Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Wir sind im Wasserwerk, weil im Plenarsaal die Umbauarbeiten andauern. Aber ich verschweige Ihnen nicht: Ich finde es schön, daß wir uns noch einmal im Wasserwerk zusammengefunden haben.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 1998 hat mich der Herr Bundeskanzler gebeten, für Freitag, den 16. Oktober 1998, eine Sitzung des 13. Deutschen Bundestages einzuberufen, um eine Beschlußfassung zu dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt herbeizuführen. Ich habe in Übereinstimmung mit den Fraktionen den noch bestehenden 13. Deutschen Bundestag gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur heutigen Sitzung einberufen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich einigen Kolleginnen und Kollegen, die in den zurückliegenden Wochen einen runden Geburtstag feierten, gratulieren:
Der Kollege Dr. Wolfgang Bötsch feierte am 8. September seinen 60. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch nachträglich auch von dieser Stelle!
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Die Kollegin Dr. Liesel Hartenstein feierte am 20. September ihren 70. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!
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Am gleichen Tag beging der Kollege Alois Graf von Waldburg-Zeil seinen 65. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!
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Der Kollege Dr. Gerhard Stoltenberg feierte am 29. September seinen 70. Geburtstag. Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch!
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Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 und 2 auf:
1. Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung
2. Beratung des Antrags der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt - Drucksache 13/11469Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache über den Antrag der Bundesregierung namentlich abstimmen werden. Die Fächer mit Ihren Abstimmungskarten befinden sich in der Eingangshalle vor dem Ersatzplenarsaal.
Es liegt ein Entschließungsantrag der Gruppe der PDS vor.
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- Der Gruppe der PDS. Wir sind im 13. Deutschen Bundestag.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung zwei Stunden vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 18 Minuten erhalten soll. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Sondersitzung des Deutschen Bundestages ist nötig geworden, um eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts durchzusetzen. Präsident Milosevic hatte auf die monatelangen Bemühungen der Staatengemeinschaft um eine politische Lösung nicht reagiert. Er ist der Hauptverantwortliche für die Tragödie im Kosovo.
Nachdem alle politischen Bemühungen der Kontaktgruppe, der Europäer, der Vereinten Nationen und der OSZE erschöpft waren, blieb als letztes Mittel nur noch die Drohung mit einem militärischen Einsatz. Am 13. Oktober 1998 hat der NATO-Rat den Einsatzbefehl für begrenzte Luftoperationen zur Abwendung der humanitären Katastrophe im Kosovo gegeben. Das Bundeskabinett hatte am 12. Oktober 1998 nach vorheriger Abstimmung mit Ministerpräsident Schröder und dem Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn Fischer, die Zustimmung zu diesem Beschluß des NATO-Rates autorisiert. Heute geht es entsprechend dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts um die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages zu der Entscheidung des Bundeskabinetts.
Auch nach der Übereinkunft zwischen Botschafter Holbrooke und Präsident Milosevic muß der militärische Druck auf Belgrad aufrechterhalten bleiben. Das war auch gestern die klare Haltung der Kontaktgruppe einschließlich der Russen in Paris. Deshalb bitte ich Sie im Namen der Bundesregierung um Zustimmung zu dem Beschluß des Bundeskabinetts.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergangenen Monaten mit unseren Partnern in der Kontaktgruppe, in der NATO, in den Vereinten Nationen, in der Europäischen Union und in der OSZE wirklich alles versucht, um Milosevic zu einer friedlichen Lösung des Konflikts im Kosovo zu bewegen. Dabei war gerade auch für mich selber die Einbeziehung Rußlands in die Kontaktgruppe von zentraler Bedeutung, weil nur mit Rußland, nicht ohne Rußland eine dauerhafte Lösung des Kosovo-Konflikts möglich ist.
Wir haben seit Beginn der Kosovo-Krise keinen Zweifel daran gelassen: Der Einsatz von Gewalt kommt nur als Ultima ratio in Frage. Aber Milosevic blieb uneinsichtig - trotz aller politischen und diplomatischen Bemühungen. Auch auf den letzten Versuch der internationalen Staatengemeinschaft um eine politische Lösung, nämlich die Resolution 1199 des Weltsicherheitsrates vom 23. September 1998, auf die ich selber sehr stark gedrängt hatte, hat er nicht reagiert. In dieser Resolution wird von ihm gefordert: die Vereinbarung eines Waffenstillstands zwischen den Konfliktparteien, die Linderung der humanitären Notlage, natürlich die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen und die sofortige Aufnahme von Substanzverhandlungen zwischen den Konfliktparteien.
Sie alle haben miterlebt, daß sich in den vergangenen Monaten die humanitäre Lage im Kosovo dramatisch verschlechtert hat. Das brutale Vorgehen der serbischen Militärkräfte, der paramilitärischen Kräfte und der Polizei hat Hunderttausende ins Flüchtlingselend gestürzt und hat Hunderte von Menschen das Leben gekostet. Zehntausende Menschen haben sich aus Angst vor den serbischen Sicherheitskräften in die Wälder des Kosovo geflüchtet. Die über 290 000 Flüchtlinge und Binnenvertriebenen sind ganz zweifellos in einer außerordentlich schwierigen, ich würde sogar sagen: verzweifelten Lage.
Albanien und Mazedonien, die beiden Nachbarländer - mit die ärmsten Länder in Europa -, sind mit der Bewältigung des Flüchtlingsproblems völlig überfordert. Wir müssen, wenn es um die Flüchtlinge geht, auch die Situation in Montenegro - politisch und tatsächlich - im Auge behalten.
Deutschland hat bislang von allen westlichen Staaten die meisten Flüchtlinge aus dem Kosovo aufgenommen. Wenn die Flüchtlinge und die Binnenvertriebenen nicht bald in ihre Dörfer zurückkehren können - soweit das nach dem dortigen Zerstörungsgrad möglich ist -, dann wird es angesichts des bevorstehenden Winters zu einer humanitären Katastrophe kommen.
Vor diesem Hintergrund und nachdem Milosevic keinerlei Bereitschaft zur Umsetzung dessen gezeigt hat, was wir ihm in der Sicherheitsratsresolution auferlegt haben, gab der NATO-Rat dem NATO-Oberbefehlshaber die Ermächtigung zum Einsatzbefehl für begrenzte Luftoperationen.
Das Ergebnis der Gespräche zwischen Holbrooke und Milosevic zeigt: Diese Entscheidung war richtig, und sie war auch notwendig. Erst dieser höchste Grad der militärischen Drohung hat in Belgrad die Einsicht bewirkt, den Forderungen des UN-Sicherheitsrates in letzter Minute doch noch nachzukommen. Das zeigt: Milosevic reagiert offensichtlich - leider - nur auf militärischen Druck.
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Mit den Vereinbarungen zwischen Holbrooke und Milosevic ist eine politische Lösung des Konflikts im Kosovo in greifbare Nähe gerückt. Dank an Botschafter Holbrooke für seinen großen Einsatz!
