehr frühzeitig und immer wieder auf die Tagesordnung des Agrarausschusses gesetzt haben. Insofern sollte man solche Unterstellungen hier nicht leichtfertig machen. ({2}) Vermutlich war das auch nicht so ernst gemeint. Meine Damen und Herren, wir sind uns, glaube ich, heute hier einig - ich möchte das noch einmal unterstreichen -: Die gegenwärtige Agrarpolitik der EU-Kommission ist für unsere Landwirtschaft nicht hinnehmbar. Wir meinen, diese Beschlüsse dürfen nicht Realität werden. ({3}) Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, die Annahme der EU-Agrarbeschlüsse der Kommission zu verhindern. Sie würden ohne andere Kompensationsmöglichkeiten und -maßnahmen in der Tat den Niedergang weiterer landwirtschaftlicher Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland nach sich ziehen. Sie würden weiterhin den Agrarmarkt durcheinanderbringen und die einheimische Landwirtschaft, insbesondere die ökologischen Landwirte, an den Rand der Existenzmöglichkeiten bringen. Ein Zweites. Kontinuität und Verläßlichkeit müssen endlich in die Agrarpolitik einziehen. Auch darin scheinen wir uns einig zu sein. Die Beschlüsse müssen zudem dauerhaft und langfristig angelegt sein, damit der Landwirt auf längere Sicht planen kann. Selbst der neue Agrarkommissar hat diese Kontinuität noch vor wenigen Tagen gefordert; der Landwirtschaftsminister hat darauf hingewiesen. Jetzt erleben unsere Landwirte, wie kurzlebig solche Zusagen sind. Aber jahrelang wurde uns und den Bauern - auch von Ihnen, Herr Borchert - versichert, die Ausgleichszahlungen seien dauerhaft und verläßlich. Heute erleben wir, wie unzuverlässig diese Aussagen waren. Unsere Befürchtungen und Hinweise auf den Finanzierungsvorbehalt wurden lautstark als parteipolitische Polemik und als Gezänk abgetan. Das waren die Fakten. ({4}) Ein Drittes. Die Einseitigkeit der Vorwürfe gegen Brüssel verwundert uns allerdings schon. Es drängt sich der Verdacht auf: Die vielen Rücktrittsforderungen aus den Reihen der CDU/CSU an die Adresse des EU-Agrarkommissars sind auch ein Ablenkungsmanöver. Vor wenigen Tagen erklärte der EU-Agrarkommissar Fischler, im Vergleich zu den Beschlüssen vom letzten Dezember seien die Vorschläge „erstens logisch, zweitens budgetneutral und drittens GATT-verträglich". Viertens entsprächen sie den im Ministerrat bereits vorgetragenen Prinzipien, denen kein Mitgliedstaat widersprochen habe. ({5}) Im Ministerrat sitzt auch der Agrarminister der Bundesrepublik Deutschland. Nach dieser Aussage hat er nicht widersprochen, ({6}) und heute tut er so, als habe er mit den Auswirkungen und Folgen dieses Beschlusses rein gar nichts zu tun. Unterschiedliche Interpretationsversuche sollen - mein Kollege Thalheim hat darauf hingewiesen - von der Mitverantwortung ablenken. ({7}) Die Glaubwürdigkeit der Politik, insbesondere der Regierung Dr. Helmut Kohl, stehe auf dem Spiel, erklärte Herr Bredehorn für die F.D.P. in ihrem Pressedienst. ({8}) Herr Borchert, wer Ihren Worten geglaubt hat, muß sich hintergangen fühlen, wenn diese Brüsseler Beschlüsse Realität werden. Ich sage, Herr Bredehorn: In der Tat steht auch die Glaubwürdigkeit dieser Regierungspolitik und der Agrarpolitik von Herrn Borchert mit auf dem Prüfstand. ({9}) Viertens füge ich hinzu: Die Bundesrepublik Deutschland ist innerhalb der EU kein Zwerg und, wie ich hoffe, auch kein Papiertiger. Der Bundeskanzler erklärte vor wenigen Tagen - ich zitiere die „Frankfurter Rundschau" vom 12. dieses Monats -: „Wir sind Nummer eins in Europa" und „Die Führungsrolle ist da, nicht weil wir sie suchen - sie ist einfach da". ({10}) Diese Aussagen sind mit der zur Schau gestellten Hilflosigkeit des Landwirtschaftsministers schwer in Einklang zu bringen. ({11}) Zeigen Sie in der Agrarpolitik: Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Führungsrolle und hat als größter Einzahler etwas in der europäischen Agrarpolitik zu sagen. Fünftens. Sollten diese Beschlüsse nicht rückgängig gemacht werden, so müßte in der Tat darüber nachgedacht werden, wie die währungsbedingten Verluste unserer Landwirtschaft, notfalls durch eine Anhebung der Vorsteuerpauschale, ausgeglichen werden können, wie es auch der Bauernverband fordert, zumal sich schon heute herausstellt, daß die von Brüssel bereitgestellten Finanzierungsmittel von ca. 136 Millionen ECU als Ausgleichszahlungen bei weitem nicht ausreichen werden. Sechstens. Angesichts dieser Situation auf dem europäischen Agrarmarkt ständig von seiten der Bundesregierung von der Erweiterung der EU zu sprechen, wie es z. B. Herr Seiters heute getan hat, wundert einen ebenfalls. Ich meine, erst wenn ein klares Konzept für eine langfristige Perspektive ({12}) einer umweltfreundlichen und sozial verträglichen Agrarpolitik erkennbar ist, kann man ernsthaft über eine Erweiterung der EU, gerade um agrarstrukturierte Länder, nachdenken. Alles andere ist nicht redlich, lieber Herr Seiters. ({13}) Die Art und Weise des Hin und Her in den Beschlüssen der EU trägt jetzt schon mehr zur Verdrossenheit als zur Akzeptanz der EU bei. Wir als Opposition hoffen, Herr Borchert, daß Sie im Ministerrat Erfolg haben und diese Agrarbeschlüsse zurückgewiesen werden können. Danke schön. ({14})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

In der Debatte fährt jetzt der Kollege Albert Deß fort.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was Kollege Michels angesprochen hat: Was der deutschen Landwirtschaft zur Zeit von Brüssel zugemutet wird, ist unerträglich. Bei steigenden Kosten erhält sie immer weniger für ihre Produkte. In keinem Land der Welt sind, gemessen an der Kaufkraft, die Nahrungsmittel so billig wie in der Bundesrepublik Deutschland. Der Butterpreis hat inzwischen das Niveau von Ende der 30er Jahre erreicht. Der Kommission in Brüssel ist der Preis anscheinend noch zu hoch; denn sie schlägt jetzt vor, daß der Butterinterventionspreis um weitere 2 % gesenkt werden soll. Allein dieses Verhalten der Kommission läßt doch unsere Bauern langsam verzweifeln. Die Situation der deutschen Landwirtschaft ist in weiten Bereichen bereits mehr als entmutigend. Die aktuelle Währungssituation verschlimmert die Lage der deutschen Landwirtschaft dramatisch. Der Einkommensrückstand der deutschen Landwirtschaft ist sehr stark währungsbedingt. Mit viel Mühe haben sich vor allem die süddeutschen Bauern Absatzmärkte in Italien aufgebaut. Durch den Verfall der Lira bricht dieser Absatzmarkt weg. Deshalb versuchen die süddeutschen Bauern über ihre Vermarktungseinrichtungen, verstärkt landwirtschaftliche Produkte auf dem deutschen Markt unterzubringen. Dies hat zur Folge, daß die Agrarpreise in ganz Deutschland nach unten gedrückt werden. Als ob diese negativen Entwicklungen noch nicht ausreichten, schlägt die Kommission jetzt vor, daß die Ausgleichszahlungen in den Hartwährungsländern gekürzt werden sollen. Dieser Vorschlag ist unannehmbar. Bundesminister Jochen Borchert hat die volle Rückendeckung der CSU, wenn er fordert, daß das agrarmonetäre Ausgleichssystem geändert werden muß. ({0}) Es kann nicht sein, daß Finanzminister Theo Waigel immer höhere Beträge für die gemeinsame europäische Agrarpolitik zur Verfügung stellen muß und davon immer weniger an die deutschen Bauern zurückfließt. Die Landwirtschaft in den Schwachwährungsländern wird durch dieses System immer wettbewerbsfähiger und erhält dazu noch höhere Ausgleichszahlungen. ({1}) Unsere eigene Landwirtschaft verliert Marktanteile und erhält dafür auch noch niedrigere Ausgleichszahlungen. Deutschland als größter Nettozahler in den EU-Haushalt finanziert die Vorteile der Schwachwährungsländer. Es kann nicht sein, daß der deutsche Finanzminister dadurch die Existenzbedrohung der deutschen Bauern mitfinanzieren muß. Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft in Europa ist auf dem besten Weg in eine Zweiklassengesellschaft. Die Bauern in den Hartwährungsländern sind die Verlierer, die Kollegen in den Schwachwährungsländern die Gewinner. Länder mit einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik werden bestraft, unsolide, ja chaotische Finanz- und Haushaltspolitik wird belohnt. Auf diesem System kann Europa nicht aufgebaut werden. Bis zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion ist ein neues Agrarausgleichssystem notwendig. An diesem Punkt ist meiner Ansicht nach auch Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl gefordert. Die deutsche Landwirtschaft darf nicht auf dem Altar der europäischen Einigung geopfert werden. Die Verluste, die unsere Bauern erleiden, können betrieblich und durch Mehrarbeit nicht mehr ausgeglichen werden. Was würden andere Gruppen in unserer Gesellschaft aufschreien, wenn sie ähnliche Belastungen wie die bäuerliche Bevölkerung ertragen müßten. ({2}) Wären Löhne, Gehälter und Diäten in Deutschland an das Europäische Währungssystem gebunden, ginge ein Sturm der Entrüstung durch unser Land, wenn in Deutschland 5 % weniger ausbezahlt würden und in Italien und Großbritannien dafür 10 % mehr. Wir hätten dann sicherlich eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für unsere Forderung, daß die deutsche Landwirtschaft nicht weiter benachteiligt werden darf. Wir Bauern brauchen jetzt eine breite Solidarität. Wird sie uns verweigert, wird die Landwirtschaft harte Konsequenzen ziehen. Die Jugend wird aussteigen aus einem Beruf, der stark zur gesellschaftlichen und sozialen Stabilität in unserem Land beiträgt, der unsere Kulturlandschaft pflegt und uns täglich mit frischen, qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt. Nahrungsmittel kann man eventuell noch importieren, nicht aber eine gepflegte Kulturlandschaft und auch nicht gesellschaftliche und soziale Stabilität. ({3}) Mit den Werten in unserer Gesellschaft kann doch etwas nicht stimmen, wenn eine Tonne Abfallbeseitigung inzwischen mehr kostet als eine Tonne Getreide. ({4}) Meine Damen und Herren, wir Bauern werden an die Gesellschaft und an die Politik die Frage stellen, ob sie eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft mit all ihren positiven Auswirkungen will oder ob sie einer agrarindustriellen Produktion auf Agrarinseln zu Weltmarktpreisen das Wort redet. Wenn sich unsere Gesellschaft für die bäuerliche Richtung entscheidet, muß sie auch bereit sein, den Bauern und Bäuerinnen Rahmenbedingungen zu geben, bei denen genügend Luft zum Atmen vorhanden ist. ({5}) Brüssel macht zur Zeit die Luft unerträglich dünn. Wenn die Kommission in Brüssel und die verantwortlichen Regierungen in der EU in ihrer Mehrheit weiter eine ruinöse Preisdruckpolitik für die deutschen Bauern betreiben, müssen sie eines berücksichtigen: Man kann die Preise so weit absenken, bis keine Bauern mehr da sind. Die Zeche bezahlen nicht nur unsere Bauern, sondern auch unsere Verbraucher. ({6}) Dann bleibt als Alternative nur noch: Rindfleisch aus Großbritannien, Wassertomaten aus Holland, Babynahrung aus Spanien und schwermetallhaltiges Gemüse aus Osteuropa. Da kann ich den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern nur noch guten Appetit wünschen. Ich wünsche mir, daß wir gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, um unseren Bauern wieder eine Perspektive zu geben. Der Vorschlag der Kommission muß weg. Er ist ein eklatanter Vertrauensbruch. ({7}) Dazu ist weiter notwendig, daß Agrarüberschüsse in Europa konsequent abgebaut werden, um die Agrarmärkte zu entlasten und einen Preisanstieg der Agrarprodukte zu ermöglichen, damit die landwirtschaftlichen Einkommen wieder ansteigen können. Meine Damen und Herren, es gibt in der SPD durchaus agrarpolitisch vernünftige Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Der Antrag der SPD zur heutigen Debatte ist aber scheinheilig und unglaubwürdig. ({9}) - Jetzt hören Sie bitte auf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn die SPD-Fraktion der Bundesregierung Vorwürfe macht, während die SPD-regierten Länder im Bundesrat fordern, daß steuerliche Vergünstigungen der Landwirtschaft in dieser schwierigen Zeit gestrichen werden. Mehr Falschheit ist nicht möglich. ({10}) Mit einem Antrag vorzutäuschen, daß man sich für die Interessen der Bauern einsetzt, zugleich aber die Bauern im steuerlichen Bereich weiter zu belasten, ist schon ein starkes Stück. Es ist Finanzminister Theo Waigel, der im Rahmen des Jahressteuergesetzes bereit ist, die Belange der Landwirtschaft zu vertreten, die SPD-Länder wollen das jedoch ablehnen. ({11}) Im heutigen Antrag der SPD steht weiter, daß sich die CDU/CSU immer wieder weigerte, die vorhandenen und anwachsenden Agrarüberschüsse abzubauen. Am 12. Dezember 1991 hat die SPD in einem Entschließungsantrag das Gegenteil gefordert. Damals hat sie geschrieben: Die Bundesregierung muß von dem von ihr im wesentlichen immer noch verfolgten falschen agrarpolitischen Konzept der Mengenregulierung wegkommen; ({12})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Deß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thalheim?

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Deß, sind Sie bereit zu akzeptieren, daß die Überschußprobleme bei der Milch nach wie vor ungelöst sind und daß deshalb die Forderung absolut berechtigt ist, ja sogar heute hier in der Diskussion wieder gefordert wurde, die Quoten bei der Milch zu senken? Was ist Ihrer Meinung nach in dem Fall zu tun? Ich kann hier bis jetzt nichts feststellen.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, da sind wir einer Meinung. Ich trete konsequent dafür ein, daß in Europa eine Agrarpolitik der Mengenreduzierung betrieben wird. Die SPD hat aber damals, 1991, genau das Gegenteil gefordert. ({0}) Die SPD hat in ihrem Antrag damals gefordert: Preisstützungen in der Landwirtschaft sind nachhaltig abzubauen, und der Marktzugang muß erleichtert werden. An anderer Stelle heißt es: Von der allgemeinen Zielsetzung, einen freien Welthandel mit offenen Grenzen zu schaffen, darf der EG-Agrarbereich nicht ausgenommen werden. ({1}) - Herr Kollege Thalheim, wenn diese SPD-Forderungen umgesetzt worden wären, wäre längst das Ende der bäuerlichen Landwirtschaft eingeläutet. ({2}) Ein Teil dessen, was die SPD 1991 gefordert hat, ist heute leider eingetreten und hat mit zu dieser schwierigen Situation in der Landwirtschaft geführt. Wer damals diese Forderungen aufgestellt hat, ist heute mit seinen Vorwürfen an die Bundesregierung unglaubwürdig. Wer in den SPD-regierten Ländern die Landwirtschaft benachteiligt, ist agrarpolitisch unglaubwürdig. Bayern unterstützt seine Bauern. Die CSU unterstützt Minister Borchert in seiner schwierigen Aufgabe, weitere Benachteiligungen der deutschen Bauern zu verhindern. ({3})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Kollege Ulrich Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das wir heute diskutieren, erweckt den Anschein, als wäre es ausschließlich ein agrarpolitisches Thema. Ich sage hier so klipp und klar: Dieses Thema geht weit über die Agrarpolitik hinaus und zeigt für mich deutlich auf, ob Europa in der Zukunft vereinigungsfähig ist, ob es gemeinsame Richtlinien und gemeinsame Positionen finden kann oder ob wir genau in dem Bereich, der schon immer als Klammer Europas bezeichnet worden ist, nämlich dem agrarpolitischen Bereich, in einer unnötigen Art und Weise unter Druck kommen, so daß man eigentlich den Glauben an Europa verlieren muß. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, für mich steht in allererster Linie die Politik in Brüssel auf dem Prüfstand. ({0}) Denn da ist eine ganz entscheidende Richtungswende vorgenommen worden, die weder bei der Agrarreform noch bei den darauffolgenden GATT- Verhandlungen so gewollt war. Es war auch nicht der Wille dieses Parlaments, daß die Agrarreform mit ihren Auswirkungen auf dem Feld der agrarmonetären Entwicklung so mißbraucht wird. Damit werden wir als nationales Parlament mehr oder weniger immer konfrontiert werden, weil wir Gott sei Dank aus einem Hartwährungsland kommen und wir Gott sei Dank in einer stabilen finanziellen Situation sind und leider Gottes durch ein unmögliches System auf europäischer Ebene Nachteile hinnehmen müssen. Ich muß in diesem Zusammenhang die Rolle der Kommission hinterfragen. Was versteht die Kommission eigentlich unter Politik für Europa, wenn sie sich in ihren Vorschlägen ausschließlich an den zu erwartenden Mehrheiten orientiert und sich nicht mehr in erster Linie um eine sachgerechte Lösung bemüht? ({1}) Das ist der eigentliche, schwierige Ansatzpunkt, den wir in dieser Frage zu vermerken haben. ({2}) - Die Kommission wird von mir in ihrer Gesamtheit, in ihren Entscheidungsstrukturen heftig kritisiert. Dazu gehört auch Herr Bangemann. ({3}) - Die Wulf-Mathies von der SPD natürlich auch. Liebe Freunde, das hier ist doch kein parteipolitischer Kampf. Seht das doch endlich einmal ein. Es ist vielmehr die Frage, ob wir als deutsches Parlament in der Lage sind, Einfluß auf die zukünftigen Entscheidungsstrukturen in Europa zu nehmen. Hier liegt für mich einiges im argen. Die Agrarpolitik ist auf Grund der Klammer, auf Grund des hohen IntegrationsUlrich Heinrich niveaus in Europa der Bereich, wo die Schwächen am deutlichsten zum Vorschein kommen. ({4}) Die Problematik erkennt man bei uns früher als in anderen Bereichen. Deshalb ist es ein dummes Geschwätz - ich habe es heute in der Zeitung gelesen -, die Debatte würde wieder einmal zeigen, daß die Agrarpolitiker eine Extrawurst haben wollten. Wir wollen keine Extrawurst, sondern wir wollen eine europäische Regelung, die dann auch für unsere Unternehmer, für unsere Landwirte, eine entsprechende Entwicklungsmöglichkeit eröffnet und nicht auf unkalkulierbarer Basis, der Willkür von europäischer Politik, unternehmerisches Handeln zunichte macht. Das ist doch der eigentliche Skandal, der hier zu beklagen ist. ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Heinrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Thalheim?

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, bitte.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Bitte, Herr Kollege.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Heinrich, könnte es vielleicht sein, daß es auch Sachzwänge finanzieller Natur sind, die Ihren Kommissar Bangemann oder die Kommissarin Wulf-Mathies dazu veranlaßt haben, so zu entscheiden, wie sie entschieden haben, und daß wir bei der heutigen Debatte diese Dimension doch vielleicht etwas verdrängen?

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Kollege Thalheim, die finanzielle Begründung, die Vorlage so zu gestalten, wie sie jetzt auf dem Tisch liegt, ist für mich fadenscheinig und nicht nachvollziehbar; denn es liegen Alternativvorschläge auf dem Tisch, die genau diese Finanzierbarkeit berücksichtigen und eher noch Geld sparen würden. Aber der politische Wille, sich mit den entsprechenden Vorschlägen auseinanderzusetzen, fehlt bei der Kommission, weil sie den Weg des geringsten Widerstandes gehen will und hier keinen sachgerechten Lösungsvorschlag auf den Tisch legt, den man dann politisch im Rat zu diskutieren und zu entscheiden hat. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß wir uns an Hand dieses Beispiels sehr gut überlegen müssen, wohin der europäische Weg führt, wenn die Integration und vor allen Dingen die Wirtschafts- und Währungsunion hier nicht konsequent durchgeführt und umgesetzt wird. Ich habe erhebliche Bedenken auf Grund der Tatsache, daß derzeit nur zwei Länder einer Währungsunion beitreten könnten, nämlich die Bundesrepublik Deutschland -

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Heinrich, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? - Vielleicht bekommen wir den Herrn Parlamentarischen Geschäftsführer dazu, auch dem Redner seine Aufmerksamkeit zu schenken. ({0}) Bitte, fahren Sie fort.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe erhebliche Bedenken, nachdem derzeit nur zwei Länder die Kriterien erfüllen, nämlich die Bundesrepublik Deutschland und Luxemburg, daß das Ziel, spätestens bis 1999 eine Währungsunion in der Europäischen Union herbeizuführen, erreicht wird. Ich habe größte Bedenken. Deshalb werden wir uns wahrscheinlich notgedrungen über die Problematik der unterschiedlichen Währungsentwicklung unterhalten und darüber streiten müssen, welchen Weg wir zu gehen haben. Deshalb brauchen wir bald ein solides Fundament, das uns erlaubt, in der Zukunft auch über längere Zeiträume hinaus eine vernünftige Regelung vorzulegen. Das, was derzeit diskutiert wird, ist dazu nicht geeignet. Herzlichen Dank. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat Herr Kollege Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Montag hat der EU-Agrarkommissar Fischler vor dem Ernährungsausschuß Ziele formuliert. ({0}) Diesen Zielen hat er aber dann durch seine Vorschläge nicht entsprochen. Das ist das eigentliche Problem, das wir hier aufzuarbeiten haben. Ich habe den Eindruck, daß Sie von der SPD, Herr Thalheim und Herr Sielaff, an diesem eigentlichen Problem in dieser Debatte vorbeidiskutiert und vorbeiargumentiert haben. ({1}) Zu den hier angesprochen Ausgleichszahlungen - das ist doch von uns allen in Brüssel so kritisiert worden - hat doch der Agrarkommissar Vorschläge unterbreitet, die den Zielvorstellungen, die er vorher genannt hat, nicht entsprachen. Er nannte die Zielvorstellungen nur deshalb, weil er davon ablenken wollte, daß er sich an seinen bisherigen Vorgaben, aber auch an den Beschlüssen der Europäischen Union nicht orientieren wollte. Der Bundeslandwirtschaftsminister, Jochen Borchert, hat doch in seiner heutigen Regierungserklärung verdeutlicht, an welche Beschlüsse sich der EU-Kommissar nicht halten will. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die SPD das nicht nachvollziehen kann. ({2}) So sprach der EU-Agrarkommissar doch auch von der Aufwertungsfestigkeit der Ausgleichszahlungen. Er sprach davon, daß die Landwirte einen vollen Ausgleich erhalten sollen. Nur, realisieren will er diesen vollen Ausgleich nicht; das ist hier schon mehrmals angesprochen worden. Sein Vorschlag läßt 1 % des Ausgleichs - das ist immerhin 40 % des Ausgleichsvolumens - unter den Tisch fallen. Zudem ist dieser Ausgleich noch zeitlich limitiert. In bezug auf die zeitliche Limitierung - daran will ich erinnern - sprach er vor dem Ausschuß immer von fünf Jahren. Richtig ist jedoch, daß er diese zeitliche Limitierung seines Vorschlages gar nicht durchsetzen will. Er will den Ausgleich erst einmal auf drei Jahre festschreiben mit einer Option - man weiß nicht, ob sie durchsetzungsfähig ist - auf zwei weitere Jahre. Das läßt die SPD-Argumentation vollkommen außer acht. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich beim Bundesrat, daß er hier zu einer anderen Auffassung als die SPD im Deutschen Bundestag gekommen ist. ({3}) Einige aus der SPD suchen offenbar noch Aspekte, mit denen EU-Kommissar Fischler seine Vorschläge begründen könnte. Wenn wir diese Widersprüche von Herrn Fischler jetzt nicht verdeutlichen, dann ist zu fragen - das hat Jochen Borchert hier zu Recht angesprochen -: Was passiert eigentlich bei weiteren Aufwertungen in den nächsten Jahren? ({4}) - Sie haben keine Sorge artikuliert, sondern Kritik an der Bundesregierung geübt. Wenn man bei der ersten Aufwertung nicht den vollen Ausgleich zahlt, wird man uns wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch schlechtere Vorschläge präsentieren. Hier ist Vertrauen zerstört worden. Hier ist Widerstand angesagt. Herr Sielaff, Jochen Borchert hat diesen Widerstand von Anfang an verdeutlicht. Deswegen läuft Ihre Kritik ins Leere. ({5}) Wir wollen eine glaubwürdige Politik. Wir wollen, daß das bisher Gültige für die deutschen Bauern auch jetzt Gültigkeit haben soll. Deshalb unterstützen wir Jochen Borchert. Wir unterstützen ihn, damit er seine Position für die deutsche Landwirtschaft durchsetzen kann. Wir haben unsere Forderungen in unserem Antrag festgeschrieben. Wir stehen auf der Seite der deutschen Landwirte. Wir wollen Schaden von ihnen abwenden. ({6}) Die SPD ist offenbar nicht in der Lage, solche Forderungen mitzutragen. ({7}) Der Antrag der SPD zum Währungsausgleich - darauf hat Albert Deß zu Recht hingewiesen - erschöpft sich in verunglückten Angriffen gegen die CDU/ CSU.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich gestatte keine Zwischenfrage, weil ich nicht sehr viel Zeit habe. Herr Sielaff hatte ausreichend Zeit, seine Position zu begründen. Sie von der SPD haben im Ausschuß erklärt, daß Sie Ihren Antrag in einer Nacht geschrieben haben. Manches müssen Sie im Dunkeln formuliert haben; denn bei Licht besehen sind einige Ihrer Formulierungen einfach falsch. ({0}) Bei einer Forderung Ihres Antrags kann ich Sie allerdings unterstützen. Es geht um die Forderung, Wettbewerbsnachteile für die deutsche Landwirtschaft möglichst zu beseitigen. Nur, dann fangen Sie doch einmal bei den SPD-regierten Ländern an. Bisher ist jede SPD-Landesregierung zu einem Wettbewerbsnachteil für die deutsche Landwirtschaft geworden. ({1}) Meine Damen und Herren, wir wollen die Agrarreform und ihre Zielvorstellungen sichern. Auch hier ist die EG-Agrarkommission zu kritisieren ({2}) - lassen Sie mich doch einmal ausreden; ich lasse doch auch Sie ausreden -, da sie nicht nur bei der Frage des Aufwertungsausgleichs von den Zielvorstellungen zur Agrarreform abrückt. Sie will Preise möglichst nah an das Interventionsniveau heranführen. Ziel der Agrarreform war und ist es jedoch, die Preise vom Interventionsniveau nach oben wegzuentwickeln, und zwar auch durch mengenregulierende Maßnahmen. Das wäre auch unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll. Sich über dieses Ziel der Agrarreform hinwegzusetzen, ist auch ein Vertrauensbruch. Wir brauchen in der EU-Agrarpolitik Kontinuität und nicht willkürliche Vorschläge der Kommission. Auch hier sind die eindeutigen Aussagen von Jochen Borchert zu begrüßen. Meine Damen und Herren, wir kritisieren die Kommission da, wo es notwendig ist. Deshalb sind wir keine Gegner Europas. Ich kritisiere auch die SPD- Landespolitik von Niedersachsen. Ich kritisiere sie deshalb, weil ich mein Bundesland stärken und nicht schwächen will. ({3}) Ich möchte Europa stärken, wo es notwendig ist. Ich kritisiere deshalb auch die Kommission da, wo sie Schwächen aufzeigt, da, wo sie Schwächen verdeutlicht. Deshalb fordern wir, daß die deutsche Landwirtschaft jetzt und auch in Zukunft keine aufwertungsbedingten Nachteile erfahren darf. Es darf nicht sein, daß wir die Zahlungen an die Europäische Union in harter Deutscher Mark vornehmen, aber Auszahlungen aus der Europäischen Union in dem ständig schwächer werdenden ECU zurückbekommen. Die europäische Agrarpolitik darf nicht die bestrafen, die die Maastricht-Kriterien erfüllen, deren gute Finanzpolitik zu einer harten Währung geführt hat, und diejenigen begünstigen, deren Politik ständig zur Abwertung der Währung führt. Jochen Borchert hat ein Konzept, das genau dies nicht eintreten lassen will. Deshalb unterstützen wir ihn. Jochen, du hast unsere volle Unterstützung! ({4})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Ronsöhr, erlauben Sie mir eine kleine Bemerkung, aber es ist für den einen oder anderen Neuen - das war Ihre Jungfernrede - hilfreich zu wissen: Zwischenfragen werden zeitlich nicht angerechnet. Da wird die Uhr angehalten. Sie bietet dem Redner natürlich auch die Möglichkeit, seine eigene Redezeit auf diese Weise etwas zu verlängern. Verweigert der Redner die Zwischenfrage, bin ich gelegentlich in der Situation, in der ich jetzt bin, daß ich dem Zwischenfrager, der nicht zu Wort gekommen ist, das Wort für sehr viel mehr, nämlich für eine Kurzintervention, erteilen muß. Herr Kollege Sielaff, Sie haben das Wort.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es in der Tat kurz. Herr Ronsöhr hat etwas unterstellt, was in der Sache nicht stimmt. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir den Inhalt des gemeinsamen Antrages, der im Ausschuß vorliegt, nicht aufgekündigt haben. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß wir diesen Punkt - nicht die Erklärungen und Erläuterungen - ausdrücklich mit unterstützen. Wir haben dann einen erweiterten Antrag gebracht, nachdem wir in Brüssel erfahren haben, daß zumindest die Beratungen im Ministerrat unterschiedlich interpretiert werden. Insofern ist es nicht hilfreich, wenn von der CDU behauptet wird, die SPD trage diesen gemeinsamen Punkt in der EU- Agrarpolitik nicht mehr. Wir tragen diesen Punkt gegen die neuen Beschlüsse der EU-Kommission mit. Ich hoffe, Herr Präsident, es war kurz genug. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Sehr gut. - Herr Kollege Ronsöhr, Sie haben jetzt Gelegenheit zu replizieren, wenn Sie wollen. ({0}) - Sie müssen nicht, nein. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist beantragt worden, die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 13/1401 und 13/1385 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zur Mitberatung an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Besteht damit das Einverständnis des Hauses? - Dies ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung preisgebundenen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht ({1}) - Drucksache 13/783 - ({2}) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung preisgebundenen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht ({3}) - Drucksachen 13/1041, 13/1187 - ({4}) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Andrea Fischer ({5}), Antje Hermenau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Mieten in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin in das Vergleichsmietensystem durch wohnwertbezogene Preisbildungsfaktoren ({6}) - Drucksache 13/549 - ({7}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({8}) - Drucksache 13/1386

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Abgeordnete Iris Gleicke Hildebrecht Braun ({0}) Dr. Michael Luther Norbert Otto ({1}) bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 13/1394 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Rolf Niese Antje Hermenau Adolf Roth ({3}) Jürgen Koppelin b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Helmut Wilhelm ({5}), Antje Hermenau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verknüpfung einer Mietrechtsänderung Ost mit einer gleichzeitigen Wohngeldanhebung zu dem Antrag der Abgeordneten KlausJürgen Warnick und der Gruppe der PDS Sozial verträgliches und überschaubares Mietensystem in Deutschland sowie Mindestbedingungen bei der Einführung des Vergleichsmietensystems in Ostdeutschland - Drucksachen 13/546, 13/759, 13/1386 Berichterstattung: Abgeordnete Iris Gleicke Hildebrecht Braun ({6}) Dr. Michael Luther Norbert Otto ({7}) c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche - Verlängerung des Kündigungsschutzes für gewerblich genutzte Räume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke - Drucksache 13/67 - ({8}) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({9}) - Drucksache 13/776 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Dietrich Mahlo Dr. Eckhart Pick d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({10}) zu dem Antrag des Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick und der weiteren Abgeordneten der PDS Verlängerung der erweiterten Kündigungsschutzregelungen für Mieterinnen und Mieter in Ostdeutschland bis zum Jahr 2000 - Drucksachen 13/582, 13/1396 Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Joachim Hacker Dr. Michael Luther Ich wäre den Kollegen, die an dem jetzt aufgerufenen Tagesordnungspunkt nicht teilnehmen wollen, für einen raschen Wechsel dankbar, damit wir in der Beratung fortfahren können. Zum Mietenüberleitungsgesetz liegt ein Entschließungsantrag der Gruppe der PDS vor. Außerdem sind Änderungsanträge angekündigt. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich weise schon jetzt darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache zwei namentliche Abstimmungen und eine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis haben werden. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Dr. Dietmar Kansy das Wort.

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Meine Damen und Herren! Fast fünf Jahre nach Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion debattiert und beschließt der Deutsche Bundestag erstmalig ein Gesetz, das das Mietrecht in den neuen Bundesländern regelt. Die heute geltenden mietrechtlichen Vorschriften sind Verordnungen, die gemäß Einigungsvertrag von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wurden. Ich halte es deswegen für ein gutes Zeichen, wenn die in den langen Beratungen gefundene jetzige Fassung des Gesetzes von CDU/CSU, SPD und F.D.P. gemeinsam getragen wird. Lassen Sie mich anmerken: Dies ist bei unterschiedlichen ordnungspolitischen Vorstellungen in der Wohnungspolitik nicht selbstverständlich. Aber dies erleichtert es uns, gemeinsam bei den Menschen in den neuen Bundesländern, aber nicht nur dort, um Vertrauen für die jetzt gefundene Regelung zu werben, und dies möchte ich am Anfang meiner Ausführungen auch tun. Mein Kollege Dr. Luther wird im Laufe dieser Debatte aus der Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den wichtigsten Detailregelungen dieses Gesetzes Stellung nehmen. Ich möchte den Beginn dieser Aussprache nutzen, die politischen Leitlinien dieses Gesetzes im Grundsätzlichen zu erläutern und für sie zu werben. Die erste Frage war: Brauchen wir fast fünf Jahre nach der Wiedervereinigung überhaupt noch separate Regelungen für die neuen Bundesländer? Diese Frage wird uns naturgemäß nicht nur in Westdeutschland gestellt, wo nur wenige Menschen persönliche Erfahrungen mit den Schwierigkeiten in einer Übergangszeit von einer staatlichen Zwangswirtschaft in eine Soziale Marktwirtschaft haben, sondern sie wird auch von ostdeutschen Wohnungseigentümern, ostdeutschen Genossenschaften und Wohnungsunternehmen gestellt. Viele argumentieren dort, nun wollten sie endlich kraftvoll Soziale Marktwirtschaft auch im Wohnungsbereich praktizieren, um die schwere Hypothek sozialistischer Mißwirtschaft zu überwinden, und dürften es nicht. Sozusagen programmgemäß kommen die Verursacher der Situation in den neuen Bundesländern herein, nämlich die PDS-Kollegen. Ich erinnere an dieser Stelle: Am Ende der SED-Herrschaft waren von den rund 7 Millionen Wohnungen in den neuen Ländern 1,4 Millionen Wohnungen verfallen oder kurz davor. Mit dieser Hypothek müssen wir uns heute auseinandersetzen. ({0}) Dazu dient auch die Mietanpassung, die wir mit diesem Gesetz vornehmen müssen. Es bleibt die Frage, warum noch bis Ende 1997 für die neuen Länder ein Sonderrecht gelten muß. ({1}) Die Antwort ist: Wir haben im Einigungsvertrag vereinbart, daß die Mietanpassung in den neuen Ländern nicht losgelöst von der Einkommensanpassung erfolgen kann. Erinnern wir uns - viele in Westdeutschland wissen es nicht -: Bei der Wiedervereinigung waren die Wohnungsmieten in der ehemaligen DDR tatsächlich auf sehr niedrigem Niveau, teilweise preisgebunden und auf dem Niveau der Vorkriegszeit, mit den dargestellten Konsequenzen des Verfalls ganzer Stadtteile. Durch die beiden Grundmietenverordnungen, von denen ich vorhin sprach, ist in den letzten knapp fünf Jahren der höchstzulässige Mietzins bei der Nettokaltmiete von im Schnitt 80 Pf zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung auf durchschnittlich 4,50 DM pro Quadratmeter und Monat erhöht worden. Aber dieser Anstieg wurde begleitet von hohen Einkommenszuwächsen, und zwar bei den Realeinkommen, trotz dieser bisherigen Mieterhöhung. Dies, meine Damen und Herren, führt dazu, daß heute nicht nur die Durchschnittsmiete sichtbar unter der vergleichbaren westdeutschen Nettokaltmiete liegt, sondern auch der prozentuale Anteil des Familieneinkommens, der für das Wohnen aufgewandt wird, in den neuen Ländern noch etwa 5 % niedriger ist als in den alten Ländern. Die Warmmieten betragen - natürlich etwas unterschiedlich in den neuen Ländern - heute etwa zwischen 18 und 23, 24 % des Familieneinkommens. Dies wird u. a. durch ein Sonderwohngeld Ost erreicht, das mit diesem Gesetzentwurf sowohl verlängert als auch verbessert wird, um auch uns bekannte Probleme bei bestimmten Gruppen zu entschärfen, beispielsweise die Situation der Einzelpersonen in einer großen Wohnung und ähnliche Fälle. Meine Damen und Herren, dennoch sind die vorgesehenen Mietbegrenzungen und das Sonderwohngeld - ich sagte es schon - angesichts der allgemeinen Situation in den neuen Bundesländern gerechtfertigt. Auf der anderen Seite wissen wir um die schwierige Situation der ostdeutschen Wohnungswirtschaft. Der SED-Staat hat - ich sagte es bereits - einen großen Teil der Wohnungen, insbesondere im Altbau, in einem miserablen Zustand hinterlassen. Hier besteht ein riesiger Investitionsbedarf, um die Wohnungen in einen angemessenen Zustand zu versetzen. Eine Reihe der in dem Gesetz enthaltenen Regelungen, wie die sogenannten Kappungsgrenzen bei laufenden Mietverträgen, die Kappungsgrenzen bei Wiedervermietung aus dem Bestand und die Kappungsgrenzen bei der Modernisierung, erschweren es den Unternehmen natürlich, möglichst umfangreich instandzusetzen und zu modernisieren. Nötige Investitionen in Milliardenhöhe könnten verschoben werden, was dann auch Auswirkungen auf die Baukonjunktur und den Arbeitsmarkt in den neuen Ländern hätte. Hier liegt ein erkennbarer Zielkonflikt vor. Wer fair mit diesem Thema umgeht, muß dies auch aussprechen. In dem großen Bereich der Neubauten - wir haben das schon beim Altschuldenhilfegesetz diskutiert - ist zudem die Finanzierung in weitem Umfang nicht durch staatliche Zuschüsse, sondern durch Kredite der Staatsbank der DDR erfolgt. Diese Kredite waren das Äquivalent zu den Spareinlagen der DDR-Bürger zur DDR-Zeit. Diese Spareinlagen wurden bei der Wirtschafts- und Währungsunion 1 : 1, zu einem kleinen Teil auch 1: 2, umgetauscht. So blieben als Konsequenz dieser von allen gewünschten Umtauschaktion Schulden in D-Mark. Rund 30 Milliarden DM Schulden - das ist die Mehrheit dieser Schulden - wurden den Unternehmen erlassen. Der kleinere Teil, der im übrigen pro Wohnung geringer ist als die durchschnittlichen Finanzierungsschulden in Westdeutschland, muß gemäß Altschuldenhilfegesetz ab 1. Juli dieses Jahres bedient werden, und zwar im Schnitt mit etwa 1 DM pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat. Deswegen haben die Bauminister des Bundes und der neuen Länder bereits vor längerer Zeit in dem sogenannten Magdeburger Kompromiß vereinbart, daß zeitgleich mit dem Fälligwerden des verbliebenen Teils der Schulden - ich wiederhole, der größere Teil ist erlassen worden, aber nicht allein deswegen - die Miete erhöht werden kann, um die Unternehmen nicht handlungsunfähig zu machen und Investitionen jeder Art völlig zu stoppen. ({2}) Diese Mieterhöhung, die tatsächlich frühestens zum 1. August dieses Jahres zu Mehrausgaben der Mieterhaushalte führen wird, wird im Schnitt etwa 80 Pfennig pro Quadratmeter und Monat betragen, ohne eventuelle Aufwendungen für Modernisierung, die wir deswegen gedeckelt haben, um die Mieter nicht zu überfordern. Meine Damen und Herren, in Westdeutschland wird auch gefragt: Warum ist das Wohngeld in den neuen Ländern besser als in den alten? Es ist unbestritten, daß eine Rentnerin in Düsseldorf bei gleicher Miete und gleichem Einkommen weniger Wohngeld erhält als eine Rentnerin in Leipzig. Dennoch halten wir auch das Sonderwohngeld noch für eine Übergangszeit für gerechtfertigt, weil die Menschen in den neuen Ländern in ihrer großen Mehrheit Belastungen ausgesetzt sind, die wiederum bei der großen Mehrheit der Westdeutschen zur Zeit trotz mancher Probleme nicht vorhanden sind. Kritik erfahren wir auch aus Verbänden der Wohnungswirtschaft. Sie halten die Einführung der Kappungsgrenze bei Neuvermietung aus dem Bestand oder bei der Modernisierung für einen gefährlichen Weg, der selbst sozial verpflichteten Umgang mit Eigentum erschwert, vernünftiges unternehmerisches Handeln behindert und die heute schon viel zu große Zahl staatlicher Reglementierungen weiter vergrößert. Nur, meine Damen und Herren, dieses auch im Sinne der Wohnungswirtschaft dringend notwendige Gesetz war nur durch Kompromisse mit den neuen Ländern und mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu haben, und zwar faire Kompromisse und keine faulen. ({3}) Und ordnungspolitische Glaubensbekenntnisse helfen eben nicht überall weiter. Aber ich sage, diese Kappungsgrenzen sind Übergangsregelungen, die nur in den neuen Ländern gelten und nach dem festen Willen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht im allgemeinen deutschen Mietrecht landen werden und landen dürfen. Damit komme ich zum Schluß noch einmal auf den langen und mühseligen Weg zurück, den wir mit diesem Kompromiß bis heute gegangen sind. Ich möchte mich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowohl bei Bundesbauminister Töpfer, Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, den Bauministern der neuen Länder einschließlich Berlins sowie den Bundestagsfraktionen der F.D.P. und SPD für die Kompromißbereitschaft und die Suche nach diesem Kompromiß bedanken. ({4}) Wir hätten großen Schaden nicht nur für die Wohnungswirtschaft, sondern langfristig auch für die Mieter in den neuen Ländern herbeigeführt, die vernünftige Wohnungen brauchen, wenn wir uns nicht geeinigt hätten. In einer ganz besonders schwierigen Situation war unser Bundesbauminister, deswegen soll er eine Sonderportion Dankeschön auch in dieser Debatte bekommen. ({5}) Er war nämlich der Verhandlungsführer der Bundesregierung, und mir kam er manchmal so vor wie der Hase in dem berühmten Märchen von Hase und Igel. Auf der einen Seite der Furche standen die neuen Länder und später noch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, und auf der anderen Seite standen die Koalitionsfraktionen und die Justizministerin. Er ist ordentlich gehetzt worden, hat aber diese Prozedur überlebt, und wie wir ihn kennen, hat er uns auch schon zum Glas Bier eingeladen. In diesem Sinne vielen Dank, Herr Minister, für Ihre Arbeit. ({6}) Zum Schluß noch ein erstes Wort auch an die Menschen in den neuen Ländern, die uns heute hören und sehen, an die Mieter und die Wohnungsunternehmer, an den Mieterbund, an die Verbände der Wohnungswirtschaft, an die vielen Hundertausende Christdemokraten, Sozialdemokraten, Freidemokraten draußen, in den Ländern und Kommunen: Haben Sie bitte Vertrauen in die Lösung, die gefunden wurde! Verteidigen Sie sie vor Ort gegen Agitatoren, insbesondere, wenn sie als Kurpfuscher heute Wunderheiler spielen. Dieses Gesetz, geschrieben im Geiste des Einigungsvertrages, ist ein Stück Hoffnung für uns alle zusammen. Vielen Dank. ({7})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Achim Großmann.

Achim Großmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000735, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Magdeburger Kompromiß vor zweieinhalb Jahren, bei dem die Zweite Grundmietenverordnung beschlossen und das Fenster für den Übergang ins Vergleichsmietensystem sozusagen aufgemacht worden ist, hatte die Bundesregierung zweieinhalb Jahre Zeit, um einen Gesetzentwurf zur Einführung der Vergleichsmiete vorzulegen. Wir alle wissen, daß diese Zeit miserabel genutzt worden ist. Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Erst unter wirklich starkem zeitlichem Druck ist zum Jahresende 1994/95 Bewegung in diese Frage gekommen. Danach hat die Bundesregierung durch Streit innerhalb der Koalitionsparteien weitere wertvolle Wochen vertan. Die Rahmenbedingungen des Zustandekommens dieses Gesetzentwurfes müssen wir daher scharf kritisieren. Ich glaube, daß der Kompromiß, den wir heute mittragen werden, eine seriösere Grundlage hätte haben können, noch mehr Meinungen hätten ausgetauscht werden können, das eine oder andere noch präziser hätte dargestellt werden können, wenn die Bundesregierung entsprechend frühzeitig einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt hätte und wir diese Hetze nicht gehabt hätten. ({0}) Unter diesen Vorzeichen hat die SPD im Gesetzgebungsverfahren einen Mietenkompromiß erzielt, der trotzdem einen Großteil unserer Forderungen beinhaltet. Wir haben den Mieterinnen und Mietern in den neuen Bundesländern versprochen, dafür zu kämpfen, daß der Übergang in das Vergleichsmietensystem so sozialverträglich wie nur eben möglich erfolgen soll, begleitet von einer verlängerten Geltungsdauer des Wohngeldsondergesetzes und einem verbesserten besonderen Wohngeld. Heute können wir den Mieterinnen und Mietern sagen: Wir haben Wort gehalten, wir haben unser Versprechen gehalten. Der Kompromiß, der auf dem Tisch liegt, ist mieterfreundlich und sozialverträglich. Er ist für die Mieter, aber auch für die Wohnungswirtschaft ausgewogen. ({1}) Ein paar Eckwerte - denn natürlich interessiert die Menschen, was in dem Gesetzentwurf steht -: Bei Wohnungen, die keinen ausreichenden Standard haben, die also mindestens drei Beschaffungskriterien nicht erfüllen, können keine Mieterhöhungen erfolgen. Wo z. B. ein Bad oder eine Zentralheizung fehlt, können die Mieten in den ersten eineinhalb Jahren nur um 10 % und, wenn diese Menschen in Städten wohnen, die über 20 000 Einwohner haben, um weitere 5 % steigen. Darüber hinaus gibt es beim normalen Wohnungsbestand Mietsteigerungen von nur 15 % in zweieinhalb Jahren, wobei, wie gesagt, bei größeren Städten eine weitere fünfprozentige Mieterhöhung möglich ist. Wir haben im Gesetz geregelt, daß die Umlage für Modernisierungen, die bis jetzt maximal 11 % betrug, gekappt wird. Für Modernisierungen dürfen die Mieten um maximal 3 DM pro Quadratmeter erhöht werden. Zusätzlich - das macht Sinn - gibt es die Möglichkeit, daß Vermieter und Mieter einen Vertrag schließen, d. h. auf freiwilliger Basis sagen, wir wollen ein bißchen mehr Modernisierung haben. Dann kann die Kappungsgrenze außer Kraft gesetzt werden. Die Freibeträge im Wohngeldsondergesetz, die zum 1. Juli dieses Jahres herabgesetzt werden sollten - teilweise sollten sie ganz wegfallen -, haben wir erhalten. Das Wohngeldsondergesetz, das am 31. Dezember dieses Jahres ausgelaufen wäre, gilt ein weiteres Jahr. Darüber hinaus bleibt es bei der Berücksichtigung des „warmen Wohngeldes" bis Mitte nächsten Jahres. Schließlich - das ist für uns sehr wichtig - gibt es ein Zustimmungsverfahren. Ein Mietvertrag ist, wie das Wort schon sagt, ein Vertrag. Beide Seiten müssen zustimmen. Dieses rechtliche Verfahren, das im Westen im Miethöhegesetz Gültigkeit hat, haben wir auf den Osten unseres Landes, auf die neuen Bundesländer, übertragen. Wir haben nicht zugelassen, daß es ein Zweiklassenmietrecht gibt. Ich glaube, auch das ist ein großartiger Erfolg. ({2}) Natürlich sähe der Kompromiß anders aus, wenn die SPD in Bonn mit Mehrheit regiert hätte. ({3}) Kompromisse können nur entstehen, indem beide Seiten aufeinander zugehen und von ihren ursprünglichen Forderungen ein Stück zurücknehmen. Aber alle Mieterinnen und Mieter in den neuen Bundesländern sollen wissen: Wenn wir um diesen sozialverträglichen Mietenkompromiß nicht gekämpft hätten, läge jetzt ein Gesetz auf dem Tisch, mit dem das Wohngeld abgebaut worden wäre, in dem Kriterien für drastische Mietpreiserhöhungen enthalten wären, und wir hätten ein Zweiklassenmietrecht für Ost und West. Darauf, daß wir das verhindert haben, sind wir ein Stück stolz. ({4}) Den Kompromiß so zu erstreiten, wie er heute verabschiedet wird, war ein Stück harter Arbeit. Leider haben sich nicht alle Fraktionen dieses Hauses an dieser harten Arbeit beteiligt. Die PDS hat die Mieter verunsichert und ihnen Angst eingejagt. ({5}) Sie hat auf dem Rücken ängstlicher Mieter eine egoistische Kampagne zur eigenen parteipolitischen Profilierung ausgetragen. ({6}) - Sie wollen mit populistischen Argumenten den Mietern weismachen, daß Mietsteigerungen nicht nötig seien und daß sich die Altschulden in Luft auflösen könnten. ({7}) Sie haben auf Marktplätzen und in Wohnsiedlungen mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten agitiert, ({8}) statt hier im Bundestag zu arbeiten. In Wirklichkeit haben Sie in Bonn die Hände in den Schoß gelegt. Sie haben nicht einen einzigen Änderungsantrag im Gesetzgebungsverfahren eingebracht. ({9}) Sie wollen spalten, weil Sie als Partei nur überleben können, wenn Sie spalten. ({10}) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der aus meiner Sicht völlig unpraktikabel ist. Man muß sich einmal vorstellen, daß Mietstrukturen geschaffen werden sollen, die sich in den Mietpreisen je nach guter, mittlerer und schlechter Wohngegend teilweise nur um Pfennigbeträge unterscheiden. Das ist im Grunde genommen ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Bürokraten. Die Wohnungsgesellschaften müßten ihre Verwaltungen erneut aufblähen, obwohl wir doch alle froh sind, daß die völlig überbevölkerten Verwaltungsapparate aus der alten DDR-Zeit gerade abgespeckt worden sind. ({11}) Schauen wir uns den Antrag der GRÜNEN ein bißchen näher an. Es gibt riesige Tabellen, die man kaum überschauen kann. Eine Kategorie ist nach Wohnungsstandard, nach Wohnungsgröße und nach einfach, mittel und gut unterschieden. Da soll also für eine Wohnung mit 40 bis 80 m2 in der Kategorie „einfach" die Miete ab 1996 4,44 DM, ab 1997 4,66 DM und ab 1998 4,89 DM betragen. Bei der Kategorie „mittel" steigt die Miete von 4,44 DM auf 4,48 DM. Es wird also ein riesiger bürokratischer Aufwand benötigt, um zu entscheiden, ob in einer Wohnung vier Pfennige mehr oder weniger bezahlt werden sollen. Das ist völlig unvorstellbar. ({12}) Nehmen wir nun einmal die Mieterhöhung von 1996 auf 1997. Sie würde bedeuten, daß die Miete um 22 Pfennig steigt. Rechnet man nun das Porto für den Brief, den man dem Mieter schicken muß, dann ist die Mieterhöhung der ersten fünf Monate schon weg, nur weil der Brief mit der Mieterhöhung verschickt werden muß. ({13}) Allein diese Beispiele machen klar, daß der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wirklich nicht ernst zu nehmen ist. Er ist ein Zeichen von Bürokratie, von aufgeplusterten Apparaten, und hilft uns beim Übergang ins Vergleichsmietensystem nicht weiter. ({14}) Jetzt, da endlich ein guter Kompromiß unter Dach und Fach ist, spielen Sie den schlechten Verlierer, statt zu sagen: Ja, das ist ein wichtiges Stück Mieterschutz, das wir erzielt haben und das auch die SPD mit erkämpft hat. Eine noch bessere Lösung verhindert nicht die SPD, eine noch bessere Lösung verhindern die Bundesregierung, die CDU/CSU und die F.D.P. Das ist die Wahrheit. Ich bin bereits darauf eingegangen, daß die Koalitionsparteien durch wochenlangen Koalitionsstreit eine zügige Beratung verspielt haben. Genutzt hat es der F.D.P. nichts, wie wir seit letztem Sonntag wissen. Dennoch respektiere ich den Kompromißschritt, den die F.D.P. gemacht hat. Für die überwiegend konstruktive Arbeit sage ich den Kollegen aus CDU, CSU und auch der F.D.P. Dank, ebenso der Justizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, und dem Bundesbauminister Töpfer, aber auch den ostdeutschen Bauministern, die sich sehr ins Zeug gelegt haben. ({15}) Ich bin sicher, daß sich die Arbeit und der Streit gelohnt haben. Der Dank gilt leider nicht - man muß ja sehen, daß die Gefechtslage geklärt bleibt - für einen sehr wesentlichen Teil, bei dem wir nur einen ganz geringen Kompromiß erzielt haben. Das ist das Wohngeld. Was Sie, die Koalitionsparteien, und auch Sie, Herr Bauminister Töpfer, mit dem Wohngeld veranstalten, ist ein Trauerspiel. ({16}) CDU/CSU und F.D.P. haben bei den Haushaltsberatungen noch im Februar dieses Jahres gesagt und mit ihrer Mehrheit vom Bundestag beschließen lassen: Die Bundesregierung bleibt darüber hinaus gehalten, für Anfang 1996 eine allgemeine Leistungsnovelle zum Wohngeldgesetz vorzulegen und dabei Rechtsvereinfachungen vorzusehen. Heute, zwei Monate später, sind Sie nicht bereit, Ihre eigene Forderung in das Gesetz hineinzuschreiben. Bauminister Töpfer hat zum Jahreswechsel 1994/ 95 gesagt, er lege 1996 die Wohngeldnovelle vor, was eine Mehrbelastung von 1,8 Milliarden DM für den Bund ausmache. Einen Monat später haben Sie gesagt: Vorwärts, wir müssen zurück. Sie haben dann den geordneten Rückzug angetreten. Bei der Wohngeldnovelle wurde wieder von 1996 gesprochen. Es war aber nur noch von 1 Milliarde DM die Rede; 0,8 Milliarden DM waren schon verschwunden. Im April haben Sie erneut eine Presseerklärung gemacht; Sie wollen offensichtlich in der Erinnerung der Leute bleiben. Wiederum haben Sie gesagt: Die Wohngeldnovelle kommt 1996. Aber Sie haben schon keine Hausnummer mehr genannt. Sie haben nicht gesagt, was das für den Bund bedeutet. Es wird noch komplizierter; denn Sie haben immer nur gesagt: Die Wohngeldnovelle kommt 1996. - Wann sie in Kraft tritt, haben Sie bis heute nicht gesagt. Herr Bundesbauminister, nehmen Sie die Gelegenheit heute wahr, nicht so zu reden, daß die Journalisten draußen im Lande verkünden können „Wunderbar, Bauminister Töpfer erhöht 1996 das Wohngeld", sondern sagen Sie uns, wann Sie die Wohngeldnovelle einbringen. Aber sagen Sie uns bitte gleichzeitig, welchen finanziellen Umfang sie haben soll und vor allen Dingen, wann sie in Kraft treten soll. ({17}) Meine Damen und Herren, große Teile des Mietenüberleitungsgesetzes tragen die Handschrift der SPD. Wir konnten nicht alle Forderungen durchsetzen. Aber wir stehen zu diesem Kompromiß. Die SPD wird diesem Gesetz deshalb in zweiter und dritter Lesung zustimmen. Vielen Dank. ({18})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist fast schon ein historischer Tag: Wir erleben hier ein Stück große Koalition. ({0}) Sie ist eben sehr bewußt dargestellt worden. Ich glaube, es ist die erste wichtige große Koalition, die wir in diesem Hause miterleben. Eigentlich wollte ich zu unserem Gesetzentwurf nicht so viel sagen. Aber nachdem Herr Großmann ihn so abgetan hat, muß ich es doch tun. Zunächst muß ich darauf hinweisen, daß ich es wirklich als sehr ignorant empfinde - ich muß die SPD eigentlich einbeziehen; ich wollte ursprünglich vor allem die Regierungskoalition ansprechen -, daß Sie die sehr qualifizierte Studie, die zehn ostdeutsche Städte zusammen mit dem Deutschen Städtetag im Herbst 1994 vorgelegt hatten und die Grundlage unseres Gesetzentwurfs ist, so schlicht in den Papierkorb geworfen haben und daß Sie, Herr Großmann, sie nach dem Motto ex und hopp als eine bekloppte Sache abtun. Damit haben Sie eindeutig bewiesen, daß ein methodisch gut durchdachter Ansatz für ein Übergangsrecht vom Tisch gefegt wird, daß Sie sich um das, was die ostdeutschen Städte - Dresden, Leipzig, Zwickau, Erfurt, Gera, Magdeburg, Halle, Dessau, Rostock und Potsdam - selbst erarbeitet haben, um das, was da gedacht und entwickelt wird, einen Dreck scheren, weil Sie meinen, daß das eigentlich überhaupt nichts wert sei. Ich halte das für sehr arrogant. ({1}) Auf dem aufbauend, haben wir etwas relativ Einfaches gemacht. Wir haben erst einmal einen Mietspiegel simuliert, damit das, was der Einigungsvertrag vorgibt - nämlich am Wohnwert, an der Lage, der Größe und der Ausstattung orientierte Mieten -, differenziert wird. Das Problem ist nämlich: Nicht Sie haben die Hausaufgaben des Einigungsvertrages erfüllt, sondern wir haben sie erfüllt. Daß sich dadurch so differenzierte Mieten ergeben, liegt an der Methode. ({2}) Ich werde Ihnen gleich an einem Beispiel vorrechnen, daß sich bei diesen Mieterhöhungen, die Sie jetzt gemeinsam beschließen werden, das Porto allemal lohnt. Vorher möchte ich auf das, was uns das Wichtigste ist, eingehen. Hier wird immer wieder - und ich erschrecke darüber, wie einseitig - der Blickwinkel der Wohnungswirtschaft in den Vordergrund gerückt. Ich finde den Blickwinkel der Wohnungswirtschaft wichtig. Ich möchte ihn nicht beiseite schieben. Aber ich bitte darum, daß mit dem gleichen Engagement der Gegenblickwinkel, die Situation der Mieter, ernstgenommen wird und daß insbesondere die Aspekte Durchschnittseinkommen der ostdeutschen Mieter, Arbeitslosigkeit und Rentensituation wirklich ernsthaft in die Debatte eingebracht werden. ({3}) Sie sind nicht eingebracht worden. Tatsache ist - ich wiederhole es -: Das Durchschnittseinkommen Ost entspricht dem, was zu einer Sozialwohnung berechtigt. Das heißt also, daß 50 % der Ostdeutschen sozialwohnungsberechtigt sind. Das findet in diesem Gesetz überhaupt keine Berücksichtigung. Die Einkommenssteigerungen, die für dieses Jahr erwartet werden, betragen für die Rentner höchstens 2,5 %, für die Einkommensbezieher, d. h. die arbeitende Bevölkerung, 4,5 % verfügbares Einkommen. Ich frage Sie, in welcher Beziehung die von Ihnen vorgesehenen Mietsteigerungen dazu stehen. In dieser Beziehung haben Sie den Auftrag des Einigungsvertrages nicht ernsthaft durchdacht. ({4}) Ich möchte nur einen Satz dazu sagen. Die Wohngeldabhängigkeit liegt im Durchschnitt bei 20 %. Sie werden die Wohngeldabhängigkeit erhöhen, während Sie gleichzeitig das Wohngeld kappen. Das halten wir für eine absolut unverantwortliche Politik. ({5}) Ich möchte ein paar Sätze zum Verfahren sagen. Es ist vom ersten bis zum letzten einfach nur ärgerlich. Das erste Ärgernis ist der Magdeburger Beschluß vom Juni 1992. Mit ihm wurde beschlossen, den Einigungsvertrag und die Einkommensentwicklung der ostdeutschen Mieter nicht ernstzunehmen, sondern im Endeffekt das Problem der Altschulden und ihrer Finanzierung in den Mittelpunkt zu rücken. Ich werfe Ihnen das jetzt nicht vor, weil ich die Zwickmühle auch sehe. Was ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie der Bevölkerung nicht deutlich und offen gesagt haben, daß Sie beabsichtigen, spätestens zum 1. Juli 1995 diese Forderung des Einigungsvertrages zu durchbrechen und eine Mieterhöhung durchzusetzen, die ganz andere Ziele verfolgt. Das soll man den Menschen sagen, darauf haben sie einen Anspruch. ({6}) Das zweite Ärgernis. 1994 tut die Bundesregierung nichts, sie sagt nichts, sie ist auf Wählerfang, will die Leute einfangen, statt ihnen reinen Wein einzuschenken. ({7}) Der nächste Punkt. Am 12. Januar 1995 macht Bauminister Töpfer ohne solide ausgearbeitete Grundlage eine Eckwertevereinbarung. Jeder kann die Eckwerte nach seinem Gusto interpretieren, und dann geht der Streit und das Hickhack los. Offenbar mußte keiner diese Vereinbarung einhalten. Viertens. Herr Großmann, ich sehe das etwas anders als Sie. Tatsache ist, daß im Endeffekt von Ihrer Fraktion zwar ein paar Vorteile, vor allem im Bereich Wohngeld, durchgesetzt wurden, was ich sehr wichtig finde. Aber an anderer Stelle sind deutliche Verschlechterungen herausgekommen. Ich sage nur: Modernisierung 3 DM plus Wärmedämmung plus Denkmalschutz plus sonstige Auflagen, die hinzukommen können. Das geht massiv ins Geld. Das fünfte Ärgernis. Die F.D.P., immer auf der Suche nach besser verdienenden Wählerschichten, fällt ihrem Koalitionspartner in den Rücken und trampelt im wohnungspolitischen Porzellanladen herum, daß die Fetzen nur so fliegen. ({8}) Sechstes Ärgernis. Ich sage es deutlich: Die SPD läßt sich auf den Basarhandel mit der CDU/CSU und letztlich mit der F.D.P. ein. Ich sehe es anders als Sie, Herr Großmann: Im Endeffekt hat die F.D.P. doch sehr viel auf ihre Seite gezogen, insbesondere im Bereich Neuvermietung und letztlich auch im Bereich Modernisierung. Letztes Ärgernis. Ich finde, daß man es deutlich sagen muß: Sowohl den Vermietern als auch den Mietern wird jetzt die Pistole auf die Brust gesetzt. Tausende von Mieterhöhungserklärungen sollen im Juni aus der Hüfte geschossen werden. Die Mieter haben dann de facto nur einen Monat Frist; am 1. August ist Zahltag. Jetzt möchte ich Sie mit der Praxis und den vielen Portogeldern konfrontieren, die eigentlich nötig sind. Ich weiß, die meisten hier sind überwiegend Eigenheim- und Eigentumsbesitzer, und unsere Einkommen kennen wir alle selbst. ({9}) Versetzen Sie sich einmal drei Minuten lang in die Rolle des Mieters einer Wohnung von 75 Quadratmetern, der ein Einkommen von 2 300 DM hat, das etwa 360 DM unter dem ostdeutschen Durchschnitt liegt. Sie haben eine Miete von 4,50 DM netto kalt, das macht 8,80 DM warm und 660 DM warm. Das sind 28 % Ihres Einkommens, das Wohngeld nicht eingerechnet. Als erstes bekommen Sie die Mieterhöhung von 15 %. Das sind 67 Pfennig, und das macht 50,25 DM. Gleichzeitig kündet Ihnen der Eigentümer die Umlage für Heizung und Warmwasser an, denn die Betriebskosten sind freigegeben. Das sind noch einmal 50 Pfennig, und das macht 37,50 DM. Ein halbes Jahr später wird am Dach und an der Fassade etwas repariert; es kommen zweimal Beschaffenheitszuschläge hinzu. Das sind 60 Pfennige, zusammen 45 DM. Im Frühjahr 1996 kommt die Modernisierungsankündigung: 3 DM nach der Kappungsgrenze plus 1,70 DM nach der Wärmedämmung, das macht 352,50 DM. Ich erspare es mir, das Haus als denkmalgeschützt auszuweisen. Zum 1. Januar 1997 kommen 5 % weitere Mieterhöhung; das macht 26 Pfennig oder 19,50 DM. Gleichzeitig kommt eine Betriebskostenerhöhung von, sagen wir einmal, 30 Pfennig; das macht 22,50 DM. Dann, wenn das alles zusammenkommt - das ist kein unrealistisches Modell -, ist zwischen dem 1. August 1995 und dem 1. Januar 1997 Ihre Miete um 7,03 DM oder 527,25 DM, bezogen auf die Warmmiete, gestiegen; das ist eine Steigerung um glatte 80 %. In Zahlen macht es warm 15,83 DM aus oder, als Gesamtmiete warm, 1 187 DM. In diesen anderthalb Jahren haben Sie also sechs Mieterhöhungserklärungen bekommen. Sechsmal Porto macht 6 DM für die Wohnungsbaugesellschaft. Als Drei-Personen-Haushalt mit einem Einkommen von zunächst noch 2 300 DM haben Sie nach der neuen Regelung einen Anspruch auf Wohngeld in Höhe von 86 DM. Ich hoffe, daß in der Zwischenzeit Ihr Einkommen auf einen Betrag zwischen 2 400 DM und 2 500 DM gestiegen ist. Dann bekommen Sie noch 55 DM Wohngeld. Aber das heißt im Endeffekt: 1 100 DM monatlich legen Sie selbst auf den Tisch. Es bleiben Ihnen und Ihren vielleicht zwei Kindern gerade 1 200 DM monatlich zum Leben nach Begleichung der Miete; das sind 400 DM pro Person. Ich halte das für unzumutbar und möchte das deutlich sagen. Ich bedaure, daß Sie sich in all den Diskussionen die Situation der Mieter nie wirklich ernsthaft klargemacht haben. ({10}) Wenn Sie diese Wohnung nun nicht mehr bezahlen können und dringend auf der Suche nach einer anderen sind, dann wird Ihr Nachmieter für dieselbe Wohnung, wenn sich der Vermieter rechtlich korrekt verhält, 1 300 DM bezahlen, für eine 75 Quadratmeter große Wohnung normalen Zustands. Ich komme zum Schluß. Ich denke schon, daß Sie sich diese Zahlen sehr ernsthaft zu Gemüte führen und nicht behaupten sollen, das alles gäbe es gar nicht. Das wird die Wirklichkeit der nächsten Jahre. Ich möchte mein Fazit ziehen. Das erste habe ich schon gesagt: Das Gesetz ist nicht am Einigungsvertrag orientiert, sondern einseitig an der Problematik der Altschulden und des Instandsetzungsbedarfs der Wohnungswirtschaft. Das finde ich richtig, das muß man sehr ernst nehmen. Allerdings muß man sich in dieser Beziehung mehr einfallen lassen. Das zweite - Sie haben es eben gesehen -: Das Gesetz ist zu komFranziska Eichstädt-Bohlig pliziert; es ist verkorkst; es wird zu vielfachem Streit und zu Prozessen führen. Ich kann das nicht deutlich genug sagen. Das ist der einzige Punkt, bei dem ich mir mit meinem Kollegen, Herrn Braun, einig bin. Der dritte Punkt: Das Gesetz treibt die Menschen in das Wohngeld, während gleichzeitig das Wohngeld ab 1. Juli deutlich gekappt wird. Was an Wohngeld hinzukommt, fangt nur für die Niedrigsteinkommen einen kleinen Teil der Belastungen auf. Es reicht in keiner Weise aus, die Mieterhöhungen deutlich aufzufangen. Das Kernproblem, das wir dabei sehen, ist: Sie treiben die Mieter ins pauschalierte Wohngeld und damit in die Sozialhilfe, also Herrn Seehofer direkt in die Arme. Das ist nicht verantwortungsvoll. ({11}) Der letzte Punkt, den ich vorbringen möchte: Die Chance, mietgebundene Sozialwohnungen im Osten zu schaffen, wird mit diesem Gesetz - insofern ist heute ein historischer Tag - vertan. Es wäre dringend nötig gewesen, für den Osten, insbesondere für die kommunalen Wohnungsbestände, einkommensabhängige Mieten und damit eine Mietdifferenzierung zu schaffen. Aber auch darüber durfte nicht diskutiert werden. Ich danke Ihnen. ({12})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Hildebrecht Braun.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier, in diesem Haus, stimmt etwas nicht. Ich habe zu Beginn der Debatte erfahren, daß von den 16,5 Minuten, die der F.D.P. für diese Debatte - eine Debatte des Parlaments, wohlgemerkt - zur Verfügung stehen, mir gerade 6 Minuten bleiben sollen, weil eben auch das Ministerpaar das Wort ergreifen wird. Die Minister entscheiden, wie lange sie sprechen wollen; das wird uns schlichtweg abgezogen. ({0}) Herr Präsident, es gibt das Parlament. Es wird das Gesetz erlassen, oder es wird es nicht erlassen. Ich möchte eigentlich die Möglichkeit haben, ({1}) auf die lichtvollen Ausführungen meiner Vorrednerin von den GRÜNEN zu antworten, ohne deswegen darauf verzichten zu müssen, eigene Überlegungen vorzutragen. ({2}) Wir haben hier keine Kabinettsitzung, sondern eine Parlamentssitzung. Deswegen bin ich der Meinung, daß die Redner der Fraktionen die Möglichkeit haben sollten, miteinander zu sprechen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter Braun, ich habe Ihre Redezeit eben angehalten. Aber ich möchte Ihnen sagen: Je länger Sie über die Usancen sprechen, um so mehr Zeit nehmen Sie sich selber bei dem berechtigten Wunsch, zur Sache zu sprechen. Wenn Sie mit der Anrechnung der Redezeit nicht einverstanden sind, dann müssen wir darüber im Ältestenrat oder zwischen den Fraktionen verhandeln. Darüber läßt sich sicherlich reden. Aber ich empfehle Ihnen sehr, jetzt zur Sache zu kommen.

