Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung „Bericht über Problemfelder und Lösungsansätze bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs in modernen Telekommunikationssystemen" und „Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung" mitgeteilt.
Das Wort zum einleitenden Bericht hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Sabine LeutheusserSchnarrenberger. - Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs nach den Vorschriften des G-10-Gesetzes, der §§ 100a und 100b der Strafprozeßordnung sowie des Außenwirtschaftsgesetzes ist ein wichtiges und notwendiges Instrument der Sachverhaltsaufklärung zur Abwehr drohender Gefahren für den Staat und seine Sicherheit und zur Verfolgung schwerer Straftaten.
Auf Grund der zwischenzeitlich vorhandenen sowie der sich weiterentwickelnden Telekommunikationstechnologie und des liberalisierten Telekommunikationsmarkts stoßen Überwachungen jedoch zunehmend auf Schwierigkeiten. Sie alle kennen die Pressemeldungen über das Abhören von Handies, in denen sogar offen mit den Schwierigkeiten geworben wird.
Die rechtlichen und technischen Einzelheiten dieser Materie sind schwierig und kompliziert. Um einschätzen zu können, wie die notwendigen Überwachungsmöglichkeiten sichergestellt werden können, hat die Bundesregierung in einem Kabinettsbericht eine rechtliche und tatsächliche Bestandsaufnahme vorgenommen.
Folgende Problembereiche möchte ich hier kurz ansprechen: Neue technische Entwicklungen und neuartige Vertriebs- und Organisationsformen haben
erheblichen Einfluß auf die Durchführbarkeit von Überwachungsmaßnahmen. In den Mobiltelefonnetzen wird ein Teilnehmerverhältnis nicht wie in herkömmlichen Netzen durch Überlassen eines festen Anschlusses hergestellt, sondern regelmäßig durch den Erwerb einer Chip-Karte, der eine Rufnummer zugeteilt ist. Allein die der Chip-Karte zugeteilte Rufnummer ist für Überwachungsmaßnahmen von Bedeutung. Hier kann sich die Schwierigkeit ergeben, die zur technischen Umsetzung einer Überwachung erforderliche Rufnummer der zu überwachenden Person festzustellen.
Die Netzbetreiber vergeben nicht selten ganze Rufnummernpakete an Diensteanbieter, die ihrerseits entweder einzelne Rufnummern oder auch Rufnummernkontingente an ihre Kunden weitergeben. Um insoweit die für Überwachungsmaßnahmen erforderlichen Daten zu erhalten, ist die Schaffung einer dezentralen Rufnummernauskunft erforderlich, durch die Anbieter von Telekommunikationsleistungen gesetzlich verpflichtet werden, Kundenregister zu führen.
Schon jetzt sind sogenannte Debit-Karten auf dem Markt. Es handelt sich dabei um mit einem begrenzten Guthaben und mit einer begrenzten Gültigkeitsdauer versehene Mobiltelefonkarten. Die Feststellung der für eine Überwachungsmaßnahme erforderlichen Rufnummer wird in diesen Fällen besonders schwierig sein. Über technische Lösungsmöglichkeiten werden zur Zeit im Bundesministerium für Post und Telekommunikation in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern die notwendigen Überlegungen angestellt.
Bereits heute gestatten internationale Mobilfunknetze das Telefonieren im Inland mit Nutzerkarten, die bei einem ausländischen Netzbetreiber oder Diensteanbieter erworben wurden, wenn zwischen den jeweiligen Netzbetreibern ein sogenanntes Roaming-Abkommen besteht. Hier ist die Ermittlung der für Überwachungsmaßnahmen notwendigen Rufnummer nur im Wege der Rechtshilfe denkbar. Um zu verhindern, daß ein Täter auf Netzbetreiber in nicht zur Rechtshilfe verpflichteten Staaten ausweicht und somit eine Überwachungsmaßnahme überhaupt nicht durchgeführt werden kann, sind
weitere zwischenstaatliche bzw. internationale Abkommen erforderlich.
Die Verpflichtung, Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs zu ermöglichen, trifft gegenwärtig nur die Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind. Für sogenannte Corporate Networks, also für die Sprachkommunikation innerhalb geschlossener Benutzergruppen bestimmte Telekommunikationsnetze, greift diese Verpflichtung dagegen nicht. Corporate Networks sind nämlich keine öffentlichen Netze. Ihre Überwachung ist deshalb nach bestehender Rechtslage nicht zulässig. Informationen, für deren Übermittlung früher das öffentliche Netz benutzt wurde, sind für diesen Bereich den Sicherheitsbehörden nicht mehr zugänglich.
Auf Grund der Voraussetzungen, unter denen der Betrieb eines Corporate Networks bzw. die Teilnahme daran zulässig ist, können sich insgesamt recht breite Anwendungsfelder ergeben, beispielsweise auch innerhalb krimineller Organisationen, die für diesen Zweck z. B. Scheinfirmen mit internem Telefonnetz aufbauen können. Deshalb muß über eine gesetzliche Erweiterung der für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs einschlägigen Regelungen nachgedacht werden, zumindest soweit diese Corporate Networks die derzeit über das öffentliche Netz geführte Kommunikation ersetzen.
Diese aufgezeigten Beispiele machen besonders deutlich, daß zur Sicherstellung der notwendigen Überwachungsmöglichkeiten in den Mobilfunknetzen erhebliche technische, organisatorische und finanzielle Anstrengungen erforderlich sind. Inwieweit dabei auch rechtliche Maßnahmen notwendig sind, muß im einzelnen geprüft werden. Diese Maßnahmen können, wenn sie effektiv sein wollen, nur als Gesamtlösung angestrebt werden.
Die Bundesregierung ist sich darüber einig, daß die Fernmeldeverkehrsüberwachung ein unverzichtbares Instrument bei der Bekämpfung drohender Gefahren für den Staat und seine Sicherheit sowie bei der Verfolgung von Straftaten ist. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung nicht nur festgestellt, daß die Netzbetreiber nach geltendem Recht rechtzeitig die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen haben, die sie in die Lage versetzen, ihre gesetzlichen Verpflichtungen nach geltendem Recht im Rahmen der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zu erfüllen, und zum derzeitigen Zeitpunkt auch die Kosten hierfür zu tragen haben; die Bundesregierung hat auch die Ressorts beauftragt, die vor dem Hintergrund dieses Berichts erforderlichen Konsequenzen, vor allem in Hinblick auf die Frage der Rufnummernauskunft und der Corporate Networks, zu prüfen und im internationalen Rahmen, vor allem innerhalb der Europäischen Union, die Arbeiten zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs zu intensivieren und sich für eine sachgerechte internationale Koordinierung einzusetzen.
Vielen Dank.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Bitte.
Frau Ministerin, wie viele Telefone werden derzeit von den Behörden angezapft, insbesondere vom Verfassungsschutz und vom BND, und wie viele davon im Rahmen von Ermittlungen gegen organisierte Kriminalität?
Ich kann Ihnen die aktuellen Zahlen dazu vom heutigen Tage nicht nennen. Für das Jahr 1994 hat die Bundesregierung auf Anfragen mitgeteilt, daß ca. 4 000 Telefonüberwachungsmaßnahmen nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen angeordnet und durchgeführt worden sind. Dies ergibt sich zum Teil auf Grund der von den Ländern mitgeteilten Informationen, auch hinsichtlich der Aufteilung auf verschiedene Kriminalitätsbereiche. Aber ich kann Ihnen jetzt die Zahlen im einzelnen nicht nennen. Das alles ist von seiten der Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage, soweit ihr die Informationen auch von seiten der Länder zur Verfügung gestellt wurden, dargelegt worden.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Köhne? - Bitte.
Halten Sie es nicht für absurd, daß Sie angesichts der Zahl von 4 000 Telefonen, die jetzt angezapft werden, die Kosten für die Überwachungsmaßnahmen den Telefonbesitzern anlasten wollen?
Die geltende Rechtslage - so wird sie von der Bundesregierung bewertet - hat zur Folge, daß mit der Privatisierung dieses Bereiches, gerade des Netzbereiches, die jetzigen Netzbetreiber die Verantwortung und die Verpflichtung haben, die Kosten aufzubringen, die nach den bisher vorliegenden Informationen ca. 1 % der Gesamtinvestitionen beim Betrieb von Netzen für mobile Telefone ausmachen.
Nach geltender Rechtslage haben die Bedarfsträger, wenn sie Abhörmaßnahmen anordnen und durchführen, die laufenden Kosten für diese Inanspruchnahme zu tragen. Das ist eine Frage, die sich für das Abhören von mobilen Telefonen natürlich erst stellt, wenn die technischen Vorkehrungen dafür getroffen worden sind. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die gesetzliche Verpflichtung, Abhörmaßnahmen zu ermöglichen, jetzt die privaten Netzbetreiber trifft.
Jetzt folgt eine Frage des Kollegen Jüttemann.
Frau Ministerin, meint die Bundesregierung, daß die Form des Abhörens
von Auslandstelefonaten verfassungswidrig sein könnte?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das Ermöglichen der Abhörung von mobilen Telefonen im Rahmen des geltenden Rechtes - dazu gehört auch, daß mit Karten, die im Ausland gekauft wurden, in Deutschland telefoniert wird - verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Die Voraussetzungen für die Möglichkeit der zuständigen Behörden, auch Auslandsgespräche, d. h. Gespräche, die mit einem Auslandsteilnehmer von einem inländischen Apparat aus geführt werden, abzuhören, sind im Verbrechensbekämpfungsgesetz geschaffen worden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das rechtlich korrekt und verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist.
Eine Frage des Kollegen Catenhusen.
Frau Ministerin, es wird zur Zeit das Angebot vorbereitet, daß Bürgerinnen und Bürger vor allem internationale Telefongespräche durch Einspeisung in das Internet abwikkeln. Ergeben sich auch dadurch aus der Sicht der Bundesregierung neue Überlegungen zur Frage der Sicherung der Abhörbarkeit vor allem von internationalen Telefongesprächen?
Die Bundesregierung beobachtet sehr sorgfältig die technische Entwicklung auf diesem ja sehr zukunftsträchtigen und wachstumsträchtigen Markt. Wir prüfen alle Möglichkeiten, auch hier im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen, die gegeben sind, Abhörmaßnahmen durchzuführen. Es gibt noch nicht für alle Bereiche abschließende Konzepte und Vorstellungen. Das gilt auch für die DebitKarte. Selbstverständlich wird in diese Prüfungen immer einbezogen, wie gerade auch das Entstehen anderer Netze dann möglicherweise bei Überwachungsmaßnahmen berücksichtigt werden müßte. Aber hier sind die Prüfungen längst nicht abgeschlossen.
Die technische Entwicklung geht so rasant weiter, daß wir bisher nur die Möglichkeit als gesichert betrachten, mit der Rufnummernauskunftdatei, die wir gesetzlich schaffen wollen, wie ich in meinem Bericht dargelegt habe, den ersten Schritt zu tun, gesetzliche Grundlagen für das Abhören in diesem sich entwickelnden Technologiemarkt zu schaffen.
Eine Frage des Kollegen Dr. Mahlo.
Frau Ministerin, Sie haben soeben ausgeführt, daß Sie noch in der Prüfungsphase sind. Haben Sie gleichwohl schon eine Vorstellung davon, in welchem Umfang Kosten auf die Betreiber solcher Netze zukommen könnten?
Ich kann Ihnen keine sicheren und vollständigen Zahlen nennen; aber die von mir vorhin genannte Größenordnung von ca. 1 % der Gesamtinvestitionen der Netzbetreiber wird schätzungsweise für Investitionen angesetzt, die notwendig sind, um Abhörmaßnahmen zu ermöglichen.
Es ist jedoch sehr schwierig, abschließende Zahlen zu nennen. Ich kann nur das wiedergeben, was uns von den Netzbetreibern in diesem Zusammenhang genannt wird.
Damit kommen wir zum zweiten Themenschwerpunkt: Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung.
({0})
Die Bundesregierung hat sich heute mit dem Bericht beschäftigt, den die dafür zuständigen Minister vorgetragen haben. In einer der nächsten Sitzungswochen wird es in diesem Zusammenhang eine Regierungserklärung geben. Deshalb wird zu diesem Punkt heute kein Bericht von seiten der Bundesregierung gegeben.
Das ist richtig. Ich lasse trotzdem Fragen zu diesem Bereich zu. Möchte jemand eine Frage stellen? - Das ist nicht der Fall.
Ich frage, ob sonstige Fragen allgemeiner Art an die Regierung gestellt werden. - Herr Kollege Conradi, bitte.
Aus Pressemeldungen entnehmen wir, daß sich die Bundesregierung mit der Zukunft des Schürmannbaus im Kabinett beschäftigt hat. Wann wird die Bundesregierung dem Haus eine entsprechende Vorlage machen? Das Unglück ist immerhin anderthalb Jahre her. Der Schaden wird nicht geringer. Der Haushaltsausschuß hat die Bundesregierung schon in der letzten Legislaturperiode aufgefordert, dem Haushaltsausschuß ihre Vorschläge vorzulegen. Wann wird das geschehen?
Herr Kollege Conradi, die Bundesregierung hat sich mit diesem Thema heute nicht im Kabinett befaßt. Insofern kann ich Ihnen dazu aus dem Kabinett keine weiteren Erhellungen geben.
Die Bundesregierung wird sich jedoch in Kürze - so wurde es Ihnen gegenüber signalisiert - mit der Frage befassen, weil ein gewisser Zeitdruck vorhanden ist.
Eine weitere Frage, bitte.
Ich frage die Bundesregierung, ob sie heute eine Vorlage über den Sommersmog bekommen hat und ob sie uns Erhellungen darüber geben kann, welche Grenzwerte dafür vorgesehen sind.
Ich habe der Bundesregierung heute einen Bericht über die Umweltministerkonferenz in Dessau und die verschiedenen Entwürfe zur Art der neuen Regelungen gegeben. Die Bundesregierung hat dies zur Kenntnis genommen. Es gibt noch Gesprächsbedarf.
Die Bundesregierung wird aber - ich habe das schon einmal gesagt - noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf vorlegen. Deshalb kann ich Ihnen die von Ihnen als Erhellung bezeichneten Grenzwerte heute nicht nennen.
Vielleicht kann ich dem Kollegen mitteilen, daß es zu diesem Thema noch eine Aktuelle Stunde in dieser Sitzungswoche geben wird, so daß wir noch Gelegenheit haben werden, darüber zu sprechen.
Eine weitere Frage; bitte schön.
Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob die abgesagte Pressekonferenz damit zu tun hat, daß Sie sich im Kabinett nicht haben einigen können.
Frau Ministerin, bitte.
Herr Müller, es ist nicht an mir, Fragen zu stellen. Sonst würde ich Sie fragen, ob die Äußerungen von Herrn Struck etwas damit zu tun haben, daß die SPD an den Kabinettsitzungen teilnimmt.
Ich kann Ihnen jedoch sagen, daß es Diskussionsbedarf gibt, daß die Presse dann informiert wird, wenn etwas vorliegt, und daß dies heute nicht der Fall ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keinen Wunsch nach weiteren Fragen an die Bundesregierung.
({0})
Ich beende diese Befragung und danke den Damen und Herren Ministern und Staatssekretären, daß sie so zahlreich erschienen sind, worüber wir uns freuen.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 13/1347 Wir haben durch die kurze Regierungsbefragung etwas Zeit gewonnen, hoffen aber, daß alle aufzurufenden Fragen die entsprechenden Beantworter finden werden.
Wir beginnen mit den Fragen zum Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz.
Wir kommen zur Frage 1 des Abgeordneten Benno Zierer. Es ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch zur Frage 2 des Abgeordneten Wolfgang Schulhoff ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Zur Frage 3 des Abgeordneten Ludwig Stiegler ist ebenfalls um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Der Parlamentarische Staatssekretär Joachim Günther steht zur Beantwortung zur Verfügung. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für Ihr Erscheinen. Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, die Frage zu beantworten.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Peter Conradi auf:
Auf welcher Rechtsgrundlage und in welcher Eigenschaft nimmt Dr. Jürgen Echternach ({1}) an den Sitzungen des Aufsichtsrates der Bundesbaugesellschaft - BBB - teil?
Herr Kollege Conradi, der Herr Parlamentarische Staatssekretär a. D. Echternach nimmt als das vom Bundesministerium der Finanzen nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages in den Aufsichtsrat der Bundesbaugesellschaft entsandte Mitglied an den Sitzungen des Aufsichtsrates teil.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Conradi.
Ich darf, Frau Präsidentin, meinem Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß eine Frage, die sich mit der Vertretung des Bundesfinanzministeriums befaßt, hier vom Bauministerium beantwortet wird. Aber es steht der Bundesregierung frei, welches Ministerium welche Fragen beantwortet.
In der Sache selber möchte ich gern wissen: Wie kann ein Parlamentarischer Staatssekretär a. D., der nicht mehr Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums ist, die Belange des Finanzministeriums im Aufsichtsrat der Bundesbaugesellschaft Berlin wahrnehmen?
Herr Kollege Conradi, Sie haben schon richtig bemerkt, daß dies eine Angelegenheit des Bundesministeriums für Finanzen ist. Es entsendet ein MitParl. Staatssekretär Joachim Günther
glied in dieses Amt, und dies ist nicht von der Bekleidung eines öffentlichen Amts abhängig.
Eine weitere Zusatzfrage; bitte.
Da es zur Zeit um die Kostenermittlung für den Umbau des Reichstagsgebäudes geht und enge Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsrat, dem Finanzministerium, dem Haushaltsausschuß und anderen erforderlich ist, frage ich Sie: Hat der Parlamentarische Staatssekretär a. D. Echternach, der das Bundesfinanzministerium im Aufsichtsrat vertritt, im Bundesfinanzministerium noch einen Arbeitsplatz und entsprechendes Personal, das ihm eine pflichtgemäße Wahrnehmung seines Aufsichtsratsmandats ermöglicht?
Diese Frage kann ich Ihnen hier jetzt nicht auf Anhieb beantworten. Ich werde Ihnen die Antwort nachreichen.
Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Conradi:
Wann wird die Bundesregierung den laut § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 10. September 1993 vom Bundesministerium der Finanzen zu besetzenden Sitz im BBB-Aufsichtsrat wieder besetzen?
Herr Conrad!, wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, ist der vom Bundesminister der Finanzen zu besetzende Sitz im Aufsichtsrat der Bundesbaugesellschaft Berlin derzeit durch Herrn Echternach besetzt.
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß wir bei der Formulierung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats dieser von uns gemeinsam getragenen Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag zwischen Bundestag und Bundesregierung davon ausgegangen sind, daß die Bundesregierung durch Vertreter der Bundesregierung, d. h. durch Mitglieder der Bundesregierung, und nicht durch irgendwelche Außenstehenden vertreten wird? Ist zu erwarten, daß beispielsweise das Bundesbauministerium im Aufsichtsrat demnächst durch irgendeinen Baulöwen vertreten wird?
({0})
Bitte, Herr Staatssekretär.
Diese Entscheidung liegt bei dem jeweils zuständigen Ministerium. Das Bundesbauministerium hat diese Absicht nicht.
Darf der Bundestag als Mitgesellschafter dieser Gesellschaft erwarten, daß die Bundesregierung die ihr zustehenden Aufsichtsratssitze mit entsprechend qualifizierten, ausgestatteten und in die Arbeit des Parlaments eingebundenen Vertretern besetzen wird?
Herr Echternach war zum Zeitpunkt seiner Einsetzung in einer solchen Funktion. Darüber, wann eine Abberufung erfolgt, entscheidet, wie ich Ihnen vorhin sagte, das zuständige Ministerium. Das ist hier das BMF.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage steht Ihnen leider nicht mehr zu.
Gibt es von sonst jemand eine Zusatzfrage? - Damit sind die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Eduard Lintner gekommen.
Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Frederick Schulze auf:
Gedenkt die Bundesregierung Berichten nachzugehen, wonach die PDS Gelder nach Libyen transferiert hat, und falls ja, liegen eventuell bereits Erkenntnisse dieser Untersuchungen vor?
Herr Kollege Schulze, die Antwort lautet: Über die Herkunft und Verwendung ihrer finanziellen Mittel haben die Parteien gemäß den Vorschriften im Fünften Abschnitt des Parteiengesetzes nicht gegenüber der Bundesregierung Rechenschaft zu legen. Soweit es sich bei diesen Mitteln um solche handelt, die zum Vermögen einer Partei oder Massenorganisation der DDR gehörten, ist es gemäß den Vorschriften des Parteiengesetzes der DDR in Verbindung mit einer Maßgabenregelung des Einigungsvertrages Aufgabe der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, abgekürzt UKPV, Umfang, Herkunft und Verbleib dieser Mittel festzustellen und zusammen mit der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben über ihre endgültige Zuordnung zu entscheiden und in der Zwischenzeit treuhänderisch zu verwalten. Gemäß dem Einigungsvertrag hat die UKPV dem Bundestag über ihre Erkenntnisse und Maßnahmen Berichte vorzulegen.
Haben Sie als Fragesteller eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. - Herr Abgeordneter Köhne, bitte.
Können Sie die Vorwürfe, die gemacht worden sind, ausräumen, oder hat sich die Bundesregierung bemüht, Material von der PDS anzufordern, um diese absurden Vorwürfe aus dem Weg zu räumen?
Herr Kollege, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, dies zu tun. Wie ich ausgeführt habe, ist dafür die Unabhängige Kommission zuständig. Naturgemäß müßten Sie Ihre Frage an sie richten.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen zu den Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Thomas Krüger, der nicht anwesend ist. Wir verfahren nach der Geschäftsordnung. Die Fragen verfallen leider.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Lintner, für Ihr Erscheinen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Jetzt beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb die Fragen.
Ich rufe Frage 9 der Abgeordneten Petra Ernstberger auf:
Welche konkreten Plane hat die Bundesregierung, durch Exportförderungsmaßnahmen und durch Unterstützung im Bereich Forschung/Innovation die Wettbewerbsposition der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie auf den internationalen Märkten zu stärken?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, die Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung ist, wie Sie wissen, nicht branchenspezifisch, sondern steht grundsätzlich allen Wirtschaftszweigen offen. Eine ausdrücklich branchenorientierte Exportförderung wäre mit einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftspolitik auch nur schwer vereinbar. Gleichwohl gilt auf der anderen Seite, daß die drei Säulen der Außenwirtschaftsförderung, nämlich Botschaften, Außenhandelskammern bzw. Delegierte und Repräsentanzen der deutschen Wirtschaft sowie die Bundesstelle für Außenhandelsinformation, allen Branchen, selbstverständlich auch der Textil- und Bekleidungsindustrie, zur vollen Verfügung stehen. Die deutschen Fördereinrichtungen im Ausland führen im Einzelfall branchenspezifische Veranstaltungen, z. B. Seminare, Kongresse oder Präsentationen, durch. Das Angebot der Bundesstelle für Außenhandelsinformation enthält zahlreiche Spezialpublikationen zum Bereich Textil und Bekleidung.
Im Rahmen der Auslandsmesseförderung kann der Bundesminister für Wirtschaft verschiedene Aktivitäten im Zusammenhang mit Messebeteiligungen fördern, soweit sie vom zuständigen Verband gewünscht und beantragt werden. Dazu zählen z. B. textile Fachmessen und Modeschauen. Für 1995 sind fünf Beteiligungen im Bereich Textilien einschließlich Heimtextilien und zehn Beteiligungen im Bekleidungsbereich vorgesehen; 1996 werden es voraussichtlich sieben Beteiligungen im Bereich Textilien einschließlich Heimtextilien und neun Beteiligungen im Bekleidungsbereich sein. Die Auslandsmesseförderung belief sich 1994 insgesamt auf 58,5 Millionen DM und erreicht 1995 voraussichtlich 65 Millionen DM.
Für die Firmen der neuen Bundesländer gibt es außerdem eine Sonderförderung, die über die übliche Förderung hinausgeht und u. a. eine Ermäßigung des Beteiligungsbetrages um 50 %, Zuschüsse zu den Rücktransportkosten für Exponate und den messebezogenen Kosten für Werbung in Höhe von 50 % der nachgewiesenen Kosten einschließen. Durch diese Sonderförderung konnte erreicht werden, daß sich 1994 immerhin 23 Firmen der Textilindustrie von insgesamt 48 Ausstellern und 13 Firmen der Bekleidungsindustrie von insgesamt 67 Ausstellern aus den neuen Bundesländern an Firmengemeinschaftspräsentationen beteiligt haben.
Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte, Frau Kollegin.
Wie hält es die Bundesregierung in bezug auf Innovations- und Forschungsförderung?
Auch bei der Innovations- und Forschungsförderung gilt der Grundsatz, daß wir zwar Fördermaßnahmen durchführen, aber grundsätzlich keinen branchenspezifischen Ansatz verfolgen. Der Textil- und Bekleidungsindustrie stehen die allgemeinen Fördermaßnahmen im Forschungs- und Entwicklungsbereich zur Verfügung, die auf eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen zielen. Hier sind zum einen das Programm „Forschungskooperation" des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und zum anderen die vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderte „Industrielle Gemeinschaftsforschung" zu nennen.
Im Rahmen des Programms „Forschungskooperation" werden die F-und-E-Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen mit anderen Unternehmen und/oder Forschungseinrichtungen, die Vergabe von Forschungsaufträgen an Forschungseinrichtungen sowie der Personalaustausch zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen gefördert. Dieses Förderprogramm ist seit September 1993 angelaufen und steht innovativen mittelständischen Unternehmen aller Branchen offen.
Im Rahmen der „Industriellen Gemeinschaftsforschung" wurden 1994 dem Forschungskuratorium
Gesamttextil 26,6 Millionen DM und der Forschungsvereinigung Bekleidung 2,1 Millionen DM für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Damit entfiel auf die Textil- und Bekleidungsindustrie mit fast 17 % ein im Vergleich zu anderen Branchen beträchtlicher Anteil der industriellen Gemeinschaftsforschung.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr 30 Forschungsvorhaben der Textil- und Bekleidungsindustrie mit Gesamtmitteln von 5 Millionen DM aus Fachprogrammen des BMBF gefördert. Schwerpunkt der Projektförderung von Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie waren die Bereiche Qualitätssicherung sowie Umwelt- und Arbeitsschutz. 1995 wird die Förderung in etwa gleichem Umfang fortgesetzt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann kommen wir zu den Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Wilhelm Dietzel. Es ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Staatssekretär Dr. Franz-Josef Feiter wird die Fragen beantworten.
Wir kommen zur Frage 12 des Abgeordneten Dietmar Schütz ({0}):
Welche Auswirkungen auf die Verhandlungen innerhalb der Internationalen Walfang-Kommission ({1}) zur quotierten Freigabe der Jagd auf Minkewale erwartet die Bundesregierung von der Tatsache, daß die auf einer Basis von nur 518 tatsächlich gesichteten Walen erfolgten norwegischen Berechnungen von einem Bestand von rund 86 000 Tieren ausgingen, während nach den jetzigen IWC-Berechnungen eine Population von nur noch rund 50 000 Tieren angenommen werden muß?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, Sie fragen zu Recht nach der Lage und Einschätzung des Bestandes von Zwergwalen im Nordostatlantik, wo sich Unsicherheiten ergeben haben. Diese Frage ist zur Zeit Gegenstand von Beratungen des Wissenschaftsausschusses der Internationalen Walfang- Kommission ({0}). Die Ergebnisse dieser Überprüfung, die der IWC auf der am 29. Mai 1995 in Dublin beginnenden Jahrestagung vorliegen werden, bleiben abzuwarten. Die Bundesregierung ist gerne bereit, Ihnen diese Ergebnisse mitzuteilen, sobald diese zur Verfügung stehen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, haben Sie Kenntnis darüber, ob es jetzt Nachzählungen gibt und wer zählt?
Herr Abgeordneter, diese Kenntnisse habe ich nicht. Wir werden aber auch diese Frage bei der Überprüfung in Dublin klären. Wir werden vor dem Hintergrund solcher Klärungen unsere Haltung festlegen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Verstehe ich Sie recht, daß Sie erst in Dublin die nachgefragten konkreten Zahlen bekommen und erst dann reagieren können?
Herr Abgeordneter, Sie haben mich richtig verstanden.
Damit kommen wir zur Frage 13 des Abgeordneten Dietmar Schütz ({0}):
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts derart gravierender Fehler bei der Bestandsberechnung die Frage nach der Möglichkeit eines „sustainable use" von Walen noch einmal grundsätzlich neu überdacht werden muß, und sieht es die Bundesregierung überhaupt noch als eine realistische Möglichkeit an, verläßliche globale Bestandsschätzungen für Wale zu machen, wenn bereits in einem relativ überschaubaren Seegebiet und bei nur einer Walart die Berechnungen derart gravierend auseinandergehen?
Herr Abgeordneter, Voraussetzung für die Bewirtschaftung von Walbeständen entsprechend dem Grundsatz der tragfähigen Nutzung sind zuverlässige Erkenntnisse über den Zustand der Bestände. Derartige Erkenntnisse können gewonnen werden, wenn die Sammlung und Auswertung von Daten entsprechend den vom Wissenschaftsausschuß der Internationalen Walfang-Kommission ({0}) festgelegten Regeln unter internationaler Beteiligung von Wissenschaftlern durchgeführt werden.
({1})
Im übrigen enthalten die von der IWC auf einstimmige Empfehlung des Wissenschaftsausschusses angenommenen Bewirtschaftungsverfahren erhebliche Toleranzen gegenüber Unsicherheiten in der Bestandsschätzung.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gerade bei den kleinen Beständen im Nordostatlantik stellt sich, wenn man solch große Schwankungsbreiten in der Zählung hat, die Frage, ob es dann nicht notwendig ist, das Moratorium nachhalDietmar Schütz ({0})
tig zu verlängern, um Sicherheit darin zu haben, daß wir nicht die einzigen Walbestände, die überhaupt noch relevant sind - nämlich die der Zwerg- oder Minkewale -, weiter bejagen. Sind Sie mit mir der Meinung, daß diese Schlußfolgerung daraus zu ziehen ist?
Wegen der großen Unsicherheiten bei der Beurteilung der Bestände ist es bisher immer zur Fortführung des Moratoriums gekommen. Die Bundesregierung wird auch weiterhin für die Fortsetzung des Moratoriums stimmen, wenn diese Unklarheiten nicht beseitigt werden.
Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung in Dublin kritische Fragen stellen. Sie wird dann gemeinsam mit den übrigen Staaten, die am Walschutz interessiert sind, ihre Position festlegen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte das etwas stärker präzisieren. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es sicherer und vernünftiger ist, sich in diesem Fall auf eine konservative Position zu beziehen und zu sagen, daß die Moratoriumsverlängerung erzwungen werden muß, wenn es hier Unsicherheiten gibt?
Die Bundesregierung wird auch hier versuchen, auf der sicheren Seite der Schätzung zu stehen.
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 14 der Kollegin Ganseforth auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung Japans innerhalb der Internationalen Walfang-Kommission ({0}) nach Vergabe einer „Small-Type coastal whaling Quota" für Küstenfischer, und kann sie ausschließen, daß Walprodukte aus diesen Fängen dem - von der IWC verbotenen - kommerziellen Handel zufließen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Abgeordnete, voraussichtlich wird Japan auf der Jahrestagung 1995 der Internationalen Walfang-Kommission, die am 29. Mai 1995 in Dublin beginnt, seinen Antrag wiederholen, eine Interimsquote von 50 Zwergwalen für seinen Küstenwalfang zuzulassen. Auf der Jahrestagung 1993 in Kyoto hatte sich die IWC in einer im Konsens angenommenen Entschließung dafür ausgesprochen, die Probleme zu beheben, die sich für den japanischen Kastenwalfang infolge des Moratoriums ergeben.
In umfangreichen Dokumentationen hatte Japan die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme der vom Fangverbot betroffenen Gemeinden dargelegt. Zudem hatte Japan für die Jahrestagung 1994 einen Aktionsplan vorgelegt, mit dem das kommerzielle Element des Küstenwalfangs und des Verbrauchs des Walfleisches aus diesem Fang durch staatliche Interventionen beseitigt werden soll.
Trotz der Aufgeschlossenheit vieler Staaten für das japanische Anliegen fand die japanische Forderung auf der Jahrestagung 1994 in Mexiko keine Mehrheit. Dafür waren vor allem folgende Gründe maßgeblich: keine Ausnahme vom Moratorium, solange die Prüfung nicht abgeschlossen ist; Schwierigkeiten, die von Japan geplante nichtkommerzielle Verteilung des Walfleisches aus dem Küstenwalfang sicherzustellen, solange daneben ein kommerzieller Markt für Walfleisch mit hohen Preisen besteht, der insbesondere aus den Zwergwalfängen in antarktischen Gewässern gespeist wird; und die Unsicherheit in bezug auf die Auswirkungen auf den betroffenen Bestand.
Zwar könnte der Zwergwalbestand im Nordpazifik, dem die von Japan geforderte Quote entnommen werden soll, die Nutzung an sich vertragen. Wegen Bestandsüberlappung ist jedoch nicht auszuschließen, daß auch Wale aus dem Zwergwalbestand in der Japanischen See entnommen würden, der als sehr geschwächt eingestuft ist.
Für die Jahrestagung 1995 in Dublin werden voraussichtlich neue Erkenntnisse des Wissenschaftsausschusses über die Lage der betroffenen Walbestände vorliegen. Gegebenenfalls wird Japan auch weitergehende Zusicherungen machen, um kommerziellen Handel mit dem aus Küstenwalfang gewonnenen Walfleisch auszuschließen. Über das japanische Anliegen wird daher auf der bevorstehendenden Jahrestagung der IWC zu verhandeln und eventuell zu beschließen sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt den Sachstand geschildert. Ich hatte aber danach gefragt, wie die Haltung der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ist und wie sie sich auf der bevorstehenden Konferenz dem Anliegen Japans gegenüber verhalten wird. Das möchte ich gerne wissen.
Frau Abgeordnete, ich habe Ihnen gesagt, daß Japan sehr wahrscheinlich neue Informationen liefern wird. Wir werden dann auf der Basis der Erkenntnisse, die wir aus den Darlegungen der Japaner gewinnen, gemeinsam mit den übrigen Staaten unsere Position festlegen. Deshalb werden Sie Verständnis dafür haben, daß ich heute, da ich noch nicht im Besitz des Wissens bin, das Japan liefern wird, unsere Position noch nicht festlegen kann.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Die eigentliche Frage ist ja, wie sich Deutschland dazu verhalten hat und wie Deutschland das beurteilt hat. Ich habe zwar gesagt: in der Zukunft, aber ich möchte auch gerne wissen, wie die Position Deutschlands gegenüber Japan bei den vergangenen Verhandlungen gewesen ist.
Ich habe eben gesagt, Frau Abgeordnete, daß wir die letzte Entscheidung, die das Verbot zum Gegenstand hatte, im Konsens getroffen haben. Wir waren bisher auf der Seite derer, die für den Walschutz eingetreten sind. Das werden wir auch in Zukunft sein. Wir werden die Informationen der Japaner sehr kritisch zur Kenntnis nehmen und werden dann gemeinsam mit den übrigen gleichgesinnten Staaten unsere Position festlegen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schütz.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung bestätigen, daß Japan neben dem Küstenwalfang 1994 wiederum im Südpazifik in den Bereichen, die nicht bejagt werden dürfen, auf Walfang gegangen ist?
Herr Abgeordneter, ich kann das im Augenblick nicht bestätigen. Ich bin jedoch gerne bereit, Erkundungen einzuholen und Ihnen das Ergebnis schriftlich mitzuteilen.
Der Sachzusammenhang wäre auch etwas schwierig herzustellen. Denn gefragt war nach der Haltung der Bundesregierung.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Ganseforth auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die anhaltende Verletzung der IWC-Resolutionen durch die Bewohner der von Dänemark verwalteten Färöer-Inseln und das dort praktizierte jährliche Abschlachten von mehr als 1 000 Pilotwalen, und welche Maßnahmen wird sie gegenüber Dänemark und den Färöern ergreifen, urn ein baldiges Ende dieser Praxis zu erreichen?