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Milosevic muß jetzt seinen Worten Taten folgen lassen, und die Sicherheitsratsresolution 1199 muß rasch und vollständig verwirklicht werden. Diesmal reichen bloße Ankündigungen nicht mehr aus.
Die Friedhöfe des Balkans sind voll mit gebrochenen Versprechen und Zusagen von Herrn Milosevic. Ihm darf nicht erlaubt werden, sein zynisches Katz-und-Maus-Spiel, das er jahrelang auch in Bosnien gespielt hat, fortzusetzen.
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Weil weiterhin eine humanitäre Katastrophe droht, muß die militärische Drohung der NATO weiter aufrechterhalten werden, bis wir einen wasserdichten internationalen Beschluß zur Umsetzung der Einigung zwischen Holbrooke und Milosevic haben und die Vereinbarungen in die Praxis umgesetzt werden. Es darf jetzt kein falsches Signal durch Uneinigkeit oder halbherzige Maßnahmen nach Belgrad ausgesendet werden. Es geht darum, durch die Drohung mit Gewalt schlimmere Gewalt zu verhindern. Das war gestern der Tenor in den außerordentlichen Beratungen des Auswärtigen Ausschusses - außerordentlich deshalb, weil ich in langen Jahren keine so
verantwortungsvoll geführte Debatte im Auswärtigen Ausschuß erlebt habe.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß viele, die über die Notwendigkeit der Gewaltanwendung - zu Recht - nachdenken, vielleicht vergessen haben, daß auch wir in Deutschland nicht selbst in der Lage waren, uns vom Tyrannen zu befreien, sondern durch Gewalt anderer vom Tyrannen befreit worden sind.
Die Fortschritte der vergangenen Tage konnten wir nur erreichen, weil Holbrooke mit glaubhaftem militärischen Druck im Rücken verhandelt hat. Wir werden diesen Druck auch in der Zukunft brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die NATO, also 16 demokratische Länder mit rechtsstaatlichen Traditionen, die sich in ihrer rechtsstaatlichen Tradition nun wirklich messen können, hat die rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung zur Entsendung und zum eventuellen Einsatz von Truppen sorgfältig und gewissenhaft geprüft. Nachdem sich beim Kontaktgruppentreffen letzte Woche in London gezeigt hatte, daß es keine neue Sicherheitsratsresolution geben würde - das hat gestern der russische Außenminister Iwanow bei dem Kontaktgruppentreffen in Paris nochmals ausdrücklich bestätigt -, hat Generalsekretär Solana das Ergebnis der Beratungen im NATO-Rat am 9. Oktober so zusammengefaßt:
Die Bundesrepublik Jugoslawien hat die dringlichen Forderungen der Internationalen Gemeinschaft trotz der auf Kapitel VII der VN-Charta gestützten Resolutionen des VN-Sicherheitsrates 1160 vom 31. März 1998 und 1199 vom 23. September 1998 noch nicht erfüllt.
Der eindeutige Bericht des VN-Generalsekretärs zu den beiden Resolutionen hat u. a. vor der Gefahr einer humanitären Katastrophe im Kosovo gewarnt.
Die humanitäre Notlage hält wegen der Weigerung der Bundesrepublik Jugoslawien, Maßnahmen zu einer friedlichen Lösung zu ergreifen, unvermindert an.
In absehbarer Zeit ist keine weitere Resolution des VN-Sicherheitsrates zu erwarten, die Zwangsmaßnahmen mit Blick auf den Kosovo enthält.
Die Resolution 1199 des VN-Sicherheitsrates stellt unmißverständlich fest, daß das Ausmaß der Verschlechterung der Lage im Kosovo eine ernsthafte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region darstellt.
Unter diesen außergewöhnlichen Umständen der gegenwärtigen Krisenlage im Kosovo, wie sie in der Resolution des VN-Sicherheitsrates 1199 beschrieben ist, ist die Drohung mit und gegebenenfalls der Einsatz von Gewalt durch die NATO gerechtfertigt.
Die Bundesregierung teilt diese Rechtsauffassung mit allen anderen 15 NATO-Partnern. Mit ihrem Beschluß hat die NATO kein neues Rechtsinstrument geschaffen und auch nicht schaffen wollen, das eine Generalvollmacht der NATO für Interventionen begründen könnte. Der Beschluß der NATO darf nicht zum Präzedenzfall werden. Wir dürfen nicht auf eine schiefe Bahn kommen, was das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates anbelangt.
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Aber im Kosovo liegt eine akute humanitäre Notsituation großen Umfangs vor, die sofortiges Handeln erfordert. Die Verhandlungsmöglichkeiten sind erschöpft, der Einsatz von Gewalt ist Ultima ratio. Die gesamte Staatengemeinschaft hat das Verhalten der Belgrader Führung mit der Sicherheitsratsresolution 1199 und durch den Bericht des UN-Generalsekretärs scharf verurteilt. Deshalb muß man sagen, daß die Drohung mit dem militärischen Einsatz schließlich auf die Verwirklichung der einstimmig gefaßten Sicherheitsratsresolution hinzielt. Sie soll verhindern, daß die humanitäre Katastrophe eintritt und daß es zu einer weiteren Destabilisierung der Lage im und um den Kosovo kommt.
Ich habe es auch mir selber nicht einfach gemacht - wenn ich das hinzufügen darf -, was die rechtliche Absicherung dessen betrifft, was von der NATO angeordnet worden ist; die Kolleginnen und Kollegen hier im Haus kennen meine Auffassung ja. Ich glaube aber nach eingehender Prüfung, daß der Weg, der von den 16 NATO-Partnern jetzt begangen worden ist, rechtlich vertretbar ist.
Deutschland darf nicht abseits stehen, wenn das Bündnis die sich abzeichnende humanitäre Katastrophe in dieser außergewöhnlichen Lage notfalls durch den Einsatz von Streitkräften zu verhindern sucht. Ohne die Zustimmung aller NATO-Partner, also auch Deutschlands, wäre es nicht zum Einsatzbefehl der NATO gekommen, weil wir Einstimmigkeit brauchen. Ohne diesen Einsatzbefehl hätten wir heute nicht die Übereinkunft zwischen Holbrooke und Milosevic. Das ist die klare Auffassung derer, die Verantwortung tragen. Das war auch gestern eindeutig die Meinung insbesondere der Vereinigten Staaten, die ja die beiden Hauptverhandler Holbrooke und Hill gestellt haben.
Es geht schließlich um die europäische Friedensverantwortung Deutschlands und um unsere Verläßlichkeit im Bündnis. Unsere Partner müssen sich auf die Solidarität des vereinten Deutschlands verlassen können, so wie wir uns über Jahrzehnte auf die NATO in anderer Beziehung verlassen konnten.
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Die NATO ist auf die Flugzeuge der Bundeswehr und die Mitwirkung des deutschen Personals in den integrierten Stäben und bei der Luftraumüberwachung angewiesen. Wir müssen mit unserer Integrationsbereitschaft, die wir hier im Deutschen Bundestag in der Vergangenheit beschlossen haben, eben auch bündnisfähig bleiben. Ohne die Tornados der Bundeswehr und unsere Beteiligung an den AwacsAufklärungsflügen wäre ein Einsatz für unsere Partner mit einem ungleich höheren Risiko verbunden. Das weiß auch Milosevic. Wenn wir uns nicht beteiligen, sinkt die Glaubwürdigkeit des militärischen BeBundesminister Dr. Klaus Kinkel
drohungspotentials. Das wäre eindeutig das falsche Signal an Belgrad.