Hildebrecht Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002634, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme gerne zur Sache. Ich werde aber darum bitten, daß diese Dinge in Zukunft etwas anders geregelt werden. Sei's denn drum! Grund zum Feiern, wie Herr Kansy sagte, gibt es heute wohl kaum, eher Grund zu Nachdenklichkeit. Gewiß, ein mühseliges Gesetzgebungswerk ist zu einem vorläufigen Ende gekommen. Koalition, SPD- Fraktion im Bundestag und Bundesrat haben zusammen einen Kompromiß in allen wichtigen Punkten gefunden. Alle Parteien haben sich bewegt und dazu beigetragen, daß dieses Gesetz noch etwa im Zeitplan verabschiedet werden kann. Das Gesetz soll den sozialverträglichen Übergang zum Vergleichsmietensystem in den östlichen Bundesländern ebnen. Ein bißchen trägt es dazu in der Tat bei; aber der Schritt ist viel zu klein. Der Weg weg von staatlicher Fremdbestimmung zu Selbstbestimmung der Mieter und Vermieter in einem freien Land ist offensichtlich noch weit. Wie ist das Gesetz insgesamt zu würdigen? Erstens. Alle beklagen zu Recht, daß das westdeutsche Mietrecht viel zu kompliziert sei. Das künftige ostdeutsche Mietrecht wird noch viel komplizierter sein. Kein Mensch wird in der Lage sein, die gesetzlich richtige Miete für seine Wohnung ohne fachlichen Rat festzustellen. So etwas verdient gewiß nicht das Prädikat „empfehlenswert". Zweitens. Viele Mieter in den neuen Bundesländern - das richtet sich jetzt speziell an Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, die mir vielleicht doch zuhören will - werden in Zukunft eine zu hohe Miete zahlen. Denn würde die Miete freigegeben, so würde in den strukturschwachen Räumen und dort, wo beträchtliche Leerstände vorhanden sind, die Miete nicht oder allenfalls ein wenig steigen, jedenfalls weniger, als es die Kappungsgrenzen dieses Gesetzes nahelegen. Wir machen uns nichts vor: Gesetzliche Kappungsgrenzen werden ausgenützt werden. Sie wirken bekanntlich mietentreibend und nicht mietensenkend. Strukturschwache Räume werden von noch mehr Menschen verlassen, da die Mieten dort zu hoch und in den Ballungszentren relativ gesehen zu niedrig sind. Die Marktmiete würde dies berücksichtigen. Hildebrecht Braun ({0}) Sie würde über die niedrige Miete für strukturschwache Regionen einen Standortvorteil ergeben, der jetzt nicht genutzt werden kann. Dies widerspricht jeder vernünftigen Strukturpolitik, die die ländlichen Räume stützen will. Drittens. Für die Wohnungsgesellschaften ist die staatlich verfügte Mietanhebung zu niedrig. Die Bedienung der Altschulden frißt die Mietanhebung nicht nur auf, sie liegt sogar weit darüber. Die Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften werden in den nächsten zwei Jahren Maßnahmen in Milliardenhöhe, die längst geplant sind, nicht durchführen und nicht durchführen können. Das bedeutet Schaden für den Aufschwung Ost. Viertens. Die Modernisierung von Plattenbauten wird tendenziell verteuert, da staatlich festgesetzte Kappungsgrenzen in der Regel ausgenutzt werden. Wenn der Gesetzgeber sagt, 3 DM Mieterhöhung sei in Ordnung, so wird für diesen Satz in vielen Fällen modernisiert werden, auch wenn es billiger ginge. In Altbauten jedoch mit Außentoiletten wird die Modernisierung deutlich zurückgehen, ja nahezu zum Stillstand kommen, da dort durch die Kappungsgrenzen eine vernünftige und, wie ich betone, mieterfreundliche Sanierung in einem Aufwasch unmöglich gemacht wird. ({1}) Wichtig ist, daß wir durch die Herausnahme der vom Vermieter nicht verschuldeten Modernisierungsmaßnahmen aus der Kappungsgrenze die Auswirkungen dieses Instruments wenigstens etwas mildem konnten. Dennoch: Große Altbaubestände mit ihren Wohnungsflächenreserven werden in den nächsten Jahren nicht saniert werden. Dies führt nicht nur zu einer Benachteiligung der dort lebenden Menschen, die den Wohnstandard unserer Zeit nur durch einen Umzug erreichen können. Wir sorgen mit dieser Kappungsgrenze auch für einen Einbruch bei den Beschäftigten im Ausbaugewerbe. Wir gefährden zigtausend Arbeitsplätze mit allen Folgen für die Menschen, die arbeitswillig und arbeitsfähig sind, für die auch Arbeit da wäre, die aber auf Grund einer unseligen Politik des Staates keine Arbeit bekommen werden. Gerade Menschen mit einer weniger qualifizierten Ausbildung, die im Baugewerbe in großer Zahl tätig sind, werden ihrer Lebenschancen beraubt. Junge Menschen, denen das Baugewerbe in den letzten zwei Jahren doppelt so viele Ausbildungsplätze zur Verfügung stellte wie zu Beginn der 90er Jahre, werden keinen Ausbildungsplatz finden, da die zumeist kleinen Handwerksbetriebe wegen der sehr ungewissen Zukunftsaussichten ihrer Branchen den Mut zur Einstellung von Lehrlingen nicht aufbringen werden. Fünftens. Die von der Opposition zum „casus knaxus" hochstilisierte Neuvermietungskappungsgrenze - wohlgemerkt, die Regierungskoalition hatte bereits eine Kappung bei 20 % angeboten - wird Investoren im Wohnungsbau weiter entmutigen. Wir brauchen aber einen kontinuierlichen Wohnungsbau, wenn wir auch in drei und fünf Jahren genügend Wohnungen haben wollen Sechstens. Wir Liberalen stehen zum Wohngeld. Das Wohngeld ist die Säule der individuellen Förderung, in der Fachsprache Subjektförderung genannt. Wir sehen aber auch mit Sorge, daß allein die Verbesserung des Wohngeldgesetzes Ost zu einer Mehrbelastung von nahezu einer halben Milliarde DM im Jahre 1996 führen wird. Die Verbesserung des Wohngelds West war nicht zeitgleich möglich. Damit werden wir Probleme bekommen. Es kann nicht sein, daß die Mieter in Deutschland West relativ und absolut - auch bei gleichem Einkommen, wie Herr Kansy sagte - deutlich mehr Miete bezahlen und dafür weniger Wohngeld bekommen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. ({2}) Ich möchte auf die hohen Abschreibungen zu sprechen kommen. Natürlich kam und kommt die Forderung, die hohen Abschreibungen bestehen zu lassen, weil andernfalls auch auf Grund dieses Gesetzes die nötigen Investitionen nicht mehr möglich sein werden. Das ist eine gefährliche Geschichte; denn es ist nicht dauerhaft verantwortbar, daß Mieter und Vermieter im Osten Kostgänger des Staates sein sollen, damit die Wohnungswirtschaft nicht zusammenbricht. Ziel ist und muß bleiben, daß wir in Ost und West eine Marktmiete haben, die für eine ausgeglichene Mietenentwicklung sorgen wird. Denjenigen, die die Miete auf Grund ihres Einkommens nicht bezahlen können, wollen und werden wir durch Wohngeld helfen. Das ist der richtige Weg, nicht jedoch das Konzept der Opposition, die laufend neue staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt zur gerechteren Verwaltung des Mangels findet, statt Wege aufzuzeigen, die aus dem Mangel herausführen. Vielen Dank. ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Klaus-Jürgen Warnick.

Klaus Jürgen Warnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002824, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die demokratischen Sozialisten lehnen den ausgehandelten Kompromiß als sozial nicht verträglich ab. Etwas anderes haben Sie von uns ja nicht erwartet. ({0}) Das ist aber nicht nur unsere Meinung, sondern auch die Meinung von Mieter- und Seniorenverbänden sowie vor allem die Meinung von Millionen Mietern im Osten. ({1}) Der Glaube an den Rechtsstaat ist für sie weiter erschüttert. Sehen wir uns die Volksinitiativen an: In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich ca. 100 000 Bürger gegen dieses Mietenüberleitungsgesetz ausgesprochen. ({2}) Mehrere Massenpetitionen mit über 50 000 Unterschriften und 100 Einzelpetitionen wurden an den Petitionsausschuß des Bundestags geleitet. Knapp 20 000 Petitionen wurden an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses in Berlin gerichtet. Das ist zusammengenommen das Votum von fast 200 000 Ostdeutschen. Doch Bonn ist weit weg, und Papier ist geduldig. Das Urteil der Betroffenen: Wir können fordern, was wir wollen, die da oben machen doch, was sie wollen. Das ist die Konsequenz. Genau dieses Denken hatten wir Ostdeutsche schon einmal. Aber auch die Beschlüsse der eigenen Landtagsfraktionen in Ostdeutschland ({3}) wurden von Ihnen, von der Bonner CDU und der SPD, ignoriert, auch von den eigenen Landtagsfraktionen. Dazu einige Beispiele: Gestern wurden im Landtag Brandenburg die Forderungen der Volksinitiative angenommen. Diese Forderungen der Volksinitiative sind weitestgehend mit den Forderungen des PDS-Antrages identisch. Die CDU und die SPD in Brandenburg haben danach 10 % Kappung bei Neuvermietung gefordert. Die CDU in Sachsen hat in der Landtagsfraktion 10 % gefordert. Die CDU und die SPD in Thüringen fordern, die Erhöhung der Wohnkostenbelastung bei maximal 20 % zu begrenzen. Egal; interessiert nicht; ab in den Papierkorb. Was kümmert uns in Bonn die Meinung unserer Landtagsfraktionen im Osten! Das fördert Politikverdrossenheit. ({4}) - So ist die Lage.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Warnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mahlo?

Klaus Jürgen Warnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002824, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Aber natürlich.

Dr. Dietrich Mahlo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001408, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Warnick, um den Wert von solchen Unterschriftensammlungen zu kennzeichnen: Wenn man bei den Bürgern eine Umfrage machte, ob sie Steuern zahlen wollten, und die sich dagegen aussprächen, würden Sie das für einen ausreichenden Grund halten, keine Steuern mehr zu erheben? ({0})

Klaus Jürgen Warnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002824, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich denke, die Bürger im Osten sind Manns genug und wissen genau, was sie hier erwartet. Sie wären auch bereit, mit einer sozialverträglichen Steuerung, mit sozialverträglichen Vorschlägen zu leben. In dieser Volksinitiative wurde ja nicht gefordert: null Prozent Steigerung, sondern eine Steigerung um 10 % verteilt auf drei Jahre, also 3,3 % pro Jahr. Es ging ihnen nicht darum, nichts zu zahlen. Es sollte sozialverträglich sein. Das ist ein gravierender Unterschied. ({0}) Zurück zur Politikverdrossenheit. Ich zitiere nur drei x-beliebige Stimmen aus Hunderten von Briefen. Ich könnte Ihnen fünf Stunden lang hier solche Briefe vorlesen. ({1}) Eine Stimme - Wohnungsgenossenschaft „Frohe Zukunft", Dahme, vom 10. April -: Deshalb wenden wir uns an Sie, mit der Bitte, dafür einzutreten, daß uns die Altschulden erlassen werden. Wirken Sie bitte auf die Regierung der Bundesrepublik Deutschland in diesem Sinne ein. Eine Dame aus München, vom 2. April 1995: Ich bitte Sie herzlich, doch einmal im Bundestag öffentlich zu fragen, wovon Rentner noch leben sollen, wenn die gesamte Rente von den Mieten aufgefressen wird. - Das habe ich hiermit getan. ({2}) - Wenn wir so viel Einfluß haben, freue ich mich. Es ist gut, wenn wir auch schon in München so gehört werden. ({3}) Landesring Sachsen-Anhalt, Basisgruppe Rentner, vom 10. März: Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, als ob dieses Problem, das wir als eines bewerten, dem höchste sozialpolitische Priorität eingeräumt werden muß ({4}), von maßgeblichen Stellen und Organen mitunter nicht anders behandelt und angegangen wird als der Bau eines neuen Autobahnabschnittes oder die Streitfrage, ob man nun den SchürmannBau abreißen oder sanieren solle. ({5}) Soweit Volkes Stimme, die wir hier eigentlich repräsentieren sollten. Aber ich habe das Gefühl, die meisten anderen Parteien vertreten hier mehr die Stimme von Haus und Grund und der Wohnungswirtschaft. Kurz zum Gesetzentwurf: Wir kriegen einen Einstieg in ein System, das sich auch im Westen nicht bewährt hat. Es hat seit 1974 zu Mietsteigerungen um 120 % geführt. 2 bis 3 Millionen Wohnungen fehlen; es gibt 1 Million Obdachlose. Das ist das Resultat dieser Entwicklung. ({6}) Wir kriegen im Osten sogar einen Einstieg zu wesentlich schlechteren Bedingungen. Logisch: Man muß für Ostdeutschland natürlich Sonderbedingungen schaffen, weil das sonst nicht begriffen wird. Bei der Beweispflicht gibt es eine Schlechterstellung, auch bei dem Zustimmungsverfahren. Die größte Dreistigkeit ist für mich aber die Art und Weise, mit der die Zustimmungsfrist auf einen Monat verkürzt wurde: von hinten durch die kalte Küche, schön verschleiert, damit die es nicht merken. Als ob sich die Ostdeutschen die Hosen mit der Kneifzange anziehen und nicht merken, was hier gespielt wird! Aber die werden ganz genau begreifen, was hier läuft. ({7}) Am meisten ärgert mich die Unverfrorenheit, mit der die SPD diesen Gesetzentwurf als Fortschritt und tragfähigen Kompromiß verkauft. Dadurch, daß Sie von der SPD diesen faulen Kompromiß mitgetragen haben, haben Sie für meine Begriffe Ihre Unschuld als Partei der Mieter, wie Sie sich immer betiteln, eindeutig verloren. ({8}) Wer dem Bauminister Töpfer so auf den Leim geht und sich ohne Not ins gemeinsame Boot holen läßt - wie Sie es schon beim Altschuldenhilfekompromiß und beim falschen Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" gemacht haben -, der hat das Vertrauen der Mieter im Osten verspielt. ({9}) Vielleicht macht Ihnen die Basis im Osten noch so viel Betrieb, daß Sie den Mut haben, dieses Gesetz am 2. Juni im Bundesrat doch noch zu blockieren. Sie haben ja noch die Chance, unseren Änderungsanträgen hier zuzustimmen. ({10}) Herr Minister Töpfer hat im Anschluß an diese Beratung die Ausschußmitglieder zu einem kleinen Umtrunk eingeladen. Vielen Dank dafür! Sehr generös! Aber ich denke, wir gehen nicht so weit, daß wir von dem Kakao, durch den man uns ziehen will, auch noch trinken. ({11}) Dieser Tag ist eine Niederlage für die Mieter im Osten und kein Grund zum Feiern. Vielen Dank. ({12})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Den Mitgliedern des Ältestenrates, die hier im Raum sind, möchte ich sagen, daß die Sitzung voraussichtlich um 13.30 Uhr nach den namentlichen Abstimmungen und nach der Wahl zur Nordatlantischen Versammlung beginnen wird. Ich erteile das Wort der Bundesministerin für Justiz, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. ({0})

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Minister:in)

Politiker ID: 11001336

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Sache zurückkommen; ({0}) denn das, was uns soeben geboten wurde, hatte mit den Problemen, mit denen wir uns monatelang intensiv auseinandergesetzt haben, wirklich nichts zu tun. Einen Lösungsansatz, auch nur einen ganz entfernten, habe ich in Ihren Ausführungen, die ja im wesentlichen aus dem Verlesen von Briefen bestanden, nicht entdecken können. ({1}) Ich glaube, Sie haben an den bisherigen Beiträgen gemerkt, daß es hier wirklich nicht leicht gewesen ist, zu einem Kompromiß zu kommen. Einen Kompromiß eingehen bedeutet, daß jeder versuchen muß, sich dort wiederzufinden, auch wenn es manchem ganz besonders schwergefallen ist. Ich glaube, es war gut und richtig, daß wir, letztendlich erfolgreich, um eine tragfähige Lösung gerungen haben. In der Öffentlichkeit wurde leider häufig der Eindruck erweckt, bei dem Streit um das Mietrecht Ost gehe es nur darum, ob man es mit den Mietern oder mit den Vermietern besser meine; danach bemesse sich, ob man sich für oder gegen stärkere gesetzliche Mietpreisbegrenzungen einsetze. Die Sache ist, wie häufig, natürlich nicht so einfach. Das wird deutlich, wenn man sich die Ausgangslage vor Augen führt. Erstens. Die Wohnungsunternehmen müssen die Kosten für die Altschulden ab dem 1. Juli 1995 durch das Auslaufen des Zinsmoratoriums von durchschnittlich 1 DM pro Quadratmeter tragen. Zweitens. Wir haben immer noch einen in weiten Bereichen schlechten Zustand des Wohnungsbestands in den neuen Ländern, der eben gerade notwendige und umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Wohnungsunternehmen erforderlich macht. Es wird zu Recht von den Mieterinnen und Mietern erwartet, daß die Qualität ihrer Wohnungen langfristig verbessert wird. Drittens. Zwar ist das verfügbare Einkommen der Haushalte in den neuen Bundesländern in den letzten Jahren erfreulich deutlich gestiegen, aber - auch das muß man ganz nüchtern betrachten - natürlich ist die finanzielle Belastbarkeit vieler Mieterinnen und Mieter in den neuen Bundesländern begrenzt. Vor diesem Hintergrund war es ein Gebot wirtschaftlicher und sozialer Vernunft, die bisherige Preisbindung im Mietrecht Ost behutsam, d. h. im Einklang mit den genannten Einkommensentwicklungen, aufzulösen, um gerade im Interesse der Mieter die notwendigen Investitionen im Wohnungsbestand weiter zu ermöglichen, jedenfalls nicht noch mehr zu behindern. Das zeigt: Unser Bestreben, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß sich der Wohnungsmarkt in den neuen Ländern langsam in einen wirklichen Markt mit sozialer Abfederung entwickeln kann, in dem ordentliche, instandgesetzte Wohnungen zu angemessenen Preisen von den Wohnungsunternehmen angeboten werden, hat nicht das geringste mit einer einseitigen Politik zu Lasten der Mieter zu tun. Im Gegenteil, es geht um die Umsetzung dessen, was wirtschaftlich notwendig und sinnvoll im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern ist - im Interesse der Mieter wie auch der Vermieter, im Interesse der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber. Was bedeutet dies alles im Hinblick auf die nun ausgehandelten Kompromißlinien im Mietenüberleitungsgesetz? Welche Signale gehen davon an die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern? Erstens. Es ist festzustellen, daß die Mieter durch zahlreiche Kappungsvorschriften - das war ja gerade einer der Punkte, um die wir gerungen haben - vor starken Mietsprüngen geschützt werden. Wir verabschieden heute ein Gesetz, das keinesfalls zu einer Mietenexplosion führen wird. Es ist unverantwortlich, dieses Bild jetzt an die Wand zu malen, weil dadurch natürlich ganz bewußt Ängste geschürt werden. ({2}) Vielmehr werden in allen Bereichen, nämlich bei Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis, bei Modernisierungen und bei Wiedervermietungen, moderate Mieterhöhungen auf Grund des ausgehandelten Kompromisses erfolgen können. Zweitens. Das im Gesetzgebungsverfahren nochmals aufgestockte Sonderwohngeld federt diese moderaten Erhöhungen ab; bei Haushalten mit geringem Einkommen wird ein Großteil der Mieterhöhung vom Staat übernommen werden. Drittens. Neben den Mietern können sich auch die Wohnungsunternehmen bei ihren weiteren Planungen auf die vorgesehenen Neuregelungen einstellen. Es ist für alle, gerade für die Wohnungsunternehmen, sehr wichtig, daß das Gesetz Mitte des Jahres in Kraft treten kann und somit wenigstens teilweise die Kostenbelastung durch Altschulden aufgefangen werden kann. Die eingeführten Sonderkappungen insbesondere bei den Neuvertragsmieten sind - auch das muß in solch einer Diskussion erwähnt werden - ordnungspolitisch sicher nicht unbedenklich. Sie lassen sich aber - deshalb haben wir uns auf diesen Kompromiß eingelassen und tragen ihn mit - mit der besonderen Lage der Menschen in den neuen Bundesländern rechtfertigen. In Anbetracht dieser Übergangssituation ist es wichtig, daß eine Einigung auch darüber erzielt wurde, daß diese Kappungen nur für einen befristeten Zeitraum gelten - vor allem die Kappung bei Neuvertragsmieten läuft ja am 30. Juni 1997 aus -, und unser Ziel nicht gefährdet wird, in einigen Jahren ein einheitliches Mietrecht in den alten und in den neuen Bundesländern zu bekommen. Ich glaube, wenn man dieses Ziel sieht - wir wollen nur noch für möglichst kurze Übergangszeiten da, wo es gar nicht anders geht, ein unterschiedliches Recht in den alten und den neuen Bundesländern haben -, dann erkennt man, daß es richtig und gut war, daß alle hier um einen Kompromiß gerungen haben. Ich darf mich bei allen bedanken, die sich daran wirklich sehr konstruktiv, mit Engagement und voller Überzeugung beteiligt haben. Vielen Dank. ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat die Abgeordnete Iris Gleicke.

Iris Gleicke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000687, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Die Einführung des Vergleichsmietensystems ist Gegenstand wohl eines der wichtigsten Gesetze seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Ich habe Respekt vor allen Kolleginnen und Kollegen, die aus wohlerwogenen Gründen dem Kompromiß ihre Zustimmung versagen. Wir, die SPD-Fraktion, nehmen alle sachlich vorgetragenen Einwände und Bedenken sehr ernst. Es werden ja teilweise sehr weitreichende Bedenken geäußert, und in der Öffentlichkeit wird die Frage diskutiert, ob der Kompromiß im Einklang mit den Bestimmungen des Einigungsvertrages steht. Ich möchte diese kritischen Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich bitten, sachlich zu bleiben und nicht um einer Schlagzeile willen Angst und Unsicherheit zu schüren. ({0}) Herr Kollege Warnick, die von Ihnen genannten Volksinitiativen haben ganz berechtigt den Regierungsentwurf kritisiert. Aber nehmen Sie doch bitteschön zur Kenntnis, daß der hier vorliegende und zur Abstimmung stehende Kompromiß erst am Montag dieser Woche im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beschlossen worden ist. Sagen Sie doch bitte dazu, daß darin die Verbesserungen enthalten sind. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis! ({1}) Ich finde es sehr schade, daß die von mir sehr geschätzte Kollegin Eichstädt-Bohlig behauptet, wir, die SPD, hätten für einen Appel und ein Ei unseren Widerstand gegen die Mietenpläne der Bundesregierung aufgegeben. ({2}) Ich finde es schlimm, daß die wohnungspolitische Sprecherin der PDS in Sachsen von einem Kuhhandel auf dem Rücken der Mieter spricht. Den Vorwurf der Arroganz und Ignoranz weise ich entschieden zurück. Solche Behauptungen und Unterstellungen sind überflüssig und helfen niemandem weiter, schon gar nicht den Mieterinnen und Mietern in den neuen Bundesländern. Um sie und um ihre Interessen geht es doch hier, um nichts anderes. ({3}) Wir haben diesen Kompromiß im Interesse der Menschen erstritten, und wir haben viel erreicht. Wir haben so viel erreicht, daß ich dem Kompromiß aus innerer Überzeugung und aus ganz pragmatischen Gründen zustimme. Auch wir sehen die Probleme und Schwachstellen, die dieser Kompromiß aufweist. Wir hätten uns einen längeren Übergangszeitraum für die Einführung der Vergleichsmiete gewünscht. Wir wollten eine genauere Differenzierung nach Ausstattung, Beschaffenheit und regionalen Kriterien. Aber ich darf daran erinnern, daß der erste Referentenentwurf vorsah, die Mieter in Ostdeutschland bei einem Übergangszeitraum von nur zwei Jahren flächendeckend mit 20 % mehr zur Kasse zu bitten. Auch dem Engagement der ostdeutschen Bauminister ist es zu danken, daß aus den zwei Jahren immerhin zweieinhalb geworden sind und daß die Erhöhung gestaffelt erfolgt. Das bedeutet, daß jetzt 15 % und erst ab dem 1. Januar 1997 in einer zweiten Stufe weitere 5 % verlangt werden dürfen. Und eine Mieterhöhung ist dann grundsätzlich ausgeschlossen, wenn in bezug auf mindestens drei der fünf bekannten Beschaffenheitsmerkmale erhebliche Schäden vorhanden sind. Kollege Braun, wir sind davon überzeugt, daß von den Wohnungsunternehmen diese 15 % am Markt dort nicht durchsetzbar sein werden, wo Leerstände und strukturschwache Gebiete sind; denn die ortsübliche Vergleichsmiete wird ja als System gar nicht außer Kraft gesetzt. Ich bitte Sie, auch das zu bedenken. Vergessen wir auch nicht, daß die Bundesregierung ursprünglich von regionalen Unterschieden überhaupt nichts wissen wollte. Wir haben immerhin folgendes erreicht: In Städten und Gemeinden mit unter 20 000 Einwohnern, die nicht an eine Stadt mit über 100 000 Einwohnern grenzen, bleibt die Erhöhung auf 15 % begrenzt, die zweite Stufe entfällt. Diese kleineren Städte und Gemeinden beherbergen immerhin fast die Hälfte aller ostdeutschen Haushalte. Die Modernisierungsumlage wird auf maximal 3 DM pro Quadratmeter begrenzt. Wir sind davon überzeugt, daß mit diesen 3 DM eine Menge gemacht werden kann. Und diese Begrenzung verhindert, daß die Investitionen nur in einen kleinen Teil des Bestandes fließen und daß damit Wohnungen entstehen, deren Miete unbezahlbar wird. Das wollen wir nicht, und das kann eigentlich niemand wollen. Es muß doch darum gehen, die Wohnqualität für möglichst viele Menschen zu verbessern. Dann, nur dann werden sie erhöhte Mieten akzeptieren. Deshalb setzen wir auf eine breite Streuung der Investitionen. Alle Vorstöße aus den Reihen der Koalition, den Mietern mit der Schaffung von allerlei Ausnahmen zusätzliche Belastungen aufzubürden, haben wir erfolgreich abgewehrt. Mehr als 3 DM darf der Vermieter nur dann umlegen, wenn die Mehrkosten der Modernisierung auf gesetzliche Vorschriften zurückzuführen sind, z. B. dann, wenn bei der Fassadenerneuerung die Wärmeschutzverordnung eingehalten werden muß. Aber solche Investitionen, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, führen für die Mieter wiederum zu Einsparungen bei den Heizkosten. Das muß man mit berücksichtigen. ({4}) Weiterhin besteht natürlich die Möglichkeit, mit den Mietern höhere Modernisierungsumlagen auf freiwilliger Basis zu vereinbaren. Solchen Vereinbarungen werden allerdings nur Mieterinnen und Mieter zustimmen, die sich das leisten können. Und dagegen ist nichts einzuwenden. Wir haben ein Zwei-Klassen-Mietrecht in Deutschland verhindert und die im Westen gültige Zustimmungsfrist von zwei Monaten auch für Ostdeutschland durchgesetzt. Alles andere hätte bei den Menschen Unverständnis und Verbitterung erzeugt; alles andere hätte zu einem unerträglichen Zeitdruck und damit zu Unsicherheit und Angst geführt. Und die Menschen sind ohnehin verunsichert. In einer so angespannten Situation muß alles vermieden werden, was auch nur den Anschein einer Benachteiligung erwecken könnte. Im Westen haben die Mieter aus guten Gründen zwei Monate Zeit, um sich bei einer Mieterhöhung sachkundig beraten zu lassen und die Forderung des Vermieters sorgfältig zu prüfen. Diese Frist wollte die Koalition für OstIris Gleicke deutschland einfach halbieren. Das haben wir nicht zugelassen. ({5}) Daß durch unser Bestehen auf der zweimonatigen Frist Mieterhöhungen frühestens zum 1. August wirksam werden können, ist ein angenehmer Nebeneffekt für die Mieterinnen und Mieter. Wir haben gegen harten Widerstand aus den Reihen der Koalition die Kappungsgrenze bei Wiedervermietungen durchgesetzt. Die Gegner der Kappungsgrenze sind immer wieder auf §5 des Wirtschaftsstrafgesetzes herumgeritten und haben behauptet, damit überhöhte Mietforderungen ausschließen zu können. Dieser Paragraph hat sich jedoch zum einen in den Altländern längst als völlig untaugliches Mittel herausgestellt; zum anderen bezieht er sich bekanntlich auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Und diese Vergleichsmiete wollen wir mit diesem Gesetz ja erst einführen. Die Kappungsgrenze liegt zwar nicht bei 10 %, wie wir es wollten, sondern bei 15 %. Aber der Mieterbund hat festgestellt, es sei entscheidend, daß es überhaupt eine Kappungsgrenze geben wird. Und der Mieterbund hat recht. Denn was wäre ohne Kappungsgrenze geschehen? Jede Wiedervermietung hätte einen sprunghaften Anstieg der Miete zur Folge gehabt. Das haben wir verhindert. ({6}) Wer ein Gesetz macht, das Mieterhöhungen ermöglicht, muß sich gleichzeitig um die soziale Abfederung der Folgen dieses Gesetzes kümmern. Wir haben dafür gesorgt, daß das Sonderwohngeld nicht zum Jahresende ausläuft. Wir haben erreicht, daß die Kosten für Heizung und Warmwasser dabei weiterhin angerechnet werden, und haben erhöhte Freibeträge ausgehandelt. Das ist ein Riesenfortschritt gegenüber den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung. ({7}) Natürlich hätten wir uns noch bessere Lösungen vorstellen können. Deshalb halten wir an unserem Antrag zum Wohngeld fest. Auch unser Antrag zur Verlängerung des Kündigungsschutzes über das Jahr 1995 hinaus bleibt selbstverständlich auf der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wiederhole meine Feststellung, daß es sich bei diesem Gesetz um eines der wichtigsten Gesetze seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten handelt. Die Bundesregierung hat durch die Verschleppung des Problems unnötigen Zeitdruck erzeugt und mit ihrem ursprünglich vorgelegten Entwurf nicht gerade das nötige Fingerspitzengefühl unter Beweis gestellt. ({8}) Dadurch sind Unsicherheit und Angst entstanden. Das konnte, das durfte so nicht weitergehen. Die SPD hat im Interesse der Menschen in Ostdeutschland hart um den jetzt erzielten Kompromiß gerungen und dabei wesentliche Verbesserungen durchgesetzt. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben es uns dabei auch innerparteilich nicht leicht gemacht. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Michael Luther das Wort.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Essen, Kleidung und Wohnung - das sind die Grundbedürfnisse des Menschen; er arbeitet im wesentlichen dafür. In der Wohlstandsgesellschaft vergißt man das manchmal, und es verkommt zur Selbstverständlichkeit. Man wird aber spätestens dann daran erinnert, wenn es in diesem Bereich eine Veränderung gibt. Mit dem Mietenüberleitungsgesetz greifen wir - das ist ganz wichtig - in einen dieser Bereiche ein, in den Bereich des Wohnens. Das Thema der Mieten ist wichtig für die Menschen gerade in den neuen Bundesländern. Wir müssen, so denke ich, damit sehr sensibel umgehen. Wer dieses Thema nutzt, um Ängste zu schüren, der handelt unverantwortlich. ({0}) Ich möchte nicht weiter auf diejenigen eingehen, die dies mit Vehemenz betreiben. Ich kann nur sagen: Mieter, Sie brauchen keine Angst zu haben. Dieses Mietenüberleitungsgesetz ist sozial sehr ausgewogen. Es ist wichtig, daß man, wenn man den Mietern vorrechnet, wie die Miete in Zukunft aussieht, seriös rechnet. Frau Eichstädt-Bohlig, wenn Sie wollen, führen wir ein Gespräch miteinander und rechnen das dann einmal gemeinsam durch. Es kommt dabei sicher etwas anderes, etwas Vernünftigeres heraus. Meine Damen und Herren, in bezug auf die neuen Bundesländer dürfen wir nicht vergessen, daß die Miete zu DDR-Zeiten im Haushaltsbudget keine Rolle spielte. Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung bei einem Preis von 90 Pfennig pro Quadratmeter zahlte man letztendlich 54 Mark Miete. Das heißt: Wohnen war nichts wert. Das hat sich geändert und mußte sich ändern. Nach der Ersten und Zweiten Grundmietenverordnung konnte ein Betrag von maximal 3,85 DM erhoben werden, wenn alles in Ordnung war. Somit ergibt sich ein heutiger Durchschnittswert der Miete in den neuen Bundesländern von 4,75 DM pro Quadratmeter. Wenn bereits modernisiert wurde, ist der Mietbetrag natürlich höher. Unser erstes Ziel war, mit diesem Überleitungsgesetz ein einheitliches Mietrecht in Deutschland zu schaffen und damit auch in den neuen Bundesländern das Vergleichsmietensystem einzuführen. Da ergibt sich allerdings das Problem, daß in den neuen Bundesländern weitestgehend staatlich vorgeschriebene Mieten existieren und Vergleichsmieten damit erst geschaffen werden müssen. Zweitens. Wir müssen garantieren, daß die Wohnungsbaugesellschaften und die Vermieter auch in Zukunft investieren können, und zwar vor dem Hintergrund der Altschuldentilgung ab dem 1. Juli. Drittens. Wir müssen beachten - das ist ganz wichtig -, daß die Mietentwicklung der Einkommensentwicklung folgt. Das ist ein Auftrag des Einigungsvertrages. Ich habe am 17. März 1995 hier im Deutschen Bundestag meine Vorstellungen in Ergänzung zur Vorlage des Gesetzentwurfes von CDU/CSU und F.D.P. formuliert. Ich habe überlegt, ob ich diese Rede heute nicht noch einmal halten soll, ({1}) weil hier überall davon gesprochen wird, wer welchen Erfolg erzielt hat. Im wesentlichen sind dort die Gedanken niedergelegt, die letztendlich heute im Gesetz stehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin vor allem auch dem Minister Töpfer sehr dankbar, denn es zeigt, daß hier eine gute Vorarbeit geleistet wurde, nicht nur von ihm, sondern auch von Frau Leutheusser-Schnarrenberger und in Zusammenarbeit mit den Länderbauministern. Von dieser Stelle aus recht herzlichen Dank! ({2}) Wie sieht die Lösung aus? Im laufenden Mietverhältnis kann die Miete angehoben werden. Wenn das Gesetz, wie verabredet, noch im Juni in Kraft treten kann, werden am 1. August 15 % Mieterhöhung auf die Grundmiete ohne bereits erhobene Modernisierungszuschläge fällig. Das sind im Durchschnitt 71 Pfennig. Fehlen in der Wohnung Zentralheizung oder Bad, dann dürfen nur 10 % erhoben werden. Für Einfamilienhäuser und Wende-Wohnungen mit entsprechender Ausstattung können 5 % mehr erhoben werden. In einer zweiten Stufe, ab 1. Januar 1997, können weitere 5 % in Orten mit mehr als 20 000 Einwohnern oder in Randgemeinden von Großstädten erhoben werden. Ich halte diese Kompromißlösung für sehr gut. Damit erreichen wir eine gewisse Regionalisierung. In der Summe bedeutet das für mein Beispiel einer 60-qm-Wohnung 42 DM Mieterhöhung im ersten Schritt und 14 DM im zweiten Schritt. Ich denke, das ist sozial verträglich. Meine Damen und Herren, wir wollten nahe an das Miethöhegesetz herankommen. Deswegen ist auch schon im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung die Zustimmung des Mieters zu den Mieterhöhungen vorgesehen, und zwar jetzt auch mit einer Zweimonatsfrist. Es gibt eine Ausnahme, die wichtig zu beachten ist, denn die Mieter müssen letztendlich zustimmen. Das dürfen wir nicht vergessen. Sie stimmen auch dann zu, wenn sie zweimal die Miete bezahlt haben oder wenn sie zweimal akzeptieren, daß der neue Mietbetrag im Einzugsverfahren erhoben wurde. Ich denke, die zweimonatige Überlegungsfrist ist ausreichend für die Information und die Entscheidung, ob man zustimmen sollte oder nicht. Man kann insbesondere dann nicht zustimmen, wenn z. B. drei Beschaffenheitszuschläge von bisher fünf nicht erhoben wurden. Die Mietentwicklung infolge von Modernisierungsmaßnahmen muß gedämpft werden. Das steht im Gesetzentwurf. Die Kappung liegt bei 3 DM. Viele haben darüber gesprochen. Bauliche Veränderungen, die der Mieter nicht zu vertreten hat, z. B. Wärmeschutzmaßnahmen, können jedoch die 3 DM-Kappung übersteigen. Nun darf man aber diese Steigerung nicht einfach zu der anderen Miete addieren. Wer Wärmeschutzmaßnahmen vornimmt, muß natürlich erkennen, daß die Betriebskosten für Heizung dann sinken. Die Erfahrungen zeigen, daß sich das etwa die Waage halten wird. Die Zweite Grundmietenverordnung kann insoweit, insbesondere im Altbau, wo die Beschaffenheit bislang schlecht war, nachgeholt werden. Ich möchte aber auf ein Problem hinweisen. Nehmen wir ein Beispiel: Altbauwohnung, drei Beschaffenheitsmängel, Außen-WC, kein Bad. Es handelt sich um 9 % aller Wohnungen in den neuen Bundesländern. Dort beträgt die Miete heute 2,40 DM pro Quadratmeter. Eine Grundinstandsetzung ist notwendig. Wenn ich die Möglichkeiten der Mieterhöhung ausreize, also 3 DM pro Quadratmeter für Modernisierung, Wärmeschutzmaßnahmen und Beschaffenheit nachhole - dreimal 0,30 DM gleich 90 Pfennig -, dann frage ich mich, ob man mit dieser neuen Miete die Sanierung ausreichend finanzieren kann. Man kann nicht! Das muß man deutlich sagen. Das geht nur unter zwei Bedingungen. Die eine wäre, daß Mieter und Vermieter sich im Vertrag darüber verständigen, daß diese Modernisierung durchgeführt werden kann und dann eine höhere Miete genommen werden kann. Hätte man z. B. 10 DM Umlage, dann bedeutete das bei 60 qm 600 DM. Das ist ein sehr hoher Sprung, der von vielen Mietern, die über ein entsprechendes Einkommen verfügen, geleistet werden kann. Aber, wie gesagt, es muß freiwillig geschehen. Wir müssen allerdings akzeptieren: In diesen Wohnungen wohnen gerade ältere Menschen, Menschen mit niedrigen Einkommen, die sich das nicht leisten können. Deshalb macht die 3 DM-Kappungsgrenze an dieser Stelle Sinn. Ich halte deshalb den sächsischen Vorschlag, der im Gesetz steht, für eine gute Lösung, daß an dieser Stelle eine einkommensorientierte Förderung greifen kann, so daß dennoch Modernisierungen und Instandsetzungen möglich sind. ({3}) Betriebskosten können natürlich nach wie vor auf die Mieter umgelegt werden. In diesem Zusammenhang weise ich auf einen redaktionellen Fehler in § 14 Abs. 1 in der Beschlußvorlage des Ausschusses hin. Dort steht: „kann auf die Miete umgelegt werden". Das ist zu korrigieren in „Mieter". Neuvertragsmieten sind generell nicht mehr mietpreisgebunden. Damit können Vergleichsmieten entstehen. Aber - das war unsere Forderung im Haus, gerade die der Abgeordneten der CDU aus den neuen Ländern - wir müssen die Situation akzeptieren und Wohnungstausch erleichtern. Die 15 %, die wir jetzt im Mietenüberleitungsgesetz haben, werden das hoffentlich leisten. Als besonderen Erfolg werten wir für uns als Abgeordnete aus den neuen Ländern die Einführung, die Verlängerung und die Verbesserung des Wohngeldsondergesetzes. Sie erinnern sich sicherlich an die Debatte zur ersten Lesung hier im Deutschen Bundestag, bei der gerade von den Abgeordneten aus den alten Bundesländern - auch von Ihnen, Herr Großmann von der SPD - als strittig angesehen wurde, ob man dieses Gesetz einführen sollte. Aber wir müssen ganz deutlich sagen: Wenn wir den Mietern in den neuen Bundesländern jetzt über das Maß ein Anpassen der Miete und damit den Übergang in das Vergleichsmietensystem anempfehlen, dann sollten wir das auch entsprechend begleiten. Das soll das Wohngeldsondergesetz inhaltlich, aber auch moralisch tun, unabhängig davon - auch das sage ich ganz deutlich an dieser Stelle -, daß wir uns natürlich insgesamt um das deutsche Wohngeld kümmern müssen. Wie geht es weiter? Auch in Zukunft brauchen die Mieter keine Angst zu haben vor dem, was auf sie zukommt. ({4}) Die Kommunen sollten beginnen, Mietspiegel zu erstellen. Vergleichsmietenfähige Mieten werden in den nächsten vier Jahren entstehen. Bis dahin werden ersatzweise alle Bestandsmieten in den Mietspiegel aufgenommen, so daß dann das, was Sie, Frau Eichstädt-Bohlig, mit Ihrem Gesetzentwurf wollen und was das Städtemodell will - ich komme aus Zwickau, und ich habe mich sehr intensiv mit diesem Modell beschäftigt -, erreicht wird, nämlich ein Mietspiegel, den Sie letztendlich mit Ihrem Gesetzentwurf vorwegnehmen wollen, welcher aber - das sage ich ganz deutlich - so kompliziert ist, daß er den Mietern keine Rechtssicherheit geben würde. Ich plädiere deshalb für unseren Weg und glaube, daß das, was an Gedanken von den Städten der neuen Bundesländer in Ihrem Entwurf niedergelegt ist, auch für mich sehr hilfreich für die Diskussion gewesen ist. Als Resümee kann ich sagen: Das Mietenüberleitungsgesetz ist sozialverträglich und ein guter Kompromiß. Es ist der Start in die Vergleichsmiete, der sehr moderat erfolgt. Die Mieter brauchen keine Angst zu haben. Sie sollten sich jedoch aufklären lassen. Ich fordere den Bundesbauminister auf, zusammen mit den Länderbauministern die entsprechende Rechtsaufklärung in den neuen Bundesländern durchzuführen. ({5}) Eine letzte wichtige Botschaft: Investitionen im Wohnungsbau werden auch mit und gerade mit dem Mietenüberleitungsgesetz möglich sein, und zwar im erforderlichen Umfang. Recht herzlichen Dank. ({6})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter Luther, ich nehme an, daß Sie die redaktionelle Änderung in der Beschlußempfehlung des Ausschusses für den Ausschuß vorgetragen haben. Wenn das so ist, können wir im Protokoll festhalten, daß wir nachher über die Beschlußempfehlung in dieser redaktionell abgeänderten Form abstimmen. ({0}) Es spricht nun als Mitglied des Bundesrates der Minister für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Jürgen Heyer. Minister Dr. Jürgen Heyer ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag berät heute in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf, der für die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern von zentraler Bedeutung ist. Die Mieterinnen und Mieter, mit denen wir häufig sprechen, sind durch die Diskussion über die Mieten verunsichert, häufig verängstigt worden. Die Frage, die uns fast immer gestellt wird, lautet: Was tut ihr dafür, daß ich meine Miete in Zukunft noch bezahlen kann? Es geht aber andererseits auch darum - ich finde diesen Zusammenhang sehr wichtig -, daß die dringend erforderliche Sanierung der Wohnungen in unseren Ländern fortgesetzt wird. ({2}) Es geht weiter um die Stabilisierung der Auftragsbestände des Baugewerbes - darüber ist hier gesprochen worden -, und es geht letztlich auch darum, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat zu stärken. ({3}) Ich hatte hier schon am 17. März die katastrophalen Ergebnisse einer Umfrage des Allensbacher Instituts aus der „FAZ„ vom 8. März 1995 zitiert. Danach fühlen sich 72 % der Bürger im Osten durch unser Recht nicht gut geschützt. Richard Schröder hat dazu geschrieben: „Dagegen helfen nur bessere Erfahrungen." Es wird uns nun, buchstäblich in letzter Minute, gelingen, den Übergang in das allgemeine Miethöherecht sozialverträglich umzusetzen. Damit - das ist meine feste Überzeugung - werden wir diese „besseren Erfahrungen" möglich machen. ({4}) Ich hatte gehofft, daß es uns gelingen würde, das Gesetz aus dem parteipolitischen Streit herauszuhalten. Das ist nicht gelungen. Von der Verantwortung Minister Dr. Jürgen Heyer ({5}) dafür kann ich die Bundesregierung nicht freisprechen. ({6}) Der Bundesregierung war seit langem bekannt, daß die Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern ab 1. Juli 1995 ihre verbliebenen Altschulden selbst tragen muß. Es war auch klar, daß die Wohnungsunternehmen allein diese Belastung nicht tragen können. Es wäre deshalb dringend geboten gewesen, schon vor der Bundestagswahl mit den Ländern über die Überleitung der Mieten zu sprechen. Das ist nicht geschehen. Nein, Herr Töpfer, noch viel schlimmer: Ihre Vorgängerin ist ja durch die Lande gereist und hat den Mietern versprochen, daß es im Jahre 1995 keine Mieterhöhungen geben werde. ({7}) Darin sind ihr dann auch Regierungen in den neuen Ländern gefolgt. Man kann mit falschen Versprechungen keine Wahlen gewinnen. Das hat sich jetzt in Nordrhein-Westfalen und Bremen gezeigt. Meine Damen und Herren von der F.D.P., mit diesen leichtfertigen Aussagen haben Sie aber auch das Vertrauen der Bürger in eine verläßliche, am sozialen Wohl der Menschen orientierte Politik geschwächt. ({8}) Und wenn nicht meine Kollegen Nagel aus Berlin und Meyer aus Brandenburg gemeinsam mit Sachsen-Anhalt Vorschläge unterbreitet hätten, die diesen Gesetzentwurf maßgeblich beeinflußt haben, so säßen wir meiner Meinung nach heute nicht hier. ({9}) Wir hatten uns dann, Herr Kollege Töpfer, nach zahlreichen Verhandlungen über die Eckwerte einer gesetzlichen Regelung verständigt. Wenn Sie diese Vereinbarungen hätten umsetzen können, hätten wir nicht nur viel Zeit und Mühe sparen können; wir hätten auch die Hoffnungen der Mieter und der Vermieter nicht enttäuscht, die eine schnelle Einigung erwartet haben. Wir fahren in Sachsen-Anhalt mit einem Infomobil durch die Lande, mit dem die Bürgerinnen und Bürger über das soziale Mietrecht informiert werden. ({10}) Die Leute waren enttäuscht, daß es uns nicht schneller gelungen ist, zu einer Einigung zu kommen. Es ist doch so: Nachdem sich die F.D.P. in unsere Verhandlungen eingeschaltet hat, wurde es eigentlich erst richtig schwierig. ({11}) Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf war dann auch - das muß man einmal deutlich sagen - mit erheblichen Mängeln behaftet. Ich sage aber trotzdem: Wir haben immer fair und offen, mit dem Blick auf die Position und die Schwierigkeiten des anderen miteinander verhandelt. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Kollege Töpfer, und auch meinen anderen Kollegen aus den ostdeutschen Ländern herzlich danken. Ich habe aus diesen Verhandlungen viel gelernt. Die alten Länder - ich denke hier vor allem an die Kollegin Brusis aus Düsseldorf - haben uns bei der Mietenüberleitung solidarisch unterstützt. Ich hoffe, daß sie dies auch am 2. Juni im Bundesrat tun werden, vor allem dann, wenn es Ihnen, Herr Töpfer, gelingt, den Grad der Verbindlichkeit Ihrer Zusage, daß die Verbesserung des Wohngeldes West noch im Jahr 1996 spürbar wird, zu erhöhen. ({12}) Und nicht zuletzt, lieber Achim Großmann, ist es die Bundestagsfraktion der SPD gewesen, die endlich diesem Gesetzentwurf wirklich zum Durchbruch verholfen hat. Dafür herzlichen Dank auch von dieser Stelle. ({13}) Dieses Verfahren, mit seinem selbstproduzierten Zeitdruck empfiehlt sich nicht zur Wiederholung. Ich sage dies sehr deutlich mit Blick auf die uns versprochene Wohngeldnovelle. Hier sollten wir deshalb möglichst bald und rechtzeitig an die Arbeit gehen. ({14}) Wenn ich sage, meine Damen und Herren, wir sind erfolgreich gewesen, so meine ich: Wir haben eine von den Beteiligten selbst im wesentlichen akzeptierte Lösung gefunden: Ausschluß von Mieterhöhungen für Substandardwohnungen, Kappungsgrenze bei der Mietentwicklung im Bestand, regionale Differenzierung im zweiten Schritt, Kappungsgrenze bei den Neuvertragsmieten und Begrenzung der Modernisierungsumlage stellen eine sozial verträgliche Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmieten sicher. Und wer sagt, diese Kappungsgrenzen seien zu niedrig, dem schicke ich gern die Ergebnisse unserer Infas-Umfrage zur Wohn- und Einkommenssituation in Sachsen-Anhalt zu. Die Belastungsgrenze der Mieter ist danach eindeutig erreicht. Die dringend erforderliche Sanierung des Mietwohnungsbestandes kann aber maßvoll fortgesetzt werden. Einbrüche in der Auftragslage des lokalen und regionalen Baugewerbes werden ausbleiben. Es wird deshalb auch nach meiner festen Überzeugung nicht zu einem Abbau von Arbeitsplätzen und Ausbildungsstellen kommen, wie dies der F.D.P.-Abgeordnete Guttmacher und heute auch wieder Herr Braun leichtfertig behauptet haben. Meine Damen und Herren, die Konjunkturlage unserer Bauwirtschaft ist stabil. Schwächen Sie die Bauwirtschaft nicht! Sie wird eher durch solche unverantwortlichen Prognosen als durch dieses Gesetz geschwächt. ({15}) Mieterhöhungen werden, meine Damen und Herren, wenn sich die Wohnungswirtschaft anstrengt - und ich bin sicher, daß sie das schaffen wird -, zum Minister Dr. Jürgen Heyer ({16}) 1. August möglich. Der Mieter hat gleichwohl eine Überlegungsfrist von zwei Monaten. Wir sind durch den Zeitdruck dazu gezwungen worden, einer solchen Regelung zuzustimmen. Ich sage es aber noch einmal: Wir haben einen Kompromiß gefunden, und dies ist ein Kompromiß, dem sowohl der Deutsche Mieterbund zugestimmt hat als auch die Wohnungswirtschaft. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Gerhard Jahn, hat mich kürzlich in Magdeburg besucht und hat unmittelbar nach der Sitzung des Bauausschusses, in dem der Kompromiß gefunden worden ist, dieser Regelung zugestimmt. Für alle, meine Damen und Herren, die diesem Kompromiß nicht zustimmen wollen, heißt dies: Sie gehen an den Wünschen und Bedürfnissen der Mieter und der Wohnungswirtschaft vorbei. ({17}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben mit diesem Gesetzentwurf sicher nicht alle Probleme gelöst. Es wird nun bald darum gehen, Mietspiegel zu entwickeln. Wir werden auch über eine Verbesserung der Förderung, vor allem im Althausbestand, nachdenken müssen. Auch die steuerliche Flankierung darf nicht ausbleiben, und ich halte auch eine Verbesserung des besonderen Kündigungsschutzes gegen Eigenbedarf für erforderlich. Dringend geboten ist eine zuverlässige Aufklärung der Mieterinnen und Mieter. Ihrem Angebot, Herr Kollege Töpfer, dies im Wege einer gemeinsamen Initiative zu tun, verschließe ich mich nicht, sondern danke Ihnen dafür. Meine Damen und Herren, ich werde mich im Kabinett in Magdeburg dafür einsetzen, daß die Landesregierung Sachsen-Anhalt dem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmen wird. ({18}) Ich bitte auch diejenigen, die jetzt noch Zweifel an der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges haben, heute mit Ja zu stimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({19})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Klaus Töpfer.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Recht ist mehrmals unterstrichen worden, wie bedeutsam dieses Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, für viele Menschen ist. Wir können davon ausgehen, daß zwischen 4 und 5 Millionen Haushalte in den neuen Bundesländern davon unmittelbar betroffen werden. Wir wissen, daß viele Entscheidungen in der Bauwirtschaft davon mit abhängig sind. Alles dies sind Hinweise darauf, daß wir diese Gesetzesmaterie mit großem Ernst und großer Sachlichkeit zu entwickeln und zu beraten haben. Gerade weil es ein so bedeutsames und wichtiges Gesetz ist, war es von allem Anfang an mein Ziel, eine möglichst breite, parteienübergreifende Lösung zu finden. Ich möchte an dieser Stelle all denen, die daran mitgewirkt haben, sehr herzlich danken. Wenn man Kompromisse abschließt, ist hinterher bei der Darstellung die Verlockung sehr groß, zu sagen: Eigentlich sind wir diejenigen, die es gemacht haben. - Ich möchte dieser Neigung nicht nachgehen. Denn ein Kompromiß ist um so besser, je mehr sich jeder darin wiederfindet und damit eine Basis geschaffen ist, die eine oder andere Frage in der Zukunft in ähnlicher Weise zu bewältigen. ({0}) Deswegen möchte ich jetzt nicht zuordnen, wer was dazu eingebracht hat, sondern will nur sagen: Wir haben einen Kompromiß geschlossen, der notwendig war, weil wichtige Ziele zu erreichen waren, die nicht alle zu 100 % zu erreichen sind. Wir haben nicht Kuhhandel betrieben, wir haben nicht gemauschelt, sondern sachliche Lösungen gesucht. Welches sind die Ziele, die zu erreichen sind? Wir haben auf der einen Seite die hohe Bedeutung der Wohnung und damit auch der Miete für unsere Bürgerinnen und Bürger gerade in den neuen, aber auch in den alten Bundesländern zu sehen. Dies verlangt sozialverträgliche Regelungen. Wir haben auf der anderen Seite den Wunsch und das Erfordernis, die Bausubstanz zu erhalten, zu modernisieren und zu sanieren, damit sie auch auf Dauer den Erwartungen an eine wirklich gute Wohnqualität gerecht wird. Wir haben weiter dafür zu sorgen, daß die in den neuen Bundesländern so wichtige Bauwirtschaft darin nicht negative Signale sieht. Es ist immer wieder darauf hinzuweisen: Zwei Drittel aller Investitionen in den neuen Bundesländern kommen aus der Bauwirtschaft. Wer damit leichtfertig umgeht, der stellt Arbeitsplätze und damit den wirtschaftlichen Aufschwung in Frage. ({1}) Das sind unsere drei Ziele. Diese so miteinander in Einklang zu bringen, daß nicht ein fauler Kompromiß entsteht, sondern man das Ergebnis gegenüber den jeweils Betroffenen gut vertreten kann, das ist die zentrale Frage gewesen. Zur sozialen Seite: Wir wissen, daß gerade in den neuen Bundesländern noch sehr viele ältere Menschen über viele Jahre in ihrer angestammten Wohnung wohnen möchten und besorgt verfolgen, ob sie das noch weiter tun können. Es muß also eine soziale Absicherung durch ein Wohngeld geben, das wirklich verläßlich soziale Anforderungen erfüllt. Ich bin der Meinung, daß wir mit dem Wohngeldsondergesetz - es ist mit den Regelungen über die Miethöhe untrennbar verbunden -, dessen Änderung wir in einem Artikelgesetz beschließen, den genannten Anforderungen gerecht werden. Wir sollten mit der Diskussion, wer in Ost und West jetzt besser oder schlechter gestellt ist, sehr vorsichtig umgehen. Das Sonderwohngeld ist ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der deutschen Einheit. Deswegen sollten Ost und West davon überzeugt sein, daß ein solBundesminister Dr. Klaus Töpfer ches Sonderwohngeld richtig ist, um die Einheit in Deutschland zu ermöglichen. ({2}) In diesem Zusammenhang ist auch wichtig - Herr Kollege Heyer, Herr Großmann und andere haben darauf aufmerksam gemacht -, daß der vorliegende Kompromiß die Verpflichtung enthält, ein neues Wohngeldgesetz vorzulegen, das im Jahr 1996 wirksam wird. Davon sind wir gar nicht weit entfernt. Wir gehen auf die Haushaltsberatungen zu. Wir werden uns unmittelbar an die Arbeit begeben, um wieder eine Regelung zu finden, die alle Seiten mittragen können. Das Wohngeld wird von Bund und Ländern zu jeweils 50 % bezahlt. Deswegen brauchen wir bei einer Neuregelung des Wohngeldes die Mitwirkung auch der Landesfinanzminister. Gerade die Härtefallregelung beim Wohngeld sollten wir mit großem Nachdruck voranbringen. ({3}) Dies ist meine Position. Ich meine, es wäre unehrlich, im Vorgriff auf Haushaltsverhandlungen schon jetzt eindeutige Regelungen vorzusehen. Zweiter Punkt: Wir brauchen die Modernisierung. Natürlich sind über viele Jahre hinweg Defizite in der Wohnungssubstanz entstanden. Meine Damen und Herren, wer mit offenen Augen durch die Städte und Dörfer in den neuen Bundesländern geht oder fährt, sieht doch, welch ein Investitionsdefizit dort aufgelaufen ist. Ich danke vielen meiner Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, daß wir uns diese Defizite gemeinsam angesehen haben. Jetzt geht es um die Frage, wie schnell man das aufarbeiten kann. Deswegen bin ich nachhaltig der Meinung, daß man denen, die schneller modernisieren wollen, nicht vorwerfen sollte, sie hätten keinen Sinn für die Mieter. Ich möchte auch mit Blick auf den Kollegen Braun deutlich sagen, daß ich seine Argumentation verstehe, man könne manche Bausubstanz nicht mit 3 DM monatlicher Umlage sanieren. Das ist wahr. Unsere gemeinsame Meinung ist allerdings, meine Damen und Herren: Wir müssen uns zur Abarbeitung dieser gewaltigen Altlast der ehemaligen DDR etwas mehr Zeit als nur zweieinhalb Jahre nehmen. ({4}) Deswegen brauchen wir diesen Übergangsschritt, und zwar nicht, weil ich in der Sache nicht Ihrer Meinung wäre, sondern weil ich die Entwicklung mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mieter und auch des Staates in Einklang bringen muß. Natürlich unternimmt auch der Staat viele Anstrengungen, um diese Hypotheken abzuarbeiten. Es gibt das große Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau, aus dem wir immerhin mit Haushaltsmitteln in Höhe von 13 Milliarden DM Investitionen von über 60 Milliarden DM fördern, damit modernisiert werden kann. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ergänzen: Wenn es uns gelingt, die Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern dazu zu bringen, daß sie nur 10 000 Wohnungen zusätzlich privatisiert, dann bedeutet das für diese Unternehmen einen Liquiditätszufluß in Höhe von über 1 Milliarde DM. Ich bin der Meinung: Privatisieren wir doch, wo immer möglich, vorhandene Wohnungen, und investieren wir das Geld in neue Wohnungen und in Modernisierung. Das gibt einen zusätzlichen Liquiditätsschub für die Wohnungswirtschaft und für die Bauwirtschaft. ({5}) Modernisieren können und müssen wir weiterhin; aber wir müssen auch ein Stück Intelligenz in die Art der Modernisierung hineinbringen, damit nicht alles auf einmal abgefordert wird und wir den Vorwurf gemacht bekommen, daß die Mieter wegen der Luxusmodernisierung ihren Anspruch auf die alte Wohnung nicht mehr aufrechterhalten könnten. Auch das ist ein Stück dieses Kompromisses. Hier geht es auch um eine Aufgabe der Bauwirtschaft; auch das sage ich sehr deutlich. Ich kann dem Kollegen Heyer nur recht geben: Wir sollten klarmachen, daß eine Kappung auch ihre Vorteile hat. Sie hat den besonderen Vorteil, daß man mit kleineren Losen an solche Sanierungen herangeht. Es stellt ein gutes Stück Förderung für den Mittelstand in den neuen Bundesländern dar, wenn man bei der Modernisierung mit kleineren Losen voranschreitet. ({6}) Ich glaube, daß der Arbeitsmarkteffekt keineswegs übersehen werden darf. Gehen wir also optimistisch nicht der Pflicht wegen, sondern der sachlichen Argumente wegen hier ein Stück weiter voran: mit einer sozialen Absicherung über ein Sonderwohngeld, das berechtigterweise und sinnvollerweise bis Ende 1996 verlängert worden ist; durch die gleichen Rechte der zweimonatigen Zustimmung, wie wir sie auch im Westen unseres Vaterlandes haben; durch die Möglichkeit einer Kappung, die sich aber für Investitionen nicht blokkierend auswirken wird, sondern die diese Investitionen ein bißchen streckt, um sie dann auch solchen Unternehmen zugute kommen zu lassen, die sie in besonderer Weise brauchen. Es geht um einen Kompromiß, für den der Bauminister zu danken hat und von dem er weiß, es ist nicht Kungelei, kein Gemauschel, kein Kuhhandel, sondern ein intensives Ringen um eine gute Sachlösung. Ein kluger Philosoph aus München hat einmal gesagt: „Wenn wir uns zu schnell auf das Falsche einigen, so bleibt es doch das Falsche." Dies ist hier nicht erfolgt. Hier haben wir uns auf etwas geeinigt, was eine gute Basis dafür ist, Ängste und Sorgen abzubauen und denen endgültig das Handwerk zu legen, die mit Ängsten und Emotionen ihre politischen Ziele verfolgen wollen. Das ist unser gemeinsames Ziel, meine Damen und Herren. ({7}) Wenn sich der Bauminister dafür bedankt, dann dankt er - vielleicht geht das noch in den einen oder anderen PDS-Kopf hinein - nicht in der Weise, daß er feiert, sondern so, daß man sich nach einer zwischenmenschlich-freundschaftlichen Verhandlung zusammensetzt und sich fragt, was man daraus für die Zukunft noch lernen könnte. Deswegen habe ich geglaubt, daß ein Dankeschön hinterher gar nicht so verkehrt wäre. ({8}) Wenn wir dazu kämen, uns auch bei unterschiedlicher Meinung in diesem Hohen Hause zusammenzusetzen und uns zu fragen, was wir daraus gelernt haben, wäre für die Entemotionalisierung in unserem Lande viel Gutes getan. ({9}) Ich danke all denen, die hieran mitgewirkt haben, sehr herzlich. Lassen Sie mich diesen Dank auf die Bauminister der neuen Bundesländer, auf die CDU/ CSU, die F.D.P. und die SPD und nicht zuletzt auch auf die vielen qualifizierten Mitarbeiter des Justiz- und des Bauministeriums ausdehnen. Ich danke Ihnen sehr herzlich. ({10})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen. Ich weise darauf hin, daß wir hintereinander zwei namentliche Abstimmungen und eine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis sowie zahlreiche einfache Abstimmungen durchführen werden. Außer den Stimmkarten für die namentlichen Abstimmungen benötigen Sie Ihren Wahlausweis und eine Stimmkarte für die Wahl des Leiters der Delegation zur Nordatlantischen Versammlung. Den Wahlausweis können Sie - soweit noch nicht geschehen - Ihrem Schließfach entnehmen. Die Stimmkarten wurden verteilt. Soweit Sie noch keine haben, können Sie diese bei den Plenarsekretären erhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können sehr zu einem zügigen Ablauf der Abstimmungen beitragen, wenn Sie nach der Stimmabgabe Ihre Plätze wieder einnehmen. Wir kommen zur Abstimmung über die inhaltsgleichen Entwürfe eines Mietenüberleitungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Bundesregierung auf den Drucksachen 13/783, 13/ 1041, 13/1187 und 13/1386 Nr. 1. Dazu liegen acht Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor, über die wir zuerst abstimmen. Zuvor hat jedoch die Kollegin Franziska EichstädtBohlig nach § 31 unserer Geschäftsordnung zu einer Erklärung zur Abstimmung das Wort.

Franziska Eichstädt-Bohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002643, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte kurz eine Erklärung zu den Änderungsanträgen der PDS abgeben. Wir werden uns bei diesen Anträgen durchweg enthalten; denn wir können so kurzfristig nicht beurteilen, ob sie gut, falsch, richtig usw. sind. Ich muß dazu deutlich sagen: Kollegen von der PDS, wir halten Ihr Vorgehen für falsch, denn Sie hatten in drei Ausschüssen Gelegenheit, Anträge zum Gesetz zu stellen. ({0}) Von daher finde ich das ein unseriöses Verhalten. Da wir nicht wissen, ob die Anträge Gutes oder Schlechtes enthalten, und wir uns daher kein Urteil bilden können, enthalten wir uns. Ich möchte jedoch deutlich Kritik an diesem Vorgehen üben. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, nach § 31 dürfen Sie nur zu Ihrem persönlichen Abstimmungsverhalten sprechen. ({0}) Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/1416? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit den Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/1417? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/ CSU, F.D.P., SPD bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der PDS abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/1418? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache 13/1419. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/1420? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit denselben Mehrheitsverhältnissen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/1421? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit denselben Mehrheitsverhältnissen abgelehnt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/1422? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/ CSU und F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von Teilen der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der PDS abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/1423? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/ CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit der vom Berichterstatter vorgetragenen Berichtigung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen worden. Ich eröffne die dritte Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. Ich frage: Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. *) Wir setzen die Beratungen fort und brauchen dafür ein bißchen Ruhe. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1413. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD abgelehnt worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Mietenüberleitungsgesetzes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/549. Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau empfiehlt auf Drucksache 13/1386 Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/549 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. und bei Zustimmung der GRÜNEN abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE *) Seite 2968 D GRÜNEN zur Verknüpfung einer Mietrechtsänderung Ost mit einer gleichzeitigen Wohngeldanhebung. Das sind die Drucksachen 13/546 und 13/1386 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS mit der Mehrheit des Hauses angenommen worden. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu einem sozialverträglichen und überschaubaren Mietensystem auf der Drucksache 13/1386 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/759 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS angenommen worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Verlängerung des Kündigungsschutzes für gewerblich genutzte Räume und unbebaute Grundstücke auf Drucksache 13/67. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 776, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/67 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Verlängerung der erweiterten Kündigungsschutzregelungen in Ostdeutschland auf Drucksache 13/1396. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der PDS auf Drucksache 13/582 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der SPD gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen worden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15a auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Futtermittelgesetzes - Drucksache 13/671 - ({1}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) - Drucksache 13/1351 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Gerald Thalheim Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen damit gleich zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS ist der Gesetzentwurf damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einigen Stimmen der PDS angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszahlung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. *) Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe die Zusatzpunkte 2a und 2 b auf: a) Ergänzungswahl von Mitgliedern des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes Wahlvorschlag der Fraktionen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P. - Drucksache 13/1392 - b) Nachwahl eines beratenden Mitglieds des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsausschusses Wahlvorschlag der Gruppe der PDS - Drucksache 13/1393 Dazu liegt auf Drucksache 13/1392 ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. vor. Wer stimmt für den Wahlvorschlag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS sonst mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Wir kommen zur Nachwahl eines beratenden Mitglieds des Wahlprüfungsausschusses. ({3}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein bißchen mehr Ruhe bitte! - Die Gruppe der PDS schlägt auf Drucksache 13/1393 die Abgeordnete Andrea Lederer vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist angenommen. *) Seite 2971 BIch rufe den Zusatzpunkt 3 auf: Ergänzungswahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ({4}) - Drucksache 13/1403 Dazu liegt auf Drucksache 13/1403 ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist bei 1 Enthaltung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf: Ergänzungswahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 41 Abs. 5 des Außenwirtschaftsgesetzes zur Kontrolle der Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses - Drucksache 13/1404 Dazu liegt auf Drucksache 13/1404 ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist bei Enthaltung der Gruppe der PDS ansonsten mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Wahl des Leiters der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und als ordentliches Mitglied im Ständigen Ausschuß der Nordatlantischen Versammlung - Drucksachen 13/1387, 13/1388 Die Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. schlagen auf Drucksache 13/1387 den Abgeordneten Klaus Francke ({5}) vor. Die Fraktion der SPD hat auf Drucksache 13/1388 die Abgeordnete Brigitte Schulte ({6}) vorgeschlagen. Interfraktionell ist vereinbart, die Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis durchzuführen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich gebe einige Hinweise zum Wahlverfahren. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wahlverfahren ist nicht eröffnet. Sie dürfen nicht wählen. ({7}) - Es hat sich geklärt. Die Urne war noch zu. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung angekündigt. Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung hat der Kollege Joachim Hörster.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen Vorgang im Plenum des Bundestags, der singulärer Natur ist. Zum erstenmal, seit es die Nordatlantische Versammlung gibt, müssen wir in diesem Hohen Hause darüber abstimmen, wer Leiter der deutschen Delegation werden soll. Das ist darin begründet, daß die traditionelle Übung, die bisher in diesem Hohen Hause unangefochten durchgehalten worden ist, wonach die stärkste Fraktion dieses Hauses den Leiter der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung stellt, von den Sozialdemokraten in Frage gestellt wird. Ich weiß, daß es dort interne Personalprobleme gibt. ({0}) Ich bedauere dies sehr, denn die bisherige Übung war die, daß sowohl der Leiter der deutschen Delegation als auch der Vertreter im Ständigen Ausschuß jeweils von der stärksten Fraktion gestellt wurden und die Vertreter entsprechend anders organisiert waren. ({1}) Bei dieser Feststellung - da mögen Sie den Kopf schütteln, soviel Sie wollen - beziehe ich mich auf eine Vorlage der Bundestagsverwaltung, die ausdrücklich zur Vorbereitung und zur Lösung dieses Problemfalls erstellt worden ist. Darin steht das. Ich finde es nicht gut, daß solche langen Übungen, die ihren guten Grund haben, nun in Frage gestellt werden. Ich halte es im übrigen für ganz besonders mißlich, daß die Sozialdemokraten erst die Mitglieder der Koalitionsfraktionen in Anspruch genommen haben, um im November des vergangenen Jahres den Kollegen Karsten Voigt zum Präsidenten der Nordatlantischen Versammlung zu wählen, ({2}) um sich dann anschließend, wenn es um die Regelung der eigenen Fragen geht, von den guten Übungen zu distanzieren. ({3}) Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich darum, dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen und Klaus Francke zu wählen, insonderheit auch deswegen, weil der Kollege Francke in den vergangenen Wahlperioden unbestritten - seit er die Funktion des Leiters der deutschen Delegation wahrnimmt - die Interessen der deutschen Delegation und des Bundestages, aber auch der sechs Vertreter des Bundesrates gewahrt, niemand seine Amtsführung beanstandet hat ({4}) und er bislang von allen als sachverständig, integrierend und als ordentlicher Delegationsleiter bezeichnet worden ist. ({5}) Es gibt keinen Anlaß, hier einen Personalwechsel vorzunehmen. Ich habe Verständnis dafür, daß es manchmal gerade in den großen Fraktionen knirscht, wenn die Erwartungen an Positionen höher sind als das Potential der zur Verfügung stehenden Positionen. Aber sowohl die anderen Mitglieder der Koalitionsfraktionen als auch ich haben immer die Meinung vertreten, daß gute Übungen des Parlaments nicht zur Disposition gestellt werden sollten, weil es solche internen Probleme geben kann. Deswegen bitte ich, bei den guten Übungen zu verbleiben. Ich bedanke mich. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ebenso erhält jetzt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, der Kollege Dr. Peter Struck, nach § 31 der Geschäftsordnung das Wort zu seinem persönlichen Abstimmungsverhalten.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hörster hat, der guten Tradition folgend, in fünf Minuten wieder so viel Unsinn geredet, ({0}) wie das kaum denkbar ist. ({1}) Zunächst einmal, Herr Kollege Hörster: Wenn Sie hier behaupten, die CDU-Mitglieder der Nordatlantischen Versammlung hätten Herrn Voigt mit zum Präsidenten gewählt, dann will ich Sie nur diskret darauf hinweisen, daß die CDU-Mitglieder der Nordatlantischen Versammlung an dieser Veranstaltung überhaupt nicht teilgenommen haben, weil sie nämlich hier in Bonn waren. ({2}) Wenn Sie so mit der Wahrheit umgehen - Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln -, dann stehen Sie in guter Kontinuität der Regierungspolitik. ({3}) Das zweite: Sie haben sich auf ein - wie Sie gesagt haben - Gutachten der Bundestagsverwaltung berufen. Wenn man sich das genau ansieht - das habe ich getan -, dann stellt man fest: Dieses Gutachten ist kein Gutachten, sondern die Zementierung eines alten Verwaltungsgrundsatzes: Das haben wir schon immer so gemacht; das machen wir weiter so. - Das ist für mich nicht überzeugend; für Sie, Herr Hörster, vielleicht, für die Regierungspolitik vielleicht auch. Der Deutsche Bundestag sollte bitte zur Kenntnis nehmen, daß unsere Delegation in der Nordatlantischen Versammlung aus Bundestag und Bundesrat besteht. Sie können hier mit Ihrer Mehrheit beschlieDr. Peter Struck ßen, was Sie wollen. Ich prophezeie Ihnen: Der Bundesrat als Verfassungsorgan wird nicht ohne weiteres hinnehmen, welche Personalentscheidungen Sie hier mit Mehrheit durchsetzen. Warten wir einmal ab! ({4}) Wir haben mit der Kollegin Brigitte Schulte eine hervorragende Verteidigungspolitikerin vorgeschlagen, die die Interessen der Bundesrepublik Deutschland in der Nordatlantischen Versammlung als Leiterin unserer Delegation und als Mitglied im Ständigen Ausschuß bestens vertreten kann. ({5}) Sie wird dann übrigens, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, die Mehrheitsmeinung der Gruppe in der Nordatlantischen Versammlung vertreten. Denn die Mehrheit - das müssen Sie zur Kenntnis nehmen - haben Sie da schon lange nicht mehr, dankenswerterweise. Denn das Ergebnis der Wahl zum Bundestag hat es ermöglicht, daß Sie nicht einmal in der Delegation des Bundestages eine Mehrheit haben. In der Delegation des Bundesrates haben wir erfreulicherweise eine große Mehrheit. Das heißt, der Herr Francke wird sich, wenn er hier gewählt werden sollte, noch sehr wundern, welche Meinung er als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten hat. Ich prophezeie Ihnen - es tut mir leid um den Kollegen Francke, aber so ist das leider in der Politik -: Sie werden zwar hier als Leiter der deutschen Delegation gewählt, aber ich glaube nicht, daß Sie es auch wirklich werden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich gebe einige Hinweise zum Wahlverfahren. Die Stimmkarten für die Wahl haben Sie erhalten. Sollten Sie noch keine haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, diese bei den Plenarsekretären zu bekommen. Außerdem benötigen Sie Ihren Wahlausweis, den Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem Schließfach entnehmen. Die Wahl findet offen statt. Sie können die Stimmkarte also an Ihrem Platz ankreuzen. Auf der Stimmkarte dürfen Sie höchstens einen Namen ankreuzen. Ungültig sind Stimmkarten, die mehr als eine Ankreuzung, andere Namen oder Zusätze enthalten. - Das ist alles schon mal vorgekommen. - Wer sich der Stimme enthalten will, macht bitte keine Eintragung. Ich bitte Sie, bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, den Schriftführerinnen und Schriftführern an der Wahlurne Ihren Wahlausweis zu übergeben. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, wieder die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Haben alle Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist offenbar der Fall. Ich eröffne die Wahl. - Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgegeben? - Das ist offenbar der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Beratungen fort, allerdings erst, wenn ein wenig Platz in den Gängen entstanden ist und die Kollegen wieder sitzen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis d und Zusatzpunkt 6 auf: 14. Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 11 vom 11. Mai 1994 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Drucksache 13/858 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß ({0}) Auswärtiger Ausschuß b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. November 1992 über den Beitritt der Griechischen Republik zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 ({1}) - Drucksache 13/1269 Überweisungsvorschlag: Innenausschuß ({2}) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union c) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung bundeseigener Grundstücke in Wiesbaden, ehemaliges Camp Lindsey - Drucksache 13/1293 -Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Günther Maleuda, Eva-Maria BullingSchröter, Dr. Christa Luft, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS Regelung der Altkredite der LPG-Rechtsnachfolger - Drucksache 13/1330 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3}) Rechtsausschuß Finanzausschuß *) Seite 2985 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({4}) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({5}) - Drucksache 13/1395 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung ({6}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15b bis 15g sowie Zusatzpunkt 7 auf: 15. Abschließende Beratungen ohne Aussprache b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({7}) - Drucksache 13/188 - ({8}) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({9}) - Drucksache 13/1364 - Berichterstattung: Abgeordnete Hartmut Koschyk Siegfried Vergin Rezzo Schlauch c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({10}) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1993 - Einzelplan 20 - § 101 BHO - Drucksachen 12/7383, 13/725, Nr. 79, 13/1244 Berichterstattung: Abgeordnete Rudolf Purps Wilfried Seibel Oswald Metzger Dr. Wolfgang Weng ({11}) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({12}) zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/95 und 2 BvE 2/95 - Drucksache 13/1305 - Berichterstattung: Abgeordneter Horst Eylmann e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({13}) zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der ehemaligen US-Wohnsiedlung CentervilleNord in Augsburg - Drucksachen 13/780, 13/1245 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Susanne Jaffke Oswald Metzger Jürgen Koppelin f) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({14}) Sammelübersicht 31 zu Petitionen - Drucksache 13/1325 - g) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({15}) Sammelübersicht 33 zu Petitionen - Drucksache 13/1327 ZP 7 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({16}) - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachtes Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. März 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über Kindergeld - Drucksache 13/665 - ({17}) - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. September 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Kindergeld - Drucksache 13/664 - ({18}) a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({19}) - Drucksache 13/1320 Berichterstattung: Abgeordneter Hans Büttner ({20}) b) Berichte des Haushaltsausschusses ({21}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksachen 13/1398, 13/1399