Frau Abgeordnete, Dänemark bestreitet die Zuständigkeit der Internationalen Walfang-Kommission ({0}) für Kleinwale, zu denen auch die Grindwale gehören. Eine Vielzahl von Mitgliedstaaten der IWC unterstützt Dänemark in dieser grundsätzlichen Haltung. Im übrigen berufen sich die Färinger auf die lange Tradition der Grindwaljagd und die Abhängigkeit von der Nutzung der lebenden marinen Ressourcen. Zudem sei der Bestand von Grindwalen nicht gefährdet.
Vor diesem Hintergrund hat sich die IWC auf eine „Humanisierung" der Fangmethoden beschränken müssen. Entsprechend einer von deutscher Seite mitgetragenen Aufforderung durch die IWC hat Dänemark die Fangmethoden inzwischen verbessert, und zwar durch das Verbot des Einsatzes von Speeren, durch die Einschränkung der Verwendung von Haken von Booten aus und durch die Zulassung nur geeigneter Buchten mit dem Ziel, die Dauer der Jagd abzukürzen. Außerdem ist inzwischen eine bessere Ausbildung der Jäger erfolgt.
Die IWC wird unmittelbar vor der Jahrestagung 1995 einen Workshop über Fragen des Tierschutzes beim Fang von Walen abhalten, der sich auch mit dem Fang von Grindwalen auf den Färöern befassen wird. Grundlage ist ein bereits 1992 beschlossener Aktionsplan, mit dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Fangmethoden und die Methoden selbst verbessert werden sollen. Ziel der Maßnahmen ist es, den Walen keine vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zuzufügen. Die auf der Grundlage des Aktionsplanes erreichten Fortschritte sollen auf der Jahrestagung 1995 überprüft werden.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich wollte wissen, wie die Bundesregierung die Tatsache beurteilt, daß über die erlaubte Zahl hinaus - Sie haben eben gesagt: aus traditionellen Gründen - mehr Wale abgeschlachtet wurden. Sie haben mir geantwortet, daß auf den Einsatz weniger quälender Methoden geachtet wird. Meine Frage ging aber in eine andere Richtung: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß mehr Wale abgeschlachtet wurden, als zulässig ist?
Frau Abgeordnete, das kann ich im Augenblick nicht beurteilen, da ich nicht weiß, was in diesem Falle „mehr als zulässig" ist. Auch dies hängt von den Informationen ab, die uns Dänemark liefert. Im übrigen habe ich darauf hingewiesen, daß Dänemark die Auffassung vertritt, daß dieser Walfang nicht in die Zuständigkeit der IWC gehört.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, bemüht sich die Bundesregierung denn, die Grindwale und die Pilotwale, die jetzt zur Debatte stehen, aber auch die Delphine, die ebenfalls zur Familie der Wale gehören, in die IWC-Bestände aufzunehmen, so daß die Konvention auch diese Wale umfaßt?
Die Bundesregierung weiß, daß sie hier auf die Zusammenarbeit aller an der IWC Beteiligten ange2888
wiesen ist. Sie bemüht sich im Interesse des Walschutzes um eine Einbeziehung auch dieser Walart. Ob das gelingt, ist von der Zustimmung der beteiligten Staaten abhängig, ihre Bereitschaft zu erklären, dies in die Kompetenz der IWC zu geben.
Im übrigen glauben wir, daß es keine bessere Organisation als die IWC gibt, die den Walschutz effizient betreibt. Deshalb müssen wir uns bemühen, gemeinsam mit allen Staaten innerhalb der IWC einen besseren Walschutz zu erreichen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Kraus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Heide Wright auf:
Wie hoch ist nach Angaben der Bundesregierung der Anteil der Fremdfirmen, die zur Waldbewirtschaftung ({0}) herangezogen werden?
Ich möchte die Fragen 16 und 17 gern im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 17 der Abgeordneten Heide Wright auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit die Sozial- und Sicherheitsstandards durch die Fremdfirmen bzw. deren Subunternehmen gewahrt werden, und wie gedenkt die Bundesregierung im Nichtbeachtungsfall die Einhaltung dieser Sozial- und Sicherheitsstandards zu gewährleisten?
Frau Kollegin Wright, der Anteil der Waldarbeiten, den die Forstbetriebe nicht mit eigenen Arbeitskräften durchführen, sondern von Fremdfirmen ausführen lassen, liegt - gemessen am Betriebsaufwand der Forstbetriebe - im Mittel bei schätzungsweise 20 bis 30 %. Diese Zahl geht auf Angaben der Länder zurück; weitere Aussagen liegen der Bundesregierung nicht vor.
Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: Die staatlichen Arbeitsschutzvorschriften gelten für alle Unternehmer bzw. „Arbeitgeber" sowie „Arbeitnehmer", die in den sachlichen Geltungsbereich der jeweiligen Vorschriften fallen. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von den hierfür zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder kontrolliert.
Auch die Forstbetriebe können als Auftraggeber auf die Einhaltung der Sozial- und Sicherheitsstandards hinwirken. Beispielsweise ist es bei den staatlichen Forstbetrieben des Bundes und der Länder üblich, die Einhaltung vor allem der Sicherheitsstandards zum Vertragsgegenstand zu machen; eine
Nichtbeachtung hat dann auch vertragsrechtliche Konsequenzen. Diese Forstbetriebe überprüfen die Einhaltung der Standards als Teil der vertraglichen Vereinbarungen und bringen eventuelle Verstöße zur Anzeige.
Soweit es sich um Werkvertragsarbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa handelt, werden diese von der Arbeitsverwaltung nur zugelassen, wenn ein ausreichender Kranken- und Unfallversicherungsschutz gewährleistet ist. Stellt die Arbeitsverwaltung bei der Überprüfung der Werktätigkeit fest, daß die Werkvertragsarbeitnehmer nicht den Lohn erhalten, welche die einschlägigen Tarifverträge für deutsche Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit vorsehen, werden die ausländischen Werkvertragsfirmen für mindestens ein Jahr von jeder weiteren Werkvertragstätigkeit ausgeschlossen.
Verleiher mit einer Verleiherlaubnis werden nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum Schutz der Leiharbeitnehmer durch die Bundesanstalt für Arbeit laufend überwacht. Die Verleiherlaubnis oder ihre Verlängerung wird nur erteilt, wenn der Verleiher zuverlässig ist und insbesondere die sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen einhält. Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz obliegen dem Entleiher und Verleiher im Bereich des Arbeitsschutzes die Pflichten des Arbeitgebers.
Sie haben jetzt bis zu vier Zusatzfragen.
Die werde ich wohl nicht alle brauchen.
Ich möchte zunächst zu meiner ersten Frage eine Zusatzfrage stellen. Sie sagten, 20 bis 30 % der Waldarbeiten entfielen auf Fremdfirmen. Haben Sie auch entsprechende Zahlen der betroffenen Waldarbeiter, die a) entlassen wurden und b) jetzt von ausländischen Firmen beschäftigt werden?
Ich habe derartige Zahlen nicht. Im übrigen habe ich in meiner Antwort nicht von 20 bis 30 % der Arbeitnehmer gesprochen, sondern davon, daß 20 bis 30 % der Betriebsmittel, die aufgewendet werden, auf Fremdfirmen entfallen.
Ihre zweite Frage.
Trotzdem wäre natürlich interessant zu wissen, ob Sie feststellen können, wie viele Arbeitnehmer von dem betroffen sind, wonach ich gerade gefragt habe.
Wir können gern versuchen, das festzustellen.
Dafür wäre ich sehr dankbar.
Was die Frage der Kontrolle angeht, so möchte ich nachfragen, ob auch im Forstbereich - wie im Baugewerbe - an die Einführung eines Sozialversicherungsausweises mit Lichtbild gedacht ist. Ist so etwas angedacht?
Derzeit nicht.
Das wäre aber eine adäquate Lösung. Ich bitte Sie, schriftlich zu beantworten, ob das für die Zukunft angedacht ist.
Das kann ich Ihnen jetzt sagen. Im Augenblick gibt es keine derartigen Absichten. Das war, glaube ich, Ihre Frage.
({0})
Dann haben Sie Ihre vier Fragen doch ausgeschöpft.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat Herr Kollege Hornung.
Herr Staatssekretär, könnte an dieser geschilderten Lage abzulesen sein, daß immer mehr Unternehmen, und zwar sowohl private als auch staatliche, auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation der Wälder Fremdarbeitskräfte deswegen einsetzen, weil sie dadurch die Lohnkosten senken können und weil sie in Deutschland immer weniger Mitarbeiter finden, die bereit sind, Waldarbeitertätigkeit - von der Pflege bis zum Fällen von Bäumen - durchzuführen? Und ist es weiterhin nicht so, daß es vielen Waldbesitzern fast nicht mehr möglich ist, überhaupt Arbeitskräfte auf diesem Sektor zu finden?
Herr Kollege, da sind wahrscheinlich zwei Punkte zu unterscheiden: Was den Einsatz von Arbeitnehmern aus Mittel- und Osteuropa im Rahmen von Werkverträgen angeht, so sind diese Werkverträge genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung darf nur dann erfolgen, wenn deutsche oder ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer aus der Europäischen Union nicht zur Verfügung stehen. Das heißt, derartige Verträge werden in der Tat nur genehmigt, wenn diese Fachkräfte in Deutschland ansonsten nicht zu bekommen sind. Werden solche Verträge genehmigt, deutet das natürlich darauf hin, daß in Deutschland so wenig Fachkräfte vorhanden sind.
Die Frage, welche betriebswirtschaftlichen Überlegungen den einzelnen Waldbesitzer dazu veranlassen, etwa auf Verleihunternehmen oder auf Subunternehmen zurückzugreifen, die keine Genehmigung haben müssen, weil sie ortsansässige Unternehmen sind, kann ich selbstverständlich nicht beantworten.
({0})
Die Frage 18 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Koppelin auf.
Wer gab im Bundesministerium der Verteidigung die Weisung zur Planung eines „Mehrzweckschiffes", und ist der Bundesminister der Verteidigung von dieser Weisung unterrichtet gewesen?
Herr Kollege Koppelin, basierend auf Erfahrungen aus den Kambodscha- und Somalia-Einsätzen der Bundeswehr hat der Generalinspekteur als Verantwortlicher für die Gesamtplanung der Bundeswehr im Februar 1994 den Auftrag erteilt, zu untersuchen, wie den militärischen Anforderungen an Verlegung, Führung und Versorgung, vor allem an sanitätsdienstliche Versorgung, bei internationalen Einsätzen der Bundeswehr Rechnung getragen werden kann.
Angesichts der engen finanziellen Grenzen sollte sich die Untersuchung auf ein Mehrzweckschiff konzentrieren. Als Ergebnis der Arbeiten wurde vom Generalinspekteur der Bundeswehr im September 1994 ein taktisches Konzept gebilligt.
Die Einbindung der Leitung ist entsprechend der gültigen Erlaßlage zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig. Sie erfolgt erst mit der Fertigstellung der taktisch-technischen Forderung, wenn der Finanzbedarf und der Realisierungszeitraum festgelegt werden sollen. Für das Mehrzweckschiff war dies für den Sommer 1995 geplant.
Nachdem Vorstellungen der Arbeitsebene des BMVGs zur technischen Auslegung des Mehrzweckschiffes bekanntgeworden waren, hat der Bundesminister der Verteidigung die Weisung gegeben, die bisherigen konzeptionellen Überlegungen nicht weiter zu verfolgen und statt dessen nach Möglichkeiten zu suchen, wie die erkannten Defizite im Rahmen der Gesamtplanung beseitigt werden können.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Koppelin.
Frau Staatssekretärin, nach Ihrer Darstellung hat der Generalinspekteur die Weisung für die Planung eines Mehrzweckschiffes gegeben. Ich muß Sie fragen, inwieweit der Bundesminister der Verteidigung tätig gewesen ist und von sich aus Weisungen gegeben hat? Denn ich kann mir
nicht vorstellen, daß der Generalinspekteur etwas ohne Weisung des Verteidigungsministers plant.
Selbstverständlich werden solche Dinge immer abgesprochen. Der Generalinspekteur tut dies in Übereinstimmung mit dem Bundesminister der Verteidigung.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie können Sie mir dann erklären, daß es erst vier Monate her ist, daß der Bundesminister der Verteidigung im Verteidigungsausschuß folgendes erklärte - ich zitiere, Herr Präsident -:
Aus der erkannten Notwendigkeit, Kräfte in Krisenregionen führen und hinreichend logistisch und sanitätsdienstlich unterstützen zu können, ist das Projekt eines Mehrzweckschiffes entstanden. Dieses Projekt ist ein Vorhaben von Heer, Luftwaffe und Marine - ein in der Geschichte der Bundeswehr völlig neuer Ansatz.
Wie ist es möglich, daß der Bundesminister der Verteidigung seine Meinung in einer so wichtigen Frage innerhalb von vier Monaten ändert? Welche Gründe haben zur Änderung der Meinung geführt?
Dazu hat geführt, daß sich herausgestellt hat, daß ein solches Mehrzweckschiff voraussichtlich zu groß und zu teuer werden würde. Darum wurde rechtzeitig die Weisung des Ministers gegeben, die bisherigen konzeptionellen Überlegungen zum Mehrzweckschiff nicht weiterzuverfolgen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie die erkannten Defizite im Rahmen der Gesamtplanung beseitigt werden können, wobei die Überlegungen zum Lazarettschiff einzubeziehen sind.
Dann rufe ich die Frage 20 des Kollegen Koppelin auf:
Welche Kosten sind bisher für die Planung des „Mehrzweckschiffes" entstanden oder für die Zukunft absehbar?
Für das Mehrzweckschiff sind aus dem Ausgabenbereich Forschung, Entwicklung und Erprobung bislang 3,5 Millionen DM für Realisierbarkeitsuntersuchungen, Entwurfsbeschreibungen und hydrodynamische Modellversuche ausgegeben worden. Weitere 0,6 Millionen DM sind vertraglich gebunden, aber noch nicht abgeflossen. Diese Mittel bewegen sich am unteren Rand des für Schiffsentwicklungen üblichen Rahmens, da die Absicht bestand, wo immer möglich auf zivilen Schiffbaustandard zurückzugreifen.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, teilen Sie dann meine Auffassung - ich drücke es etwas volkstümlich aus -, daß damit 4,1 Millionen DM in den Sand oder in das Wasser gesetzt wurden?
Nein, Herr Abgeordneter, diese Auffassung teile ich überhaupt nicht; denn die bisherigen Untersuchungsergebnisse sind nicht ausschließlich auf das Mehrzweckschiff anwendbar, sondern kommen allen künftigen Marinevorhaben zugute. Das gilt insbesondere für die Bereiche hydrodynamischer Schiffsentwurf, Anwendung von Standards für Handelsschiffe im Marineschiffbau mit dem Ziel der Kostenreduzierung, Einfluß von Umweltschutzauflagen für den Bau von Marineschiffen und Erkenntnisse für die Ausgestaltung eines Lazaretts mit bis zu 200 Betten an Bord eines Schiffes. Sie sehen also: Diese Erkenntnisse können wir durchaus weiterverwenden.
Ihre zweite Frage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir erklären, wie es möglich ist, daß, wenn ein Projekt im Ministerium innerhalb so kurzer Zeit quasi für erledigt angesehen wird, Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums, selbst hohe Offiziere, in Fachzeitschriften im Detail über dieses Mehrzweckschiff schreiben können, wobei diese Darstellungen, ohne daß sich je ein parlamentarisches Gremium damit beschäftigt hat, in der Offentlichkeit den Eindruck erwecken, das sei eine längst abgesprochene Sache? Ist das Ministerium bereit, solchen Angehörigen des Ministeriums einmal klarzumachen, daß diese Öffentlichkeitsarbeit nicht im Sinne derjenigen ist, die z. B. im Deutschen Bundestag Verteidigungspolitik machen?
Herr Abgeordneter, ich nehme an, es wurden Gedanken darüber vorgetragen, wie man etwas machen könnte. Was dann wirklich gemacht wird, ist selbstverständlich Sache des Ministers und der zuständigen Ausschüsse.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 21 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 22 der Abgeordneten Erika Lotz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß am 25. und 26. April 1995 Kampfmaschinen vom Typ Tornado, aber auch viele Kampfhubschrauber, über den mittelhessischen Bereich rund um Wetzlar - besonders belastet war die Hessen-Klinik - Tiefflüge probten, und wenn ja, zu welcher Nation gehörten diese?
Frau Abgeordnete, wenn Sie gestatten, würde ich gem Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 23 auf:
Wurden von der Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um künftig die Bevölkerung in tieffluggeschützten Zonen vor unzulässigen Tiefflügen zu schützen, und wenn ja, welche?
Der Bundesregierung wurde bekannt, daß in der Zeit vom 24. April bis 28. April 1995 vom NATO-Flugplatz Spangdahlem aus eine Übung der dort stationierten US-Luftwaffe stattgefunden hat. An dieser Übung waren bis zu 50 Flugzeuge beteiligt. Die Flugzeugbesatzungen sollten nach der Rückkehr aus dem Ausland wieder an die Luftraumstruktur in Deutschland gewöhnt werden. Auf Grund der Wetterlage - es gab schwere fluggefährdende Gewitter - kam es in Mittelhessen zu einer Verdichtung von Flügen.
Für den gleichen Zeitraum war eine Luftlandeübung der 4. US-Brigade im südhessischen Raum angemeldet. Bei dieser Übung sollten mehrere Hubschrauber zum Einsatz kommen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß auf Grund der Wetterlage vorübergehend Hubschrauber und strahlgetriebene Flugzeuge den gleichen Luftraum benutzten.