Meine Damen und Herren, die Umsetzung der jetzt geschlossenen Vereinbarungen stellt die NATO, die OSZE und natürlich auch die Vereinten Nationen vor große Herausforderungen. Milosevic muß wissen: Die Staatengemeinschaft wird die Verwirklichung der Abkommen genauestens beobachten; die Vereinbarungen, die getroffen worden sind, werden das ermöglichen. Der Weltsicherheitsrat wird die Vereinbarungen mit der OSZE und mit der NATO sowie die Zusicherungen zur Selbstverwaltung in einer Resolution des Sicherheitsrates auf der Grundlage des Kapitels VII der Charta festschreiben. Damit bleibt der Weltsicherheitsrat Herr des Verfahrens.
Wir streben eine Resolution an, die auch hinsichtlich möglicher Zwangsmaßnahmen klare Regelungen vorsieht. Das ist natürlich ganz wichtig im Hinblick auf die „activation order" der NATO. Das war gestern auch Hauptgegenstand der Gespräche der Kontaktgruppe, weil da natürlich eine Verbindung besteht, die leicht nachvollziehbar ist.
Ohne die NATO wird es auch in Zukunft nicht gehen. Sie wird für die Flankierung einer friedlichen Regelung durch ein Luftüberwachungssystem sorgen. Ein entsprechendes Abkommen ist bereits gestern von Generalsekretär Solana in Belgrad unterschrieben worden. Auch bei der militärischen Luftüberwachung sollten so weit wie möglich Rußland und andere Partner einbezogen werden.
Die OSZE steht mit der Überwachung der Umsetzung der Sicherheitsratsresolution vor einer gewaltigen Herausforderung. Das Abkommen zwischen Milosevic und Holbrooke sieht die Entsendung von etwa 2 000 Mann in einer nicht bewaffneten Mission vor. Der OSZE-Vorsitzende, der polnische Außenminister Geremek, ist gestern unmittelbar von Paris nach Belgrad gereist und wird das vereinbarte Abkommen mit Milosevic so schnell wie möglich unterzeichnen. Wir unterstützen ihn dabei.
Schon heute ist klar: Die internationale Gemeinschaft wird sich auf ein längeres Engagement im Kosovo einstellen müssen. Praktisch geht es für die OSZE um die Mitwirkung bei der Flüchtlingsrückkehr, um die Durchführung und Überwachung der Wahlen, um die Überwachung der serbischen Polizei im Kosovo sowie um die Überwachung des Waffenstillstands. Wir treten dafür ein, daß sich Deutschland personell maßgeblich beteiligt, das heißt mit zirka 150 bis 200 Personen.
Ich danke ausdrücklich dem Haushaltsausschuß, daß er, was die Finanzierung des deutschen Beitrags zur OSZE-Mission angeht,
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mit breiter Mehrheit die Notwendigkeit anerkannt hat, für den Einzelplan 05 außerplanmäßige Mittel zur Verfügung zu stellen.
Ich habe beim Kontaktgruppentreffen gestern in Paris besonders stark darauf gedrängt, daß der Schutz der OSZE-Missionsteilnehmer durch eine schnelle Eingreiftruppe der NATO von jenseits der jugoslawischen Grenze gewährleistet wird. Bei Übergriffen auf OSZE-Angehörige - dieses Thema hat gestern im Auswärtigen Ausschuß eine nicht ganz kleine Rolle gespielt - würde im übrigen über Art. 51 der UNO-Satzung die Rechtsgrundlage für eine unmittelbare Reaktion der NATO bzw. derer, die zur Selbstverteidigung beitragen, vorliegen. Wir dürfen nie wieder Soldaten oder OSZE-Angehörigen das zumuten, was in der Vergangenheit den UNO-Truppen in Bosnien widerfahren ist - nie wieder.
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Die deutschen Missionsmitglieder sollten im wesentlichen aus zivilen Experten bestehen. Wie andere EU-Partner müssen natürlich auch wir prüfen, ob wir eventuell Soldaten der Bundeswehr in Zivil und unbewaffnet entsenden, was vor allem die Briten tun werden. Von besonderer Bedeutung wird die Stellung von aktivem Polizeipersonal aus Bund und Ländern sein.
Als künftige EU-Präsidentschaft werden wir dem Profil der EU in der Mission besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, weil es natürlich interessant sein wird, wer diese Mission führt. Die Amerikaner beanspruchen, die OSZE-Mission zu führen. Wir als Europäer sollten aber dafür sorgen, daß wir die stellvertretende Führung erhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frieden und Stabilität im Kosovo wird es auf Dauer nur durch eine umfassende Selbstverwaltung des Kosovo im Rahmen der bestehenden Grenzen der Bundesrepublik Jugoslawien geben. Dazu müssen Belgrad und Pristina ihren Beitrag leisten. Deshalb trägt auch die UCK eine ganz besondere Verantwortung.
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Die Sicherheitsratsresolution 1199 fordert auch von den Kosovo-Albanern, ihre Ziele friedlich zu verfolgen. Wir begrüßen die jüngsten Erklärungen der UCK zu einem Ende der Gewalt. Umgekehrt gilt: Wer weiter den Weg der Gewalt beschreitet, muß mit energischen Maßnahmen der Staatengemeinschaft rechnen.
Die Kosovo-Albaner müssen wissen: Die Forderung nach Einhaltung ihrer legitimen Menschen- und Minderheitenrechte darf nicht dazu benutzt werden, um die bestehenden Grenzen in Frage zu stellen.
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Wir müssen der kosovo-albanischen Seite klar und deutlich sagen, daß das Ergebnis der Dialogverhandlungen eine weitgehende Selbstverwaltung in Autonomie, nicht aber Unabhängigkeit sein kann.
Im Grundgesetz bekennt sich das deutsche Volk zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gesellschaft.
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Diesen Werten ist seit ihrer Gründung auch die Bundeswehr verpflichtet. Rund 3 000 Soldaten der Bundeswehr wirken derzeit bei der Sicherung von Frieden und Menschenrechten in Bosnien mit. Mit demselben Ziel werden sich jetzt Soldaten der Bundeswehr bei dem Engagement der NATO im KosovoKonflikt beteiligen.