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Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner Hans-Joachim Fuchtel Antje Hermenau Ina Albowitz Peter Jacoby Karl Diller Kristin Heyne Es handelt sich um die Beschlußfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 15b: Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes auf Drucksache 13/188. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 1364 den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/ CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung der PDS und Nichtstimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 15 c: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes „Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1993", Drucksachen 12/7383 und 13/1244. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 15 d: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht, Drucksache 13/1305. Es handelt sich um ein Organstreitverfahren zur Rechtmäßigkeit der Überprüfung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/ Amt für nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Der Ausschuß empfiehlt, Stellungnahmen abzugeben und Prozeßvertreter zu bestellen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 15 e: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Augsburg, Drucksachen 13/780 und 13/1245. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Tagesordnungspunkte 15f und 15g: Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 13/1325 und 13/1327. Es handelt sich dabei um die Sammelübersichten 31 und 33. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Wir kommen zu Zusatzpunkt 7, und zwar zunächst zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit dem Königreich Marokko über Kindergeld, Drucksache 13/665. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 13/1320, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der Tunesischen Republik über Kindergeld, Drucksache 13/664. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 13/1320, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4 a zurück: Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum Mietenüberleitungsgesetz bekannt. Es handelt sich um die Drucksachen 13/783, 13/1041, 13/1187 und 13/1386 Nr. 1. Abgegebene Stimmen: 640. Mit Ja haben gestimmt: 563. Mit Nein haben gestimmt: 72. Enthaltungen: 5. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 640; davon: ja: 563 nein: 72 enthalten: 5 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Wolfgang Börnsen ({0}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun ({1}) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({2}) Dankward Buwitt Manfred Carstens ({3}) Peter H. Carstensen ({4}) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Use Falk Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke Ulf Fink Dirk Fischer ({5}) Klaus Francke ({6}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther ({7}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({8}) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs Otto Hauser ({9}) Hansgeorg Hauser ({10}) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinrich Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung ({11}) Ulrich Junghanns Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein ({12}) Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler ({13}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause ({14}) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Dr. Karl A. Lamers ({15}) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link ({16}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({17}) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß ({18}) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer ({19}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Rudolf Meyer ({20}) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller ({21}) Engelbert Nelle Bernd Neumann ({22}) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({23}) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard ({24}) Klaus Dieter Reichardt ({25}) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl ({26}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch ({27}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({28}) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer ({29}) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({30}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({31}) Andreas Schmidt ({32}) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz ({33}) Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte ({34}) Gerhard Schulz ({35}) Frederick Schulze Diethard Schütze ({36}) Clemens Schwalbe Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Di. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt ({37}) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm ({38}) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer ({39}) Matthias Wissmann Simon Wittmann ({40}) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller SPD Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig Lilo Blunck Dr. Ulrich Böhme ({41}) Arne Börnsen ({42}) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Hans Martin Bury Hans Büttner ({43}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer ({44}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs ({45}) Katrin Fuchs ({46}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges Günter Gloser Dr. Peter Glotz Günter Graf ({47}) Angelika Graf ({48}) Dieter Grasedieck Achim Großmann Karl-Hermann Haack ({49}) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({50}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({51}) Frank Hofmann ({52}) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Maria Anna Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({53}) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann ({54}) Christa Lörcher Erika Lotz Dieter Maaß ({55}) Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({56}) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Michael Müller ({57}) Jutta Müller ({58}) Christian Müller ({59}) Kurt Neumann ({60}) Volker Neumann ({61}) Gerhard Neumann ({62}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Horst Schild Dieter Schloten Ginter Schluckebier Horst Schmidbauer ({63}) Dagmar Schmidt ({64}) Wilhelm Schmidt ({65}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({66}) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({67}) Brigitte Schulte ({68}) Reinhard Schultz ({69}) Volkmar Schultz ({70}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({71}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Ginter Verheugen Ute Vogt ({72}) Karsten D. Voigt ({73}) Josef Vosen Hans Georg Wagner Hans Wallow Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({74}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({75}) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({76}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich Verena Wohlleben Hanna Wolf ({77}) Heide Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun ({78}) Jörg van Essen Gisela Frick Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({79}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Detlef Kleinert ({80}) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Ginter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng ({81}) Nein SPD Albrecht Papenroth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann ({82}) Elisabeth Altmann ({83}) Volker Beck ({84}) Angelika Beer Matthias Berninger Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({85}) Joseph Fischer ({86}) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken-Deipenbrock Dr. Manuel Kiper Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Vera Lengsfeld Kerstin Müller ({87}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Gerd Poppe Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({88}) Wolfgang Schmitt ({89}) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz ({90}) Rainder Steenblock Marina Steindor Manfred Such Helmut Wilhelm ({91}) Margareta Wolf ({92}) PDS Wolfgang Bierstedt Petra Blass Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm Dr. Ruth Fuchs Dr. Uwe-Jens Heuer Stefan Heym Dr. Barbara Höll Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Manfred Müller ({93}) Rosel Neuhauser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Gerhard Zwerenz Enthalten SPD Dr. Christine Lucyga Siegfried Scheffler Wolfgang Spanier F.D.P. Helmut Schafer ({94}) Dr. Irmgard Schwaetzer Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Wir kommen nun noch einmal zum Tagesordnungspunkt 15a zurück: Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Futtermittelgesetzes bekannt, Drucksachen 13/671 und 13/1351. Abgegebene Stimmen: 645. Mit Ja haben 336 gestimmt, mit Nein haben 294 gestimmt, Enthaltungen 15. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 641; davon: ja: 332 nein: 294 enthalten: 15 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({95}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Rudolf Braun ({96}) Paul Breuer Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({97}) Dankward Buwitt Manfred Carstens ({98}) Peter H. Carstensen ({99}) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann Anke Eymer Ilse Falk Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke Ulf Fink Dirk Fischer ({100}) Klaus Francke ({101}) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma Glücklich Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund Horst Günther ({102}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({103}) Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs Otto Hauser ({104}) Hansgeorg Hauser ({105}) Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung ({106}) Ulrich Junghanns Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Peter Keller Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein ({107}) Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler ({108}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus Wolfgang Krause ({109}) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn Karl Lamers Dr. Karl A. Lamers ({110}) Helmut Lamp Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach Walter Link ({111}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({112}) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther Erich Maaß ({113}) Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Günter Marten Dr. Martin Mayer ({114}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Rudolf Meyer ({115}) Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller ({116}) Engelbert Nelle Bernd Neumann ({117}) Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({118}) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla Dr. Hermann Pohler Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger Christa Reichard ({119}) Klaus Dieter Reichardt ({120}) Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder Dr. Erich Riedl ({121}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch ({122}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({123}) Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Roland Sauer ({124}) Ortrun Schätzle Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({125}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({126}) Andreas Schmidt ({127}) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz ({128}) Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte ({129}) Gerhard Schulz ({130}) Frederick Schulze Diethard Schütze ({131}) Clemens Schwalbe Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser Dr. Susanne Tiemann Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt ({132}) Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke Kersten Wetzel Hans-Otto Wilhelm ({133}) Gert Willner Bernd Wilz Willy Wimmer ({134}) Matthias Wissmann Simon Georg Wittmann ({135}) Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger Elke Wülfing Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun ({136}) Günther Bredehorn Jörg van Essen Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({137}) Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Detlef Kleinert ({138}) Roland Kohn Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb Lisa Peters Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl Helmut Schäfer ({139}) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Wolfgang Weng ({140}) PDS Maritta Böttcher Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Nein SPD Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig Lilo Blunck Dr. Ulrich Böhme ({141}) Arne Börnsen ({142}) Anni Brandt-Elsweier Tilo Braune Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula Burchardt Hans Martin Bury Hans Büttner ({143}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Lothar Fischer ({144}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs ({145}) Katrin Fuchs ({146}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Dr. Peter Glotz Günter Graf ({147}) Angelika Graf ({148}) Dieter Grasedieck Achim Großmann Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller ({149}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({150}) Frank Hofmann ({151}) Ingrid Holzhüter Erwin Horn Eike Maria Anna Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({152}) Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann ({153}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({154}) Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Herbert Meißner Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Jürgen Meyer ({155}) Ursula Mogg Siegmar Mosdorf Michael Müller ({156}) Jutta Müller ({157}) Christian Müller ({158}) Kurt Neumann ({159}) Volker Neumann ({160}) Gerhard Neumann ({161}) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla Onur Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Dieter Schloten Günter Schluckebier Horst Schmidbauer ({162}) Dagmar Schmidt ({163}) Wilhelm Schmidt ({164}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({165}) Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({166}) Brigitte Schulte ({167}) Reinhard Schultz ({168}) Volkmar Schultz ({169}) Ilse Schumann Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({170}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Lisa Seuster Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Joachim Tappe Jörg Tauss Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin Günter Verheugen Ute Vogt ({171}) Karsten D. Voigt ({172}) Josef Vosen Hans Georg Wagner Hans Wallow Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({173}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({174}) Jochen Welt Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek ({175}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Berthold Wittich Verena Wohlleben Hanna Wolf ({176}) Heide Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Gila Altmann ({177}) Elisabeth Altmann ({178}) Volker Beck ({179}) Angelika Beer Matthias Berninger Annelle Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Andrea Fischer ({180}) Joseph Fischer ({181}) Rita Grießhaber Gerald Häfner Antje Hermenau Kristin Heyne Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Vera Lengsfeld Kerstin Müller ({182}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Cem Özdemir Gerd Poppe Simone Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({183}) Wolfgang Schmitt ({184}) Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz ({185}) Rainder Steenblock Marina Steindor Manfred Such Helmut Wilhelm ({186}) Margareta Wolf ({187}) PDS Petra Bläss Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Stefan Heym Dr. Christa Luft Manfred Müller ({188}) Gerhard Zwerenz Enthalten PDS Wolfgang Bierstedt Eva Bulling-Schröter Dr. Ludwig Elm Dr. Uwe-Jens Heuer Gerhard Jüttemann Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Heidemarie Lüth Dr. Günther Maleuda Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Der Gesetzentwurf ist ebenfalls angenommen. Das Stimmergebnis zur Wahl des Leiters der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung liegt noch nicht vor. Ich schlage vor, daß wir jetzt mit der Fragestunde beginnen und das Ergebnis der Wahl erst nach der Fragestunde bekanntgeben. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 13/1347 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung ist Herr Bundesminister Bohl erschienen. Vielen Dank. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Norbert Gansel auf: Wann ist der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Friedrich Bohl, davon informiert worden, daß das bayerische Landeskriminalamt mit Amtshilfe des Bundesnachrichtendienstes mit einer internationalen Tätergruppe Scheinverhandlungen über den Kauf von mehreren Kilo Plutonium aus Rußland führte, und warum hat er, nachdem der Bundeskanzler am 19. Juli 1994 wegen des Fundes von 6 g Plutonium einen persönlichen Brief an den russischen Präsidenten geschrieben hatte, nicht für eine ergänzende Information der russischen Seite und ihre Kooperation bei der Verhinderung des Plutoniumtransportes nach Deutschland Sorge getragen?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Präsidentin, ich würde gerne sowohl zu dieser Frage als auch zu den beiden noch folgenden Fragen eine Bemerkung voranschicken. Der Deutsche Bundestag hat am 11. Mai 1995 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen, der sich entsprechend dem vom Plenum beschlossenen Untersuchungsauftrag umfassend mit allen Fragen befassen wird, die im Zusammenhang mit dem illegalen Nuklearhandel und der Sicherstellung von Plutonium auf dem Münchener Flughafen am 10. August 1994 zu behandeln sind. Die von den Abgeordneten Gansel und Neumann gestellten Fragen sind Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsauftrages. Die Bundesregierung hat bereits jetzt in den zuständigen Gremien des Bundestages und auch einzelnen Abgeordneten mehr als 100 Einzelfragen zu den Themen des Untersuchungsausschusses beantwortet. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt es im Interesse einer erfolgreichen Arbeit des Ausschusses, die im Untersuchungsauftrag aufgeworfenen Fragestellungen im größeren Zusammenhang mit dem speziell dafür eingesetzten Ausschuß eingehend und sorgfältig zu erörtern. Sie sieht es im Hinblick auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht als hilfreich an, aus dem Zusammenhang des Untersuchungsauftrages herausgelöste Einzelfragen auch weiterhin im Plenum zu beantworten. Die Bundesregierung wird deshalb den Ältestenrat des Deutschen Bundestages - in diesen Minuten tritt er zusammen - mit diesen Fragen befassen und um entsprechende Beratungen bitten. Bei Ihrer Auffassung sieht sich die Bundesregierung im Einklang mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 1993, der entschieden hat, daß die Landesregierung Abgeordnete bei thematischer Übereinstimmung ihrer Anfrage mit dem Untersuchungsauftrag eines unmittelbar bevorstehenden parlamentarischen Untersuchungsverfahrens unter Umständen auf die dort stattfindenden Aufklärungsmaßnahmen verweisen darf. Das Gericht hat seine Entscheidung u. a. damit begründet, daß es im Interesse der Sache liegen kann, eine Mehrzahl zusammengehörender oder aus einem größeren Zusammenhang gelöste Einzelfragen im Zusammenhang zu beantworten, weil auf diese Weise den Fragestellern eher eine vollständige, die jeweilige Problematik erschöpfende Aufklärung zuteil werde. Der geeignete Ort dafür sei das vom Parlament beschlossene Untersuchungsverfahren. Die Bundesregierung wird ihre Informationspflichten gegenüber dem vom Deutschen Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuß voll erfüllen und die von ihm zu leistende Arbeit nach besten Kräften unterstützen. Dies wird nur durch erheblichen zeitintensiven, administrativen Aufwand möglich sein, der ohne zusätzliches Personal zu leisten ist. Auch dies bitte ich im Hinblick auf künftige Fragen zu berücksichtigen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Frage des Abgeordneten Gansel wie folgt: Über den illegalen Nuklearhandel und die sich daraus ergebenden Gefahren bin ich mehrfach in allgemeiner Weise unterrichtet worden. Über die Vorgänge und näheren Umstände des Plutoniumschmuggels in München bin ich erst am Wochenende des 12. auf den 13. August 1994 im Lichte der im Bundeskanzleramt vorhandenen Informationen unterrichtet worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Gansel, bitte.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, auch ich möchte meiner Frage eine Erklärung vorausschikken, damit im Parlament Waffengleichheit zwischen Regierung und Abgeordneten herrscht. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung die einfache Frage danach, ob der Chef des Bundeskanzleramtes davon informiert war, daß eine Woche nachdem der Bundeskanzler wegen 6 g Plutoniums, das in einer Garage in Deutschland gefunden wurde, einen persönlichen Brief an den russischen Präsidenten geschrieben hatte, unter Beteiligung des BND, der einen Dolmetscher zur Amtshilfe zur Verfügung stellte, in München über den Ankauf von 4 bis 11 kg aus Moskau verhandelt wurde, knapp und präzise ohne diesen Vorspruch hätte beantworten können. Was diesen Vorspruch des Ministers betrifft, so weise ich darauf hin: Allein die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, in dem die Regierungsmehrheit durch ihre Vertagungs- und Beweisanträge verhindert, daß konkrete Fragen, die die Außenpolitik der Bundesrepublik aktuell belasten, geklärt werden können, kann doch nicht dazu führen, daß das Parlament aus aktuellen politischen Debatten ausgeschaltet wird. Deshalb lege ich Wert darauf, daß wir Abgeordnete nach Verfassung und Geschäftsordnung von unserem Recht Gebrauch machen können, die Bundesregierung jederzeit zu jedem Sachverhalt im Plenum zu befragen. Hier geht es um ein verfassungsmäßiges Recht der Abgeordneten, das nicht mit einer Regierungsmehrheit in einen Untersuchungsausschuß beiseitegeschoben werden kann. Dies vorangestellt, stelle ich meine erste Zusatzfrage: Trifft es zu, daß der Chef des Bundeskanzleramtes, Sie, Herr Minister Bohl, der Sie informiert waren, daß der Bundeskanzler wegen 6 g Plutoniums einen persönlichen Brief an den russischen Präsidenten geschrieben hatte mit der Bitte und der dringenden Aufforderung, bei der Bekämpfung des illegalen Nuklearhandels zusammenzuarbeiten, nicht informiert war und nichts unternommen hat, um den Ankauf von bis zu 4 kg oder gar 11 kg Plutonium und den Transport von Moskau nach Deutschland mit Hilfe russischer Behörden zu unterbinden? Ja oder nein?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte, Herr Minister.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Abgeordneter Gansel, die verfassungsrechtlichen Obliegenheiten der Bundesregierung in diesem Zusammenhang sind in der Tat vor dem Hintergrund des Urteils zu klären, das ich vorhin zitiert habe. Darüber wird der Deutsche Bundestag beraBundesminister Friedrich Bohl ten, und die Bundesregierung wird ihre Auffassung dazu mit einbringen. Herr Kollege Gansel, ich habe nicht gesagt - leider ist es bei Ihnen häufiger so, daß Sie Aussagen nur selektiv wahrnehmen -, daß die Bundesregierung Fragen nicht beantwortet. Ich habe vielmehr genau beschrieben und die Conditiones dargelegt, die - von dem Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofes ausgehend - hier relevant sein könnten. Auch Sie werden doch der Auffassung sein, daß sich die Bundesregierung an Recht und Gesetz halten soll. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. Im übrigen erlaube ich mir den Hinweis, daß ich Ihre Frage, die Sie hier gestellt haben, konkret beantwortet habe. Ich möchte Ihnen die Antwort gerne noch einmal in Erinnerung rufen. Ihre Frage habe ich, unabhängig von dem Vorspann, der auf Grund der Sach- und Rechtslage, so glaube ich, geboten war, wie folgt beantwortet: Über den illegalen Nuklearhandel und die sich daraus ergebenden Gefahren bin ich mehrfach in allgemeiner Weise unterrichtet worden. Über die Vorgänge und näheren Umstände des Plutoniumschmuggels in München bin ich erst am Wochenende des 12. auf den 13. August 1994 im Lichte der im Bundeskanzleramt vorhandenen Informationen unterrichtet worden. Ich kann Ihnen nur die Wahrheit sagen. Ich kann Ihnen nicht das sagen, was Sie gerne hören möchten, sondern erfülle meine Pflicht zur Berichterstattung vor diesem Hohen Hause.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Gansel, bitte.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage konkret und zugespitzt: Ist Ihre Antwort so zu verstehen, daß Sie vor dem Wochenende am 12., 13. August keinerlei Information darüber erhalten haben, daß - nach dem Zufallsfund von 6 g Plutonium in Tengen und dem persönlichen Brief des Bundeskanzlers an den russischen Präsidenten - in München inzwischen über den Ankauf einer sehr viel größeren Menge Plutoniums verhandelt wurde, ausreichend, um eine Atombombe zu produzieren?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich muß gestehen, daß mir der neuere Sinn Ihrer Frage auf Grund der vielen Relativsätze und Einfügungen nicht hinreichend klar ist. Insofern verweise ich auf meine Antwort: Über den illegalen Nuklearhandel und die sich daraus ergebenden Gefahren bin ich mehrfach in allgemeiner Weise unterrichtet worden. Über die Vorgänge und näheren Umstände des Plutoniumschmuggels in München bin ich erst am Wochenende des 12. auf den 13. August 1994 im Lichte der im Bundeskanzleramt vorhandenen Informationen unterrichtet worden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Neumann, bitte.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, können Sie nach Ihrem heutigen Kenntnisstand bestätigen, was wir in der „Süddeutschen Zeitung" vom heutigen Tage gelesen haben, der Bundeskanzler sei über die Tatsache, daß sich etwas anbahne, informiert worden. Kohl wolle bei solchen Dingen keine Detailangaben über Gewichte oder den exakten Zeitplan, sondern lediglich die Tatsachen hören.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Abgeordneter, diesen Artikel kann ich Ihnen nicht bestätigen. Im Gegenteil, ich kann ihn dementieren, so wie ich das heute schon in meiner Eigenschaft als Chef des Kanzleramtes in einer offiziellen Mitteilung der Bundesregierung getan habe.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Beucher, bitte.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Bohl, haben Sie von der Übergabe und dem Scheingeschäft in München vor dem 10. August erfahren, ja oder nein? ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich habe die Frage doch schon zweimal beantwortet. Ich wiederhole sie gerne noch einmal: Über die Vorgänge und näheren Umstände des Plutoniumschmuggels in München bin ich erst am Wochenende des 12. auf den 13. August 1994 im Lichte der im Bundeskanzleramt vorhandenen Informationen unterrichtet worden. Aber ich bin gerne bereit, diese Frage auch noch ein viertes Mal gleichlautend zu beantworten. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, bitte.

Erika Simm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002176, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie mir Ihre Antwort dahin gehend präzisieren, ob bei Ihren Informationen, daß da etwas am Laufen ist, der Ort München genannt worden ist?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Nein, das kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, sind Sie der Auffassung, daß die Dienste, die mit diesem Sachverhalt beschäftigt waren, richtig gehandelt haben, Sie oder den Bundeskanzler nicht rechtzeitig zu informieren, wenn sie Hinweise hatten, daß bis zu 11 kg vagabundierendes Plutonium in der Bundesrepublik oder in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik vorhanden waren?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Such, die Informationspflicht gegenüber dem Bundeskanzler ist jederzeit erfüllt worden. Zu dem was Sie in bezug auf den anderen Teilaspekt Ihrer Frage unterstellen, kann ich nur sagen: Ich habe nicht die Absicht, im Rahmen der Fragestunde politische Bewertungen vorzunehmen. Wir haben einen Untersuchungsausschuß. Der Untersuchungsausschuß mag mit seiner Arbeit beginnen und einen Bericht vorlegen. Dann werden wir sicherlich über den Bericht, so wie ich Sie von früheren Aktivitäten her gut kenne, in diesem Hause streiten. Die deutsche Öffentlichkeit mag sich dann ein Urteil bilden. Ich glaube nicht, daß es förderlich und dienlich ist, vor der Aufnahme der Arbeit des Untersuchungsausschusses diese einseitigen Urteile vorzunehmen, wie Sie es ja auch getan haben, indem Sie die Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlassen haben, vor die Presse gegangen sind und Erklärungen abgegeben haben, bevor Sie überhaupt den Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis genommen haben. Vor diesem Hintergrund habe ich überhaupt Zweifel, ob Erklärungen und Darlegungen der Bundesregierung Sie in Ihrem vorgefaßten Urteil grundsätzlich erschüttern können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Marschewski. ({0}) Wer selbst keine Frage gestellt hat, darf leider nur eine Zusatzfrage stellen.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Ich werde auch nur eine Frage stellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nein, das war an den anderen Kollegen gerichtet.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß der Bericht der „Süddeutschen Zeitung" von heute Zitate aus dem Protokoll der Sitzung der PKK enthält, und ist es richtig, daß, wenn dies der Fall ist, der § 353b des Strafgesetzbuches durch die Kollegen verletzt worden ist, die dies dann gesagt haben müssen? Wäre es dann richtig, daß die Staatsanwaltschaft von sich aus ein Ermittlungsverfahren einleitet? ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich glaube, daß die Frage für sich spricht. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die zuständigen Staatsanwaltschaften in Deutschland immer all das, was öffentlich bekannt wird, daraufhin überprüfen, ob es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Anlaß gibt. Insofern ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, der zuständigen Staatsanwaltschaft ergänzende Hinweise zu geben. Das wird die zuständige Staatsanwaltschaft in eigener Verantwortung tun müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Brecht.

Dr. Eberhard Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000254, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich möchte Sie nach Ihrer etwas blumigen Aussage, die Sie uns mehrfach vorgelesen haben, noch einmal befragen. Sie unterschieden zwischen der mehrfachen allgemeinen Information vor dem Wochenende 12./ 13. und den näheren Informationen. Können Sie denn diesen Unterschied ein wenig qualifizieren?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Da wir beide, glaube ich, der deutschen Sprache mächtig sind und sie unsere Muttersprache ist, erlaube ich mir, meine Antwort doch noch einmal vorzulesen, ({0}) die Ihnen ohne Zweifel diese Differenzierung gestattet: Über den illegalen - ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich meine eigentlich, daß ein fünfmal vorgelesener Satz nicht noch einmal vorgelesen gehört, da wir doch alle hören können. ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Präsidentin, ich habe das Wort. Es ist selbstverständlich, daß eine Präsidentin im Stuhl nicht kritisiert wird, ({0}) aber ich möchte eigentlich doch die Antwort geben, die ich nach bestem Wissen und Gewissen im Auftrag der Bundesregierung abgeben müßte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann erteile ich Ihnen dazu das Wort.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Wenn Sie nicht möchten, daß ich antworte, Frau Präsidentin, werde ich gerne darauf verzichten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich erteile Ihnen gerne das Wort.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Danke, Frau Präsidentin. Meine Antwort lautet: Über den illegalen Nuklearhandel und die sich daraus ergebenden Gefahren bin ich mehrfach in allgemeiner Weise unterrichtet worden. Über die Vorgänge und näheren Umstände des Plutoniumschmuggels in München bin ich erst - also nicht vorher, sondern erst - am Wochenende des 12. auf den 13. August 1994 im Lichte der im Bundeskanzleramt vorhandenen Informationen unterrichtet worden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, bitte.

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In der Hoffnung, daß ich Sie jetzt zu einer anderen Antwort bewege: Herr Minister, haben Sie vor dem 10. August Informationen darüber gehabt, daß in Deutschland weitere Verhandlungen geführt werden, um den Plutoniumhandel zu forcieren?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Bundesminister, bitte.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich glaube, aus meiner Antwort wird eindeutig klar, daß das nicht der Fall ist. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Zusatzfragen zu Frage 35 liegen nicht vor. Ich rufe Frage 36 des Abgeordneten Volker Neumann ({0}) auf: Welche Kontakte hatte der BND zu dem V-Mann des BKA namens „Roberto" vor und nach dem 9. Juni 1994, dem Tag, an dem im Madrider Hotel ,,Novotel" der Plutoniumschmuggel nach Deutschland verabredet worden ist?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich erlaube mir, noch einmal auf den Vorspann zu verweisen, der auch meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Gansel voranging. Ich ergänze jetzt: Über Kontakte des BND zu Personen, die für ihn nachrichtendienstlich tätig sind, gibt die Bundesregierung grundsätzlich keine öffentliche Auskunft. Sie wird aber diese Frage, Herr Kollege Neumann, die bereits in der Parlamentarischen Kontrollkommission in ähnlicher Weise gestellt und beantwortet wurde, vor dem Untersuchungsausschuß erschöpfend beantworten.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auch ich erlaube mir eine Vorbemerkung, weil Sie Ihre Vorbemerkung auch auf die Fragen meines Kollegen und auf meine Fragen bezogen haben. Dieser Untersuchungsausschuß hat nach meiner Kenntnis mit der Verfahrensmehrheit verhindert, daß eine Vernehmung der unmittelbar betroffenen Mitglieder der Bundesregierung zeitnah erfolgen kann, und mit der Verfahrensmehrheit beschlossen, zunächst andere Dinge, die zwar auch, aber nicht so vordergründig von Interesse sind, abzuhandeln, und damit der Regierung Gelegenheit gegeben, sich auf die weiteren Untersuchungen des Untersuchungsausschusses in der ihr angemessenen Weise vorzubereiten. Aus diesem Grunde möchte ich als Abgeordneter mein Recht in der Fragestunde wahrnehmen und die Fragen stellen, die notwendig sind, und zwar so lange, bis der Untersuchungsausschuß in der Lage ist, die Fragen an Sie zu stellen. ({0}) Meine Zusatzfrage lautet: Ist an „Roberto", den V- Mann des Bundeskriminalamtes, direkt oder indirekt Honorar über den BND gezahlt worden?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Abgeordneter, zu Ihrer Vorbemerkung darf ich darauf hinweisen, daß ich Ihnen geantwortet habe, daß ich vor dem Wochenende des 12. auf den 13. August keine Kenntnis gehabt habe. Ich weiß nicht, warum Sie nicht bereit sind, eine klare Antwort auch zur Kenntnis zu nehmen. Wenn diese Mindestvoraussetzung nicht gegeben ist, dann weiß ich auch gar nicht, was Fragen und Antworten in der Fragestunde wert sind. Ich darf noch einmal auf die Erklärung der Bundesregierung, die ich heute abgegeben habe, verweisen, daß der Bericht in der „Süddeutschen Zeitung" unzutreffend ist. Sie müßten so etwas doch zumindest zur Kenntnis nehmen. Es macht aus meiner Sicht der Dinge wenig Sinn, solche klaren Aussagen in der Öffentlichkeit einfach zu bestreiten. Wir werden aber sicherlich auch als Regierung Gelegenheit nehmen, diesen Sachverhalt in den nächsten Tagen deutlicher zu machen und den in der Medienlandschaft bisher erweckten Eindruck zu korrigieren. Was Ihre Frage angeht, bitte ich Sie wirklich um Verständnis. Es war in diesem Hohen Hause immer so - das- muß auch bei dieser Frage so bleiben -, daß wir über Personen, die nachrichtendienstlich tätig sind, und Umstände, die damit zusammenhängen, nicht im Plenum des Bundestages Auskunft geben, sondern in der Parlamentarischen Kontrollkommission und in diesem Falle natürlich vor dem Untersuchungsausschuß, der über die Frage der Geheimhaltung und des Schutzes berechtigter Interessen Dritter in eigener Verantwortung zu entscheiden haben wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Neumann.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bohl, ich hätte diese Frage in Kenntnis der Haltung der Bundesregierung und jeder Bundesregierung zum Volker Neumann ({0}) Thema BND auch nicht gestellt, wenn nicht die Bundesregierung ihrerseits erklärt hätte, daß sie offen und öffentlich in diesem speziellen Fall die Hintergründe aufklären wolle. Ich bitte daher um Verständnis für die Frage, die ich wiederhole und die Sie gleichermaßen beantworten können: Sind direkt oder indirekt Zahlungen des BND an ,,Roberto" gegangen?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege, diese Frage werde ich nicht vor dem Deutschen Bundestag in der Öffentlichkeit beantworten. Die Bundesregierung wird sie vor dem Untersuchungsausschuß gerne beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Bohl, wenn es so war, warum erklären Sie dann nicht einfach vor dem Bundestag: Ich habe nichts von dem gewußt, was sich in München über den Ankauf von 4 kg Plutonium vollzog, obwohl ich das hätte wissen müssen, um dem Bundeskanzler zu sagen, er müsse nach dem Brief vom 19. Juli sofort dem russischen Präsidenten schreiben und ihn um Mithilfe bei der Verhinderung des Plutoniumtransports bitten? Warum sagen Sie das nicht einfach und geben zu, daß es eine schlimme Panne war, wenn es denn so war?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Gansel, Ihre Frage macht ja deutlich, daß Ihnen nicht an meiner Antwort, die lautet, daß ich es nicht gewußt habe, gelegen ist, sondern daß es Ihnen um ein politisches Werturteil geht, das ich Ihnen nicht nehmen kann und, wie ich Sie aus früheren Untersuchungsausschüssen kenne, auch nicht nehmen werde. Dennoch ist das, was Sie sagen, nicht die Wahrheit, sondern das, was ich sage. Deshalb sehe ich auch der öffentlichen Auseinandersetzung über diesen Sachverhalt mit großer Gelassenheit und Ruhe entgegen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Bohl, nachdem Sie die Fragen hier so beantwortet haben, wie wir es vernehmen konnten, und sich dabei insbesondere in Verdächtigungen und persönlichen Schuldzuweisungen ergingen, was meine Person angeht, habe ich an Sie die Frage: Sind Sie der Auffassung, daß eine weitere Befragung der Bundesregierung in dieser Sache zwecklos ist? ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich habe nicht die Absicht, Ihre persönliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Ich überlasse das ganz Ihrer Person.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe soeben die Information bekommen, daß zur gleichen Zeit, in der wir hier Fragen zu diesem Sachverhalt behandeln, die vorhin angesprochene Grundsatzfrage im Ältestenrat thematisiert worden ist, insbesondere die Vorbemerkung, die Herr Minister Bohl gemacht hat. Der Ältestenrat hat beschlossen, da im Augenblick in der Sache kein Einvernehmen herzustellen war, diese Frage an den 1. Ausschuß, an den Geschäftsordnungsausschuß, zu überweisen. ({0}) Das heißt, die Frage, ob zur gleichen Zeit, in der ein Untersuchungsausschuß läuft, zum Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses im Bundestag Fragen gestellt werden können, ist damit für uns jetzt offen. Damit haben Sie sich, Herr Minister, dieser offenen Frage entsprechend korrekt verhalten; auch die Kollegen, die gefragt haben, haben sich dieser Offenheit entsprechend korrekt verhalten. Es wird also erst noch entschieden werden, ob das so geht oder nicht. Ich habe jetzt noch eine Zusatzfrage, die ich im Lichte dieser Situation zulasse. Es steht Ihnen dann frei, Herr Minister, im Rahmen dieser offenen Frage zu antworten. Bitte.

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, haben Sie im Zuge der Erkenntnisse über den 11. und 12. August auch Kenntnis darüber erhalten, welche Personen zu welchem Zeitpunkt in dieses Thema involviert gewesen sind? Ich frage dabei nicht nach Namen, sondern möchte nur wissen, ob Sie damals Kenntnis erhalten haben, welche Personen in welchem Bereich betroffen sind.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Kollegin, deshalb habe ich die Ergänzung vorgenommen, indem ich gesagt habe: im Lichte der Erkenntnisse des Kanzleramtes. Das Bundeskanzleramt war nicht die ermittelnde Behörde. Der gesamte Vorgang oblag der zuständigen Polizeibehörde in München. Ich habe nur das erfahren, was zu jenem Zeitpunkt auch das Bundeskanzleramt wußte. Der Umfang der Kenntnis des Bundeskanzleramtes am 12. und 13. August ist in Akten festgehalten. Darüber geben wir vor dem Untersuchungsausschuß gerne Auskunft.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe Frage 37 des Kollegen Volker Neumann ({0}) auf: Wen hat Staatsminister Bernd Schmidbauer in seinem Interview vom 24. Juli 1994 im Süddeutschen Rundfunk auf die Frage nach weiteren Spuren im Plutoniumschmuggel gemeint, als er darauf hinwies, daß nicht nur Russen oder Bürger der ehemaligen Sowjetunion beteiligt sind, sondern auch andere Nationalitäten bis hin zu Deutschen?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Neumann, wiederum mit dem Vorspann gebe ich Ihnen zur Antwort: Die Aussage von Staatsminister Schmidbauer in seinem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk zu weiteren Spuren bezog sich auf das in Baden-Württemberg anBundesminister Friedrich Bohl hängige Verfahren zum Fall Tengen. Die Parlamentarische Kontrollkommission wurde als das dafür zuständige Gremium des Deutschen Bundestages über die dazu aus dem nachrichtendienstlichen Bereich vorliegenden Erkenntnisse unterrichtet. Im übrigen gilt auch für den Tengener Plutoniumfall, daß die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuß dazu umfassend Auskunft erteilen wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Neumann, bitte.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn Herr Schmidbauer - da ich nach seiner Meinung gefragt habe - selbst geantwortet hätte. Ich nehme aber natürlich zur Kenntnis, daß Sie, Herr Bohl, für ihn sprechen. Ich habe eine Zusatzfrage, die Sie hoffentlich beantworten können. Was hat Herr Schmidbauer zum Anlaß genommen zu sagen, Deutschland biete sich als gute Drehscheibe an? An diesem Tag konnte er von dem Plutoniumschmuggel doch noch gar nichts wissen.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Neumann, Sie wissen doch wie ich, daß die Frage des illegalen Nuklearhandels in der deutschen Öffentlichkeit mehrfach thematisiert wurde. ({0}) Im „Spiegel" vom 18. Juli 1994 heißt es: „Fund 13 - Alarmstufe rot". Im „Expreß" vom 18. Oktober 1992 hat der Kollege Penner, den wir alle wegen seiner Sachkenntnis in Fragen der inneren Sicherheit sehr schätzen, nach dem Motto „Atomschmuggel - Kohl muß handeln" auf die besondere Thematik und Brisanz hingewiesen. Daß Herr Kollege Schmidbauer die Sache vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund des Tengener Falls thematisiert hat, scheint mir naheliegend und auch richtig zu sein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Neumann.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist an die Bundesregierung vom BND eine Frage gestellt worden, wieviel Geld der Bundesregierung Hinweise auf Nuklearschmuggel wert sind?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Neumann, auch in diesem Punkt bitte ich Sie um Verständnis, daß ich solche Fragen nicht in der Öffentlichkeit beantworten möchte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Neumann.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich dann auch annehmen, daß Sie nicht beantworten wollen, wann eine solche Frage im Juli 1994 an die Bundesregierung gestellt worden ist?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Ich bitte Sie um Nachsicht. Eine solche Frage insinuiert ja, daß es eine solche Anfrage oder Mitteilung überhaupt gegeben hat. Nach meiner Kenntnis, wenn ich mich richtig erinnere, ist dieses Thema in der PKK schon behandelt worden. Ich sage noch einmal: Im Untersuchungsausschuß können wir dazu gerne Stellung nehmen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bohl, können Sie ausschließen, daß Staatsminister Schmidbauer oder eine andere Person im Bundeskanzleramt nicht davon informiert war, daß wenige Tage nach dem Brief des Bundeskanzlers an den russischen Präsidenten oder möglicherweise sogar zeitgleich der Bundesnachrichtendienst einen Dolmetscher in Amtshilfe für die Scheinverhandlungen in München zum Ankauf von 4 bis 11 kg Plutonium zur Verfügung stellte? Wenn Sie das ausschließen können: Wie beurteilen Sie dann die erheblichen Informationsdefizite, die es im Bundeskanzleramt in einer Angelegenheit gegeben hat, die von großer außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik ist?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Gansel, diese Fragen sind - wenn ich richtig informiert bin, auch in Ihrer Anwesenheit - in der PKK schon mehrfach erörtert worden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Liebe Kollegen, ich bitte Sie, nach Möglichkeit nur eine Frage zu stellen und nicht eine Debatte zu entfalten. ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Sie brauchen mich nicht zu belehren, Herr Kollege Gansel. Ich kenne Recht und Gesetz, und gerade weil ich sie kenne, antworte ich so, wie ich antworte. Die Schlußfolgerung, die Sie in Ihren Zusatzfragen ziehen, zeigt mir, daß Sie die gleiche Achtung von Recht und Gesetz manchmal vermissen lassen. Wir werden vor dem Untersuchungsausschuß diese Fragen umfassend erörtern und unsere Kenntnisse darlegen. Es wird Ihnen nicht gelingen, Herr Kollege Gansel, in dieser Sache dem Bundeskanzleramt, dem Bundeskanzler und dem Chef des Bundeskanzleramtes etwas in die Schuhe zu schieben, was es objektiv nicht gegeben hat. Das Bundeskanzleramt, der Chef des Bundeskanzleramtes und der Bundeskanzler haben sich in dieser Sache absolut korrekt verhalten. Selbst wenn Sie den Untersuchungsausschuß zwei Jahre lang am Leben halten wollen, wird es Ihnen nicht gelingen, auch nur ein Fünkchen oder eine Spur von Verdacht auf die handelnden Personen im Kanzleramt zu lenken.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Marschewski. ({0}) - Ich bin nicht Gegenstand der Fragestunde. Jetzt behandeln wir erst die aufgerufene Frage.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie mir sagen, wieviel Proliferationsverdachtsfälle es z. B. im Jahre 1994 in Deutschland gegeben hat? Ist in all diesen vielen Fällen das Bundeskanzleramt vor einem polizeilichen Zugriff - jedweder Polizei in Deutschland - über Einzelheiten stets informiert worden? ({0})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Such, ich brauche dazu keine Vorbemerkung, sondern es ist hier die Frage nach den allgemeinen Gefahren des Nuklearhandels gestellt worden und nicht eine Frage, die sich speziell auf den Plutoniumschmuggel in München bezogen hat. Was die Fragen des illegalen Nuklearhandels angeht, kann ich Ihnen aus dem Handgelenk nicht beantworten, wie viele Fälle lin Jahre 1994 relevant waren. Nach meiner Erinnerung ist für die letzten drei bis vier Jahre eine Größenordnung von 200 bis 300 Fällen zu nennen. Das bedeutet, daß in der Tat die Information nicht in jedem Fall bis ins Bundeskanzleramt gedrungen ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen zu diesem Punkt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Bohl. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung ist Herr Staatsminister Schäfer erschienen. Es ist um schriftliche Beantwortung der Frage 38 der Abgeordneten Elke Leonhard gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen damit zur Frage 39 des Abgeordneten Manfred Such: Haben die Bundesregierung oder - nach ihrer Kenntnis - einzelne Bundesländer den Bau eines mit Hilfe der Firma „Lufthansa/Tarom-Airport Services" ({0}) konzipierten Abschiebegefängnisses auf dem Bukarester Flughafen Otopeni ({1}) in irgendeiner Weise gefördert bzw. fördern lassen, und falls ja, wodurch genau?

Not found (Gast)

Das Auswärtige Amt hat keine Kenntnis über den Bau eines mit Hilfe der Firma Lufthansa/TaromAirport Services konzipierten Abschiebegefängnisses auf dem Bukarester Flughafen. Abgesehen vom Bau einer Wartungshalle für Flugzeuge wurde von dem genannten Unternehmen LuTaS in letzter Zeit auf dem Bukarester Flughafen kein Gebäude errichtet. Auch bei Lufthansa Köln und bei der genannten Firma Lufthansa/Tarom-Airport Services war über ein solches Projekt nichts bekannt. Folglich konnte auch nichts über irgendeine Förderung seitens Deutschlands in Erfahrung gebracht werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Abgeordneten Such, bitte.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, in wie vielen Fällen und aus welchen Gründen sind nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen, die von Deutschland nach Rumänien zurückgeschoben wurden, in dem Gefängnis auf dem Bukarester Flughafen inhaftiert worden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade gesagt, daß über den Bau eines Gefängnisses, nach dem Sie hier gefragt haben, der Bundesregierung nichts bekannt ist. Insofern kann ich Ihnen auch nicht die Frage beantworten, die Sie jetzt anhängen und die eigentlich bestenfalls die Innenbehörden betreffen könnte, nämlich ob in ein solches Gefängnis Abschiebehäftlinge aufgenommen worden sind. Ich bitte also, hier den Zusammenhang zu wahren. Es ist uns allerdings heute eine Mitteilung aus Bukarest bekanntgeworden, daß die rumänische Seite angeblich den Bau eines Gebäudes mit Abschiebezellen im Flughafenbereich plane. Aber Einzelheiten über diesen Plan, vor allem über eine angebliche deutsche Beteiligung an der Finanzierung, sind uns nicht bekannt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 40 des Abgeordneten Such auf: Inwieweit treffen Pressemitteilungen zu ({0}), wonach drei indonesische Polizisten - zunächst vergeblich - ein Einreisevisum nach Deutschland beantragt haben sollen, um hier Plakate, Flugblätter und Fotos bezüglich der Proteste gegen den Suharto-Besuch sicherzustellen, sodann mit vorgeschützten anderen Einreisegründen nochmals gescheitert seien und wonach die deutsche Botschaft in Jakarta anschließend Koordinierungsgespräche mit der indonesischen Seite aufgenommen haben soll, um eine Einreise doch noch zu ermöglichen, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, ob indonesische Polizisten oder Geheimdienstmitarbeiter inzwischen doch zu Ermittlungszwecken nach Deutschland eingereist sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es ist zutreffend, daß die Sichtvermerksanträge von drei indonesischen Polizeibeamten, die mit Ermittlungen zu den Demonstrationen am Rande des Suharto-Besuchs in Deutschland beauftragt waren, abgelehnt worden sind. Es ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt, ob sie Beweismittel wie z. B. Plakate im Zusammenhang mit den Demonstrationen am Rande des Besuches des indonesischen Staatspräsidenten in Deutschland sicherstellen sollten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung Ihrer Frage in der vorletzten Fragestunde am 11. Mai: Das Ersuchen der indonesischen Polizei auf Überlassung von Beweismitteln wurde abgelehnt. Die deutsche Botschaft in Jakarta hat auch keinerlei Gespräche mit dem Ziel aufgenommen, den abgelehnten Sichtvermerksbewerbern dennoch eine Einreise zu ermöglichen. Es ist der Bundesregierung nicht bekannt, ob indonesische Polizeibeamte oder Angehörige des indonesischen Sicherheitsdienstes inzwischen doch zu Ermittlungszwecken nach Deutschland eingereist sind. Es wurden jedenfalls keine Sichtvermerke für diesen Zweck ausgestellt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Selbst angesichts der Tatsache, daß Sie, Herr Staatsminister, das alles verneinen, möchte ich die Frage stellen: Sieht die Bundesregierung insbesondere nach diesen Vorkommnissen noch irgendeine Grundlage dafür, das seit Anfang der 80er Jahre bestehende Abkommen mit der indonesischen Nationalpolizei über Ausbildungs- und Ausstattungshilfe fortzuführen, oder teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es mit den hierfür bislang aufgewendeten rund 2,5 Millionen DM sein Bewenden haben sollte und daß das Abkommen storniert werden sollte?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube nicht, daß man aus der Tatsache, daß wir auf ausdrückliche Weisung des Auswärtigen Amtes in unserer Botschaft in Jakarta die Erteilung von Visa für drei indonesische Polizeibeamte abgelehnt haben, Schlüsse ziehen kann, daß wir in Zukunft die Zusammenarbeit mit Indonesien völlig einstellen werden. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung nur sagen, daß wir ganz generell bei einer solchen Zusammenarbeit mit vielen Staaten der Welt eigentlich um eine Schulung solcher Personen in Richtung hin auf ein demokratisches Verständnis und auf ein unseren Rechtsnormen entsprechendes Verhalten bemüht sind und sie deswegen mit der Zustimmung des Auswärtigen Ausschusses durchgeführt haben. Wenn wir der Auffassung sind, es lohne sich nicht mehr, wird eine entsprechende Entscheidung auch mit Ihren Stimmen im Ausschuß zu treffen sein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage? - Bitte.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen deutschen und indonesischen Sicherheitsbehörden, also der Polizei und den Geheimdiensten, vor und nach dem Suharto-Besuch im einzelnen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, jetzt berühren Sie wirklich - Frau Präsidentin, ich muß darauf hinweisen - Bereiche, die mit dem Auswärtigen Amt nichts mehr zu tun haben. Fragen bezüglich der Zusammenarbeit von Geheimdiensten gehören, wie Sie aus den vorherigen Fragen ja erkennen konnten, nicht unbedingt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Dazu gehört ebenfalls nicht irgendeine Zusammenarbeit zwischen der Polizei hier und der Polizei dort bei Staatsbesuchen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Ich wäre also dankbar, wenn Sie die Frage an die entsprechenden Ressorts richten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen jetzt zur Frage 41 des Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht: Welche freiwilligen Beitrage hat die Bundesregierung zur Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien bzw. des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für Ruanda bisher gezahlt, und welche Beiträge wurden von den EU-Partnern im Vergleich dazu entrichtet?

Not found (Gast)

Herr Kollege Brecht, Deutschland beteiligt sich 1995 als drittgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen mit 8,94 % an der Finanzierung des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für Ruanda. Die Bundesregierung hat bisher keine freiwilligen Zahlungen geleistet, da sich Deutschland bereits in dem genannten Umfang an der Sicherstellung der Finanzierung beider Institutionen beteiligt. Der Bundeshaushalt sieht keine Titel für freiwillige Leistungen an beide Gerichtshöfe vor. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob den Vereinten Nationen die Übernahme der Kosten für die Entsendung eines deutschen Experten zum Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien aus dem Einzelplan 05 angeboten werden kann. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden von den EU-Partnern bis zum 14. Februar 1995 folgende freiwillige Beiträge zur Finanzierung dieses Gerichtshofes geleistet: Irland: 21 768 US-Dollar, Italien: 1 898 049 US-Dollar, Spanien: 13 725 US-Dollar. Zusätzlich haben folgende EU-Partner die kostenlose Entsendung von Personal angeboten: Dänemark, Großbritannien, Schweden und die Niederlande. Zur Finanzierung des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für Ruanda ist der Bundesregierung nach derzeitigem Kenntnisstand lediglich bekannt, daß die Niederlande, die ja Sitzland dieses Gerichtshofes sind, angeboten haben, einen Betrag in Höhe von 1 Million US-Dollar zur Verfügung zu stellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Dr. Eberhard Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000254, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, eine Entschuldigung voranzustellen: Ich habe vorhin Herrn Bundesminister Bohl mit Staatsminister betitelt. Ich möchte das hiermit zurücknehmen. Sie hatten vorhin bei Ihren Antworten einen so staatstragenden Eindruck gemacht, daß ich zu diesem Fauxpas bewogen wurde. Ich möchte Herrn Staatsminister Schäfer jetzt fragen: Glauben Sie, daß Deutschland bei seinen freiwilligen Leistungen abzüglich der Aufwendungen, die wir für Peace-keeping bereitstellen, einen guten Platz einnimmt und ob es unter diesem Gesichtspunkt nicht angezeigt wäre, sich an der freiwilligen Finanzierung für den Strafgerichtshof für Jugoslawien zu beteiligen?

Not found (Gast)

Wir sind natürlich mit sehr hohen Summen durch unsere Beitragszahlungen an die Vereinten Nationen beteiligt, die sich zum Teil erheblich von den Summen unterscheiden, die die genannten anderen Staaten zahlen. Daß beim Finanzminister eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich zusätzlicher freiwilliger Leistungen angesichts der derzeitigen Haushaltslage erkennbar ist, dafür muß man, glaube ich, Verständnis haben. Aber es ist so, daß die Umlegung des gesamten Finanzierungsbedarfes dieses Internationalen Strafgerichtshofes, den wir wollten, erst erfolgen kann, wenn sich die UN-Generalversammlung auf einen anzuwendenden Finanzierungsschlüssel geeinigt hat. Im Rahmen dieser Debatte wird - das ist Ihnen bekannt - im Juni bei der Sitzung des 5. Ausschusses in New York zu entscheiden sein. Wir werden natürlich entsprechend den Beschlüssen der Vereinten Nationen unser Verhalten zu überprüfen haben, Herr Kollege Brecht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Eberhard Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000254, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich möchte auf Ihre erste Antwort zurückkommen. Darf ich dieser Antwort entnehmen, daß das Auswärtige Amt bereit wäre, einen Experten kostenlos zu entsenden? Ich hatte demgegenüber den Eindruck, daß das BMJ diese Kosten bisher auf die Länder abschieben wollte.

Not found (Gast)

Ich muß jetzt insofern passen, als ich nicht sagen kann, ob es unterschiedliche Auffassungen des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums in der Frage der Finanzierung gibt. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Bundesregierung zur Zeit prüft - dabei werden wahrscheinlich diese beiden Möglichkeiten betrachtet -, inwieweit ein Experte entsandt werden kann. Ich hoffe, wir kommen mit oder ohne Länder hier zu einer vernünftigen und einvernehmlichen Regelung.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da wir drittgrößter Beitragszahler sind: Wird die Bundesregierung ihr Interesse daran zeigen, daß bei Kriegsverbrecherprozessen etwa in bezug auf Ruanda alle auf beiden Seiten begangenen Kriegsverbrechen in Betracht gezogen werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, nicht nur für Ruanda sind wir dieser Auffassung, sondern das gilt auch für die Kriegsverbrecherverhandlungen betreffend das ehemalige Jugoslawien, wo die Verbrechen bekanntlich nicht ausschließlich von einer Seite begangen worden sind. Wir wissen auch, daß die zuständigen Richter dabei sind, auch die andere Seite zu sichten und dafür zu sorgen, daß, wenn denn solche Verbrechen vorlagen, die entsprechenden Personen auch vor Gericht gestellt werden können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu dieser Frage liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Die Frage 42 des Abgeordneten Norbert Gansel verfällt nach der Geschäftsordnung, da er nicht anwesend ist. Wir kommen zur Frage 43 des Abgeordneten Catenhusen: Trifft es zu, daß die deutsche Delegation bei den Verhandlungen zur Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages sich gegen eine Initiative von elf Nicht-Atomwaffenstaaten ausgesprochen hat, die zum Ziel hatte, daß weltweit keine neuen Forschungsreaktoren errichtet werden, die mit hochangereichertem Uran betrieben werden?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, ich habe die Bitte, die Fragen 43 und 44 gemeinsam beantworten zu dürfen. Sie ergänzen sich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe dann noch die Frage 44 des Abgeordneten Catenhusen auf: Welchen Zweck verfolgte die Intervention der Bundesregierung gegen diese Initiative, und wie läßt sie sich mit den Grundsätzen und Zielen der deutschen Außenpolitik im Hinblick auf die Nichtverbreitung von Kernwaffen und waffenfähigem Material vereinbaren?

Not found (Gast)

Die zu Beginn der NVV-Konferenz in New York von einigen Ländern vorgeschlagene Formulierung für ein Schlußdokument, neue zivile Reaktoren mit hochangereichertem Uran nicht mehr zu bauen, hätte ein weit über frühere Empfehlungen hinausgehendes Verbot für einen ganzen Forschungsbereich und damit wahrscheinlich sogar einen Verstoß gegen Art. IV des Nichtverbreitungsvertrags, in dem es um die Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie geht, bedeutet. Sie wurde einvernehmlich entsprechend unseren Anregungen geändert. Die jetzt mit Zustimmung aller 175 Teilnehmerstaaten der NVV-Konferenz gefundene Formulierung entspricht weitgehend früher getroffenen internationalen Absprachen. Sie bestätigt indirekt erneut, daß gegenüber den wissenschaftlichen Aktivitäten in Deutschland keine Bedenken aus der Sicht des Nichtverbreitungsvertrags bestehen. Im übrigen bleibt die Bundesregierung ihrer bisherigen Politik verpflichtet, die Anwendung von hochangereichertem Uran in Forschungsreaktoren so weit einzuschränken, wie das unter wissenschaftlichen, forschungspolitischen und wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll ist. Nichts anderes ist in New York bekräftigt worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage, bitte.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, vertritt die Bundesregierung demnach auch die Auffassung, daß Neutronenforschung grundsätzlich ohne den Einsatz von mit hochangereichertem Uran betriebenen Forschungsreaktoren unmöglich ist, und wie können Sie diese Auffassung mit der Tatsache vereinbaren, daß - anders als in Deutschland - weltweit nicht an den Bau und Betrieb neuer, mit hochangereichertem Uran betriebener Forschungsreaktoren gedacht wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Catenhusen, wir bewegen uns jetzt wieder an der sehr schmalen Grenze zwischen dem, was das Auswärtige Amt bei der Nichtverbreitungsvertragskonferenz in New York für die Bundesregierung juristisch zu vertreten hatte, und Fragen, die sich auf die Notwendigkeit, bei Forschungen im nuklearen Bereich auch hochangereichertes Uran zu verwenden, beziehen. Es geht hier eigentlich um Fragen, die von Fachleuten aus dem Wissenschaftsministerium zu beantworten wären. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was wir in New York verabschiedet haben - der Text liegt vor -, bezieht sich auf die Möglichkeit von Staaten, die Verwendung von hochangereichertem Uran bei solchen Reaktoren zu vermeiden oder so zu minimieren, wie dies unter wissenschaftlichen, forschungspolitischen und ökonomischen Aspekten - ich übersetze aus dem Englischen, ich bitte um Entschuldigung - sinnvoll ist. Das heißt, der Text macht sehr deutlich: Wenn die Verwendung in der Forschung notwendig ist, dann muß sie so minimiert sein, daß sie ausschließlich für Forschungszwecke erfolgen kann. Ich glaube, wenn 175 Staaten dieser Auffassung sind, dann sollten wir nicht nachträglich versuchen, das ändern zu wollen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie, Herr Staatsminister, Pressemeldungen bestätigen, daß der organisierte Widerstand gegen den Vorschlag der elf Mitgliedstaaten dieser Konferenz zwar sehr aktiv von Deutschland ausging, daß sich aber Länder wie die Vereinigten Staaten gegenüber solchen Verschärfungen der Nichtverbreitungspolitik aufgeschlossen gezeigt haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, wir müssen bei diesem Vertrag, der inzwischen auch dank unserer Verhandlungsführung einvernehmlich über die Bühne gegangen ist - auch zur Freude des Deutschen Bundestages -, von den Fakten und dem vereinbarten Text ausgehen. Daß der Text aus unterschiedlichen Ansätzen - wie immer bei solchen Konferenzen - der verschiedenen Staaten zustande kam, ist richtig. Aber ich meine, man muß davon ausgehen, daß sich schließlich alle Staaten über den von mir gerade zitierten Text geeinigt haben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, daß die Fachleute aus der Wissenschaft, die den fachlichen Hintergrund beleuchten können, nicht in die Verhandlungen einbezogen waren. Heißt das, daß Sie nicht geprüft haben, ob nicht ein anderer Vertragstext über den Einsatz von niedrigangereichertem Uran oder anderen Neutronenquellen zu formulieren war?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, Sie haben mich falsch wiedergegeben. Ich hatte nicht gesagt, daß die Experten vorher nicht befragt worden sind, sondern daß die Bundesregierung ihren Standpunkt in New York eingebracht hat. Selbstverständlich entsteht eine solche Auffassung nach der entsprechenden Abstimmung mit den in Fragen kommenden Ressorts, mit den zuständigen Fachleuten. Im Rahmen dieser Übereinstimmung ist das Verfahren unserer Verhandlungsführung durch das Auswärtige Amt zu verstehen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Kubatschka, Sie haben nur eine Nachfrage. ({0}) - Okay.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, nach dem Atomwaffensperrvertrag soll hochangereichertes Uran in zivilen Reaktoren vermieden oder eingeschränkt werden. Muß Deutschland als Hochtechnologieland bei dieser Entwicklung nicht vorangehen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ob Deutschland das tun muß oder nicht, ist für einen außenpolitischen Experten schwer zu entscheiden. Ich bin nun einmal kein Experte für nukleare Forschung und überlasse die Beurteilung gerne anderen Kollegen, die wissenschaftlich gebildeter sind. Aber ich glaube, Frau Präsidentin, es gab hier insofern ein Mißverständnis, als Herr Kubatschka meinte, ich hätte seine Fragen schon beantwortet. Ich wollte ihm eigentlich seine Fragen noch beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kubatschka, vielleicht zur Klärung: Ich habe Ihnen als Zusatzfrager zur Frage von Herrn Catenhusen das Wort erteilt. Dann hätten Sie nur eine Zusatzfrage gehabt. Sie haben das so verstanden, als sei Ihre Frage schon beantwortet, was aber noch nicht der Fall war. ({0}) Jetzt müssen wir aus dieser Verwirrung insofern herauskommen, als ich zunächst den Kollegen Erler frage, ob er eine Zusatzfrage zur Frage von Herrn Catenhusen hat. ({1}) - Dann, Herr Kubatschka, bitte ich Sie, sich noch einen Moment zu setzen. Wir kommen noch zur Beantwortung Ihrer Fragen. Jetzt zunächst einmal die Zusatzfrage des Kollegen Erler, bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, daß sich die Bundesrepublik Deutschland diplomatisch und im internationalen Geschäft durch das Festhalten an dem mit HEU betriebenen Forschungsreaktor FRM II isoliert, oder können Sie dem Hohen Haus mitteilen, welche anderen Länder derzeit ebenfalls planen, einen solchen mit HEU betriebenen Forschungsreaktor neu zu bauen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es gibt Staaten, die diese Forschungsreaktoren schon früher gebaut haben und uns insofern bei dieser Forschung voraus sind. Wenn wir hier mithalten wollen, sei es uns gestattet, das zu verlangen, was sich andere längst schon erlaubt haben. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, welche anderen Staaten so etwas planen. Ich kann aber versuchen, das herauszufinden, und darf Ihnen die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zuleiten. Es sind auch forschungspolitische Fragen, die hier gestellt werden. Ich habe mich auf die NVV-Konferenz in New York bezogen. Ich darf Ihnen aber sagen: Der Text, den die 175 Staaten am Schluß beschlossen haben, ist einvernehmlich angenomen und enthält die Möglichkeit einer Nutzung. Insofern sehe ich keine Gefahr, daß sich Deutschland irgendwie isoliert haben könnte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit kommen wir jetzt zur Frage 45: Trifft es zu, daß das Auswärtige Amt 1988 in einem Schreiben an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Forschung und Technologie betreffend den geplanten Forschungsreaktor München II u. a. ausgeführt hat: „Nach Ansicht des Auswärtigen Amtes gefährdet die Einrichtung einer neuen Forschungsanlage mit hochangereichertem Uran diese bisherige internationale Zusammenarbeit, entzieht ihr die Glaubwürdigkeit ({0}). Die Bundesregierung würde sich also in dieser nichtverbreitungspolitisch empfindlichen Frage mit früheren Erklärungen in Widerspruch setzen und erheblichen innen- und außenpolitischen Druck erwarten müssen, wenn sie den Plänen der TU München zustimme."?

Not found (Gast)

Hier darf ich, Frau Präsidentin, mit Ihrer Zustimmung und der des Kollegen Kubatschka die Beantwortung der Fragen 45 und 46 kombinieren.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nur damit das klar ist: Dann hätten Sie, Herr Kubatschka, bis zu vier Zusatzfragen und die anderen Kollegen bis zu zwei Zusatzfragen zu den beiden Fragen. Darm rufe ich auch die Frage 46 auf: Hat die Bundesregierung seit 1988 neue Erkenntnisse gewonnen, die die damalige Einschätzung heute als unzutreffend erscheinen lassen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die verschiedenen Aspekte im Zusammenhang mit Planung und Bau des Forschungsreaktors München II sind seit mehreren Jahren zwischen den Bundesressorts erörtert worden. Dabei hat das Auswärtige Amt auch auf die Empfehlungen der - ich darf jetzt dieses wissenschaftliche Kauderwelsch hier fortsetzen - International Nuclear Fuel Cycle Evaluation -, abgekürzt: INFCE-Konferenz, die Ende der 70er Jahre stattfand, hingewiesen - außer uns versteht das, glaube ich, niemand hier; deshalb sage ich es bewußt einmal in Englisch -, nach denen die Verwendung von hochangereichertem Uran in zivilen Forschungsreaktoren künftig so weit eingeschränkt werden sollte, wie dies wissenschaftlich, technologisch und wirtschaftlich sinnvoll sei. Im weiteren Verlauf des Abstimmungsprozesses innerhalb der Bundesregierung hat sich die einheitliche Meinung gebildet, daß der Bau des angesprochenen Forschungsreaktors II in München nicht gegen diese internationalen Empfehlungen verstößt. Im übrigen darf ich auch auf frühere Anfragen und die Antworten der Bundesregierung darauf - z. B. die Kleine Anfrage der SPD auf Drucksache 12/2984, die Kleine Anfrage vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/932 und anderes mehr - verweisen. Von daher ist zu dieser Frage seitens der Bundesregierung wiederholt und umfassend geantwortet worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage, bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, für mich ist das nicht klar. Wieso kam es im Außenministerium zu einer völlig neuen Beurteilung in dieser entscheidenden internationalen Frage?

Not found (Gast)

Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß das Auswärtige Amt im Verlauf der Vorbereitung auf diese Konferenz und im Verlauf früherer internationaler Abstimmungen gemeinsam mit anderen Ressorts der Bundesregierung zu dieser Meinung gekommen ist. Ich kann Ihnen jetzt im einzelnen nicht beantworten, aus welchen Gründen innerhalb dieser Beratungen dieses oder jenes Argument an Bedeutung gewonnen hat. Ich selber habe an den Beratungen nicht teilgenommen.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu welchem Zeitpunkt kam es zu dieser Meinungsäußerung? Hat das etwas mit dem Forschungsreaktor München II zu tun?

Not found (Gast)

Ja, natürlich. Ich habe schon einmal gesagt: Der Abstimmungsprozeß hinsichtlich der Haltung der Bundesregierung und in bezug auf den besagten Vertrag stand natürlich auch in einem Zusammenhang mit der Frage, ob dieser geplante Forschungsreaktor möglicherweise gegen internationale Empfehlungen verstoße. Die Bundesregierung kam zu der Meinung: nein. Sie hat dann in New York Entsprechendes empfohlen. Das ist in New York angenommen worden, so daß auch die internationale Staatengemeinschaft ganz offensichtlich keine Einwände gegen diesen Forschungsreaktor erhebt. Es darf - ich darf auf die Formulierung zurückkommen, die ich schon mehrfach zitiert habe - bei solchen Forschungsreaktoren aber keine Übermenge von HEU - nach Möglichkeit gar kein HEU - auftreten; wenn überhaupt, dann eine - wie es hier im Englischen heißt - minimierte, sehr geringe Menge. Das beinhaltet die einvernehmlich beschlossene Formulierung der Nichtverbreitungskonferenz.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, besteht nicht die Gefahr, daß der Sinn des Nichtverbreitungsvertrags durch diese Klausel unterlaufen wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß wir, die wir uns allen denkbaren Kontrollen unterziehen, einen solchen Vertrag nicht unterlaufen wollen, daß wir aber als ein technisch hochentwickelter Staat auch weiterhin an Forschungen mit Nukleartechnologie beteiligt werden müssen, die ja keineswegs in irgendeinem Zusammenhang mit der kriegerischen Nutzung stehen. Es geht vielmehr um die zivile Nutzung. Hier kann unser Land, glaube ich, nicht hinter anderen zurückstehen. Es war der Hintergrund unserer Bemühungen, bei diesem Vertrag, was den erwähnten Forschungsreaktor angeht, eine Haltung einzunehmen, die international akzeptiert wird, und das wurde erreicht.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, besteht aber nicht die Gefahr, daß sich andere Länder - wie z. B. Iran, Irak und Nordkorea - auf das deutsche Beispiel berufen und das gleiche für sich fordern und auch durchführen werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, auch diese Länder müssen sich an die Bestimmungen des NV-Vertrags halten, wenn sie ihm denn beigetreten sind. Sie wissen, daß Nordkorea dem Kreis der Vertragsstaaten nicht mehr angehören will, daß aber die Bemühungen der Staatengemeinschaft dahin gehen, zu verhindern, daß solche Entwicklungen in den genannten Staaten eintreten. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Entwicklung bei uns auf Grund unserer Verfassung, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie, die hier herrschen, sicher eine andere ist als in solchen Staaten und wir gemeinsam mit allen anderen Staaten der Welt darauf zu achten haben, daß solche Entwicklungen, wie Sie sie andeuten, nicht auf Grund eines deutschen Beispiels eintreten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir sind leider am Schluß der ausgemachten Redezeit, so daß einzig die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Erler schriftlich beantwortet werden müssen, was mir leid tut. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Wir sind am Schluß der Fragestunde. Wir kommen zum Zusatzpunkt 5 zurück. Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl des Leiters der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und des ordentlichen Mitglieds im Ständigen Ausschuß der Nordatlantischen Versammlung - Drucksache 13/1387 und 13/1388 - bekannt: Protokoll über die Wahl des Leiters der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und des ordentlichen Mitglieds im Ständigen Ausschuß der Nordatlantischen Versammlung. Abgegebene Stimmen: 642. Gültige Stimmen: 638. Es entfielen auf den Abgeordneten Klaus Francke ({0}) 320 Stimmen, auf die Abgeordnete Brigitte Schulte ({1}) 309 Stimmen. Enthaltungen: 9, ungültige Stimmen: 4. *) Der Abgeordnete Klaus Francke ({2}) ist damit zum Leiter der deutschen Delegation in der Nordatlantischen Versammlung und zum ordentlichen Mitglied im Ständigen Ausschuß der Nordatlantischen Versammlung gewählt. Herzlichen Glückwunsch zur Wahl! *) Liste der Teilnehmer an der Wahl Anlage 2 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Krebsrisiko durch bodennahes Ozon ({3}) - Wenn etwas ist, Herr Fischer, dann melden Sie es bitte dem Präsidium. ({4}) - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt die Herbeirufung der Bundesumweltministerin zu diesem Punkt. ({5}) Darüber muß abgestimmt werden. ({6}) Der Staatssekretär ist da. Das gebe ich hiermit bekannt. Trotzdem ist der Antrag berechtigt, so daß darüber abzustimmen ist. Zuerst gebe ich Herr Bundesminister Bohl das Wort zu einer Erklärung. ({7})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung ist zu diesem Tagesordnungspunkt durch den Bundesminister Kollegen Rüttgers, durch mich ({0}) und darüber hinaus durch den Parlamentarischen Staatssekretär Neumann, den Parlamentarischen Staatssekretär Kraus und den Parlamentarischen Staatssekretär Klinkert vertreten. Es war bisher in diesem Hohen Hause eigentlich immer üblich, daß man es mitteilt, wenn die Präsenz eines Ministers oder einer Ministerin gewünscht wird. Es ist ganz selbstverständlich, daß wir, wenn die Opposition den Wunsch äußert, daß bestimmte Minister bei einer Debatte anwesend sind, dem Rechnung getragen haben. Deshalb finde ich es ein wenig merkwürdig, daß Sie uns das nicht gesagt haben, sondern jetzt den Eindruck erwecken wollen, als müßten Sie Frau Merkel durch den Antrag, den Sie jetzt stellen, erst dazu bringen zu kommen. ({1}) - Frau Kollegin Merkel ist in ihrem Ministerium und selbstverständlich in der Lage, jederzeit zu kommen. ({2}) Deshalb wird Frau Kollegin Merkel in diesen Sekunden, während ich spreche, bereits durch den Parlamentarischen Staatssekretär bzw. durch den zuständigen Beamten, den Parlamentsreferenten, über diesen Wunsch informiert. Frau Kollegin Merkel wird in wenigen Minuten - solange die Autofahrt vom Ministerium zum Bundestag dauert - hier anwesend sein. Ich möchte dies deshalb und auch in dieser Ausführlichkeit dem Hohen Hause hier mitteilen, damit dem Eindruck entgegengewirkt werden kann, als bedürfte es eines Antrags der GRÜNEN, Frau Kollegin Merkel hierher zu holen. ({3}) Die Bundesregierung hat gar keine Probleme. Ich versichere Ihnen noch einmal, daß wir - wahrscheinlich ist sie schon im Auto ({4}) in wenigen Minuten Frau Kollegin Merkel hier werden begrüßen können. Deshalb sehen wir dem weiteren - ({5}) - Bitte? ({6}) - Was sagten Sie? ({7}) Deshalb sehen wir den weiteren Beratungen des Deutschen Bundestages zu diesem Punkt, den Herr Kollege Fischer offensichtlich beantragt hat, mit großer Gelassenheit entgegen. Für die Alarmierungen, die Sie per Telefon vornehmen, um die Mehrheit zu besorgen, besteht gar kein Anlaß, weil Frau Kollegin Merkel kommen wird. Deshalb grüße ich sie herzlich. Vielen Dank.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Hält angesichts der Erklärung der Bundesregierung die FrakBundesminister Friedrich Bohl tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag auf Abstimmung aufrecht? ({0}) - Das ist der Fall. Dann stimmen wir über die Herbeirufung der Ministerin zu diesem Tagesordnungspunkt ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? ({1}) Wir unterbrechen die Sitzung, bis, wie angekündigt, Ministerin Merkel hier ist. ({2}) ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir können die Sitzung fortsetzen. Wir setzen die schon aufgerufene Aktuelle Stunde fort. Ich begrüße die Ministerin und gebe der Abgeordneten Gila Altmann das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Damen und Herren! Wir haben gerade von Herrn Bohl ein rhetorisches Beispiel für die neue Langsamkeit dieser Regierung bekommen. ({0}) Auch Frau Merkel brauchte etwas länger. Trotzdem freuen wir uns, daß sie hier ist. Frau Merkel, ich fordere Sie auf, daß Sie hier reden und es nicht nur den Herren überlassen. ({1}) Ansonsten müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie als Umweltlöwin gestartet und als Tiger im Tank der Autolobby gelandet sind. ({2}) Wir möchten von Ihnen heute wissen, was Sie zu tun gedenken und wann Sie es zu tun gedenken. Ihr Referentenentwurf mit dem Grenzwert von 300 Mikrogramm und umfassenden Ausnahmeregelungen war schon schlapp genug. Dennoch schafften es die Herren Wissmann und Rexroth, gestern in einer konzertierten Aktion noch eines draufzusetzen und Sie zu zwingen, vom Leerlauf in den Rückwärtsgang zu schalten. Begründung: Man müsse noch prüfen und wolle schließlich keinen Pfusch bauen. Ich sage Ihnen: Diesen Pfusch ertragen wir bereits seit mehr als fünf Jahren, indem Sie sich vor einer Ozonverordnung drücken. ({3}) Von Jahr zu Jahr sind die Ozonwerte dramatisch gestiegen und haben sich in den letzten zehn Jahren sogar verdoppelt. Wir alle wissen seit langem, daß das Ozon nicht nur für tränende Augen und Kreislaufbeschwerden verantwortlich ist. Seit letzter Woche ist es amtlich, daß Ozon Krebs erzeugt. Gefährdet sind besonders die Menschen, die draußen arbeiten müssen. Wie lange will die Bundesregierung noch die Augen vor den Fakten verschließen? Müssen erst Gasmasken vor dem Plenarsaal verteilt werden, bevor hier etwas geschieht? Was ist in diesem Land eigentlich wichtiger, Autofahren oder Atmen? Die Minister Wissmann und Rexrodt haben sich für das Fahren entschieden; Sie, Frau Merkel, haben sich als zuständig für das Atmen erklärt. Sie haben schon richtig erkannt, daß mit kurzfristigen Maßnahmen und halbherzigen Tempolimits das Ozon nicht in den Griff zu bekommen ist. Aber an die Konsequenzen wollen auch Sie nicht heran; Sie verschweigen sie verschämt. Darum noch einmal: Um die Vorläufersubstanzen, die für das Ozon verantwortlich sind, nachhaltig zu senken, brauchen wir langfristige Maßnahmen. Deshalb fordern wir schon seit Jahren ein bundesweites ganzjähriges Tempolimit, autofreie Sonntage, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und den Vorrang der Schiene vor dem Straßenbau. Darüber hinaus müssen die Grenzwerte für die zulässige Ozonbelastung drastisch gesenkt und dem unbestrittenen Gesundheitsrisiko angepaßt werden, d. h. Arbeitsverbot bzw. Recht auf Arbeitsniederlegung bei überschrittenen MAK-Werten. Sie können sich ja einmal überlegen, ob es wirtschaftlich ist, die Leute zur Arbeit fahren zu lassen und sie dann nicht arbeiten zu lassen. Wenn man schon über Wirtschaftlichkeit redet, muß man auch dafür sorgen, daß die Leute arbeiten können. Das heißt: Runter mit den Ozonkonzentrationen! ({4}) Das heißt: Bei 180 Mikrogramm muß Schluß sein mit dem Straßenverkehr. Die Notwendigkeit von Fahrverboten als einzig sinnvolle Maßnahme beim Sommersmog hat sich sogar schon bis in die CSU herumgesprochen. Es ist natürlich klar, daß die notwendige Mobilität gesichert werden muß. Dafür braucht man Pläne, und die müssen in den jeweiligen Bundesländern erstellt werden. Für alle anderen Katastrophenfälle existieren diese Pläne doch auch. Ihr angeblicher Diskussions- und Klärungsbedarf ist nichts anderes als das Verschleppen dringender Entscheidungen, eine Gila Altmann ({5}) grobe Fahrlässigkeit gegenüber dem Anspruch der Bevölkerung auf körperliche Unversehrtheit. ({6}) Es darf doch wohl nicht wahr sein, daß sich die Herren Wissmann und Rexrodt weiterhin die Ozonbälle zuschieben, während die Zuschauer mit Tränen in den Augen dieses Trauerspiel ertragen müssen. ({7}) Ich frage Sie, Frau Merkel: Wie hoch ist eigentlich Ihr Grenzwert für Fouls durch sogenannte Parteifreunde? Der Umwelt- und Gesundheitsschutz rangiert zur Zeit ganz unten in der politischen Bundesliga - nur mit dem einzigen Unterschied zum Fußball, daß er nicht absteigen kann. Deshalb ist es höchste Zeit, Trainer und Mannschaft dieser bewegungsunfähigen Truppe endlich auszuwechseln. Danke. ({8})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Peter Paziorek.