Das zuständige Luftwaffenamt hat sofort nach Bekanntwerden von Beschwerden aus den betroffenen Gebieten bei den entsprechenden amerikanischen Dienststellen interveniert und eine Entflechtung der Flugbewegungen veranlaßt. Ferner hat die Bundeswehr durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge getragen, daß künftig solche Massierungen vermieden werden. Der mittelhessische Raum ist allerdings kein Flugbeschränkungsgebiet. Für Flüge im niedrigen Höhenband sind lediglich Beschränkungen für Städte mit über 100 000 Einwohnern und Kernkraftwerke festgelegt worden. Über diesen Gebieten wurde die Mindestflughöhe auf 2 000 Fuß, ca. 600 m, angehoben. Aus diesem Grund handelte es sich bei den angesprochenen Flügen nicht um unzulässige Tiefflüge.
Frau Kollegin, Sie haben bis zu vier Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wann dem Luftwaffenamt diese Flüge bekannt wurden und wann etwas unternommen worden ist, damit die Flüge unterlassen werden?
Die Flüge sind durch die Beschwerden der Bevölkerung und auch der Bürgermeister bekanntgeworden. Daraufhin wurde das Luftwaffenamt unverzüglich tätig.
Zweite Frage.
Danke. Das reicht mir erst einmal.
Vielen Dank. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Petra Ernstberger auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Stand der Beratungen mit der EU-Kommission vor, vor dem Hintergrund, daß die Länder Bayern und Baden-Württemberg den Vorstoß unternommen haben, in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die EU zur Genehmigung der Errichtung sog. „MetzgerSchlachthöfe" zu bewegen, in denen für den örtlichen Verbrauch wöchentlich bis zu 30 Vieheinheiten ({0}) unter Einhaltung des derzeit geltenden bundesdeutschen Fleischhygienerechts geschlachtet werden dürfen, und wann ist mit einer Änderung der hierfür geltenden EU-Richtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht zu rechnen?
Frau Kollegin, der Agrarrat hat in seiner letzten Sitzung unter deutscher Präsidentschaft am 14. Dezember 1994 eine politische Einigung über die Änderung der Frischfleisch-Richtlinie 64/433/EWG erzielt. Wesentlicher Bestandteil dieses Kompromisses ist die Regelung, daß „Metzger-Schlachthöfe", die höchstens 30 Großvieheinheiten wöchentlich bzw. 1 500 Großvieheinheiten jährlich schlachten und die EG-Anforderungen an Betriebe mit geringer Kapazität erfüllen, Fleisch innerhalb ihres Mitgliedstaates in den Verkehr bringen dürfen.
Eine formelle Verabschiedung der Anderungsrichtlinie war dagegen nicht möglich, weil die hierzu erforderliche Stellungnahme des Europäischen Parlaments noch nicht abgegeben worden war. Seit dem 7. April 1995 liegt diese Stellungnahme nunmehr vor.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß der im Dezember 1994 erzielte Kompromiß oder ein auf der Grundlage dieses Kompromisses unter Berücksichtigung von Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments vorgelegter neuer Kommissionsvorschlag noch unter französischer Präsidentschaft formell verabschiedet wird.
Frau Ernstberger, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wann ist mit der Umsetzung in nationales, in unser bundesdeutsches Recht zu rechnen?
Frau Kollegin, sobald der neue Kommissionsvorschlag noch unter französischer Präsidentschaft verabschiedet ist, werden wir ihn in nationales Recht umsetzen.
Keine weitere Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 25 des Kollegen Schmidbauer auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung nach dem Scheitern äihres Entwurfes zum Psychotherapeutengesetz in der 13. Legislaturperiode einen neuen Gesetzentwurf einbringen wird, und zu welchem Termin ist die Vorlage zu erwarten?
Herr Kollege Schmidbauer, wenn Sie gestatten, beantworte ich sofort Ihre beiden Fragen. Sie stehen in einem engen Zusammenhang.
Dann rufe ich auch Frage 26 auf:
Wird die Bundesregierung den Entwurf so rechtzeitig einbringen, daß die parlamentarischen Beratungen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden können und ein Psychotherapeutengesetz noch zum 1. Januar 1996 in Kraft treten kann?
Die Bundesregierung beabsichtigt gegenwärtig nicht, einen neuen Gesetzentwurf über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und zur Änderung des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs einzubringen.
Wie Sie wissen, ist der Gesetzentwurf in der vergangenen Legislaturperiode an der Weigerung der SPD-regierten Länder gescheitert, hinsichtlich der Zuzahlung der Versicherten zu einem Kompromiß zu kommen. Solange die SPD-regierten Länder von dieser Position nicht abrücken bzw. keine Alternative aufzeigen, wie die zusätzlichen Ausgaben zumindest teilweise ausgeglichen werden sollen, erscheint eine neue Initiative der Bundesregierung nicht sinnvoll.
Ihre Zusatzfragen, bitte schön, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, wird die Bundesregierung abwarten, bis die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen mit den Psychotherapeuten eigene Verträge geschlossen haben, und erst danach einen Regelungsbedarf sehen?
Herr Kollege Schmidbauer, wir hatten einen Gesetzentwurf vorgelegt, der von allen Fachverbänden der Psychotherapeuten mitgetragen wurde. Dieser Entwurf konnte auf Grund der Weigerung der SPD-regierten Länder nicht verabschiedet werden.
Wir werden sehr aufmerksam beobachten, ob die Krankenkassen weiterhin Verträge abschließen und inwieweit diese auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Ist dies nicht der Fall, müssen diese Verträge geahndet werden.
Ihre zweite Frage.
Die Entwicklung bei den Krankenkassen ist bereits im Gange. Sieht denn die Bundesregierung schon jetzt die Aufgabe, die Verträge zwischen den Krankenkassen und den Verbänden im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung zu überprüfen, oder will sie die Entwicklung weiter abwarten?
Herr Kollege Schmidbauer, auch Sie müßten wissen, daß für die Ahndung der Verträge nicht allein die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für Gesundheit zuständig ist, sondern auch die entsprechenden Aufsichtsbehörden der Länder. Insofern brauche ich meiner Antwort auf Ihre erste Zusatzfrage nichts mehr hinzuzufügen.
Ihre dritte Frage.
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Wandel in puncto Dringlichkeit bei der Bundesregierung dadurch eingetreten, daß sie diese jetzt nicht mehr sieht, weil die SPD-Position sichtbar geworden ist, die das Psychotherapeutengesetz letztendlich an der Frage der Zuzahlung scheitern läßt.
Nun meine Frage an Sie, Frau Staatssekretärin: Wenn Herr Minister Seehofer erklärt, daß es bezüglich der Entwicklung im Gesundheitsbereich für ihn keine weiteren Belastungen des Beitragszahlers geben darf, auch nicht in Form von Zuzahlungen, was hindert Sie dann, das Psychotherapeutengesetz auch ohne Zuzahlung in die Welt zu setzen?
Herr Kollege Schmidbauer, wir sehen sehr wohl die Notwendigkeit, eine berufsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Lösung in einem Psychotherapeutengesetz zu verabschieden. Aber wir sehen auf Grund der Weigerungshaltung Ihrer Partei zur Zeit keine Möglichkeit, hier zu einem Kompromiß zu kommen.
Ihre letzte Zusatzfrage.
Da die Frau Staatssekretärin meine präzise Frage allem Anschein nach überhört hat, möchte ich noch einmal fragen. Herr Minister Seehofer hat erst vor wenigen Tagen zum wiederholten Male erklärt, daß es für ihn im Rahmen einer Gesundheitsstrukturveränderung keine weiteren Ausweitungen in puncto Zuzahlungen, d. h. Selbstbeteiligungen, geben kann. Damit ist klar, daß das auch für ein Psychotherapeutengesetz gültig sein muß. Oder würden Sie das Psychotherapeutengesetz von der Aussage des Ministers ausnehmen?
Herr Kollege
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl Schmidbauer, wenn Sie unseren Gesetzentwurf, den wir in der 12. Legislaturperiode eingebracht haben, aufmerksam gelesen hätten, dann hätten Sie gesehen, daß sich dieser Gesetzentwurf durchaus in die Regelungen des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches eingebettet hat und daß keine unzumutbaren Härten für die Versicherten entstanden wären, weil hier, ebenso wie bei anderen Regelungen, Härtefallregelungen und Überforderungsregelungen eingebaut waren.
Keine weiteren Fragen. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfügung. Ich rufe die Frage 27 der Abgeordneten Steffi Lemke auf:
Auf welche neuen Erkenntnisse und Untersuchungen stützen sich die Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ulrich Klinkert, zum Endlager für radioaktive Abfälle ({0}) Morsleben gebe es keine Sicherheitsbedenken mehr und es existiere eine Sicherheitsgarantie für die nächsten 10 000 Jahre, und teilt die Bundesregierung diese Einschätzung des Parlamentarischen Staatssekretärs?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Ja, die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Dies gründet sich auf die Ergebnisse der Untersuchungen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit zur Langzeitsicherheit unter Berücksichtigung der bis zum 30. Juni des Jahres 2000 auf der Grundlage der derzeit gültigen Dauerbetriebsgenehmigung zur Einlagerung vorgesehenen radioaktiven Abfälle.
Danach wird das Schutzziel von 0,3 mSv pro Jahr bei den für die Einlagerung vorgesehenen Abfällen über einen Zeitraum von 10 000 Jahren eingehalten. Bei den Untersuchungen sind Unsicherheiten im Kenntnisstand, die im Rahmen von Vor-Ort-Untersuchungen beseitigt werden sollen, durch abdeckende Annahmen sicherheitstechnisch in konservativer Weise berücksichtigt.
Im übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 23. November 1993, die auch heute noch Aktualität und Gültigkeit besitzt.
Ihre erste Zusatzfrage.
Für das Endlager Morsleben existiert aber, ungeachtet der jetzt von ihnen zitierten Gutachten, kein Nachweis der Langzeitsicherheit. Dieser wird in dem jetzt laufenden Planfeststellungsverfahren erbracht werden - oder auch nicht. Worauf basiert die Notwendigkeit, die Einlagerungen in Morsleben zu forcieren - wie das derzeit passiert -, bevor dieser Nachweis der
Langzeitsicherheit erbracht ist, und wann rechnen Sie mit dem Abschluß des Planfeststellungsverfahrens?
Das Planfeststellungsverfahren, das in der Tat zur Zeit läuft, wird rechtzeitig vor dem 30. Juni 2000 beendet sein. Dieses Planfeststellungsverfahren beinhaltet ausschließlich die Zeit nach dem Jahr 2000, und zwar sowohl für den Fall des Weiterbetriebs als auch für den Fall der Stillegung. Notwendige Untersuchungen zur Langzeitsicherheit der derzeitigen Tätigkeit sind höchstrichterlich bestätigt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Befürchten Sie in Anbetracht der bereits eingetretenen Verzögerungen im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens nicht, daß der Zeitpunkt 2000 nicht eingehalten werden könnte?
Nach dem derzeitigen Ablauf gibt es keine Hinweise darauf, daß dieser Termin nicht in etwa gehalten werden könnte.
Eine weitere Frage, bitte.
Im bundesdeutschen Atomrecht, also im westlichen Recht, ist ja bei einem Planfeststellungsverfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Sie sagen jetzt, es gebe Untersuchungen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, die die Langzeitsicherheit über zehntausend Jahre hinweg nachweisen würden, und zwar in bezug auf den Müll, der bis zum Jahr 2000 eingelagert wird; aber für den Müll, der dann ab dem Jahr 2000 eingelagert werden würde, gebe es diesen Langzeitsicherheitsnachweis nicht. Ich nehme jedoch an, daß ein Langzeitsicherheitsnachweis an sich über zehntausend Jahre gehen soll, egal, um welchen Müll es sich handelt.
Meine Frage ist jetzt: Wenn Sie sich jetzt auf Erkenntnisse der Gesellschaft für Reaktorsicherheit stützen, die jetzt im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gutachtlich erbracht werden, und wenn Sie jetzt auf Grund dieser Erkenntnisse Ihre Aktivitäten in Morsleben ändern, sind Sie dann nicht auch der Meinung, daß Sie eigentlich die Vorschriften des bundesdeutschen Atomrechts, nämlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Möglichkeit vorzusehen, Einwände zu erheben und diese Erkenntnisse bei Fragen wie der Einlagerungstechnik oder dem Volumen, das eingelagert werden soll, zu berücksichtigen, im Prinzip umgehen, weil Sie sagen: Wir nehmen jetzt diese Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und
stellen einfach fest, daß das Ding für zehntausend Jahre sicher ist?
Sie müssen davon ausgehen, daß es sich um ein Endlager handelt, das bereits in Betrieb genommen wurde. Insofern wäre nach bundesdeutschem Recht eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorher notwendig. Das jetzt eingeleitete Planfeststellungsverfahren - ich erwähnte das bereits - beinhaltet den Zeitraum für die Jahre nach 2000. Sie wissen, daß eine entsprechende Planfeststellung einen umfangreichen Zeitraum, einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung, erfordert. Insofern wurde richterlich abgeprüft, ob der Sicherheitsstandard dieser bis zum Jahr 2000 zu genehmigenden Einlagerungen gewährleistet ist. Dies ist bestätigt worden.
Ich fürchte bei einer Sicherheitsgarantie von zehntausend Jahren, daß wir nur sehr schwer nachprüfen können, ob die volle Laufzeit durchgehalten wird.
({0})
Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Lemke auf:
Trifft es zu, daß im ERA Morsleben radioaktive Abfälle auf dem Wege des Versturzes abgelagert werden?
Derzeit wird neben der Stapeltechnik im Westfeld die Versturztechnik in Abbau 1 und Abbau 2 des Südfeldes angewandt. Beide Einlagerungstechniken sind nach der geltenden Dauerbetriebsgenehmigung zulässig. Weder gegen die Stapel- noch gegen die Versturztechnik bestehen sicherheitstechnische Bedenken.
Ihre Zusatzfrage.
Wir waren uns ja einig, daß bisher kein Nachweis der Langzeitsicherheit existiert.
Nein, waren wir uns nicht!
Es liegt aber keiner vor. Ich würde gern wissen, wenn jetzt auf dem Wege des Versturzes eingelagert wird und wenn im Laufe des Planfeststellungsverfahrens festgestellt werden sollte - die Wahrscheinlichkeit besteht ja -, daß das Endlager Morsleben nicht den bundesdeutschen Anforderungen an ein Atommüllendlager entspricht, wie Sie die auf dem Wege des Versturzes eingelagerten Stoffe wieder herausholen wollen.
Zunächst einmal weise ich die Unterstellung zurück, daß irgendwann in nächster Zeit oder überhaupt das Ergebnis herauskäme, daß die Langzeitsicherheit nicht gegeben ist und daß die jetzt eingelagerten Stoffe wieder aus Morsleben entfernt werden müssen.
({0})
Im übrigen wäre dies - es ist von vornherein auszuschließen, da es sich um ein Endlager handelt - bei beiden Techniken, sicherlich mit unterschiedlichem Aufwand, möglich. Aber ich sage es noch einmal: Dies ist von vornherein auszuschließen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ich bin darüber erstaunt, daß Sie das von vornherein ausschließen. Es existiert kein Nachweis der Langzeitsicherheit. Ich möchte das nochmals betonen. Das Planfeststellungsverfahren wäre sonst schlicht und einfach überflüssig, wenn der Langzeitsicherheitsnachweis existierte. Es besteht die Möglichkeit, daß bis zum Jahr 2000 festgestellt wird, daß Morsleben kein Endlager für Atommüll sein kann und daß die bis dahin eingelagerten Stoffe wieder herausgeholt werden müssen. Gibt es dafür eine Planung, wie das zu erfolgen hat?
Ich wiederhole: Das Planfeststellungsverfahren, das jetzt in Gang gesetzt wurde, bezieht sich ausschließlich auf Tätigkeiten nach dem Jahr 2000: entweder weitere Einlagerungen oder Stillegung des Endlagers mit den bis dahin eingelagerten Stoffen.
Eine weitere Zusatzfrage?
({0})
- Das ist ein Problem, das man gelegentlich hat. Es stehen Ihnen jedoch nur zwei Zusatzfragen zu, und es liegt beim Vertreter der Bundesregierung, wie ausgiebig er antwortet.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Köhne.
Herr Staatssekretär, da Sie sich zur Zeit hinter den juristischen Dingen verstecken, stelle ich die Frage an die Bundesregierung, ob sie nicht grundsätzlich der Auffassung ist, daß atomarer Müll, der derzeit irgendwo eingelagert wird, so eingelagert werden sollte, daß man ihn gegebenenfalls wieder bergen und woanders unterbringen kann, damit man, falls in zukünftigen Zeiten in den Bergwerken Verschiebungen eintreten, das ganze Zeug wieder herausholen kann und woanders lagern kann. Halten Sie das nicht für eine prinzipiell bessere Variante?
Das entspricht nicht der in diesem Haus mit großer Mehrheit verabschiedeten Endlagerungsphilosphie. Wir gehen davon aus, daß die jetzt eingerichteten bzw. in Planung befindlichen Endlager auf Dauer sicher sind und daß die Endlagerung so erfolgt, daß eine Wiederentnahme nicht notwendig und teilweise sogar nicht möglich ist.
Die nächste Zusatzfrage hat die Kollegin Schönberger.
Herr Klinkert, ich muß mich schon wundern. Sind Sie nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Genehmigung des Endlagers Morsleben nach DDR-Recht keinen Nachweis der Langzeitsicherheit einschloß, daß die Bundesregierung im Einigungsvertrag dieses Endlager einfach mit übernommen hat, ohne das geltende bundesdeutsche Atomrecht darauf anzuwenden, und daß das Bundesverwaltungsgericht gesagt hat: Das ist für diese Übergangszeit bis zum Jahre 2000 in Ordnung, aber im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens, das jetzt läuft, muß der Nachweis der Langzeitsicherheit erbracht werden?
Das heißt, es gibt keinen Nachweis der Langzeitsicherheit, nicht für den Müll, der bereits eingelagert ist, und auch nicht für den Müll, der bis zum Jahre 2000 eingelagert werden wird, und das Bundesverwaltungsgericht hat nur gesagt, daß die Einlagerungen von juristischer Seite her in Ordnung sind, wenn im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens jetzt der Langzeitsicherheitsnachweis erbracht wird. Nehmen Sie also zur Kenntnis, daß Ihre Behauptung, es existiere ein Langzeitsicherheitsnachweis für das Endlager Morsleben, unrichtig ist?