Ich war am vergangenen Samstag beim Jagdbombergeschwader 32 der Bundeswehr in Lager Lechfeld und habe mit zirka 30 Piloten der Tornados gesprochen, die, wenn es zum Einsatz kommt, dorthin fliegen werden bzw. Bosnien aus dem unmittelbaren Einsatz kennen. Sie sind, wissend, daß es ein sehr gefährlicher Einsatz wird - gefährlicher als alles, was bisher in diesem Kontext von der Bundeswehr unter Mitbeteiligung bewältigt werden mußte -, bereit, Verantwortung für den Frieden und die Menschenrechte zu übernehmen. Um dieses hohen Gutes willen würden sie und die anderen für den möglichen Einsatz vorgesehenen Soldaten ihr eigenes Leben der Gefahr aussetzen. Dafür verdienen sie und ihre Familien unsere höchste Anerkennung und die ungeteilte Unterstützung des Deutschen Bundestages.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kardinal Puljic aus Sarajevo hat gesagt: „Wer das Böse nicht stoppt, wird schuld am Bösen." Das ist die Lehre aus Bosnien, aber es ist auch die Lehre - wie ich vorher angedeutet habe - aus unserer eigenen deutschen Geschichte. Sie gilt auch für den Kosovo. Dort dürfen wir nicht nur sagen, daß es kein zweites Bosnien geben darf, sondern wir müssen dafür sorgen, daß es kein zweites Bosnien gibt.
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Gewalt und Vertreibung müssen ein Ende haben. Ohne Frieden im Kosovo wird der Balkan, wird das ganze Europa keine Ruhe finden. Zu diesem Europa gehört auch das serbische Volk. Wir wünschen, daß auch ein freies, ein demokratisches Jugoslawien wieder seinen legitimen Platz in der europäischen Völkerfamilie findet und dafür die inneren Voraussetzungen schafft.
Auch die sich verschärfende Unterdrückung der freien Berichterstattung in Jugoslawien ist nicht hinnehmbar. Die OSZE-Mission - das haben wir gestern besprochen, Herr Kollege Duve - sollte sich deshalb auch dem Schutz der Medienfreiheit zuwenden. Ich glaube, daß es ganz wichtig ist, daß Sie sich bereit erklärt haben, für diesen Auftrag als OSZE-Medienbeauftragter zur Verfügung zu stehen.
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Die Menschen in Deutschland verstehen: Unser Land darf nicht abseits stehen, wenn es darum geht, Frieden, Stabilität und Menschenrechte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft zu sichern.
Deutschland stellt sich der Herausforderung, gemeinsam mit seinen Partnern den Frieden in Europa zu gestalten, auch auf dem Balkan. Ich bitte Sie nochmals um Ihre Zustimmung zu dem Kabinettsbeschluß.
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Bevor wir zur Aussprache kommen, erteile ich zunächst den Berichterstattern das Wort. Es beginnt der Kollege Dr. KarlHeinz Hornhues.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Einvernehmen mit meinen Kollegen Vorsitzenden des Rechts-, des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses will ich einen kurzen Bericht über die Beratungen geben.
Interfraktionell war vereinbart worden, daß in den genannten Ausschüssen beraten wird, als ob uns die Regierungsvorlage überwiesen worden sei. Dies ist gestern geschehen. Wir sind in getrennten Sitzungen zusammengetreten. In Wahrnehmung des Selbstbefassungsrechtes haben die genannten Ausschüsse den von der Bundesregierung eingebrachten Antrag beraten. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses, des Verteidigungsausschusses und des Rechtsausschusses haben mit großer Mehrheit dem Antrag auf Drucksache 13/11469 zugestimmt. Dem Auswärtigen Ausschuß als federführendem Ausschuß sind die Voten der anderen beteiligten Ausschüsse vor seiner Beratung zugegangen. In Kenntnis der Empfehlungen der genannten Ausschüsse, die sich im Kern auf die Beratung der ihnen besonders obliegenden Pflichten bezogen haben, hat der Auswärtige Ausschuß wie folgt abgestimmt: Wir im Auswärtigen Ausschuß haben dem Antrag der Bundesregierung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen eine Stimme der Gruppe der PDS bei je einer Stimmenthaltung aus den Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. - also mit einer sehr großen Mehrheit - zugestimmt.
Für unsere Beratungen in den Ausschüssen, insbesondere im Auswärtigen Ausschuß, war es von erheblicher Bedeutung, daß uns dieser Antrag - dies möchte ich besonders unterstreichen - politisch als eine gemeinsame Empfehlung von alter und neuer Mehrheit zugeleitet werden konnte. Ich glaube, dies war ein sehr guter Stil, für den ich mich jedenfalls im Namen meiner Kollegen ausdrücklich bedanken möchte. Er hat uns das ganze schwierige Problem sichtlich erleichtert.
In der Vergangenheit der Beratungen war für uns auch von großer Bedeutung, daß wir über die Zeiten hinweg - der Außenminister hat dies angedeutet - mit der Bundesregierung, mit dem Außenminister im besonderen und mit dem Verteidigungsminister seit Jahren die Frage Kosovo und alle Entwicklungen dieser Region nicht nur detailliert, sorgfältig diskutiert und beraten haben und über alles informiert
worden sind, sondern auch, daß wir unsererseits, so gut wir konnten, in Wahrnehmung der Pflicht, die ein Ausschuß hat, stellvertretend für die Kollegen dieses Hohen Hauses versucht haben, die Regierung zu unterstützen und auch unseren Rat und unsere Meinung konstruktiv einzubringen. Das heißt, für unsere Beratungen war es von großer Wichtigkeit, daß dieser permanente Prozeß des Miteinanders in dieser wie auch in anderen international wichtigen Fragen so eng gehalten werden konnte und daß wir sicherlich auch von daher zu den Mehrheitsverhältnissen, die ich Ihnen gerade vorgetragen habe, in unserem Ausschuß gekommen sind.
Meine Bitte an dieser Stelle gilt für alle Kollegen des alten Auswärtigen Ausschusses - ich unterstelle einmal: für die des neuen wird es ähnlich sein -, daß dieses Miteinander in so wichtigen Fragen, wo immer es geht, beibehalten wird. Wenn das geschieht, dann kann man auch in entscheidenden, schweren Fragen entsprechend zusammenstehen.
Die Schwere der Entscheidung, die heute zu treffen ist, ist vom Außenminister angesprochen worden. Sie hat immer in besonderer Weise die Beratungen unseres Ausschusses, aber auch die der anderen Ausschüsse gekennzeichnet, nicht wegen der sicherlich gewichtigen Probleme über Rechtsgrundlagen oder über andere wichtige Fragen, sondern vor allen Dingen, weil wir uns immer mit der bitteren Erkenntnis beschäftigen mußten, daß letztendlich ohne die glaubwürdige Androhung von Gewalt in dieser Region - heute geht es speziell um den Kosovo - offensichtlich keine Wende zum Besseren, zur Wahrung von Menschenrechten und zur Abwendung einer humanitären Katastrophe machbar ist. Dies ist keine vergnügliche Veranstaltung gewesen und wird es, so hoffe ich, wohl nie werden. Es war immer von größter Problematik und größter Schwere, darüber zu beraten; denn wir waren uns darüber im klaren, daß das, was hier in den Schlußbemerkungen des Außenministers eben anklang, die Realität ist, über die wir abstimmen. Wir schicken im Zweifelsfall nämlich - in der Regel - junge Männer in einen Einsatz, der ihr Leben kosten kann, um - daher müssen wir das Ziel definieren - ebendiese humanitäre Katastrophe abzuwenden. Das ist immer schwierig abzuwägen, aber man muß genau wissen, was man tut. Das macht auch für mich - wenn ich diese persönliche Bemerkung hier einflechten darf - die Schwere der Entscheidung aus. Ich glaube aber - und mit mir die entsprechende Mehrheit, die sich deutlich abzeichnet -, daß angesichts der Situation keine Alternative besteht, wenn man die Katastrophe nicht sehenden Auges hinnehmen will. Dies ist, wie ich glaube, nicht verantwortbar.