Dr. Peter Paziorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001685, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist aus meiner Sicht ein äußerst schlechter Stil, daß zunächst seitens der Fraktion der GRÜNEN eine Aktuelle Stunde zu Fragen der Arbeitsplatzsicherheit beantragt worden ist, während dann aus taktischen Gründen kurzfristig der Schwerpunkt auf gesundheitspolitische und umweltpolitische Fragen gelegt wird, und zwar nur, um die Ministerin herzuzitieren. So sollten wir nicht miteinander umgehen. ({0}) Wenn Sie eine umweltpolitische Diskussion haben wollen, können Sie sie haben. Deshalb vier Bemerkungen: ({1}) Erstens. Es muß mit aller Entschiedenheit Ihren völlig falschen Behauptungen entgegengetreten werden, daß diese Bundesregierung in den letzten Jahren nichts zur Bekämpfung der Ozonkonzentration unternommen hat. ({2}) Ich erinnere nur an die Einführung des Kat bei Neufahrzeugen, ({3}) neue Abgasvorschriften und z. B. die Verordnung zur Vermeidung von Verdunstungsverlusten beim Betanken. All dies sollten Sie in Ihrer Berichterstattung einmal anerkennen. Das sind Leistungen dieser Bundesregierung. ({4}) Eine zweite Bemerkung: Es gilt natürlich, die bestehenden Regelungen fortzuentwickeln. Das ist völlig unbestritten. Aber dann müssen wir auch den Mut haben, die vorliegenden Ergebnisse der Großversuche sorgfältig auszuwerten. ({5}) Wir werfen Ihnen vor: Das tun Sie nicht. Sie werten diese Ergebnisse nicht sorgfältig aus, meine Damen und Herren. Wer wie die Opposition in den letzten Tagen nur nach dem Motto verfährt „Niemand außer uns hat recht", „Was scheren uns die Ergebnisse dieser Großversuche?", ({6}) der wird die Ozonbelastung nicht senken können. Deshalb die dritte Bemerkung: Es ist völlig unbestritten, daß erhöhte Ozonwerte zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. ({7}) Deshalb gilt es, die Vorläufersubstanzen - das sind die Stickoxide und die flüchtigen Kohlenwasserstoffe - wirksam, dauerhaft zu senken. ({8}) Die Versuche haben ergeben, daß kleinflächige Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge keine ausreichende Reduzierung erbracht haben ({9}) - ich weiß, das gefällt Ihnen nicht; aber das sind die Ergebnisse der Versuche -, daß Tempolimits hinsichtlich der Reduzierung fast völlig wirkungslos geblieben sind ({10}) und daß Schadstoffe in diesem Bereich aus ganz Europa kommen können; denn diese Schadstoffe können bei ganz bestimmten Witterungsverhältnissen Entfernungen von 500 km an einem Tag bewältigen. ({11}) Also, das Ergebnis ist: Wir benötigen großflächige Fahrverbote für Fahrzeuge ohne Kat oder mit ungeDr. Peter Paziorek regeltem Katalysator, am besten noch mit einer Vorwarnzeit von drei Tagen. ({12}) Wenn die Wetterprognosen immer stimmen würden, dann könnten wir das sicher machen. Ich weiß nicht, wie Sie das Kriterium der Vorwarnzeit sachlich bewältigen wollen. Deshalb ist es auch notwendig, die emissionsbezogene Kfz-Steuer einzuführen. Aber der Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht darin, daß wir umweltorientierte, technologische und rechtliche Verbesserungen wollen, nicht aber einen ideologischen Kampf gegen das Auto führen, so wie Sie das betreiben, meine Damen und Herren. ({13}) Zu meiner letzten, der vierten Bemerkung: Die Bundesregierung wird - das können Sie als Faktum mitnehmen - Ende Mai/Anfang Juni einen Gesetzentwurf zu dieser Frage vorlegen. In ihm müssen drei Gesichtspunkte berücksichtigt werden: ein Schwellenwert für die Auslösung der Fahrverbote, ({14}) Kriterien für die Größe der Gebiete und die Art der Maßnahmen. Von Ihnen habe ich, mit Ausnahme der Forderung nach knallharten Tempolimits und Fahrverboten, nichts im Detail gehört, ({15}) wie diese noch offenen rechtlichen Fragen einer Ozonverordnung tatsächlich beantwortet werden können. Ich sage Ihnen eines: Sie haben gar kein Interesse daran, daß diese Fragen wirklich sorgfältig im Detail geprüft werden. Denn Sie wollen ja, daß nachher, bei der Umsetzung, Vollzugsdefizite auf tauchen, damit Sie sagen können: Hier hat die Bundesregierung nur einen Schnellschuß losgelassen. ({16}) Das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht. Ich halte Ihre Position für in höchstem Maße unverantwortlich und bin der Ansicht: Wir müssen die Bevölkerung darüber informieren, daß diese Punkte in der Tat noch geklärt werden müssen. Wir werden dies tun. Mein Vorschlag zielt daher darauf, auf einen Schnellschuß, der diese wichtigen Probleme nicht löst, zu verzichten. Denn damit wird keine Reduzierung der Vorläufersubstanzen erreichbar sein. Ich bin mir sicher, daß die Bundesregierung bis Anfang Juni einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen wird, der in der Sache einen sinnvollen Schritt nach vorne bringt. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({17})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Marliese Dobberthien.

Dr. Marliese Dobberthien (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000394, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon skandalös, daß es die Ministerin nach ihrer gestrigen Niederlage für nicht nötig befindet, von sich aus in diesem Parlament zu erscheinen. ({0}) Offenkundig - nach dem, was wir gehört haben - ist sie in Bonn. ({1}) Aber das ernsthafte Problem der Umwelt- und Gesundheitsschädigung durch Ozon ist es ihr nicht wert gewesen, hier ins Parlament zu kommen, ohne herbeigerufen zu werden. ({2}) Ich habe auch den Eindruck, nicht die Angst vor der Opposition, sondern die Angst vor den eigenen Leuten hat sie gehindert, hierher zu kommen. ({3}) Sie haben hier ja sogar gegen ihr Erscheinen gestimmt. Ich finde es auch skandalös, daß die beiden Betonminister, nämlich Herr Wissmann und Herr Rexrodt, die die zaghafte Regelung verhindert haben, hier nicht erscheinen. ({4}) Das ist eine Mißachtung dieses Parlaments. ({5}) Meine Damen und Herren, Emissionen wie FCKWs und Halone zerstören zunehmend die schützende Ozonschicht der Stratosphäre; dagegen nimmt die Ozonkonzentration in Bodennähe bedrohliche Ausmaße an. Erkrankungen der Atemwege, Reizungen der Augenschleimhäute, Zunahme von asthmatischen Beschwerden sind keine Seltenheit mehr an heißen Sommertagen. Spitzenwerte bis 400 Mikrogramm Ozon werden gemessen. Auch unsere Umwelt leidet seit Jahren: Waldsterben, eingeschränktes Pflanzenwachstum, Ernteeinbußen und die Zerstörung des Phytoplankton. Bereits Ende der 60er Jahre gab es Anzeichen, daß Ozon Krebs fördert, und bereits 1979 hat die WHO diesen Verdacht in ihren Bericht aufgenommen. Der Bericht empfahl, die krebsverdächtige Wirkung von Ozon weiter zu erforschen. Jahre später hat sich dieser Verdacht erhärtet: Ozon ist krebserregend. Dies hat auch die DFG in ihrer jüngsten Stellungnahme erkannt. Und was tut die Umweltministerin angesichts dieser alarmierenden Befunde? Wir alle haben heute ein peinliches Schauspiel erlebt. ({6}) Bis vor wenigen Tagen schwieg sie. Dann war der Presse zu entnehmen, sie nehme die Befunde „ernst" und wolle „prüfen lassen", ob das Sommersmogreizgas Ozon tatsächlich Krebs auslösen könnte. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt doch wohl die falscheste Fragestellung. ({7}) Wir müssen nicht mehr prüfen, ob Ozon tatsächlich krebserregend ist, sondern ab welchen Konzentrationswerten gesundheitliche Gefährdungen auftreten und welche wirksamen Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. ({8}) Von den vollmundigen Ankündigungen gestern im Kabinett, Maßnahmen zur Bekämpfung des bodennahen Ozons zu beschließen, ist nichts übrig geblieben. Es bestehe „weiterer Klärungsbedarf", ließ die Umweltministerin lapidar verbreiten und sagte ihre Pressekonferenz ab. ({9}) Frau Merkel hat sich damit erneut gegen die Wirtschaftslobby nicht durchsetzen können. ({10}) Wieder einmal hat die F.D.P. quergeschossen. Herrn Rexrodt ist die grenzenlose Beweglichkeit des Wirtschaftsverkehrs offensichtlich wichtiger als unser aller Gesundheit. ({11}) Und der Verkehrsminister huldigt noch immer dem antiquierten Grundsatz „Freie Fahrt für freie Bürger". - Aber ohne uns! ({12}) Elf sozialdemokratisch regierte Bundesländer versuchen verzweifelt, zum Schutz gefährdeter Menschen notfalls im Alleingang eigene Wege zur Minderung des Ozons zu finden. Inzwischen freundeten sich sogar Bayerns Umweltminister Goppel, Rheinland-Pfalz' CDU-Vorsitzender Gerster mit Fahrverboten an, und auch Niedersachsens CDU-Chef Wulff beklagt öffentlich die Handlungsschwäche der Regierung. ({13}) - Wie wahr! Recht hat er. Wo er recht hat, hat er recht. ({14}) Die Bundesregierung konnte sich ja noch nicht einmal für die Beschränkung des Betriebs von Benzinrasenmähern durchsetzen. So wartet die Bevölkerung weiter vergeblich auf einen Maßnahmenkatalog. Aber was bekommt sie? - Kleinliche Streitereien und die üblichen Politfloskeln. Dieser aber, Frau Merkel, sind wir alle überdrüssig. ({15}) Es gibt Entscheidungssituationen, liebe Frau Merkel. Da ist nicht die Größe des Schrittes, sondern die Erkennbarkeit der Richtung entscheidend. Beides vermissen wir bei Ihnen schmerzlich. Ich wünsche mir die gleiche Hartleibigkeit für eine Sommersmogverordnung wie bei der Durchsetzung der unsinnigen Castor-Transporte. ({16}) Vorschläge zur Ozonreduzierung liegen seit Jahren vor, bessere und schlechtere, längerfristige und kurzfristige, globale Maßnahmen zum Klimaschutz gehören dazu, genauso wie Tempolimit und Fahrverbot bei Sommersmog. Es darf doch nicht sein, daß erst ein wissenschaftlich nachgewiesener Ozonkrebskranker gestorben sein muß, bevor gehandelt wird! Langsamer fahren und schneller entscheiden lautet das Gebot der Stunde. ({17})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, trotzdem müssen Sie zum Schluß kommen.

Dr. Marliese Dobberthien (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000394, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Ende. Liebe Frau Merkel, stehen Sie zu einer Politik der Vernunft und gegen kurzfristigen Wirtschaftslobbyismus! Geld kann man nicht atmen. Unserer Unterstützung sind Sie sicher bei jeder vernünftigen Maßnahme. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Rolf Köhne.

Rolf Köhne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002702, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche spielte die neue Erkenntnis, daß Ozon als Krebs mitverursachender Stoff einzuordnen ist, in der Debatte noch keine Rolf Köhne Rolle. Lediglich die Kollegin Gila Altmann hat diesen Fakt erwähnt. Die allgemeine Verbreitung dieser Erkenntnis über die Medien erfolgte erst am Samstag. Aber der Regierung mußte dieser Fakt zu diesem Zeitpunkt klar sein, und sie hat ihn verschwiegen. Offensichtlich wollte die Regierung kein allzu schlechtes Licht auf ihre Umweltpolitik fallen lassen. Statt dessen mußten wir uns hier teilweise groteske und absurde Argumente gegen die diversen konstruktiven Vorschläge der Opposition anhören. ({0}) Die Regierung ist aber bis zum heutigen Tage unfähig, einen eigenen konstruktiven Vorschlag einzubringen. Die Regierung ist aber nicht grundlos unfähig. Obwohl die Problematik bekannt ist und z. B. vom Umweltbundesamt notwendige Maßnahmen wie Tempolimits und Fahrverbote benannt werden, passiert nichts. Denn Kohl, Rexrodt und Wissmann, die Lobby der Automobilkonzerne, wollen keine umweltverträglichen Lösungen. Von dieser Seite kommen immer nur Lösungsvorschläge, die den Profitinteressen nicht wehtun und an denen noch möglichst viel verdient werden kann. Statt Maßnahmen zur Ozonbekämpfung gibt es ein Förderprogramm für schadstoffarme Autos. Das sichert steigende Verkaufszahlen, aber auch einen steigenden Verkehr und führt damit in der Gesamtsumme wieder zu einer steigenden Schadstoffbelastung. Gestern hat sich im übrigen wieder bestätigt: Die Ankündigungen der Umweltministerin bleiben Ankündigungen. Statt dessen sperren sich Rexrodt und Wissmann gegen Tempolimits und wollen bei Fahrverboten weitreichende Ausnahmeregelungen für den Wirtschafts- und Urlaubsverkehr und die Berufspendler. Die Ausnahme wird praktisch zur Regel. Das ist nicht mehr kontrollierbar und damit auch völlig wirkungslos. Das einzige, was dann bleibt, ist ein „Fahrverbot" für benzingetriebene Rasenmäher. Das ist doch ein Witz! ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erkenntnis, daß Ozon als Krebs mitverursachender Stoff einzuordnen ist, ist eine neue Qualität. Zwischen einer Schädigung von Lunge und Schleimhäuten und Krebs, zwischen Krankheit und tödlicher Krankheit gibt es einen gewaltigen qualitativen Unterschied. Ich sehe für dieses Haus deshalb einen qualitativ neuen Handlungsbedarf. Zum einen gibt es Handlungsbedarf, um kurzfristig und unverzüglich Gefahren bei zu hoher Ozonkonzentration abzuwenden. Dazu liegt Ihnen unser Antrag seit letzter Woche vor. ({2}) Eine weitere Maßnahme ist ein allgemeines Tempolimit, wie es auch in anderen Ländern gilt. Dies wäre auch wegen des verringerten Energieverbrauchs und verminderter Unfallgefahr sinnvoll. Drittens sind Schutzvorschriften für im Freien arbeitende Menschen wie Bauarbeiter, Gärtner und Waldarbeiter zu erlassen. Der MAK-Wert für Ozon sollte auf 70 Mikrogramm pro Kubikmeter festgesetzt werden. Bei Überschreitung sollte nach einer Stunde körperliche Arbeit unterbleiben. Der Lohn muß natürlich weitergezahlt werden. Dafür ist ein Solidarfonds zu schaffen. Darüber hinaus gibt es erheblichen langfristigen Handlungsbedarf. Da der motorisierte Individualverkehr eine der Hauptursachen ist, sind dringend Maßnahmen erforderlich, die diese Ursache verringern. Da reichen Tempolimits und Smogverordnung bei weitem nicht aus. Der beste Verkehr ist der, der gar nicht erst entsteht. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die Mobilität auf neue Weise herstellt, die sich nicht zwanghaft am motorisierten Individualverkehr orientiert. Ich stimme dem „Kölner Stadt-Anzeiger" zu, der schrieb: Auch wenn die Erkenntnis noch schwerfällt, die automobile Gesellschaft bremst sich aus. Wir brauchen Änderungen aber auch in der Wirtschaftspolitik. Wir müssen Arbeit, Wohnen und Freizeit wieder näher zusammenbringen. Wir müssen Wirtschaftskreisläufe stärker regionalisieren. Die ostfriesischen Krabben müssen wieder in Ostfriesland gepult werden und nicht erst nach einem Umweg von 1 000 km die Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen. Dazu brauchen wir nicht nur Preise, die die ökologische Wahrheit sprechen, sondern auch wirtschaftliche Strukturen, die sich statt am Profit am Gemeinwohl orientieren. Offensichtlich ist allerdings, daß wir, bevor wir diese Probleme lösen können, noch ein Entsorgungsproblem haben: Diese nicht nur umweltpolitisch unfähige Regierung muß auf den Müllhaufen der Geschichte! ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers. ({0})

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Altmann hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Aktuelle Stunde eröffnet und gesagt, die Alternative sei Atmen oder Autofahren. ({0}) Wahrscheinlich werden wir am Ende dieser Aktuellen Stunde erleben können, daß z. B. der Fraktionsführer vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Hohe Haus verläßt und sich in eine Limousine der Fahrbereitschaft hineinsetzt, um zum nächsten Termin zu eilen. ({1}) Ich hoffe sehr, daß er in der Zwischenzeit aufhört zu atmen, wenn das die Alternative ist. ({2}) Meine Damen und Herren, diese Aktuelle Stunde hat als Titel „Krebsrisiko durch bodennahes Ozon". Das ist ein ernsthaftes Thema, und die Menschen draußen im Lande haben es auch verdient, daß sich der Deutsche Bundestag damit ernsthaft auseinandersetzt. Dies war leider nicht bei allen Beiträgen der Fall. ({3}) Was ist also der Sachverhalt? Wir wissen, daß bei Tierversuchen mit Ozon, die in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden, Fälle von Krebs auftraten. Wir wissen auch, daß diese Krebsfälle vor allem dann auftraten, wenn die Tiere über lange Zeit sehr hohen Ozonkonzentrationen ausgesetzt waren. Wissenschaftler der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben nun auf Grund dieser Versuchsergebnisse das Gas Ozon als „begründet krebsverdächtig" eingestuft. Meine Damen und Herren, ich habe keinerlei Zweifel an der fachlichen Kompetenz unserer Wissenschaftler. Ich weiß, daß die amerikanischen Versuche von den deutschen Experten mit größter Sorgfalt geprüft wurden. Daran gibt es nichts herumzudeuteln. Das Warnsignal aus der Forschung sagt uns, daß wir dieses Problem mehr als ernst nehmen müssen. Wir wissen auch, wie Ozon entsteht. Verantwortlich sind in erster Linie Autoabgase und industrielle Schadstoffe. Sie enthalten die Ausgangssubstanzen, die dann mit Luftsauerstoff reagieren und Ozon bilden. Wir wissen auch, daß bei starkem Sonnenschein und schwachem Luftaustausch die hohen Spitzenwerte entstehen, die uns heute Sorge bereiten und der Grund dafür sind, daß wir heute darüber diskutieren, mit welchen Mitteln wir richtig reagieren. Weniger bekannt ist, daß es nicht nur auffällige Spitzenwerte gibt. Vielmehr verfügen wir über Langzeituntersuchungen, die ergeben haben, daß die Jahresmittelwerte des bodennahen Ozons heute in allen Teilen der nördlichen Halbkugel mindestens doppelt so hoch liegen wie vor 100 Jahren. Allein über die Jahre 1967 bis 1983 betrug der Zuwachs des Ozons in allen Höhen der erdnahen Troposphäre über Deutschland etwa 50 %. Die Mittelwerte liegen in den Regionen Deutschlands gegenwärtig zwischen 25 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. An Arbeitsplätzen darf ein Kubikmeter Luft bislang 200 Mikrogramm Ozon enthalten. Sie wissen, daß man diesen Wert „Maximale Arbeitsplatzkonzentration" oder kurz MAK-Wert nennt. Man setzt diesen Wert so - das ist auch richtig -, daß für Beschäftigte kein Gesundheitsschaden zu befürchten ist, auch wenn sie Jahr für Jahr an jedem Arbeitstag von morgens bis abends dieser Konzentration ausgesetzt sind. Hier geht es also um einen Wert für arbeitstäglichen und lebenslangen Ozonkontakt. Wenn wir nun aus der Wissenschaft das Warnsignal erhalten, daß Ozon das Krebsrisiko erhöhen könnte, dann sollten wir unsere Debatte nicht auf Tempolimits und Fahrverbote verengen, sondern wir müssen uns überlegen, was das für die Politik und ihre Prioritäten insgesamt bedeutet. Für mich heißt das: Sommersmog und Tage mit hoher Ozonkonzentration sind schlimm; aber die eigentliche Gefahr lauert im langsamen, aber stetigen Ansteigen der durchschnittlichen Ozonwerte. Die Konsequenz müßte sein, daß wir eine umfassende Gegenstrategie entwickeln, anstatt hektisch an Einzelergebnissen herumzukurieren. ({4}) Meine Damen und Herren, gerade die neuen Gesichtspunkte sollten unsere Aufmerksamkeit auf langfristige Gegenstrategien lenken. Ich weiß nicht, warum Sie diesem Gedanken nicht folgen wollen. Wir haben hier schon mehrere Debatten darüber geführt, die die Stichworte „vernetztes Denken" und „ganzheitliches Denken" zum Mittelpunkt hatten. Wenn dies nicht nur hier am Rednerpult gesagt ist, dann kann es nicht richtig sein, bei solchen Einzelfragen eine hektische Debatte vom Zaun zu brechen. ({5}) Durch den Krebsverdacht - ich sage dies ganz deutlich - erhält die Ozonproblematik größeres Gewicht. Aber gerade deshalb und weil die Menschen davon betroffen sind, muß man bei solchen ernsten Fragestellungen mit Umsicht und Bedacht vorgehen. Dazu gehört zum einen - vielleicht gelingt das noch -, daß diese Debatte ein Stück zur Aufklärung der Menschen beiträgt. Dazu gehört zum anderen, daß wir unsere Bemühungen um mehr Wissen über die verschiedenen Zusammenhänge in diesem Bereich verstärken. Deshalb unterstützt mein Ministerium Forschungsarbeiten zu Fragen der bodennahen Ozonbelastung mit rund 12 Millionen DM pro Jahr. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung macht es sich mit ihren Antworten nicht leicht. Sie wird aber in Kürze - dies ist eben vom Kollegen Paziorek gesagt worden - Vorstellungen für Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor Ozon vorlegen. Ich sehe diese Lösung nicht primär bei Auflagen und Verboten. Auch hier gilt: Aussteigen ist keine Zukunftsoption. ({6}) Wer versucht, eine mobile Gesellschaft zu beruhigen, eine Industriegesellschaft stillzulegen, der wird vor allen Dingen Ungleichgewicht und Ungleichheit schaffen. ({7}) Was wir brauchen, sind neue Lösungen beim produktionsintegrierten Umweltschutz. Wir brauchen intelligente Verkehrsleitsysteme. Wir brauchen Navigationssysteme. Wir brauchen das schadstoffarme Auto. Wir müssen mehr Alternativen im öffentlichen Personennahverkehr schaffen. ({8}) Wir müssen Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Vor allen Dingen muß das Brett bei manchen Leuten vom Kopf weg, die, wenn man über eine Sachfrage spricht, nur rufen, irgend etwas müsse bei der Regierung passieren. ({9}) Meine Damen und Herren, Sie tun mir fürchterlich leid. Wenn Ihr Blickwinkel sich schon so verengt hat, dann sind Sie kein ernsthafter Partner mehr in solchen Diskussionen. ({10}) Wir brauchen nicht nur das oft geforderte Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie, sondern - dies ist mir sehr wichtig - wir brauchen auch - dies ist eine große neue Herausforderung für unsere Industriegesellschaft - einen Einklang von Ökologie und Mobilität. Wir sollten aufhören, in Gegensätzen zu denken, etwa im Gegensatz: hier Mensch - da Umwelt. Statt dessen sollten wir Verständnis dafür entwickeln, daß es eine zwar kompliziert verwobene, aber eine in sich zusammenhängende Lebenswelt gibt, die nur mit vernetzten Antworten einen Schritt weiterkommt. Vielen Dank. ({11})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile als Mitglied des Bundesrates der hessischen Staatsministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Iris Blaul, das Wort. Staatsministerin Iris Blaul ({0}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Der Sprecher der Bundesregierung, der Forschungsminister, hat uns eben eine Kaskade von Wünschen vorgetragen. Ich kann mich diesen Wünschen selbstverständlich zum großen Teil anschließen. ({1}) Aber diesen Worten müssen Taten folgen. Bei keiner einzigen der Forderungen, die hier aufgestellt worden sind, gab es neue Erkenntnisse. Das waren Erkenntnisse, die uns seit fünf Jahren und länger bekannt sind. Was wir brauchen - das möchte ich noch anschließen -, ist offenkundig eine Bundesregierung, die nicht nur Erkenntnisse hat, sondern auf diese Erkenntnisse auch Taten folgen läßt. ({2}) Ich möchte in gewisser Weise ein versöhnliches Wort sagen. Eines kann man der Bundesregierung nicht vorwerfen: Mangel an Kontinuität. Den Vorwurf mangelnder Kontinuität kann man dieser Bundesregierung und speziell der Umweltministerin tatsächlich nicht machen. Ihr Vorgänger, Frau Kollegin, war ja Spitze im Ankündigen, internationale Spitze. Bei der Durchsetzung von Umwelt- und Gesundheitsschutzmaßnahmen allerdings mußte er wiederholt feststellen, daß er in diesem Bundeskabinett bestenfalls das fünfte Rad am Wagen war. Dieser Tradition, werte Frau Kollegin, sind auch Sie bisher treu geblieben. ({3}) Ich will das begründen. Auf der Umweltministerkonferenz Ende letzten Jahres in Chemnitz sah sich die Bundesumweltministerin mit einer Forderung von 16 Bundesländern - das kommt relativ selten vor - konfrontiert. ({4}) Alle 16 Bundesländer haben Ende 1994 gefordert: Wir brauchen eine bundesweite Rechtsgrundlage, um bei Sommersmoglagen länderübergreifend großräumige und effiziente Maßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs treffen zu können. ({5}) Diese Einigkeit aller 16 Bundesländer hat offenkundig dazu geführt, daß Frau Kollegin Merkel nicht isoliert bleiben wollte. Sie hat sich angeschlossen und dem entsprechenden Antrag zugestimmt. Aber wer nun glaubte, diesen Worten würden Taten folgen, sah sich wiederum enttäuscht. Der Bundesratsbeschluß auf Initiative von Hessen und Nordrhein-Westfalen, der eine Ergänzung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für Fahrverbote vorsieht, fand nicht die Zustimmung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat die Initiative zwar begrüßt, sie aber gleichzeitig abgelehnt und angekündigt, daß in Kürze eine eigene Gesetzesvorlage komme. In Kürze - es war damals der 15. März. Ich weiß nicht, wie kurz die Kürze in Bonn ist. Jedenfalls haben wir bis heute keinen einzigen Eckpunkt, keine einzige Maßnahme, die in diesem Jahr - das war die Forderung der Bundesländer 1995 - bundesweit zum Tragen kommen könnte. ({6}) Staatsministerin Iris Blaul ({7}) Auf der Umweltministerkonferenz in Dessau in der vorigen Woche war Frau Merkel nicht einmal in der Lage, einen einzigen Eckpunkt zu nennen; sie hat aber gleichwohl wieder angekündigt, demnächst, in Kürze, komme die Bundesregierung zu Potte und werde eine Regelung vorlegen können. Gestern kam nun das endgültige Armutszeugnis. Die gestrige Pressekonferenz, in der sie nunmehr endlich die Vorstellungen über die Bekämpfung des Sommersmogs darlegen wollte, wurde abgesagt, weil die Bundesregierung offenkundig - wie ich den Worten des Forschungsministers entnehme - jetzt bereit ist, zu denken anzufangen. Mehr ist aber noch nicht passiert. Meine Damen und Herren, es geht eben nicht um blinden Aktionismus. Es geht auch nicht um irgendwelche ideologischen Grabenkämpfe, wie hier gesagt wurde. Es geht um die Gesundheit unserer Bevölkerung. ({8}) Es geht um Atemwegsreizungen, um Augenreizungen, um die erschwerte Atmung, um Kopfschmerzen, um Gesundheitsbeeinträchtigungen durch bodennahes Ozon. Diese Beschwerden quälen viele Bürgerinnen und Bürger zunehmend, jeden Sommer mit immer höherer Intensität. Haben Sie sich eigentlich einmal vor Augen geführt, was das für die kleinen Kinder heißt, die dieser Gefahr und dieser Belastung in besonderer Weise ausgesetzt sind? Gerade kleine Kinder, die, bezogen auf ihre Körpergröße, mehr atmen als Erwachsene, sind besonders gefährdet. Bei kleinen Kindern ist das Immunabwehrsystem noch nicht voll ausgebildet. Dadurch haben unsere Kinder bei Belastungssituationen in besonders hohem Maße an Infektionen zu leiden. Sie wissen, daß inzwischen schon ein Drittel der Kinder allergisch ist. Viele Kleinkinder haben auf Grund ihrer gereizten Atemwege permanent Infektionen. Das ist es, was Sie vertreten, wenn Sie nicht auch kurzfristige Maßnahmen ergreifen. ({9}) Aber nicht nur diese Gesundheitserkenntnisse sind erschreckend. Die Experten der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben festgestellt, daß Ozon als begründet krebsverdächtig eingestuft werden muß. Vor diesem Hintergrund des Krebsverdachtes ist es mir absolut unverständlich, warum die Bundesregierung weiterhin dabei ist zu prüfen und zu reden, aber nicht bereit ist, zu handeln. Es muß doch schon im Vorfeld der Belastungsspitzen eingegriffen werden, d. h. spätestens bei Konzentrationen von 180 Mikrogramm sind Tempolimits angesagt. ({10}) - Ja, ich wußte schon, woher der Ruf kommt: Tempolimits? Um Gottes willen! Wir brauchen Tempolimits und gleichermaßen Fahrverbote, spätestens bei 240 Mikrogramm. ({11}) Ich weiß, in Ihren Reihen rollen sich bei einigen die Fußnägel auf, wenn sie das Wort „Tempolimit" hören. Das ist aber eine ideologische Frage bei Ihnen; ({12}) das hat nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun. Sie sagen: Tempolimits bringen nichts. Wir haben in Hessen den Gegenbeweis angetreten. Jeder Mensch weiß doch inzwischen, daß der Schadstoffausstoß bei geringeren Geschwindigkeiten zurückgeht. Die Auswertung der hessischen Maßnahmen des letzten Jahres hat ergeben, daß die Tempolimits sehr nachweisbar den Ausstoß der Vorläufersubstanzen reduzieren. ({13}) - Die Vorläufersubstanzen werden reduziert. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Gutachten, die Hessen hat anfertigen lassen, damit Sie sich sachkundig machen können. ({14}) Meine Damen und Herren, ist es denn bei einer solchen Lage von der Sache her begründet, die notwendigen und wichtigen Fahrverbote für Dreckschleudern zu erlassen und gleichzeitig die anderen Autos, in denen mit Bleifuß gefahren werden kann, auf den Autobahnen zu belassen? Das können Sie doch niemandem vermitteln. Tempolimits und Fahrverbote sind die Instrumente, die uns jetzt unmittelbar zur Verfügung stehen, um kurzfristige Maßnahmen auch schon im Sommer 1995 realisieren zu können. Darauf kommt es an. ({15}) Ich komme zum Schluß. Angesichts des Trauerspiels in Bonn werden wohl die elf Bundesländer, die sich letzte Woche in Dessau zusammengetan haben, ihren eigenen Länderweg gehen müssen. Aber Sie, Frau Merkel, und die Vertreter der anderen Bundesländer werden der Bevölkerung eines zu erklären haben: warum Sie weiterhin den Menschen die Belastung durch hohe Konzentrationen von Ozon zumuten, warum Sie der Bevölkerung das Reizgas Ozon zumuten, das unter Krebsverdacht steht. Dazu müssen Sie sich gegenüber der Bevölkerung äußern, wie Ihre Wertung ist. Denn elf Bundesländer - es können offenkundig noch mehr werden - wollen einen einheitlichen Weg gehen, und es wäre nachgerade absurd, wenn die Bundesregierung weiterhin im Prinzip ihren Alleingang beim Ozon weiterverfolgen würde. Staatsministerin Iris Blaul ({16}) Frau Merkel, ich habe eine neue Kunde aus dem Bundesland Hessen, aus einer zwar nicht so bedeutenden Fraktion bei uns, die aber hier in Bonn noch bedeutend ist. Ich zitiere aus einer Erklärung von heute: Bundeswirtschaftsminister Rexrodt und sein CDU-Amtskollege im Verkehrsministerium wären gut beraten, wenn sie die Bedenkenträger aus ihren Fachabteilungen etwas zügelten und mehr die politische Gesamtverantwortung bei diesem Problem in den Vordergrund stellten. ({17}) Schöne Grüße von der F.D.P. aus Hessen. Ich danke Ihnen. ({18})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Hans-Otto Schmiedeberg.

Hans Otto Schmiedeberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002782, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 16. Mai 1995 wird das Reizgas Ozon neu eingestuft. Durch die demnächst erscheinende MAK-Werte-Liste wird durch die Senatskommission der DFG das Ozon in die Kategorie III b eingestuft. Das heißt, Ozon ist begründet krebsverdächtig. Die bisherigen Werte von 200 Mikrogramm bezogen sich lediglich auf die schleimhautreizende Wirkung des Ozons. Es wird noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Presseberichte, nach denen schon eine Konzentration von 100 Mikrogramm je Kubikmeter als krebserzeugend angesehen werden muß, unzutreffend sind. Die Neueinstufung beruht auf Langzeitstudien an Ratten und Mäusen, die in den USA durchgeführt wurden. Es ergaben sich Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung in der Lunge der Tiere bei 1 000 bis 2 000 Mikrogramm Ozon je Kubikmeter Atemluft. Untersuchungen an Säugetierzellen zeigten jedoch generell eine genotoxische Wirkung von Ozon. Aus diesen Studien wird der Verdacht abgeleitet, daß Ozon krebserzeugend wirken könnte. Untersuchungen über die Fähigkeit des Menschen zur Anpassung an erhöhte Ozonkonzentrationen sprechen dafür, daß der Mensch über Schutzmechanismen gegen Ozon verfügt, und deshalb ist es notwendig, einen neuen Grenzwert zu ermitteln. Das Ozon wirkt als typisches Reizgas. Grundsätzlich ist zwischen der Entstehung von Ozon im Zusammenhang mit Arbeitsprozessen und erhöhter Ozonkonzentration in der Außenluft, dem sogenannten Sommersmog, zu unterscheiden. Die Hoffnung, dieses alljährlich im Sommer auftretende Problem mit einem Tempolimit lösen zu können, ist jedoch durch die Auswertung des hessischen Ozonversuchs von 1994 zunichte gemacht worden. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis - ich zitiere -: Die Reduktion der Ozonbelastung in Hessen aufgrund der Minderung der Emissionen der Vorläufersubstanzen durch das Tempolimit bewegte sich innerhalb des Unsicherheitsbereiches des angewendeten statistischen Verfahrens und lag mithin im Bereich 0 bis minus 10 Prozent. Die Quellen der Vorläuferverbindungen des Ozons sind Stickstoffverbindungen und Kohlenwasserstoffe.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, darf ich Sie für einen Augenblick unterbrechen? - Herr Kollege Schlauch, wenn Sie dem Redner zuhören wollen, sollten Sie ihm das Gesicht zuwenden. ({0}) Herr Kollege, Sie können fortfahren.

Hans Otto Schmiedeberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002782, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie teilen sich wie folgt auf: An der Erzeugung der Stickstoffverbindungen ist der Verkehr mit 40 %, sind die Kraftwerke mit 22 % und sind andere Benutzer fossiler Brennstoffe mit 17 % beteiligt. An der Erzeugung von organischen Verbindungen sind der Verkehr mit 34 %, die industrielle Lösemittelverwendung mit 16 % und die nichtindustrielle Lösemittelverwendung mit 12 % beteiligt. Das Wissen um diese Quellen ermöglicht es, die Emissionen der Vorläufersubstanzen durch ordnungsrechtliche Maßnahmen dauerhaft zu senken. ({0}) Die wichtigsten bereits veranlaßten Maßnahmen sind im Verkehrsbereich eine Reduzierung der Abgaswerte durch Einführung des Katalysators, scharfe Abgasgrenzwerte auch für Dieselmotoren sowie eine Einführung der Abgassonderuntersuchung sowohl für Katalysator- als auch für Dieselfahrzeuge, im Anlagenbereich die Großfeuerungsanlagenverordnung und die Verordnung zur Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das vorgesehene Gesetz über großräumige Fahrbeschränkungen für hochemittierende Fahrzeuge nur auf Akutmaßnahmen mit beschränkter Anwendungsmöglichkeit reagieren kann und somit keine wirkungsvolle Luftreinhaltepolitik ist. Dies können nur rechtsverbindliche Grenzwerte sein, die langfristig wirksame Maßnahmen zur Senkung der Vorläuferemissionen bewirken. Gleichzeitig muß das Problem international im europäischen Rahmen gelöst werden, da der grenzüberschreitende Transport von Vorläuferemissionen selbst umfassende und kostspielige nationale Bemühungen zunichte machen würde. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Konrad Kunick.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Möglichkeiten, mit einem solchen Problem umzugehen. Eine haben wir gerade gehört: Man erklärt das Ganze zum supranationalen Problem; damit erklärt man sich für zu klein, um die Dinge überhaupt angehen zu können. Oder man stellt fest: „Das Problem ist kleinflächig nicht lösbar" und traut sich wegen der großen Fläche der Bundesrepublik nicht an eine Lösung. Auch das hat sich bereits in der Debatte vom 11. Mai ergeben. Es lohnt sich im übrigen, diese Debatte vom 11. Mai nachzulesen. Wiederholungen sind höchstens für die Öffentlichkeit nützlich. Dort ist vieles gesagt, was hier nicht unbedingt wiedergegeben werden muß. Was aber ist neu? Erstens. Es ist nach dem 11. Mai öffentlich geworden, daß Ozon krebserregend sein kann. ({0}) - Es gibt sogar Kollegen im Hause, die dringend daran interessiert sind, das in den Bereich der Abstraktion so weit weg zu reden, daß man beim alten bleiben kann, nämlich beim Nichtstun. - Erstens also: Ozon ist krebserregend. ({1}) Zweitens. Im Konrad-Adenauer-Haus ist man angesichts jüngster Wahlen zu einer richtigen Erkenntnis gelangt. Öffentlich wurde nämlich bekannt, daß man dort angemahnt hat, die CDU/CSU - in diesem Fall mehr die CDU - müsse ihr Umweltprofil scharfen. Drittens fand gestern eine Kabinettssitzung statt. Dort ist die Schärfung des Umweltprofils gründlich mißlungen. ({2}) Es könnte nun einer Opposition gut gefallen, daß das so ist, ginge es nicht um gewichtige Zukunftsfragen. Herr Kollege Rüttgers, was Ihre Analyse angeht, können wir ihr weitestgehend zustimmen. Wo ist aber das Fortschreiten einer integrierten, modernen, auf Mobilität zielenden Politik, die gleichzeitig die Umweltgefahren überwindet und unsere Gesellschaft ins 21. Jahrhundert so voranführt, daß sie so mobil bleiben kann, wie eine Industriegesellschaft mobil sein muß, und gleichzeitig nicht allmählich im Ozon untergeht? ({3}) Man kann doch im Gegenteil feststellen: Die Gefahr wächst weitaus schneller, als der Wandel des Denkens fortschreitet. Damit ist das, was sich gegenwärtig vollzieht, der Weg der Saurier, die in die Katastrophe tappen. Sehen wir uns an, wie mit der Zukunft des Automobils umgegangen wird: Zu glauben, daß das Auto entweder nur völlig frei und unbegrenzt gefahren werden kann oder keine Zukunft hat, zu glauben, daß man nicht zwischen Eisenbahn und Lkw dringend umlenken muß - vor allem, wenn man bedenkt, daß der Verkehr im nächsten Jahrzehnt um die Hälfte wächst - und umlenken kann, und zwar so, daß es auch wirkt, bedeutet doch, daß unsere Gesellschaft, der erzählt wird, daß die Ozonauswirkungen auf die Ratten nicht so schlimm und auf Menschen ohnedies anders sind, zunächst nach dem Motto „Weiter so!" weitermachen kann. Einige Reden werden gehalten, man wolle eine Reform. Aber getan wird nichts von dieser Tu-Nix-Regierung. Derweil wächst die Gefahr so an, daß ein Umsteuern am Ende nicht mehr möglich ist. ({4}) Warum gibt es keinen tatsächlichen Wandel in der Verkehrspolitik? Warum wird das Flugbenzin immer noch in gewaltigen Mengen unversteuert in die Gegend gepustet? ({5}) Warum werden in der Praxis mehr Mittel in die Investitionen für Straßen als in die Bahn gesteckt, obwohl man genau weiß, daß der Bundesverkehrswegeplan in der Unfinanzierbarkeit endet? ({6}) Warum besteht denn der prinzipielle Streit über den Sommersmog, als ob es schädlich sei, den Verkehr bei einer geringeren Gefahrenstufe zu verlangsamen? Verlangsamter Verkehr ist auf jeden Fall für die Mobilität weniger schädlich, als wenn gar kein Verkehr mehr stattfinden kann. ({7}) Warum überlegt man denn nicht, wie man den Übergang zum ÖPNV so verbessern kann, daß den Menschen ein Ersatzverkehr angeboten wird? Wenn der Herr Wirtschaftsminister der Auffassung ist - damit hat er gestern abgeblockt -, daß ganze Regionen in ihrer Produktion dadurch bedroht seien, daß der Lkw-Verkehr bei einer bestimmten Ozonlage nicht mehr fließen könne, wo ist denn dann die entschiedene Unterstützung dieses Bundeswirtschaftsministers für ein entschiedenes Umsteuern vom Lkw auf die Eisenbahn - Produktion muß natürlich laufen -? ({8})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Sie müssen zum Schluß kommen.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluß. - Herr Kollege Rüttgers, der Ansatz für eine intelligente Politik, den Sie vorgetragen haben, ist richtig. Nur haben wir die allerstärksten Zweifel, daß sie mit Ihrer Regierung in die Tat umgesetzt werden kann. Was erforderlich ist, ist ein neues ReKonrad Kunick formbündnis in Deutschland, das solches Denken in die Tat umsetzt. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Senator Kunick, es war die erste Rede, die Sie in diesem Haus gehalten haben. Ich möchte Ihnen nach der Tradition im Namen des Hauses gratulieren. ({0}) Ich erteile nun das Wort der Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Angela Merkel. Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte sich diese Aktuelle Stunde mit den Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen befassen. Sie haben das Thema nun wahrscheinlich geändert, weil Sie sich nicht vorher schon getraut haben, eine Neuauflage der Aktuellen Stunde der vorigen Woche zu fordern; denn die Diskussion unterscheidet sich in nichts. ({2}) Ich kann Ihnen hier mitteilen - das habe ich auch gestern in der Regierungsbefragung gesagt, wo ich direkt nach der Kabinettssitzung sehr wohl zur Verfügung stand -: Die Bundesregierung wird bis Ende Mai einen Gesetzentwurf vorlegen - ich sage hier: die Bundesregierung; dies ist ein Gemeinschaftswerk aller beteiligten Ressorts. Und so wird es sein. ({3}) Aber ich sage auch: Wir werden dies mit Umsicht und Bedacht machen, und wir werden die Verhältnismäßigkeit und die Richtigkeit der Maßnahmen prüfen. ({4}) Liebe Frau Blaul, an dieser Stelle muß ich einmal auf unsere Diskussionen Bezug nehmen. Meine erste Veranstaltung als Umweltministerin auf der UMK in Chemnitz war tatsächlich die Diskussion über Ozon. Damals waren sich die Landesumweltminister weitestgehend einig, daß Fahrverbote in Ballungsräumen genau das Instrument sind, um an anderen Stellen die Ozonbildung zu verhindern. Mit diesem Auftrag bin ich von Chemnitz - allerdings nicht mit ausdrücklicher Zustimmung, sondern mit der Maßgabe, daß ich die Dinge ernsthaft betreiben werde - nach Hause gefahren. Wenige Wochen später stellte der Umweltminister Schäfer aus BadenWürttemberg fest, daß sein Heilbronner Versuch, der genau dieses kleinräumige, ballungsartige, gebietsartige Untersuchen zum Inhalt hatte, wirkungslos war und daß die Sache anders angegangen werden mußte. ({5}) Daraufhin haben wir uns selbstverständlich auch über die neuesten Ergebnisse von Prognos-Untersuchungen, die vom Bund initiiert und unter Mitarbeit der Länder durchgeführt werden, informiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß allenfalls großräumige Fahrverbote für schadstoffhaltige Autos eine vernünftige Reduktion von Spitzenwerten - ich betone: Spitzenwerte! - von Ozonbelastungen bringen und daß Tempolimits in einer Größenordnung von 3 bis 5 % ebenfalls einen Beitrag leisten, allerdings längst nicht in dem Maße, wie das hier diskutiert wird. ({6}) Liebe Frau Blaul, Sie haben in der letzten Woche, angeführt von der sachsen-anhaltinischen Kollegin, Frau Heidecke, schon vor der Umweltministerkonferenz eine Pressekonferenz gegeben, in der Sie verkündet haben, ich hätte einen Gesetzentwurf mit einer Höchstkonzentration von 300 Mikrogramm pro Kubikmeter vorgelegt. Sie mußten natürlich im internen Kamingespräch eingestehen, daß ein solcher Entwurf überhaupt noch nicht vorgelegt war. ({7}) Trotzdem informieren Sie unter Ignorierung dieses Wissens die deutsche Öffentlichkeit Schlichtweg falsch. ({8}) Nachdem Sie sich aber die Entwurfspapiere, die Diskussionspapiere besorgt haben, erklären Sie nun heute erneut, Frau Blaul - wieder unter völliger Leugnung all dessen, was Ihnen bekannt ist -, daß ich in der letzten Woche beim Kamingespräch nicht einmal Eckpunkte und Vorstellungen hätte äußern können. ({9}) Ich erinnere Sie daran - ich sage dies auch in bezug auf die Meßwerte, und ich sage dies auch in bezug auf die Schwellenwerte -, daß wir lange und ausführlich darüber diskutiert haben, welches Meßverfahren die Bundesregierung zu nehmen beabsichtigt und welche Vor- und Nachteile dies hat, weil jeder Schwellenwert in bezug auf die Zahl der Meßpunkte, die Dauer der Beobachtung und die angenommene Prognose gesehen werden muß. Warum tun Sie dies und sagen hier, es gebe nicht eine einzige Vorstellung, wo wir doch diese Art von Gesprächen hatten? ({10}) Bundesministerin Dr. Angela Merkel Ich sage einfach: Das ist unredlich; so geht man nicht miteinander um. Die vermeintliche Gemeinsamkeit der Umweltminister zeigt sich hier als eine komplett hohle Krücke. Es nützen hier alle Treueschwüre nichts, wenn bewußte Falschinformationen betrieben werden. ({11}) - Ich habe schon gesagt, wir werden bis Ende Mai etwas vorlegen. ({12}) Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren etwas getan - ich muß Ihnen diese Maßnahmen einfach noch einmal in Erinnerung rufen, damit nicht ein völlig falscher Eindruck entsteht -: Reduzierung der Abgaswerte durch die Einführung des Katalysators sowie scharfe Abgasgrenzwerte auch für Dieselmotoren. Wo ständen wir eigentlich heute, wenn wir den Katalysator nicht hätten? Der ist von dieser Bundesregierung eingeführt worden, ({13}) und zwar - falls Sie sich noch erinnern - gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften. ({14}) Weiter: Einführung einer Abgassonderuntersuchung für Katalysator- und Dieselfahrzeuge, die Großfeuerungsanlagenverordnung, die TA Luft, die zweite Bundes-Immissionsschutzverordnung mit Grenzwerten für Chemischreinigungen. ({15}) - Wissen Sie, Sie wollen es einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist die Art der Diskussion, die wir hier miteinander führen. ({16}) Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen auch: Wir brauchen weitere Maßnahmen; selbstverständlich. ({17}) Wir brauchen eine Verschärfung der Abgasvorschriften, die dritte Abgasstufe und den Grenzwert 2 000 in der Europäischen Union. Wir brauchen europäische Abgasgrenzwerte für Motorräder und Mopeds. Wir brauchen die emissionsbezogene Kfz-Steuer. Wir brauchen weitere Dinge. Wir haben jetzt die Autobahngebühr für Lkws eingeführt. ({18}) - Was wir haben, habe ich Ihnen soeben erst gesagt, Herr Fischer. Da haben Sie wie immer nicht zugehört. ({19}) - Herr Fischer, ich habe in einem ersten Schritt gesagt, was wir haben; aber wie immer haben Sie da nicht zugehört, sondern geschrieen. ({20}) Jetzt sage ich, was wir brauchen. ({21}) Es wäre doch schlimm, wenn ich angesichts der Lage nicht sagen würde, daß weiterer Handlungsbedarf besteht. ({22}) Er besteht vor allem darin, die Grundbelastung an Ozon, wie es mein Kollege Rüttgers dargestellt hat, zu begrenzen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen: Sie führen diese Diskussion einerseits - und da führen wir sie mit Ihnen - aus der berechtigten Sorge um die Auswirkungen von Ozon auf die Bevölkerung, insbesondere auf die, die für Bronchitis und Atemerkrankungen anfällig sind, vor allem Kinder und ältere Menschen. Aber einen anderen Teil der Diskussion - der Eindruck verstärkt sich bei mir von Tag zu Tag - führen Sie aus rein ideologischen Gründen, um gegen das Auto und gegen bestimmte Prinzipien mobilzumachen. ({23}) Kein Wort über Farben, kein Wort über Lacke, kein Wort über all die Ursachen von flüchtigen organischen Substanzen. ({24}) 50 % kommen nicht vom Auto. Deshalb sage ich: Sie versuchen, auch ein Geschäft mit der Angst der Bevölkerung zu machen. ({25}) Sie müssen bei all dem, was Sie tun und was auch ich unterstützen werde, bitte immer überlegen, daß bei unseren Debatten zu Hause Menschen zuhören, die nicht genau einschätzen können, was jetzt passiert. ({26}) Bundesministerin Dr. Angela Merkel Es gibt Mütter mit Meinen Kindern, die sich bei 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Ozon nicht mehr aus dem Haus trauen, weil sie Angst um ihre Kinder haben, obwohl die maximale Arbeitsplatzkonzentration heute noch bei 200 Mikrogramm pro Kubikmeter für acht Stunden liegt. ({27}) Diese Mütter werden durch die Art Ihrer Debatte einfach irregeführt. ({28}) Deshalb muß ich Ihnen sagen: Wir werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wir werden handeln. ({29}) Wir werden vor allem langfristig wirkend handeln. Aber eine bestimmte Verengung der Diskussion auf ideologische Prinzipien werden wir nicht mitmachen. Herzlichen Dank. ({30})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Meine Kollegen, ich möchte Sie zur Geschäftslage nur auf folgendes aufmerksam machen: Wenn das Maß der Zwischenrufe einen bestimmten Grad überschreitet, kann man den Redner nur noch schwer verstehen. Wenn aber das Mitteilungsbedürfnis so groß ist, wie man hier allmählich merken muß, dann brauchen die Mitglieder der Bundesregierung ihre Redemöglichkeiten nur weiter auszunutzen. Dann treten wir in eine normale Debatte ein, ({0}) in der Sie Zwischenfragen stellen und für die wir eine beliebige Länge vereinbaren können. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie wissen, wie sich das nach der Geschäftsordnung entwickeln könnte. Mit dieser Maßgabe erteile ich der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Die Menschen müssen sich ja erst daran gewöhnen, nämlich an die Fahrverbote. So sollen Sie sich, Frau Ministerin Merkel, kürzlich geäußert haben, als Sie die Einführung von Fahrverboten bei einem Ozongrenzwert unterhalb von 300 Mikrogramm ablehnten. Welch ein Zynismus! Denn, so füge ich hinzu - ich hoffe, Sie verstehen meine bittere Ironie -, an die Belastung und Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch schädliche Umwelteinflüsse sind die Menschen schon gewöhnt. ({0}) Ist das die Verhältnismäßigkeit, von der Sie gesprochen haben, Frau Merkel? - Nein, meine Herren und Damen, ein Resignieren gegenüber einer Umweltpolitik, die dem Gott Verkehr Menschenopfer bringt, können und wollen wir nicht zulassen. ({1}) Schon seit geraumer Zeit liegen Untersuchungen vor, die unausgesetzt bestätigen, daß hohe bodennahe Ozonkonzentrationen in den Sommermonaten gefährlich für die menschliche Gesundheit sind. Ich brauche nicht zu wiederholen, was Sie selbst hier schon mehrfach angeführt haben. Wir wissen, daß Ozon als ein aggressives Reizgas auch in geringen Konzentrationen als Zellgift wirkt, was es gefährlich macht. Niemand mehr bestreitet das. Spätestens seit dem Umweltgutachten 1994 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen wissen wir, daß Ozon neben akuten Wirkungen auch Langzeitschäden in tieferen Lungenabschnitten verursacht und durch vermehrte Einlagerung von Bindegewebe zu Lungenstarre führen kann. Wir sind auch soweit, daß wir befürchten müssen, daß Ozon Chromosomenveränderungen und eine Schwächung des Immunsystems insgesamt hervorrufen kann - ein Beitrag zu einer Entwicklung, die inzwischen nicht ohne Grund als ,,chemical Aids" bezeichnet wird. Alles dies wissen wir nicht erst seit heute. Schon im Jahre 1987 hat die Weltgesundheitsorganisation erstmals wirkungsbezogene Grenzwerte für Ozon erarbeitet. Vor diesem Hintergrund ist es schlimm, wenn die vorgelegten Entwürfe zur Bekämpfung umweit- und gesundheitsgefährdender Konzentrationen bodennahen Ozons als sinnloser Aktionismus" abqualifiziert werden, wie es der CDU-Kollege Dr. Norbert Rieder in der Sitzung in der vergangenen Woche getan hat. Mit Ihrer Erlaubnis darf ich zitieren: Bewahren Sie uns vor sinnlosem Aktionismus; denn der wird uns die notwendige Zeit, die wir brauchen, um echte Maßnahmen zu ergreifen, nehmen. ({2}) Das, was wir heute schon über Ozon wissen, reicht anscheinend immer noch nicht aus und war für diese Regierung nicht dringend genug, um echte Maßnahmen zu ergreifen. ({3}) - Das haben Sie gesagt. Die Nachricht, daß begründete Annahmen bestehen, daß Ozon krebserregend ist, hätte eigentlich der letzte Anstoß für Sie, Frau Merkel, sein müssen, Ihre Kabinettskollegen Herrn Wissmann und Herrn Rexrodt davon zu überzeugen, daß großflächige Dr. Angelica Schwall-Düren das ist die Forderung der SPD -, tiefgreifende und früh einsetzende Maßnahmen notwendig sind, um der Sommer für Sommer drohenden Gefahr entgegenzuwirken. ({4}) Die Krebsverdächtigkeit sollte auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der F.D.P., überzeugen, daß es höchste Zeit ist, mit Entschiedenheit gegen den Ausstoß der Ozonvorläufersubstanzen vorzugehen. Mit den Fortschritten, die im Arbeitsschutz in den vergangenen Jahren erzielt worden sind, darf nicht am Werkstor oder an der Bürotüre haltgemacht werden. ({5}) Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich Ihren Blick insbesondere auf die Kinder lenken. Es ist für mich eine Frage der Kultur, wie wir mit unseren Kindern umgehen und welche Chancen wir ihrer Zukunft geben. Es darf nicht wahr sein, daß Kinder, die ihrem Bewegungsdrang nachgehen, schlechter geschützt sind als erwachsene Arbeitnehmer. ({6}) Die Grenzwerte für Schadstoffbelastungen in Luft, Boden und Wasser, die derzeit gelten, orientieren sich am gesunden 30jährigen 70-Kilo-Mann. Auch die derzeitige Praxis der Probenahme berücksichtigt die besondere Situation der Kinder nicht. Die Entnahmehöhe von 1,50 Meter wird der kindlichen Situation nicht gerecht.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluß. - Dabei darf die Ozonproblematik nicht isoliert gesehen werden. Zusammen mit anderen Schadstoffbelastungen ergeben sich bedenkliche synergistische und akkumulierende Wirkungen. Wir wissen: Kinder haben in den ersten Jahren ein schwächer ausgebildetes Immunsystem als Erwachsene. Jetzt, da wir befürchten müssen, daß Ozon krebserregend sein kann, muß die Regierung Flagge zeigen. Glaubhafte Politik ist nicht eine solche

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, wenn ich sage, daß Sie zum Schluß kommen müssen, müssen Sie auch zum Schluß kommen.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- das ist der letzte Satz -, die ständig den Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens beschwört, sondern eine solche, die unseren Kindern den gesunden Lebensraum erhält und Maßnahmen ergreift. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Dr. Schwall-Düren, das war Ihre erste Rede hier. Herzlichen Glückwunsch im Namen des Hauses! ({0}) Aber fünf Minuten sind fünf Minuten. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Birgit Homburger.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle Diskussion beruht auf einer Neueinschätzung von Ozon durch die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Auf der Grundlage der Ergebnisse von Langzeitstudien an Mäusen und Ratten aus den USA wurde der bisherige MAK-Wert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft außer Kraft gesetzt und Ozon als „begründet krebsverdächtig" eingestuft. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, gegen Ozon wirksam vorzugehen. Da die MAK-Konzentration festlegt, welche Belastungen mit einem Stoff auf Dauer ohne schädliche Auswirkungen auf den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zulässig sind, ist die bloße Wiederauflage der Diskussion der letzten Woche unangemessener Populismus. ({0}) Obwohl Sie das wissen, meine Damen und Herren, daß es hier um Dauerbelastungen geht, vermitteln Sie öffentlich den Eindruck, als bestünde für die gesamte Bevölkerung eine akute erhöhte Krebsgefahr. ({1}) Frau Blaul, Herr Kunick und gerade auch Frau Schwall-Düren schüren Angst und Hysterie. ({2}) Ich will Ihnen eines sagen: Sie tragen auch eine Verantwortung dafür, wie Sie mit Informationen umgehen, daß Sie nicht unnötig Angst in der Bevölkerung verbreiten. ({3}) Die eigentliche Problematik dieser neuen Erkenntnisse liegt bei den Auswirkungen auf Arbeitnehmer. Deshalb ist es jetzt wichtig, so schnell wie möglich Sicherheit für die Arbeitnehmer zu schaffen. Es muß geklärt werden, ob ein Grenzwert festgelegt werden kann und, wenn ja, wie hoch er sein muß. Die F.D.P. fordert, daß so schnell wie möglich geklärt wird, an welchen Arbeitsplätzen Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, um die Gefährdung von Arbeitnehmern auszuschließen. Des weiteren ist es wichtig, Maßnahmen zur wirksamen Absenkung der bodennahen Ozonkonzentration zu ergreifen. Das haben wir schon mehrfach diskutiert. Wirksam ist die dauerhafte Reduzierung der Vorläufersubstanzen: Stickoxide und flüchtige organische Verbindungen; denn sie beschleunigen die Bildung hoher Ozonkonzentrationen bei Schönwetterlagen. Die Opposition diskutiert Maßnahmen erst, wenn am Ende die hohen Ozonwerte festgestellt werden. Wir wollen vorne ansetzen und hohe Ozonwerte möglichst gar nicht erst entstehen lassen. ({4}) Die Bundesregierung ist mit ihrem Maßnahmenpaket zur wirksamen Reduzierung der Ozonbelastung auf dem richtigen Weg. Dazu gehören z. B. der DreiStufen-Plan der EG zur Verschärfung der Abgasgrenzwerte für PKW, LKW und Motorräder, die Gaspendelung an den Tankstellen und die Rauchgasentstickung bei den Kraftwerken. Frau Blaul, Sie haben hier gesagt, man möchte Taten sehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was ich jetzt genannt habe, sind Taten. Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie in Hessen machen; das ist nämlich Aktionismus. ({5}) Das Umweltbundesamt hat errechnet, daß die ergriffenen Maßnahmen die Vorläufersubstanzen bis zum Jahre 2005 um 50 % oder mehr reduzieren werden. ({6}) Darüber hinaus fordert die F.D.P. ein Innovationsprogramm im Verkehrsbereich und bei Industrie und Gewerbe. Frau Kollegin Dobberthien, Sie haben vorhin geäußert, Sie glaubten, daß die Ministerin nicht aus Angst vor der Opposition zu Beginn der Debatte nicht da war. Ich könnte das, wenn es so wäre, voll nachvollziehen, weil ich hier feststelle, daß Sie unseren Vorschlägen nichts entgegenzusetzen haben außer: Tempolimit, Tempolimit, Tempolimit! ({7}) Das ist offensichtlich Ihre Generalantwort auf alles. Natürlich müssen Maßnahmen vorrangig beim Straßenverkehr ergriffen werden; denn dort werden etwa zwei Drittel der Vorläufersubstanzen ausgestoßen. Vor allem alte „Stinker", also Fahrzeuge ohne Kat, müssen aus dem Verkehr; denn sie blasen neunmal mehr ozonrelevante Stoffe in die Luft als Autos mit geregeltem Kat. Fahrverbote bei hohen Ozonkonzentrationen für Fahrzeuge ohne Kat können allerdings nur bei langanhaltenden Schönwetterperioden die Konzentrationsspitzen und deren Dauer begrenzen. Diese Wetterlagen gibt es bei uns höchstens zwei- bis dreimal im Jahr. Bei kurzfristigen Ozonspitzen kommen die Verkehrsbeschränkungen zu spät; denn die Vorläufersubstanzen sind dann jeweils schon vor drei bis vier Tagen emittiert worden. Allerdings könnte ein wirksamer indirekter Effekt von Fahrverboten für Fahrzeuge ohne Kat der schnellere Umstieg auf schadstoffarme Fahrzeuge sein. Das wäre ein Beitrag für eine dauerhafte Senkung der Ozonbelastung. Deshalb ist die F.D.P. bereit, Verkehrsbeschränkungen durch eine Ozonverordnung mitzutragen. Die Regelung muß aber praktikabel und auch überwachbar sein. Ich füge hinzu: Wir alle sind bereit, dies mitzutragen, auch Herr Dr. Rexrodt. Es ist nicht richtig, daß Herr Dr. Rexrodt derjenige war, der gestern im Kabinett eine Beschlußfassung verhindert hat. Das stimmt überhaupt nicht. ({8}) Frau Kollegin Dobberthien, Sie haben hier von einem „Betonminister" gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie haben so viele Betonköpfe in Ihrer Fraktion, daß ich an Ihrer Stelle mit solchen Begriffen etwas vorsichtiger wäre. ({9}) Die F.D.P. - Herr Präsident, ich komme zum Ende; nur noch ein Satz - fordert die Bundesregierung auf, jetzt endlich zur Geschlossenheit zurückzukehren und, wie vorgesehen, den Entwurf zur Anhörung sofort zu versenden. Vielen Dank. ({10})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das Wort hat der Abgeordnete Max Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ozon ist bedingt krebsverdächtig - diese oder ähnliche Überschriften in gestrigen und heutigen Meldungen sowie die heutigen Horrorszenarien der Opposition beunruhigen die Menschen in unserem Land. Liest man die Berichte aber genauer, so kann man feststellen, daß Wissenschaftler hinsichtlich der Auswirkungen des Reizgases Ozon auf den menschlichen Organismus unterschiedliche Bewertungen vornehmen. Alle Aussagen über die Auswirkungen auf den Organismus beruhen auf Verdachtsmomenten; Beweise fehlen. Es gibt anerkannte Untersuchungen, die dem Menschen die Fähigkeit zur Anpassung an erhöhte Ozonkonzentrationen zuschreiben, ({0}) weil der Mensch offensichtlich über natürliche Schutzmechanismen verfügt. Verehrte Damen und Herren, ich möchte die mögliche Gefährdung durch Ozon nicht herunterspielen oder sogar verneinen. ({1}) Trotzdem frage ich mich, warum sich so viele Menschen Jahr für Jahr gegen gutes Geld in südlichen Gefilden freiwillig möglichen Ozonbelastungen aussetzen. ({2}) Vor diesem Hintergrund und nach dem Sachstand der Diskussion ist es richtig, hier vernünftig, sachlich, ohne Hysterie und ohne künstliche Aufregung Sachentscheidungen herbeizuführen. Dabei sollen uns vor allem die wissenschaftlichen Untersuchungen zu richtigen Schlüssen veranlassen. Hier ist kein umweltpolitischer Aktionismus, wie er in SPD-geführten Ländern betrieben wird, angesagt. ({3}) So erachten Wissenschaftler des Forschungszentrums Karlsruhe Verkehrsbeschränkungen als wenig hilfreich, das Ozonproblem zu entschärfen. Es liegen Untersuchungen vor - das wurde heute schon gesagt -, daß Geschwindigkeitsbeschränkungen nur eine Ozon-Minderung von 4 % zustande bringen. Wenn dies die einzige Lösung von SPD und GRÜNEN zu diesem Problem ist, dann haben sie nicht die richtigen Instrumente. ({4}) Wichtig ist, daß wir die Vorläufersubstanzen, die Stickoxide und die Kohlenwasserstoffe, deutlich reduzieren. Hier hat die Bundesregierung mit der Einführung des Katalysators unter dem Minister Fritz Zimmermann und der verschärften Fortschreibung der TA Luft umweltpolitisch Meilensteine gesetzt und dadurch erreicht, daß Schadstoffbelastungen der Luft und damit auch mögliche Ozonbelastungen nicht eintreten. ({5}) Verehrte Damen und Herren, vielfach werden auch Fahrverbote für die Fahrzeuge ohne Katalysator diskutiert, die bei bestimmten Grenzwerten ausgesprochen werden sollen. Diese einschneidenden Maßnahmen werfen aber für mich auch bestimmte Fragen auf, vor allen Dingen Fragen, die derzeit noch nicht beantwortet sind. Wie verfahren wir mit Berufspendlern, wenn - ich komme aus dem Ostbayerischen und habe Nachbarn, die aus dem benachbarten Ausland zu uns pendeln - bei uns ein Fahrverbot besteht? Wird das Fahrverbot nur für deutsche Verkehrsteilnehmer gelten, oder sind damit auch ausländische Transitreisende betroffen? ({6}) Werden von dem Fahrverbot auch die Gütertransporte, insbesondere aus dem Ausland, erfaßt? Wie ist in ländlichen Gebieten ohne ausreichenden öffentlichen Nahverkehr, wo der einzelne tagtäglich auf seinen Pkw angewiesen ist, bei einem Fahrverbot die Arbeitsstelle zu erreichen? ({7}) Und, verehrte Damen und Herren, wie machen wir es den ca. 1,2 Millionen Fahrzeughaltern der Marken Trabant und Wartburg in den neuen Bundesländern begreiflich, daß sie plötzlich bei Sonnenschein ihr Auto nicht mehr benutzen dürfen, um vielleicht irgendwo einer Annehmlichkeit nachgehen zu können? Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gilt vielmehr, hier verantwortungsbewußt Regelungen zu entwerfen, so wie es unsere Bundesumweltministerin schon vorgeschlagen hat. Schnellschüsse dienen nicht der Sache. Die CSU-Landesgruppe fordert auf diesem Hintergrund vor allen Dingen die Einführung einer emissionsbezogenen Kfz-Steuer, um in einem verträglichen Zeitraum die stark emittierenden Fahrzeuge, die dem heutigen Stand der Technik nicht mehr entsprechen und hauptsächlich die Ozon-Probleme verursachen, aus dem Straßenverkehr zu beseitigen. Ich bedanke mich. ({8})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, auch Sie haben heute hier Ihre erste Rede gehalten. Unseren herzlichen Glückwunsch! ({0}) Damit erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Martin Pfaff.