Ihrer Interpretation kann ich nicht folgen. Es sind zwar andere Verfahren zur Bestimmung der Langzeitsicherheit angewandt worden, als es für ein nach bundesdeutschem Recht zu planendes Endlager üblich gewesen wäre; dennoch ist sowohl von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit als auch von anderen Stellen bestätigt worden, daß die Langzeitsicherheit vorliegt. Das ist auch richterlich nicht bestritten worden.
Insofern bezieht sich das - das sage ich nun zum dritten Mal -, was im Planfeststellungverfahren zu untersuchen ist, ausschließlich auf die Zeit nach 2000.
Damit ist die Zeit, die für die Fragestunde vorgesehen ist, abgelaufen. Die restlichen Fragen dieses Geschäftsbereichs werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich schließe damit die Fragestunde.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Entwicklung der Ausbildungsplatzsituation in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere in den neuen Ländern
Das Wort hat der Abgeordnete Thierse.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil die miserable Lage auf dem Arbeitsmarkt in Ost- und Westdeutschland eine Dimension angenommen hat, die mit dem Begriff der Krise nicht mehr gekennzeichnet werden kann. Das ist eine wirkliche Katastrophe.
({0})
Sie ist kein Produkt oppositioneller Phantasie, sie ist bittere Wirklichkeit. Die Bundesregierung weiß natürlich um diese Wirklichkeit, sie kennt die dramatischen Einbrüche und schweigt oder wiegelt ab, wie es Herr Minister Rüttgers gestern unablässig getan hat.
Probleme bei der Bereitstellung einer genügend großen Zahl von Ausbildungsplätzen sind nicht neu, sie konnten aber in den vergangenen Jahren einigermaßen bewältigt werden.
Die Situation heute ist eine gänzlich andere. Ich befürchte, daß das Berufsbildungssystem allmählich zerbröselt, denn seine Struktur ist im Kern erschüttert, seine Finanzierung ist gefährdet.
Was sind die Fakten? Im Osten Deutschlands ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen von März bis April um 6,3 % zurückgegangen. Die Zahl der gemeldeten Bewerber ist um 13,9 % höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Rund 60 % der Ausbildungsplätze werden öffentlich gefördert. Es vollzieht sich also eine schleichende Verstaatlichung der beruflichen Bildung. Das betriebliche Angebot an Ausbildungsplätzen liegt derzeit um rund 100 000 unter der Bewerberzahl. Vor allem Mädchen in strukturschwachen Regionen sind von diesen Zuständen betroffen.
Im Westen Deutschlands verzeichnen wir einen Rückgang der gemeldeten Stellen gegenüber dem Vorjahresmonat um 11,4 %. Die Zahl der Bewerber liegt um 5,5 % über der Vergleichszahl aus dem April des vergangenen Jahres. Den ca. 390 000 Bewerbern stehen zwar immer noch rund 460 000 Ausbildungsplätze gegenüber. Der statistische Überhang ist aber von fast 150 000 auf noch 70 000 geschrumpft. Das heißt, in ganz Deutschland wird das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Freiheit der Berufswahl langsam, aber sicher zur Farce.
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Es entsteht eine eklatante Kluft zwischen Verfassungsgebot und Verfassungswirklichkeit.
Meine Damen und Herren, am 15. März fand ein sogenanntes Konsensgespräch zwischen den Spitzenverbänden und dem Bundeskanzler statt. Seither hat sich nichts oder nur sehr wenig getan. Es nutzt offenbar nichts mehr, die Versorgung der Jugend mit genügend Ausbildungsplätzen zur Chefsache zu erklären; denn entweder hält die deutsche Wirtschaft ihre neuerliche Selbstverpflichtung nicht ein, oder die hat sich bis zu den Betrieben noch nicht durchgesprochen.
Von der Verwirklichung der Zusage der Wirtschaft, 1995 rund 600 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, sind wir jedenfalls noch weit entfernt, und ich sehe nicht, wie diese Zahl erreicht werden soll.
Die Bundesregierung hat zugesagt, ihrerseits für eine Trendumkehr bei den Ausbildungsstellen im öffentlichen Dienst zu sorgen. Es wäre gewiß hilfreich, Herr Rüttgers, wenn Sie in Ihrem Ministerium oder bei den Großforschungseinrichtungen mit dieser Trendumkehr beginnen würden.
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Ich erwähne diese zwei Beispiele nur - sie könnten durch andere ergänzt werden -, um Ihnen Handlungsmöglichkeiten in Ihrem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich aufzuzeigen; denn dort wird so gut wie nicht mehr ausgebildet.
Die vermeintliche Autorität des Bundeskanzlers ist offensichtlich nicht viel wert - wie auch immer. Das alljährliche Spekulieren auf diese Art der Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist doch eher ein Ausdruck der Hilflosigkeit und wird von Jahr zu Jahr gefährlicher für Hunderttausende Jugendlicher. Wir erwarten statt dessen von der Bundesregierung ein Konzept zur grundlegenden Reform und Modernisierung der beruflichen Bildung und zu ihrer weiteren Finanzierung. Die Zeit des Herumdokterns muß vorbei sein.
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Wir brauchen ferner - noch vor der Sommerpause, also noch vor dem Kabinettsbeschluß über den Haushalt 1996 - durchgreifende politische Maßnahmen, um die jetzige Katastrophensituation zu überbrükken. Eine Gemeinschaftsinitiative von Bundesregierung und Ländern ist nötig. Niemand in diesem Land, am wenigsten die politisch Verantwortlichen, kann es zulassen, daß Hunderttausende von Jugendlichen einer ungewissen Zukunft überantwortet werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Roland Richwien.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft in den neuen Ländern ist nicht zuletzt an das Angebot qualifizierter Nachwuchskräfte gebunden. Die qualifizierte Ausbildung sicherzustellen und damit auch die individuelle Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu fördern war hier das erklärte Ziel der berufsbildungspolitischen Erneuerungsarbeit.
Vor dem Hintergrund des Fehlens kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie eines sich erst im Aufbau befindlichen Handwerks mußten wir mittelfristig mit Übergangsproblemen auf dem Lehrstellenmarkt rechnen.
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In gegensätzlicher Entwicklung zum Westen wuchs im Osten die Nachfrage schneller als das in den zurückliegenden Jahren mehrfach gesteigerte Angebot. Die Wachstumsquote betrug 1993/94 17,5 %. Die Zahl der 1994 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stieg in den neuen Ländern um 18 700 auf 117 600. Auch in diesem Jahr wurde in einer gemeinsamen Anstrengung des Bundes, der Länder und der Wirtschaft versucht, allen ausbildungswilligen Jugendlichen eine Lehrstelle zu vermitteln.
Über die Bedeutung der beruflichen Bildung und der damit verbundenen Ausbildungsplatzsituation für den Standort Deutschland besteht breites Einvernehmen. Unser betriebliches Berufsbildungssystem war bisher Garantie für ein hohes Qualifikationsniveau der Fachkräfte und für zwei Drittel der Auszubildenden Grundlage für ihre beruflichen und privaten Entwicklungsmöglichkeiten.
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Die praxisnahe Weiterbildung in den Unternehmen und Organisationen der Wirtschaft hat die kontinuierliche Aktualisierung und Weiterentwicklung der beruflichen Qualifikationen sichergestellt. Wenn dies angesichts erheblicher Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft vor allem in den neuen Ländern in Zukunft so bleiben soll, sind alle Beteiligten gefordert, unser System der beruflichen Bildung entsprechend den veränderten Anforderungen weiterzuentwickeln.
({2})
Die Industrie muß sich der Aufgabe bewußt sein, daß sie in hohem Maße Verantwortung für das Berufsbildungssystem und seine Gestaltung trägt und wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung leisten muß.
Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 1994/95 insgesamt ist gegenüber dem Vorjahr relativ stabil geblieben. Im gesamten Bundesgebiet wurden 567 840 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind 0,4 % weniger als 1993/94. Dieses Gesamtergebnis verdeckt allerdings, daß sich zwischen den einzelnen Bundesländern und Ausbildungsbereichen teilweise erhebliche Verschiebungen ergeben haben. Große Rückgänge gab es vor allem im öffentlichen Dienst, bei dem 6 229 Ausbildungsverträge - das entspricht 25,2 % - weniger als 1993 abgeschlossen wurden. Hier möchte ich einen
der Gründe angeben. Jeder, der aus den neuen Ländern kommt, weiß, daß wir eine Gebietsreform hatten. Demzufolge sind im öffentlichen Bereich weniger Stellen angeboten worden.
Schaut man sich die Situation auf dem Lehrstellenmarkt an, stellt man fest, daß es eine Disproportion zwischen Berufswunsch und Berufsangebot gibt. Das heißt, daß der erwartete Schulabschluß in hohem Maße den Ausbildungswunsch bestimmt. Der Schulabgänger fragt sich dabei nicht mehr ausschließlich: „Was will ich werden?", sondern: „Was kann ich mit meinen Voraussetzungen werden?"
Wir wissen, daß wir auf dem Ausbildungssektor etwas tun müssen. Wir lassen aber nicht zu, daß die Jugendlichen wie alle Jahre wieder schon im Monat Mai durch die neu angefachte Diskussion verunsichert werden.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat die Abgeordnete Elisabeth Altmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausbildungsplatzsituation in der Bundesrepublik ist in der Tat betrüblich. Sie bietet eine Negativbilanz. Die Nachfrage ist erheblich größer als das Angebot. Besonders dramatisch aber ist die Situation in den neuen Ländern. Für fast 150 000 Bewerber und Bewerberinnen gibt es nur 50 000 Stellen. Das bedeutet, von drei Suchenden finden zwei keine Stelle. Ich frage die Regierung: Was machen die Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz?
({0})
Was bieten Sie denen an? Wenn eine solche Lage im Westen herrschen würde, würde die Regierung sofort reagieren. Im Osten glaubt sie sich das leisten zu können.
Das hochgelobte duale System funktioniert nicht mehr. Zunehmend ziehen sich gewerbliche Betriebe aus der Berufsausbildung zurück. Auch der öffentliche Dienst wird seiner Verantwortung gegenüber den Jugendlichen immer weniger gerecht; die Zahlen sind eben schon genannt worden. Zwar erklärten Vertreter der Wirtschaft im letzten Jahr, mehr Ausbildungsplätze anzubieten, aber leider sind sie dem bisher nicht nachgekommen.
({1})
Es lohnt sich schon, das hier noch einmal zu betonen. Die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen geht dramatisch zurück.
Obwohl bereits frühzeilig von Arbeitsverwaltung, Kammern und Verbänden auf die Notwendigkeit eines hohen Ausbildungsplatzangebotes hingewiesen
wurde, sind leider keine Taten gefolgt. Zum Beispiel in Sachsen bewerben sich knapp drei Jungen und Mädchen um eine Stelle, im Arbeitsamtsbezirk Annaberg sogar fünf.
Hinzu kommt, daß erstmals mehr Mädchen als Jungen eine Lehrstelle suchen, wobei besonders bedauerlich ist, daß junge Frauen in Ausbildungen gedrängt werden, bei denen klar ist, daß sie hinterher keine Anstellung finden. Die Nachfrage richtet sich überwiegend an männliche Bewerber. Wer bleibt dabei ganz auf der Stecke? Lernschwache Jugendliche und Behinderte packen den Wettlauf um die raren Ausbildungsplätze nicht.
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Bereits jeder vierte Arbeitsamtsbezirk in den westlichen Ländern ist nicht mehr in der Lage, genügend Ausbildungsplätze anzubieten. Der Druck, der in den neuen Ländern entstanden ist, wurde bisher nur durch einen hohen Anteil an staatlich geförderten außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen kaschiert. In Sachsen sagt z. B. Herr Biedenkopf: Alle, die eine Stelle wollen, bekommen auch eine.
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So wurden alleine 1994 in den neuen Ländern, die sowieso schon eine hohe Zahl von außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen haben, die Zahl verdoppelt. Das bedeutet, es wird eine Warteschleife eingelegt. Dies ist keine langfristige Lösung, sondern es greift nur kurz.
Ich gebe ja zu, daß eine außerbetriebliche Ausbildungsstelle für diejenigen, die sonst nichts finden würden, erst einmal ein Hoffnungsstreifen am Horizont ist. Aber machen wir uns doch nichts vor! Seien wir doch einmal ehrlich! Es bedeutet doch, daß wir nicht die Ursachen der Ausbildungsmisere angehen, sondern lediglich an den Symptomen kurieren.
Ich bleibe dabei: Das hochgelobte duale System funktioniert besonders in den neuen Ländern nicht mehr.
({4})
- Das sagen die Zahlen. Lesen Sie das in der Stellungnahme des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung nach.
Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen fest:
Erstens. Ausbildungen in Berufsfeldern, die schon jetzt keine berufliche Zukunftsperspektive mehr haben, machen keinen Sinn.
Zweitens. Eine Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung muß hergestellt werden. In diesem Punkte gehen wir mit vielen hier in Konsens.
Drittens. Trotz qualitativer Änderungen muß das Berufsbildungsgesetz grundlegend erneuert werden. Soziale und berufliche Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen sowie Kenntnisse in neuen Technologien müssen auch in der Berufsschule vermittelt werden.
Elisabeth Altmann ({5})
Viertens. Ausbildungs- und Prüfungsordnungen müssen an die zukünftigen beruflichen Erfordernisse angepaßt werden.
Fünftens. Es ist an der Zeit, über das duale Ausbildungssystem als Ganzes nachzudenken und es entsprechend den Anforderungen in Wirtschaft und Verwaltung zu reformieren. Das duale Ausbildungssystem ist in der jetzigen Form ein Auslaufmodell wie das Wirtschaftsministerium des Herrn Rexrodt.
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Reformperspektiven sind gefragt.
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Wie der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen und in Bremen gezeigt hat, ist es zu spät, an das in der Regierungskoalition gesetzte Vertrauen zu appellieren.
Frau Kollegin, da Ihre Redezeit abgelaufen ist, werden Sie das nicht mehr näher ausführen können. Sie müssen zum Schluß kommen.
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Gut, ich sage noch einen Schlußsatz.
Es müßten hier offensiv und kraftvoll die notwendigen Reformen zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation angepackt werden.
({0})
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Karlheinz Guttmacher das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gerade einmal nachgesehen: Vor genau drei Jahren, fast zum gleichen Termin, am 15. Mai 1992, hat die SPD eine Aktuelle Stunde beantragt.
({0})
Immer wieder ist es das gleiche Problem, das Sie uns hier vorführen, nämlich daß für unsere jungen Menschen in den neuen Bundesländern damals und heute auch in den alten Bundesländern nicht genügend Ausbildungsstellen zur Verfügung gestellt werden.
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Meine Damen und Herren, dreimal können wir Ihnen als Ergebnis vorführen, daß wir, nachdem hier ein bißchen Panik gemacht wurde, jedem Jugendlichen eine Ausbildungsstelle zur Verfügung gestellt
haben. Im letzten Jahr haben wir für 8 000 Auszubildende noch ein Sonderprogramm aufgelegt.
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Es darf aber nicht übersehen werden - das sage ich ausdrücklich für die neuen Bundesländer -, daß die Orientierung und Qualifizierungsplanungen einer beruflichen Ausbildung durch eine immer noch teilweise unsichere Zukunft von Wirtschaftsbereichen erschwert wird. Das betrifft die Bereiche, in denen Treuhandbetriebe privatisiert worden sind. Das sollte man nicht übersehen.
1995 werden in den neuen Bundesländern etwa 130 000 neue Berufsausbildungsplätze benötigt. Demographisch bedingt werden 1995 etwa 12 000 Ausbildungsplätze hinzukommen. Das ist ein Anstieg von 13,9 %. Dem muß man natürlich Rechnung tragen; das ist völlig richtig.
Der aktuelle Stand der Berufsberatungsstatistik Ende April 1995 läßt erkennen, daß das gemeldete Angebot an Berufsausbildungsstellen genauso hoch ist wie das, was wir im letzten Jahr hier in der Aktuellen Stunde vorgetragen hatten.
({3})
Aber ich muß auch sagen, daß in Thüringen, woher ich komme, nur 50 % der benötigten Lehrstellen tatsächlich angemeldet sind.
Das Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, in dem die Spitzenverbände von Industrie, Handwerk, Handel, der freien Berufe und der Landwirtschaft zusammengeschlossen sind, hat vor zwei Monaten beim Bundeskanzler eine Erklärung abgegeben, daß man sich bemühen werde, jedem Auszubildenden einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen.
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- Fragen Sie einmal die Kammern in Bielefeld, Herr Rixe, wie diese Druck machen, daß die kleinen Firmen, besonders diejenigen, die bis jetzt noch nicht ausgebildet haben, beraten werden, daß sie sich zu Ausbildungsverbünden zusammenschließen und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Wir sollten diese Aktivitäten unterstützen und begleiten, ohne uns hier hinzustellen und immer wieder zu jammern: Hier sind keine Ausbildungsstellen da, und unsere lieben Jugendlichen können nicht ausgebildet werden.
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Also, wir sollten lieber aktiv werden, als daß wir hier anfangen, in eine ganz große Polemik auszubrechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß an dieser Stelle aber auch sagen: Wir haben hier morgen sehr sensible Abstimmungen durchzuführen. Wir werden morgen über das Mietanpassungsgesetz zu sprechen haben. Bei diesen empfindlichen AbDr. Karlheinz Guttmacher
stimmungen, die wir hier durchzuführen haben, dürfen wir, glaube ich, Herr Thierse, nicht übersehen, daß wir mit unseren Entscheidungen einige Aste von der Baukonjunktur abschneiden werden. Das bedeutet, daß wir einige Arbeitsplätze, auch einige Ausbildungsstellen gerade bei Baubetrieben und Bauzulieferbetrieben abschneiden werden.
Wir müssen das doch im Zusammenhang sehen, wenn wir uns hier über Probleme unterhalten, die sicherlich auch für die Menschen in den neuen Bundesländern existieren. Das Mietanpassungsgesetz, das morgen verabschiedet wird, ist ein Kompromiß, der ausgehandelt worden ist.