Holbrooke zu den unbestreitbaren Erfolgen, die er vor dem Hintergrund eines glaubwürdigen Druckszenarios erreichen konnte, zu gratulieren, will ich nicht hintanstehen. Trotzdem glauben ich und die entsprechende Mehrheit des Ausschusses, daß es notwendig ist, daß heute ein entsprechender Beschluß gefaßt wird, damit das Schwert - symbolisch gesprochen - über Milosevic hängenbleibt; denn über viele Jahre hinweg haben wir die Erfahrung gemacht, daß dies sein muß, wenn Besserung erreicht werden soll. Deswegen glauben wir nicht den Versprechungen Milosevics, sondern nur den Taten, also dem, was er tatsächlich tut. Die entsprechende Mehrheit des Ausschusses hält es daher für notwendig, jetzt diesen Beschluß in der vorliegenden Fassung zu treffen. Ich appelliere im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen nachdrücklich an Milosevic, nun den Worten und Papieren die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Wir bitten nachdrücklich auch die Kosovo-Albaner, in diesen Prozeß einzusteigen, obwohl sicherlich manches weit von dem entfernt ist, was sie sich erträumen und vielleicht auch erhoffen durften.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle den Soldaten danken, die zu diesem Einsatz bereit sind, wenn er denn notwendig wird. Ich möchte aber gleichzeitig auch den vielen tausend Soldaten, die inzwischen in Bosnien im Einsatz waren, für das danken, was sie dort geleistet haben. Mein dringendster Wunsch ist, daß, wenn der Einsatz doch nötig sein sollte, sie gesund und glücklich zurückkehren.
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Ich fasse zusammen: Wir empfehlen Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen.
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Es spricht jetzt der Kollege Karsten Voigt.
Im Anschluß an den Bericht des Ausschußvorsitzenden möchte ich im Namen der Mehrheit des Ausschusses nachdrücklich die Zusammenarbeit zwischen der alten und der neuen Mehrheit in dieser schwierigen Phase loben, weil damit die Bundesrepublik Deutschland in jeder Phase außenpolitische Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Es ist wichtig, daß dieses in Zeiten möglich ist, in denen Regierung und Opposition wechseln.
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Es gebührt auch dem bisherigen Kanzler und dem künftigen Kanzler, den bisherigen und künftigen Ministern, die durch diese Art des Zusammenwirkens einen Beitrag zur politischen Kultur in Deutschland geleistet haben, nachdrücklich Dank.
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Für ein Land, das zur Bewältigung solcher militärischer Entscheidungen erst eine politische Kultur entwickeln muß, ist dieses besonders wichtig.
Karsten D. Voigt ({2})
Die Entscheidung war und ist nach Auffassung der Mehrheit nicht nur erforderlich, um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo zu verhindern, sondern auch, um dort Gewalttaten zu unterbinden, die Chancen für eine politische Lösung des Kosovo-Problems zu erhöhen und die Ursachen für Flucht und Vertreibung aus dem Kosovo, die in der Politik Milosevics liegen, zu beseitigen. Die Aufrechterhaltung der Gewaltdrohung ist leider weiterhin unabweisbar, um die Umsetzung dieser legitimen politischen Ziele zu gewährleisten. Die bisherige Politik der NATO zeichnet sich dadurch aus, daß Ergebnisse bereits zu erkennen sind und man nicht darüber zu spekulieren braucht oder mit Unterstellungen arbeiten müßte. Die bisherigen Ergebnisse der Gewaltandrohung zeigen bereits, daß eine politische Lösung ohne Gewaltanwendung als möglich erscheint. Es zeichnet sich ab, daß durch eine Beteiligung der OSZE eine Stärkung ihrer Rolle möglich zu sein scheint - dies ist auch vereinbart worden -, daß durch die getroffene Vereinbarung die Zusammenarbeit mit Rußland gestärkt und nicht etwa verringert oder erschwert wird und daß auf Grund einer neuen UN-Resolution die Vereinten Nationen nicht etwa geschwächt oder ausgegrenzt werden, sondern daß deren Rolle unterstrichen wird.
Alle diese Punkte zusammengenommen zeigen nach Auffassung der Mehrheit im Ausschuß, daß die bisherige Politik richtig war. Ich betone noch einmal: Man braucht über die Wirkungen dieser Politik nicht zu spekulieren; denn sie sind zum großen Teil bereits eingetreten. Man sollte die Politik an ihren erklärten Absichten und ihren bereits heute erzielten Wirkungen messen und nicht an Unterstellungen oder vermuteten Risiken.
Eine andere Politik als diejenige, die von der Mehrheit vorgeschlagen wird, hätte die Bundesrepublik Deutschland innerhalb des Bündnisses und in Europa isoliert. Sie hätte diejenigen, die Gewalt anwenden, belohnt und hätte diejenigen, die die UN-Resolution verletzen, ungestraft gelassen. Deshalb bewährt sich Deutschland heute mit dieser Entscheidung als europäischer und transatlantischer Partner.
Im Ausschuß selber hat es eine Gegenstimme von der PDS gegeben. Dies ist nicht überraschend. Für sich allein genommen wäre diese Gegenstimme in diesem Fall nicht problematisch, wenn sie - lassen Sie mich das hinzufügen - nicht im Kontext mit anderen Entscheidungen der PDS zu sehen wäre, und zwar im Zusammenhang mit negativen Entscheidungen gegen das NATO-Bündnis und die Verträge von Maastricht und Amsterdam.
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Zumindest in diesen Bereichen unterscheidet sich die PDS von anderen postkommunistischen Parteien in Ungarn, Polen, Slowenien und Slowakei sowie von den Eurosozialisten in Bulgarien.
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In dem Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ist sie - das muß ich bedauerlicherweise sagen - mehr dem Milieu von vor 1989 verhaftet, als es andere postkommunistische Parteien sind.
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Zuletzt noch ein Wort an die Serben: Es leben bei uns im Lande mehrere hunderttausend Serben. Es ist mir ein Anliegen, deutlich zu machen, daß sich die Politik, die wir heute beschließen, nicht gegen die Serben,
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sondern gegen die Politik von Milosevic richtet und daß wir als Deutsche, als NATO und als Europäische Union ein Interesse daran haben, mit demokratischen Serben engstens zusammenzuarbeiten. Man muß dies gerade zu einem solchen Zeitpunkt sagen. Denn angesichts der deutschen Geschichte - unter anderen, noch schwierigeren Verhältnissen - war es immer wichtig, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die eine für ihr eigenes Land verhängnisvolle Politik betreiben, und denjenigen im Volk, die gegen diese Politik sind.
Vielen Dank.