Prof. Dr. Martin Pfaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bekannter und durchaus seriöser Mediziner eröffnet einen Aufsatz zum Thema „Ökologie - Gesundheit - Medizin" mit den folgenden, zugegebenerweise plastischen Worten - ich zitiere -: In Smognächten stapeln sich in den Krematorien die Särge. Die Bioakkumulation in Nahrungsmitteln vollzieht sich unsichtbar. Das Trinkwasser ist mit Fremdstoffen belastet. Die Luft ist dick. Bei dem, was wir der Natur angetan haben, können wir keine Gnade erwarten. Ist dies nun, so frage ich, eine düstere Vision über die Zukunft, oder kommt dies einer Beschreibung der Gegenwart nahe? ({0}) Wenn ich die neuesten Meldungen über das Krebsrisiko des bodennahen Ozons höre und wenn ich vor allem die Qualität der Diskussion, die bisher von Koalitionsseite stattgefunden hat, Revue passieren lasse, dann meine ich, daß dies heute durchaus die Realität ist und daß es nicht ausreicht, diese wegzureden, schönzureden und Forderungen nach Handlungen in den Raum zu stellen, ohne daß man sie in die Praxis umsetzen will. ({1}) Das sage ich den beiden Vorrednern bzw. Vorrednerinnen von der F.D.P. und vor allem auch von der CSU, denn selbst Minister Goppel hat mittlerweile ein Fahrverbot gefordert. ({2}) Ich zitiere noch einmal Herrn Günter Hielscher von der F.D.P., der folgendes fordert: Bundeswirtschaftsminister Rexrodt und auch sein CDU-Amtskollege im Verkehrsministerium wären in der Tat gut beraten, wenn sie ihre Bedenkenträger aus den Fachabteilungen - und ich füge hinzu: aus ihrer eigenen Partei im Deutschen Bundestag - etwas zügeln würden. ({3}) Meine Ausführungen möchte ich aber weniger auf die kurzfristigen Aspekte konzentrieren, auch wenn die wichtig sind, sondern ich möchte eigentlich das tun, was Herr Dr. Rüttgers gefordert hat. Die Langfriststrategie ersetzt aber nicht Sofortmaßnahmen; denn was noch nicht gesagt wurde, was die gesundheitlichen Gefährdungen angeht, ist schlicht und einfach die Tatsache, daß jede Erhöhung der Ozonkonzentration um 10 % für den Menschen eine Steigerung der Wahrscheinlichkeit, in seinen Aktivitäten eingeschränkt zu sein, um 13 % bedeutet und daß jeder Sprung um 10 % die Dauer dieser Belastung zusätzlich um ein Drittel verlängert. Das heißt, wir haben hier Schwellenwerte, die es nicht zu überschreiten gilt. Handeln ist angesagt - nicht in der fernen Zukunft, sondern jetzt. Die Wahrscheinlichkeit, daß bodennahe Ozonbelastungen zu Krebs führen können, ist hinlänglich belegt. Da muß man wirklich kein Mathematiker oder gar Statistiker sein, um zu sagen: Auch eine Meine Wahrscheinlichkeit eines unendlichen Verlustes ist nicht zu akzeptieren. Hier ist zu handeln. ({4}) Deshalb meine ich, Herr Dr. Rüttgers, daß eine Langzeitstrategie in der Tat gefordert ist. Nur reicht es dazu nicht aus, sozusagen interne Opposition zu pflegen, zu kritisieren und das zu fordern, was eigentlich notwendig wäre, sozusagen so zu tun, als ob man gar keine Opposition bräuchte, sondern sie selber machte. Es wäre weit überzeugender, wenn auch konkrete Handlungen folgen würden. Deshalb fordere ich erstens eine konzertierte Aktion, damit die ökologischen Grundlagen der Industrieproduktion und der Siedlungsstrategie hinterfragt werden. Kein geringerer als Erich Fromm hat mit der provozierenden Frage die Konsequenzen aufgezeigt: „Müssen wir kranke Menschen herstellen, um eine gesunde Wirtschaft zu haben?" Was zweitens die Frage des Verkehrs angeht, gilt dasselbe: Wir brauchen eine ökologische Revolution im Verkehr, die Verkehr vermeidet und den nötigen Verkehr auf das ökologisch Sinnvolle reduziert. Auch hier ist Handeln angesagt. ({5}) Ich komme zur dritten These: Daß unser Gesundheitswesen, unser Medizinbetrieb die gesundheitlichen Schäden des Wirtschaftens, der Umweltbelastung, auch der Ozonbelastung beheben soll, sehen wir alle mehr oder weniger als selbstverständlich an. Was aber nicht oder nicht genügend gefragt wird, ist: Was müssen und können wir tun, um diese Schäden gar nicht auftreten zu lassen? Wir brauchen auch eine Ökologisierung der Gesundheitspolitik. Wir brauchen eine ökologische Gesundheitsstrategie, die die Gesundheitsförderung an die erste Stelle setzt und die eben nicht nur 2 bis 4 % der Mittel des gesamten Gesundheitswesens für Prävention und Förderung ausgibt und den Rest für den Reparaturbetrieb. Dabei ist es eigentlich denkbar einfach, wenn wir nur einige Prinzipien berücksichtigen würden: Erstens. Wir dürfen nur solche Materialien verwenden, die wir recyclen können oder die in der Natur abgebaut werden. Zweitens. Wir sollten uns als Teil eines zweigleisigen Stromes verstehen - nicht nur von der Produktion zum Konsum, sondern auch in der anderen Richtung, was die Abfälle und all das angeht. Drittens. Wir dürfen nur solche Energien verwenden, die wir auch entsorgen können. Viertens. Ich nenne es das „Badewannen-Prinzip"; es ist sehr schwierig, aber dennoch als Langfristziel anzusehen: Wir dürfen nur so viel Energie verbrauchen, wie wir längerfristig in der Region generieren können. Fünftens. Wir müssen nach dem Verursacherprinzip die vollen Kosten der Produktion in Rechnung stellen und auch entsprechend steuern. Die schlichte Botschaft sollte eigentlich lauten: Es gibt nicht nur eine kurzfristige Strategie zur Bekämpfung des bodennahen Ozons - hier dürfen wir nicht weiter schlafen, hier müssen wir handeln -, es muß auch eine langfristige Strategie geben, denn nur dann haben wir die Grundlagen für ein vernünftiges Überleben auf unserem Raumschiff Erde gelegt. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile dem Abgeordneten Werner Kuhn das Wort.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wohlstandsgesellschaft in Deutschland und Europa stößt immer öfter an ihre Grenzen. Das haben wir heute gemerkt. Ich glaube, Sie hier im Saal sind da einer Meinung. Aber, meine Damen und Herren von der rotgrünen Seite, was Sie in der jüngsten Zeit an Horrormeldungen über die Medien gebracht haben, geht im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr auf eine Kuhhaut: ({0}) Ozonalarm, Smogalarm, Tempolimit, absolutes Fahrverbot. Es fehlen nur noch Gasmasken - Frau Altmann, Sie haben es vorhin gesagt -, und dann rein in die Schutzräume. Es ist unverantwortlich, wie hier mit unseren Bürgern umgegangen wird. ({1}) Die Spitze bei diesem Szenario lautet: Krebs - das, was uns laufend verfolgt -, das Krebsrisiko durch bodennahes Ozon. ({2}) Meine Damen und Herren, ich meine, wir sollten hier nicht wie die Blinden von der Farbe reden und im Nebel herumstochern, sondern Expertisen von Medizinern und Wissenschaftlern anfordern. Dann können wir darüber reden. ({3}) Die Ozonvorläufersubstanz NO2 ist - das ist völlig klar, das wissen wir - in Auspuffgasen stark konzentriert. Genauso problematisch als Vorläufersubstanz sind die leicht flüchtigen Lösungsmittel. Wir haben hier in der Debatte schon verschiedene technische Maßnahmen gehört, mit denen wir der Lage Herr werden können. Ich will das jetzt nicht wiederholen. Aber die Industrialisierung, unser Lebensstandard, der Wohlstand haben natürlich in erster Linie etwas mit Technik zu tun. ({4}) Die negativen Erscheinungen, die die Technik mitbringt, haben wir jetzt zu bekämpfen. Das führt - das muß man einfach sehen - zu einem gegenläufigen Lebensstandard. Wer gibt denn von Ihnen hier, verehrte Damen und Herren, sein liebstes Kind, das Auto, auf? Wir haben es doch vorhin gehört: Weg ist er, der liebe Herr Fischer - Kämpfer für Umwelt und Natur -, mit dem Auto zum nächsten Termin. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese technisch verursachten Beeinträchtigungen von Leib und Leben der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland müssen in allererster Linie auch mit technischen Maßnahmen bekämpft werden. Wir müssen uns nur daran erinnern: 50 % des in Deutschland abgewickelten Straßenverkehrs entstehen im Freizeitbereich - ein Lebensstandard im Freizeitpark Deutschland, der überdurchschnittliches Weltniveau hat. ({6}) - Ja sicher, das wissen Sie doch genauso wie ich. Wer verzichtet denn schon auf die zweite Urlaubsreise? Von der ersten redet doch schon kein Mensch mehr. ({7}) - Ich bitte, doch etwas mehr an Disziplin zu denken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Herrn Minister Rüttgers nur unterstützen. Er hat von Strategien gesprochen, wie wir dieses Problem europaweit bekämpfen können, etwa dadurch, daß wir uns verkehrstechnischer Systeme wie z. B. der Telematik bedienen. ({8}) Wir brauchen Verkehrsleitsysteme, die natürlich europaweit kompatibel sein müssen. In Deutschland gibt es bisher auf 800 km computergesteuerte Verkehrsleitsysteme. Das sage ich hier als Vertreter des Verkehrsausschusses. Wir werden 1997 - unser Verkehrsminister hat dies angekündigt - 3 000 km komplett ausgerüstet haben. ({9}) Dann haben wir das Tempolimit, das wir brauchen: Es muß gesteuert sein und darf nicht mit der Rasenmähermethode über ganz Deutschland verhängt werden. Das bringt überhaupt nichts. ({10}) Es nützt auch nichts, wenn ich mit 130 oder 150 km/h in einen Stau rase und mir vorher keiner gesagt hat, daß ich durchgekommen wäre, wenn ich vorher 80 km/h gefahren wäre. Dann habe ich obendrauf noch eine Stunde Stop-and-go, ich habe zusätzlich Sprit verbraucht, habe Abgase in höchsten Konzentrationen produziert. ({11}) Es ist nachweislich, daß wir jährlich Treibstoffkosten in Höhe von 100 Milliarden DM einsparen könnten, wenn wir mit der Telematik europaweit kompatibel umgehen könnten. Das muß unser Ziel sein. Dementsprechend könnten wir die Vorläufersubstanzen der Ozonbildung, die Stickoxide, enorm eliminieren. ({12}) Zusammen mit dem Zeitverlust, der noch auf die Leute, die auf Geschäftsreise oder privat unterwegs sind, zukommt, haben wir heute einen volkswirtschaftlichen Verlust von fast 150 Milliarden DM. Da müssen wir ansetzen. Wir müssen sehen, daß wir die notwendigen Mittel zur Verfügung bekommen, um gegen die drohenden Umweltkatastrophen zu kämpfen. Verkehrsmessung und Telematik müssen auch den Ziel- und Quellverkehr feststellen können - das ist sehr, sehr wichtig - und Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern, ÖPNV, Park-and-ride-Verkehr, beachten. Aber es darf nicht wie bei der niedersächsischen Umweltministerin, Frau Griefahn, enden, die erst mit dem Zug in Richtung Bayern fährt und dann ihren Dienstwagen hinterherkommen läßt, der sie dann wieder abholt. Das hat sie falsch verstanden. ({13})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, Sie müssen zum Abschluß kommen.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gaspendelverfahren ist eine ganz wichtige Methode, mit der wir tatsächlich leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe der Atmosphäre fernhalten können; das ist schon erwähnt worden. Die Automobilindustrie ist gefragt. Der Katalysator, den wir einbauen, ist noch nicht optimal. ({0}) Auf den ersten drei Kilometern zieht auch Ihr Wagen, Herr Struck, riesige Abgaswolken hinter sich her, weil der Kat noch gar nicht richtig funktioniert; er muß vorgeheizt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, Sie müssen zum Abschluß kommen!

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich komme auch sofort zum Abschluß. Es hat sich eindeutig gezeigt, daß das Tempolimit eine Luftnummer war. Das Fahrverbot für Kfz ohne Kat im Umkreis von 1 000 Kilometern in Deutschland könnte ich da nur - wenn tatsächlich Ozonalarm ausgelöst ist - für alle verhängen. Wir müssen sehen, auch die 12 000 000 Fahrzeuge einzubeziehen, die tatsächlich überhaupt noch keinen Kat haben. Wir brauchen abgasbedingte - ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, Sie können noch einen Satz reden, es geht wirklich nicht mehr. Bitte verstehen Sie das.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, Herr Präsident. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe etliche wichtige Punkte genannt, technisch und auch administrativ, wie wir die Umwelt verbessern und schützen können, um diese drängenden Probleme zu lösen. Wir brauchen sie nur anzupacken, gemeinsam mit Ihnen. Ich lade Sie dazu ein. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das war in dieser Debatte die letzte Erstrede. Dazu möchte ich Ihnen im Namen des Hauses herzlich gratulieren. ({0}) Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Steffen Kampeter.

Steffen Kampeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat klar und deutlich gezeigt: Wir lassen uns in der Sorge um die Gesundheit der Menschen in diesem Land und bei den Maßnahmen zum Schutz vor übermäßiger Ozonbelastung von keinem überbieten. ({0}) Wie schwach die Opposition ihr politisches Konzept in dieser Frage offensichtlich ausgestaltet hat, zeigen die doch menschlich wohl wirklich unter die Gürtellinie greifenden rhetorischen Assoziationen, die hier in dieser Debatte vorgetragen werden. ({1}) Angefangen hat Frau Altmann, die behauptet hat, man könne entweder nur atmen oder Auto fahren. Jürgen Rüttgers hat das Passende dazu gesagt. Dann habe ich hier von Herrn Pfaff gehört, wie er unsere Politik gedanklich-rhetorisch in die Nähe von Krematorien zu assoziieren versuchte. ({2}) Und die Frau Schwall-Düren war sich nicht zu schade, die Sorge um die Kinder in diesem Lande, die wir alle teilen, mit einer Agitation gegen die Politik dieser Koalition zu verbinden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist schäbig, das ist mieser parlamentarischer Stil. ({3}) Unsere Politik in der Vergangenheit war gut und richtig. Wer, wenn nicht diese Koalition, hat denn eine auf dauerhafte Reduktion der Vorläufersubstanzen des bodennahen Ozons ausgerichtete Politik gemacht? Wir haben Erfolge aufzuweisen, beispielsweise bei den VOCs. Die sind in den letzten Jahren halbiert worden! Ich frage mich: Warum ignoriert diese Opposition eigentlich die Anstrengungen der Industrie und der Politik, die zu einer erheblichen Verringerung des Lösungsmitteleinsatzes in Deutschland geführt haben? Und warum wird nicht endlich einmal in diesem Haus von der Opposition zur Kenntnis genommen, welche enormen Investitionen zur Schließung der Betankungskette gemacht worden sind? All dies sind dauerhaft wirkende, langfristig angelegte Maßnahmen, die erfolgreich sind. ({4}) Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer denn außer dieser Koalition hat die Bahnreform entschieden vorangetrieben? ({5}) Diese Bahnreform ist die einzig richtige Voraussetzung zur tatsächlichen Umsteuerung und Umlenkung von Personen- und Güterverkehr auf die Schiene, diesen umweltfreundlichen Verkehrsträger. ({6}) Und wenn ich mir darüber hinaus überlege, welche Möglichkeiten wir in der Binnenschiffahrt haben, dann frage ich mich, warum jede Ausbaumaßnahme für die Binnenschiffahrt, die auch zu einer Verlagerung von Verkehr führt, von den Grünen und den Roten in der Art und Weise bekämpft wird, wie wir es Woche für Woche bei jeder Ausbaumaßnahme erleben. ({7}) Zur Kollegin Griefahn ist ja schon einiges gesagt worden. Aber es ist ja nicht nur so, daß sie sich publikumswirksam mit dem Zug nach Süden hat fahren lassen, nein, sie ist ja dann auch mit dem Dienstwagen nach Berchtesgaden gefahren worden, um dort Herrn Scharping zu treffen. Sie hat dann mit ihm ein Tempolimit vereinbart, das der Herr Schröder zwei Tage später einkassiert hat. Das ist eben das Handeln der Opposition, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({8}) Wir hingegen werden weiter handeln. Wir haben hier und heute schon einiges zur emissionsbezogenen Kfz-Steuer gesagt. Das ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das zum Umsteuern, zu umweltfreundlicheren Pkws führen wird. Wir werden bei den Maßnahmen zur Verringerung des Kraftstoffverbrauches voranschreiten. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß in wenigen Wochen bundeseinheitliche Regelungen gegen hohe Ozonkonzentrationen, Regelungen, die verhältnismäßig und umsichtig ausgestaltet werden, hier in der politischen Öffentlichkeit diskutiert werden. Was macht die Opposition in dieser Situation? Anstatt diese langfristig und dauerhaft wirkenden Erfolge zu honorieren, verängstigt sie die Bevölkerung. Sie tut so, als ob der giftigste Stoff, den es auf dieser Erde gibt, das bodennahe Ozon sei. Wir vernachlässigen diese Gefahren weiß Gott nicht. Aber wir machen doch die Menschen in diesem Land hysterisch, wenn wir Woche für Woche in einer Aktuellen Stunde diskutieren, so daß man den Eindruck gewinnt, das sei das Giftigste, was es in Deutschland gibt. ({9}) Dabei geht es nicht um Zahlenspiele: 300, 270, 240, es geht auch nicht um Tempolimit, sondern es geht darum, langfristig und dauerhaft wirkende Maßnahmen zur Verringerung der Vorläufersubstanzen umzusetzen. Jürgen Rüttgers hat für seinen Bereich Stellung genommen. Die Bundesministerin Merkel arbeitet an diesem Thema in den nächsten Wochen weiterhin sehr, sehr intensiv. Die hohe politische Bedeutung kann man daraus ersehen, daß diesem Thema auch im Bundeskanzleramt höchste Priorität, Chefsachenpriorität beigemessen wird. Wir handeln, und wir lassen uns von Ihnen nicht übertreffen. Wir verängstigen die Bevölkerung auch nicht. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich erteile am Ende der Aktuellen Stunde dem Abgeordneten Günter Rexrodt das Wort zu einer persönlichen Erklärung zur Aussprache. ({0}) - Ja, das geht.

Dr. Günter Rexrodt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002759, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts einiger Debattenbeiträge, meine angebliche Haltung zu einem bundesweiten Ozongesetz betreffend, lege ich gesteigerten Wert auf die Feststellung: Es hat nie und nirgendwo eine öffentliche oder nichtöffentliche Äußerung von mir gegeben, die darauf gerichtet war, die baldmöglichste Verabschiedung eines Ozongesetzes zu verhindern. Ich bin vielmehr in ressortinternen und fraktionsinternen Besprechungen entschieden dafür eingetreten, daß es mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eben nicht nur kosmetische Maßnahmen gibt, sondern daß es großräumige Verkehrsstillegungen geben muß. Ich habe mich hinsichtlich der dafür erforderlichen Grenzwerte für solche ausgesprochen, die darauf hinauslaufen, daß wir nicht ein nur theoretisch gültiges Gesetz verabschieden. Ich füge ausdrücklich hinzu, daß auch die gestrige angebliche Verzögerung des Gesetzes nicht darauf zurückzuführen ist, daß ich in irgendeiner Weise interveniert hätte. ({0}) Wenn ich aus meiner Ressortverantwortung dafür eintrete, daß dieses Gesetz ein praktikables Gesetz ist und daß in dieses Gesetz Kriterien eingeführt werden, die es nicht nur praktikabel machen, sondern auch die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren, dann ist das meine ureigenste Pflicht. Ich sage Ihnen mit aller Entschiedenheit, meine Damen und Herren: Das, was Sie - deshalb gebe ich diese persönliche Erklärung ab - zu erzeugen versuchen, läuft - es ist wiederholt gesagt worden, und es ist richtig - auf eines hinaus: Sie schüren Angst, Sie schüren Hysterie bei den Menschen, Sie erlassen in den Ländern, in denen Sie die Möglichkeit haben, Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen, die auf Aktionismus hinauslaufen, aber nichts bringen, ({1}) und Sie sorgen hier dafür, daß ein Eindruck erweckt wird, der dem diametral entgegensteht, was diese Bundesregierung und diese Koalition wollen. ({2}) Kollegin Merkel, Kollege Wissmann und ich und die gesamte Koalition wollen schnell - die gestrige Verzögerung führt zu nicht einem Tag Verzögerung bei der Verabschiedung des Gesetzes - ein Gesetz verabschieden, ein Gesetz, das umweltwirksam und akzeptabel ist. ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde. Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Elke Ferner, Michael Müller ({0}), Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Minderung des Verkehrslärms an Straßen und Schienen - Drucksache 13/1042 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr ({1}) Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich erteile der Abgeordneten Angelika Graf das Wort.

Angelika Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002662, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lärm kann Schmerzen hervorrufen; das weiß jeder von uns. ({0}) Der Mensch erträgt, ohne gesundheitlich Schaden zu nehmen, eine andauernde Beschallung nicht. Der Antrag der SPD hat das Ziel, die Belastung der vielen durch Verkehrslärm betroffenen Menschen zu vermindern. Eine im Juni 1994 herausgegebene Studie des Bundesgesundheitsamtes stellt fest, daß Lärm, der z. B. während konzentrierter Arbeit oder auch während des Schlafes einwirkt, zu Streßreaktionen wie erhöhtem Adrenalinausstoß und Erhöhung der Herzfrequenz führt. Der Straßenlärm spielt hierbei u. a. wegen der Häufigkeit der Geräusche eine herausragende Rolle: So wurde bei Anwohnern von Haupt- und Schnellstraßen, die Tag und Nacht durch Lärm belästigt wurden, ein signifikant erhöhtes Risiko für Bluthochdruck sowie für Magen- und Darmgeschwüre festgestellt. In einer Studie über die Folgen der Lärmbelastung durch Transitverkehr in Österreich weisen die Verfasser bereits ab einem Schallpegel von 60 Dezibel u. a. auf eine überdurchschnittliche Häufigkeit von Angina pectoris hin. Das Bundesgesundheitsamt stellte am 21. Juni 1994 wörtlich fest - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -: Der Lärm als Gesundheitsrisiko wird offenbar unterschätzt ... Ein Risikovergleich zwischen lärmbedingtem Herzinfarkt und asbestbedingtem Lungenkrebs in der Gesamtbevölkerung zeigt ein erheblich höheres Risiko von Straßenverkehrslärm. Ich füge hinzu: Auch die Lärmbelastung durch den Schienenverkehr, dessen Wege ja zum Teil direkt durch unsere Städte und Dörfer gehen, wird immer unterschätzt und stellt für die Anwohner dieselbe Belastung dar. Wir stellen aber fest, daß von Regierungsseite deutlich mit zweierlei Maß gemessen wird: ({1}) ({2}) Anlieger an neuen Fernstraßen und Schienenwegen werden eindeutig bevorzugt. Wir haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, deshalb immer wieder aufgefordert, auch die Bewohner an bestehenden Bundesverkehrswegen nicht im Stich zu lassen. Die Lärmsanierung an bestehenden Fernstraßen und Eisenbahnlinien ist nämlich zum Teil unzureichend und zum Teil überhaupt nicht geregelt. ({3}) Zwar sind im Fernstraßenetat Mittel für die Lärmsanierung an bestehenden Autobahnen und Bundesstraßen enthalten. Doch nicht jeder kommt in den Genuß dieser Segnungen. So kommt es zu der paraAngelika Graf ({4}) doxen Situation, daß Gemeinden einer aus ihrer Sicht unnötigen, ja schädlichen Autobahnverbreiterung zustimmen müssen, nur um auf dem Weg über eine neue Fahrspur auch eine Lärmschutzwand zu bekommen, ({5}): Unglaublich!) damit sie ihre Bürger vor dem tagaus, tagein dröhnenden Lärm schützen können. Die fehlenden politischen Vorgaben für den Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen sind ein ganz besonders trauriges Kapitel der Verkehrspolitik des vergangenen Jahrzehnts. ({6}) Seit 1985 fordert die SPD eine gesetzliche Regelung des Lärmschutzes an bestehenden Schienenwegen. Im Januar 1990 hat der Bundestag den Verkehrsminister - damals hieß er Zimmermann - aufgefordert, den Einstieg in die Lärmsanierung an Schienenwegen zu beginnen. Viele Privatleute und Gemeinden sehen in einer Petition den letzten möglichen Weg, auf die Lärmbelästigung an der sozusagen seit grauer Vorzeit bestehenden Eisenbahntrasse hinzuweisen. Haben Sie die alle vergessen? Ist es nicht entwürdigend, wenn Bürgermeister für die Gesundheit ihrer Bürger den Petitionsweg beschreiten müssen? Ich nenne als ein Beispiel aus meinem eigenen Wahlkreis die Gemeinde Kiefersfelden im bayerischen Inntal. Oder können sich diejenigen von Ihnen, die langer als ich in diesem Parlament sind, vielleicht noch an die Bürgerinitiativen aus dem Raum Hannover erinnern, die auf einer Informationsveranstaltung im Jahre 1992 im Bundesministerium für Verkehr ihre Nöte vorgetragen haben? ({7}) - Sie waren hier im Verkehrsministerium, Herr Kollege. An dieser Veranstaltung hat u. a. der damalige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Herr Gröbl, teilgenommen. Im Protokoll dieser Veranstaltung steht - ich zitiere -: Es besteht Einigkeit, daß der Einstieg in die Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen für das Jahr 1994 erreicht werden muß. Jährlich 100 Millionen DM, in den Folgejahren ansteigend auf 400 Millionen DM, wollte der Herr Staatssekretär damals zu diesem Zweck im Haushalt des Verkehrsministeriums einstellen. Laut Protokoll wollten sich alle beteiligten Abgeordneten fraktionsübergreifend für diesen Titel im Haushalt 1994 verwenden. Wir schreiben das Jahr 1995. Ich frage Sie alle: Was hat sich diesbezüglich bewegt? ({8}) Es gibt keine Millionen DM, es gibt auch keine Millionen Pfennige, es gibt keinen einzigen Pfennig in einem solchen Haushaltstitel. Es gibt diesen Haushaltstitel nicht. ({9}) Sie, Herr Carstens, haben im April 1995 eine mittelfristige haushaltsrechtliche Regelung dieser Sache angekündigt. Das ist doch Drückebergerei. Wenn man von der Regierungsseite her gewollt hätte, hätte man das alles längst tun können. Doch nichts ist geschehen. Ich möchte hier noch einen anderen Punkt aus dieser leidigen Lärmschutzverordnung anführen: Ich meine, daß die angewandten Sanierungsimmissionsgrenzwerte, die errechnet werden und durchschnittlich 10 Dezibel über den Lärmgrenzwerten entlang neuen bzw. ausgebauten Verkehrswegen liegen, viel zu hoch sind. 60 Dezibel beträgt der Immissionsgrenzwert, der in der Wohnbebauung entlang einer bestehenden Fernstraße nachts erreicht werden muß, um in den Genuß von Lärmschutzfenstern zu kommen. Diese Dezibelzahl entspricht laut einer Broschüre des Bundesinnenministeriums - ich denke mir das nicht alles aus - aus dem Jahre 1982 mit dem Titel: „Was Sie schon immer über Lärmschutz wissen wollten" - der Lautstärke von 250 Pkws stündlich, die in einem Abstand von 25 Metern vorbeifahren. Können Sie sich vorstellen, daneben gut zu schlafen? - Ich nicht. Gute Nacht! ({10}) Es gibt zweifellos viele Möglichkeiten, uns vor Verkehrslärm zu schützen. Die Reduzierung der Geschwindigkeit auf unseren Straßen ist eine davon. Sie kostet im Gegensatz zu den teuren Wänden und Wällen nichts. In Fakten: Eine Verdoppelung der Geschwindigkeit z. B. von 50 Stundenkilometer auf 100 Stundenkilometer erhöht die Geräuschemission jeweils um 4 Dezibel. Das heißt im Klartext: Ein Pkw, der 100 Stundenkilometer fährt, ist genauso laut wie drei Pkws, die 50 Stundenkilometer fahren. Die Vermeidung von Verkehr ist eine andere Möglichkeit. Sie würde auch unsere abgasgeschädigte Umwelt wirksam entlasten. ({11}) Die Lärmsanierung an bestehenden Fernstraßen wird beim Straßenbau mitgeführt, ohne daß ein spezieller Haushaltsposten eingesetzt ist. Sie erfolgt sozusagen auf freiwilliger Basis. Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen gibt es überhaupt nicht, auch wenn der Zug akustisch mitten durchs Wohnzimmer fährt und die Zahl der Züge auf manchen Strecken in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Es fehlt die gesetzliche Grundlage. Diese Grundlage mahnen wir heute ein weiteres Mal an. Angelika Graf ({12}) Wir wollen mit unserem Antrag aber auch deutlich machen, daß der Lärm, der die Menschen krank macht, oft nicht nur von einem Verkehrsträger kommt. Oft macht die Summe auch dann eine unerträgliche Belastung aus, wenn die Einzelbelastungen durch die verschiedenen Emittenten unterhalb der Grenzwerte liegen. Das ist ein Fall, der in der heute gültigen Verordnung schon vom System her keinerlei Berücksichtigung findet. Auch die Reflexion des Schalls - z. B. an Bergen - vervielfacht im ungünstigsten Fall den Lärm. Das Problem der Lärmbelastung kann nicht durch eine zweifelhafte Berechnungsgrundlage vermieden werden. Nur den Lärm, dessen Ursachen man wirklich kennt, kann man bekämpfen. Unser Antrag enthält deshalb die Forderung nach Lärmkarten als Vorbedingung für Maßnahmen zur Lärmminderung und Lärmsanierung. Wir fordern einen Anspruch der Bürger auf Schutz vor Verkehrslärm. Jährlich steigt die Zahl der Kraftfahrzeuge ungebremst an. Für das neue Jahrtausend wird eine Verdoppelung des Güterverkehrs versprochen. Er wird unsere Straßen und Schienen belasten. Wer wie Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, nicht bereit ist, Maßnahmen zur Verkehrsverminderung zu ergreifen, sollte wenigstens an die Menschen denken, die an den lärmenden Folgen Ihres Handelns leiden. ({13}) Haushaltsmittel für Lärmsanierung dürften durch Einsparungen im Straßenbau leicht zu finden sein. Über 600 Millionen DM hat schließlich die Regierungskoalition heuer vom Schienenbau zum Straßenbau geschaufelt. Und die 2 Milliarden DM, die letztes Jahr beim Schienenetat übriggeblieben sind, hätte man verdammt gut in Lärmschutzmaßnahmen anlegen können. ({14}) Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, leider - oder Gott sei Dank - ist es in diesem Hause nicht möglich, Ihnen die Konsequenzen Ihrer bisherigen Politik und der geltenden Lärmschutzverordnung drastisch vor Ohren zu führen. ({15}) - Das macht nichts. Sicher würden Sie sich beschweren, wenn hier in 25 Metern Abstand zu Ihnen tausend Pkws stündlich vorbeiführen. Wahrscheinlich hätte Ihr Protest Erfolg, während ein durch adäquaten Lärm von 66 Dezibel belästigter Bürger laut Lärmschutzverordnung zum Ertragen desselben Krachs verdammt ist. Das Paradoxe an dieser Situation aber ist, daß Sie sich noch viel mehr beschweren würden, wenn gleichzeitig vorn, seitlich und hinten von verschiedenen Verkehrsträgern dieselbe Belastung auf Sie einwirken würde. Sie könnten sich nicht darüber beschweren, denn die Lärmschutzverordnung hält das für zumutbar. Herzlichen Dank. ({16})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Kollege Heinz-Günter Bargfrede. ({0}) Einen Moment bitte, Herr Kollege, ich muß erst etwas beantworten. Ich habe vorhin - man sagt ja nicht einfach: Das war die erste Rede! - bei einem Kollegen die Gelegenheit benutzt, dies in einen Ratschlag einzubauen. Der betreffende Kollege kam anschließend zu mir und hat sich die Belehrung verbeten. ({1}) Sie weisen mich darauf hin, daß die Kollegin soeben ihre erste Rede gehalten hat. Ich empfehle Ihnen das Beispiel der F.D.P. Sie pflegt ihren Erstrednern einen Blumenstrauß zu überreichen. ({2}) Herr Kollege Bargfrede, Sie haben das Wort.

Heinz Günter Bargfrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000095, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns darin einig, daß eine entscheidende Verminderung und Vermeidung von Lärm nur durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erfolgen kann. Dabei geht es nicht nur um die Straße, sondern auch um Flugzeuge und um den Schienenverkehr. Alle Beteiligten müssen ihren Beitrag leisten: die Hersteller von Verkehrsmitteln, die Benutzer von Verkehrsmitteln durch ein entsprechendes Verhalten, aber natürlich auch die öffentliche Hand insgesamt, Gemeinden, Länder und auch der Bund. Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin meine ich, daß die Bundesregierung eine Vorreiterrolle in Forschung und Wissenschaft, beim Erlaß von Verordnungen und Gesetzen, aber auch bei der Durchführung von ganz praktischen Verkehrsmaßnahmen an Schienen und Straßen gespielt hat. Das wäre ein positives Beispiel für SPD-regierte Länder und Gemeinden; denn Ihre Aussagen, die Aussagen der SPD-Fraktion, leisten keinen konkreten Beitrag zur Beantwortung der Frage, wie die Lärmverminderung praktisch erfolgen soll. ({0}) Auch der Bundesrat ist hier gefordert, meine Damen und Herren. Wenn Sie jetzt ein Gesetz fordern, das die Lärmschutzverordnung ergänzt und Lärmschutzsanierungen an Schienen und Straßen verHeinz-Günter Bargfrede bindlich vorschreibt, muß ich darauf hinweisen, daß dies bisher mehrfach am Bundesrat gescheitert ist. Der Bundesrat hat klar gesagt: Diese Kostenbelastung können wir den Bundesländern und den Gemeinden nicht zumuten. Bevor Sie einen solchen Antrag stellen und gegenüber der Bundesregierung eine solche Forderung erheben, schaffen Sie bitte zunächst einmal Klarheit im Bundesrat! ({1}) Meine Damen und Herren, Bundesregierung und Koalitionsfraktionen haben im Bundesverkehrswegeplan 1992 der Schiene eindeutig Vorrang vor der Straße eingeräumt. ({2}) Das bedeutet, daß jetzt eine Vielzahl von Schienenwegen neu gebaut oder ausgebaut wird. Überall dort kommt es zu ganz entscheidenden und spürbaren Lärmsanierungen für die Bürger. Es ist sehr viel wichtiger, beim Neubau Vorsorgemaßnahmen zu treffen; dann braucht man später gar nicht mehr zu sanieren. Ich finde das eine gute Sache. Der Bund hat bisher auch erhebliche Leistungen für Lärmschutzmaßnahmen an Bundesfernstraßen erbracht und wird diese Maßnahmen in den nächsten Jahren fortsetzen. Für eine Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes - das ist jetzt der Punkt - wurden bei einer Pegeldifferenz von 10 Dezibel zwischen Vorsorge und Sanierung - wenn wir jetzt etwas machen würden - Kosten von insgesamt 4,2 Milliarden DM errechnet, und zwar auf der Kostenbasis von 1991. ({3}) Wenn wir hier wirklich einsteigen wollen, müssen wir mit Versprechungen sehr vorsichtig sein. Wenn wir Versprechungen machen, wecken wir Erwartungen bei den Bürgern, die wir in den nächsten Jahren zu erfüllen überhaupt nicht in der Lage sind, und zwar einfach von der Kostenseite her. ({4}) - Wenn wir irgendwo mit Maßnahmen von 15 oder 50 Millionen DM anfangen würden, würden wir bei den anderen Bürgern, die ebenfalls an solchen Strekken leben, Erwartungen wecken, und sie würden fragen: Warum nicht wir? Wieso die? Da sollte man lieber ein wenig abwarten und klotzen statt kleckern. Es liegt auf der Hand, daß es neben dem Lärmschutz direkt an der Straße und direkt an der Schiene vor allen Dingen darauf ankommt, den Lärm an der Quelle zu bekämpfen, d. h. bei den entsprechenden Fahrzeugen, den Lastwagen, den Güterwagen und auch bei den entsprechenden Schienenwegen und Straßen. ({5}) Es ist sehr viel besser, Lärm von vornherein zu vermeiden; dann braucht man ihn hinterher nicht zu bekämpfen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, den Lärm möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen, sondern sofort zu bekämpfen. ({6}) Noch etwas zu den Kosten: Neben dem Bund, der die Sanierung haushaltsgesetzlich vorsieht, haben die Länder und Gemeinden bereits heute die Möglichkeit, Lärmsanierung an der Straße in ihrem Zuständigkeitsbereich durchzuführen. Jedoch machen davon nur wenige Gemeinden und wenige Länder, auch SPD-regierte Länder, Gebrauch. Es liegt auf der Hand, daß, wenn wir jetzt eine verbindliche gesetzliche Regelung vorschreiben würden, Länder und Gemeinden die erheblichen finanziellen Lasten gar nicht tragen könnten. In diesem Zusammenhang erinnere ich gern an ein Wort des niedersächsischen Ministerpräsidenten, der kürzlich an die Adresse der SPD-Bundestagsfraktion in aller Deutlichkeit gesagt hat: Hört endlich auf, in Bonn kostenträchtige Gesetze und Maßnahmen zu fordern, die wir in den Ländern überhaupt nicht bezahlen können. ({7}) Herr Schröder ist zwar der letzte, der in Sachen Haushaltssanierung anderen einen Ratschlag geben könnte - dazu ist sein Haushalt zu schlecht -, aber hier hat er recht. Die SPD fordert die Einführung eines Tempolimits. Dazu kann ich nur sagen: Das ist nun schon seit Jahren so; es ist im Grunde genommen heute völlig überholt. Wir leimen die Einführung eines allgemeinen starren Tempolimits ab. Wir wollen statt dessen ({8}) Telematik, ganz genau. ({9}) Ich finde es phantastisch, daß Sie, Frau Ferner, das Wort „Telematik" inzwischen aussprechen können. ({10}) Ich vermisse ganz entscheidend, daß das Wort „Telematik" in diesem Antrag der SPD vorkommt. Mit keinem Wort wird auf den Begriff, das Problem und auf die Lösungsmöglichkeiten durch Telematik hingewiesen. Das ist eine schlimme Sache. Sie haben nichts Neues auf den Tisch gebracht. Die Telematik ist die Lösungsvoraussetzung. Es geht um die flexible Handhabung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Es gibt inzwischen Erfahrungen auf verschiedenen Gebieten bei uns, die gezeigt haben, daß flexible Geschwindigkeitsbegrenzungen über Telematik vom Autofahrer dreimal so stark angenommen werden wie das starre Tempolimit. ({11}) Die Erfahrungen zeigen, daß durch diese verstärkte Annahme die Unfallhäufigkeit um 25 bis 30 % gesunken ist. Insofern ist Telematik auch ein wirksamer Beitrag zur Vermeidung und Verminderung von Lärm. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis! ({12}) Wir müssen Telematik so bald wie möglich in Deutschland auf breiter Ebene ausbauen, auch im Sinne von Lärmverminderung. ({13}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die weitere Vermeidung und Verminderung von Lärm im Verkehrsbereich, Herr Fischer, ist des Schweißes der Edlen wert. ({14}) Der Antrag der SPD enthält dazu leider nichts Neues und keinen konkreten Beitrag. Auch wir sind noch nicht am Ende der Strecke. Aber ich meine, wir befinden uns auf einem guten Weg. Danke schön. ({15})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat die Kollegin Gila Altmann.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Meinem Vorredner muß ich wirklich einmal sagen: Sie wohnen doch bestimmt nicht an solch einer Schienenstrecke oder solch einer Straße. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie wohnen ruhig, oder aber Sie sind schon so abgestumpft und gehörlos geworden, daß Sie den Lärm nicht mehr merken. ({0}) Es gab bei uns einmal den Spruch der StarfighterPiloten: Jetnoise is the sound of freedom. Diesen Spruch fand ich sehr zynisch, weil die Leute auf der Erde eher in Angst und Schrecken versetzt wurden. Sieht man sich nun einmal die Entwicklung des Lärms am Boden an, würde das nach dieser Logik bedeuten, daß die Leute immer freier werden. Aber auch hier taucht wieder das Phänomen auf, daß die Bevölkerung sich eher in ihrer Ruhe und Lebensqualität eingeengt fühlt. Der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages kann nicht nur ein Liedchen davon trällern, sondern müßte eigentlich ununterbrochen. gegen den Verkehrslärm anbrüllen, so viele Beschwerden hat er zu bearbeiten. Wobei „bearbeiten" in diesen Fällen „ablehnen" heißt; denn dem Ausschuß und den Betroffenen sind so lange die Hände gebunden, wie die entsprechende Rechtsgrundlage fehlt. Hier sieht es finster aus. Der Beitrag der CDU hat nicht gerade Mut gemacht. Das Zynische ist, daß Lärmschutzmaßnahmen nur beim Bau neuer Schienenwege vorgesehen sind bzw. dann, wenn vorhandene Schienenwege wesentlich geändert werden. Sanierungs- und Schutzmaßnahmen an vorhandenen Schienenstrecken sind überhaupt nicht vorgesehen. Das haben Sie ja so schön ausgeführt. Ich frage mich nur: Was haben Sie hier vor? Wollen Sie die Leute, die an vorhandenen Schienenstrecken wohnen, einfach ihrem Schicksal überlassen? ({1}) Das kann es doch wohl wirklich nicht sein. Denn - das muß man sich auch einmal vor Augen führen und auf der Zunge zergehen lassen - auch bei Streckenabschnitten, die mehr als 80 Jahre stillgelegt waren und plötzlich wieder revitalisiert werden, spricht die Deutsche Bahn AG von einer nicht wesentlichen Änderung. Der Grund ist wieder einmal ein finanzieller; das haben Sie ja auch angeführt. Wie gesagt, 4,2 Milliarden DM sind vom BMV veranschlagt worden. Aber das ist Ihrer Auffassung nach zuviel Geld, und wir dürfen keine Erwartungen wecken. Deshalb schieben die Deutsche Bahn AG und das Bundesverkehrsministerium das Problem wie eine heiße Kartoffel im Mund hin und her. Das Bundesministerium ergeht sich in Ankündigungen und weist in allen Stellungnahmen zu Petitionen darauf hin, wie wichtig der Lärmschutz an der Schiene eigentlich sei und daß man sich um entsprechende Mittel bemühen wolle. Die Bemühungen dauern an. Ich muß sagen, Ihre Argumentation, das Ganze jetzt auf den Bundesrat zu schieben, finde ich doch reichlich schlapp; denn alle Anträge der SPD und der GRÜNEN sind im Verkehrsausschuß abgelehnt worden. Also: Erst einmal hier anfangen und dann schauen, was der Bundesrat macht! Das ist ein Trauerspiel, und für die Betroffenen ist die Situation zum Heulen. Wieder sind neue Autobahnkilometer wichtiger als körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der Bevölkerung; denn Lärm ist nicht nur laut, störend und unangenehm, sondern macht krank und ist mittelbar und unmittelbar ursächlich für viele Krankheiten. Ich finde es schlimm genug, daß Kinder, die an Lärmstrecken wohnen, Schlafmittel und Psychopharmaka einnehmen müssen, um nachts wenigstens ein paar Stunden schlafen zu können. Aber die mangelnde Bereitschaft zu einer Verkehrswende, die nicht nur zu leiseren, sondern auch zu gesünderen Verhältnissen führt, haben wir eben in der Ozondebatte bereits ausgiebig genießen dürfen. Der Verkehr muß brummen, möglichst billig und leider nach dem Motto: Koste es, was es wolle. In diesem Fall ist es die Gesundheit der Anwohner. Gila Altmann ({2}) Der Petitionsausschuß hat in seiner Stellungnahme zu einer der letzten Petitionen Unverständnis darüber geäußert, daß - ich zitiere - ,,140 Milliarden DM für den Ausbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes bereitgestellt werden können, es jedoch an finanziellen Mitteln für dringend notwendige Lärmschutzmaßnahmen an vorhandenen Schienenwegen fehlt". Diesem Zitat ist nichts hinzuzufügen. Um nicht mißverstanden zu werden: Wir reden hier nur von Reparatur, von Linderung eines Mißstandes. Der wirksamste Lärmschutz ist die Vorbeugung durch Verkehrsvermeidung und -verlangsamung; denn die Lärmbelastung steigt überproportional zur Geschwindigkeit. An dieser Stelle möchte ich etwas zum SPD-Antrag sagen: Dieser Aspekt kommt uns etwas zu kurz. Aber dafür haben wir unerwarteten Zuspruch von der CDU erfahren. Ich möchte fragen: Warum soll, wie es die SPD in ihrem Antrag schreibt, die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen lediglich im Rahmen einer europäischen Harmonisierung erfolgen? Warum halten Sie so an der Scharpingschen Weichspülformel fest? Sie stammt aus dem letzten Bundestagswahlkampf. ({3}) - Ja, das ist das Problem. Ich denke jedoch, hier ist etwas mehr Selbstbewußtsein angesagt. Warum setzen wir uns nicht gemeinsam an die Spitze der Bewegung gegen Lärm, Abgase, Ozon, Tote und Verletzte; denn nur noch in Deutschland darf nach Lust und Laune gerast werden, und zwar auf Kosten der Bevölkerung. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD, kündigen aber Verbesserungen in Richtung Verkehrsvermeidung und Verkehrswende an und erwarten auf Grund Ihrer Außerungen eine breite Zustimmung im Verkehrsausschuß. Danke schön. ({4})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Horst Friedrich, Sie haben das Wort.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Lärm, liebe Kollegen, ist die impertinenteste Unterbrechung, da er sogar unsere eigenen Gedanken unterbricht, ja sogar zerbricht. Wo jedoch nichts zu unterbrechen ist, da wird er freilich nicht sonderlich empfunden werden. Allen unqualifizierten Zwischenrufern möchte ich erwidern: Das stammt von Schopenhauer aus dem Jahre 1788, als er sich über das Peitschenknallen aufregte. Sie haben vielleicht verstanden, daß Lärm kein neues Problem und schon gar kein neues Umweltproblem ist. Daß das Gefühl der Belästigung durch Lärm bei der Bevölkerung in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, ist auch nicht neu. ({0}) Dabei ist es letztlich auch für die Betroffenen unerheblich, ob die zunehmende Sensibilisierung gegenüber Lärm tatsächlich auf nachweisbaren Faktoren beruht oder, liebe Frau Ferner, auf subjektive Empfindungen zurückzuführen ist, weil wir alle wissen, daß der Mensch in Deutschland immer doppelt betroffen ist: Zum einen wohnt er an einer Verkehrsinfrastruktur, und zum anderen möchte er sie nutzen. Je nachdem, aus welcher Sicht er argumentiert, kommt das Gegenteilige dabei heraus. Das ist nun einmal so. In diesem Fall kann ich auf Tucholsky zurückgreifen. Die Wohnlage, wo sich das beides nicht miteinander verknüpft, gibt es leider nicht. Deswegen muß man darauf Rücksicht nehmen. ({1}) Am intensivsten - und das ist auch nicht neu - wird der Verkehrslärm wahrgenommen, was nicht verwundert. Allerdings will ich hier auf den Zielkonflikt - das habe ich schon gesagt - zwischen einer anspruchsvollen Nachfragestruktur und einem wachsenden Bedürfnis nach Mobilität auf der einen Seite und einer sinkenden Akzeptanz der negativen Begleiterscheinungen nicht weiter eingehen. In Hamburg hat man durch eine Untersuchung festgestellt, daß der Straßenverkehrslärm am stärksten empfunden wird. Deshalb hat die Straße zu Recht die höchste Sanierungspriorität. Die Lärmquelle Schiene folgt nach dem Industrie- und dem Baulärm erst an vierter Stelle. Bezeichnenderweise wird von den Befragten der Lärm durch Sportveranstaltungen noch vor der Belästigung durch Fluglärm genannt. Das ist zumindest eine Aufmerksamkeit wert. ({2}) Angesichts eines ständig wachsenden Verkehrsaufkommens kommt daher der Lärmminderung beim Straßenverkehr eine besondere Bedeutung zu. Deswegen haben wir dort Prioritäten gesetzt. Daß sich die Opposition nun dieses Themas annimmt, ehrt sie. Der Antrag der SPD enthält durchaus Ansätze, die zu diskutieren sind. Allerdings wird immer wieder der Eindruck erweckt, als würde sich nur die Opposition um den Lärm kümmern, als wäre die Bundesregierung bisher untätig gewesen und hätte die Bevölkerung mutwillig im Krach alleingelassen. Meine Damen und Herren, das genaue Gegenteil ist der Fall. Es existieren auf nationaler und europäischer Ebene zahlreiche Bestimmungen und Grenzwerte zum Lärmschutz, Rahmenbedingungen für die Kfz-Hersteller, die die Emission direkt beim Lärmerzeuger begrenzen, Grenzwerte in jeder Hinsicht und konkrete Bestimmungen, die für den Fall Sanktionen vorsehen, daß Grenzwerte überschritten werden. Das muß man einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Es ist nicht so, als hätten wir über viele Jahre hinweg nichts getan. In Deutschland stehen das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die daraus abgeleitete 16. Durchführungsverordnung, die BImSchV, im Mittelpunkt. Diese ist im Juni 1990 - übrigens mit der Zustimmung des Bundesrates - in Kraft getreten und hat die Absenkung der bis dahin bestehenden Grenzwerte um 3 db festgelegt. Sie ist die Grundlage für Maßnahmen zur Lärmvorsorge, also - das ist schon zitiert worden - beim Bau neuer Straßen und neuer Verkehrswege oder bei wesentlichen Änderungen daran. Sie ist allerdings keine verbindliche Vorgabe für die Lärmsanierung. Dennoch hat sie sich bisher bewährt, denn bis 1994 haben wir immerhin 4,3 Milliarden DM in die Sanierung bestehender Verkehrswege gesteckt. ({3}) Das Ammenmärchen, wir würden in diesem Bereich nichts tun, stimmt schlicht und ergreifend nicht. ({4}) Wenn die SPD in ihrem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ein Verkehrslärmschutzgesetz, das Lärmsanierung auch an bestehenden Straßen- und Schienenwegen vorschreibt, und gleichzeitig für 1995 und 1996 Mittel für ein Lärmsanierungsprogramm fordert und die Finanzierung durch Umschichtung von Mitteln aus dem Straßenbauhaushalt verlangt, dann muß sie auch berücksichtigen, wie die Titel im Haushalt sind. Die Umschichtung geht nicht einfach so. ({5}) Wenn man dann auf die Schienenhaushaltstitel zurückgreift, so muß ich sagen: Dann haben wir die Wahl zwischen Pest und Cholera. Dann haben wir nämlich zu entscheiden, ob wir Sanierung bestehender Strecken oder Neubau von Schienenstrecken vornehmen. Es kann doch nicht allen Ernstes Ihr Ziel sein, diesen Konflikt hervorrufen zu wollen. ({6}) Aus unserer Sicht ist es vielversprechender - zumal das ohne haushaltspolitische Zwänge durchzusetzen ist - und von der Effizienz her mindestens genausogut, die Forderung der Lärmminderung an den Geräuschquellen selber zu betreiben. Auf diesem Feld ist in den vergangenen Jahren schon jede Menge erreicht worden. Lassen Sie mich einmal verdeutlichen, was passiert und was erreicht worden ist: Ein ICE der modernsten Generation, der 250 km/h schnell fährt, verursacht weniger Lärm als die bekannten lokbespannten Intercity-Züge der 80er Jahre mit klotzgebremsten Reisezugwagen bei Tempo 90. Zehn Lkw mit dem Stand der Technik des Jahres 1994 sind zusammen so laut wie ein Lkw mit dem Stand der Technik Anfang der 80er Jahre. Dies verdeutlicht aus meiner Sicht die Fortschritte, die machbar sind. Gleichzeitig ist das aber der Hinweis, mit Anreizen, auch steuertechnischen Anreizen - ich verweise hierfür auf die Steuerreduzierung bei Lkws mit 40 t zulässigem Gesamtgewicht und Eurozwei-Motoren -, für Lärmreduzierungen an der Quelle, nämlich am Motor, einzutreten. Die Bahn hat mit einem neuen, sensationellen Versuch bewiesen, daß Lärmschutz auch mit weniger Aufwand zu betreiben ist: Als Beispiel mag eine Schallschutzwand von 74 cm Höhe an einer Strecke zwischen Augsburg und München dienen, wo durch eine Dämmung direkt am Gleis der gleiche oder sogar ein besserer Schallschutzeffekt erreicht worden ist, als wenn gigantische Erdbewegungen vorgenommen und Erdwälle mit zusätzlichen Mauern errichtet worden wären. Gleichzeitig haben wir dabei dann auch den Zielkonflikt zwischen entsprechend geringem Landschaftsverbrauch und Schutz der Bevölkerung vor Lärm aus umweltpolitischer Sicht. ({7}) Selbstverständlich findet man im SPD-Antrag jede Menge bekannte Beispiele, wie man Lärmreduzierung macht. Ob sie nun greifen oder nicht, sie müssen immer wieder für alles mögliche herhalten; das Tempolimit ist schon genannt worden. Dazu will ich mich nicht weiter auslassen. Sicherlich sollte man in einer Diskussion über einige Punkte nachdenken. Die Forderung nach Minimierung des durch Reifen hervorgerufenen Fahrbahngeräusches ist berechtigt. Nach Aussage des Bundesministeriums für Verkehr ist dazu bereits eine EU-Richtlinie in Vorbereitung. Der Einsatz lärmmindernder Straßenbeläge kann - Einsatzreife und Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt - selbstverständlich ein zusätzliches Instrument zur Lärmminderung sein. Auch dazu werden bereits entsprechende Prüfungen und Tests durchgeführt. Auch bei der TA Lärm haben wir nach dem Motto von „Hase und Igel" - ,,Ick bün all hier!" - die Novellierung bereits in Vorbereitung. ({8}) Ob die von Ihnen verlangten Lärmkarten allerdings ernsthaft dazu beitragen, den Lärm zu mindern, ist zumindest in Frage zu stellen. Eines ist sicher: Sie verursachen jede Menge Aufwand. Sie kosten jede Menge Geld. Die Frage ist, was dann daraus wird. Ich sage es zum Abschluß noch einmal: Der Antrag der SPD ist in weiten Punkten diskussionsfähig. ({9}) Unabhängig davon waren die Bundesregierung und die sie tragende Koalition in allen Bereichen wieder einmal mindestens einen halben Schritt schneller als die Opposition. ({10}) Nach Überweisung des Antrags - für die wir sind - werden wir im Verkehrsausschuß mit Sicherheit eine intensive Debatte über die Konsequenz der Umsetzung - auch in bezug auf die überwiegend SPD-dominierten Länder; das ist ja schon besprochen worden - führen. Wenn wir ans Eingemachte gehen und uns über die Finanzierung unterhalten, dann werden wir sehen, wie ernsthaft bestimmte Anträge tatsächlich gemeint sind. Herzlichen Dank. ({11})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann, Sie haben das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist man versucht, Lärmschutz im Bundestag zu fordern. ({0}) Das trifft zwar nicht auf diese Debatte zu, aber in der vorhergehenden Debatte hatten wir solche Momente. Doch darum geht es hier heute nicht. Auto und Motorrad sind die einzigen Gegenstände, mit denen jedermann jederzeit fast jeden beliebigen Lärm verursachen darf. Dabei fühlen sich mehr als zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger allein durch den Straßenverkehr stark belästigt. In den neuen Bundesländern sind es sogar über 80 %. - Die brauchen offenkundig noch Zeit zur Gewöhnung. - Schließt man in die Betrachtung auch noch die durch Schienen- und Flugverkehr Belästigten ein, so scheint die Chance, heute einen nicht durch Lärm geplagten Wohnstandort zu finden, immer geringer zu werden; die Kolleginnen und Kollegen der Koalition scheinen da etwas privilegiert zu sein. Dabei ist erwiesen, daß Lärm krankmacht. Er verursacht Bluthochdruckerkrankungen und HerzKreislauf-Störungen. Darüber hinaus bewirkt er auch volkswirtschaftliche Schäden. Das Institut für Verkehrswirtschaft an der Uni Köln kommt zu dem Ergebnis, daß jährlich allein durch den Straßenverkehr Gesundheitsschäden im Umfang von etwa 0,9 bis 3,6 Milliarden DM infolge lärmbedingter Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen. Bezieht man die anderen Verkehrsträger ein, liegt der Schaden weit über 4 Milliarden DM pro Jahr. Im Vergleich dazu: Die Bahn AG gibt an, daß eine Lärmsanierung an den bestehenden Schienenwegen des Bundes etwa 4 Milliarden DM - also genau den erwähnten Betrag - kosten würde. Nun fragen Sie immer, woher das Geld kommen soll. Sie haben gestern im Verkehrsausschuß einen Vorschlag der PDS abgelehnt, mit dem wir Ihnen großzügigerweise 400 Millionen DM sozusagen geben wollten, indem wir die Steuerminderung für überzählige Lkw-Anhänger beseitigen. Da haben Sie großzügig verzichtet. Deshalb sollten Sie jetzt vielleicht doch ein paar ,,Milliönchen" für Lärmsanierungsmaßnahmen aufbringen, die so dringend notwendig sind und von den Bürgerinnen und Bürgern so dringend gefordert werden. ({1}) Die Forderung der SPD nach einem Verkehrslärmschutzgesetz ist zu unterstützen. Bisher ist Lärmsanierung über eine haushaltsrechtliche Regelung nur für die Straße vorgesehen. Die Schiene muß endlich auch in diesem Bereich gleichberechtigt behandelt werden. Allerdings - darüber sind wir uns sicher einig -: Das Haushaltsrecht allein wird hier nicht greifen. Erforderlich ist eine verbindliche Vorschrift für Lärmsanierung an bestehenden Straßen und Schienen. Zu unterstützen ist die Forderung nach einem schnellstmöglich durchzusetzenden Lärmsanierungsprogramm für bestehende Schienenwege. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Kollegen Detlev von Larcher von der SPD, wie eine haushaltsrechtliche Regelung für die Finanzierung von Lärmsanierungsmaßnahmen an Eisenbahnstrekken mittelfristig zu erreichen sei, zeigt allerdings, daß die Lösung des Problems offenkundig auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden soll. Wichtig ist - auch hier greift der SPD-Antrag, denke ich, wesentlich weiter -, die Lärmproblematik eben nicht nur auf technische Maßnahmen zu reduzieren. Ein Lärmschutzfenster, mit dem innerhalb eines Hauses ein bestimmter Schallpegel erreicht werden kann, befreit die Betroffenen noch lange nicht von den schädlichen Lärmemissionen im Garten oder nachts bei geöffnetem Fenster. ({2}) Lärmschutzwände - auch das ist inzwischen bekannt - sind in ihrer Wirkung ebenfalls begrenzt. In einer Entfernung von mehr als 400 Metern ist die Wirkung einer Lärmschutzwand so gut wie null. Nachhaltiger und effektiver sind da wohl nur Maßnahmen, die dort ansetzen, wo Lärm entsteht, nämlich beim Verkehr, die dort ansetzen, wo Verkehr vermieden werden kann - also Lärmvermeidung durch Verkehrsvermeidung, durch Verlagerung von Verkehr -, die dort ansetzen, wo es um Regulierungen wie Tempolimit oder Fahrbeschränkungen für lärmintensive Lkw geht. Lieber Horst Friedrich, du hast vorhin gesagt, die Koalition ist schon einen halben Schritt schneller. ({3}) Einen halben Schritt: ja, aber einen halben Schritt zurück. ({4}) Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile der Kollegin Renate Blank das Wort.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Antrag der SPD vermisse ich den Hinweis auf den Flugzeuglärm, da doch bekannt ist, daß neben dem Straßenverkehrslärm der Fluglärm viele Bürger belästigt. Haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das bewußt ausgeklammert, weil Sie gern mit dem Flugzeug in Urlaub fliegen oder nach Bonn reisen? Ebenso vermisse ich den Hinweis auf die umweltfreundlichsten Verkehrswege, nämlich die Wasserstraßen. Leider wird im SPD-Antrag die leise Binnenschiffahrt überhaupt nicht erwähnt. Kein Wort von einer verstärkten Verkehrsverlagerung auf das Wasser! ({0}) Sie müßten eigentlich wissen, daß der Lärm bei der Schiffahrt keine Rolle spielt. Wenn Sie mir hier zustimmen, dann frage ich mich, warum Sie so massiv gegen den Ausbau des Main-Donau-Kanals waren und jetzt massiv gegen den Donau-Ausbau mobilisieren. ({1}) Massive Lärmbelästigungen durch den Verkehr sind zum Teil auch dadurch bedingt, daß Engpässe den Verkehrsfluß dauernd oder zeitweise behindern oder abstoppen. Beispiele wie enge Ortsdurchfahrten, Ampeln mit festen, verkehrsunabhängigen Umlaufzeiten, Reduzierung von Fahrspuren oder einspurige Baustellendurchfahrten sind hinreichend bekannt. Leider wird die Beseitigung solcher Engpässe durch Einspruch der gleichen Gruppen behindert, die ansonsten massiv für den Lärmschutz eintreten. ({2}) - Auch Straßenausbau und -neubau sowie der Bau von Ortsumgehungen sind für mich aktiver Lärmschutz. ({3}) - Das kommt schon noch. Lärm wird sicher sehr subjektiv wahrgenommen. Das ist bekannt. Viele Bürger stört bereits Kinderlärm. Ich allerdings finde Kinderlärm erfrischend und gut. ({4}) Es gibt auch Leute, die an eine Bahnlinie, Straße oder Einflugschneise eines Flughafens ziehen, dort preiswert Eigentum erwerben und sich hinterher über den Lärm beschweren und gerichtlich dagegen vorgehen. Für diesen Personenkreis habe ich allerdings wenig Verständnis. ({5}) - Das kommt jetzt: Richter können z. B. Biergartenlärm als störend empfinden, wie jüngst in Bayern geschehen. ({6}) Der jetzt über die Öffnungszeiten positiv und parteiübergreifend beigelegte Streit wegen der angeblichen Lärmbelästigung durch Biergärten läßt mich hoffen, daß sich die Toleranzgrenze bei einigen Menschen vielleicht etwas erhöht hat. Ein Landtagsabgeordneter der GRÜNEN hat sich massiv für den Freizeitlärm ausgesprochen. Vielleicht ermuntert Sie diese Haltung, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, sich auch gegenüber einem Verkehr, der für Wirtschaftswachstum und Mobilität in Deutschland sorgt, positiv zu verhalten. Denn Wirtschaftswachstum und Verkehrsleistungen bedingen einander und sichern den Wohlstand für unsere Bürgerinnen und Bürger. Sonst könnte sich auch ein Grüner keinen Biergartenbesuch mehr leisten. ({7}) Meine Damen und Herren von der Opposition, man muß den Auswirkungen des Lärms auf die Gesundheit und dem möglichen Zusammenhang mit Bluthochdruckerkrankungen und Herz-KreislaufStörungen sicher große Aufmerksamkeit widmen. Aber man sollte sich davor hüten, in Hysterie zu verfallen oder Angst zu schüren. ({8}) Rauchen, Alkohol oder Streß und Arger z. B. über die verkehrsverhindernde Politik von SPD und GRÜNEN in vielen Ländern und Kommunen können ebenfalls zu den von Ihnen genannten Beeinträchtigungen führen. Man kann Krankheiten, vor allen Dingen psychischer Art, auch durch das Schüren von Angst befördern. Mit Ihren Anträgen tun Sie gerade so, als ob im Bereich der Reduzierung des Lärms in den letzten Jahren überhaupt nichts geschehen wäre. Der Bund hat erhebliche Leistungen für Lärmschutzmaßnahmen ({9}) an Bundesfernstraßen - Vorsorge und Sanierung - erbracht. Für Lärmschutzmaßnahmen an Bundesfernstraßen hat der Bund bis Ende 1994 rund 4,3 Milliarden DM aufgewendet; jährlich sind es rund 400 Millionen DM. ({10}) Es wurden bisher rund 720 Kilometer Lärmschutzwälle und rund 1 200 Kilometer Lärmschutzwände errichtet. Zusätzlich wurden Lärmschutzfenster installiert. ({11}) Der Schienenverkehrslärm unterscheidet sich vor allem in der Zeitstruktur sehr stark vom Straßenverkehrslärm. Während in stark belasteten Gebieten der Straßenverkehrslärm ein nahezu gleichbleibendes Dauergeräusch bildet, treten Schienenverkehrsgeräusche als kurzfristige, in der Lärmspitze aber erheblich lautere Geräusche auf. Trotzdem wird der Schienenverkehrslärm als weniger lästig empfunden. Gleichwohl trägt er aber erheblich zur Lärmbelästigung bei. Rollgeräusche sind die größte Geräuschquelle der Schienenfahrzeuge. Die Magnetschwebebahn Transrapid wäre hinsichtlich der Lärmemission zukunftsweisend. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten sich der neuen Technik nicht verweigern! ({12}) Auch wir würden gern sofort eine Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen vornehmen. Die Kostenschätzungen liegen jedoch im Bereich von 5 bis 20 Milliarden DM. Die Opposition tut sich hier sehr leicht, etwas zu fordern und Begehrlichkeiten zu wecken; sie muß ja nicht für geordnete Staatsfinanzen sorgen. ({13}) Meine Damen und Herren, zum Thema Tempolimit haben wir heute schon einiges ausgeführt. Wirksamer als ein starres Tempolimit sind situationsangepaßte und flexible Verkehrsregelungen. Das Interessante ist immer, daß die SPD und die GRÜNEN Tempolimit als absolutes Kredo verkünden. Mit Selbstdisziplin und Beschränkung ist es aber nicht soweit her, weshalb ein leibhaftiger SPD-Landesumweltminister bei seiner selbst veranlaßten Ozon-Tempobeschränkung in einer Verkehrskontrolle mit einer weit überhöhten Geschwindigkeit erwischt wurde. Wo bleibt denn da die Glaubwürdigkeit der SPD und ihre Vorbildfunktion? ({14}) Im übrigen ist die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen aus Gründen des Lärmschutzes Angelegenheit der Bundesländer. Sie können Ihre Bundesländer hier ja animieren! Zu „Tempo 30" in den Städten: Vielleicht ist es einigen Damen und Herren der Opposition nicht mehr sehr geläufig, daß es ein CSU-Verkehrsminister war, der die Voraussetzung für die Einführung von Tempo-30-Regelungen ermöglicht hat. Sie haben 13 Jahre geschlafen und nichts auf diesem Feld getan. Sie haben immer nur geredet und nicht gehandelt. ({15})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin Blank, der Kollege Schmidt möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich möchte dem Kollegen Schmidt, der mir absolut nichts Neues sagt - er braucht ein bißchen Nachhilfeunterricht beim Thema Verkehr, aber den erteile ich Ihnen zu anderer Zeit -, keine Frage beantworten. Oder wollen Sie meine Redezeit verlängern? ({0}) Herr Kollege Schmidt, ich würde Ihnen ganz gern ein bißchen zu dem Thema Mobilität sagen, z. B., daß Mobilität auch ein Grundbedürfnis ist. ({1}) - Die erwarte ich allerdings von Ihnen, und Ihre geistige Mobilität vermisse ich ständig. Wo bleibt denn die? ({2}) Wir haben Ihnen seit Beginn dieser Legislaturperiode im Bundestag und im Verkehrsausschuß einige grundsätzliche und elementare Dinge zu erklären versucht. Aber leider verstehen Sie die nie. Vielleicht kommt irgend einmal die Zeit, daß Sie es verstehen werden. ({3}) - Das machen wir dann zur richtigen Zeit. Die Anträge werden ja in die Ausschüsse überwiesen, und dann unterhalten wir uns noch einmal. Meine Damen und Herren, die heutigen und künftigen technischen Potentiale werden sicherlich nicht alle Geräuschprobleme lösen, aber Verkehrsleitsysteme, die Beseitigung von Engstellen im Straßennetz, ein benutzerfreundlicher Übergang vom Individual- zum öffentlichen Verkehr werden ihren Beitrag dazu leisten, die Gesamtlärmbelastung weiter zu senken. Ich bedanke mich für die - etwas gestörte - Aufmerksamkeit von Ihrer Seite. ({4})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat jetzt die Kollegin Jutta Müller.

Jutta Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001556, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Kollegin Blank, wir hatten am vergangenen Freitag eine muntere Debatte zum Jahressteuergesetz 1996. Wenn Sie wirklich allen Ernstes dieses Chaos, das Herr Waigel anrichtet, als geordnete Staatsfinanzen bezeichnen, halte ich das wirklich für ein starkes Stück. ({0}) Jutta Müller ({1}) Herr Kollege Friedrich, daß Sie wahrscheinlich nicht so viel Probleme mit Lärm haben, ist mir auch klar. Um Ihre Partei ist es ja schon ein bißchen ruhig geworden. ({2}) - Ja, ich kann mir das gut vorstellen. Das geht dann bei der F.D.P. so nach dem Motto: Wenn wir schon keinen Applaus mehr hören, freuen wir uns auf jeden Güterzug, der vorbeifährt, damit es wenigstens ein bißchen munterer wird. ({3}) - Wunderbar, dazu beglückwünsche ich Sie. Das ist das Pfeifen der F.D.P. im Walde. Kolleginnen und Kollegen, die Umweltgeißel Nummer eins in Deutschland ist unsichtbar, sie stinkt nicht, sie hinterläßt keine giftigen Rückstände: Es ist der alltägliche Lärm. 54 % unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger empfinden dies als die größte Umweltbelastung. Dieses, wie schon gesagt, subjektive Empfinden kann durch die Krankenstatistik belegt werden: Die durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit beispielsweise ist eine der meistverbreiteten Berufskrankheiten. Das Bundesgesundheitsamt hat ermittelt, daß das Herzinfarktrisiko von Menschen, die in lärmgeplagten Gebieten wohnen, um 10% höher ist als in ruhigen Gegenden. Kein Zweifel, daß bei der Bekämpfung des Lärms schon viel geschehen ist. Doch trotz aller Bemühungen ist es in Deutschland immer lauter geworden. Das unaufhaltsam steigende Verkehrsaufkommen sorgt dafür, daß der „Lärm" die Krankenhäuser füllt und jedes Jahr volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von ca. 25 Milliarden DM entstehen, wie der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung errechnete. Die SPD-Fraktion unterstreicht in ihrem Antrag „Minderung des Verkehrslärms an Straßen und Schienen", worauf es ankommt. Punkt 1: Wir brauchen ein VerkehrslärmschutzGesetz, damit die - mit Rechtsanspruch ausgestatteten - anliegenden Bürgerinnen und Bürger die Träger von bestehenden Straßen und Schienen zur Lärmsanierung verpflichten können, wenn der Lärm den Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV um 5 dB übersteigt. Punkt 2: Damit der Lärmterror an den Schienenwegen eingedämmt wird, sind im Haushalt Mittel für die Lärmsanierung an Schienenwegen bereitzustellen, so wie es das schon für Bundesstraßen gibt. Da der Lärmschutz an den Schienenwegen bislang radikal vernachlässigt wurde, sind die Mittel aus dem Straßenbauhaushalt umzuschichten. ({4}) Es reicht schließlich nicht aus, daß wir ständig fordern, die Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, was sicherlich vernünftig ist, dann aber hoffen, daß die Anwohner der Schienenstränge davon nichts merken. Sie merken es! Wir hatten in der letzten Legislaturperiode Tausende von Unterschriften im Rahmen von Massenpetitionen, in denen sich Menschen über den unerträglichen Lärm beschwerten. Inzwischen haben sich Bürgerinitiativen zusammengeschlossen, um mit vereinter Kraft gegen den Lärmterror vorzugehen. Frau Blank meint in diesem Zusammenhang, man müsse etwas mehr Toleranz üben. Auf manchen Strecken fahren pro Nacht 80 Güterzüge mit respektabler Geschwindigkeit durch Wohngebiet. Man kann sagen, daß ein schnell fahrender Güterzug in 50 Metern Entfernung so viel Lärm macht, als wenn ein Lkw quer durchs Schlafzimmer fährt. Ich kann nicht akzeptieren, daß man hier mehr Toleranz fordert. ({5}) - Doch. Man kann sie aber umweltfreundlicher machen, indem man entsprechenden Lärmschutz vorsieht. Herr Friedrich, das ist ganz einfach. Das eine schließt das andere nicht aus. Punkt 3: Bei eng beieinanderliegenden Verkehrswegen - da sind die Regelungen des jetzigen Gesetzes ganz verrückt -, z. B. Schiene und Straße nebeneinander, ist sicherzustellen, daß die Summe des Lärms die vorgeschriebenen Immissionsgrenzwerte nicht übersteigt. Es gibt ein Beispiel ganz in unserer Nähe: Parallel zu einer Autobahn wird dort eine Schnellverbindung der Bahn gebaut, was zu begrüßen ist. Der Lärmschutz aber wird auf Grund der - man kann fast sagen: „idiotischen" - Gesetzeslage nur auf die Schienenstrecke ausgelegt. Der Autobahnlärm wird überhaupt nicht beachtet. Das heißt: Wir müssen im Gesetz zu einer Koppelung von neuem Lärmschutz und Lärmsanierungsmaßnahmen kommen. Kein Mensch versteht mehr, wie wir planen und bauen. ({6}) Es gibt ein weiteres Beispiel in Berlin: Dort hat man an einer S-Bahn-Strecke auf der einen Seite eine Schallschutzwand gebaut, auf der anderen Seite nicht, da die Bahn der Meinung war, daß dort der Geräuschpegel etwas geringer sei. Das UBA hat mir versichert, daß der Geräuschpegel nicht meßbar geringer ist. Trotzdem hat man sich geweigert, die zweite Lärmschutzwand zu errichten. Sicherlich kosten Lärmschutzmaßnahmen, z. B. der Bau von Schallschutzwänden, Geld. Es wäre sicherlich nicht möglich, alle notwendigen Maßnahmen gleichzeitig zu ergreifen. Ich denke aber, daß wir unbedingt einen Einstieg finden müssen. Jutta Müller ({7}) Wenn es um den Einstieg geht, komme ich auf den Kollegen Bargfrede zu sprechen, der uns vorhin ermahnt hat, wir sollten den Menschen keine Hoffnungen machen, die wir dann doch nicht erfüllen könnten. Ich mache Sie einmal auf folgendes aufmerksam: Es ist albern, wenn die Petitionen vom Petitionsausschuß - Frau Altmann, es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, daß wir diese ablehnen; wir haben sehr viel Verständnis für die Menschen und ihre Petitionen - an die Bundesregierung überwiesen werden - im übrigen hat Ihre ganze Truppe dabei immer munter mitgestimmt ({8}) mit der Aufforderung, endlich tätig zu werden, das ganze Zeug dann aber im Verkehrsministerium weggeschmissen wird. Die Bürger bekommen vom Petitionsausschuß einen Brief: Jawohl, wir verstehen Ihr Anliegen. Wir haben die Regierung aufgefordert, tätig zu werden. - Dort aber werden die Petitionen nur weggeworfen. Das, Herr Bargfrede, heißt, den Menschen Hoffnungen zu machen, die man nicht erfüllen kann. Das ist kein seriöses Verfahren. ({9}) Sie lehnen seit Jahren unsere Anträge, Mittel für den Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen einzustellen, ab. Am 14. Januar 1991 kündigte Herr Dirk Fischer an, mit dem Haushalt 1993 ein Lärmsanierungsprogramm für Schienenwege zu beginnen. Aber damit ist er bei seinem Minister wohl auf taube Ohren gestoßen, denn es ist immer noch nichts passiert. Ich denke, daß man ein solches Vorgehen nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme für die Politik bezeichnen kann. Es ist auch nicht richtig, was Frau Blank gesagt hat, nämlich daß der Bund hier wahnsinnig viel getan habe. Es ist überhaupt nichts passiert. Aber es sind - da hat Herr Friedrich schon recht - nicht immer nur kostenintensive bauliche Maßnahmen notwendig. Auch mit administrativen Maßnahmen wie beispielsweise Lkw-Umleitungen und Geschwindigkeitsabsenkungen können Lärmminderungen erzielt werden, denn zwischen Geschwindigkeit und Lärm besteht ein direkter Zusammenhang. ({10}) - Ich gehe davon aus, Herr Friedrich, daß Sie sich immer daran halten. So wie Sie aussehen, ja. ({11}) Wir müssen aber auch mehr Augenmerk auf den Bereich des technischen Lärmschutzes legen. Gezielte Forschung und Entwicklung zur Reduzierung von Schallemissionen an Fahrzeug und Fahrweg können den Investitionsaufwand mindern helfen. Ein Lärmingenieur der Deutschen Bahn AG sagte vor kurzem in einer Presseveröffentlichung, daß noch erhebliches Lärmminderungspotential gegeben ist. Die Maßnahmen gehen vom Schleifen der Riffeln an den Schienen, die bewirken, daß Züge in den innerstädtischen Kurven zu quietschen anfangen, über das Ausfüllen der Schotterbetten mit schallschluckendem Material bis hin zur Scheibenbremse mit elektronischem Gleitschutz bei Reisezugwagen. Nicht nur, daß diese neuartigen Bremsen beim Bremsvorgang weniger Geräusche entwickeln, auch das Rollgeräusch wird um bis zu 9 Dezibel geringer. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Eine Reduzierung des Lärmpegels um 10 Dezibel wird vom menschlichen Ohr als Halbierung der Lautheit empfunden. Der größte Teil der Güterwagen fährt aber z. B. noch mit alten Klotzbremsen. Das kann man nachts hören, wenn sie vorbeifahren. Gelegentlich - da muß man genau aufpassen - werfen neue Techniken und Verfahren aber auch Probleme auf. Jüngstes Beispiel ist der Bau von festen Fahrbahnen. Die Alternative zum klassischen Oberbau mit Schotterbett hat unter Lärmschutzaspekten einen Nachteil, denn während der Schotterbau einen Teil des Rollgeräusches quasi verschluckt, strahlen die festen Fahrbahnen zunächst über 5 Dezibel mehr ab. Ich weiß, daß hier Untersuchungen laufen und daß man versucht, dies wieder auszugleichen. Es wird sicherlich Möglichkeiten zur Problemlösung geben. Es macht also durchaus Sinn, Lärm an der Quelle zu bekämpfen. Der Bund kann sich bei dieser Bekämpfung nicht aus der Verantwortung stehlen, ({12}) zumal bereits im Jahr 1993 ein beachtenswertes Urteil ergangen ist. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 25. März 1993 geschrieben, daß Verkehrslärmemissionen, die bestimmte Grenzwerte überschreiten, nach Art. 14 GG als enteignungsgleiche Eingriffe gewertet werden, die sofort zu entschädigen sind. Das Bundesverkehrsministerium hat dieses Urteil bisher nicht zugunsten der Anlieger an bestehenden Schienenwegen angewandt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gotteslästerer wurden im alten Rom mit dem Tode durch Lärm bestraft. Krach galt als die schlimmste Marter und die schlimmste Tortur. Und zu Beginn dieses Jahrhunderts schrieb Robert Koch, eines Tages würden die Menschen den Lärm ebenso bekämpfen müssen wie die Cholera. Ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie in den weiteren Beratungen unseren Antrag, damit wir wenigstens beginnen können, die „Cholera" Lärm zu bekämpfen. Danke. ({13})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Wenn es dem amtierenden Präsidenten mitgeteilt wird, kann man z. B. eine Formel wie diese verwenden: Das Wort hat zum erstenmal in diesem Hohen Hause der Kollege Norbert Königshofen. ({0})

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bedanke mich ganz herzlich für diese freundliche Einführung. Ich habe Ihren Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, mit Interesse und Neugier gelesen und war, um es offen zu sagen, hinterher sehr enttäuscht. Ich hatte gehofft, etwas Neues zu erfahren. Aber was Sie hier vorlegen und vortragen, ist bekannt und in den wesentlichen Punkten bereits diskutiert worden, auch das, was Frau Müller gerade im einzelnen hier dargelegt hat. Was Sie vorgelegt haben, nennen wir im Ruhrgebiet ganz einfach einen Schauantrag. ({0}) Durch dauernde Wiederholungen werden Ihre Argumente auch nicht besser und überzeugender. ({1}) - Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann melden Sie sich. Schreien Sie nicht dazwischen! Der Präsident nimmt Sie gerne dran. ({2}) Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die Diagnose - die kann man schon im Fünften Immissionsschutzbericht der Bundesregierung nachlesen -, nein, es geht um Ihre Therapievorschläge, die nicht überzeugen. Denn sie sind entweder nicht finanzierbar oder nicht sinnvoll oder einfach von der Entwicklung überholt. Ich will dies an ein paar Punkten Ihres Antrages verdeutlichen. So fordern Sie von der SPD Mittel für ein Lärmsanierungsprogramm auch an der Schiene. Jeder, der das hört - Sie sprechen ja für die Öffentlichkeit -, wird spontan sagen: Jawohl, das ist es. ({3}) Natürlich wäre es wünschenswert, wenn wir die Bürger auch bei alten und neuen Schienenstrecken mit Lärmschutzwänden vor Lärmbelästigungen schützen könnten. Aber wir haben bereits bei der Haushaltsberatung im Verkehrsausschuß am 25. Januar darauf hingewiesen, daß wir in den nächsten zehn Jahren mindestens 5 Milliarden DM aufbringen müßten, wenn wir etwas Ordentliches zustande bringen wollen. ({4}) Das sind aber Finanzmittel, die wir zur Zeit im Haushalt nicht bereitstellen können. ({5}) Sie schlagen vor, Mittel aus dem Straßenbauprogramm zu nehmen, obwohl Ihre Frau Mattischeck bei der Haushaltsberatung im Verkehrsausschuß ({6}) noch von einer Unterdeckung des Bundesverkehrswegeplans gesprochen hat. ({7}) Sie müssen sich schon entscheiden: Entweder haben wir eine Unterdeckung, oder wir haben zuviel. Wenn wir zuviel haben, können Sie natürlich etwas herausnehmen. ({8}) - Über weniger Straßen haben wir auch diskutiert. Wir haben Ihnen vorgehalten, daß Sie vor Ort dauernd Mittel anfordern. Dazu hat Frau Mattischeck gesagt, es sei das Recht der Opposition, das zu tun. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie machen wollen. ({9})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Königshofen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Bitte, Herr Kollege Schmidt.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrter Herr Kollege Königshofen, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß Lärmschutz Geld kostet. Sie haben von einem Betrag von 5 Milliarden DM gesprochen und gleichzeitig den Bundesverkehrswegeplan angesprochen. Jetzt kommt die Frage: Finden Sie es nicht merkwürdig, daß Sie in einem Atemzug die Finanzierung von Lärmschutz als nicht finanzierbar bezeichnen, es aber im selben Satz offensichtlich für möglich halten - es ist ja Ihr Haushaltsbeschluß -, den Bundesverkehrswegeplan mit 11 700 km neuen Bundesfernstraßen zu finanzieren?