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- Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß wir, wenn wir mit den Entscheidungen zum Mietanpassungsgesetz solche Kappungsgrenzen einführen - auch über die Wiedervermietung haben die Oppositionsparteien und die Regierung ein Streitgespräch geführt ({7})
- Herr Thierse, wenn Sie den Zusammenhang nicht erkennen, will ich Ihnen das gern noch einmal erklären -,
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einige Aste der Baukonjunktur abschneiden.
Viele Baufirmen - das sage ich Ihnen aus den neuen Bundesländern, aus Thüringen - erklären heute schon: Liebe Freunde, wir werden nicht mehr so groß in den Wohnungsbau einsteigen, wie wir das getan haben. Das trifft dann auch die Arbeitsplätze und Ausbildungsstellen der entsprechenden Firmen. Da gibt es doch einen inneren Zusammenhang. Den müssen wir hier doch sehen.
Meine Damen und Herren, es ist sehr erfreulich, daß die Länder - hier spreche ich auch für mein Land Thüringen - wieder ein Förderprogramm für diejenigen Auszubildenden auflegen werden, die schwer vermittelt werden können, und für diejenigen Firmen, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen.
Die letzte Bemerkung: Sicher wird wie in den letzten Jahren auch in dieser Aktuellen Stunde wieder angesprochen werden, daß die Regierung vor der Sommerpause darüber befinden muß, ob wir ein Ausbildungsprogramm, ein Sonderprogramm auflegen. Wir hoffen, daß wir dies nicht für eine sehr hohe Zahl von Auszubildenden machen müssen. Vielmehr müssen wir jetzt etwas tun, damit jeder Auszubildende eine Ausbildungsstelle bekommt.
Danke.
({9})
Das Wort hat die Abgeordnete Rosel Neuhäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Stückchen vom Land Thüringen gehört auch mir und dem Herrn Richwien. Es ist schon interessant, wenn heute drei Thüringer hier zu diesem Thema sprechen.
In einer meiner letzten Reden habe ich festgestellt, daß die Zukunftschancen einer Gesellschaft im Umgang mit ihrer Jugend abgelesen werden können. Ich denke, daß das Thema der Ausbildungsplatzsituation genau in diesen Bereich hineingehört.
Dem Deutschen Bundestag liegt der Berufsbildungsbericht 1995 vor. Er macht wieder einmal deutlich, daß sich die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen bei der beruflichen Bildung von Jahr zu Jahr von einem Notprogramm zum anderen retten. Wen wundert es dann noch, wenn sich die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt immer weiter zuspitzt? Selbst die Maikäferaktion der Arbeitsämter - ausschwärmen und einsammeln - hat nicht spürbar zu einer ausgeglichenen Bilanz der Vermittlung von Ausbildungsstellen beigetragen.
Wie stellt sich die derzeitige Situation dar? Herr Thierse und andere haben das schon geschildert. Sicherlich hängt die eine oder andere Differenz bei den Zahlen damit zusammen, daß noch nicht alle Maikäfer zurückgeflogen sind. Wenn z. B. in diesem Jahr 600 000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz finden sollen - das sind keine Zahlen, die von gestern auf heute entstehen, sondern die schon länger bekannt sind -, dann müssen sich, wie Frau Görner, Mitglied des DGB-Bundesvorstands es ausdrückte, die Arbeitgeber sputen.
Die aktuellen Daten belegen, daß die Zahl der angebotenen Lehrstellen im Westen gegenüber dem ohnehin schon dramatisch schlechten Vorjahr um weitere 12,8 % zurückgegangen ist. Zugleich nahm die Zahl der Bewerber um 6,3 % zu. Überdurchschnittliche Rückgänge angebotener Plätze gibt es im Baugewerbe - das wurde eben schon gesagt - und bei den Ernährungsberufen. Demgegenüber ist die Nachfrage genau in diesen Branchen überdurchschnittlich gestiegen.
In den neuen Bundesländern gibt es nach wie vor eine krasse Unterversorgung. Drei Bewerber müssen hier um eine Lehrstelle konkurrieren. Die Angebote zur betrieblichen Ausbildung steigen gegenüber dem absolut unzureichenden Vorjahresniveau lediglich um 0,4 %. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt geht die Zahl der Ausbildungsplatzangebote sogar deutlich zurück. Zugleich sind die Bewerberzahlen in den neuen Bundesländern um 21 % gestiegen. In fast allen Berufsgruppen sind die Angebote rückläufig. Besonders kraß betroffen sind die Berufe in der Holzverarbeitung sowie die Büro-, Gesundheits- und Erziehungsberufe.
Von fast allen Arbeitsämtern wird eingeschätzt: Die größte Sorge bereiten unter den Schulabgängern die Mädchen. Das wurde hier schon deutlich geRosei Neuhäuser
macht, was die hier soeben genannte Feststellung unterstreicht. In einem Zeitungsbericht wurde neulich in bezug auf die Ausbildung von Mädchen festgestellt: Hier reicht das Lehrstellenangebot bei weitem nicht aus, zumal sich auch der öffentliche Dienst mit Einstellungen sehr zurückhält. Auch die Bereitschaft bei gewerblich-technischen Berufen in Betrieben hat sehr nachgelassen.
Es bleibt nur die ernüchternde Feststellung: Die Wirtschaft ist offensichtlich unfähig oder unwillig, ihre dem Kanzler gegebene Zusage, in den nächsten zwei Jahren je 600 000 Ausbildungsplätze bereitzustellen, einzulösen. Das ist auch in der letzten „Wirtschaftswoche" nachzulesen.
({0})
- Ja, so etwas lesen wir, genau.
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- Eine solche Feststellung ist wirklich interessant.
Das heißt, in den alten Bundesländern hat die Wirtschaft seit 1994 59 500 Stellen vernichtet. In den neuen Bundesländern bewerben sich für die 64 400 betrieblichen Ausbildungsplätze 161 600 Jugendliche. Die Zahlen sprechen für sich und machen deutlich, daß sich die Unternehmer wenig um das scheren, was ihre Vertreter dem Kanzler geloben und versprechen. Zwar halten ohnehin nur 41 % der Unternehmen solche Versprechen grundsätzlich für richtig
- das machen manche Umfrageergebnisse deutlich -, an ihrer Umsetzung beteiligt sich aber nur eine noch viel kleinere Minderheit, nämlich zur Zeit vor allem Klein- und Mittelbetriebe. Erschreckend ist das geringe Engagement der Großbetriebe und Konzerne. Ich habe das letztens am Beispiel von Opelwerk Eisenach deutlich gemacht.
Auch angesichts dieser Probleme ist es nicht verwunderlich, daß die Standort-Deutschland-Initiative des Kanzlers zum Flop gerät. Völlig unverständlich, ja, absurd ist hingegen die Warnung des Zukunftsministers, die im Bericht der Bundesregierung aufgeführten Fakten nicht übereilt zu interpretieren.
Fest steht, daß sich die Lehrstellensituation dramatisch verschlechtert hat. Die Schlußfolgerungen und Konsequenzen aus dem hier behandelten Berufsbildungsbericht können gar nicht schnell genug gezogen werden, denn im Interesse der Jugend ist das bitter notwendig.
Ich habe einige Fakten dargelegt. Es wäre sicherlich noch über die Jugendarbeitslosigkeit und andere Probleme zu reden, die eine Folgeerscheinung sind, die wir heute in unserer Diskussion gar nicht berücksichtigen.
Danke.
({2})
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern davon hörte, daß die SPD eine Aktuelle Stunde zur Ausbildungsplatzsituation beantragt hat, habe ich mich daran erinnert, daß wir in diesem Jahr bereits dreimal hier im Bundestag über die Ausbildungsplatzsituation diskutiert haben.
Ich habe mich gefragt: Was steckt denn jetzt hinter diesem Antrag? Der Kollege Lammert, der das über Jahre verfolgt hat, hat mich darauf hingewiesen, daß es zu den SPD-Ritualen gehört, immer im Mai eine solche Aktuelle Stunde zu beantragen und dann eine Situation darzustellen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Die SPD macht damit eigentlich einen Riesenfehler. Sie startet nämlich den Versuch, auf diesem Gebiet ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Damit fällt sie den jungen Leuten in den Rücken. Das, meine Damen und Herren von der SPD, mache ich Ihnen zum Vorwurf. Ich finde Ihr Verhalten völlig unverantwortlich.
({0})
Sie fallen den jungen Leuten in den Rücken, indem Sie Chancen, die wir in den nächsten Monaten gemeinsam ergreifen müßten, kaputtreden, indem Sie diejenigen, die bereit sind zu helfen, beispielsweise die deutsche Wirtschaft mit ihrer Lehrstelleninitiative, beschimpfen, statt ihnen Mut zu machen, indem Sie Betriebe und Handwerker nicht motivieren, zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, sondern dieses Bestreben kaputtreden.
Meine Damen und Herren, wenn man wissen wollte, was Ihr eigentliches Ziel ist, mußte man nur Herrn Thierse zuhören. Es geht ja gar nicht um die Frage, ob es in dem einen oder anderen Land ein Problem gibt. Ich bin der letzte, Herr Thierse, der die schwierige Situation auf diesem Gebiet abwiegelt. Ich habe hier im Bundestag in diesem Jahr bereits dreimal auf die besondere Schwierigkeit hingewiesen. Ich habe dem Deutschen Bundestag im Berufsbildungsbericht darüber berichtet. Ich habe in der Regierungsbefragung darüber berichtet.
Ich will, daß wir jetzt alle Kräfte anspannen, damit auch in diesem Jahr jeder junge Mann, jede junge Frau, der bzw. die das will, einen Ausbildungsplatz bekommt. Wenn hier im Bundestag in Panik gemacht wird, werden Chancen zugeschüttet.
({1})
Wie stellt sich die Situation in diesem Bereich dar? Wir haben mit den Gewerkschaften und der deutschen Wirtschaft darüber gesprochen, wie wir dieses Problem in den Griff bekommen. Wir brauchen in diesem Jahr 600 000 Ausbildungsplätze. Wir haben von der deutschen Wirtschaft die Zusage erhalten, daß sie diese 600 000 Plätze zur Verfügung stellen wird. Das war am 15. März dieses Jahres.
Wie kann jemand, Herr Thierse, der ein Stück weit intellektuell redlich denkt, anderthalb Monate nach der Abgabe eines solchen Versprechens erwarten,
daß in der Statistik einer Bundesbehörde, nämlich der Nürnberger Bundesanstalt, entsprechende Feststellungen getroffen werden können? Sie wissen genausogut wie ich, weil wir das jedes Jahr hier diskutieren, daß es sich bei der Statistik der Nürnberger Bundesanstalt nicht um eine saldierte Übersicht, sondern um eine Auflistung derjenigen Kontakte handelt, die die Nürnberger Bundesanstalt mit Interessenten hatte. Ich nehme sehr ernst, was dort steht. Ich weiß, daß wir etwas tun müssen.
Ich finde es übrigens auch nicht sehr fair, verehrter Herr Thierse, daß Sie fragen: Was machen Sie in Ihrem eigenen Ministerium? Haben Sie sich denn zuvor einmal erkundigt? Wissen Sie, daß wir in meinem Ministerium bei jeder Großforschungseinrichtung, bei jeder Forschungsstelle mit unseren eigenen Leuten Schritt für Schritt diskutieren und sagen, wenn es Pläne zum Abbau gibt: Nein, das wird zurückgeholt, das wird aufgebaut?
Haben Sie gestern nicht zur Kenntnis genommen, daß die Telekom, nachdem sie ursprünglich 1 500 Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen wollte, erklärt hat, daß sie wegen dieser Lehrstelleninitiative das Kontingent auf 1 700 erhöhen will?
({2})
Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, daß die Ministerpräsidenten, auch die Ministerpräsidenten der SPD-geführten Bundesländer, im Gespräch mit dem Kanzler zugesagt haben, daß entsprechende Initiativen in ihren Ländern gestartet werden?
Wenn Sie auf dieser Ebene diskutierten, hätten Sie hier sagen müssen: Bei den CDU-regierten Ländern klappt das nicht, aber aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt kann ich Ihnen berichten, daß die Zahlen bereits steigen.
Das können Sie auch nicht, denn diese Bemühungen laufen im Rahmen der Haushaltsplanberatungen jetzt erst an. Niemand im Bund, in den Ländern oder in den Kommunen kann bereits jetzt Zahlen nennen.
Wir haben gesagt: Wir werden dies Schritt für Schritt verfolgen. Wir haben gesagt: Wir werden im Juni mit den Gewerkschaften, mit der Wirtschaft Bilanz ziehen. Und ich kann, Frau Matthäus-Maier, schon verstehen, daß es Sie nervös macht, wenn die SPD plötzlich alleinsteht,
({3})
wenn da mit den Gewerkschaften, mit der Wirtschaft ein gemeinsames Ziel angepackt wird.
Was ich ganz schlimm finde, verehrter Herr Thierse, ist, wenn ich in all den Artikeln, die Sie da gestern produziert haben,
({4})
vergeblich versuche, irgendeinen konkreten Vorschlag zu finden. - Nein, in der „Frankfurter Rundschau" habe ich unter Bezugnahme auf die SPD-Spitze Ost konkrete Vorschläge gefunden. Da war
ich schon mal ganz froh. Das war aber auch der einzige Artikel. Da wird also ein „intelligentes Bündel von Maßnahmen" gefordert. - Sie haben eben auch gesagt, wir bräuchten inhaltliche Punkte, die wir ansprechen. - Dazu zählt - ich zitiere - „der verstärkte Einsatz von Ausbildungsberatern für Betriebe". -Herr Thierse, Sie hätten, wenn Sie sich darum gekümmert hätten, wissen müssen, daß ich von diesem Platz aus angekündigt habe, daß wir den Einsatz von 150 Ausbildungsplatzberatern für die neuen Bundesländer im Kabinett bereits beschlossen haben.
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Weiter steht hier: Zuschüsse für zusätzliche Ausbildungsplätze, speziell für lernschwächere Jugendliche. - Ich habe von dieser Stelle aus bekanntgegeben, daß wir mit den neuen Bundesländern darüber reden, daß wir eine Umstrukturierung der Förderung machen und daß wir Einvernehmen, Frau Kollegin Odendahl, erzielt haben, daß wir Ausbildungsverbünde durchführen.
Dann steht hier: Die SPD fordert Ausbildungskonferenzen. - Meine Damen und Herren, sowohl vom DIHT als auch vom ZDH - also durch die Handwerker - werden solche Ausbildungskonferenzen zur Zeit durchgeführt. Das heißt, Sie fordern etwas, malen ein Katastrophengemälde, haben aber selber eigentlich keine einzige neue Idee.
Sie gehen hin und sagen, daß das duale Bildungssystem gefährdet ist. Da hat mich die Rede von Frau Kollegin Altmann natürlich nachdenklich gemacht. Da haben wir, soweit ich mich erinnern kann und wie ich mich informiert habe, das erste Mal die Aussage gehabt, daß das duale System insgesamt abgeschafft werden müsse.
({6})
Den Mut haben Sie nicht. - Sie hat es gerade gesagt, Herr Kollege Tauss.
({7})
- Nein, sie hat gesagt: Das duale Bildungssystem funktioniert nicht und muß durch etwas anderes ersetzt werden. Das kann doch dann nur verstaatlichte Bildung im beruflichen Bereich sein.
({8})
Ich gehe einmal davon aus, daß auch Sie, Frau Kollegin Odendahl, das nicht möchten.
Jetzt noch einmal zu dem Maßnahmenkatalog: Meine Damen und Herren, da stellt sich Herr Thierse hier hin und sagt: Wir fordern, daß da inhaltlich etwas passiert. - Lieber Herr Thierse, wo leben Sie denn eigentlich? Was haben wir denn im Maßnahmenkatalog zwischen Bund und Ländern vereinbart? Sind es denn nicht konkrete Maßnahmen, wenn wir sagen, wir führen Zusatzqualifikationen ein, etwa im Bereich von Fremdsprachen und Managementleistungen? Sind es denn keine konkreten Maßnahmen, wenn wir sagen, wir sorgen dafür, daß man den
Meisterkursus, die Meisterprüfung nach der Gesellenprüfung viel schneller machen kann, als das bisher möglich ist? Ist es keine konkrete Maßnahme, wenn die Regierung ankündigt,
({9})
daß wir ein Meister-BAföG einführen? Ist es keine konkrete Maßnahme, wenn wir sagen, wir müssen für leistungsschwächere Jugendliche etwas tun, d. h. die Berufsinformation, die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen, berufsvorbereitende Lehrgänge bei Arbeitsämtern, Förderangebote im fachlich-theoretischen Bereich ausbauen? Ist es keine konkrete Maßnahme, wenn wir eine „Aktion Zukunftsberufe" starten und sagen, bis 1996 gibt es eine Vielzahl neuer Berufe vom Bodenleger, Möbelaufsteller, Geräteverwerter, Spezialisten für das Aufstellen und Warten von EDV-Geräten über den Service-Monteur bis hin zum Sicherheitstechniker und und und?
({10})
- Sie haben das alles vorliegen. Vielleicht haben Sie es nicht gelesen.
({11})
Das alles, meine Damen und Herren, ist im Einvernehmen mit Gewerkschaften und Wirtschaft beschlossen worden. Und jetzt weiß ich auch, warum Sie so nervös sind.
Vielen herzlichen Dank.
({12})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Peter Glotz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahlen von heute sind weit alarmierender als die Zahlen vor einem Jahr oder vor zwei Jahren. Wenn Herr Rüttgers angesichts dieser Zahlen von Ritual redet und sagt, wir fielen jungen Leuten in den Rücken, dann ist das erstens dürftige Hinhaltetaktik und zweitens eine Frechheit, meine Damen und Herren.