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Es spricht jetzt der Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen heute vor ernsten und weitreichenden Entscheidungen - für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, für Frieden und Stabilität auf dem Balkan, aber auch für die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß unsere Verbündeten heute auf die Entscheidung des 13. Deutschen Bundestages schauen. Alle unsere NATO-Partner - auch die drei künftigen Mitglieder, Polen, Ungarn und Tschechien -, deren Regierungen und Parlamente haben sich unzweideutig hinter die geplanten Luftoperationen der NATO gestellt. Sie alle erwarten ein klares Votum des Deutschen Bundestages.
Auch wenn es erste politische Erfolge auf Grund einer glaubwürdigen militärischen Abschreckung gibt, muß ich Ihnen für Ihre heutige Entscheidung sagen: Ein Einsatz auch der deutschen Streitkräfte kann keinesfalls ausgeschlossen werden. Wenn Sie Ihre Stimme abgeben, müssen Sie das in dem Bewußtsein tun, daß dieser Einsatz durchgeführt und von uns abverlangt werden kann.
Im übrigen muß jeder wissen, daß im Zusammenhang mit dem Kosovo weitere militärische Entscheidungen auf den 14. Deutschen Bundestag zukomBundesminister Volker Rühe
men werden, etwa wenn es darum geht, sicherzustellen, daß Rettungsoperationen für die 2000 Mitarbeiter der OSZE, die dort als Beobachter eingesetzt werden, durchgeführt werden können. Dies wird weitere militärische Entscheidungen schwierigster Natur von uns verlangen.
Die deutschen Soldaten brauchen für ihre schwierige Mission den vorbehaltlosen und sichtbaren Rückhalt des deutschen Parlaments. Ich sage Ihnen als jemand, der viele Jahre als Verteidigungsminister tätig war: Unterschätzen Sie nicht, was das Votum des Deutschen Bundestages für unsere Soldaten bedeutet! Hier ist jeder in der Verantwortung; dies wird in den Familien der Männer sehr wohl zur Kenntnis genommen. Diese schwierige Situation ist sehr viel leichter zu tragen, wenn man spürt: Die Vertreter des deutschen Volkes stehen hinter unseren Soldaten.
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Wenn es zu einem Einsatz kommt, ist dies für die Bundeswehr der gefährlichste Einsatz, den sie bisher durchgeführt hat. Insbesondere die ECR-Tornados spielen eine Schlüsselrolle; diese Einsätze sind mit einer ganz besonderen Gefahr verbunden. Sie sind allerdings unbedingt erforderlich, um Sicherheit für die Piloten der arideren alliierten Flugzeuge zu schaffen.
Insgesamt würden mit den dafür vorgesehenen notwendigen Stabs- und Unterstützungskräften durchschnittlich rund 500 deutsche Soldaten in diesem Gebiet eingesetzt. Dieser Beitrag ist militärisch notwendig und bedeutend. Er ist aber mehr als das: Er ist Ausdruck der Solidarität Deutschlands im Bündnis.
Es war ungeheuer wichtig, daß wir Anfang der Woche die Entscheidung getroffen haben, in dieser Woche nicht nur die Unterstützung für die Auslösung des Einsatzbefehls in Brüssel zu geben, sondern auch sicherzustellen, daß die deutschen Soldaten im Falle eines Eingreifens an der Seite ihrer Verbündeten stehen.
Was hätte es bedeutet, wenn wir dies nicht getan hätten und heute keine solche Entscheidung träfen? Wir müßten ausscheiden aus den integrierten Strukturen, aus den Einsätzen mit den AWACS-Flugzeugen - ein Drittel aller Soldaten sind deutsche Soldaten -, aus dem NATO-Hauptquartier in Vicenza, möglicherweise sogar aus den Hauptquartieren der SFOR in Bosnien, wenn diese im Verlaufe eines Konflikts Aufgaben im Hinblick auf den Kosovo übernehmen würde.
Dies ist ein Beispiel für die Zukunft; denn wir gehören zu einem Bündnis im Prinzip Gleichgesinnter, einem Bündnis, das sich integrierte Strukturen geschaffen hat, gewollte gegenseitige Abhängigkeiten, wie es sie nie zuvor in der Militärgeschichte gegeben hat, wie es sie nirgendwo anders auf der Welt gibt. Daraus - das muß jeder wissen - ergeben sich auch Verpflichtungen: In einer schwierigen Situation darf
Deutschland diese integrierten Strukturen niemals lahmlegen. Das muß man wissen.
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Ich kann dem, was Karsten Voigt im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der neuen und der alten Mehrheit gesagt hat, nur zustimmen. Diese war ganz wichtig. Deutschland hat in dieser Woche gezeigt: Es ist voll handlungsfähig. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten dies nicht getan! Wenn die Woche dann so verlaufen wäre wie jetzt, mit den ersten politischen Erfolgen, wären diese ohne einen deutschen Beitrag zu einer glaubwürdigen militärischen Abschreckung erreicht worden. Wenn die Woche anders verlaufen und es schon zu einem militärischen Konflikt gekommen wäre, dann wären unsere Soldaten aus der Solidarität ausgestiegen. Deswegen meine volle Unterstützung: Es ist beispielhaft, wie hier die neue und die alte Mehrheit zusammengearbeitet haben, um Deutschland in einer schwierigen Situation voll handlungsfähig zu halten.
Der Außenminister hat geschildert: Die NATO hat es sich nicht leichtgemacht. Es geht aber um die Abwehr einer humanitären Katastrophe. Ich sage Ihnen: Es darf keinen Freibrief für den Einsatz von Panzern und Artillerie gegen die eigene Bevölkerung geben. Gewalt darf sich in Europa nicht auszahlen. Wir würden das Gesicht Europas auf Dauer verschandeln, wenn wir uns dies anschauten, ohne zu handeln. Darum geht es.
({2})
Man kann auch sagen: Wenn wir diese schrecklichen Szenen als Fernsehzuschauer in Westeuropa einfach konsumieren würden, ohne zu handeln, dann würden wir letztlich mit einer rostigen Rasierklinge unser Gesicht zerschneiden und unser eigenes Gesicht entstellen. Es geht um die Situation dort vor Ort; es geht aber auch um die Glaubwürdigkeit unseres Handelns in dieser Situation.
Ich möchte an die Debatte, die wir 1995 im Deutschen Bundestag geführt haben, und an die Auseinandersetzung mit den Grünen in der damaligen Situation erinnern. Ich habe damals gesagt: Es gibt genug Beispiele in der Geschichte, die zeigen: Es kann unmoralisch sein, Soldaten einzusetzen; es gibt aber auch andere Situationen, in denen man sagen muß, daß es zutiefst unmoralisch ist, Soldaten nicht einzusetzen, wenn dies die einzige Chance ist, Krieg und Massaker zu stoppen.