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Ich finde allenfalls Ihre Frage merkwürdig; ({0}) denn angesichts der Tatsache, daß sich der Verkehr bis zum Jahr 2010 verdoppelt, können wir als CDU nicht wie Sie den Kopf in den Sand stecken und auf das Eintreten des Chaos warten. ({1}) Ich will an dieser Stelle einmal sagen, was mich grundsätzlich an Ihnen stört. ({2}) - Doch, das muß ich nach einem halben Jahr im Bundestag loswerden. - Einerseits schimpfen Sie ständig über zu hohe Belastungen der Bürger. Sie wollen den Solidaritätszuschlag abschaffen, Sie geißeln die Staatsverschuldung, aber in jeder Sitzung stellen Sie wieder kostenträchtige Anträge. ({3}) Das paßt nicht zusammen, und das ist keine verantwortungsvolle Politik. Auch wenn man sich darüber im klaren ist, noch 20 Jahre in der Opposition zu sein, kann man so keine Politik machen, ({4}) es sei denn, man lebt in glücklichen Gebieten wie Frau Altmann. In Ostfriesland scheinen Dukatenesel auf der Weide zu grasen. Dann hat man genügend Geld. Hier ist das nicht der Fall. Ein zweites Beispiel, meine Damen und Herren, ist die Forderung nach der allgemeinen Einführung von Tempo 30 in den Wohngebieten der Städte. Auch hier scheinen Sie wieder den Stein der Weisen gefunden zu haben. Aber mit der Aufstellung von Tempo30-Schildern ist es bekanntlich nicht getan. Um eine wirkliche Verringerung des Tempos zu erreichen, brauchen wir entsprechende straßenbauliche Gestaltungen wie Einbauten, Schwellen, Inseln. ({5}) Nur dann kann ich dem Autofahrer die Notwendigkeit einer Geschwindigkeitsbegrenzung richtig vor Augen führen und einsichtig machen. Aber diese Einbauten kosten Geld. Die Gemeinden - das wissen Sie - stöhnen doch über ihre Finanzprobleme. Gerade die SPD-geführten Städte lasten der Bundesregierung doch immer wieder an, daß in Bonn Gesetze gemacht würden, die bei den Gemeinden zu Kosten führten. Wenn Sie also jetzt hier Anträge stellen, die die Gemeinden belasten werden, weil sie dann diese Einbauten finanzieren müssen, dann sagen Sie doch bitte auch, woher das Geld kommen soll. ({6}) Ich finde das besonders interessant, weil Sie noch in der letzten Woche verhindert haben, daß den Gemeinden durch eine Grundgesetzänderung eine neue Finanzierungsquelle durch die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer eröffnet wird. ({7}) Ein drittes Beispiel: Sie fordern die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen im Rahmen einer europäischen Harmonisierung. Mit diesem Teil Ihres Antrags, meine Damen und Herren von der SPD, lassen Sie endlich die Katze aus dem Sack. Vor der Bundestagswahl hat Ihr Vormann, Herr Scharping, noch abgewiegelt und festgestellt - ich zitiere jetzt aus der „Berliner Morgenpost" vom 27. April 1994 -: „Ein allgemeines Tempolimit ist primitiv." ({8}) Wo der Mann recht hat, hat er recht. Das ist zwar nicht häufig der Fall, aber da hat er recht. ({9}) Mir ist das natürlich klar: Aus Angst vor den GRÜNEN wollen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, das allgemeine Limit auf Bundesautobahnen einführen. Nur, als Begründung muß jetzt nicht die Ozonkonzentration, sondern die Lärmbelästigung herhalten. Ich stelle für die CDU/CSU-Fraktion klipp und klar fest: Wir wollen diese Rasenmähermethode nicht. Wir setzen auf intelligente Lösungen. ({10}) Ich will auf das verweisen, was Herr Bargfrede gesagt hat: Wir wollen situationsangepaßte und flexible Lösungen, z. B. durch den Einsatz rechnergestützter Verkehrsbeeinflussungsanlagen. ({11}) - Ich tue Ihnen ja schon den Gefallen. Ich habe mich extra auf deutsch ausgedrückt, damit Sie das verstehen. Ich weiß ja: Mit „Telematik" haben Sie Ihre Schwierigkeiten. ({12}) Damit kann man Verkehrsdichte, Verkehrszusammensetzung, Witterungsbedingungen, Infrastruktur und Topographie angemessen berücksichtigen. ({13}) Aber Sie wollen ja mit Methoden von gestern - mit Verboten - die Probleme von heute und morgen lösen. Wir wollen die Errungenschaft der Technik nutzen, um den Verkehr fließend zu halten. Sie wollen - das ist ja der Hintergrund - alles durch den Staat regeln. Wir setzen auf Verständnis, Einsicht und Akzeptanz der Bürger. Die Verkehrsteilnehmer - das zeigen alle Untersuchungen - werden nur dann Beschränkungen akzeptieren, wenn sie die Notwendigkeit der Maßnahmen einsehen, nicht aber, wenn sie sich schikaniert fühlen. Meine Damen und Herren, wir werden Ihren Antrag in den Ausschüssen weiterberaten. Ich habe allerdings den Eindruck, daß Sie bei der Formulierung dieses Antrages keine glückliche Hand gehabt haben. ({14})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich schließe die Aussprache. Vizepräsident Hans Klein Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/1042 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Dies ist offensichtlich der Fall. Darm ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes - Drucksache 13/205 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit ({0}) Innenausschuß Rechtsausschuß ({1}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Senatorin für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg, Frau Helgrit Fischer-Menzel, das Wort. Senatorin Helgrit Fischer-Menzel ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zum Inhalt des Gesetzentwurfs zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes komme, eine Vorbemerkung machen. ({3}) Der Bundestag hat die erste Lesung am 26. April mit den Stimmen der Regierungskoalition von der Tagesordnung abgesetzt und diese Entscheidung damit begründet, ({4}) daß der Bundesrat nicht vertreten gewesen sei. ({5}) Dieses unangemessene und bisher wohl auch einmalige Verfahren ist für Hamburg und den Bundesrat insgesamt nicht akzeptabel ({6}) und wird, wie ich gehört habe, auch Anlaß zu Gesprächen zwischen den beiden Gesetzesorganen sein. Ich habe bedauert, daß sich dadurch die Beratung einer dringlichen Gesetzesvorlage verzögert hat. Aber das war ja wohl auch beabsichtigt und der eigentliche Grund: nämlich eine nicht genehme Vorlage des Bundesrates zu diskreditieren; ({7}) übrigens eine Gesetzesvorlage, die dem Bundestag bereits in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegen hat und die lediglich deshalb erneut eingebracht werden mußte, ({8}) weil Sie die Beratungen nicht rechtzeitig abschließen konnten oder wollten. ({9}) Völlig unhaltbar sind die Rückschlüsse, die einige Mitglieder der Koalitionsfraktionen aus der Abwesenheit von Bundesratsmitgliedern meinten ziehen zu müssen. ({10}) Dies gilt insbesondere für den Bundesminister Seehofer und die von ihm geäußerte Vermutung, die Länder nehmen ihren Gesetzentwurf zur Erprobung der ärztlichen Verschreibung harter Drogen nicht mehr ernst. Fehlenden Ernst könnte man eher der Mehrheit des Bundestages im Hinblick auf das bisherige Verfahren vorwerfen. Ich kann Ihnen jedenfalls versichern: Hamburg und dem Bundesrat ist es nach wie vor sehr ernst mit dem Antrag zur Erprobung der ärztlichen Verschreibung harter Drogen. Mit jedem Tag, an dem ein junger Mensch infolge seiner Drogensucht in unserem Land zu Tode kommt, an dem sich ein Mensch im Zusammenhang mit seiner Sucht mit dem HIV-Virus infiziert, an dem sich junge Frauen wegen ihrer Drogensucht prostituieren, an dem jemand über seine Sucht kriminell wird, an dem viele Eltern darüber verzweifelt sind, daß ihre Kinder in das Drogenmilieu abrutschen und daß weder Staat noch Gesellschaft ihnen wirksam helfen können, wächst das Interesse der Länder an der Verabschiedung des Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurfs. Ich bin mir bewußt, daß Sie so wie seinerzeit der Bundesrat eine außerordentlich schwierige Entscheidung zu treffen haben, eine Entscheidung, von der ich glaube, daß sie sich eigentlich nicht für parteipolitisches Gezänk eignet und zu der - wie bundesweit auch zu beobachten ist - gerade auch von CDU-Politikerinnen neue Töne zu hören sind. Die Länder haben lange überlegt, ob nicht ein wissenschaftlicher Versuch, wie wir ihn jetzt mit unserem Gesetzentwurf ermöglichen wollen, auch ohne eine in ihrer Symbolik ja nicht zu unterschätzende Rechtsänderung möglich sein könnte. Leider ist dies nicht der Fall. Wir brauchen für unser zunächst einmal sehr bescheidenes Vorhaben eine GesetzesändeSenatorin Helgrit Fischer-Menzel ({11}) rung, weil das geltende Betäubungsmittelrecht in § 13 unmißverständlich sagt, Drogen der Anlage I - und hierzu gehört Heroin - dürfen von einem Arzt nicht verschrieben und verabreicht werden. ({12}) Leider ändert daran auch die Wissenschaftsklausel in § 3 des Betäubungsmittelgesetzes nichts. Insofern sollte niemand die Öffentlichkeit über diesen Sachverhalt in die Irre führen und etwa falsche Hoffnungen erwecken. Sehr geehrte Damen und Herren, die Länder und auch viele Kommunen, und zwar die SPD-regierten wie auch viele CDU-regierten, haben in den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen zur Bekämpfung der Drogensucht massiv gesteigert. Wir haben zahllose neue Beratungsstellen, Krisenzentren, Entzugskliniken, Therapieeinrichtungen, Notschlafstellen und vieles mehr aufgebaut. Ja, man kann sagen, wir haben heute überall ein nahezu flächendeckendes Angebot an Drogenhilfen. In Hamburg z. B. erreichen wir heute gut 70 % aller Drogenabhängigen mit unserem Hilfeangebot. Zugleich haben wir die Vorbeugung, die Suchtprävention, erheblich verbessert und ausgebaut, und auch die polizeiliche Verfolgung der Drogenkriminalität wurde in den letzten Jahren weiter deutlich verbessert. ({13}) Und dennoch. Das Drogenelend in unseren Städten nimmt weiter zu. Die Kriminalitätsbelastung nimmt zu. Krankheiten wie Hepatitis, Tuberkulose, Aids usw. nehmen unter den Junkies zu. Gleichzeitig wachsen die Milliardengewinne der verbrecherischen Drogenhändler weiter an. Sie sind es, die sich ins Fäustchen lachen, daß Staat und Gesellschaft dem Drogenproblem so hilflos gegenüberstehen. ({14}) Wir möchten deshalb durch unseren Gesetzentwurf erreichen, daß zunächst im Rahmen eines Erprobungsversuches und, wenn dies erfolgreich verläuft, später regelhaft möglichst viele Abhängige aus dem Teufelskreis von Sucht und Kriminalität herausgezogen werden, daß sie sich mit ihrer Suchtkrankheit nicht mehr an die kriminellen Dealer, sondern an kompetente Ärzte wenden, die ihnen die erforderlichen Drogen so lange verschreiben, ({15}) bis sie schließlich für eine Methadon-Therapie oder eine Abstinenzbehandlung gewonnen werden können. ({16}) Denn eines haben wir in den letzten Jahren gelernt: Einen Königsweg in der Drogenhilfe gibt es nicht. ({17}) Süchtige benötigen in ihrer jeweiligen individuellen Situation auch individuelle Hilfe: ({18}) ambulant oder stationär, Clean-Therapie oder Substitution, niedrigschwelliger oder hochschwelliger Entzug, Ersatzdroge oder Heroinvergabe. Die Vorstellung, Drogensüchtigen dürfe man Hilfe erst dann zuteil werden lassen, wenn sie fast am Ende ihrer leidvollen, elendigen Karriere angekommen und irreversibel geschädigt sind, ({19}) hat sich ebenso wie die Idee vom Königsweg als falsch erwiesen. ({20}) Wir müssen jegliche erdenkliche Hilfe anbieten, so früh wie möglich und so offensiv wie möglich. Gerade unsere Hamburger Erfahrungen bei der Methadon-Behandlung zeigen, daß bundesweit noch viel zu sehr einer alten Philosophie gefolgt wird und enorme Hürden beim Zugang zu Ersatzdrogenprogrammen für die Abhängigen aufrechterhalten werden. Man kann jedoch bei dieser Behandlungsform, von der inzwischen bundesweit, wenn auch mit deutlich regionalen Unterschieden, rund 15 % der Süchtigen profitieren, sehr gut beobachten, daß bei vielen Abhängigen die soziale Integration und persönliche Stabilisierung um so eher gelingen, je frühzeitiger sie in diese Behandlungsform aufgenommen werden. Darum geht es auch bei unserem Modellvorhaben: persönliche Stabilisierung und ein Stück Hoffnung und Zukunft für den Süchtigen und sein Umfeld, Ende der Verelendung, der Kriminalisierung und Erniedrigung. ({21}) Eines jedoch ist ganz unbestritten: Niemand will durch das Angebot ärztlicher Behandlung der Süchtigen mit harten Drogen wie Heroin das Drogenangebot in unserer Gesellschaft erhöhen, gar einen zusätzlichen - wie Sie es häufig nennen - legalen Markt schaffen. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf eine strenge staatliche Kontrolle vor, und deshalb sollen nur langjährig Abhängige nach gründlicher Einzelfallprüfung in die Behandlung aufgenommen werden. Konkret gesagt: Nur diejenigen Abhängigen sollen in die Drogenbehandlung aufgenommen werden, denen mit anderen Behandlungsformen, die weniger einschneidend sind, nicht geholfen werden kann. Bei jedem von ihnen soll der Versuch unternommen werden, ihn alsbald in eine andere Behandlung, in die Methadon-Behandlung oder besser noch in die Abstinenztherapie, zu überführen. Senatorin Helgrit Fischer-Menzel ({22}) Auf der anderen Seite wollen wir keinem Drogenabhängigen mehr sagen müssen: Geh doch zum Dealer! Ich glaube, dies sind wir den Drogenkranken, ihren verzweifelten Eltern und auch der Allgemeinheit schuldig. ({23}) Deshalb bitte ich Sie namens des Bundesrates, die Beratung in den Ausschüssen nunmehr zügig vorzunehmen und den Gesetzentwurf möglichst bald zu verabschieden. Wenn es hilft, komme ich jederzeit hier nach Bonn und setze mich auf die Bundesratsbank. Danke. ({24})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Hubert Hüppe, Sie haben das Wort.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fischer-Menzel, es zeugt schon von einem seltsamen Verständnis des Verhältnisses von Bundesrat und Bundestag, wenn Sie es noch nicht einmal für nötig halten, Ihren Antrag vor dem Deutschen Bundestag, in dem viele neue Kollegen sind, zu begründen. Sie hätten auf Ihren Kollegen Schmidt hören sollen, der als SPD-Kollege Ihr Verhalten in diesem Haus damals mißbilligt hat. Wenn Sie etwas von uns wollen - das gilt natürlich auch andersherum -, wenn der Bundesrat etwas von uns will, dann sollte er zumindest seinen Antrag begründen. ({0}) - Ich habe genau zugehört. Ich war nämlich auch an dem Abend anwesend, als wir alle hier waren. Da war es Ihr Kollege Schmidt, der genau dieses Verhalten mißbilligt hat. Dann haben wohl auch wir das Recht, dieses Verhalten zu mißbilligen. Aber wir wollen darüber nicht länger reden; dafür ist das Thema zu wichtig. Ich möchte Ihnen, Frau Fischer-Menzel, sagen - zumindest gilt das für mich persönlich -, daß es mir schon wichtig ist, zu überdenken, welche Auswirkungen ein solcher Antrag für die Menschen hat. Ich habe immer noch ein Gespräch vor Augen, das ich mit einer Frau führte, deren Tochter drogenabhängig war. Plötzlich brach sie während des Gespräches in Tränen aus und sagte, sie wisse nicht, ob ihre Tochter zur Zeit nicht auf dem Drogenstrich das Geld für den nächsten Schuß verdiene. Ich gebe zu, auch ich habe im ersten Moment gedacht ({1}) - lassen Sie mich doch einmal ausreden! -: Wäre es nicht das beste, wenn diese junge Frau den Stoff vom Staat oder von sonst jemandem bekäme? Warum sage ich das am Anfang? Weil es heute eben nicht um Parolen und auch nicht darum geht, hier irgendwelche Standpunkte nur zu verfestigen. Es geht vielmehr um Schicksale von Menschen und manchmal auch um Leben oder Tod. ({2}) Ich möchte Ihnen einfach nahebringen, daß auch ich zu denen gehöre, die über Legalisierung oder kontrollierte Abgabe von Drogen nachgedacht haben. Aber - das sage ich jetzt als verantwortlicher Politiker - ich darf eben nicht nur an die Drogenabhängigen denken, sondern ich muß auch denjenigen gegenüber Verantwortung übernehmen, die noch nicht in den Teufelskreis der Drogenabhängigkeit geraten sind. Gerade weil ich sehr lange überlegt habe, welche Folgen Ihr Antrag in der Praxis für noch nicht Abhängige oder auch für Drogenkranke hätte, die die Chance hätten, ihre Abhängigkeit wieder in den Griff zu bekommen, muß ich den Antrag des Bundesrates ablehnen. ({3}) Worum geht es nun in diesem Antrag? Ich erkläre es Ihnen einmal. Der Gesetzentwurf sieht eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vor, wonach das Bundesgesundheitsamt bzw. die Bundesopiumstelle - das haben Sie zu ändern versäumt - künftig eine Ausnahmegenehmigung für Forschungsvorhaben mit nicht verkehrsfähigen oder nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln, insbesondere Heroin, nicht mehr auf Grund eigenen fachlichen, wissenschaftlichen Ermessens erteilen kann, sondern eine Genehmigung erteilen muß, wenn ein Land das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geltend macht. Mit dieser Änderung soll nach Ihrer Ansicht bezweckt werden, daß z. B. Heroin künftig unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle durch Ärzte an Drogenabhängige oder im Rahmen einer Schmerztherapie verabreicht werden kann. Dies, meine Damen und Herren - das darf ich für meine Fraktion sagen -, widerspricht ganz und gar unserem obersten Ziel, für ein Leben ohne Drogen einzutreten. Wir bleiben bei der Auffassung, daß man Sucht nicht mit Drogen, sondern nur mit geeigneten therapeutischen Maßnahmen bekämpfen kann. Die von SPD-geführten Ländern geforderte kontrollierte Abgabe von Heroin stellt aus meiner Sicht ein Experiment dar, das nichts anderes als ein medizinischer Versuch am Menschen ist, der im schlimmsten Fall sogar tödlich enden kann. ({4}) - Ich verstehe jetzt Ihren Widerspruch nicht. Ich war gestern den ganzen Tag über in der Anhörung über die Bioethik-Konvention. Dort haben Sie sich als GRÜNE - ich übrigens auch, auch die SPD - gegen alle Versuche am Menschen gewehrt. Aber wenn Sie da so konsequent sind - ich bin da auch konsequent -, dann erwarte ich, daß Sie in diesem Punkt genauso konsequent sind. ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Herr Kollege.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Hüppe, würden Sie den seit Ende 1993 in der Schweiz laufenden entsprechenden Versuch in sechs Großstädten als Versuch am Menschen bezeichnen und damit der konservativ regierten Schweiz Menschenversuche vorwerfen? ({0})

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, es ist am Verhalten der Schweiz deutlich geworden, daß sie selbst eingesehen hat, daß ihre Drogenpolitik teilweise verfehlt ist. Wenn Sie die Anhörung verfolgt haben ({0}) - darf ich einmal antworten? -, werden Sie einräumen müssen, daß der Schweizer Vertreter, der im übrigen von Ihnen benannt wurde, sehr wohl gesagt hat, daß das Programm, das in der Schweiz durchgeführt werde, überhaupt nicht auf das übertragbar sei, was Hamburg fordere. Das ist nun einmal so gesagt worden. Daran kann ich nichts ändern. ({1}) - Warum soll ich etwas, was nicht vergleichbar ist, an dieser Stelle begründen und sagen, daß das ein Menschenversuch ist? Ich meine, das muß ich mir selber angucken. Ich denke nicht über Sachen nach, die ich nicht genauestens kenne. Wenn aber der Vertreter aus der Schweiz sagt, daß es aus seiner Sicht nicht mit dem vergleichbar ist, was wir hier fordern - das hat er in der Anhörung nun einmal gesagt -, dann können Sie von mir nicht erwarten, daß ich so etwas als Menschenversuch darstelle. ({2}) - Ich habe gesagt, das würde ich mir erst einmal anschauen. ({3}) - Herr Schily, das würde ich gern tun, und das werde ich auch tun. Herr Schily, lassen Sie mich jetzt weiterreden. Natürlich denkt auch die CDU/CSU über neue Wege nach. Aber wir fragen uns selbstverständlich: Warum geht man nicht erst einmal die Wege, die wirklich Erfolg versprechen oder bei denen zumindest die Aussicht besteht, daß ansatzweise ein Erfolg möglich ist? Ich habe mich z. B. darüber gefreut, daß die CDU in Nordrhein-Westfalen - das ist mein Landesverband - ein Programm aufgestellt und gesagt hat: Wir wollen die Hilfen in den Vordergrund stellen. So haben sie z. B. die landesweite Umsetzung des Modellprojektes „Therapie sofort" gefordert, das leider nur in zwei Städten Nordrhein-Westfalens, nämlich in Dortmund und in Köln, läuft. Dieses Projekt, das für die Abhängigen die Möglichkeit bietet, ohne viel Bürokratie schnelle Hilfe zu erhalten, hat bewiesen, daß es viel mehr Abhängige gibt, die von der Droge wegkommen wollen, als bisher allgemein angenommen wurde. Dies beweist u. a. auch die Tatsache, daß in Dortmund nach einigen Wochen Hunderte von Therapieplätzen fehlten - eben weil der Zulauf so groß war. Wenn es wirklich stimmt - was die meisten Fachleute sagen -, daß von den Drogentoten, die jedes Jahr zu beklagen sind, 5 bis 10 % bereits auf einer Warteliste für einen Therapieplatz standen, dann wünschte ich mir, daß die Länder, die die kontrollierte Freigabe von Drogen derzeit so vehement fordern, genausoviel Einsatz für mehr Therapieplätze, Nachsorgeeinrichtungen und differenzierte drogenfreie Angebote zeigten. ({4}) Allerdings muß ich zugeben: Dieser Weg ist nicht so einfach, dafür aber teurer und längst nicht so medienwirksam. Mein Wunsch ist es - ich würde mich freuen, wenn wir da zusammenkämen -, das Ziel zu erreichen, daß jeder Drogenkranke - er ist ja krank - wie jeder andere Kranke auch sofort Zugang zu allen heilenden, d. h. aber auch auf Drogenfreiheit gerichteten Maßnahmen erhält. Meine Damen und Herren, interessant ist es - um die Motive der Antragsteller zu ergründen -, auch in die Begründung des Gesetzentwurfes zu sehen. Dort können Sie an erster Stelle lesen, daß ein Motiv der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes die hohe Begleitkriminalität und die damit verbundene Störung der öffentlichen Sicherheit sind. Man glaubt, daß mit der kontrollierten Abgabe die Kriminalität in den Großstädten abnimmt. ({5}) Diese These erscheint jedoch mehr als fraglich. Denn wie soll ein Heroinabhängiger seinen Lebensunterhalt erlangen, wenn er alle paar Stunden - dies ist einer der großen Unterschiede zu Methadon - erneut seine Dosis benötigt? Hinzu kommt das Problem der Folgekriminalität. Ich nenne nur den Bereich Straßenverkehr. Was werden Sie eigentlich einem Unfallopfer erzählen, das auf Grund eines drogenabhängigen Verkehrsteilnehmers, der kurz zuvor von einem Arzt seinen Stoff injiziert bekam, schwer verletzt wurde? Da bin ich sehr gespannt. ({6}) - Das ist übrigens der große Unterschied: daß wir einem Alkoholabhängigen keinen Alkohol verabreichen. Ich will auch gar nicht ausschließen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß am Anfang eines solchen Versuches die Beschaffungskriminalität kurzfristig zurückgeht. Aber ich glaube, daß dieser Erfolg bald durch Folgekriminalität und die dann insgesamt steigende Zahl von Abhängigen zunichte gemacht wird und der Schaden mittelfristig insgesamt noch größer wird, als er schon jetzt ist. Sie werden darüber hinaus feststellen, daß die Großstädte noch mehr zum Anziehungspunkt von Abhängigen werden, da nach dem vorliegenden Entwurf die Abgabe nur in Städten mit mehr als einer halben Million Einwohner erfolgen darf. Das ist eine Einschränkung - wenn ich Ihrem Gedankengang folge -, die ich überhaupt nicht verstehen kann, weil die Kontrolle von Suchtkranken und ihre Einführung in das Umfeld in einer Großstadt wesentlich schwerer ist als auf dem Lande, wo der Kontakt der Menschen zueinander noch viel enger ist. Meine Damen und Herren, in der weiteren Begründung des Antrags wird erklärt, daß nur solche Abhängige in das Programm aufgenommen werden sollen, die für andere Behandlungsformen - also Abstinenz oder Substitution - nicht in Betracht kämen. Ich frage mich, welcher Arzt dies ernsthaft richtig beurteilen kann. Jeder Abhängige, dessen Lebensinhalt - das wissen Sie doch genauso gut wie ich - auf nichts anderes ausgerichtet ist, als irgendwie an den nächsten Schuß zu kommen, wird doch versuchen, in ein solches Programm zu gelangen. Wenn man dies weiß, wirkt die in dem vorgelegten Entwurf genannte Voraussetzung, daß die an dem Versuch teilnehmenden Personen „auf der Grundlage einer Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken der Behandlung" ihr Einverständnis erklären müssen, schon fast zynisch. Als wenn nicht jeder Abhängige wissen würde, welches Risiko Heroin darstellt! Jeder akut Heroinabhängige wird Ihnen sofort alles unterschreiben. Im übrigen wird alsbald jeder oder jede Abhängige dem entsprechenden Arzt erklären, daß gerade er bzw. sie nicht in der Lage sei, eine andere Behandlungsform in Anspruch zu nehmen. Mit anderen Worten, es werden sich auch Abhängige um diese Drogen bemühen, die möglicherweise unter anderen Umständen zu einer drogenfreien Therapie oder zumindest zu einer Substitution bereit wären. Eine weitere Voraussetzung für die kontrollierte Abgabe ist nach Auffassung der Länder, den Beikonsum anderer Drogen und Substanzen festzustellen und bei der Behandlung zu berücksichtigen. Allerdings heißt dies nicht - diese Voraussetzung haben Sie nicht genannt -, daß deswegen auch bei längerem Beikonsum der Versuch abgebrochen werden soll. Das, meine Damen und Herren, ist geradezu fahrlässig. Denn alle Erfahrungen zeigen, daß die wenigsten Rauschgifttoten reine Herointote sind. So zeigt eine wissenschaftliche Untersuchung in der Stadt Dortmund, daß dort bei über zwei Dritteln der Herointoten das Medikament Rohypnol festgestellt wurde. Wie will denn ein Arzt unter solchen Verhältnissen einen Drogenkranken auf eine richtige Dosis einstellen, ohne dessen Leben zu gefährden? Wenn also eine Abgabe von Heroin trotz längerem Beigebrauch nach Ihrem Vorschlag genehmigt werden müßte, werden wir uns - das sage ich für alle meine Kolleginnen und Kollegen - mit allen Kräften dagegen wehren. Sagen Sie bitte nicht, die Ärzte könnten dies alle selbst einschätzen. Ich habe vor kurzem einen Fall erlebt, wo eine Ärztin, die selbst Substitutionsbehandlung mit Methadon vornimmt, einem Methadonpatienten Rohypnol verschrieben hat und der Patient an Herz-Kreislauf-Versagen starb. Meine Damen und Herren, als das Land Hamburg den vorliegenden Entwurf 1993 in den Bundesrat einbrachte, wurde u. a. damit argumentiert, daß mit der Heroinabgabe den organisierten Drogenhändlern der Nachfragemarkt genommen werden würde. Dies kann nur dann effektiv geschehen, wenn tatsächlich sehr viele Drogenkranke in so einen Versuch kämen. Das aber würde bedeuten, daß wiederum der einzelne Arzt über sehr viele Patienten verfügen müßte und sich kaum Zeit nehmen könnte, die Dosierung immer auf dem aktuellen Stand zu halten bzw. den Beikonsum anderer Mittel zu überprüfen. Es käme zur Massenabfertigung, und für eine ernsthafte wissenschaftliche Untersuchung bliebe überhaupt keine Zeit. Aber nehmen wir einmal an, selbst dieses Problem könnte man lösen. Wie wären die tatsächlichen Auswirkungen auf den Drogenmarkt? Die Antwort ist klar: Der Preis für Heroin auf dem Schwarzmarkt würde weiter sinken, die Verfügbarkeit von Heroin würde steigen. Die Drogenhändler würden sich bemühen, ihre Kundschaft zu erweitern, und andere Drogen, die zum Teil noch gefährlicher sind, würden auf den Markt geworfen werden. Ich nenne als Stichwort nur Crack, das ja in Europa und auch in Deutschland zunehmend Bedeutung erlangt. Daß dies nicht nur eine düstere Theorie ist, müßten die Hamburger eigentlich am besten wissen, denn 1985/86 gab es allein in Hamburg einen drastischen Preisverfall bei Heroin von über 50 %. Die Folge war, daß sich die Zahl der Drogentoten in den Jahren 1986 bis 1988 fast vervierfachte. Der Prozentsatz der festgestellten Erstkonsumenten erhöhte sich bei den jungen Menschen unter 25 Jahren von 40 % auf 54 %, obwohl in allen anderen Bundesländern das Einstiegsalter stieg. Die Erstkonsumentenzahl stieg von 208 im Jahre 1986 auf über 800 im Jahr 1988. Meine Damen und Herren, es gibt einen weiteren Punkt, der mich an dieser Vorlage besonders stört, nämlich daß an keiner Stelle soziale Begleitmaßnahmen gefordert werden. Dies bedeutet doch, daß die Abhängigen mit ihrer Droge von Ihnen allein gelassen werden sollen, ohne soziale Betreuung, ohne Job, möglicherweise ohne Wohnung und mit hohen Schulden. Wenn es Ihnen wirklich bei Ihrem Entwurf um die Schwerstabhängigen und ihr Schicksal gehen würde, hätten Sie doch diesen Punkt an die erste Stelle der Voraussetzungen stellen müssen. ({7}) Zusammenfassend möchte ich, weil die Zeit leider etwas knapp geworden ist, die Hauptargumente, warum wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen, nennen. Der Entwurf ist meiner Meinung nach ein Zeichen von Hilflosigkeit und Aktionismus und hat überhaupt keine erkennbaren Erfolgsaussichten. Eine Risikoabschätzung erfolgt an keiner Stelle. Das Ergebnis wäre: mehr Verfügbarkeit von Drogen, mehr Drogeneinsteiger, und der Erfolg von Präventionsmaßnahmen würde weiter in Frage gestellt. Schließlich würde - ich habe es genug erläutert - die Motivation zum Ausstieg weiter sinken. Deswegen ist der Weg, den Sie einschlagen, ein Irrweg, den zumindest wir nicht mitgehen können. Herzlichen Dank. ({8})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin Monika Knoche, Sie haben das Wort.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hätte gern „Guten Abend, Herr Seehofer" gesagt, aber ich nehme an, als Reflex auf das Fehlen von Bundesratsmitgliedern beim letztenmal ist er heute nicht gekommen. ({0}) - Ich habe gesagt: Ich hätte gern „Guten Abend, Herr Seehofer" gesagt. ({1}) Ich möchte für mich nicht in Anspruch nehmen, vollständig über sämtliche Fragen dieses Problemkreises Bescheid zu wissen, aber Ihnen, Herr Kollege Hüppe, möchte ich doch folgendes entgegnen: Noch niemand ist durch Substitution gestorben; sehr viele sterben, weil sie keine bekommen. ({2}) Bei keiner anderen Drogenabhängigkeit gibt es bei der Substitution z. B. durch Methadon eine so hohe Reintegrationschance, wie sie bei Heroinabhängigen gegeben ist. Keine andere Therapie bei Alkoholerkrankten oder Pharmaabhängigen kann für sich eine solche Erfolgsquote beanspruchen wie die bereits jetzt existenten Methadon-Programme. Diese Menschen sind in der Regel arbeitsfähig und integriert, wohingegen es bei anderen Suchtkranken keine solchen Erfolge der Therapie gibt. Noch etwas anderes vorab: Im Zusammenhang mit Heroinvergabe von „Menschenversuchen" zu sprechen ist nicht nur sehr gewagt; ich halte das für einen Mißbrauch in Wort und Sinn. ({3}) Menschenversuche hat es im deutschen Faschismus gegeben, und er hatte rassische Gründe. Ich hoffe, daß Sie nicht gemeint haben, den Begriff „Menschenversuche" in der Medizin in diesem Zusammenhang zu verwenden; denn wir reden hier über medizinische Fragen. ({4}) Was wir in Deutschland in der Drogenpolitik brauchen, sind nicht fundamentalistische Bekenntnisse, nicht Fehlinformationen über Heroin, falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung, ist nicht ein Gegenüberstellen oder Gegeneinanderstellen von Sucht und Sinn und richtigem Leben. Was wir brauchen, ist ein Perspektivwechsel. Er setzt Glaubwürdigkeit, Genauigkeit und Gerechtigkeit voraus. Suchtfragen müssen endlich herausgezogen werden aus den alten Trampelpfaden der Innen- und Rechtspolitik. ({5}) Daß als Drogenbeauftragter ein Jurist an Innenminister Kanthers Seite sitzt, das ist doch an sich schon eine präventionspolitische Pleite. Bei aller Restriktion, die wir kennen: Es wird weiter gespritzt, im Knast, auf der Straße und im Salon. Mit Polizeimaßnahmen läßt sich nun einmal keine bestimmte Lebensführung erzwingen. ({6}) Mehr noch: Manche kommen, weil Hasch nach wie vor überdramatisiert und kriminalisiert wird, als Kiffer ins Gefängnis und gehen als kranke Fixer wieder heraus. Auch das ist eine bundesdeutsche Realität, die von Ihnen immer wieder ausgeblendet wird. ({7}) Gerade deswegen glaubt Ihnen auch kein aufgeklärter Bürger und keine aufgeklärte Bürgerin ihre Helferprosa mehr, in die Sie Ihre Intoleranz kleiden. Wenn Politik glaubwürdig sein will, dann muß das auf dem Fundament eines kulturvollen Umgangs mit allen Süchten und einer menschlich akzeptierenden Haltung gegenüber Süchtigen geschehen. Ihre vorgetragene Fürsorge, Herr Hüppe, will Süchtige von einem längst nicht mehr kulturfremden Suchtstoff befreien und kennt höchstens noch Therapie statt Strafe. Was bleibt, ist der Zwang zur Heroinabstinenz. Etwa 150 000 Menschen werden so in Deutschland in ein deklassiertes Leben getrieben. Mehr als 1 500 von ihnen gehen jedes Jahr aus dem Leben, weil sie den Stoff nicht lassen können. ({8}) Das ist die Bilanz Ihres seit 20 Jahren gescheiterten Heroindogmas. Sie folgen der Devise: Strafe und Verbot, Liebe bei Verzicht. Unser Bemühen ist auf jeden einzelnen Heroinkonsumenten und jede einzelne Heroinkonsumentin gerichtet. Deshalb hier eine grundsätzliche Klarstellung: Heroin ruiniert manche gerade deshalb, weil ein mafiaorganisierter Schwarzmarkt das Verkaufsmonopol hält. Es ist nicht die Droge an sich. Mit Heroin, reinem guten Heroin, kann man relativ gesund alt werden. ({9}) - Sie sollten die Pharmakologen und Pharmakologinnen einmal zu Rate ziehen, um zu hören, was Heroin eigentlich für ein Stoff ist. Es ist, um es klar zu sagen, die Illegalität des Beschaffungskreislaufes, der denen, die nicht über die besten Quellen verfügen können, Verunreinigungen, Begleitinfektionen, Hepatitis und Aids bringt. Es ist der Verfall der sozialen und beruflichen Bezüge durch die Kriminalisierung, die das öffentliche Bild der Heroinabhängigen und der Heroingefahren zeichnet. 80 % aller Kokainabhängigen und 50 % aller Heroinkonsumenten und -konsumentinnen leben völlig integriert, unauffällig und zum Teil beruflich sehr erfolgreich. Daß dieser Aspekt von Ihnen nicht genannt wird, gehört zu dem Gerüst aus Ideologie und Tabu, das Sie in die Suchtpolitik eingezogen haben, ohne das aber Ihre ganze Logik zusammenbricht. Es ist doch erstaunlich, daß bei drei Millionen Alkoholabhängigen und bei 1,5 Millionen Medikamentenabhängigen kein gesundheitspolitischer Notstand benannt wird, keine Verbotsdebatte über diese Suchtstoffe geführt wird - wofür ich übrigens gar nichts übrig habe -, sondern daß auf die kleinste Drogengemeinde, die 150 000 Heroinabhängigen, fokussiert wird. Es wird mit denen politisch operiert, die am Ende sind. Es gibt etwa 25 000 HIV-infizierte Heroinabhängige, und nur der kleinste Teil von ihnen ist überhaupt in ärztlicher Behandlung. Darin liegt eine eklatante Unterversorgung. Die mancherorts durchgeführte Methadon-Substitution hat so harte NUB- Richtlinien, daß sie von vielen Heroinabhängigen als ,,Sargdeckelindikationen" bezeichnet werden. Was sollen Heroinabhängige mit der Abstinenzmoral anfangen? Warum unterliegen gerade sie dem größten gesellschaftlichen Druck, gesund und clean werden zu müssen, in einer Gesellschaft, die zwar die beste Gesundheitsversorgung haben soll, aber dennoch Europameister im Trinken ist, wo 1,7 Milliarden DM im Jahr allein durch Selbstmedikation in die Ladenkassen der Apotheken fließen und es legal Pharmaabhängige auf Krankenschein gibt? Das kann nur als Doppelmoral wahrgenommen werden. Warum gilt für Süchtige illegaler Drogen das mildtätige Prinzip „Therapie statt Strafe", wenn anderen Süchtigen Verständnis entgegengebracht wird und ihnen kein Gefängnis droht? Diese Diskriminierung kann nur demotivierend wirken. Erfahrungsgemäß können nicht einmal 10 % all derer, die eine Langzeittherapie gemacht haben, ohne Heroin auskommen. Trotz aller guten Vorsätze: Die Spirale zieht sie weiter nach unten. Laut Aussage des BKA werden statistisch von 100 Heroinabhängigen 172 000 Eigentumsdelikte im Jahr auf Grund des Beschaffungsdrucks begangen. Eine Kriminalitätsrate entsteht, die das Bild über die Gewaltbereitschaft unserer Bevölkerung völlig verzerrt. Um was geht es? Ist es wirklich das Suchtmittel, das es zu bekämpfen gilt? Oder ist es nicht doch die Sucht und damit letztlich der oder die Süchtige? Wenn also das Suchtmittel die Gefahr ist, warum gibt es dann nicht einmal Ansätze für ein Werbeverbot für die gesundheitsgefährdendsten aller Drogen: Alkohol, Nikotin und Schmerzmittel? ({10}) Wenn vernünftige Argumente und Nachvollziehbarkeit der Rechtslogik Ausgangspunkt politischer Entscheidungen sind, ist zu fragen: Wo ist in der Drogenfrage die Konsequenz? Damit kein Mißverständnis aufkommt: Es ist nicht meine Sache, legale harte gegen illegale Drogen aufzurechnen ({11}) oder die Krankheitsleiden, die psychischen und sozialen Probleme von Süchtigen und ihnen Nahestehenden zu verharmlosen oder zu verschweigen. Daß viele Heroinabhängige ein tiefes Wissen über schwere seelische Erkrankungen haben und Heroin als Selbstmedikation anwenden, ist ein zu respektierender Grund für Sucht. Aber nicht alle Süchtigen sind seelisch krank. Nicht alle Kranken sind therapiebedürftig. Das muß man auseinanderhalten. Es geht darum festzustellen, was Gesundheitspolitik für die Antidiskriminierung und Gesundheit von Süchtigen tun muß. Die Gesundheitspolitik hat nicht das Recht, aus ideologischer oder moralischer Überzeugung heraus eine bestimmte Lebensführung zur Voraussetzung für die Hilfe zu machen. Es geht darum anzuerkennen: Die suchtfreie Gesellschaft ist eine Fiktion. Drogenpolitik braucht eine andere Diktion. Ich zitiere: Es ist die Frage, ob man nicht durch gezielte Heroinvergabe jenen helfen kann, die nicht herauskommen. Wie gefährlich ist Heroin? Kann ein Morphinist sein Leben relativ geregelt leben? Wenn er kann, dann sollten wir alle Glaubenskriege beenden, auch wenn aus der Bundesregierung Ablehnung kommt. Gesagt hat das der künftige Präsident des Deutschen Städtetages, Professor Dr. Gerhard Seiler ({12}), Oberbürgermeister meiner Heimatstadt Karlsruhe, einer normalen Stadt mit 30 Herointoten im Jahr. Es sind die Kommunalpolitiker und -politikerinnen, die aus diesem von Ihnen beschworenen Drogenkonsens ausbrechen und ihre Parteibücher vergessen, weil sie die menschlichen Tragödien und dieses unnötige Leid nicht mehr mit ansehen und vor allem nicht mehr rechtfertigen können. Ob Frau Roth von der CDU in Frankfurt, ob im Februar 1995 der baden-württembergische Städtetag, ob Gesundheitsminister und -ministerinnen der Länder,

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin, bitte.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- ich bin sofort fertig - ob Kirchen, ob Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen: von der Nulltoleranz spricht eigentlich nur noch die CDU/CSU. Auch das Lebensstilargument zieht nicht; Süchtige, Fixer und Fixerinnen, gibt es in allen Schichten, es sind nicht immer nur die anderen. Wenn es also kein gesundheitspolitisches Argument gibt und es Ärzte und Ärztinnen selbst sind, die Heroin verlangen, um Schmerztherapien durchführen zu können, weil sie verpflichtet sind,

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin, bitte.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- ich bin sofort fertig - denen Überlebenshilfe zu geben, die keine Heilung bekommen können, dann ist die Bundesratsinitiative der Anfang eines richtigen Weges in eine neue Suchtpolitik, damit die Unterversorgung endlich ein Ende hat. Danke. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich muß dazu leider wieder einmal etwas sagen. Auf der einen Seite gerät man als Präsident in die Gefahr, zu schulmeistern und zu streng zu sein, auf der anderen Seite fordern die anderen Fraktionen natürlich, daß alle Fraktionen möglichst gleich behandelt werden. Wenn der Präsident mahnt, daß die Redezeit abgelaufen ist, tut er es nicht sofort, sondern erst nach einer ganzen Weile. Dann sollte wirklich auch nur noch ein Satz und nicht mehr anderthalb Minuten gesprochen werden. Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Hüppe das Wort.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß ich hier nicht einen Vergleich mit Versuchen im Dritten Reich anstellen will. Das wissen Sie auch ganz genau. Ich finde es infam, mir so etwas zu unterstellen. ({0}) Sie haben mich gestern erlebt und wissen genau, daß ich zu denen gehöre, die mit der Bioethikkonvention, über die wir gestern diskutiert haben, das Leben vielleicht mehr schützen wollen als manche anderen. ({1}) - Lassen Sie mich auch einmal ausreden. - Wenn Sie mir so etwas unterstellen, ist das nicht in Ordnung. Wenn Sie hinterher gleichzeitig sagen: Helferprosa im Mantel der Intoleranz, dann finde ich das genauso unverschämt. Ich habe wirklich mit vielen Abhängigen gesprochen. Ich versuche, von einer Einrichtung zur anderen zu gehen. Ich versuche auch, etwas zu verändern. Ich habe heute versucht, herüberzubringen, daß ich auch über neue Wege nachdenke. Wenn Sie dann mir und überhaupt der CDU Intoleranz vorwerfen, dann nehmen Sie doch einmal wahr, daß wir z. B. bei Methadon erstmalig 1,5 Millionen DM zur wissenschaftlichen Begleitung eingesetzt haben. Es ist doch nicht so, daß wir keine neuen Wege gehen. Ich sage jetzt noch einmal ganz deutlich: Wenn wir gemeinsam den Leuten wirklich helfen wollen, dann müssen wir - verdammt noch mal! - auch die Einrichtungen dafür schaffen und dürfen hier nicht nur sagen: Wir geben den Leuten das Zeug, und was dann passiert, ist uns egal. ({2}) Sie wissen ganz genau, daß es auch außerhalb der NUB-Richtlinien möglich ist, Methadon zu verschreiben. Nur wird das nicht über die Krankenkassen finanziert, weil sie sagen: Diese Finanzierung dient nicht der Heilung, sondern erhält die Drogenabhängigkeit. Sie selber sollten einmal den Bericht der SPD-Landesregierung von Nordrhein-Westfalen durchlesen, in dem steht, daß von den 247 Abhängigen, die in diesem Programm waren, ganze sechs am Ende der fünf Jahre drogenfrei waren, aber vier andere den Drogentod gestorben sind und vier weitere an anderen Dingen gestorben sind. Das ist für mich genausowenig Hilfe wie das, was Sie eben genannt haben. Vielen Dank. ({3})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin, Sie können noch replizieren.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch ich habe jetzt natürlich das Bedürfnis, kurz zu erwidern. Ich lege großen Wert auf die Feststellung, Herr Hüppe, daß ich Sie darauf aufmerksam gemacht habe, mit dem Begriff „Menschenversuch" sorgfältig umzugehen, und insbesondere im ZusamMonika Knoche menhang mit der Heroinvergabe nicht von Menschenversuchen zu sprechen. Die Intention der Menschenversuche ist in der Medizin historisch belegt. Darauf aufmerksam zu machen war mir besonders wichtig. Ich glaube, Sie können nicht unterstellen, daß die Städte und Gemeinden, die Modellprojekte durchführen wollen, die psychosoziale Begleitung nicht gleichermaßen mit bedenken und nicht in den Projekten dabeihaben wollen. ({0}) Mir geht es heute darum, daß ein deutliches Signal kommt, daß auch Sie sich mit dieser neuen Therapieform beschäftigen, daß wir beraten können. Ein Ausbau und weitere Ergänzungen dieses Programms und Ihre Unterstützung wären wunderbar. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile dem Kollegen Heinz Lanfermann das Wort.

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand kann bezweifeln, daß - nicht nur in Deutschland, sondern eigentlich in der ganzen Welt - der Erfolg der bisherigen Drogenpolitik so groß nicht ist. Niemand kann sich in Ruhe zurücklehnen und Vorschläge, die neue Wege suchen, voreilig ablehnen. Daß man, um den Menschen zu helfen, mit uns im einzelnen über vieles reden kann, vor allem, wenn man daraus nicht gleich wieder eine Prinzipienfrage macht und einiges an Ideologie anbietet, wird jedem deutlich, der ein Blick in das Programm der F.D.P. wirft. Daß die Prävention durch gezielten Ausbau von Suchtberatungsstellen, durch die Arbeit anderer Beratungsstellen sowie ein frühes Ansetzen im Kindesalter verbessert werden muß, ist dort ebenso nachzulesen wie die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes mit differenzierten und auf die unterschiedlichen Problemlagen bei Abhängigen möglichst konkret eingehenden Angeboten. ({0}) Denn den berühmten Königsweg gibt es in der Drogenpolitik nicht. Entgegen einer Bemerkung, die vorhin hier gemacht worden ist, kenne ich auch niemanden, der behauptet hat, ihn gefunden zu haben. Also sollte man das auch dem politischen Kontrahenten nicht unterstellen. ({1}) Auch die Wahrheit hat niemand allein für sich gepachtet. Es geht darum, kranken Menschen zu helfen; das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten. Das heißt, wir müssen das Wichtigste zuerst tun: Das ist, wenn ich mir die Situation der jetzt Drogenabhängigen ansehe, die Schaffung von Therapieplätzen. ({2}) Da gibt es in manchen Ländern noch manches zu tun. Ich denke, wenn man das getan hat, dann könnte man vielleicht mit einer etwas größeren Berechtigung weitere Vorschläge unterbreiten. Bei etwas mehr Aufgeschlossenheit könnte dann auch einige Skepsis beseitigt werden. Die derzeitigen Vorschläge haben, wie ich noch ausführen werde, ihre Tücken. Meine Damen und Herren, natürlich muß in diesem Zusammenhang erörtert werden - ich bitte, genau auf den Wortlaut zu achten -, ob in dem einen oder anderen geeigneten Fall Drogen - z. B. auch Heroin - ärztlich indiziert, dosiert und kontrolliert sowie bei sozialer Begleitung verabreicht werden können. Dies muß immer mit dem Ziel verbunden sein, eine Therapiefähigkeit, die es bei manchen Fällen in der Tat nicht sofort gibt, herzustellen, so daß anschließend wirklich eine Therapie durchgeführt werden kann. In solchen Fällen könnte eine Droge oder eine Ersatzdroge auf bestimmte Zeit verabreicht werden. Wer allerdings glaubt, das Ziel durch eine generelle Abgabe von Heroin in Modellversuchen erreichen zu können, der hat die gesamte Dimension des Problems nicht begriffen. ({3}) Es gibt in der Drogenpolitik - so sagt man - im Grunde genommen vier Säulen: Es gibt als erste Säule das weite Feld der Prävention und der Aufklärung. Dort ist zwar vieles verbessert worden, aber dort kann auch noch vieles getan werden. Es gibt die zweite Säule der Therapie, wo sich insbesondere diejenigen, die uns hier neue Vorschläge machen, zum Teil schwerste Versäumnisse vorwerfen lassen müssen. ({4}) Es gibt als dritte Säule die Repression, die in manchen Reden gar nicht vorkommt. ({5}) - Die Frage, was das denn sei, kommt richtigerweise von Ihnen an dieser Stelle als Zwischenruf. Die Drogen und der Drogenmarkt müssen auch mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden. Wenn Sie das ernsthaft bestreiten wollen, dann treten Sie bitte an das Pult, und erzählen Sie das bitte der staunenden Öffentlichkeit. Es gibt eine vierte Säule - die ich durchaus akzeptiere; das habe ich vorhin schon einmal angerissen -, die man als Überlebenshilfe für die entsprechenden Fälle beschreiben könnte. ({6}) Aber, meine Damen und Herren, bei allem, was Sie unter Berücksichtigung dieser vier Säulen tun, gibt es immer Rückwirkungen, Interdependenzen innerhalb dieser vier Säulen. Das muß man prüfen. Man muß bei einer ganzheitlichen Drogenpolitik auch vortragen, welche Wirkungen man glaubt, jeweils erzielen zu können. Die Hoffnung, den illegalen Drogenmarkt austrocknen zu können, geht logischerweise vollkommen ins Leere, wenn man die begrenzte Zahl derjenigen zugrunde legt, die für ein Modellvorhaben, wie es Hamburg vorsieht, oder auch für etwas weitergehende Versuche in Frage kämen. Wir haben letztes Jahr im Gesundheitsausschuß sehr ausführlich über den Hamburger Vorschlag einer staatlichen Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige diskutiert. Ich glaube kaum, daß man den Sachverständigen Parteilichkeit vorwerfen kann. Sie haben darauf hingewiesen, daß es für das Suchtpotential erst einmal gleichgültig ist, von wem der Abhängige sein Heroin erhält. ({7}) Im übrigen ist oft schon die Sprache - „Heroinsubstitution" - entlarvend. Wo bitte liegt da eine Substitution vor - außer der des Verkäufers durch eine offizielle Abgabestelle? ({8}) Daß Sprache verräterisch ist, habe ich auch von Frau Fischer-Menzel gehört, die bei ihrem Versuch das Wort „zunächst" gebraucht hat. Ich bitte, das im Protokoll nachzulesen. Was heißt denn hier „zunächst"? Dann legen Sie doch sofort einen Entwurf vor, der weitergeht. Wie verräterisch Sprache sein kann, haben wir vorhin auch bei der Kollegin Knoche gehört, die ausgerechnet mit den Worten „damit die Unterversorgung endlich ein Ende hat" ihre überlange Rede beendete. ({9}) Meine Damen und Herren, wenn man auf Umwegen hier ein politisches Ziel erreichen will, was man sich aber nicht ganz offen zu sagen traut, weil man in der Öffentlichkeit natürlich lieber einen liebenswerten Eindruck macht, wie das insbesondere bei den GRÜNEN der Fall ist, und weil man auch ein bißchen darauf vertraut, daß der politische Erfolg vor allem dadurch begründet wird, daß die meisten Bürger gar nicht wissen, was in den Programmen steht, ({10}) dann sollte man vorsichtig sein. Ich denke, dann darf man im letzten Satz nicht sagen, daß die Unterversorgung endlich beseitigt werden sollte. Wir reden hier doch nicht über Brotzuteilungen in Armenvierteln, meine Damen und Herren. Das ist doch wirklich eine Perfidie.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Lanfermann, die Kollegin Knoche würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gerne.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Bitte, Frau Kollegin.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Kollege, ich darf meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, daß z. B. der Drogenbeauftragte des Bundes bei unserer Anhörung auch nicht in der Lage war, eine korrekte sachliche Aussage zu machen. ({0}) Ich frage Sie: Ist es Ihnen möglich, in Ihre Ausführungen einzubinden, daß es Ärzte und Ärztinnen sowie Schmerztherapeuten und Schmerztherapeutinnen sind, die die Freigabe von Heroin über das BtMG verlangen, um Schmerzkranke und schwer Lebenserkrankte in den letzten Phasen begleiten zu können?

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Sie die Antwort noch hören wollen, Frau Kollegin, dann will ich sie Ihnen gerne geben. Das gibt mir Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß wir es nicht nur manchmal mit sprachlicher Verwirrung zu tun haben, sondern auch mit Schein- und Verwirrungsargumenten. Sie haben nämlich vorhin in Ihrer Rede genau das getan, was jetzt Ihrer Frage zugrunde lag: Sie haben sie auf ein völlig anderes Thema abgestellt, und zwar auf die Versorgung von Schwerstkranken, sei es mit Heroin, Morphium oder was weiß ich für Mitteln, und gesagt, daß jemand wünsche, daß es da Änderungen gebe. Über die Frage von Schmerztherapie insbesondere bei Schwerstkranken, wo in der Vergangenheit meiner Ansicht nach viele Fehler gemacht worden sind, können wir uns gerne unterhalten. Nur, daß Sie überhaupt das Thema hier angeschnitten haben, ist doch verwunderlich. Der Hamburger Gesetzentwurf handelt doch nicht von der Vergabe von Schmerzmitteln an Schwerstkranke, sondern er handelt davon, daß es einen Modellversuch für die Heroinabgabe an Abhängige geben soll. Deswegen können Sie doch nicht alles in einen Topf werfen, um damit über die wahren Absichten hinwegzutäuschen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Lanfermann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Knoche?

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich glaube, das hat gereicht. Danke schön. Meine Damen und Herren, ich gebe zu, daß der Süchtige nicht mehr gezwungen ist, sich das Geld für den Stoff zu beschaffen. Aber - ich komme auf mein Beispiel mit den vier Säulen zurück - ist es uns das wirklich wert, daß die Gefahr, die von harten Drogen ausgeht, gerade von jungen Menschen möglicherweise nicht mehr klar gesehen wird, weil natürlich - das ist doch das Problem, das bisher von denen, die für dieses Projekt sprechen, nicht angeschnitten worden ist - jede Abgabe von harten Drogen durch eine öffentliche Stelle einen Verharmlosungseffekt mit sich bringt? ({0}) Zumindest gilt das doch dann, wenn von denjenigen, die solche Versuche fordern, nicht gleichzeitig und mit gleicher Intensität die Gefährlichkeit von Drogen deutlich herausgestellt wird. Das geschieht manchmal, aber es geschieht nicht immer. Auch darauf will ich hinweisen. Deswegen sind auch die Vergleiche mit Alkohol einerseits richtig. Natürlich müssen wir von Suchtpolitik und nicht von Drogenpolitik sprechen. Das ist mir klar. Im übrigen gibt es keine staatlichen Ausschankstellen für Alkohol; aber es wird toleriert, daß über eine jahrtausendealte Kultur Alkohol genossen wird. Das ist wie bei allen Mitteln; das ist auch bei Nahrungsmitteln so. Das betrifft übrigens - es gab vorhin einen etwas ärgerlichen Zwischenruf von grüner Seite, den ich wiederum mit einem Zwischenruf kommentiert habe, den der Präsident Gott sei Dank nicht gehört hat - alle Menschen, gleich, welchem Beruf sie nachgehen. Aber es nützt doch nichts, auf die Gefährlichkeit von anderen Suchtmitteln hinzuweisen und damit im Endeffekt zu verharmlosen, was ein bestimmtes Suchtmittel angeht. Ich kann doch nicht deswegen, weil auf einigen Gebieten etwas falsch läuft, propagieren, daß das auch auf einem weiteren, noch gefährlicherem Gebiet falsch laufen soll. ({1}) Man muß doch versuchen, sozusagen an allen Fronten das Richtige zu tun. Im übrigen: Modellversuche sind gut und schön; aber sie sind noch besser und auch sinnvoller, wenn man die logisch vorrangigen, weil weniger risikoreichen und deswegen auch zuerst durchgeführten Modellversuche abwartet, d. h. hier die Versuche mit der Abgabe von Methadon. Der Großversuch in Nordrhein-Westfalen, den ich aus meiner Tätigkeit im dortigen Landtag sehr wohl mitverfolgen konnte, hatte z. B. den kleinen Schönheitsfehler, daß man die ausgeschiedenen Kandidaten teilweise durch neue ersetzt hat. Das können Sie in der entsprechenden Untersuchung nachlesen; das habe ich jetzt nicht erfunden. Das heißt, man hat gesehen, daß es zwar gute Erfolge gibt, daneben aber auch sehr viel Kritisches zu sagen gibt. Deswegen bin ich zwar nicht gegen Methadon-Versuche, aber ich bin dagegen, daß gesagt wird, das sei alles heile Welt. Hier gibt es genauso schlechte wie manchmal gute Ergebnisse. Das heißt, prüfen wir in Ruhe, ob nicht auch Schwerstkranken im Sinne von Schwerstabhängigen durch Methadon in ausreichendem Maße geholfen werden kann. Sie wissen, es gibt sehr wohl - ich spreche nur New York als Beispiel an - Versuche, die zeigen, daß man mit wesentlich mehr Methadon das erreichen kann, was Sie angeblich mit Ihrem Modellvorhaben versuchen. Ich denke, man sollte immer, auch wenn man in einer schwierigen Lage ist und es schwierig ist, Entscheidungen zu treffen, zunächst einmal den Weg des geringeren Risikos gehen, wenn man damit den gleichen Erfolg z. B. hin zu einer Therapiefähigkeit erzielen kann. Meine Damen und Herren, unser liberales Ziel ist es, allen Bürgern freie und eigenständige Entscheidungen so gut und so oft wie möglich zu ermöglichen. Das geht jedoch nur, wenn wir realistisch sind, ohne Abhängigkeit und Sucht oder mit möglichst wenig Abhängigkeit und Sucht. Deshalb haben für mich neben der Prävention Therapieangebote die absolute Priorität. Ich darf daran erinnern, ja sogar ermahnen, daß man zunächst bitte die Hausaufgaben auf diesem Gebiet macht, bevor wir über andere Dinge sprechen. Es werden immer wieder Beispiele genannt. Da kommen die Stichworte Liverpool, Niederlande oder Schweiz. Ich habe z. B. in der Schweiz eines gelernt: Es ist einfacher, eine Drogenpolitik aus einem Guß zu machen - egal, ob sie einem gefällt oder nicht -, wenn man in einem überschaubaren Lebenskreis, z. B. in der Stadt Basel, die Menschen vor sich hat, alle kennt und wo dann Drogenberater, Jugendhilfe, Staatsanwaltschaft, Gericht, Polizei und alle Parteien im Stadtrat dasselbe wollen. Es ist nämlich überhaupt das Geheimnis, daß sie dann, wenn sie einig sind, viel mehr erreichen. ({2}) Wenn aber Glaubenskriege geführt werden, bei denen man nachher nicht mehr weiß, warum noch diskutiert wird, ist das eine andere Frage; und das ist im übrigen auch mein Appell. Ich glaube, daß die Therapieangebote die ersten Aktivitäten sein müßten. Wenn ein Süchtiger monatelang warten muß, ehe er behandelt werden kann, führt das im besten Fall zu einer Manifestierung der Sucht - mit all den Nebeneffekten wie die Beschaffungskriminalität, die Sie beklagen, und im schlimmsten Fall sind sie auch tödlich. Seit vielen Jahren besteht in unserer Diskussion über eine vernünftige Drogenpolitik leider die Crux, daß immer gleich grundsätzliche Weichenstellungen versucht werden. Wer Modellvorhaben vorschlägt - und heute hat es die Sprache wieder verraten - hat im Hinterkopf oft schon den Einstieg in eine andere Drogenpolitik, ({3}) ohne es aber immer klar auszudrücken. Deswegen sagen wir Liberalen ja dazu, nach Wegen zu suchen, Süchtige und ihre Angehörigen nicht allein zu lassen. Wir wissen auch - ich wiederhole es -, daß man dazu manchmal doch unkonventionelle Wege gehen muß. Wir sagen aber nein zu einer Modellversuch" genannten Freigabe von Heroin und anderen Drogen des Betäubungsmittelgesetzes, weil damit offensichtHeinz Lanfermann lich eher die Probleme der handelnden Behörden als die Probleme der Süchtigen gelöst werden sollen. Deswegen interessanterweise auch die Beschränkung auf eine Großstadt, in der ich in der Tat im Durchschnitt weniger Kontakt zu den Leuten habe als in einer Kleinstadt! Nach dem Sinn Ihres Versuches müßten Sie eigentlich in Kleinstädten anfangen. Die haben aber keine Landesregierung; das ist vielleicht der Unterschied. Meine Damen und Herren, der Einstieg in eine Drogenpolitik, die je nach Standpunkt - manchmal schon resignativ oder manchmal noch erwartungsvoll optimistisch - nur die traurige Realität nachvollzieht, darf nicht sein. Sie hilft nicht wirklich dem Süchtigen und dient nicht wirklich dem obersten Ziel von Drogenpolitik, nämlich zu weniger Sucht in der Gesellschaft. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Der Kollege Haack wollte eine Zwischenfrage stellen, aber Sie waren entfleucht. Jetzt rufe ich die Kollegin Ulla Jelpke auf.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bereits gesagt worden, daß wir vor gut einem Jahr in der letzten Legislaturperiode die Debatte um genau diesen Antrag aus dem Bundesrat leider nicht zu Ende geführt haben. Damals wie heute empfindet die Bundesregierung die Zulassung wissenschaftlicher Untersuchungen über die ärztlich kontrollierte Abgabe sogenannter harter Drogen entweder als Sündenfall vor dem Glauben an eine repressive Drogenpolitik oder als schlichtweg überflüssig, wie wir heute wieder hören konnten. Die Bundesregierung muß endlich zur Kenntnis nehmen, daß ihre auf Kriminalisierung setzende Drogenpolitik restlos gescheitert ist. Das, was uns vor kurzem der Drogenbeauftragte Eduard Lintner in seinem Jahresbericht präsentiert hat, ist mehr als jämmerlich. Trotz repressiver Drogenpolitik können wir erkennen, daß sich die Zahl der Erstkonsumentinnen und -konsumenten um 91 % erhöht hat. Ebenso ungebrochen sind die Steigerungen des Angebots von illegalen Drogen. Als Erfolg der Drogenpolitik will uns der Bundesbeauftragte für die Drogenpolitik verkaufen, daß es weniger Drogentote gibt. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, daß sich die Bundesregierung das von ihr verursachte Drogenelend dadurch vom Hals schafft, daß sie die Folgen ihrer Drogenpolitik exportiert, und zwar in Länder, die eine liberalere Drogenpolitik praktizieren. Dort, z. B. in den Niederlanden und der Schweiz, muß man sich heute um deutsche Junkies kümmern. Die Abkehr von einer auf Kriminalisierung setzenden Drogenpolitik ist für viele ein schmerzlicher Prozeß; das konnten wir heute wieder hören. Man muß sich nämlich von allzu einfachen, populistischen Glaubenssätzen verabschieden. Keiner kann dies besser beurteilen als beispielsweise die Polizistinnen und Polizisten der Rauschgiftdezernate, die auf Grund der deprimierenden Erfahrungen in ihrer beruflichen Praxis immer lauter nach einer Entkriminalisierung rufen. Nicht nur vom ehemaligen Bonner Polizeipräsidenten, auch in leitenden Abteilungen der Hamburger Polizei wird festgestellt, daß der polizeiliche Alltag zu 65 % mit Vorgängen überfrachtet ist, die unmittelbar oder mittelbar mit der Kriminalisierung von Drogenkonsumenten zusammenhängen. Erst mit der Kriminalisierung wird ja der wirtschaftliche Anreiz geschaffen, dem illegalisierten Drogenmarkt gigantische Extraprofite zuzuschieben. Ärztlich verabreichte Drogen würden nämlich nur 1 % des heutigen Straßenverkaufspreises kosten, wäre der Drogenkonsum entkriminalisiert. Heute müssen Junkies für ihren Drogenkonsum 5 000 bis 8 000 DM im Monat aufbringen. Erst die Illegalisierung der benötigten Drogen treibt diese Leute in die Beschaffungskriminalität. Anstatt der Forderung aus der polizeilichen Praxis nach Entkriminalisierung zu folgen, exportiert die Bundesregierung nicht nur die Sucht, sondern auch noch ihren aufgeblähten Fahndungsapparat. Die Millionen, die für eine zu verstärkende Sozialarbeit und für die Prävention fehlen, werden bei der europäischen Drogenbekämpfungsbehörde und der Polizei hierzulande in einer sowohl gesellschaftlich wie auch kriminalpolitisch unsinnigen Auseinandersetzung verpulvert. Den Initiatoren im Bundesrat möchte ich folgendes sagen: Ihr Antrag ist besser als gar nichts - wir werden ihn unterstützen -, aber er geht nicht weit genug. Es wird nämlich so getan, als gäbe es die Untersuchungen, die Sie verlangen, überhaupt nicht. Das stimmt meines Erachtens nicht. Länder und vor allen Dingen praktische Beispiele sind hier heute schon genannt worden. Beispielsweise in Liverpool gibt es ein Programm, im Rahmen dessen Menschen, die abhängig sind, Heroin, Kokain, Morphium, Amphetamine und Methadon auf ein ärztliches Rezept hin bekommen können. Auch finden dort begleitende therapeutische Maßnahmen statt. In dieser Stadt ist es gelungen, den Straßenhandel erheblich zu verringern und Kriminalitätsraten zu senken. Im übrigen kann man lediglich sagen, was hier immer wieder betont wird: Nur sauberer Stoff kann den Junkies wirklich helfen, zu überleben. Ich denke, die Tatsache, daß der Stoff hier illegal gehandelt wird und natürlich von den Händlern mit allen möglichen Zusätzen gepanscht wird, ist in der Regel der Grund dafür, daß es zur Überdosis bzw. zum Drogentod kommt. Alles spricht für die sofortige Entkriminalisierung. Aus diesem Grund haben wir in der vergangenen Woche einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Es reicht meines Erachtens nicht, SubstitutionsproUlla Jelpke gramme einzuführen, dann aber den Kreis der Teilnahmeberechtigten auf Schwerstabhängige oder aidsinfizierte Drogenkonsumentinnen und -konsumenten zu begrenzen. Darüber hinaus müssen ausreichende sozialtherapeutische Begleitprogramme eingeführt werden. Sonst bleiben beispielsweise viele Methadonabhängige ohne eine Perspektive sozialer oder beruflicher Art. Sie werden zwar in die Programme aufgenommen, jedoch wird ihnen anderweitig kaum geholfen. Die drogenpolitischen Kreuzritter der Bundesregierung scheren auch wissenschaftliche Untersuchungen einen feuchten Kehricht. Sie führen einen ideologischen Kampf, der blind für die Probleme des Drogenalltages ist. In der Bundesrepublik starben im vergangenen Jahr 1 624 Personen an illegalisierten Drogen - eine erschreckende Zahl. Aber wie sieht die Reaktion darauf aus, daß hierzulande jährlich 40 000 Menschen allein an der Droge Alkohol sterben und sich die volkswirtschaftlichen Folgekosten der Alkoholsucht auf 50 Milliarden DM pro Jahr belaufen? Der ideologisch bornierten Drogenpolitik der Bundesregierung sind die Maßstäbe abhanden gekommen. Würden sie dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes folgen, dann würden nicht irgendwelche Kifferfeten oder Fixerräume aufwendig kriminalisiert werden, vielmehr müßte dann, um das Beispiel des Lübecker Richters Neskovic zu zitieren, das Münchener Oktoberfest als eine kriminelle Großveranstaltung angesehen werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Röttgen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Kernproblem des Gesetzentwurfs des Bundesrates besteht darin, daß er die Drogenpolitik in ein Dilemma führt; denn wenn der Staat die Erlaubnis gibt, Drogen legal zu verabreichen, dann tut der Staat exakt das, was zu verhindern doch gerade das Ziel der Drogenpolitik sein muß und ist. Der Staat soll nach diesem Gesetzentwurf die rechtliche Voraussetzung dafür schaffen, daß Drogen legal eingenommen werden können, Drogen, die die Persönlichkeit, die Gesundheit und das Leben zerstören können, und er kann dabei natürlich nicht ausschließen, daß es infolge dieses legalisierten Drogenkonsums zu Gefährdungen dritter Personen kommt. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen uns die entscheidende Frage stellen, ob der Staat dies verantworten kann. Wir können uns nur einige Fallbeispiele überlegen. Man könnte mehrere hinzufügen. Was ist, wenn ein Drogenabhängiger, der vom Staat mit Drogen versorgt wird, auch durch weitere Verhaltensweisen zu Tode kommt? Was ist, wenn infolge des Drogenkonsums ein solcher Drogenabhängiger, der, wie gesagt, vom Staat versorgt wird, einen Autounfall verursacht und dieser Autounfall einen tödlichen Ausgang nimmt? Meine Damen und Herren, in diesen Fällen mit einem tödlichen Ereignis liegt die Kausalität und auch ein Stück der Verantwortung für ein solches tödliches Ereignis beim Staat und letztlich auch beim Gesetzgeber. Wir sind der Auffassung: Dies kann nicht verantwortet werden. ({0}) Wir sind der Auffassung, daß der Staat diese Verantwortung nicht übernehmen kann. Er würde sich in unlösbare Widersprüche zu seinem Auftrag, Leben und Gesundheit zu schützen, verstricken. Wir sind der Auffassung, er würde auch die Grundlagen legitimen staatlichen Handelns verlassen, indem er Gefährdungen menschlichen Lebens in Kauf nimmt, ohne hierzu unausweichlich und notwendig gezwungen zu sein. Darum halten wir diesen Weg für falsch.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Röttgen, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Buntenbach?