({0})
Sie sagen, es gibt keine einzige neue Idee. - Berufsbildungspolitik wird in diesem Hause schon länger gemacht, als Sie ihm angehören, Herr Kollege. Und ich sage Ihnen: Es ist auch gar nicht notwendig, daß so viele blitzneue Ideen erzeugt werden. Als Beispiel: Der seinerzeitige Bildungsminister Rohde hat in einer vergleichbaren Diskussion in den 70er Jahren ein Bund-Länder-Sonderprogramm mit einem
Volumen von 400 Millionen DM zum gezielten Ausbau der Berufsschulen vorgelegt. Das ist das, was heute notwendig wäre, nicht aber Ihr Gerede und Ihre kleinen Programmchen, Herr Kollege Rüttgers.
({1})
Zweitens. Grundsatzprobleme, strukturelle Probleme: Seelenmassage allein reicht nicht. Sie ist vielleicht notwendig, reicht aber allein nicht, meine Kolleginnen und Kollegen auf der Seite der CDU/CSU.
({2})
40 % der Betriebe in unserem Land bilden aus, 60 % bilden nicht aus. Dazu kommt, daß die Ausbildungsplatzangebote gelegentlich ungeheuer einseitig sind. Ford ist der größte Beschäftiger von Bäckern in unserem Land. Das sollte uns zu denken geben.
Die Bundesregierung sollte sich endlich konzeptionelle Gedanken über eine gerechtere Lastenverteilung zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben machen.
({3})
Dann wird Herr Rüttgers auf der Stelle sagen: Das ist die alte Idee der Berufsbildungsabgabe. Ich sage Ihnen von dieser Stelle - ich habe selbst dazu beigetragen -, damit Sie mir nicht wieder mit dieser Retourkutsche kommen: Der SPD-Bundesparteitag hat eine Berufsbildungsabgabe abgelehnt.
Es gibt intelligente Vorbilder für eine Finanzierung der beruflichen Bildung, z. B. in Frankreich und in Dänemark. Es gibt sehr gute und vernünftige Branchenfonds, die von beiden Tarifpartnern in bestimmten Branchen etabliert wurden. Wir sind in einer Situation - da hat die Kollegin von den GRÜNEN recht, wenn sie es denn so gemeint hat -, in der das duale System gefährdet ist. Wir wollen es erhalten. Falls Sie es nicht erhalten wollen, sage ich es auch Ihnen: Wir wollen es erhalten. Unter dem Stichwort "Rettet das duale System" ist heute eine konzeptionelle Debatte über die Finanzierung der beruflichen Bildung notwendig, und diese fordern wir ein.
({4})
Jetzt schließe ich, indem ich sage: Die ernste Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt verlangt auch ein größeres und wahrhaftigeres Engagement, auch des Bundesbildungsministers persönlich.
Sie haben den Kollegen Thierse angegriffen - ich hätte es sonst nicht noch einmal erwähnt -: Im Forschungsteil Ihres zusammengefügten Ministeriums gibt es keine einzige Ausbildungsstelle. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren. Ich füge hinzu: Der Bundesminister hat sich im Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung und den dortigen Gremien, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammensitzen und wo die wesentlichen, konzeptionellen Debatten
um die Zukunft der Berufsbildung geführt werden, nicht nur kein einziges Mal sehen lassen, sondern auch bis Mitte dieses Jahres alle Termine abgesagt. Auch das ist falsch, Herr Kollege Rüttgers.
({5})
Ich habe den Eindruck, Sie machen kleine Programmchen, mit denen Sie argumentieren können. Im Herzen aber sind Sie an der Berufsbildung desinteressiert. Wenn das richtig sein sollte, haben Sie sich den falschen Job geben lassen.
({6})
Ich erteile dem Abgeordneten Werner Lensing das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ausbildungs- und Wirtschaftspolitik hatten schon immer sehr viel mit einfühlsamer Psychologie und einem günstigen Gesamtklima zu tun. Dies hat die SPD derzeit wieder einmal nicht begriffen.
({0})
Auch wenn Sie es nicht hören wollen, meine Damen und Herren, ich wiederhole es: In monotoner Wiederholung alter Thesen mit fast Bleichlautenden, deswegen aber noch lange nicht überzeugend wirkenden Begründungen malt die Opposition alljährlich zum Thema Ausbildungsplatzsituation jammernd, klagend, wehleidig ein Bild von einer tristen Gegenwart und einer Zukunft ohne Perspektive.
({1})
Sprach man in den vergangenen Jahren noch dramatisch von einem Ausbildungsnotstand - das war zynisch - bzw. einer Lehrstellenkatastrophe - das ist zynisch -, so wählt man in diesem Jahr in Erkenntnis der gewandelten Realität eine etwas mildere Formulierung.
Meine Damen und Herren von der Opposition, mit einer solchen Methode helfen Sie keinem. Im Gegenteil.
({2})
Sie lähmen die freien Kräfte der Wirtschaft, die nur in einem gesunden Gesamtklima bereit sein dürften, weiter in Deutschland zu investieren und damit zugleich neue Ausbildungsplätze bereitzustellen. Vor allem aber verunsichern Sie unsere Jugendlichen, statt diese aktiv zu ermuntern, sich voller Optimismus und Tatkraft der beruflichen Ausbildung zu widmen.
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- Auch wenn Sie hier schreien, meine Damen und Herren, und wenn ganz viele bei Ihnen dies meinen, so bleibt es gleichwohl ein Irrtum. So ist es halt immer wieder zu beobachten. Während die SPD nur über die Vergangenheit spricht, alles trist darstellt, primär Geld vom Staat fordert, reden die GRÜNEN vor allem von Risiken und propagieren den Ausstieg. Die Bundesregierung setzt sich jedoch ganz pragmatisch mit den Gewerkschaften und mit der Wirtschaft zusammen, um der beruflichen Bildung neue Wege zu eröffnen.
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- Ich danke für den Zwischenruf.
So hat bereits in der Vergangenheit die Wirklichkeit - das ist es doch - immer wieder alle Klagelieder verstummen lassen und vielen Innovationen den Weg in die Zukunft geebnet. Dies hat Bundeskanzler Helmut Kohl bereits vor zwölf Jahren mit seiner erfolgreichen Ausbildungsplatzinitiative bewiesen, und dies wird sich 1995/96 nicht anders darstellen.
Ich möchte, weil Herr Dr. Glotz eben von der Konzeption und von den inhaltlichen Zusammenhängen sprach, auch einmal folgendes sagen dürfen: Die von der SPD heute initiierte Diskussion kommt auch deswegen völlig zur Unzeit, weil die Bundesregierung in besonderer Weise und zugleich erfolgreich dafür sorgt, die nichtakademische Berufsausbildung attraktiver zu gestalten. Herr Minister Rüttgers hat das vorhin eindrucksvoll belegt.
Ich möchte auch hierzu einen inhaltlichen Gesamtzusammenhang herstellen dürfen. Wer erinnert sich denn nicht mehr an die Zeiten der 70er Jahre, als unsere von Bildungseuphorie gerüttelte und geschüttelte Republik tagtäglich mit einer Fülle neuer Erkenntnisse der üppig wuchernden Curriculum- und Lernzielforschung zu beglücken versuchte! Unser ganzes Dasein wurde damals in Lernziele geordnet, dazu unser Denken, unser Fühlen, unser Handeln in Taxonomien einsortiert und katalogisiert,
({5})
es wurde immer schulischer, immer theoretischer, immer wissenschaftsorientierter. Das Ergebnis: Unsere Universitäten sind immer voller geworden. Wir förderten, ob wir es wollten oder nicht, die Arbeitslosigkeit viel zu vieler Akademiker.
({6})
Dies haben wir nunmehr erkannt, und deswegen setzen wir eindeutig auf die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung.
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Schließlich brauchen wir nicht nur akademische Eliten, sondern vor allem auch die Elite der Meister.
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Dieses Umdenken, ich wiederhole: ob es Ihnen gefällt oder nicht, ist langfristig - auch für Sie, Herr Rixe, ist das vielleicht begreifbar - von größerer Bedeutung als die so gern geführte Debatte, ob es genügend Lehrstellen geben wird.
Ich sage Ihnen noch einmal: Auf diesem Weg des Umdenkens benötigen wir ermutigende Unterstützung und hilfreiche Begleitung des Mittelstandes und der Wirtschaft gerade durch die Politik. Aus diesem Grunde schadet die heute von der Opposition vorgenommene Situationsschilderung sehr, die mehr auf Panik und Pessimismus als auf Beruhigung und Ermunterung setzt.
Mein Gedanke zum Schluß:
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Wir haben unsere Probleme bei der regionalen Verteilung und bei einzelnen Branchen. Das gebe ich zu. Ich gebe auch zu, daß der Großbetrieb zuwenig bereit ist, sich einzubringen. Aber ich denke, wir haben es begriffen: Neue Situationen erfordern neue Wege. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist hierzu bereit. Sie wird nicht eher ruhen, bis ein jeder Jugendlicher einen Ausbildungsplatz gefunden hat.
Vielen Dank.
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Ich erteile der Abgeordneten Renate Jäger das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich an Herrn Guttmacher wenden. Herr Guttmacher, ich denke, es wäre sinnvoll, sich mit Ihrer Ministerin in Verbindung zu setzen, wenn Sie den Mietenkompromiß im Zusammenhang mit fehlenden Ausbildungsplätzen mit strapazieren; denn Ihre Landesministerin hat vehement für diesen Mietenkompromiß gestritten.
({0})
Ein erschreckendes Zeugnis ist es, wenn der Vertreter der Koalition, Herr Richwien, den Ausbildungsnotstand der Jugendlichen als Übergangsproblematik bezeichnet und herunterspielt.
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Übergangsproblematik von vier Jahren mit fallender
Tendenz bei ihrer Bewältigung - das kann es wohl
nicht sein. Außer Ankündigungen und Appellen ist bisher nichts Akutes passiert.
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Ich will die Situation kurz am Beispiel Sachsen beschreiben. Ich wähle deshalb Sachsen aus, weil Sachsen das Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit und der vielfältigsten wirtschaftlichen Infrastruktur ist.
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Ich wähle also kein Land aus, das in diesem Bereich am schlechtesten unter den Bundesländern dasteht.
Vor 14 Tagen erklärte der Ministerpräsident, Herr Biedenkopf, wider besseres Wissen öffentlich: „Jeder Junge und jedes Mädchen, die in Sachsen einen Ausbildungsplatz suchen, werden einen bekommen." Nach dieser öffentlichen Äußerung klingelten in den örtlichen Arbeitsämtern die Telefone heiß! Die Mitarbeiter mußten sich Anrufe von empörten Eltern und Ausbildungsplatzsuchenden gefallen lassen, obwohl sie nicht die Schuldigen sind.
Die realen Fakten entsprechen nicht den Tatsachen, wie sie der Herr Ministerpräsident dargestellt hat. Bis Ende April konnten über 34 000 junge Menschen nicht in Ausbildungsplatzverhältnisse vermittelt werden; das sind 21 % mehr als im Vorjahr. Von den weiblichen Ausbildungsplatzsuchenden waren 75 % noch nicht vermittelt. Diesen Nichtvermittelten standen zu diesem Zeitpunkt lediglich 10 000 unbesetzte Lehrstellen gegenüber; 4 000 davon waren von vornherein für männliche Bewerber vorgesehen. Bereits an diesen wenigen Zahlen sehen Sie das Dilemma in diesem einen Bundesland.
Eine große Anzahl junger Menschen, die bereits im vergangenen Jahr keinen offiziellen Ausbildungsplatz gefunden hatten, wurden vorübergehend irgendwie untergebracht. Sie stellen in diesem Jahr erneut einen erheblichen Teil der Bewerber dar.
Nun sind wir in einer verfahrenen Situation: Im Bereich der Industrie folgt auf „lean production" und „lean administration" nun „lean qualification". Aber nicht nur die Privatwirtschaft trägt zu dieser Misere bei, sondern auch der öffentliche Dienst und die bundeseigenen Unternehmen. So verursachten allein die Telekom und die Deutsche Bahn zusammen für Sachsen ein Minus von ca. 800 Ausbildungsplätzen.
Angesichts dieser Situation wird der Ausweg häufig in der außerbetrieblichen Ausbildung gesucht. Sie ist nicht die beste Lösung; sie ist eine Notlösung. In den neuen Bundesländern werden 22 % der Jugendlichen in dieser Form ausgebildet. Der Bundesbildungsbericht hält diese Größenordnung der außerbetrieblichen Ausbildung in finanzieller, ordnungspolitischer und arbeitsmarktpolitischer Hinsicht für problematisch. Trotz allem muß diese Art der Ausbildung erfolgen, wenn keine Ausbildungsplätze im dualen System zur Verfügung stehen.
In Sachsen wird es keine Mittelerhöhung für diese Ausbildungsform geben, obwohl keineswegs mehr Ausbildungsplätze im dualen System vorhanden sind. Als Landesprogramme gibt es die schulische Warteschlangenausbildung und die sogenannte Mobilitätshilfe für junge Leute, die einen Ausbildungsplatz in den alten Bundesländern finden. Sie sind aber kein Konzept zur Lösung des Problems. Auch die sogenannte Maikäferaktion, bei der die Unternehmen gezielt angesprochen werden sollen, hat sich nicht bewährt und letzten Endes nichts gebracht - ähnlich wie auch der Maikäfer in dem Lied von Reinhard Mey, der als Metapher steht für etwas, was es nicht mehr gibt.
Renate Jager
Der Rückgang des Ausbildungsplatzangebotes trotz der Kanzlerappelle und der Versprechen der Wirtschaft und der Industrie hat uns deutlich gemacht, daß wir eine neue Herangehensweise und ein neues Instrumentarium für die Schaffung und Finanzierung von Ausbildung brauchen.
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Wenn eine grundsätzliche Lösung des Problems erreicht werden soll, muß die Bundesregierung endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und handeln. Investitionen von Unternehmen in Ausbildung und Qualifikation junger Leute müssen sich wieder unmittelbar lohnen. Daher sind auf schnellstem Wege Rahmenbedingungen notwendig, die ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.
Wenn Sie, Herr Minister, der Opposition vorwerfen, daß sie keine Vorschläge macht, dann, so denke ich, sollten Sie sich das an Ihren Kragen heften. Wer hat denn ein Ministerium im Hinterland, das in diesem Bereich Hausaufgaben zu erfüllen hat?
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Sie haben Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Jugendlichen bei ihrem Start in das Berufsleben wieder eine Perspektive und auch eine Orientierung finden.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat nun die Abgeordnete Bärbel Sothmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine gute Berufsausbildung ist heute wichtiger denn je - das wissen wir alle -; denn ohne Ausbildung hat man auf dem Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance.
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Eine gute Berufsausbildung war für die meisten Jugendlichen bisher eine Selbstverständlichkeit. Nicht umsonst werden wir in der Welt urn unser vorbildliches Ausbildungssystem beneidet; viele Länder wollen es nachahmen.
Doch was ist das beste Berufsbildungssystem wert, wenn immer weniger Lehrstellen zur Verfügung stehen? Die Ausbildungsplatzsituation hat sich in der Tat in den letzten Jahren verschärft, und das besonders in den neuen Bundesländern. 1993 bekam dort nur jeder zweite ausbildungssuchende Jugendliche eine Lehrstelle. 1994 konnte der Bedarf zwar gedeckt werden, doch dazu mußte man die Zahl der staatlich geförderten außerbetrieblichen Ausbildungsplätze fast verdoppeln. Auch in diesem Jahr fehlt dort wieder eine beträchtliche Anzahl betrieblicher Lehrstellen. Auf die Zahl 100 000 will ich mich allerdings nicht festlegen, zumal die Bundesanstalt für Arbeit das in dieser Höhe nicht bestätigt hat, Herr Thierse.
Ich bedauere insbesondere die traurige Tatsache, daß gerade Mädchen in den neuen Bundesländern noch größere Probleme haben, eine Lehrstelle zu finden.
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Ohne die außerbetrieblichen Ausbildungsplätze läge der Frauenanteil in der dualen Ausbildung dort nur bei 30 %.
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Dieser Zustand ist nicht akzeptabel. Es muß gehandelt werden.
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Davon hängt nicht nur die persönliche Zukunft vieler Jugendlicher, sondern auch die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland ab.
Doch Panikmache, meine Damen und Herren von der SPD, hilft uns nicht weiter.
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Eines ist klar: Die Ausbildungsplatzlücke läßt sich nur schließen, wenn die Betriebe und die Verwaltungen großes Engagement an den Tag legen.
Die Bundesregierung ist in dieser Hinsicht wieder aktiv geworden. Sie hat - wie bekannt - im März Spitzengespräche mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft geführt. Sie wiegelt nicht ab, Herr Thierse.
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Sie hat dabei die Selbstverpflichtung der Wirtschaft erreicht, in den kommenden Jahren das Angebot an Ausbildungsplätzen um ca. 10 % zu erhöhen, und dies vor allem in den neuen Bundesländern. Das bedeutet für dieses Jahr 600 000 Ausbildungsverhältnisse. Im vergangenen Jahr waren es nur rund 540 000. Herr Minister Rüttgers hat dies vorhin ausgeführt und schon über den großen Maßnahmenkatalog gesprochen. Der Erfolg dieser „Aktion Plus" - und es ist ein großer Erfolg - wird regelmäßig überprüft werden. Für Juni erwarten wir erste Ergebnisse.
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Sie sehen, meine Damen und Herren von der SPD: Mit Ihren Forderungen rennen Sie im Grunde offene Türen ein. Die staatliche Finanzierung außerbetrieblicher Lehrstellen, wie Sie sie fordern, kann nur eine Notlösung sein.
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Eine solche Ausbildung ist nicht praxisnah genug und verschiebt die Probleme der jungen Menschen nur auf später.
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Und noch eines verstehe ich nicht: Sie nehmen zwar den Bundeskanzler in die Pflicht, die Ausbildungsplatzgarantie in die Tat umzusetzen; Ihren eigenen Pflichten den Unternehmen in den von Ihnen regierten Ländern gegenüber kommen Sie aber nicht nach, Herr Dr. Glotz.
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Mit Ihrer Obstruktionspolitik behindern Sie die Wirtschaft, und das bereits seit Jahren: Unter anderem sind Sie vehement gegen die Steuerreform. Sie blockieren das Jahressteuergesetz 1996 im Bundesrat.
({10})
- Genau. Erst letzten Freitag haben Sie die Grundgesetzänderung verhindert, mit der die Gewerbesteuerreform eingeleitet werden sollte.