({3})
Damals gab es eine bestimmte Situation; heute gibt es wiederum eine solche Situation. Es hat sich gezeigt, daß Belgrad nur auf glaubhaften und massiven Druck reagiert. Erst die unmißverständliche Drohung der Allianz hat Milosevic zum Einlenken veranlaßt. Dieser Druck muß auch aufrechterhalten werden. Einmal mehr hat sich erwiesen: Die NATO
und auch Deutschland brauchen einsatzbereite, hochmoderne und flexibel einsetzbare militärische Mittel. Wenn wir nicht modernste Flugzeuge hätten und wenn uns nicht zum Beispiel für eine mögliche Verifikation im Kosovo aus der Luft unbemannte Drohnen zur Verfügung stünden, dann wäre es unverantwortlich, die Streitkräfte einzusetzen. Deswegen gestatten Sie mir, daß ich als Verteidigungsminister in dieser aktuellen Situation sage: Eine moderne, leistungsfähige und gut ausgerüstete Armee darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Deswegen habe ich mit großer Freude gehört, was der Kollege Scharping gesagt hat - er wird mein Nachfolger -, daß er eine Garantie für die Bundeswehr in ihren jetzigen Strukturen abgegeben hat und daß er sich bemühen will, sogar noch mehr Mittel einzusetzen, damit die Bundeswehr eine moderne Armee bleibt.
Da heute Koalitionsverhandlungen sind, möchte ich den Vertretern der Grünen sagen: Was nicht geht, ist, daß Sie unsere Soldaten in gefährlichste Einsätze schicken und gleichzeitig zu Hause versuchen, an den Kasernen sozusagen herumzuzündeln und in die Strukturen unserer Armee zu Hause einzugreifen.
({4})
Jeder muß wissen: Hier liegt eine besondere Verantwortung,
({5})
und wir werden diejenigen unterstützen, die unseren Soldaten hier zu Hause den Rücken stärken, damit wir sie in solche Einsätze schicken können.
({6})
Herr Kollege Fischer, ich wende mich jetzt an die künftige Regierungsfraktion - das werden Sie sich schon noch anhören müssen -:
({7})
Wenn man in der Opposition ist, kann man sich enthalten. Aber wenn Sie in der Regierungsverantwortung sind, dann müssen Sie handeln; dann hilft Enthalten nicht weiter. Eine Regierung muß entscheiden, auch eine Regierungsfraktion. Die Moral ist immer ganz konkret. Auch durch Nichthandeln kann man in einer so schwierigen internationalen Situation schuldig werden.
({8})
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie heute, einer Beteiligung deutscher Streitkräfte an den geplanten Luftoperationen der NATO im Kosovo mit breiter Mehrheit hier im Deutschen Bundestag zuzustimmen.
Vielen Dank.
({9})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Gerhard Schröder.
Ministerpräsident Gerhard Schröder ({0}) ({1}): Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zum eigentlichen Anlaß der Debatte zurückkommen.
({2})
Noch vor wenigen Tagen hatte es den Anschein, als müßte der Deutsche Bundestag in einer Situation eine schwerwiegende Entscheidung treffen, die zu dem Zeitpunkt sehr viel angespannter war, als sie jetzt erscheint. Ich bin heute zuversichtlich, daß es so weit nicht kommen wird, daß wir militärisch intervenieren müssen. Wenn es nicht so weit kommt - das muß klar sein -, dann hat das ausschließlich damit zu tun, daß die NATO auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrates eine militärische Drohung aufgebaut hat, die buchstäblich in letzter Minute ihre Wirkung nicht verfehlt hat.
({3})
Es besteht jetzt eine realistische Chance, nicht nur die drohende humanitäre Katastrophe im Kosovo abzuwenden, sondern auch den eigentlichen politischen Konflikt zu lösen. Diese Chance besteht nicht zuletzt deshalb - das will ich ausdrücklich feststellen -, weil der amerikanische Sondergesandte Holbrooke seine Arbeit so vorzüglich gemacht hat, wie es der Fall war. Auch ich will, mit dem Außenminister zusammen, ihm dafür ausdrücklich meinen Respekt und meinen Dank sagen.
({4})
Meine Damen und Herren, der Kosovo-Konflikt beschäftigt den Deutschen Bundestag, beschäftigt uns, die deutsche Öffentlichkeit, schon seit fast zehn Jahren. Manchmal ist es gewiß schwer, in internationalen Krisen die Schuldigen genau zu definieren. Hier ist es, so denke ich, nicht schwer: Auslöser des Konfliktes ist der damalige serbische, heute jugoslawische Präsident Milosevic, der im Zuge einer großserbisch-nationalistischen Politik das Autonomiestatut für den Kosovo aufgehoben hat. Daraus - aus keinen anderen Umständen heraus; das gilt es klarzumachen - folgte eine sich steigernde Politik der Unterdrückung der Kosovo-Albaner, jener Menschen, die
Ministerpräsident Gerhard Schröder ({5})
viele Jahre lang mit friedlichen Mitteln versucht haben, den für sie unerträglichen Zustand zu beenden.
({6})
Ich möchte deshalb ausdrücklich die großen Verdienste des Präsidenten der Kosovo-Albaner, Rugova, würdigen und daran erinnern, daß Ibrahim Rugova immer wieder, auch hier in Bonn, eindringlich vor der Entwicklung gewarnt hat - einer Entwicklung, die dann auch tatsächlich eingetreten ist -: die Radikalisierung eines Teiles der Kosovo-Albaner mit deren Übergang zu Gewalt. Die letzte schreckliche Konsequenz dieser jahrelangen Entwicklung erleben wir seit dem Frühjahr dieses Jahres: Mord, Vertreibung, unsagbares Flüchtlingselend.
Ich denke, man muß sich der gesamten Vorgeschichte sehr bewußt sein. Wenn es in jüngster Zeit eine schwere Krise gab, die vorhersehbar war, dann war es diese. Es ist klar, daß wir Europäer und die internationale Gemeinschaft insgesamt eine solche systematische Verletzung von Menschenrechten, ein solches Ausmaß von Gewalt nicht hinnehmen dürfen.
({7})
Ich habe nachvollzogen, was hier im Deutschen Bundestag dazu übereinstimmend gesagt worden ist: Wir werden kein zweites Bosnien zulassen. - Nun müssen wir erkennen, daß die intensiven Bemühungen, zu einer Verhandlungslösung zu kommen, erfolglos waren und angesichts des herannahenden Winters das Flüchtlingsproblem in einer humanitären Katastrophe münden könnte.
Es hat nicht an politischen und diplomatischen Bemühungen gefehlt. Ich will der amtierenden Bundesregierung ausdrücklich keinen Vorwurf machen. Sie hat sich im Rahmen der Kontaktgruppe intensiv für diese Verhandlungen eingesetzt, und das war richtig. Denn wir wissen - auch das gilt es auszusprechen -, daß unser Land leicht das Ziel einer großen Flüchtlingsbewegung werden könnte und immer noch werden kann.
Deutschland hat - mir ist wichtig, daß das einmal festgestellt wird - im Zusammenhang mit der Bosnien-Krise bewiesen, daß es seine humanitäre Verpflichtung wirklich ernst nimmt. Wir, die Deutschen, haben - das sage ich auch unseren ausländischen Kritikern - über 300 000 Flüchtlinge aus Bosnien aufgenommen, von denen ein großer Teil inzwischen zurückkehren konnte. Vor allem auf der Ebene der Länder und der Gemeinden sind inzwischen mehr als 20 Milliarden DM aufgewendet worden, um den betroffenen Menschen zu helfen. Wir sind nicht hartherzig, wenn wir sagen, daß auch wir überfordert werden können. Darum haben gerade wir ein vitales Interesse an Frieden und Stabilität, auch und gerade auf dem Balkan.