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Annelie Buntenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, meine Frage ist, ob Sie diese von Ihnen so zitierte Verantwortung des Staates nicht auch da sehen, wo die Kriminalisierung des Staates dazu führt, daß Leute durch verunreinigten Stoff, der in mafiösen Zusammenhängen gehandelt wird, zu Tode kommen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der grundsätzliche Unterschied liegt doch darin, daß in dem Gesetzentwurf, den Sie vorschlagen, der Staat selber aktiv handelt, indem er die möglicherweise tödliche Droge verabreicht. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied dazu, ob Sie sagen, der Staat müßte mehr dazu tun, daß diese anderen Drogen auf illegale Weise nicht eingenommen werden. Darum sehe ich in der Tat einen grundsätzlichen Unterschied, ob der Staat selber Drogen verabreicht und damit zu solchen Konsequenzen die Grundlage schafft oder ob der Staat eingreift, um den Drogenkonsum zu verhindern. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied, auf den ich hinweisen möchte. ({0}) Aber ich will Ihnen auch gar nicht unterstellen, daß Sie diese Problematik nicht sehen. Das wäre sicherlich eine falsche Unterstellung. Es werden in dem Gesetzesentwurf aus den beiden Bereichen, die die Drogenproblematik ausmachen, Rechtfertigungsgründe dargestellt, die das Ganze rechtfertigen sollen. Es sind die beiden Bereiche der individuellen Verelendung und der schädlichen sozialen Folgen des Drogenkonsums, insbesondere der Begleitkriminalität. Hier erwarten Sie sich erhebliche Verbesserungen. Der Vorschlag nimmt in Anspruch, daß die Begleitkriminalität zurückgeht, wenn Drogen staatlicherseits legal abgegeben werden können. Herr Kollege Hüppe hat ausgeführt, daß diese Erwartung vielleicht keine realistische ist. Ich möchte das dahingestellt sein lassen, meine Damen und Herren, weil wir es ablehnen - ich möchte das mit Nachdruck feststellen -, die Abgabe von Drogen als Mittel der Kriminalitätsbekämpfung einzusetzen. Sie nehmen die Drogenabgabe als Mittel der Kriminalitätsbekämpfung für sich in Anspruch und versuchen damit, diesen Vorschlag populär zu machen. Wir halten es für eine zutiefst inhumane und auch rechtsstaatswidrige Art und Weise, Kriminalität zu verfolgen, indem wir die potentiellen Täter versuchen durch Drogenabgabe ruhigzustellen. Das ist mit unserer Verfassung, das ist mit rechtsstaatlichen und auch mit humanen Grundsätzen nicht vereinbar. Drogenabgabe ist kein Mittel der Kriminalitätsbekämpfung. ({1}) Sie wollen außerdem durch die Drogenabgabe die Drogenabhängigen dem Milieu entreißen. Sie wollen die soziale Integration dadurch gewährleisten. Kollege Hüppe hat schon darauf hingewiesen, daß berechtigte Zweifel bestehen, ob Sie das mit Ihrem Vorschlag erreichen können. Ich will auch das dahingestellt sein lassen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Röttgen, es besteht noch ein Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Kollegin Köster-Loßack.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. Angelika Köster-Loßack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002704, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben gesagt, daß die potentiellen Kriminellen durch Drogenabgabe ruhiggestellt werden sollen. Können Sie mir zustimmen, daß es in dem Gesetzesvorschlag und bei den Schlußfolgerungen dazu um die organisierte Kriminalität geht und der Zusammenhang ein ganz anderer ist? Wenn Sie sich mit dem historischen Wachsen der organisierten Kriminalität in den Vereinigten Staaten beschäftigen würden, wüßten Sie, daß diese Strukturen erst mit dem Prohibitionsgesetz der 20er Jahre entstanden sind. Nur um diesen Zusammenhang geht es, also darum, die organisierte Kriminalität auszuhebeln und dieser den Boden zu entziehen.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn das Ihre Meinung ist, ist es in Ordnung. Es ist aber nicht die Begründung des Gesetzentwurfs. Hier geht es ausdrücklich - es ist auch von mehreren Rednern heute wieder bestätigt worden - um folgendes: Wenn sich ein Drogenabhängiger auf legale Weise Drogen beschaffen kann, ist er nicht mehr darauf angewiesen, sich durch Beschaffungskriminalität die finanziellen Mittel zu besorgen, um seine Drogenabhängigkeit zu befriedigen. Es geht darum, die Beschaffungskriminalität auf diese Weise einzudämmen. Das habe ich eben aufgegriffen. Das ist expliziter Teil der Begründung des Gesetzentwurfs. Wir halten dies für inhuman, und dabei bleiben wir. ({0}) Der zweite Anspruch, den das Gesetz hat, ist, die Drogenabhängigen ihrem Milieu zu entreißen. Was diesen Anspruch anbelangt, leidet der Gesetzentwurf unter einem eklatanten Mangel - es ist bereits in der Debatte darauf hingewiesen worden -, denn der Gesetzentwurf knüpft die legale Abgabe von Drogen gerade nicht an eine gleichzeitig stattfindende psychosoziale Betreuung und Begleitung. Darauf verzichtet er. ({1}) - Sie können ruhig mit dem Kopf schütteln. Dadurch wird der Gesetzentwurf auch nicht anders. Er verzichtet gerade darauf, die psychosoziale Betreuung als Kondition der Abgabe von Drogen sicherzustellen. Lesen Sie ès noch einmal nach. Es steht nicht drin. Sie verzichten darauf. Wir kommen damit zur Wirklichkeit der Drogenproblematik, meine Damen und Herren. Sie besteht nicht darin - darauf ist schon hingewiesen worden -, daß es zuwenig Gesetze gibt, sondern darin, daß es bereits heute zahlreiche Drogenabhängige gibt, die bereit sind und die Kraft haben, der Droge zu entsagen und an Entgiftungsprogrammen und Therapieprogrammen teilzunehmen. Aber es fehlt an Plätzen, es fehlt an Entgiftungsprojekten, es fehlt an Therapieplätzen. Hier liegt die entscheidende politische Verantwortung, übrigens bei den Ländern, die hier in unerträglicher Weise ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. ({2}) Sie sollten den Drogenabhängigen Hilfe zukommen lassen, statt lauter Gesetzentwürfe zu machen. Das würde den Drogenabhängigen mehr helfen. Es ist der eigentliche Skandal in der Drogenpolitik, daß den Drogenabhängigen die wirkliche Hilfe und Therapie verweigert wird, meine Damen und Herren. Dies muß abgestellt werden. ({3}) Wir sehen also, daß die Ziele, die der Gesetzentwurf für sich in Anspruch nimmt, mit untauglichen und zum Teil mit illegitimen Mitteln verfolgt werden. Deshalb kommen wir auch zu dem Ergebnis, daß wir das, was hier in einen wissenschaftlichen Versuch gekleidet wird, enttarnen müssen. Meine Damen und Herren, es geht Ihnen nicht - das ist legitim - um einen wissenschaftlichen Versuch. Es geht Ihnen um eine grundsätzlich andere Drogenpolitik, eine Drogenpolitik, die darauf abzielt - Frau Knoche hat es eben relativ ausdrücklich gesagt -, Drogen gesellschaftlich zu integrieren, zu enttabuisieren und zu legalisieren. Das, was ich an dieser Argumentation - Frau Jelpke hat sie eben wieder aufgegriffen - nun wirklich nicht verstehe, ist folgendes: Sie sagen, wir haNorbert Röttgen ben doch schon bestimmte Drogen, die eingenommen werden. Alkohol ist genannt worden. Wenn es bereits Drogen gibt, gegen die wir, weil sie legal sind, keine kulturelle Abwehrfähigkeit mehr haben, was macht es dann für einen Sinn, noch für weitere Drogen die Legalität einzuführen und über das Vehikel der Legalisierung auch die soziale und kulturelle Abwehrfähigkeit zu verlieren? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gilges?

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, die Drogenpolitik in der Bundesrepublik ist, wie die Daten und Fakten zeigen, offensichtlich generell gescheitert. Die Anzahl der Drogentoten steigt; allein in einer Großstadt wie Köln gab es im letzten Jahr 98 Drogentote. Sind Sie nicht der Meinung, daß es lohnenswert ist, darüber nachzudenken, ob man diese Politik, die man, bezogen auf dieses Problem, in den letzten 20, 30 Jahren betrieben hat, nicht einmal grundlegend auf den Prüfstand stellen sollte? Sollte man nicht einmal darüber nachdenken, ob nicht alternative Modelle notwendig geworden sind? Denn eine gescheiterte Politik wird doch nicht dadurch besser, daß man sie immer weiter fortsetzt. Sie kann doch nur dann besser werden, wenn man sie korrigiert und ändert. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Situation der Drogenabhängigen - ich glaube übrigens, daß das in der modernen Gesellschaft so sein wird - kann nicht befriedigen. Daß wir eine befriedigende Situation haben, hat hier keiner für sich in Anspruch genommen. Ihre Schlußfolgerung, daß die Drogenpolitik gescheitert ist, ist falsch. Das schlechteste Zeugnis muß man der Therapiepolitik der Länder ausstellen, nicht aber der Drogenpolitik auf Bundesebene. Herr Kollege Gilges, Sie haben gesagt, es gebe hier möglicherweise noch etwas zu verbessern. Das haben alle hier zum Ausdruck gebracht: Wir müssen an einer anderen und besseren Drogenpolitik weiterarbeiten. Das will überhaupt keiner in Abrede stellen. Nachdenken lohnt sich übrigens immer. Aber daraus folgt noch lange nicht, daß Ihr Vorschlag eine bessere Politik darstellt. Ihr Vorschlag hat eine Verschlechterung der Situation zur Folge, weil er - das ist der entscheidende Gesichtspunkt, den ich anführen möchte - dazu führt, daß unsere kulturelle und soziale Abwehrfähigkeit gegenüber Drogen verlorengeht. Diese Fähigkeit ist viel wichtiger als die gesetzliche Abwehr von Drogen. ({0}) Die kulturelle Abwehr ist das Entscheidende. Sie sind dabei, auch diese letzte Bastion gegen die Ausweitung von Drogen noch abzubauen, indem Sie der Gesellschaft die kulturelle Abwehrfähigkeit nehmen. Sie beschreiten einen Weg, an dessen Ende - diese Befürchtung muß man haben, Kollege Gilges - eben mehr Drogenkonsum steht. Darum ist es ein Irrweg, den wir nicht mitgehen werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Mertens.

Angelika Mertens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002734, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in den meisten Fällen nicht unklug, das, was erfahrene Kolleginnen und Kollegen über das Klima von Drogendebatten zu berichten haben, auch zu glauben. Ich habe mir deshalb zur Vorbereitung meiner Rede einmal angeguckt, was in den vorangegangenen Debatten zum Thema kontrollierte Heroinverabreichung mit welchen Argumenten gesagt wurde. Vom Klima her waren diese Debatten - das kann jeder nachlesen - eine Katastrophe, also sozusagen eine Klimakatastrophe. Daran hat sich eigentlich auch heute nichts geändert. Grundsätzlich ideologische Bedenken bei der CDU/CSU machen eine Diskussion, eine wirkliche Auseinandersetzung mit Ihnen so schwer. Die F.D.P., die mittlerweile auf das reale Maß geschrumpft ist, tut so, als wäre sie ein bißchen offener, aber will wahrscheinlich keinen Koalitionskrach. Wie spannend! Wir könnten diese Debatte jetzt hier eigentlich abbrechen ({0}) - das habe ich erwartet -, weil wir auf dieser Basis auf ewig aneinander vorbeireden werden. Wir tun das als hoffentlich gute Abgeordnete natürlich nicht, auch wenn es noch so schwerfällt, hier zu sitzen und zuzuhören. Wenn es nämlich ein Problem gibt, das nicht auf der Ebene von Ideologie und der bloßen Theorie gelöst werden kann, dann ist es das Problem der Sucht. ({1}) Ich möchte Sie deshalb einladen, sich jetzt mit mir auf eine kleine Reise zu begeben, und zwar dahin, wo all das passiert, worüber wir heute reden, nämlich zur Endstation nach ganz unten. Dabei schauen wir mal, ob es genügend Haltestellen gibt, bevor die Türen gänzlich zugehen. Zum besseren Verständnis und zur besseren Orientierung machen wir aber jetzt erst mal einen kleinen Umweg. Sie werden es schon wissen, es kommt jetzt nämlich der Vergleich. Das haben Sie wahrscheinlich erwartet, und dieser Vergleich ist ja auch an anderer Stelle von Vorrednerinnen und Vorrednern schon gezogen worden, Dieser Vergleich wird sicherlich Widerspruch hervorrufen. Trotzdem kann er eine Abkürzung zur Lösung unseres Debattenproblems sein. Dieser kleine Umweg führt uns nämlich dahin, wo wir alle völlig legal und gesellschaftlich sanktioniert, manchmal trotzdem verschämt, oft aber auch mit großem Genuß unser eigenes bürgerliches Fixerbesteck zur Hand nehmen und damit die eine oder andere Flasche aufmachen. - Ich hatte eigentlich erwartet, daß Sie sich jetzt aufregen. ({2}) Ich habe damit gezeigt, daß diese Diskussionen von einer fast unerträglichen Doppelmoral begleitet werden. ({3}) Ich halte diesen Vergleich mit dem Alkohol für legitim. Ich halte ihn auch deshalb für legitim, weil überaus gesellschaftsfähige Menschen sich jeden Tag mit dem Mittel therapieren, von dem sie abhängig sind, und kein Mensch nimmt Anstoß daran, solange sie funktionieren. ({4}) Das, so denke ich, ist die Wahrheit. Das Thema Sucht bietet sich geradezu an, nicht genügend zwischen Glauben und Wissen zu unterscheiden. Deshalb sollten wir gemeinsam den Versuch machen, noch einmal zu sortieren, uns die folgenden Daten und Fakten ansehen und die Instrumente der Drogenpolitik auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Es ist ja nicht zu leugnen, daß trotz eines enormen Ausbaus der Drogenhilfe und der Rauschgiftfahndung in den letzten Jahren, trotz aufwendiger und kostspieliger Aufklärungskampagnen die Zahl der Drogenabhängigen nicht etwa abgenommen, sondern zugenommen hat. Daraus kann man jetzt zwei Schlüsse ziehen: Wenn es nichts nützt, ist es überflüssig, oder: Wenn es nicht ausreichend greift, müssen neue Ansätze erprobt werden. Wir sind uns wohl einig, vielleicht auch mit unterschiedlichen Gewichtungen in den einzelnen Fraktionen, daß Alternative 1 zwar formal logisch ist und wahrscheinlich auch alle Finanzminister erfreuen würde, ansonsten aber eine absolute Bankrotterklärung wäre. Bleibt uns also das Erproben neuer Ansätze. Jeder jetzt schon praktizierte Ansatz stellt gleichzeitig auch eine Haltestelle auf dem Weg nach unten dar. Trotzdem gibt es eine Reihe von Menschen, die hier nicht aussteigen können, die weiterfahren.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Angelika Mertens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002734, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, würden Sie die Meinung teilen, daß zum Anstieg der Zahl von Drogenabhängigen auch solche Bemerkungen beitragen könnten wie die, daß man mit Heroin sehr wohl sehr alt werden könnte, wie das eben der Fall war, oder wenn man die Drogen weiter verharmlost oder ständig erzählt, Cannabis habe genauso viel oder noch weniger Ungefährlichkeit wie Alkohol?

Angelika Mertens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002734, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich denke, man kann medizinische Ergebnisse, die es gegeben hat, nicht deshalb unterdrücken, weil sie in der Öffentlichkeit sein können oder in der Öffentlichkeit verbreitet werden können. Ich denke, ich habe Ihre Frage damit beantwortet. Sie können nicht sortieren. In einem demokratischen Lande kann es niemals eine Freiheit von Sucht geben, und ich denke, das müssen Sie akzeptieren. Schauen wir uns doch einmal einige Fakten an. Fakt ist zum Beispiel, daß es in einer Großstadt wie Hamburg etwa 9 000 bis 10 000 Konsumenten harter Drogen, also Kokain- und Heroinabhängige gibt, übrigens auch 50 000 bis 60 000 Alkoholkranke und etwa 420 000 Nikotinsüchtige sowie auch 8 000 bis 16 000 Medikamentenabhängige. Fakt ist, daß dort jährlich 3 Millionen Spritzen getauscht werden. Das sind etwa 8000 Spritzen am Tag. Und Fakt ist, daß die meisten Konsumenten harter Drogen, nämlich 70 bis 80 % - das hat Frau Senatorin Fischer-Menzel auch gesagt -, mit den Beratungs- und Hilfsangeboten erreicht werden können. In den letzten Jahren wurde ein sehr differenziertes Instrumentarium geschaffen, das zukünftig sicherlich noch ausgebaut wird. Die überwiegende Zahl dieser Konsumenten - jetzt hören Sie am besten einmal sehr gut zu! - wird nicht Zielgruppe einer kontrollierten Heroinverabreichung sein, auch wenn Sie dies wider besseres Wissen immer wieder behaupten. Zielgruppe sind auch nicht die Ausstiegswilligen und Ausstiegsentschlossenen. Erste Zielgruppe dieser Initiative sind die, die bis zur Endstation durchfahren. Das sind die, die stark verelendet sind. Das sind die, die sich mit Beschaffungsdelikten und Dealerei das notwendige Geld besorgen. Das sind Menschen, die sich ihr Wasser aus dem Klo oder aus der Pfütze ziehen, um ihren Stoff aufzulösen. Das sind die, die in den Hütten der Bauspielplätze übernachten, und die Junkies, die an den Bahnhöfen stehen und nach „'ner Mark" oder „'nem Fuffi" betteln. Wer mit der U-Bahn fährt, der weiß, es sind die, die selbst in der Rushhour einen U-BahnWagen für sich alleine haben, weil ihr Körper mit Abszessen und Krätze übersät ist. Das sind die, die sich in aller Öffentlichkeit einen Schuß setzen. Das sind die HIV-Positiven und die, die ihren Körper für einen Schuß verkaufen müssen. Das sind schließlich die Menschen, die plötzlich mit einer unheimlichen Aggressivität auf andere losgehen, weil es in ihrem Kopf keine Kontrolle mehr gibt. All diese Menschen sind kein Fall für den Knast, sondern sie sind ein Fall für eine auf sie abgestimmte Hilfe. Hier stellt sich die Frage: Wie kann ihnen angemessen geholfen werden? Gibt es für sie überhaupt ein Angebot? Sie werden mir jetzt wahrscheinlich vorwerfen, ich würde ein Horrorszenario entwerfen. Ich kann Ihnen versichern, alles, was ich aufgezählt habe, erlebe ich auch da, wo ich wohne, nämlich mitten in einer Großstadt. Ich bin Ihnen gegenüber wahrscheinlich ein bißchen im Vorteil, weil mein Wissen nicht aus der Zeitung und auch nicht aus einem Wahlkampfbesuch in der Drogenberatungsstelle stammt. Ich kann jeden Bürgermeister und übrigens auch jede Bürgermeisterkandidatin verstehen, der oder die endlich ein Instrument in der Hand haben will, mit dem wirksam ein Zusammenleben mit den Schwerstabhängigen gestaltet werden kann. Was glauben Sie, wie schnell sich ein Stadtteil verändern kann, wieviel Angst auf beiden Seiten das Zusammenleben vergiftet, wenn Süchtige ihr Leben nicht mehr organisieren können, ohne sich selbst und vielleicht auch andere zu gefährden, und wenn jeden Morgen im Park, dem vielleicht einzigen Stück Grün zwischen den Häusern, die Spritzen eingesammelt werden müssen, damit sich die Kinder aus dem Kindertagesheim nicht verletzen? Weil dies alles nicht zum Alltag werden darf, sollten wir zur zweiten Zielgruppe dieses Projektes die zählen, die zwar hochgradig abhängig, aber noch nicht völlig desintegriert sind. Damit könnte bei ihnen auch der Prozeß einer Verelendung, einer psychischen, somatischen und sozialen Verelendung, vermieden werden. Für beide Gruppen, diejenigen, die schon massivst verelendet sind, und diejenigen, die sich schnurstracks auf dem Weg dahin befinden, geht die Forderung nach mehr Therapieplätzen ins Leere. Viele haben bereits mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich. Deshalb müssen realistische, erreichbare Ziele formuliert werden. Es müssen Zwischenschritte gemacht werden. Wenn im schönsten Falle am Ende die Abstinenz steht, dann steht am Anfang die gesundheitliche und psychische Stabilisierung. Die Berichte aus Großbritannien über das WidnesProjekt lassen den Schluß zu, daß dort sehr erfolgreich gearbeitet wurde und hoffentlich auch in Zukunft gearbeitet wird. Auch der ,Zwischenbericht des Schweizer Bundesamtes für Gesundheitswesen zum Projekt „Ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln in der Schweiz„ ist sehr ermutigend. Würden wir alle zusammen den richtigen Weg kennen, würden wir heute natürlich nicht miteinander diskutieren. Ich hoffe aber sehr, man kann Menschen, die, aus was für Gründen auch immer, schwer heroinabhängig geworden sind und auf andere Behandlungen nicht ansprechen, mit genau dieser Droge wieder ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Keiner von uns weiß, ob es der richtige Weg ist, wie keiner von uns weiß, daß er es nicht ist. Überprüfen können wir aber nur das, was wir dann auch zum Überprüfen haben. Wir wissen, daß alle Aufklärung, alle polizeilichen Maßnahmen, alle Strafen nicht dazu geführt haben, den Drogenkonsum einzuschränken. Ich behaupte, daß eine zusätzliche, eine kontrollierte Haltestelle, nämlich die Heroinbehandlung, vielen Abhängigen das Leben erhalten wird. Wenn Sie sagen, die Verabreichung von Heroin sei mit der Menschenwürde nicht vereinbar, dann nehme ich Sie gerne mit, die Menschenwürde der Junkies an Ort und Stelle mit mir zusammen zu überprüfen. Jede Beratung, jede Therapie kann erfolgreich sein oder mißlingen. Es gibt dafür keine Garantie, wie es übrigens auch keine Garantie dafür gibt, ein guter Mathematikschüler zu werden. Viele brauchen mehrere Anläufe, ihren Konsum in den Griff zu bekommen, die Substitution ohne Beikonsum durchzuhalten oder sogar clean zu werden. Wenn wir uns darüber verständigen, daß es manchmal einen dritten und vierten oder manchmal auch einen fünften und sechsten Anlauf geben kann, dann ist es unlogisch, einen Bereich herauszunehmen. Wer vor der Endstation nicht aussteigen kann, dem sollte eine Bedarfshaltestelle geschaffen werden; denn er ist beim Arzt noch allemal besser als beim Dealer aufgehoben. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herzlichen Dank. - Das Wort hat jetzt die Staatssekretärin Frau Bergmann-Pohl.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ehe ich zum Antrag des Bundesrates Stellung nehme, möchte ich hier zwei Richtigstellungen vornehmen. Herr Kollege Gilges, die Zahl der Drogentoten hat bundesweit nicht zugenommen, sondern sie ist in den letzten beiden Jahren Gott sei Dank zurückgegangen. Ich kann Ihnen die Zahlen gerne zur Verfügung stellen. Wir beklagen jeden Drogentoten, und wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir den Tod eines jeden Drogenabhängigen vermeiden können. Aber ich glaube, der Antrag des Bundesrates ist der falsche Weg. Frau Mertens, wenn Sie sagen, daß die Zahl der Drogenabhängigen zugenommen habe, dann will ich Ihnen erwidern, daß es Untersuchungen gibt, die eindeutig belegen, daß die Bereitschaft bei Jugendlichen, Drogen zu nehmen, bis 1992 kontinuierlich abgenommen hatte. Leider hat sie 1993 wieder zugenommen, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem in der Öffentlichkeit über die Legalisierung von Drogen diskutiert wurde. ({0}) Ich glaube, daß das die Hemmschwelle bei den Jugendlichen senkt. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zu dem Antrag des Bundesrates Stellung nehmen. Wir lehnen diesen Antrag ab, und dafür gibt es sehr gute Gründe. Erstens ist zu befürchten, daß die staatliche Vergabe harter Drogen - auch in einem Modellversuch - insgesamt zu einem weiteren Anstieg der Zahl der Süchtigen führen wird. Zweitens werden Modellversuche u. a. mit Heroin für viele Abhängige den Anreiz schaffen, die Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen. Drittens sind Modellversuche mit Heroin für zahllose Drogengefährdete zugleich das Signal, daß harte Drogen nicht mehr geächtet, sondern im Extremfall sogar vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Damit würde die Prävention von Drogenmißbrauch insgesamt fragwürdig. Nun wird ja von Befürwortern einer Heroinvergabe immer wieder behauptet, daß damit sogenannte Schwerstabhängige besser erreicht werden könnten. Das haben wir heute auch hier wieder gehört. Meine Damen und Herren, die Realitäten sehen aber anders aus. Eine im Herbst 1992 durchgeführte Befragung von Abhängigen ergab, daß 75 % von ihnen bereits Kontakt mit Drogenhilfeprogrammen hatten, um Maßnahmen gegen ihre Abhängigkeit zu ergreifen. 30 % warteten auf einen Therapieplatz, ebenso viele auf einen Platz zur Entgiftung. Nur 10 % hatten eine ablehnende Einstellung zur Abstinenz. Über 50 % der Abhängigen hatten einen oder mehrere Selbstentzüge unternommen, um sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Diese Menschen haben den Wunsch, besonders bei der Suche nach Arbeitsplätzen und Wohnungen, nicht aber noch weiterhin mit Rauschgift, staatlich sanktioniert, unterstützt zu werden. Eine Gesetzesinitiative, die den schwerkranken Abhängigen, die vom Heroin allein nicht mehr wegkommen, weiterhin Heroin anbieten will, ist keine Hilfe, sondern, meine Damen und Herren, ein Irrweg. Oder soll Ihr Modellversuch - Frau Knoche hat das ja deutlich gemacht - der Beginn einer Legalisierungsspirale sein? Es ist auch deshalb ein Irrweg, weil die Befürworter einer kontrollierten Abgabe von Heroin auf entscheidende Fragen keine vernünftigen Antworten geben können oder wollen. Diese Fragen liegen auf der Hand. ({1}) - Haben Sie eigentlich schon den nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan gelesen? - Offensichtlich nicht. Darf sich ein Arzt tatsächlich damit begnügen, den Krankheitszustand eines Abhängigen lediglich zu kontrollieren, Abszesse, Hepatitis und HIV-Infektionen möglichst zu verhindern, ihn im übrigen aber weiterhin mit Heroin behandeln? Was geschieht denn, wenn der so „Behandelte" den Arzt eine Zeitlang oder endgültig nicht mehr aufsucht und sein Heroin lieber wieder auf der Straße holt oder wenn er andere Drogen haben will wie z. B. Kokain, Amphetamin und Tranquilizer? Ist es nicht gerade die Aufgabe des Arztes, von harten Drogen abhängige und damit kranke Menschen davon zu überzeugen, daß ein Entzug der richtige Schritt aus der Abhängigkeit ist? ({2}) Meine Damen und Herren, ich glaube, das wäre die Bankrotterklärung in der Drogenpolitik. Diese Menschen brauchen wirklich Hilfen. ({3}) Um die Hilfsmöglichkeiten für schwer erreichbare Drogenabhängige zu verbessern, sind die Bundesländer nach Beratungen im Nationalen Drogenrat um Mitwirkung an einer Bestandsaufnahme und der Entwicklung besserer Hilfen gebeten worden. Nun will ich Ihnen erzählen, wie die Bundesländer auf unsere Bitte reagiert haben. Es wäre eigentlich zu erwarten gewesen, daß sich dabei gerade die Bundesländer besonders engagieren, die mit recht weitgehenden Vorstellungen zur Hilfe für sogenannte Schwerstabhängige an die Öffentlichkeit getreten sind. Diese Länder müßten uns eigentlich am ehesten sagen können, wo es Defizite gibt, wer zu der Gruppe der sogenannten Schwerstabhängigen zählt und wie in Zukunft bessere Hilfsangebote aussehen sollen. - Weit gefehlt! Bis auf zwei Länder haben die Bundesländer diesen Fragebogen nicht ausgefüllt. Ich will hier gar nicht über die Gründe spekulieren. ({4}) Was zählt, ist das Ergebnis, das so aussieht: Die Länder, die einen neuen Kurs in der Drogenpolitik einschlagen wollen, entziehen sich der Aufgabe, klipp und klar zu sagen, wie Hilfen für sogenannte Schwerstabhängige besser gestaltet werden sollen. Man überläßt es anderen, sich darüber Gedanken zu machen. Dabei haben 1990 alle Länder gemeinsam beschlossen, sich für eine Differenzierung und Ausweitung der Hilfsangebote einzusetzen. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch eine Anmerkung zu der Haushaltssperre für den Landeshaushalt 1995 in Hessen. Stellen Sie sich bitte einmal vor, was geschehen wäre, wenn die Bundesregierung Maßnahmen beschlossen hätte, die das genaue Gegenteil von dem erreichen, was wir eigentlich wollen: nämlich die Hilfsangebote für die Betroffenen zu verbessern. Diesen Weg geht man jetzt aber in Hessen; denn von der zwanzigprozentigen Haushaltssperre in Hessen ist auch der Drogenbereich betroffen. Meine Damen und Herren, es klingt schon fast wie Hohn, wenn das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit in einem Brief an die Träger der Drogenhilfe vom 28. März 1995 Auswirkungen auf den Drogenbereich ankündigt und gleichzeitig die Absicht mitteilt, aus der Not eine Tugend zu machen und mit Hilfe veränderter Strukturen ein Höchstmaß an Hilfsangeboten für Suchtkranke und Drogenabhängige zu sichern. In demselben Brief heißt es dann pikanterweise weiter: Die Herausforderung, vor der wir stehen, erfordert eine gute, zielgerichtete Zusammenarbeit. Der gute Wille aller Beteiligten kann dabei als Ausgangslage vorausgesetzt werden. Pikant ist das deshalb, weil in demselben Land, in dem jetzt anscheinend bei Hilfen zum Ausstieg aus der Sucht gespart werden soll, gleichzeitig Projekte ins Leben gerufen werden, die dieses Ziel ganz sicher nicht erreichen. Ich meine die Fixerstuben. Heißt also Ihr Höchstmaß an Hilfsangeboten: Legalisierung weicher Drogen und staatliche Abgabe von Heroin? Als Ärztin sage ich Ihnen: Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit. Krankheiten heilt man mit Therapien. ({5}) Die Einrichtung von Fixerstuben ist reiner Aktionismus. Sie ist eine Flucht aus der Verantwortung. Für diese Flucht muß die Theorie herhalten, daß sogenannten Schwerstabhängigen nur auf diesem Weg geholfen werden kann. Meine Damen und Herren, wir sind jederzeit gern bereit, gemeinsam mit den Ländern und den Leistungsträgern neue Formen der Betreuung und Hilfe zu diskutieren und solche Wege gegebenenfalls durch Modellprojekte zu fördern. Wir sind aber nicht bereit, einen Weg zu akzeptieren, der für die Betroffenen und für die Allgemeinheit fatale Folgen haben wird. Deshalb appelliere ich heute noch einmal an Sie: Tragen Sie dazu bei, daß einer der wichtigsten Pfeiler einer effektiven Drogenpolitik vor weiterer Erosion bewahrt wird, ({6}) nämlich der Konsens über die wesentlichen Ziele der Drogenpolitik. Diese Ziele lauteten: Ächtung illegaler Drogen, Verstärkung der Aufklärung und Beratung über die schädlichen Folgen des Drogenkonsums, bedarfsgerechter Ausbau drogenfreier Therapieangebote und niedrigschwelliger Hilfen, Methadonsubstitution in ärztlich begründeten Einzelfällen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind auf dem besten Weg, sich von diesen Zielen zu verabschieden. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Johannes Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Beiträge der Vorredner durch den Kopf gehen lasse, habe ich das Gefühl, daß der Glaubenskrieg, der vor vielen Jahren um die Substitution durch Methadon geführt wurde, immer noch nicht beendet werden kann. Ich habe gedacht, wir hätten nun wirklich geklärt, daß z. B. Methadon eine vernünftige Substitution sei. Aber die Argumente, die damals gegen Methadon vorgebracht worden sind, höre ich heute alle wieder. Auch damals ist Ihr Drogenexperte Sauer mit dem Argument angetreten, die Länder, in denen Methadon verabreicht würde, wollten sich aus finanziellen Gründen davor drücken, Therapieplätze in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen. ({0}) Das haben Sie behauptet. Dann hat dankenswerterweise Frau Staatssekretärin Bergmann-Pohl in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zur Umsetzung des Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplanes Ihre Argumente eindrucksvoll widerlegt. Es war nämlich ablesbar, daß NordrheinWestfalen proportional zu seiner Bevölkerung mehr Therapieplätze bereitstellt als Baden-Württemberg. Das können Sie in der Antwort der Bundesregierung selbst nachlesen. ({1}) Dieses Argument kann also nicht zutreffen. Nun muß ich allerdings einräumen - aber Sie auch -, daß es überhaupt keine Rolle spielt, wie ein Bundesland regiert ist. Therapieplätze fehlen überall. Der Bedarf wird bei weitem nicht gedeckt. So zu tun, als könne man mit einer Abstinenztherapie allein die Probleme lösen, ist bei 150 000 bis 200 000 von harten Drogen Abhängigen, bei etwa 6 000 Therapieplätzen in der Bundesrepublik und bei Kosten von 150 000 DM pro Therapieplatz unehrlich. Natürlich muß die Zahl der Therapieplätze erhöht werden. Aber nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, was auch die Schweizer zur Begründung ihres Pilotversuchs anführen: Es gibt einen beträchtlichen Teil von schwer Suchtkranken, von Schwerabhängigen, die man weder mit einer Abstinenztherapie noch mit einer substitutionsgestützten Rehabilitationsmaßnahme erreichen kann. Diesen Drogenabhängigen müssen Sie doch irgend etwas an Hilfe bieten. Mit Ihrer gegenwärtigen Politik lassen Sie diese Menschen im sozialen Elend. Sie setzen sie der Gefahr des frühen Drogentodes aus und zwingen sie in Beschaffungskriminalität und Prostitution. Wenn das nicht menschenverachtend und inhuman ist, weiß ich nicht, wo sonst man solche Begriffe verwenden sollte. ({2}) Deswegen hat mich auch der Begriff „Menschenversuche" bei Ihnen, Herr Hüppe, geärgert. Es war ein böser Ausdruck. Nach Ihrer Theorie wäre jede klinische Erprobung eines Medikaments ein Menschenversuch und müßte so behandelt werden. Wissen Sie, ich habe nichts gegen religiöse Überzeugungen. Aber religiöse Überzeugungen dürfen kritisches Denken nicht ersetzen. Unterstellen Sie uns hier nicht, wir würden nicht genau überlegen, was wir mit den Schwerstabhängigen tun, die von dem Gesetzesantrag des Landes Hamburg erfaßt werden sollen! An dieser Stelle möchte ich sowohl auf Herrn Röttgen wie auch auf Herrn Hüppe antworten. Durch diesen Gesetzesantrag bzw. Modellversuch wird doch kein einziger zusätzlicher Konsument oder von harten Drogen Abhängiger geschaffen. Der Versuch wendet sich ausschließlich an solche, die bereits schwerstabhängig sind. Es muß ärztlich überprüft und kontrolliert werden, ob das der Fall ist. Die Zahl der Suchtabhängigen kann also durch diesen Versuch überhaupt nicht steigen. ({3}) Es handelt sich um einen Personenkreis, der mit anderen Hilfsangeboten nicht erreicht wird, dem Sie nur noch sagen können: Für dich bleibt die Gosse, das Elend und der frühe Drogentod. Wir meinen, daß es noch etwas anderes geben muß. Ich sehe als Therapie an, was mit dieser Erprobung beabsichtigt ist. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wenn ein konservativ regiertes Land wie die Schweiz hingeht und seit über einem Jahr in sechs Großstädten einen solchen Versuch durchführt, können Sie doch hier nicht behaupten, diese Sache sei des Teufels und werfe alle Grundsätze der Vernunft und der Humanität über Bord. Tatsache bleibt einfach, daß es sich um einen Modellversuch handelt. Jedem Versuch wohnt natürlich auch das Risiko des Scheiterns inne. Wenn man einmal ab und zu ein paar neue Wege geht, nachdem man erfahren hat, daß viele bisher ausprobierte Wege, gerade die reine oder überwiegende Repressionspolitik der Union, versagt haben, dann können Sie uns Erprobungen neuer Modelle nicht einfach verweigern. Dann müssen Sie den Weg mit uns gehen. Er wird übrigens vom Landesverband der F.D.P. in Schleswig-Holstein unterstützt. Ich bedaure sehr, daß Herr Lanfermann sich davongemacht hat - er hieße besser Laufermann als Lanfermann -, so daß er nicht dazu Stellung nehmen kann, warum der Landesverband Schleswig-Holstein der F.D.P. diese Gesetzesinitiative aus Hamburg begrüßt hat. Sie haben sich natürlich ebenfalls darum gedrückt, uns folgendes zu erklären - meine Kollegin Mertens hat es nur angedeutet; ich sage Ihnen jetzt den Namen -: Auch die Kandidatin der CDU für das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt, Frau Petra Roth, hat unseren Gesetzesantrag begrüßt. ({4}) Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Thomas Schäuble, hat gestern in Frankfurt unseren Antrag ebenfalls begrüßt. Es gibt doch vernünftige Leute in der CDU. Schicken Sie die doch in die Debatte! Dann setzen wir uns mit denen auseinander und kommen ein paar Schritte weiter. ({5}) Wir haben sehr viele Defizite in der Drogenpolitik zu beklagen, auch bei der Umsetzung des nationalen Drogenbekämpfungsplans, auch wenn in den letzten zwei Jahren die Zahl der Drogentoten gesunken ist. Erstens hat das ziemlich viel mit den Methadon-Programmen zu tun. Zweitens wird Ihnen jeder Polizeiexperte sagen: Der Tod eines Drogenabhängigen hat in der Regel einen Vorlauf einer siebenjährigen Drogenkarriere. Die Ursachen für die Drogentoten von heute sind vor sieben Jahren geschaffen worden. Sie können nicht die Drogenpolitik der letzten drei Jahre als Erfolg und Begründung für die zurückgehende Zahl der letzten zwei Jahre feiern. Das ist falsch. Feststellen kann ich aber - das ist unwidersprochen; darin wird mir auch Herr Lintner gleich nicht widersprechen können -, daß die Zahl der Erstkonsumenten nach wie vor ansteigt, und zwar dramatisch. Das heißt, bei den wesentlichen harten Drogen steigt die Zahl der Erstkonsumenten an. Deswegen halte ich es für unverantwortlich, wenn man sich zurücklehnt und sagt: Die bisherige überwiegend repressive Art der Drogenpolitik war richtig; sie wird fortgesetzt. Etwas Neues lassen wir uns nicht einfallen. - Denn in Sachen Prävention ist etwas Gescheites bisher nicht auf dem Markt, außer dieser albernen Kampagne „Keine Macht den Drogen". Ich bin immer versucht zu sagen: Keine Macht den Doofen. Aber diese Entscheidung können wir ja vielleicht irgendwann durch die Wähler herbeiführen lassen. ({6}) Die Kampagne „Keine Macht den Drogen" hat überwiegend bei den jugendlichen Adressaten den Eindruck hervorgerufen, das sind Sportler, die nehmen sowieso Dopingmittel, sie sind überhaupt nicht glaubwürdig, im übrigen machen sie es für Kohle. ({7}) Ich zitiere hier aus einem Gutachten, das das Institut für Therapieforschung in München im Auftrag der Bundesregierung, die auch von Ihnen, Frau Homburger, getragen wird, verfaßt hat. Diese Äußerungen sind gar nicht meine eigene Erfindung; das waren Zitate aus diesem Gutachten. Darin hat man sich genauso über die Kampagne geäußert. Die Jugendlichen machen sich über diese Kampagne in noch viel gröberen Worten lächerlich, als ich das eben getan habe. Ich habe zwar noch zwei Minuten Redezeit, aber ich meine, ich hätte das Wesentliche zu diesen Punkten gesagt. Schließlich bin ich dagegen, daß man seine Redezeit bis zum letzten Komma ausschöpft. Wenn wir uns bei den weiteren Beratungen des Gesetzentwurfs wirklich auf das konzentrieren, was im Antrag steht, und nicht Popanze aufbauen, wie Sie, Herr Röttgen und Herr Hüppe, ({8}) die Dinge behaupten, die im Antrag überhaupt nicht stehen, um dann darauf einzuschlagen, dann kämen wir einen Schritt weiter, und könnten wir vielleicht in diesem Bereich etwas Vernünftiges auf den Weg bringen. Danke. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Vielen Dank für die vorbildliche Kürze. Das Wort hat jetzt der Staatssekretär Lintner.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich fünf Anmerkungen zu den Argumenten machen, die insbesondere von der Opposition gegen unsere Drogenpolitik vorgetragen worden sind. Zunächst einmal die Bemerkung, Herr Kollege Singer - ich stelle das immer wieder fest -: Sie stellen eine Reihe von falschen Behauptungen auf und begründen dann damit Ihre Kritik und Ihre Vorschläge als Alternative zur Drogenpolitik der Regierung. Die erste falsche Behauptung ist die - in Anführungszeichen - Feststellung, daß die deutsche Drogenpolitik gescheitert sei. Wenn wir uns mit ähnlichen Gesellschaften, beispielsweise der Schweiz oder den Niederlanden, jedenfalls westlichen Industrieländern, vergleichen, dann stellen wir fest, daß wir bei allen wichtigen Kriterien im unteren Bereich der Vergleichsskala liegen. Das heißt, die Lage in der Bundesrepublik ist, was beispielsweise die Drogenbelastung der Jugendlichen und der Bevölkerung angeht, wesentlich günstiger als in diesen Ländern. Wenn es überhaupt einen Maßstab auf diesem Feld gibt, meine Damen und Herren, dann liegt er doch wohl nicht in der Behauptung, daß wir nicht wüßten, daß eine suchtfreie offene Gesellschaft nie zu erreichen sei. Er liegt vielmehr im Vergleich mit den Ergebnissen anderer Drogenpolitiken. In diesem Punkt kann sich die deutsche Drogenpolitik allemal gut sehen lassen. Zweitens. Auch die Behauptung, daß die Drogenpolitik der Bundesregierung allein, vor allem, ausschließlich oder was auch immer auf Repression setze, hält einer Überprüfung an Hand der Wirklichkeit nicht stand. Sie wissen sehr genau, daß wir sehr viel Wert darauf legen, die präventiven Anstrengungen zu unterstützen und auszubauen. Im übrigen muß ich Ihnen sagen: Ich bin einem Lothar Matthäus, einer Steffi Graf und einem KarlHeinz Rummenigge höchst dankbar, daß sie sich für die Kampagne „Keine Macht den Drogen" kostenlos zur Verfügung stellen. ({0}) Ich wehre mich dagegen, daß sie hier in einer läppischen, lässigen Art und Weise von Ihnen desavouiert werden. Das muß ich Ihnen einmal sagen; denn es ist nicht selbstverständlich, daß diese Leute bereit sind, sich mit einem solchen Ziel zu identifizieren. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Nein, jetzt nicht, Herr Schily, gleich. Ich will jetzt auf eine Tatsache hinweisen, die Sie hier auch unterschlagen haben, nämlich daß sich eine andere Präventionskampagne der Bundesregierung schon an die Kinder im Vorschulalter richtet. Diese Präventionskampagne läuft völlig unabhängig von der Art des Suchtstoffes. „Kinder stark machen" nennen wir sie. Hier wird der geistige Ansatz unserer Präventionsbemühungen besser deutlich als durch die Verzeichnung, die Sie hier vorgenommen haben. Bitte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lintner, weil Sie auf die Prävention so großen Wert legen: Halten Sie es für eine gelungene Präventionsmaßnahme, wenn die CSU in Wahlkämpfen Plakate kleben läßt: Rot + Grün = Heroin?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schily, damit wollten wir darauf hinweisen, daß beispielsweise die Abgabe von Heroin an Süchtige - darüber reden wir ja heute - von Rot und Grün vertreten wird. Ich gebe zu, diese Botschaft war drastisch. Aber sie war in ihrem Kern zutreffend. ({0}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Auch die ständige Behauptung von einer Kriminalisierung junger Leute hält einer Prüfung nicht stand. Tatsache ist doch, daß insbesondere der jugendliche Erstkonsument oder gelegentliche Konsument bei geringen Mengen nie ins Gefängnis geschickt wird. Im Gegenteil: Die Eltern sind uns im Grunde genommen dankbar, wenn wir dabei bleiben, daß die staatlichen Sicherheitskräfte die Möglichkeit haben, ihnen überhaupt zu sagen, welchen Umgang ihr Kind pflegt und wo vielleicht pädagogische Hilfe notwendigerweise ansetzen müßte. Das richtet sich doch nicht gegen die Beteiligten, gegen die Jugendlichen, sondern im Gegenteil. Ich glaube, das ist in ihrem wohlverstandenen Interesse. Eine weitere Bemerkung. Sie beklagen hier, daß wir uns mit denselben Argumenten wieder zusammengefunden haben wie seinerzeit bei der Methadon-Debatte. Herr Singer, die Tatsache, daß wir hier über dasselbe Thema mit ähnlichen Argumenten sprechen, hängt doch damit zusammen, daß Sie seinerzeit Methadon als den Superweg, als den Ausweg aus der Drogenmisere gepriesen haben. Heute stellen Sie fest, daß Ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Jetzt gehen Sie den nächsten fatalen Schritt und empfehlen uns die Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige. Sie haben doch hier die Wiederholung der Argumente verursacht und nicht wir. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen auch sagen: Ich war sehr bemüht, einmal von Fachleuten zu hören, ob dieser ominöse Schwerstabhängige überhaupt definiert werden kann. Ich höre immer: Ja, wer fünfmal vergeblich versucht hat, von seiner Sucht loszukommen, der sei ein Schwerstabhängiger. Wer einmal Raucher war, wie ich beispielsweise, weiß, wie oft man vergeblich versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, es aber schließlich schaffen kann. Genau diese Problematik ist auch bei anderen Süchten vorhanden. Fünf vergebliche Versuche sind überhaupt kein Hinweis darauf, daß es beim sechsten Mal nicht funktioniert. So sind die Wissenschaftler und Fachleute bis heute nicht in der Lage, uns den Begriff der Schwerstabhängigen zu definieren. Das heißt, der, den Sie so behandeln wollen, wie Sie es hier vorgetragen haben, unterliegt einer völlig willkürlichen Feststellung. Sie bedienen sich dabei - so sind unsere Erfahrungen - nicht der seriösen Medizin, die solche Gedankengänge ohnehin ablehnt, sondern anderer Ratgeber. Das Produkt der Hamburger Drogenpolitik ist doch an der Zahl der Süchtigen, mit denen sie es heute zu tun haben, abzulesen. Deshalb wehre ich mich dagegen, daß Sie hier in der Attitüde des erfolgreichen Drogenpolitikers auftreten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die ausgemachte Redezeit ist bereits überzogen. Es besteht jedoch der Wunsch des Kollegen Singer nach einer Zwischenfrage. Wenn Sie die Frage zulassen, gebe ich Ihnen noch etwas Zeit.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ja, bitte.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir einen Nachweis dafür geben, wo irgend jemand aus der SPD die Substitutionsbehandlung durch Methadon als Allheilmittel oder Superweg bezeichnet und nicht darauf hingewiesen hat, daß das immer nur die zweit-, dritt- oder viertschlechteste Möglichkeit ist, die aber letzten Endes besser ist, als die Schwerstabhängigen ihrem Schicksal zu überlassen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich kann Ihnen gerne bestätigen, daß immer auf die Nachteile der Substitution hingewiesen worden ist. Damals haben Sie Methadon mit wärmsten Worten empfohlen und die Heroinabgabe noch vehement abgelehnt. Heute empfehlen Sie uns als nächsten Schritt - ich wiederhole mich - die Heroinabgabe. Was ist das nächste, etwa die Ausdehnung Ihres Antrages auf die gesamte Palette der harten Drogen? Der Antrag Hamburgs - das ist in der Debatte zu kurz gekommen - und des Bundesrates zielt auf die Verabreichung harter Drogen generell, z. B. Heroin. Hier wird eine Szenerie der Perspektivlosigkeit deutlich, die es denkbar macht, daß Sie demnächst mit einer weiteren Änderung kommen und sagen: Wir sind leider gezwungen, auch Crack und Kokain zu verabreichen. Denn das sind die anderen harten Drogen, die dabei in Rede stehen. Leider ist meine Redezeit abgelaufen, aber wir werden noch öfter Gelegenheit haben, uns über das Thema Drogenpolitik zu unterhalten. Meine Damen und Herren, das, was Sie vorschlagen, ist nicht verantwortbar. Der so oft zitierte Alkohol mit seinen Folgen müßte Ihnen Warnung genug sein, denselben Fehler nicht zu wiederholen. Herr Neskovic, der das Recht auf Rausch propagiert, stammt aus Ihren Reihen und hat im Grunde genommen nicht die richtige Lehre aus den Erfahrungen gezogen, sondern will auf Grund seines ideologisierten Gesellschaftsbildes - die Ideologie liegt bei Ihnen - uns empfehlen,

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Staatssekretär!

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

- die Fehler, die wir an anderer Stelle leider registrieren müssen, nun auch bei harten und weichen Drogen zu wiederholen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 13/205 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Unfallversicherung für Kinder in Horten und Krippen und den übrigen Tageseinrichtungen für Kinder ({0}) - Drucksache 13/373 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Für den Bundesrat hat der Staatssekretär Ermisch das Wort. Staatssekretär Dr. Günter Ermisch ({2}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Unfallversicherung für Kinder in Horten und Krippen und den übrigen Tageseinrichtungen für Kinder vorstellen. Es handelt sich um eine Initiative des Freistaats Sachsen. Ich darf die Einführung in drei Punkte gliedern. Erstens. Mit dem Gesetz über die Unfallversicherung für Schüler, Studenten sowie Kinder in Kindergärten aus dem Jahre 1971 sind seinerzeit für den Geltungsbereich in den alten Bundesländern Kinder wegen des Besuches von Kindergärten und Schulen in die Unfallversicherung aufgenommen worden. Demgegenüber ist - zweitens - im Geltungsbereich der ehemaligen DDR im Vergleich zur vorgenannten Westregelung - wenn ich das einmal so sagen darf - ein umfassenderer Unfallversicherungsschutz gewährt worden. Hiernach waren auch Schüler bei der Teilnahme an der Tagesbetreuung und Erziehung, wie es so schön im Gesetzestext hieß, und bei außerschulischen Veranstaltungen gesetzlich unfallversichert. Auf gut deutsch heißt das, mithin standen in der ehemaligen DDR auch Kinder in Horten und Krippen unter Unfallversicherungsschutz. Diese Regelung galt nach dem Einigungsvertrag nur noch bis zum 31. Dezember 1991. So ist festzustellen, daß es seit dem 1. Januar 1992 keinen entsprechenden gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für Kinder in Horten und Kinderkrippen mehr gibt. Das Anliegen dieses Gesetzesentwurfs ist es, nunmehr diese Lücke zu schließen, und zwar durch die Initiative des Freistaates Sachsen. Ein entsprechender Antrag ist bereits im Bundesrat verabschiedet worden. Dieser ist dem Bundestag zugeleitet worden; er ist der Diskontinuität anheimgefallen, so daß er nunmehr erneut eingebracht wird. Jetzt gibt es diesbezüglich - drittens - eine gesetzestechnische Besonderheit: Dieses Phänomen, nämlich die Einbeziehung der Kinder in den Tagesstätten und Krippen, ist auch in dem umfassenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das Sozialgesetzbuch VII enthalten, der in Art. 1, § 128, diese Lücke ebenfalls schließen will. Wir bitten aber, die Initiative des Freistaates Sachsen separat zu behandeln und zügig zu verabschieden, da mit einer schnellen Verabschiedung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Sozialgesetzbuch VII nicht zu rechnen ist. Ich meine, wir könnten es uns nicht leisten, eine Lücke zu Lasten der wirklich Schwachen zu lassen. Deshalb bitte ich Sie, verehrte Damen und Herren des Deutschen Bundestages, diesen Gesetzentwurf zügig zu behandeln und zu verabschieden. Besten Dank, Frau Präsidentin. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Konrad Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir unterstützten die Initiative des Landes Sachsen. Ich habe dem inhaltlich nichts hinzuzufügen. Ich hoffe genauso wie Sie, daß wir dieses Gesetz zügig verabschieden werden, damit die Lücke geschlossen werden kann. Danke ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rudolf Meyer.

Rudolf Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002737, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte das jetzt sehr ähnlich machen und mich genauso kurz fassen, denn inhaltlich sind wir wirklich nicht weit auseinander. ({0}) Ich möchte aber - wenn ich schon einmal an dieser Stelle stehe - die Gelegenheit nutzen, die Position, die ich mir dazu erarbeitet habe, darzulegen. Das geht auch in ungefähr fünf Minuten. Meine Damen und Herren, nach dem geltenden Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, das ja noch in der Reichsversicherungsordnung geregelt ist, besteht unter anderem Versicherungsschutz nur für Schüler während des Besuchs der Schule und für Kinder in Kindergärten. Kinder in sonstigen Kindertagesstätten, wie Kinderhorten, Kinderspielkreisen und Kinderkrippen, haben keinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Der Gesetzgeber ging im Jahr 1971 bei der Einführung der Unfallversicherung für Schüler und Kinder in Kindergärten davon aus, daß bei den anderen Kindertagesstätten der Gesichtspunkt der Betreuung im Vordergrund stehe und daß es sich im Gegensatz zu den Schulen und Kindergärten nicht um Erziehungsoder Bildungseinrichtungen handele. Dies entsprach auch der damals herrschenden allgemeinen Auffassung. Die Gesetzesinitiative des Bundesrates schlägt nun vor, den Unfallversicherungsschutz auf alle Kindertagesstätten im Sinne des § 22 SGB VIII auszuweiten. Diese Initiative ist aus folgenden Gründen zu begrüßen: Rudolf Meyer ({1}) Die Ausgestaltung der Kindertageseinrichtungen, ihre Zielsetzungen sowie ihre gesellschaftliche und politische Bewertung haben sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert. Das SGB VIII und die im Zusammenhang damit erlassenen Ländervorschriften haben einen neuen gesetzlichen Rahmen geschaffen. Im übrigen muß auch die bis zur Vereinigung der beiden Teile Deutschlands in den neuen Bundesländern geltende Regelung berücksichtigt werden. Das heißt im einzelnen, daß nicht nur die Kindergärten, sondern auch die entsprechenden Angebote für Kinder unter drei Jahren und für Kinder im Schulalter - also etwa die Horte - in ihrer bildungs- und sozialpolitischen Bedeutung zunehmen. Die Aufgabe aller Tageseinrichtungen umfaßt nach dem SGB VIII nicht nur die Betreuung, sondern insbesondere auch die Bildung und Erziehung des Kindes. Die Hortkonzeption war bisher stark von der Schularbeitshilfe und von der Beaufsichtigung geprägt. Heute hat der Hort einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag; er soll mit der Schule eng zusammenarbeiten. Die landesrechtlichen Regelungen zum SGB VIII sehen die Möglichkeit der Zusammenfassung von Kindern unterschiedlicher Altersgruppen ausdrücklich vor, was eine eindeutige Abgrenzung der Einrichtungen nach dem Alter der betreuten Kinder praktisch gar nicht mehr zuläßt. Zum Teil werden die Krippen zugunsten der altersgemischten Gruppen ganz aufgegeben. Für alle Tageseinrichtungen gibt es einen Erlaubnisvorbehalt bzw. eine Aufsicht. In allen Tageseinrichtungen stellen Erzieherinnen mit Fachschulausbildung den Hauptteil der dort tätigen Personen. Auch die besondere Bedeutung, die die Kindertageseinrichtungen in den neuen Bundesländern schon länger hatten, beeinflußte seit der Einheit Deutschlands die sozialpolitische Bewertung dieser Einrichtungen. Unfälle von Schülern bei der Teilnahme an der Tageserziehung wurden aus der Sozialversicherung der ehemaligen DDR entschädigt. Für Unfälle in anderen Kindertagesstätten gab es einen vergleichbaren Haftpflichtschutz. Unbefriedigende Ergebnisse hinsichtlich des Versicherungsschutzes auf dem Heimweg von der Schule ergeben sich jetzt z. B. auch dann, wenn der Zusammenhang mit dem Schulbesuch durch einen dazwischen liegenden und dann unversicherten Hortbesuch nicht mehr gegeben ist. Diese angeführten Gesichtspunkte, insbesondere aber die vergleichbare pädagogische Zielsetzung und die allgemeine Einbindung aller Tagesstätten in die Komponenten Betreuung, Bildung und Erziehung durch das SGB VIII, sprechen gegen eine Begrenzung des Unfallversicherungsschutzes auf Kindergärten. Insofern gibt es also auch hier die volle Zustimmung unserer Fraktion zu dem Anliegen, das in dieser Initiative zum Ausdruck kommt. Was aber nun die Verwirklichung dieses Anliegens angeht, müssen wir uns die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, jetzt noch eine Änderung der Reichsversicherungsordnung zu beschließen. Das Bundeskabinett hat dem Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das SGB VII zugeleitet. Mit diesem Gesetz wird der letzte Sozialversicherungszweig aus der Reichsversicherungsordnung herausgenommen. Dieser Entwurf enthält auch eine Regelung über die Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes auf alle Tageseinrichtungen für Kinder. Die Regelung ist identisch mit der, die der Bundesrat vorgeschlagen hat. Nachdem nunmehr das Inkrafttreten des SGB VII absehbar ist, ist es aus unserer Sicht sinnvoller, die beschriebene Regelung für Kindertagesstätten im Zusammenhang mit der Neuregelung des gesamten Unfallversicherungsrechts zu beschließen und nicht, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, noch als eine Änderung der alten Reichsversicherungsordnung. Aber in diesem Punkt sollten wir schon in der Lage sein, uns einig zu werden. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit haben wir die Gelegenheit, dem Kollegen Rudolf Meyer zu seiner ersten Rede zu gratulieren. ({0}) Außerdem halten sich alle Redner vorbildlich in der Zeit. Ich rufe jetzt die Kollegin Rita Grießhaber auf.

Rita Grießhaber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002664, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem ich nun gehört habe, daß das die erste Rede des Kollegen Meyer war, verstehe ich, warum wir überhaupt diese Debatte hier führen. Mir war nämlich vollkommen unklar, wieso wir dieses versicherungstechnische Problem überhaupt mit einer Aussprache im Plenum behandeln. Aber wenn man Gelegenheit für Reden braucht, dann kommt natürlich auch so etwas auf die Tagesordnung. Ich habe inzwischen Verständnis dafür. Ich mache es wie der Herr Kollege Gilges. Ich begrüße die Initiative aus Sachsen und habe den Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen. Ich denke, wir sollten es so schnell wie möglich machen, und die Bundesratsinitiative ist nun einmal die, die die Nase vorne hat. Also machen wir es so. - Das war es. Vielen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Uwe Lühr.

Uwe Bernd Lühr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001392, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich könnte es ganz, ganz kurz machen, weil dem nichts hinzuzufügen ist. Trotzdem möchte ich in einem sehr kurzen Redebeitrag - das verspreche ich Ihnen - unsere Position darstellen. Dem Inhalt des Gesetzentwurfs des Bundesrates kann man natürlich nur zustimmen. Wer wollte widersprechen, daß es sinnvoll und zweckmäßig ist, die Besuche von Kinderkrippen und Kinderhorten ebenso unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen wie auch die der Kindergärten? Wenn davon ausgegangen wird, daß der prozentuale Anteil von Hortbesuchern in den alten Bundesländern gemessen an der Gesamtbevölkerung geringer ist als in den neuen Bundesländern, in denen die Ganztagsbetreuung von der Krippe über den Hort und die Schule selbstverständlich war, dann, glaube ich allerdings, ist diese Prognose falsch. In den alten Bundesländern wächst eine Generation in Kindergärten heran, die im Gegensatz zu früher häufiger in Ganztagseinrichtungen untergebracht ist. Das sind Kinder von Eltern, die oft beide berufstätig sind, es sein wollen oder es auch sein müssen. Während weiterführende Schulen in vielen Städten und Gemeinden Ganztagseinrichtungen sind, gilt das für die Grundschulen nicht. Für die den Kindergärten jetzt entwachsenen Kinder im Grundschulalter besteht zukünftig eine Betreuungslücke, die in vielen Kommunen dazu führen wird, daß Hortplätze geschaffen und in der Zeit bis dahin die Kinder in altersgemischten Gruppen im Kindergarten betreut werden müssen. Die Zahlen werden eher noch steigen, wenn die Garantie auf einen Kindergartenplatz in allen Bundesländern entsprechend den Beschlüssen umgesetzt wird. 26 DM pro Kind soll der Versicherungsschutz kosten, so eine überschlägige Berechnung. Das läuft zu ganz ansehnlichen Beträgen auf. Davon sollen laut Gesetzentwurf 5 % vom Land und 95 % von den Gemeinden getragen werden. Für den Bund entstehen keine nennenswerten Belastungen, da er nur in Einzelfällen als Träger für die von der Neuregelung erfaßten Tageseinrichtungen auftritt. So wird in der Vorlage ausgeführt. Das ist richtig so, aber wir sind wieder dabei, ein Gesetz zu Lasten Dritter zu formulieren, ohne daß der Bund die Finanzierung sichert. Dies ist zwar keiner der Fälle, in denen wir den Kommunen neue Aufgaben zuweisen, ohne die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen - es handelt sich vielmehr um die eindeutige Zuständigkeit der Gemeinden, diese Kinder genauso unter Versicherungsschutz zu nehmen wie die Kindergarten- oder Schulkinder bisher auch -, dennoch sprechen wir über künftige zusätzliche finanzielle Belastungen der Gemeinden. Anfang Mai hat das Bundeskabinett den Entwurf des Sozialgesetzbuches SGB VII beschlossen, der inhaltsgleiche Regelungen enthält. Der Gesetzentwurf ist dem Bundesrat am 12. Mai dieses Jahres zugeleitet worden. Wir halten es deshalb für sachdienlich, den vorliegenden Gesetzentwurf nicht parallel zum SGB VII zu beraten, sondern die Entwürfe im Ausschuß unverzüglich zusammenzuführen. Ich bedanke mich. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Rosel Neuhäuser.

Rosel Neuhäuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002744, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte es ganz kurz machen. Es ist eigentlich nur konsequent, daß die Bundesratsinitiative jetzt vorliegt, eine einheitliche Regelung für die Unfallversicherung der Kinder zu treffen und damit auch die Funktionsfähigkeit und die Handlungsspielräume der entsprechenden Einrichtungen zu verbessern. Deshalb unterstützen wir diese Initiative und werden an diesem Gesetzentwurf tatkräftig mitarbeiten. Danke. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit sind wir beim letzten Redner in der Debatte. Das ist der Parlamentarische Staatssekretär Rudolf Kraus.

Rudolf Kraus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001202

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich werde die Debatte nicht verlängern. In der Sache sind wir uns alle einig. Ich bitte wie meine Vorredner ebenfalls darum, diesen Komplex anläßlich der Verabschiedung unseres Sozialgesetzbuches VII mit verarbeiten zu können. Ich bedanke mich. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit schließe ich die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 13/373 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung des Antrags des Abgeordneten Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz über Reisen des Bundestages gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ({0}) - Drucksache 13/1014 Überweisungsvorschlag: Ältestenrat ({1}) Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fünf Minuten erhalten soll. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Manfred Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich zitiere: „Müssen Abgeordnete wirklich soviel reisen?" „Mongolei, Moskau, Tokio, China und Indonesien" - „fast 600 Parlamentarier-Reisen in zwei Jahren", „rund um den Globus". „Abgeordnete im Reisefieber" ... „besuchte Bruder in Afrika" - „der Steuerzahler blecht". „Dabeisein ist alles." „Abgeordnete reisen gern, das lassen sie sich auch nicht vermiesen. " ({0}) - Natürlich. So und ähnlich lauten wiederkehrend die Schlagzeilen, wenn Medien über Dienstreisen von Politikern berichten. Da ist von ,,Polit-Tourismus" und „Lustreisen" die Rede, sogar von Alkoholexzessen und Sexorgien, ({1}) und immer wieder wird die um Reisen gemachte Geheimniskrämerei angeprangert. Die damit gemeinte Zögerlichkeit des Bundestages, offen über Reisetätigkeit zu informieren, hat meines Erachtens direkt diese drastische Art der öffentlichen Berichterstattung zur negativen Folge. Der Antrag meiner Fraktion zielt nun darauf ab, diesen bedauerlichen Zusammenhang aufzulösen. Die Reisetätigkeit soll denjenigen transparent gemacht werden, die die Kosten hierfür aufzubringen haben. Und das sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was hindert uns daran, mit diesem Thema offener umzugehen? Haben wir bei unseren Dienstreisen etwas zu verbergen? Bedarf etwas der Geheimhaltung? Es muß doch eine selbstverständliche Sache sein, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und unseren Wählerinnen und Wählern zu ermöglichen, sich selbst eine Meinung über die Tätigkeit der Volksvertreter einschließlich Kosten und Nutzen zu bilden, und zwar auf Grund offengelegter Fakten statt nur an Hand drastischer Schlagzeilen, wie ich sie eben zitierte. Ich meine, wir haben nichts zu verbergen und können grundsätzlich die Notwendigkeit von Auslandsdienstreisen plausibel begründen. In einer weltweiten Informationsgesellschaft voller komplizierter internationaler Bezüge und Abhängigkeiten sind Erfahrungen und persönliche Kontakte auch jenseits nationaler Grenzen unerläßlich, um einerseits unsere Aufgaben hierzulande zu erfüllen und um andererseits deutsche Gegebenheiten dort erklären und erläutern zu können. Das sage ich hier in aller Deutlichkeit, um Mißverständnissen entgegenzutreten, die Bündnisgrünen wollten keine Auslandsdienstreisen mehr. Es sind jedoch folgende Einschränkungen zu machen. Erstens. Wenn ich sage, wir können die Erforderlichkeit von Reisen begründen, hakt dies derzeit leider daran, daß auch uns Abgeordneten die dafür notwendigen Informationen nicht erteilt werden. Ich kann also heute in meinem Wahlkreis leider nicht erläutern, daß die Delegation eines Ausschusses aus einem bestimmten Anlaß mit soundso vielen Teilnehmern und den und den Kosten in einem bestimmten Zeitraum in ein Land gereist ist, um dort ein deutsches Problem darzustellen oder zugleich Informationen zur Beratung einer bestimmten Vorlage oder eines Problems einzuholen. Solche Zusammenhänge, auf Grund derer sich jeder eine fundierte Meinung über Sinn oder Unsinn der betreffenden Reise bilden könnte, vermag ich leider nicht herzustellen, weil derartige Bezüge in den zweijährlichen Berichten der Präsidentin nicht mitgeteilt werden. Bisher wurden in dem Bericht lediglich Reiseanzahl, Gesamtkosten und Zielländer aufgeführt. Unserem Antrag zufolge sollen die Angaben über Anlässe, Zwecke, Ziele, Dauer, Teilnehmer, Kosten und politische Umsetzung von Reisen einzelnen Vorhaben zugeordnet werden. Nur dann wird meiner Überzeugung nach eine fundierte Beurteilung möglich. Zweitens. Wenn auch die Reisetätigkeit grundsätzlich begründbar ist, so sehe ich doch gewisse Ausnahmen beim Zustandekommen oder bei der Durchführung einzelner Projekte. Ich frage mich, ob sich der Bundestag auch in seinem öffentlichen Ansehen einen Gefallen tat, als etwa zu Ende der letzten Wahlperiode vielfach Kolleginnen und Kollegen, deren Ausscheiden aus dem Hohen Hause damals schon feststand, Delegationen zu Recherchen ins Ausland anführten, so daß das böse Wort von der „Abschiedsreise" aufkam. Auch wenn auf solchen Reisen gerade zu touristisch interessanten Zielen wiederkehrend Ehegatten mitgenommen oder aber Verwandte im Zielland besucht werden, kann dies verständliche Irritationen verursachen. Wir sollten uns also ehrlich und kritisch prüfen, inwieweit ein touristisches Begleitprogramm auf solchen Reisen erforderlich ist. Ich würde mich freuen, wenn wir uns im Verlaufe der weiteren Beratungen derlei Ungereimtheiten offen eingestehen könnten und daraus künftig eine noch größere Sensibilität für unseren tatsächlichen Reisebedarf entwickeln würden. Dann hätte der Antrag meiner Fraktion bereits ein wichtiges Ziel erreicht. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt Kollegin Baumeister.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über einen Antrag der GRÜNEN, der in ähnlicher Form schon einmal vorlag. Herr Kollege Such, Sie fragen: Müssen Dienstreisen für Abgeordnete sein? Ich möchte Ihnen darauf uneingeschränkt antworten: Ja. Sie müssen sein, weil Abgeordnete des Deutschen Bundestages vielfältige Aufgaben zu erledigen haben. Sie müssen dafür sorgen, daß eine sachgerechte Gesetzgebung erfolgt, und haben auch die Aufgabe, eine effektive Kontrolle der Regierung vorzunehmen. Wenn in diesem Hohen Hause demnächst eine Debatte über Lateinamerika abgehalten wird, ist es, so denke ich, wichtig, seine Erfahrungen und Kenntnisse mit einbringen zu können. ({0}) Viele Fragen politischer, ökologischer und ökonomischer Art sind heute international bedingt bzw. bedingen internationales Handeln. Deshalb müssen unsere Erfahrungen einfließen. Vielen Herausforderungen sind unsere einzelstaatlichen Regelungen überhaupt nicht mehr gewachsen. Es bedarf eines internationalen Zusammenwirkens: bilateraler Art, im Verbund der Europäischen Union, oder gar globaler Art, um hier zu guten Ergebnissen zu gelangen. Herr Such, ich möchte auf ein Beispiel zurückkommen, das Ihnen ganz besonders am Herzen liegt: Ich möchte auf die Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechte verweisen. Gerade hier bietet es sich doch an, vor Ort Erkenntnisse zu sammeln und zu überprüfen, wie die Situation tatsächlich aussieht. ({1}) Reisen für Abgeordnete implizieren im übrigen immer einen ungeschönten Einblick in die Wirklichkeit. In einem Gegensatz dazu stehen die Reisen der Regierungsmitglieder, die ganz anderen protokollarischen Bindungen und Verpflichtungen unterworfen sind. Mit der politischen Einheit Deutschlands einhergehend, können wir heute beobachten, daß wir deutlich mehr ausländische Besucher in Bonn haben und daß damit ein verstärkter internationaler Dialog verbunden ist, der wiederum bedingt, daß Gegenbesuche stattfinden. Manche Kontakte im Ausland bedürfen einer sehr sensiblen Behandlung, Herr Such, um überhaupt einen Erfolg zu ermöglichen. Deshalb denke ich, daß eine Einzelveröffentlichung hier wenig dienlich, vielleicht sogar kontraproduktiv wäre. Es ist wichtig, so viel Transparenz wie möglich, aber auch so viel Diskretion wie nötig zu schaffen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Such?