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Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre destruktive Politik fortsetzen, zwingen Sie immer mehr Unternehmen, Deutschland zu verlassen. Damit gehen uns Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren.
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So kann man neue Ausbildungsplätze nicht schaffen. Die Verantwortung dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von der SPD. Deshalb: Fordern Sie nicht immer nur, sondern leisten Sie auch Ihren Beitrag! Stimmen Sie beispielsweise endlich der Steuerreform zu! Verschaffen Sie den Unternehmen den finanziellen Spielraum, den sie brauchen, um neue Ausbildungsplätze zu schaffen!
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Franz Thönnes.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja schon merkwürdig, was alles bei Ihnen an Argumentation für die Ausbildungsplatzmisere herangezogen werden muß.
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Ich frage: Wer hat denn in diesem Land weit über zwölf Jahre die Verantwortung dafür gehabt, in Zukunft, in Forschung und in Entwicklung zu investieren und dies selbst vorzumachen? Wer hat denn die Rahmenbedingungen auch für die Wirtschaft verschlechtert und ist selbst dabei noch schlechtes Vorbild gewesen?
({1})
Das ist diese Regierungskoalition gewesen und kein anderer.
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Die Ausbildung junger Menschen ist einer der wichtigsten Faktoren der Zukunftssicherung unserer Industriegesellschaft. Diese Zukunftsinvestition hat elementare Bedeutung für die spätere Existenzgrundlage der heranwachsenden Generation, für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft und für die Ausgestaltung und die Weiterentwicklung des Sozialstaates, bis hin zur Aufrechterhaltung des Generationenvertrages zur Sicherung der Renten. Dies alles darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.
({3})
Die derzeitige negative Ausbildungsplatzentwicklung gibt nicht nur Anlaß zur Erklärung momentaner Sorge. Bundesbildungsminister Rüttgers läuft bei einer weiteren Verharmlosung der dramatischen Situation Gefahr, zum Bundeseinbildungsminister zu werden, der sich einbildet, die Wirtschaft alleine würde es schon richten können.
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Wer erst am 14. Juni eine Bilanz ziehen will, der geht das Risiko ein, eine noch größere Zahl an fehlenden Ausbildungsplätzen auf der Passivaseite der Bilanz zu haben, die dann nur noch schwerer, geschweige denn rechtzeitig für die nachfragenden Jugendlichen ausgeglichen werden kann. Von einem Zukunftsminister erwarten wir einen nach vorn gerichteten Blick.
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Wir erwarten Risikobereitschaft zur Meisterung einer katastrophalen Situation und nicht das Aussitzen und Abwarten des Ministers. Im Interesse der jungen Generation erwarten wir Risikobereitschaft zu aktivem Handeln und präventiven Maßnahmen, selbst auf die Gefahr hin, am Ende zuviel des Guten getan zu haben. Die Verantwortung für die Zukunft der jungen Generation sollte diesen Einsatz wert sein.
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Schon heute leiden viele junge Bürgerinnen und Bürger darunter, keine Berufsausbildung zu erhalten. Keine Ausbildung - das heißt, keine Perspektive für die berufliche Zukunft zu haben; das heißt Minderung der Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung;
das heißt fehlende Chancen, den persönlichen und anerkannten Platz in der Gesellschaft zu finden. Einer weiteren Verschärfung dieser Konfliktsituation darf dieses Haus nicht tatenlos zusehen.
Der Zukunftsminister selbst erklärte Mitte März, die Ergebnisse der Verabredung im Kanzleramt sollten laufend überprüft werden. Man möchte Anfang April bei weiter sinkender Tendenz noch der Einschätzung folgen, daß sich Daten so schnell nicht nach oben verändern. Aber die aktuellen Zahlen jetzt müssen Anlaß zur Sorge sein. Es war der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, der zum damaligen Zeitpunkt darauf hinwies, daß, wenn im Westen das Ausbildungsplatzangebot weiter sinke, Ausbildungsnot absehbar sei. Bei nun 60 000 Ausbildungsplätzen weniger im Westen und 5 500 weniger im Osten, bei steigenden Bewerberzahlen ist Kritik und Mahnung keine "Überinterpretation", wie Sie, Herr Minister, es sagen, sondern es ist Pflicht und Aufgabe aller derjenigen, die handeln, darauf hinzuweisen.
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Selbst wenn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Wirtschaft in der Verpflichtung steht, ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot vorzuhalten, so gilt es, all denen in der Wirtschaft zu danken, die auch in vielleicht nicht immer einfachen Zeiten der Konjunktur- und Unternehmensentwicklung an ihrem Engagement zur Ausbildung festhalten und damit mit dazu beitragen, daß es bis zur Stunde nicht noch schlimmer gekommen ist.
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Der Dank gilt ganz besonders dem Handwerk,
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das von 1993 bis 1994 10 000 Ausbildungsplätze zusätzlich zur Verfügung gestellt hat, und allen Betrieben, die zusätzliche Anstrengungen unternehmen.
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Aber die Kritik gilt den Pfennigfuchsern mit kurzsichtiger ökonomischer Brille, die dazu beitragen, daß sich ein Betrieb aus der verantwortlichen Zukunftsgestaltung verabschiedet hat. Wer hier nicht seinen erforderlichen Beitrag leistet und die Verantwortung auf andere Unternehmen oder die Offentlichkeit abwälzt, entwickelt sich zum Trittbrettfahrer auf der Fahrt in eine von allen in einer großen Kraftanstrengung zu gestaltenden Zukunft.
So hart es auch klingt: Eines der wesentlichen Gefährdungspotentiale für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sind die, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten, sowie eine in dieser Situation zögerliche Bundesregierung, nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihrer Leistungsbereitschaft und der von ihnen mit aufgebaute und finanzierte Sozialstaat.
Es wäre schon ein Treppenwitz der Geschichte, würden Teile der Wirtschaft und die Bundesregierung nun selbst durch ihre Ausbildungsplatzpolitik dazu beitragen, daß ein weitgehend privatisierter Bereich nun Schritt für Schritt verstaatlicht wird.
Man darf sich nicht wundern, daß zunehmend Forderungen laut werden, daß die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit einen Beitrag für die Berufsausbildung junger Menschen leisten soll und damit auch ihrer Verantwortung für die Zukunftssicherung gerecht wird. Gefordert ist jetzt eine verstärkte Einrichtung von Ausbildungsverbünden, eine Intensivierung des Einsatzes der Ausbildungsberater, eine spezielle Förderung der Berufsausbildung junger Frauen,
({11})
die finanzielle Unterstützung der Schaffung von Ausbildungsplätzen, wenn sie über eine zu erwartende Mindestquote hinausgehen, und die Wiederbesetzung der reduzierten Ausbildungsplätze im öffentlichen Sektor.
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Ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen für das Jahr 1995 und die folgenden Jahre ist vorrangig und für die jungen nachfragenden Menschen persönlich wichtig. Es ist jedoch zugleich ein Prüfstein für die Zukunftsfähigkeit des Zukunftsministers, des dualen Ausbildungssystems und unserer deutschen Wirtschaft insgesamt.
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Ich erteile nun dem Kollegen Hans-Otto Schmiedeberg das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von der SPD-Bundestagsfraktion geforderte Aktuelle Stunde möchte ich zum Anlaß nehmen, um auf die Lehrstellensituation im Lande Mecklenburg-Vorpommern einzugehen.
Im April 1995 hatten wir folgende Ausbildungssituation: In Mecklenburg-Vorpommern waren 21 500 Lehrstellenbewerber gemeldet. Das waren 1 000 Bewerber mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Ihnen standen 10 100 betriebliche Ausbildungsplätze gegenüber. Das waren nur 160 Plätze mehr als im April des Vorjahres. Die Lehrstellenlücke beträgt daher derzeit noch rund 10 000 Stellen.
Wie im Vorjahr ist die Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot bei den Bauberufen sowie bei den Büro- und Kaufmannsberufen am größten. Obwohl angebotene Stellen in der Landwirtschaft und den Ernährungsberufen des Handwerks wie im Vorjahr bislang nicht ausreichend besetzt werden, kann der derzeitige Angebotsüberhang in dieser Berufen die Bilanz nicht ausgleichen.
Die bislang durchgeführten Ausbildungskonferenzen des Landes in Schwerin und Neubrandenburg haben ergeben, daß im Handwerk nur jeder dritte Betrieb ausbildet. Bei den übrigen Branchen bildet bislang nur jeder fünfte bis zehnte Betrieb aus. Die Neigung, weitere Ausbildungsplätze zu schaffen, ist bei den Unternehmen, die bereits ausgebildet haben, größer als bei denen, die das bislang nicht getan haben.
Auf den bisherigen Ausbildungskonferenzen wurden von Betrieben, die bislang nicht ausbildeten, zur Rechtfertigung oftmals die zu hohen Kosten der Ausbildung angeführt. Auch im Hinblick auf Aussagen von entsprechenden Gutachten der Bundesregierung zu dieser Frage läßt sich hierzu feststellen:
Eine allgemeine Begründung mit der noch nicht gefestigten Situation des Unternehmens auf dem Markt läßt nur erkennen, daß die meisten Betriebe die Ausbildung heute nicht als festen Rechnungsposten, sondern als dispositiven Faktor am Ende aller betrieblichen Entscheidungen führen. Es sind aber oft die gleichen Betriebe, die über Facharbeitermangel und darüber klagen, daß ihre Produktivität mangels qualifizierten Personals zu niedrig sei.
Die Ausbildungskosten für einen Lehrling sind bei Betrieben, die bislang noch gar nicht ausbilden, in aller Regel auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, sofern ein mittelfristiger Neueinstellungsbedarf besteht. Diese Kosten liegen im Durchschnitt bei 20 000 bis 30 000 DM pro Jahr.
Ihnen steht aber spätestens im dritten Lehrjahr eine gleichwertige Leistung des Lehrlings gegenüber. Der theoretische Teil der Ausbildung für diesen Zeitraum wird zu zwei Dritteln von Land, Bund und Kammern finanziert. Rechnet man den Ausbildungsplatzzuschuß des Landes hinzu, hat der Betrieb eine effektive Kostenbelastung nur noch für ein Lehrjahr zu tragen. Das sind maximal 30 000 DM.
Zumindest nach derzeitigem Stand liegt daher das Schlüsselproblem auch in diesem Jahr darin, daß eine unvertretbar große Zahl von Unternehmen bislang keinen einzigen Lehrling ausbildet, ohne dafür wirklich überzeugende Gründe anführen zu können.
Für eine Bewertung der Ausbildungsaktivitäten der Unternehmen in diesem Jahr ist allerdings der Zeitpunkt noch zu früh. Dies zeigen auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre, in denen Ausbildungsschübe von Juni bis September verzeichnet werden konnten.
Die Forderung nach der Auflage eines neuen Sonderprogramms ist insofern zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, zumal sich auch die Ministerpräsidentenkonferenz Ost am 5. April dafür ausgesprochen hat, die Entwicklung abzuwarten, um die Wirtschaft in unmittelbarer Verantwortung zu halten und das Thema frühestens im Juni/Juli mit dem Bund auf politischer Ebene abzuklären.
Vielen Dank.
({0})
Die Kollegen Lensing, Thönnes und Schmiedeberg haben heute ihre erste Rede in diesem Haus gehalten. Ich möchte ihnen im Namen des Hauses dazu herzlich gratulieren.
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Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Jork.
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Ich versuche es, Frau Odendahl. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als letzter Redner in dieser Runde sollte ich auf das Ziel hin orientieren. Es sollte in dieser Aktuellen Stunde um die Sachfrage gehen.
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Ich möchte auf die Situation in den neuen Bundesländern nur kurz eingehen, etwas zu den Lösungswegen sagen und mit Ihnen prüfen, ob die Zielstellung in einer Aktuellen Stunde überhaupt erreicht werden kann.
Zielstellung ist doch wohl auf jeden Fall, daß jeder, der es wünscht, eine Lehrstelle bekommt, daß die Lehrstelle ausreichend Qualität hat und daß der Lehrstellenbewerber auch die Hoffnung haben kann, nach der Lehre eine Arbeit zu finden.
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Die Frage ist, ob diese Aktuelle Stunde dabei geholfen hat.
Für mich war immer wichtig, daß der Kanzler wiederholt gesagt hat: Die Begegnung von Jugendlichen aus den neuen Bundesländern mit der Freiheit darf nicht die Begegnung mit der Arbeitslosigkeit sein.
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Ich nehme ihn in diesem Punkt ernst. Ich schlage vor, daß auch wir uns ernst nehmen und prüfen, welche Möglichkeiten und welche Zuständigkeiten hier interessant sind.
Allgemein - das ist gesagt worden - ist das Angebot etwa auf dem Vorjahresniveau geblieben. Wir haben gehört - Herr Richwien sagte das -, daß die Bewerberzahl erheblich gestiegen ist. Nun geht es darum, wie man die Probleme löst.
Beispiel Sachsen - Frau Jäger hat das angesprochen -: Laut Erhebungen ist ein um 28,5 % gestiegener Bedarf festzustellen. Das sind mindestens 6 000 zusätzliche Ausbildungsstellen. Es gibt Schwerpunkte, z. B. in Annaberg. Dabei haben Sie, Frau Altmann, im Grundsatz recht. Dort liegt das Verhältnis von Bewerbern zu Lehrstellen bei 4,6 %, in Bautzen bei 3,9 %. Das sind Schwerpunkte in bestimmten GeDr.-Ing. Rainer Jork
bieten. Probleme - das haben wir gehört - liegen aber vor allem auch darin, Mädchen eine Lehrstelle zu geben. Natürlich ist es auch dabei sehr wichtig, daß regionale Bedingungen beachtet werden.
Zu der Beschreibung der aktuellen Situation - wir haben genügend dazu gehört - gehört aber auch die Frage, wie wir Lösungen angehen. Problemlösungen finden wir durch die Wahrnehmung von Verantwortung entsprechend den Zuständigkeiten. Dazu gehören für mich mindestens drei Partner; wir sprechen hier oft nur von einem.
Der erste Partner ist die Wirtschaft. Wir hatten dieses Thema hier angesprochen. Es gibt ein Aktionsprogramm der Wirtschaft, das das Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung vorgelegt hat. Dort sind ungefähr 26 Maßnahmen - die Überschriften kann ich mir sparen - aufgeführt. Herr Thierse, das ist Inhalt. Sie haben Inhalt angemahnt. Ich finde das wichtig. Herr Glotz, das ist für mich auch keine „Seelenmassage". Das ist verantwortungsvolle Wahrnahme im ersten Glied der Kette. Diese Kette sollten wir sehen. Ergebnisse können noch nicht vorliegen. Das ist klar.
({3})
Der zweite Partner sind die Bundesländer. Damit ist auch der öffentliche Dienst gemeint. Das ist auch angesprochen worden. Ich möchte jetzt zum Exempel Sachsen kommen, das Frau Jäger ansprach. Ich möchte etwas zu dem sagen, was sie „nichts" nannte. Es gibt in Sachsen nämlich vier Programme. Die kennen auch Sie. Ich habe mich von den Programmen überzeugt. Ich war im Wirtschaftsministerium. Wir können auch gemeinsam hingehen.
Das erste Programm ist ein Ausbildungsverbundförderungsprogramm. Da geht es darum, daß die Gemeinschaftsinitiative Ost, die ja überwiegend außerbetriebliche Plätze bereitgestellt hatte, durch vernünftige Maßnahmen ersetzt wird, die den eingangs genannten Forderungen entsprechen.
Als zweites geht es um ein Ausbildungsplatzförderungsprogramm.
Als drittes - ich muß Schluß machen; die Uhr zeigt es mir an - geht es um ein Mobilitätsprogramm. Ich habe hier dazu ein aktuelles Papier. Das kann ich Ihnen zeigen. Darin sind auch die Erwartungen hinsichtlich des Ergebnisses angeführt. Man erwartet z. B. zu Recht und in Relation zu dem, was dort 1994 passiert ist, daß 1 316 Jugendliche eine Lehrstelle bekommen.
Viertens geht es um die Errichtung eines Netzes überbetrieblicher Berufsbildungsstätten.
All das ist relativ neu, es ist vom vorigen Monat. Auch hier können Ergebnisse nicht vorliegen.
Als dritter Partner ist der Bund in der Pflicht. Dabei beziehe ich mich auf das Wort vom Bundeskanzler, das ich am Anfang der Rede zitiert habe.
Ich muß zum Schluß kommen. Für mich steht die Frage: Wenn die Ergebnisse noch nicht vorliegen können - zu den ersten beiden Gliedern der Verantwortungskette habe ich etwas gesagt -, wenn ohnehin in Kürze - ich nehme an, in zwei Wochen - der Berufsbildungsbericht zum gleichen Thema diskutiert wird, wenn der Bund erst als letztes Glied der Kette verantwortlich ist, warum findet dann heute diese Diskussion statt? Wir sehen doch, daß die ersten Glieder der Kette funktionieren!
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Sie ist für die Betroffenen, Herr Glotz, nicht hilfreich. Es geht darum, daß - das ist der wesentliche Weg - diejenigen Verantwortung wahrnehmen, die in der Verantwortung stehen. Es geht darum, daß die genannten Hilfsprogramme der Länder funktionieren. Es geht darum, daß vor allem betriebliche Lehrstellen geschaffen werden. Wir haben in der Diskussion gesagt, daß das für die Qualität und den Übergang in das Arbeitsleben ganz wesentlich ist. Dann folgt der letzte Schritt durch die Bundesregierung.
Ich gehe davon aus - das werden beim Nachlesen auch Sie begreifen können; ich gebe Ihnen gerne Unterlagen -, daß in dem letzten Schritt die Bundesregierung genau zur richtigen Zeit etwas tut. Ich denke doch, daß wir daran ein gemeinsames Interesse haben. Lassen wir doch die Parteipolitik heraus, und gehen wir davon aus, daß wir den Lehrlingen ohne Polemik wirklich Lehrstellen verschaffen wollen.
Danke.
({5})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung für morgen, Donnerstag, 18. Mai 1995, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.