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte, Herr Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin, ist Ihnen aufgefallen, daß Sie meinen Ausführungen bisher in keiner Weise widersprochen haben, sondern daß Sie lediglich bestätigt haben, was ich gesagt habe? Ich würde mich freuen, wenn Sie jetzt einmal darauf eingingen, wie man diese Reisetätigkeit der Bevölkerung transparenter machen kann. ({0}) - Ich möchte konkret die Frage stellen: Sind Sie bereit, das in Ihren weiteren Ausführungen zu tun? ({1})

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Such, ich glaube nicht, daß Sie mir als Mitglied des Deutschen Bundestages Vorhaltungen zu machen haben, wie ich meine Rede aufbaue. ({0}) Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß meine Redezeit noch längst nicht abgelaufen ist und ich Ihnen noch einiges zu berichten habe. Insofern lasse ich mir hier von Ihnen keine Vorhaltungen machen. ({1}) Am 6. November 1992 wurde eine Beschlußempfehlung des Ältestenrates im Deutschen Bundestag angenommen, nach der, wie Sie schon berichtet haben, die wesentlichen Daten von Auslandsdienstreisen zweimal pro Wahlperiode zu veröffentlichen sind. Das Verfahren funktioniert; es ist eine praktikable Regelung. Schon heute gilt, daß Ausschußreisen, Delegations- oder Einzelreisen, von Abgeordneten, die über die Präsidentin beantragt werden, geprüft werden. Ein wichtiger Grundsatz ist, daß eine Reise stets in sachlichem Zusammenhang mit der Thematik eines Ausschusses des Deutschen Bundestages stehen muß. Wenn Sie im Auge haben, daß darüber interfraktionell entschieden wird, können Sie, so glaube ich, mitnichten sagen, daß dies nicht sachgerecht vorgenommen wird. In dieses Entscheidungsverfahren - das ist mir wichtig - sind die Ausschußvorsitzenden und die Obleute der jeweiligen Fraktionen einbezogen. Diese Beteiligung am Antragsverfahren stellt sicher, daß die Entscheidung auf eine breite Basis gestellt und ausschließlich nach den Grundsätzen sachlicher und fachlicher Notwendigkeit getroffen wird. Nach Abschluß einer Reise - auch das mag Ihnen bislang vielleicht entgangen sein - muß in jedem Fall ein Bericht vorgelegt werden. Es besteht eine sogenannte Berichtspflicht. Außerdem gibt es noch die sogenannten Fraktionsreisen. Für die CDU/CSU-Fraktion kann ich sagen, daß es für uns ein sehr, sehr strenges Antrags- und Genehmigungsverfahren gibt. Jeder Abgeordnete, der im Auftrag der Fraktion eine Dienstreise plant, muß vorher einen Antrag mit einer stichhaltigen Begründung stellen, einen Reiseplan hinzufügen und diese der Geschäftsführung vorlegen. Die Prüfung des Antrages erfolgt unter Einbeziehung der Geschäftsführung und der zuständigen Arbeitsgruppen. Jedesmal muß das Kriterium erfüllt sein: Die Reise muß im Interesse der Fraktion erfolgen. Bei unserer Fraktion landen alle Reiseanträge auf meinem Schreibtisch. Ich zeichne verantwortlich dafür, und ich glaube, daß es auch richtig ist, wenn hierfür jemand Verantwortung tragen und letztendlich sicherstellen muß, daß eine Reise diesen strengen Kriterien genügt. Dienstreisen werden in der CDU/CSU-Fraktion möglichst kostensparend geplant und durchgeführt, so daß wir den Reiseetat meiner Fraktion in den letzten Jahren ganz beträchtlich absenken konnten. Herr Kollege Such, wie sollte die Öffentlichkeit etwas dazu beitragen? Offensichtlich war es für Sie wiederum sehr verlockend, die Stimmung erneut aufzunehmen und anzuheizen, wenn es um Reiseangelegenheiten des Deutschen Bundestages geht. Derartige Schlagzeilen, wie Sie sie vorhin gebracht haben, entsprechen mitnichten der Wahrheit. An einer solchen Reise habe ich noch nie teilgenommen. Diese Behauptungen dienen nur der Stimmungsmache draußen und haben eine ganz fürchterliche Nebenwirkung. Sie handeln hier wider besseres Wissen. Sie bestärken Vorurteile, die draußen vorgenommen werden, und Sie untergraben letztendlich die Seriosität der Mitglieder unseres Parlamentes und stellen diese in Frage. ({2}) Was wollen die GRÜNEN eigentlich? Zitat des Kollegen Such von den GRÜNEN in der Presse: Man muß nur die Kosten und Nutzen abwägen und zunächst alle anderen Informationsquellen am Ort ausschöpfen. Das klingt gut, aber ich darf Ihnen sagen: Das ist Unsinn. Selbstverständlich werden von jedem Abgeordneten und jeder Abgeordneten alle möglichen Informationsquellen in Anspruch genommen. Aber in Wirklichkeit geht es bei Reisen doch um etwas ganz anderes, um viel mehr: um Informationsbeschaffung, um Meinungsfindung vor Ort, um Kontaktaufbau und Gesprächsaustausch. Dies kann meiner Meinung nach nur ein persönliches Zusammentreffen liefern. Auch die Forderung von Herrn Such nach einer Kosten-Nutzen-Gegenüberstellung geht in die falsche Richtung. Nutzeffekte von Delegationsreisen lassen sich nicht in Geldbeträgen ausdrücken. Was ist z. B. der Einsatz für freiheitliche Demokratie wert? Was will man, was soll man für umweltpolitische Information vor Ort ausgeben? Wieviel ist der Betrag zum Aufbau einer Handelsverbindung mit einem wirtschaftlich boomenden Staat in Ostasien wert? Sie können meist erst nach Jahren die Erfolge messen und dann mit Sicherheit nicht in Geld. Es ist naiv von Ihnen, zu glauben, es gäbe eine äquivalente Wertbemessung in D-Mark. Durch eine Auflistung der Einzelkosten von Reisen wird - das will ich Ihnen ganz deutlich sagen - keine einzige Dienstreise sinnvoller gestaltet und kein einziger Reisezweck besser erreicht. ({3}) - Der Verwaltungsaufwand wird erhöht. Die Pflicht zur Veröffentlichung der Kosten und Angaben, wie es die GRÜNEN fordern, ist meiner und unserer Meinung nach auch nicht geeignet, dem Mißbrauch vorzubeugen. Ich glaube, daß es überall Mißbrauch gibt. Aber wir, die CDU/CSU-Fraktion, sind aufgeschlossen für jeden vernünftigen Vorschlag, der für die Genehmigung der Reisen dienlich sein kann. Ich glaube vielmehr, daß eine konsequente Anwendung der Vorschriften der Genehmigungsverfahren, wie wir sie haben, wichtig ist. Die Entwicklung der Kosten für die von der Präsidentin genehmigten Dienstreisen in den vergangenen Jahren ist schon vom Umfang her überhaupt nicht spektakulär. Nimmt man die Gesamtkosten in Beziehung zur Zahl der Abgeordneten, so sind im Schnitt der vergangenen Jahre etwa 5 000 DM pro Abgeordneten jährlich ausgegeben worden. Zusammenfassend möchte ich feststellen: Das derzeitige Verfahren der Antragstellung, der Genehmigung und der Berichtspflicht ist nach unserer Auffassung zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Mittelverwendung völlig ausreichend. Ich betone an dieser Stelle noch einmal: Sollten von Ihnen vernünftige Vorschläge kommen, so sind auch wir bereit, darüber zu diskutieren, wenn sie zur Verbesserung der Verfahren beitragen. Wir sollten das Thema insgesamt wieder sachlicher, vorurteilsfreier und ohne Mißtrauen angehen. Wir sollten hier nicht der Versuchung unterliegen, dem sonst so geliebten Thema Datenschutz entgegenzuwirken, sondern versuchen, die Öffentlichkeit zu gewinnen, indem wir mehr sachliche Informationen nach außen tragen. Wir lehnen aus diesem Grunde den Antrag der GRÜNEN ab; denn ich meine, daß er nur auf eines zielt, nämlich auf Effekthascherei. Die letzte Konsequenz des Antrages der GRÜNEN könnte auch nach einem Zitat von Eugen Roth interpretiert werden: „Die besten Reisen - das steht fest - sind die oft, die man unterläßt." Das, meine Damen und Herren, kann aber für uns Abgeordnete sicherlich nicht der richtige Weg sein. Wir brauchen Abgeordnete, die Probleme und Fragen nicht im Glashaus diskutieren. Wir brauchen Abgeordnete, die sich informieren. Aber wir brauchen auch Abgeordnete, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind und dementsprechend die Reisen unternehmen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben keine Schwierigkeit, die Notwendigkeit von Reisen für Abgeordnete sinnvoll zu begründen. Wir leben in einer immer stärker vernetzten und zusammenwachsenden Welt, und wir wissen, daß internationales, auch globales Handeln immer wichtiger ist, wenn wir unsere Probleme hier vor Ort erfolgreich angehen können wollen. Das gilt für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ebenso wie für unsere Klimaprobleme. Das gilt für die Frage technologischer Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie für die Bekämpfung von Kriminalität. Ich denke, die Entscheidungsträger unseres Landes wissen dies genau. Denn Reisen sind unverzichtbar für die Spitzenvertreter der Wirtschaft, für die Wissenschaftler, für Gewerkschafter, für viele, die in den Umweltverbänden arbeiten, und ebenso für die Politiker und Politikerinnen, für Regierungen ebenso wie für uns Abgeordnete. Ich arbeite seit 14 Jahren in diesem Haus auf dem Gebiet der Technologiepolitik und bin an öffentlichen Debatten und politischen Entscheidungen dieses Hauses auf diesem Gebiet, etwa im Bereich der Gentechnik, seit über zehn Jahren aktiv beteiligt. Seit 1983 habe ich jedes Jahr für mindestens eine Woche die Vereinigten Staaten besucht, und das aus guten Gründen, denke ich. Denn auf dem Gebiet der Technikentwicklung, der Innovation sind nun mal die USA weltweit Schrittmacher, nicht nur im Bereich der Genforschung. Wenn wir uns über Trends der technologischen Entwicklung, über Probleme unserer Innovationsfähigkeit Klarheit verschaffen wollen, ist der Vergleich mit den wichtigsten Konkurrenten und Partnern, USA und Japan, für unsere eigene Arbeit unverzichtbar. Natürlich habe ich mich in Washington nicht nur mit Experten der Ministerien oder mit Parlamentskollegen getroffen. Natürlich bin ich auch in die Labors, in die Unternehmen gegangen und habe dabei versucht, ein Stück der gesellschaftlichen Wirklichkeit dieses so wichtigen Landes kennenzulernen. Am Samstag und Sonntag habe ich nicht von morgens bis abends nach Gesprächspartnern gesucht; denn auch Amerikaner und Amerikanerinnen haben ein Wochenende. Es ist vertretbar, wenn wir uns an diesen Tagen erholen. Aber das muß nicht am Montag und Dienstag sein. Ich denke, daß diese Investitionen notwendig waren. Herr Such, Ihr Antrag sieht vor, daß wir zwei Monate nach einer Reise in einem Rechenschaftsbericht die Umsetzung von Reiseerkenntnissen offenlegen sollen. Da kann ich Ihnen sagen: Das ist doch etwas verwegen und realitätsfremd. ({0}) Ich habe mich seit 1984 in den USA über die Regulierung der Gentechnik informiert. Ich war 1989/90 in diesem Hause Berichterstatter für das Gentechnikgesetz. Man muß auch in Hintergrundwissen investieren, das man bei wichtigen politischen Fragen in diesem Lande nutzen kann, und man sollte nicht erst dann reisen, wenn wir unmittelbar vor Entscheidungen stehen. ({1}) Der Perfektionismus in Ihrem Antrag, Herr Such, ist meiner Ansicht nach etwas politikfremd. Ich glaube, auch viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Fraktion können an solchen Punkten nur den Kopf schütteln. Es ist für mich mittlerweile ungemein hilfreich, einen Anruf bei einem amerikanischen Kongreßkollegen zu tätigen, wenn es etwa um Fragen der Nichtverbreitungspolitik und der Rolle der Bundesregierung dabei geht. Es ist doch auch klar, daß sich aus solchen Reisen und Kontakten Einladungen ergeben. Warum bin ich wohl vor dem französischen Senat als Sachverständiger zu Fragen der Biotechnik aufgetreten und zu internationalen Kongressen eingeladen worden? Weil die Begegnungen vorher stattgefunden haben, Herr Such. ({2}) - Auf Ihre Rolle komme ich schon gleich, keine Sorge. Ich denke, daß diese Reisen vom Bundestag zu Recht finanziert worden sind. Gerade im vereinten Deutschland müssen wir als Parlamentarier, Herr Such, weiter unsere Weltoffenheit zeigen, auch durch Begegnungen. ({3}) Daß die deutschen Parlamentarier etwa auf der letzten weltweiten Konferenz der Interparlamentarischen Union in Barcelona, auf Verlangen der Koalitionsfraktionen, gefehlt haben, hat bei vielen ausländischen Kolleginnen und Kollegen zu Unverständnis geführt ({4}) Unverständnis darüber, daß das größer gewordene Deutschland anfängt, sich bei internationalen Treffen von Parlamentariern zurückzuziehen. Daß Sie, Herr Such, und Ihre Fraktion in Wahrheit ja auch aufgeschlossen sind, zeigt sich z. B. daran, daß ein Mitglied Ihrer Fraktion auf Grund der Verteilung der Sitze im Normalfall pro Periode dreimal so häufig reist wie ein sozialdemokratisches Mitglied eines Ausschusses. Wenn Sie alle zwei Ausschußmitgliedschaften haben - das ist bei uns so gut wie nie der Fall -, dann beträgt die Quote 1 : 5 bis 1 : 6. Es ist sehr selten, daß Ausschußmitglieder der GRÜNEN dieser umfassenden Bürde der Ausschußreisen ins Ausland aus Zeitgründen, weil sie Wahlkreisverpflichtungen haben, nicht nachkommen. Ich begrüße es auch außerordentlich, Herr Such, daß Sie in der Obleutebesprechung im Innenausschuß sehr dafür geworben haben, daß der Innenausschuß eine Dienstreise nach Australien unternimmt. ({5}) Das finde ich völlig in Ordnung. Eines muß uns allerdings klar sein: Wir unternehmen diese Reise auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir sind bereit, über Transparenz, Kontrolle und Rechenschaftslegung auf diesem Gebiet im Ältestenrat zu reden und unsere bisherige Praxis zu überprüfen. Nur, eine umfassende Reform des Reiserechts, wie Sie das angekündigt haben, kann ich in diesem Antrag nicht sehen. Wir sollten praktisch überprüfen, ob die Prinzipien, die wir haben - wir stellen nämlich Anforderungen an Transparenz, an Kontrolle und Rechenschaftslegung -, in der Praxis eingehalten werden. Ich sage auch hier: Diese Anforderungen sollten für jeden Ausschuß dieses Hauses in gleicher Weise gelten. Mancher weiß, wovon ich rede. Wir sind also bereit, im Ältestenrat über die praktische Umsetzung unserer Anforderungen zu beraten und die bisherige Praxis zu überprüfen. Aber eine umfassende Reform ist nicht notwendig. Ich füge hinzu: Eine einzige schwer oder nicht zu rechtfertigende Reise eines Ausschusses oder eines Kollegen kann geeignet sein, all den Kolleginnen und Kollegen zu schaden, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben dringend auf internationale Kontakte angewiesen sind. ({6}) Es wäre schön gewesen, wenn wir in dem bekannten Artikel in der „Bild am Sonntag" auch von Ihnen, Herr Such, die Aussage gelesen hätten: Jawohl, es ist vernünftig, wenn diejenigen, die Menschenrechtspolitik machen, in den Osterferien nach Haiti fahren, weil sie zu keiner anderen Zeit zwischen Frühjahr und Sommer dorthin kommen können. Ich habe auf dem Tisch den Antrag eines Kollegen des Innenausschusses für eine Dienstreise zur Drogenpolitik und der organisierten Kriminalität nach Hongkong. Ich werde diese Reise genehmigen. Sie ist sinnvoll und unverzichtbar, weil Hongkong eine der Zentralen des internationalen Drogenhandels ist. Herr Such, ich werde aus Ihrer Rolle in dieser Diskussion nicht schlau. Ich finde, Sie haben hier eine in vielen Punkten akzeptable Rede gehalten. Aber es ist für mich etwas schwer nachzuvollziehen, daß Sie sich im Vorfeld zum Stichwortgeber von pauschalen Anwürfen und pauschaler Kritik an Abgeordnetenreisen haben machen lassen. Herr Such, daß man in wichtigen Medien zitiert wird, wenn dieses Thema auf die Tagesordnung kommt, ist natürlich der Preis für die hervorgehobene Position. Vielleicht sollten Sie, auch im Interesse Ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen, einmal überprüfen, ob nicht auch Sie ungerechtfertigte Anwürfe, die erhoben werden, zurückweisen sollten. Wir sollten diese Frage weiter unten aufhängen und auf der praktischen Ebene vorankommen. Ich bin als Parlamentarischer Geschäftsführer meiner Fraktion, der SPD, für die Reisen meiner Fraktionsmitglieder zuständig. Bei uns wird die fachliche Notwendigkeit einer Dienstreise durch den Sprecher/die Sprecherin geprüft. Es muß ein Reiseplan vorgelegt werden. Eine Rechenschaftslegung durch Berichte ist in unserer Fraktion seit vielen Jahren selbstverständlich. Ich bitte, Sie selbst einmal zu überprüfen, ob der wichtigste reformerische Fortschritt, den Sie dem Parlament durch Ihren Antrag beibringen wollen, der ist, daß die Übernachtungskosten und die Kosten für Mahlzeiten getrennt aufgeführt werden. Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir Abgeordneten sollten in dieser Diskussion der Versuchung widerstehen, uns in der Öffentlichkeit zu Kronzeugen pauschaler Abgeordnetenschelte machen zu lassen. Auslandsreisen können wir nun einmal nur in den sitzungsfreien Wochen unternehmen. Oder verlangen Sie etwa, Herr Such, diese Reisen in den Sitzungswochen zu unternehmen? Dazu hätte ich von Ihnen in den Medien gern auch etwas gehört. Also, Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir haben in den Grundsätzen vernünftige Regelungen beschlossen. Wir sollten allerdings auch die Bundestagsverwaltung, etwa auch die Ausschüsse, ermuntern, bei diesem Thema unbefangener mit den Medien umzugehen. Wir haben dort nichts zu verbergen. Manchmal ist auch die falsche Zurückhaltung erst der Grund dafür, daß Medien anfangen zu bohren. Dann kommen Dinge zutage, die meiner Ansicht nach nichts Sensationelles haben. Wir können die Diskussion im Ältestenrat fortsetzen. Herr Such, vielleicht hat ja Ihr Antrag mit der heutigen Debatte schon seinen Sinn erfüllt, weil es Ihnen möglicherweise nur darum ging, Erwartungen an das Thema zu wecken. Aber in der Praxis kommen wir, glaube ich, durch gemeinsame praktische Diskussionen weiter als über Ihren Antrag. Danke schön. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es spricht jetzt der Kollege van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meine vorbereitete Rede zwar hier ans Pult mitgebracht, ich brauche allerdings viele der Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, gar nicht mehr zu sagen; denn die Kollegin Baumeister und der Kollege Catenhusen haben die Dinge so dargestellt, wie das auch von mir geteilt wird. Ich habe in diesem Jahr bisher eine Auslandsreise gemacht, und zwar zusammen mit dem Vorsitzenden meiner Fraktion in die USA. Als jemand, der regelmäßig auch amerikanische Presse liest, muß ich sagen: Für mich war es erstaunlich, wie tiefgreifend der Wandel im amerikanischen Senat war. Das habe ich eben nicht durch die Beobachtung der Presse, sondern ausschließlich durch persönliche Kontakte in den Vereinigten. Staaten festgestellt. Ein zweiter Punkt war für mich außerordentlich interessant, daß nämlich unsere amerikanischen Kollegen praktisch nicht reisen. Das hängt u. a. damit zusammen, daß sie ja sehr kurze Wahlperioden haben, Wahlperioden von zwei Jahren, nach denen sie sich zur Wiederwahl stellen müssen, so daß sie eigentlich permanent im Wahlkampf sind. Das hat z. B. zur Konsequenz, daß die meisten von ihnen Europa nach dem Wegfall des Eisernen Vorhanges nie gesehen haben und sich deshalb überhaupt keinen eigenen Eindruck von dem gravierenden Wandel machen konnten, der insbesondere in den neuen Demokratien im Osten eingetreten ist. Das hat ganz erheblich zu falschen Beurteilungen geführt, wie man bei diesen persönlichen Gesprächen bemerken konnte. Das macht für mich mehr als deutlich, wie wichtig solche Reisen von Parlamentariern sind. Auf den Wert von persönlichen Kontakten ist von meiner Vorrednerin und von meinem Vorredner schon zu Recht hingewiesen worden. Dieser persönliche Kontakt schafft Vertrauen. Insbesondere dann, wenn die Beziehungen zwischen Ländern an Belastungspunkten angekommen sind, sind es gerade diese persönlichen Beziehungen zwischen Abgeordneten, die dazu beitragen - etwa fußend auf Begegnungen in der Interparlamentarischen Union, in der Nordatlantischen Versammlung und vielen anderen internationalen Gremien -, daß man mit dem anderen Kontakt aufnimmt, daß Dinge ausgebügelt werden können. Alles das macht deutlich, daß wir uns mit unseren Reisen verdammt nicht zu verstecken haben. ({0}) Die Bürger haben natürlich zu Recht Anspruch auf Transparenz in diesem Bereich. Aber ich meine, auch da ist nicht Effekthascherei, ist nicht populäres Nachschwätzen von Vorstellungen, die bestimmte Medien haben, angesagt, sondern Ehrlichkeit. Es ist wirklich Ehrlichkeit angesagt. Dazu gehört z. B., daß wir im letzten Jahr weniger gereist sind als im Jahr zuvor. Das heißt, daß offensichtlich die verschiedenen Maßnahmen, zu einer Begrenzung der Reisen zu kommen, durchaus gegriffen haben. Wir sind nicht Reiseweltmeister. ({1}) - Ich denke, auch wenn man das hochrechnet, brauchen wir uns nicht zu verstecken. Transparenz kann der Steuerzahler natürlich zu Recht von uns verlangen. Deshalb hat es ja auch Anstrengungen dazu gegeben. Sie sind vorgetragen worden. Ich denke, daß z. B. die Ankündigung einer Reise in einer Pressekonferenz ganz selbstverständlich ist; denn wer etwas macht, was er begründen kann, was er nachvollziehbar darlegen kann, der braucht den Kontakt mit der Presse nicht zu scheuen. Ich finde, es ist eine ganz vorzügliche Regelung, daß vorher die Reise vorgestellt wird. ({2}) Das befindet sich jetzt in der Erprobungsphase, und ich denke, daß das eine der positiven Änderungen ist. Im übrigen, wer eine Reise getan hat, sollte tatsächlich einen Bericht abgeben, so wie wir es ja beschlossen haben. Das dient auch dem nachträglichen Nachlesen. Mir ist das z. B. so gegangen: Ich habe im letzten Jahr eine Reise nach Mosambik gemacht. Ich habe die Notizen über unsere Gespräche, die wir geführt haben, noch einmal sorgfältig nachgelesen, als der Friedensprozeß entgegen meiner Erwartung Gott sei Dank erfolgreich gewesen ist. Es war sehr interessant, das an Hand der tatsächlichen Entwicklung nachzuverfolgen. Auch diese Neuregelung kann sicherlich nur begrüßt werden. All das sind Dinge, die gerade erst umgesetzt worden sind. Ich meine, wir sind sehr gut beraten, wenn wir erst einmal eine gewisse Zeit abwarten, ob es sich bewährt hat. Der Vorschlag, den Kollege Catenhusen gemacht hat, sich etwa zur Mitte dieser Legislaturperiode einmal anzuschauen, was sich bewährt hat und was sich nicht bewährt hat, und festzustellen, was man gegebenenfalls ergänzen kann, wird von mir nachhaltig unterstützt. Ich glaube, das ist der Weg der Vernunft. Genau das, nämlich Vernunft, und nicht Populismus, ist hier gefragt. Vielen Dank. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat Kollege Manfred Müller.

Manfred Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002740, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Meinungsbildung in unserer Gruppe auf Grund des Wortlautes des Antrages am Dienstag dieser Woche vorgenommen. Ich habe an keiner Stelle den Hinweis gefunden, daß etwa das sinnvolle Reisen, der Meinungsaustausch, der Informationsaustausch in Frage gestellt werden. Was verlangt wird, ist Transparenz. Ich habe bei allen Reden gehört, daß diese Notwendigkeit erkannt wird. Ich verstehe überhaupt nicht, warum sich die übrigen drei Fraktionen diesem Antrag nicht anschließen können. Wir werden darüber ausführlich im Ältestenrat diskutieren. Dabei wird sicher etwas herauskommen, was auch berücksichtigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir uns ein großes Vorhaben vorgenommen haben, nämlich die sogenannte Parlamentsreform. Zur Parlamentsreform gehört auch die erneute Diskussion über unsere Bezüge, über unsere Altersversorgung. Manfred Müller ({0}) Wenn wir es nicht schaffen, in der Öffentlichkeit Verständnis für unsere Belange auch in diesen Fragen zu erzielen, indem wir offenlegen, was wir warum in welchem Umfang tun und mit welchem Kostenaufwand wir Reisen ins Ausland unternehmen, dann wären all die Vorbehalte, von denen gesprochen worden ist und die vor zwei Wochen so übel, kann ich sagen, im „Stern" in der Fotoserie dargestellt wurden, die von hervorragender Stelle mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden ist, ausgeräumt. Wenn wir aus dieser Diskussion heraus wollen, dann müssen wir selber Transparenz, d. h. Öffentlichkeit, anbieten. Es soll hier nicht der falsche Eindruck entstehen, daß ich mich etwa gegen Reisen ausspreche. Ich halte Reisen und Meinungsaustausch mit uns besuchenden Auslandsdelegationen für sinnvoll, ja notwendig. Deshalb informiere ich heute auch die Öffentlichkeit, d. h. alle Interessierten in dieser Öffentlichkeit, daß ich in der kommenden Woche mit dem 1. Ausschuß einer Einladung nach Rom folgen werde, um mich in Rom über den dortigen Parlamentsbetrieb und die Rechtsstellung unserer italienischen Kolleginnen und Kollegen zu informieren. Vielleicht habe ich dann auch die Möglichkeit, auf die besonderen Schwierigkeiten, die wir, die Gruppe der PDS, in diesem Deutschen Bundestag mit der Mehrheit in diesem Haus hinsichtlich der Anerkennung unseres Fraktionsstatus haben, hinzuweisen und mich darüber auszutauschen. Ich werde das, was ich darüber höre, in eine der nächsten Debatten möglicherweise einbringen. Deshalb unterstützen wir den Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Schönen Dank. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe damit die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/1014 zur federführenden Beratung an den Ältestenrat und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob, Andrea Lederer und der weiteren Abgeordneten der PDS Verbot der Rüstungsexporte und Konversion der Rüstungsindustrie - Drucksache 13/584 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft ({0}) Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß Verteidigungsausschuß Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Gruppe der PDS fünf Minuten erhalten soll. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Winfried Wolf. ({1})

Dr. Winfried Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002830, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vier Jahrzehnte lang wurde uns erklärt, daß hohe Rüstungsausgaben und explodierende Rüstungsexporte Ergebnis der Blockkonfrontation seien. Lassen wir die Versprechen, die nach der Implosion der UdSSR gegeben wurden, und die Realitäten, mit denen wir seither konfrontiert sind, Revue passieren. Stichwort Friedensdividende: Tatsächlich wurden die Rüstungsetats der NATO-Staaten nur in bescheidenem Maße reduziert. Die Jahre 1994 und 1995 sind die Jahre mit den ersten neuen Steigerungen dieser Rüstungsexporte und der Rüstungsetats - so in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die weltweiten Rüstungsexporte knapp halbiert, vor allem weil die russischen zusammenbrachen. Doch das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI stellte jüngst fest - ich zitiere -: „Ab 1994 geht es auch hier erstmals seit 1987 wieder bergauf." Nach dem Golf-Krieg versprach der damalige US- Präsident George Bush eine massive „konventionelle Abrüstung im Nahen und im Mittleren Osten". Das Gegenteil findet statt. Allein die USA haben seither in diesem Raum Waffen für mehr als 60 Milliarden DM verkauft. Frankreich lieferte nach Abu Dhabi für 6,5 Milliarden DM 436 Leclerc-Panzer. Das war auch ein deutsches Geschäft: Die Antriebe stammen von MTU in Friedrichshafen. „Nach Rüstung kommt Krieg" - besieht man sich die SIPRI-Statistiken, dann sieht man, daß kaum je eine Losung so treffsicher war wie diese der Friedensbewegung. Anfang der 80er Jahre führten Iran und Irak die Liste der Waffenimporteure der Dritten Welt an. Danach führten die beiden Länder sechs Jahre lang Krieg gegeneinander. Die Bundesrepublik Deutschland war insofern neutral, als sie beide Seiten gleichermaßen auf- und nachrüstete. Ende der 80er Jahre lagen die Waffenimporte des Iraks an der Spitze der Rüstungseinfuhren der Dritten Welt. Alle großen Rüstungsexporteure - US-amerikanische, sowjetische, britische und deutsche - profitierten, und einige profitierten ein zweites Mal im Golf-Krieg II. Ein Blick in die Statistiken könnte uns auch zeigen, wo „nach Rüstung" die nächsten Kriege produziert werden. In der Dritten Welt könnte dies ein Krieg sein, in dessen Zentrum der Iran steht. Laut SIPRI gehört dieses Land heute zu den größten Rüstungsimporteuren der Dritten Welt. Nach Ansicht von Regierungskreisen in Washington und Tel Aviv hilft Bonn dem Iran auf dem Weg zur Atombombe. Ein Krieg gegen den Iran würde - noch mehr als der vorausgegangene gegen den Irak - auch den Charakter eines neuen Stellvertreterkrieges haben. Auch der nächste Krieg in der europäischen Region zeichnet sich ab. Seit mehreren Jahren sind Griechenland und die Türkei die führenden Importeure von Großwaffen. Zu ihrer Herkunft notiert der neueste SIPRI-Report: Neben der Türkei zählt auch Griechenland zu den wichtigsten Abnehmern konventioneller Großwaffensysteme deutscher Herkunft. Die Bilanz: Deutsche Waffenexporteure schießen wieder weit vorn in der führenden Truppe der Händler des Todes mit, und das muß noch schlimmer werden: Kurz nach der Bundestagswahl hat die Koalition die Liste der Länder, in welche der Export von Gütern verboten ist, die genehmigungspflichtig sind und die auch militärisch eingesetzt werden können, von 32 auf neun reduziert. Werte Kolleginnen und Kollegen, ähnlich wie frühere Anträge vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD und zusammen mit Pax Christi, mit dem Kommunikationszentrum Idstein, mit der Abrüstungskampagne des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen und mit dem Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg fordern wir ein Verbot von Rüstungsexporten und die Konversion der Rüstungsindustrie. Wir plädieren für ein sofortiges Verbot von Rüstungsexporten in die Dritte Welt und in die Bürgerkriegsregion Türkei bzw. in die Vorkriegsregion Türkei/Griechenland. In spätestens fünf Jahren - so unser Antrag - soll jede Rüstungsproduktion eingestellt und die Rüstungsindustrie auf friedliche Produkte, insbesondere im Energiebereich, konvertiert sein. Ich zitiere: Kein Wirtschaftsbereich läßt sich ... einfacher auf andere Produktionen politisch umsteuern als der der Rüstungsindustrie - durch die Ersetzung von militärischen mit zivilen Staatsaufträgen, indem die Priorität von der äußeren Sicherheit zur Umweltsicherheit wechselt. So der werte Kollege von der SPD, Hermann Scheer, der die Konversion der Rüstungsindustrie fordert, um damit eine Energiewende mit Sonnentechnologie zu erreichen. In der Debatte über Landminen in der letzten Woche führte der Kollege Pflüger sinngemäß aus: Wer alle Minenexporte verbieten wolle, müsse alle Waffenexporte verbieten. Der Mann hat recht. Einer muß damit wohl anfangen. Daher plädieren wir vor dem Hintergrund der NS-Geschichte, vor dem Hintergrund der gefährlichen Hochrüstung in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR bis zum Jahre 1989 und vor dem Hintergrund der kriminellen Verwicklung Deutschlands auch in die Aufrüstung arabischer Staaten dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland der erste Kriegsdienstverweigerer sein soll. Das heißt, wir müssen mit dem Stopp von Rüstungsexporten anfangen. Danke schön. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Erich Fritz, Sie haben das Wort.

Erich G. Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS „Verbot der Rüstungsexporte und Konversion der Rüstungsindustrie" stellt ganz offensichtlich ohne genaue Kenntnis der Materie populistische Forderungen zusammen und schielt auf die Zustimmung von Gruppierungen, die sich allerdings - das gebe ich gern zu -, ernsthaft mit diesen Fragen auseinandersetzen, im Unterschied zur PDS. Dieses hier vorgelegte Konglomerat ist überhaupt nicht geeignet, auch nur eine der anstehenden Fragen im Zusammenhang mit Rüstungsexporten und der Rüstungsexportkontrollpolitik zu beantworten. Es läßt vor allem erkennen, daß es bei der PDS keinerlei außen- und sicherheitspolitisches Konzept gibt. ({0}) - Richtig. Hier werden einmal mehr Ausstieg, Alleingang und Planwirtschaft als Allheilmittel gesehen. Wir von der CDU/CSU gehen einen anderen, einen verantwortlichen Weg, der Probleme im Zusammenhang mit Rüstung und Rüstungsexport nicht verkennt, aber darauf gerichtet ist, sie in Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und im Bündnis zu lösen. Wir haben aus unseren Erfahrungen die Konsequenzen gezogen und ein kochentwickeltes Kontrollsystem für jede Art von Rüstungsexport entwickelt. Dieses System ist während der letzten Jahre ständig verbessert und verfeinert worden. Es ist dadurch ganz offensichtlich auch wirkungsvoller geworden. Wir haben klare Regelungen für Kriegswaffenexporte. Das Kriegswaffenkontrollgesetz und die Grundsätze der Bundesregierung von 1982, die sich als eine tragfähige und transparente Methode erwiesen haben. Diese Instrumente machen es jederzeit möglich, auf politische Veränderungen zu reagieren. Die Bundesrepublik Deutschland hat die schärfsten Regelungen im Außenwirtschaftsgesetz und in der Außenwirtschaftsverordnung und kann damit die Exportkontrolle im Dual-use-Bereich restriktiv durchführen; sie tut dies auch. Die Anstrengungen zum Ausbau des Bundesausfuhramtes und des Zollkriminalinstituts zeigen den Willen der Bundesregierung sowie der sie tragenden Koalition, Vorgänge wie Rabta in Zukunft unmöglich zu machen. Obendrein haben die Strafverschärfung sowie die neue Kontrollpraxis dazu beigetragen, daß die Unternehmen lieber einen Antrag zuviel stellen, als sich dem Verdacht auszusetzen, nicht exportfähige Güter auszuführen. Daß dadurch illegale Aktivitäten nicht für immer und ewig ausgeschlossen sind, ist uns allen klar. Anerkannt werden muß aber, daß alles denkbar Mögliche getan wird, kriminelle Tätigkeit frühzeitig aufzuspüren und wirkungsvoll zu unterbinden. Es war schließlich die Initiative der Bundesrepublik Deutschland, im Bereich des Exports von doppelt verwendbaren Gütern eine europäische Harmonisierung zu erreichen. Das Ergebnis ist, daß am 1. Juli dieses Jahres die EU-Verordnung in Kraft treten wird. Sie befriedigt sicher nicht alle Wünsche, die wir gehabt haben. Aber sie ist ein Fortschritt; denn die Vergemeinschaftung dieser Politik wird dazu beitragen, daß solche Exporte nach einheitlichen Regelungen behandelt werden. Das ist ein wirklicher Beitrag zur Verbesserung. Das ist allemal wirkungsvoller, als Formulierungen wie in dem Antrag der PDS zu finden, die letztlich zu einer Verlagerung solcher Geschäfte und auch dazu führten, daß sich Exporteure dem System, das wir jetzt gemeinsam aufgebaut haben, entzögen. Daß es dabei zum erstenmal eine Auffangnorm auf europäischer Ebene gibt - wenn auch zunächst nur im Bereich der atomaren, biologischen und chemischen Waffen -, schätzt wohl niemand in diesem Haus gering ein. Wir hätten eine solche Norm gern auch für andere Bereiche gehabt; das war im ersten Schritt aber nicht zu erreichen. Die Bundesregierung hat - auch das ist ein richtiger Schritt auf dem Weg zu effektiver Rüstungskontrolle - das Waffenregister der Vereinten Nationen initiiert und erreicht. Transparenz ist ein wichtiger Pfeiler einer weltweit wirksamen Rüstungsexportkontrollpolitik. Dieses Instrument ist in den nächsten Jahren ausbaufähig. Im Bereich der konventionellen Rüstung hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine völlig neue Situation ergeben: Der Truppenreduzierung und Abrüstung in nie gekanntem Umfang folgte ein Abbau in der wehrtechnischen Industrie. In den planwirtschaftlich geführten Ländern dauert dieser Prozeß wesentlich länger. ({1}) - Wissen Sie, selbst Ihre Kollegen, die von dem Thema etwas verstehen, differenzieren bei der Beurteilung der vorhergehenden SIPRI-Liste ganz deutlich und sagen, daß diese Zahlen auf Grund der Bewertung des Exports der ehemaligen NVA-Güter natürlich verfälscht sind. Das sollten Sie wenigstens dazusagen, damit wir auf einer ehrlichen Grundlage diskutieren. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus hat sich die Notwendigkeit zur Landesverteidigung und zur Zusammenarbeit in der NATO nicht erledigt. Die Anforderungen der Zukunft werden andere sein. Auf jeden Fall ist aber eine wehrtechnische Industrie in der Bundesrepublik auch weiter erforderlich. Dabei müßte jedem einleuchten, daß dies in einem vereinten Europa keine nationale Angelegenheit mehr sein kann. Wir wollen bündnisfähig sein und kooperationsfähig bleiben. Wir wollen, daß wir gerade über eine Zusammenarbeit auch in diesem Bereich in Europa zusammenrücken und eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreiben. Wer sich aus diesem Bereich völlig verabschieden würde, würde auch den Einfluß auf eine solche Politikgestaltung verlieren. Daß die PDS in ihrem Antrag den Begriff der europäischen Rüstungsagentur diskriminierend benutzt, war zu erwarten. Eine solche Agentur würde aber die Chance einer neuen Form der Zusammenarbeit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik eröffnen und könnte Kontrollmechanismen enthalten, die vertrauensbildenden Charakter in diesem Bereich hätten. So wie die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl an einer gewissen Stelle der Geschichte sensibel gemacht und Verständnis für eine gemeinsame Politik auf schwierigen Feldern bewirkt hat, könnte eine europäische Rüstungsagentur nationale Sonderwege verhindern und zu einer wünschenswerten Integration führen. Erst dann hätte Deutschland auch die Möglichkeit, auf das Exportverhalten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Einfluß zu nehmen. Dieser Weg ist vielversprechender, als sich auszuklinken. Dabei ist eine irgendwie geartete Angst vor einer Ausweitung deutscher Rüstungsproduktion schlichtweg unsinnig, denn die Entwicklung verläuft umgekehrt. Noch nie zuvor ist in Europa soviel abgerüstet worden wie in den letzten fünf Jahren. Das hat in unserem Land u. a. dazu geführt, daß 50 % der Arbeitsplätze in der deutschen wehrtechnischen Industrie schlichtweg verschwunden sind. Daß es dabei eine Grenze gibt, die dazu führt, daß Kooperationen nicht mehr möglich sind, daß sinnvolle Gemeinschaftsprojekte mit NATO-Partnern nicht mehr unter deutscher Beteiligung stattfinden, ist bekannt. Deshalb ist unsere Anstrengung auf die Herstellung der Kooperationsfähigkeit mit anderen NATO-Partnerstaaten gerichtet. Daß die PDS in die Mottenkiste ihrer Wirtschaftspolitik greift und eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie fordert, kann eigentlich nur als ein Beitrag zur Bundestagssatire interpretiert werden. Wir brauchen nicht Planwirtschaft, sondern Anpassungsfähigkeit in einer Zeit der massiven Umstrukturierung. Zu solchen Veränderungen sind Privatunternehmen sehr wohl in der Lage, nicht aber staatliche Konzerne. Besonders unangebracht finde ich in dem PDS-Antrag die Passage, die der Bundesregierung unterstellt, sie wolle die restriktive Exportkontrollpolitik im Bereich von Gütern und Technologien lockern, die für die Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen geeignet sein könnten. Dabei gibt es gerade über diesen Bereich bei uns überhaupt nichts zu diskutieren. Wir halten an der restriktiven Politik fest. Die Haltung der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen - ich glaube, überwiegend auch die Haltung der Opposition - in dieser Frage ist eindeutig. Darüber hinaus haben wir gerade mit der EU-Verordnung einen weiteren Schritt gemacht, der das auch absichert; denn wir haben jetzt die entsprechenden europaweiten Regelungen. Die Durchsetzung der Kontrollpraxis in diesem Bereich ist allerdings, wie man vielen Informationen des Wirtschaftsministeriums entnehmen kann, schwieriger geworden, weil sich die Nachfrageländer auch der verschärften Kontrollpraxis anpassen. Deshalb muß man Wert darauf legen, daß die Instrumente zeitgemäß bleiben und daß mit Hilfe der Dienste und des Zollkriminalinstituts frühzeitig Aufklärung betrieben wird, um solche Exporte zu verhindern. Rüstungsexport, meine Damen und Herren, hat politische, wirtschaftliche, aber auch ethische Aspekte. Die Politik der Union und der Koalition ist so gestaltet, daß sich die drei Aspekte verantwortlich miteinander vereinen. Daß die PDS Bedarf hat, die ethischen Defizite der SED-Vergangenheit aufzuarbeiten, die von der Aufrüstung der Dritten Welt bis zur Unterstützung des Terrorismus reichten, ist einzusehen. Mit solchen Anträgen wird ihr das aber nicht gelingen. Die Einsicht in die Zusammenhänge ist bei den Bürgern viel größer, als es die PDS vermuten kann. Das hat sich übrigens auch bei den Landtagswahlen am Sonntag in Bremen gezeigt. Herzlichen Dank. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Kollege Gernot Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Debatte stehende PDS-Antrag will in der Tat die grundsätzliche Beendigung von Kriegswaffenexport, und zwar sofort für alle Länder außerhalb der NATO und der Europäischen Union sowie für Griechenland und die Türkei und für alle NATO-Länder in einer Art Stufenplan innerhalb von fünf Jahren. Er will eine restriktivere Handhabung der Kontrolle von Dual-use-Gütern. Er will eine Ausweitung des UN-Waffenregisters, und er möchte als ein Mittel der Kontrolle eine Form des öffentlichen Eigentums in der Rüstungsindustrie einführen. Es finden sich auch einige Sätze über eine Gemeinschaftsinitiative „Konversion". Insgesamt verbinden sich in diesem Antrag viele wenig homogene Vorschläge, teilweise nachvollziehbare, aber auch teilweise nicht nachvollziehbare. Ich enthalte mich hier ausdrücklich jeder Polemik gegen Ihre Gruppe. Wenn man den Satz in der Begründung liest, daß es Ihnen eigentlich um einen historischen Schritt geht - ich zitiere -, um die Beendigung jeglichen Rüstungsexports als Vorbedingung für die Einstellung jeglicher Rüstungsproduktion, dann stelle ich fest: Was Sie eigentlich anstreben, sagen Sie offenbar nicht. Das ist meines Erachtens für ein parlamentarisches Verfahren nicht angemessen. Entweder Sie sagen gleich, daß Sie überhaupt keine Bundeswehr, kein westliches Bündnis, überhaupt keine Form von Streitkräften mehr haben wollen - das ist nämlich die Konsequenz, wenn man jegliche Rüstungsproduktion einstellt; das hätten Sie in den Antrag hineinschreiben sollen -, oder Sie wollen ernsthaft ein System einführen, bei dem wir alle Waffen für die Streitkräfte, die wir weiterhin unterhalten, kaufen. Das dürfte nicht zu finanzieren sein. Es findet sich ein eigenartiger Widerspruch in Ihrem Antrag, der ihn unterhalb Ihrer Möglichkeiten läßt, wenn Sie die öffentliche Kontrolle über und das öffentliche Eigentum an der Rüstungsindustrie fordern und wenige Zeilen später auf solche Ereignisse wie die Involvierung des Staatskonzerns Salzgitter in den Rabta-Vorgang oder die Involvierung der Preussag bei der irakischen Aufrüstung hinweisen. Ich frage: Was versprechen Sie sich dann also von der staatlichen Kontrolle, wenn das das Agieren von staatskontrollierten Unternehmen ist? ({0}) - Das glaube ich auch, daß das eine berechtigte Frage ist. Deswegen nehme ich Ihren Antrag eher zum Anlaß, um noch einmal einige grundlegende Ausführungen zu diesem Bereich zu machen. Ich muß allerdings sagen, Kollege Fritz: Ich komme zu nicht ganz so harmonischen Darstellungen wie Sie. Die Sozialdemokraten verfolgen, wie es auch in dem Antrag des Wiesbadener Parteitags vom November 1993 niedergelegt ist, folgende Grundkonzeption: Wir wollen auf Rüstungsexporte in Staaten außerhalb der NATO verzichten und verlangen ebenfalls einen Endverbleib von gelieferten Waffen im NATO-Gebiet. Wir wissen, daß man mit höheren Strafen bei Verstößen gegen die Exportregelungen vorgehen muß, wenn man Erfolg haben will. Wir haben in der Tat wesentlich konkretere Vorschläge zur Konversion vorgelegt, als das in diesem Antrag der Fall ist. Wir haben ebenfalls das Ziel, eine wirkungsvolle Kontrolle innerhalb des gewachsenen europäischen Binnenmarktes auch für Dual-use-Güter zu erreichen. Diese Ziele haben wir durch zahlreiche Initiativen, Anträge und Anfragen im Deutschen Bundestag verfolgt; liebenswürdigerweise haben Sie einige davon sogar in Ihrem Antrag zitiert. Unsere besonderen Sorgen gelten im Augenblick folgenden Punkten: Ein Punkt ist der sich verstärkende Waffenexport in Entwicklungsländer. Es ist eigentlich sehr traurig, daß vor wenigen Tagen eine SPD-Initiative im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auf eine überparteiliche Maßnahme abzielte, gescheitert ist. Es ist zwar Tatsache - übrigens anders, als Sie, Herr Dr. Wolf, es hier geschildert haben -, daß sich international die Ausgaben für Rüstung verringert haben, nämlich z. B. 1993 auf 868 Milliarden Dollar - das ist immer noch eine unvorstellbare Summe; aber diese bleibt um 30 % unter der des Rekordjahres 1987 -, allerdings findet eine Verschiebung der Rüstungsmärkte statt. Während z. B. der Rüstungsexport aus den Ländern Osteuropas, aus den Ländern der GUS zusammengebroGernot Erler chen ist - man kann es beinahe so formulieren - und in den letzten Jahren um 70 % zurückgegangen ist, hat er sich in Regionen wie Südasien, Ostasien, Ozeanien und auch dem südlichen Afrika verstärkt. Diese neue Qualität gibt Anlaß zu der Forderung, daß die Bundesregierung viel härter in der Verhinderung von Waffenexporten in Regionen sein müßte, in denen Konflikte herrschen, in Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen geschehen, insbesondere in arme Länder, die immer noch für teures Geld Rüstung kaufen. Es ist schon bedrückend, wenn man weiß, daß die sechs Länder, die aus dem Bundeshaushalt die meisten Mittel für ihre Entwicklung bekommen, auch die führenden Waffenimporteure in der Dritten Welt sind. Es ist bedauerlich, daß diese Initiative keinen Erfolg hatte. Unsere Forderung nach Einstellung des Exports von Rüstungsgütern in Entwicklungsländer, in Militärdiktaturen und in Krisengebiete bleibt aktuell und bleibt berechtigt. Wir hatten hier vor kurzem eine interessante und ebenfalls bedrückende Debatte um einen Einzelfall, nämlich Indonesien. Wir werden nicht aufhören mit unserer Kritik an den Waffenlieferungen in das NATO-Land Türkei, weil wir die Situation dort kennen, weil wir erkennen, daß keine Glaubwürdigkeit gegeben ist, wenn man immer wieder politische Lösungen der Probleme innerhalb dieses Landes fordert und gleichzeitig in so enormem Ausmaß Waffen dorthin liefert, ganz abgesehen von den innenpolitischen Folgen, die das hat. Am aktuellsten ist sicherlich der Bereich der EU- Verordnung zur Harmonisierung von Exportkontrollvorschriften im Bereich der Dual-use-Güter. Herr Kollege Fritz, wir erkennen sehr wohl, daß es sinnvoll und notwendig ist, eine Harmonisierung im europäischen Maßstab herbeizuführen. Wegen der Bedingungen des Binnenmarktes geht es nicht anders. Wir haben beobachtet und zur Kenntnis genommen, in welcher Weise die Bundesregierung versucht hat, ihr Exportkontrollregime möglichst für ganz Europa einzuführen. Das verstellt uns aber nicht den Blick dafür, daß in einem Punkt ohne Not eine Senkung der Hürde stattgefunden hat. Ich spreche von der berühmten Aufhebung der Länderlisten E, H und I und der Neuschaffung der Länderliste K, die die Kontrolle von nicht gelisteten Dual-use-Gütern für konventionelle Waffensysteme regelt. Dieser Bereich umfaßte früher in der Tat 32 Länder. Jetzt sind es, Herr Dr. Wolf, nicht neun, sondern 13 Länder. Wenn man sich die Liste aber ansieht, kommt man zu dem Ergebnis, daß hier offensichtlich Zugeständnisse an - so möchte ich sagen - Wirtschaftsinteressen gemacht worden sind, die es natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa gibt. Man hat also vermutet, daß sich hier ein Ungleichgewicht ergibt. Wenn man aber sieht, daß unter den 19 Ländern, die aus der alten Länderliste H gestrichen worden sind, solche sind wie Algerien, die Volksrepublik China, der Jemen, Kambodscha, Indien und Pakistan, und wenn man weiß, wie die politische Entwicklung in einigen dieser Regionen ist, muß man sagen: Hier ist ohne Not eine Barriere niedriger gesetzt worden, als wir uns das gewünscht hätten. Es gibt noch andere Dinge, die uns Sorgen machen, z. B. daß der Transfer sensitiven Wissens, technische Dienstleistungen und alle Transithandelsgeschäfte von der Harmonisierung ausgenommen wurden. Hier werden sicher noch weitere Anstrengungen im Rahmen der Europäischen Union notwendig sein. Wir werden diese Entwicklung sorgfältig zu beobachten haben. Abschließend möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, nämlich darauf, daß sich neben dem Regelwerk die Probleme immer mehr in Richtung der Exekutive verschieben werden. Es gibt jede Menge Umgehungsmöglichkeiten oder auch solche Tatbestände, wie sie uns in einem Artikel des „Guardian" vom 16. März 1995 vor Augen geführt wurden, wo wir zur Kenntnis nehmen mußten, daß iranische Waffenhändler einen kleinen Flughafen in SchleswigHolstein, in Hasenmoor, gekauft haben und ihre Geschäfte jetzt von dort aus abwickeln. Das sind Dinge, die zeigen, wie weit wir von einem vernünftigen exekutiven Kontrollsystem entfernt sind und welche Dinge noch auf uns zukommen. Wir werden unsere Bemühungen in der Richtung, die ich geschildert habe, fortsetzen müssen und mit Sicherheit weitere Initiativen in diesem Bereich entwickeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Paul Friedhoff, Sie haben das Wort.

Paul K. Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000588, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Schwerter zu Pflugscharen" war eine der Losungen, die die Opposition in der ehemaligen DDR auf ihre Fahnen geschrieben hatte, eine der Losungen, der die Menschen folgten und die schließlich die SED-Diktatur in der DDR zum Einsturz brachten. Da könnte man schon auf den Gedanken kommen, die PDS als SED-Nachfolgeorganisation wollte sich mit diesem Antrag noch nachträglich in die Reihe der friedlichen Revolutionäre stellen. Uns liegt der Antrag der PDS vor, der in 20 Punkten die Forderung erhebt, die Rüstungsexporte schrittweise einzustellen und die Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren, zu verstaatlichen. Darüber hinaus formuliert der Antrag Vorschläge zu einer restriktiven Kontrolle der Ausfuhr von Dual-use-Gütern und enthält die Forderung nach einem sozialverträglichen Umbau der Rüstungsindustrie. Meine Damen und Herren, in Debatten um Rüstungsfragen sind die Rollen von Gut und Böse schnell verteilt; die Emotionen gehen hoch, ohne daß eine nüchterne Analyse vor dem Hintergrund einer Welt, in der Kriege keineswegs abgeschafft sind, erfolgen würde. Ich denke, wir tun gut daran, den Propagandaknüppel im Sack zu lassen und uns statt dessen den Fakten zuzuwenden. Ein totales Exportverbot für Waffen, wie von der PDS gefordert, also auch keine Ausfuhr in NATO-Staaten und EU-Mitgliedsländer nach Ablauf von fünf Jahren, hätte schwerwiegende Folgen. Bei der Produktion von Rüstungsgütern bestehen in Europa intensive und weitreichende Beziehungen zwischen den Unternehmen aus allen Ländern der NATO-Partner. Angesichts hoher Kosten und knapper Kassen macht das Prinzip der Arbeitsteilung auch vor dem Rüstungssektor nicht halt: Rüstungsmaterial wird grenzüberschreitend entwickelt und hergestellt und bildet insofern auch einen Beitrag zu einem Sicherheitsverbund. Ein Exportverbot, wie es der PDS vorschwebt, würde die Zusammenarbeit der Unternehmen faktisch unterbinden und die Ausstattung der Bundeswehr mit dem notwendigen Wehrmaterial gefährden. Eine einseitige, absprachewidrige Lieferungsverweigerung der deutschen Seite würde auch auf den Sektor ziviler Kooperationen abstrahlen und dort zu Gegenmaßnahmen führen, die für unsere Exportindustrie sehr schädlich wären. Bereits diese beiden Punkte erwecken bei mir den Eindruck, daß der Antrag wohl weniger inhaltlich begründet ist, als vielmehr auf die Abschaffung der Bundeswehr und die Auflösung der NATO zielt. Ich bin aber sicher, die Bundeswehr und die NATO haben Kriege verhindert und nicht gefördert. ({0}) Noch ein Wort zur Konversion selbst: Wie für alle Unternehmen in einer Marktwirtschaft gilt auch für die Unternehmen im Rüstungssektor, daß der Strukturwandel infolge der Veränderungen auf den Märkten im Unternehmenssektor selbst bewältigt werden muß. Die Einrichtung eines speziellen Strukturfonds für die Konversion wäre ein weiterer massiver Staatseingriff, der im übrigen völlig überflüssig ist, da im Rahmen des bestehenden strukturpolitischen Instrumentariums die Möglichkeit besteht, Mittel auf besonders betroffene Gebiete zu konzentrieren. Insgesamt bleibt festzustellen, daß der Antrag sowohl im Hinblick auf die bündnispolitischen wie auch im Hinblick auf die wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten den Erfordernissen des Strukturwandels im Rüstungssektor nicht gerecht wird. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Kollege Christian Sterzing.

Christian Sterzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002810, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Umbruch in Osteuropa haben wir alle große Hoffnungen gehegt, vor allem die Hoffnung auf eine friedliche Welt und auf eine umfassende Abrüstung. Mit den neuen globalen Perspektiven verbanden viele Menschen natürlich auch die Hoffnung auf einen Abbau des Militärs, die Hoffnung auf ein Ende des Waffenhandels und auf eine entschlossene Konversionspolitik. Das Wort von der Friedensdividende machte damals die Runde. Aber die Welt ist nicht friedlicher geworden. Unzählige regionale und ethnische Kriege sind ausgebrochen. Mit Waffenhandel wird weiterhin in dieser Welt Geld verdient. In Deutschland wird der Traum von der Großmacht geträumt. Der Bundeswehr wurde als weltweiter Kriseninterventionsmacht ein neuer Sinngehalt eingehaucht. Statt Zeugen einer Abrüstung sind wir Zeugen einer Umrüstung geworden. Wenn wir schon alle Feinde verloren haben - so mag man denken -, dann wollen wir nicht auch noch die Gewinne aus der Rüstungsindustrie verlieren. Deutsche Rüstungsexporte haben in den vergangenen Jahren zugenommen; auch dies müssen wir festhalten. Deutschland hat sich einen Spitzenplatz in der Gruppe der Waffenexporteure gesichert. - Man mag da streiten, ob das der zweite oder der dritte Platz ist. - Statt einer restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik mußten wir in den letzten Jahren gerade im Bereich der Dual-use-Güter beobachten, daß eine Aufweichung der Exportkontrollregelungen auf dem Wege einer sogenannten Harmonisierung auf europäischer Ebene vorgenommen worden ist. Statt aus den im Golfkrieg und in der Türkei gemachten Erfahrungen zu lernen, werden Waffen weiterhin in Spannungs- und Krisengebiete exportiert. Das Beispiel von der reduzierten H-Liste wurde hier gerade schon erwähnt. In Sachen Konversion läßt die Bundesregierung die Betroffenen im Regen stehen und konzentriert all ihre Aktivitäten offensichtlich auf das Problem „Wie schiebe ich den Bundesländern den Schwarzen Peter zu?", ({0}) anstatt sich um neue Konzepte in diesem Bereich zu bemühen. Auch die Argumente sind die alten geblieben; sie wurden hier heute erwähnt und wiederholt. Es wird auf das notwendige Mindestmaß an rüstungstechnologischen Fähigkeiten auf nationaler Ebene verwiesen. Es wird der Umstand beklagt, daß die Rüstung nun mal so teuer geworden sei, daß sie national praktisch nicht mehr zu bezahlen sei, daß man insoweit zu Rüstungskooperation und Rüstungsexporten gezwungen sei. Das Arbeitsplatzargument wird natürlich bemüht, und auch der Wirtschaftsstandort Deutschland wird ins Feld geführt. Die Außenpolitiker reden in diesem Zusammenhang dann natürlich von Stabilitätstransfer und Wahrung nationaler Interessen durch Waffenexporte. Der einzig neue Aspekt von wachsender Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die „EuropäisieChristian Sterzing rung der Argumente". Europäische Rüstungskooperation - wer kann eigentlich etwas dagegen haben? Europäische Harmonisierung der Exportkontrollen - was soll man auch dagegen haben? Aber verschwiegen wird, daß dies mit einer Aufweichung von Exportkontrollregelungen verbunden war und daß diese Regelungen zum Teil dazu dienen, deutsche Exportbeschränkungen und -kontrollen auszuhebeln und zu umgehen. Wir wollen keine Waffenhändler, auch wenn sie noch so kooperativ sind. Wir wollen keinen Waffenhandel, auch wenn er sich noch so harmonisch gibt. ({1}) Weil sich so wenig geändert hat, ist der Antrag der PDS im Grundsatz zu begrüßen, und er ist leider auch aktuell. Wir unterstützen deshalb grundsätzlich die Intention, die hinter diesem Antrag steckt, gerade auch weil er auf viele ungelöste Konversionsprobleme hinweist. Dennoch können wir einigen Punkten nicht zustimmen; denn der Antrag erscheint uns teilweise widersprüchlich. Er geht im Hinblick auf die derzeitige Kontrollpolitik nicht weit genug.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.

Christian Sterzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002810, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Ende. - Natürlich erscheint uns die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie wirklich ungeeignet, die Probleme in den Griff zu kriegen. Aber wir können eine rüstungspolitische Zwischenbilanz ziehen, und die ist traurig. Sie ist traurig, weil sie zeigt, welche historischen Chancen verpaßt worden sind,

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Christian Sterzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002810, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- und weil sie wenig Hoffnung auf ein Umdenken bei der Bundesregierung gibt. Vielen Dank. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Norbert Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS, mit dem wir uns heute abend beschäftigen, ist zwar umfangreich, aber nicht sehr überzeugend. Er zielt weit über das Verbot von Rüstungsexporten hinaus, letztlich auf die Abschaffung der deutschen Rüstungsgüterindustrie. Vor diesem Hintergrund finde ich die Bemerkung, die der Redner für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diese Debatte eingeführt hat, daß die Intention dieses Antrags grundsätzlich unterstützt werde, ebenso bemerkenswert wie bedauerlich. Die Annahme und Umsetzung dieses Antrags hätte weitreichende Folgen. Darauf ist in dieser Debatte von verschiedenen Kollegen hingewiesen worden. Die Stellung der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis würde durch eine solche Veränderung der Lage natürlich erheblich beeinträchtigt. Die Sicherheit der Bundesrepublik würde insgesamt gefährdet. Es würde natürlich - dies ist ganz offenkundig ja auch Zweck dieses Antrags - nicht gewährleistet sein, daß die Bundeswehr in den kommenden Jahren jederzeit über eine technologisch moderne, der jeweiligen Bedrohungslage angepaßte Bewaffnung zeitgerecht verfügen kann. Diese Folgen sind der PDS vermutlich durchaus bewußt. Sie kann das aus ihrer Position ja auch mit Aussicht auf Folgenlosigkeit hier vortragen, aber keine im Amt befindlliche Regierung kann ein solches Risiko auf sich nehmen. Sie könnte dies insbesondere gegenüber unseren Soldaten nicht verantworten. Es versteht sich insofern fast von selber, daß die Bundesregierung diesen Antrag ablehnt. Sie wird dies in den kommenden Ausschußberatungen verdeutlichen, falls es einer Erläuterung überhaupt bedarf. Ich will nur ganz wenige Punkte herausgreifen: Natürlich ist das geforderte totale Exportverbot für Lieferungen von Rüstungsgütern in Drittländer - mit zeitlicher Verzögerung auch für NATO-Partnerländer - nicht annehmbar. Daß es nicht realistisch ist, bedarf keiner umfänglichen Erläuterung. Es hätte nicht nur gravierende Auswirkungen für die deutschen Unternehmen - übrigens weit über den Rüstungsbereich hinaus; absehbar auch für zivile Kooperationen -, sondern es hätte natürlich auch gravierende Folgen für die Bundeswehr. Die sind hier dargestellt worden. Ich muß das nicht wiederholen. Ich will im übrigen aber doch auch darauf aufmerksam machen, daß man schon ein Mindestmaß an Konsistenz in der politischen Argumentation erwarten können muß. Wir können nicht in der einen Debatte die Unverzichtbarkeit des Ziels einer Europäischen Union auch mit dem Ziel einer Politischen Union, also einer handlungsfähigen politischen Gemeinschaft, beschwören und in der nächsten Debatte den gleichen Zusammenhang mehr oder weniger beliebig zur Disposition stellen. Zwischen dem einen und dem anderen Ziel bestehen eben nicht auflösbare Zusammenhänge, die man mit einem gewissen Maß an Vernunft und Verantwortlichkeit zur Kenntnis nehmen muß. Ich habe für viele der kritischen Einwände, die der Kollege Erler zum gegenwärtigen Zustand von Rüstungsexportkontrollen und -verfahren vorgetragen hat, viel Verständnis. Wir müssen uns selbstverständlich wechselseitig immer wieder mit dieser notwendigen, kritischen Bestandsaufnahme des Status quo gerade wegen unvermeidlicher Internationalisierung solcher Vereinbarungen auseinandersetzen, aber wir müssen es auf der Basis einer prinzipiellen Bereitschaft zum Umgang mit Realitäten tun, zu denen soParl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert wohl die unangenehmen Realitäten des Lebens gehören, die hier in diesem Zusammenhang beschrieben worden sind, als auch die von uns gewünschten politischen Realitäten, die im Bereich der Europäischen Union entweder bereits bestehen oder ausdrücklich von uns gemeinsam angestrebt werden. ({0}) Daß die PDS die Überführung der Rüstungsindustrie in öffentliches Eigentum fordert, muß vor dem Hintergrund der einschlägigen historischen Erfahrung erstaunen. Nach den besonderen Erfahrungen der DDR mit Verstaatlichung und Staatswirtschaft lohnt das kaum eine ernsthafte Debatte. Ähnliches gilt im übrigen für die Forderung, daß die Anzeige illegaler Rüstungsexporte keine Nachteile für Arbeitnehmer bewirken dürfe. Dies ist nun allerdings für einen Rechtsstaat selbstverständlich, und diese Forderung erklärt sich nur durch den Reflex auf eine offenkundig noch immer nicht bewältigte Erinnerung an ein Regime, in dem dies nicht selbstverständlich war. ({1}) Meine Damen und Herren, alles in allem: Der Antrag der PDS löst nicht nur keine der unbestritten vorhandenen Fragen und keines der Probleme im Bereich von Abrüstung, Rüstungskooperation und Rüstungsexport, er schafft vielmehr viele neue Probleme, an deren Lösung die PDS vermutlich nicht einmal interessiert ist. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich schließe die Aussprache Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/584 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Besteht damit Einverständnis? - Dies ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland ({0}) - Drucksache 13/730 ({1}) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({2}) - Drucksache 13/1358 Berichterstattung: Abgeordnete Ruprecht Polenz Karsten D. Voigt ({3}) Angelika Beer Dr. Olaf Feldmann Der Kollege Staatsminister Helmut Schäfer, die Kollegin Brigitte Schulte, die Kollegin Angelika Beer, der Kollege Professor Dr. Rainer Ortleb und die Kollegin Andrea Lederer möchten ihre Debattenbeiträge zu Protokoll geben.*) Besteht damit Einverständnis des Hauses? - Dies ist der Fall. Die einzige Wortmeldung erfolgte vom Kollegen Ruprecht Polenz. Sie haben das Wort.

Ruprecht Polenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002751, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Als ich als Berichterstatter gefragt worden bin, ob ich damit einverstanden sei, daß die Beschlußfassung über dieses Gesetz ohne Aussprache erfolgt, habe ich dem zugestimmt. In den letzten beiden Tagen kam die Meldung, daß die GRÜNEN aber auf einer Debatte bestünden. Dann wurde ich gefragt, ob ich auch bereit sei, meine Rede zu Protokoll zu geben. Da ich aber nicht gewöhnt bin, meine Redebeiträge sozusagen auf Punkt und Komma auszuformulieren, damit ich sie dann zu Protokoll geben kann, sondern meine Rede nach Stichworten halte, werde ich sie jetzt halten. Ich bitte um Verständnis und um Nachsicht, wenn Sie sich jetzt noch ein wenig mit der Thematik beschäftigen müssen. Worum geht es beim Streitkräfteaufenthaltsgesetz? Nur wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, können Streitkräfte aus Polen, aus Tschechien, aus der Ukraine, aus dem Baltikum oder aus anderen NichtNATO-Staaten der OSZE im Rahmen von Übungen für Partnerschaft für den Frieden bei uns in Deutschland an Übungen teilnehmen. Solche Übungen haben auch schon in Polen, in den Niederlanden oder in Tschechien stattgefunden, und Soldaten der Bundeswehr haben daran teilgenommen. Nun können wir nicht sagen: „PfP-Übungen ja, aber nicht bei uns", ohne unglaubwürdig zu werden. Auch aus diesem Grunde stimmt die CDU/CSU-Fraktion dem Streitkräfteaufenthaltsgesetz zu. Wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben, dann sollten sie ehrlicherweise auch deutlich sagen, daß sie das ganze Konzept von PfP ablehnen. ({0}) Sie haben, Frau Kollegin, im Auswärtigen Ausschuß nicht gegen einzelne Punkte dieses Gesetzes Bedenken erhoben, sondern das Gesetz insgesamt mit dem Hinweis darauf abgelehnt, man solle erst einmal über die NATO-Osterweiterung sprechen; dann könne man sich über diese Fragen unterhalten. ({1}) Damit, Frau Beer, stehen die GRÜNEN und die PDS im Gegensatz zu allen NATO-Partnern, im Gegensatz zu Polen, zu Tschechien, zu Ungarn, zu den baltischen Staaten, zur Ukraine und vielen anderen Staaten in Mittel- und Osteuropa, die das Angebot zur Partnerschaft für den Frieden inzwischen ange- *) Anlage 3 nommen haben. Sie konnten gestern noch die Äußerung des tschechischen Verteidigungsministers Vilem Holan lesen, der das Konzept Partnerschaft für den Frieden ausdrücklich als sinnvoll anerkennt. Es hat sich also als richtig erwiesen, daß sich die Bundesregierung für dieses Konzept Partnerschaft für den Frieden eingesetzt hat und damit das Ziel verfolgt, internationale Zusammenarbeit zu stärken und dadurch Frieden und Stabilität zu fördern. Auch die Zusammenarbeit von Streitkräften leistet hierzu einen Beitrag. Im PfP-Beschluß vom NATO-Gipfel in Brüssel vom Januar 1994 heißt es: Diese Partnerschaft wird als Ausdruck gemeinsamer Überzeugung begründet, daß Stabilität und Sicherheit im euroatlantischen Gebiet nur durch Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln erreicht werden können. Der Schutz und die Förderung der Grundfreiheiten und Menschenrechte und die Sicherung von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden durch Demokratie sind gemeinsame Werte, die der Partnerschaft zugrunde liegen. Die NATO-Staaten und die anderen Unterzeichnerstaaten haben sich verpflichtet, u. a. auf folgende Ziele hinzuwirken. So heißt es in Ziffer 3 c der Rahmenvereinbarung zu PfP - ich zitiere -: ... die Aufrechterhaltung der Fähigkeit und Bereitschaft zu Einsätzen unter der Autorität der Vereinten Nationen und/oder Verantwortung der KSZE beizutragen. Als weiteres Ziel wird unter 3 d genannt: ... die Entwicklung kooperativer militärischer Beziehungen zur NATO mit dem Ziel gemeinsamer Planung, Ausbildung und Übungen, um ihre Fähigkeit zu stärken bei Friedenssicherung, Such- und Rettungsdienst und humanitären Operationen Es geht also beim Streitkräfteaufenthaltsgesetz, meine Damen und Herren, auch um militärische Zusammenarbeit zur Vorbereitung auf multilaterales Krisenmanagement wie etwa Friedenssicherung unter UN-Mandat. Eine Voraussetzung dafür, daß sich auch die Bundeswehr daran beteiligen kann, sind gemeinsame Übungen. Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von den GRÜNEN und von der PDS, dagegen aussprechen ({2}) - bleiben wir einmal bei den GRÜNEN -, dann muß ich fragen, wie das mit den Positionen zu vereinbaren ist, die Sie zu der Frage der UN-Einsätze immer vertreten. Denn ohne gemeinsame Übungen lassen sich multilaterale UN-Einsätze unter Beteiligung der Bundeswehr nun wirklich nicht verantwortungsbewußt organisieren. ({3}) - Da hören wir aber von einigen von Ihnen anderes. - Inzwischen haben zwölf Übungen im Geist von PfP stattgefunden. Für 1995 sind 14 weitere geplant. Um was es dabei geht, machen Presseberichte deutlich, die über die vergangenen Übungen veröffentlicht worden sind. Ich darf einmal eine Meldung vom November 1994 zitieren: Ehemalige Gegner ziehen ins Manöver - Tschechen und Deutsche proben bei erster gemeinsamer Übung den UN-Einsatz ... Ihr Auftrag: Sie sollen zwischen zwei verfeindeten Staaten eine Pufferzone errichten ... Und dann die Bewertung: ... zwischenmenschlich stimmt es bei den Soldaten beider Nationen. Nichts erinnert mehr an alte Feindbilder. Die Soldaten kommen glänzend miteinander aus, wie sie immer wieder betonen. Und über die Übung im niederländischen Heidegebiet Veluwe nahe Arnheim schreibt die „Aachener Volkszeitung" die Überschrift: „Wie aus Feinden gute Partner werden" . Ein niederländischer Teilnehmer der Übung wird mit dem Satz zitiert: Sie müssen verstehen, - sagt er man hat von diesen Leuten immer nur als unserem großen Feind gesprochen, und jetzt arbeiten wir plötzlich mit ihnen zusammen. Das braucht seine Zeit. Und die „Neue Osnabrücker Zeitung" schreibt: „Militärübung in Polen ohne alte Feindbilder". 900 Soldaten aus 13 Ländern haben dort geübt. Es heißt in dem Bericht weiter: Bulgaren und Italiener kommen sich näher, ein US-Soldat erklärt einigen jungen litauischen Soldaten geduldig, wie ein amerikanisches Gewehr funktioniert, rumänische Soldaten treffen erstmals ihre niederländischen Kollegen, und Deutsche lernen von einem polnischen Offizier, wie man als künftiger Blauhelmsoldat Autos an Kontrollpunkten nach Bomben absucht. „Meine Soldaten lernen jetzt, daß die Deutschen, die Amerikaner und die Briten ganz prima Kerle sind ", erläutert der tschechische Berufsoffizier Jaroslaw Marsalek. Meine Damen und Herren, das Streitkräfteaufenthaltsgesetz ist die Rechtsgrundlage dafür, daß solche Übungen auch in Deutschland stattfinden können. Es ermächtigt die Bundesregierung, mit ausländischen Regierungen Vereinbarungen dieser Art zu schließen. Der Rahmen dafür ist sehr detailliert bestimmt: vom Grenzübertritt und von der Einreise über die Frage, inwieweit die Führerscheine gelten, bis zu Haftungsfragen und dem Disziplinarrecht. Der Bundesrat hat im Gesetzgebungsverfahren den Standpunkt vertreten, daß Vereinbarungen über diese Übungen nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Bundesland möglich sein sollen. Demgegenüber möchten wir daran festhalten, daß eine Beteiligung ausreichend und sachgerecht ist. Die außen- und verteidigungspolitische Kompetenz des Bundes würde sonst ausgehöhlt und seine Handlungsfähigkeit beeinträchtigt; denn wir können uns schlicht keinen langen internen Streit darüber leiRuprecht Polenz sten, in welchem Bundesland - und wo genau - die Übung stattfinden soll. Das Streitkräfteaufenthaltsgesetz ist also eine sachgerechte Regelung. Es ist für Übungen im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden notwendig. Wenn die GRÜNEN ihre Ablehnung damit begründen, daß eine Entscheidung darüber erst im Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung möglich sei, sind das aus meiner Ansicht blanke Ausflüchte. Sie sollen die Öffentlichkeit darüber hinwegtäuschen, daß die GRÜNEN kein schlüssiges außen- und sicherheitspolitisches Konzept haben. Ich darf, weil Sie mir das so vielleicht nicht abnehmen, deshalb Ihre Sprecherin Krista Sager zitieren, die sich dazu in dieser Woche im „Spiegel" geäußert hat. Ich zitiere: Man muß keine besonders kritische Beobachterin sein, um festzustellen, daß die Grünen in dieser gegenwärtigen Debatte über eine gemeinsame europäische Friedensordnung kaum eine Rolle spielen. Heute geben Sie ja auch Ihre Rede zu Protokoll. ({4}) Minderheit und Mehrheit blockieren sich im Moment gegenseitig, und niemand will sich eine blutige Nase holen. Die „blutige Nase" - das sei meine Abschlußbemerkung ({5}) ist ein interessanter Hinweis auf die innerparteiliche Streitkultur der GRÜNEN. Die CDU/CSU-Fraktion stimmt diesem Gesetz zu. ({6}) - Ja, Herr Nachtwei, der „Spiegel" ist von Montag. Das Zitat von Frau Sager ist aber nach wie vor aktuell. Vielen Dank. ({7})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Streitkräfteaufenthaltsgesetzes, Drucksachen 13/730 und 13/1358. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die dem Gesetzentwurf zuzustimmen beabsichtigen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 19. Mai 1995, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.