Ich sage das sehr betont, weil sich ja die Frage anschließt, was wir zur Abwendung einer großen Fluchtbewegung und zur Vermeidung einer humanitären Katastrophe zu tun bereit sind.
Schon bei der Begegnung mit dem amerikanischen Präsidenten Anfang August dieses Jahres stimmten wir darin überein, daß Milosevic eine leicht zu durchschauende Taktik verfolgt: Er testet immer wieder, wie weit er gehen kann, ohne auf ernsthaften Widerstand der internationalen Gemeinschaft zu stoßen. Wenn der Druck zu stark wird, gibt er scheinbar ein wenig nach, um beim Nachlassen des Druckes sein Spiel fortzusetzen. Deshalb war es richtig und nötig, die Bemühungen um eine politische Lösung mit einer glaubwürdigen Drohung zu verbinden. Und das, meine Damen und Herren, bleibt weiter nötig. Deswegen werbe ich für die Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag der Bundesregierung.
Wir sind - auch das, denke ich, gehört ausgesprochen - Anfang dieser Woche in eine sehr schwierige Entscheidungssituation gekommen. Der amerikanische Sondergesandte ließ mich - auch die amtierende Regierung - wissen, daß Milosevic sich offenbar an die Hoffnung klammerte, das Bündnis würde wegen der politischen Übergangssituation in Deutschland nicht handlungsfähig sein. Ich halte es in Übereinstimmung mit der amerikanischen und anderen Regierungen nicht für einen Zufall, daß Milosevic zum Nachgeben erst dann bereit war, als ihm klar wurde, daß die internationale Handlungsfähigkeit Deutschlands nicht eingeschränkt ist und die NATO in der Lage war, ihre militärische Drohung uneingeschränkt wahrzumachen - uneingeschränkt, das heißt: unter Mitwirkung der Streitkräfte.
Ich sage es ausdrücklich auch hier noch einmal: Ich bin Bundeskanzler Helmut Kohl dankbar dafür, in welcher Atmosphäre wir diese Gespräche führen konnten. Es war über den Tag hinaus wichtig, denke ich, zu zeigen, daß die demokratischen Kräfte unseres Landes zu verantwortungsvollem Handeln fähig sind, auch dann, wenn wir uns mitten in einem Regierungswechsel befinden.
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Die Bundesregierung hatte völlig unbestritten das Recht, allein zu handeln. Daß wir das zusammen getan haben, ist, glaube ich, ein Zuwachs an demokratischer Kultur.
Ich werbe - ich sage das noch einmal - um Zustimmung des Deutschen Bundestages für den Antrag der Bundesregierung. Die Entscheidung fällt mir nicht leicht, meine Damen und Herren, so wie auch keinem Mitglied dieses Hauses die Entscheidung in dieser Frage leichtfallen kann. Immerhin mußten wir am Montag noch davon ausgehen, daß wenigstens der erste Schritt der angestrebten NATO-Maßnahmen tatsächlich erfolgen würde, also ein Angriff auf eine beschränkte Zahl militärischer Ziele im Kosovo und in Serbien unter Beteiligung deutscher Streitkräfte. Das, so denke ich, hat sich niemand in diesem Hohen Hause gewünscht. Aber auf der anderen Seite gilt auch, daß wir unserer Verantwortung nicht ausweichen können und daß klar sein muß: Wenn wir diese Entscheidung nicht fällten, würden die Drohung und die Ziele der Drohung sowie der bisher erreichte Erfolg in Frage gestellt werden. Deswegen
Ministerpräsident Gerhard Schröder ({9})
muß diese Entscheidung mit breiter Mehrheit gefällt werden.
Ich will etwas zu den Dingen sagen, die bedacht werden mußten. Da ist zunächst die moralische Seite, die viel diskutiert wurde. Es ist gefragt worden: Warum wird im Kosovo eine humanitäre Katastrophe verhindert und anderswo nicht? Meine Damen und Herren, ich kann in der Tatsache, daß wir Katastrophen anderswo nicht verhindern konnten und können, keine Rechtfertigung dafür erblicken, eine Katastrophe dann auch im Kosovo geschehen zu lassen.
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Dann wurde natürlich die Frage gestellt, was ausgerechnet deutsche Kampfflugzeuge und deutsche Soldaten in dieser Region bedeuten. Auch hier habe ich einen klaren Standpunkt. Ich denke, die Tatsache, daß Deutschland unter einer verbrecherischen Führung auf dem Balkan schuldig geworden ist, erlaubt es dem demokratischen Deutschland von heute nicht, in diesem Teil Europas Verbrechen geschehen
zu lassen - eher umgekehrt.
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Eine weitere Frage ist die nach den politischen Zielen des angedrohten Militärschlages. Das Ziel war zunächst sehr eingeschränkt: Es sollten die Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge und ihre Versorgung geschaffen sowie gleichzeitig die politische Lösung des Kosovo-Konfliktes insgesamt ermöglicht werden. Die inzwischen getroffenen Vereinbarungen zeigen, daß diese Ziele erreicht werden.
Die Umsetzung des von Holbrooke erreichten Verhandlungsergebnisses wird uns vor weitere schwierige Aufgaben und Entscheidungen stellen. Zwar dürfen und müssen wir erleichtert sein, daß es zur militärischen Gewaltanwendung höchstwahrscheinlich nicht kommen wird; wenn wir sie aber wirklich ausschließen wollen, müssen wir bereit sein, unseren Beitrag zur vollen Umsetzung der Vereinbarungen zu leisten. Das wird uns lange beschäftigen und, meine Damen und Herren, hohen Aufwand verlangen. Ich sage ausdrücklich: Wir sind dazu bereit; denn Frieden und Stabilität in diesem Teil Europas sind aller Mühen wert, und wir müssen wissen, daß sie ihren Preis haben.
Ich hoffe sehr, daß es jetzt gelingen kann, eine neue Sicherheitsratsresolution mit einem klaren Durchsetzungsmandat zustande zu bringen. Wir sollten unsere guten Beziehungen zu Rußland nutzen, um dieses für die Lösung des Balkankonfliktes unverzichtbare große Land zur Gemeinsamkeit mit der übrigen Kontaktgruppe zu bewegen.
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Rußland darf und soll nicht von Bemühungen um die Lösung der Kosovo-Frage ausgeschlossen werden. Mir sind die russischen Bemühungen bekannt, auf Milosevic positiv einzuwirken, und ich möchte sie ausdrücklich würdigen.
Eine sehr wichtige Frage betrifft die Rechtsgrundlage der NATO-Entscheidung. Mir ist bewußt - und ich respektiere das -, daß viele Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen damit innere Probleme haben. Diese wird jeder haben müssen, der sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Auch mir - ich sage das - wäre ein neues, mit einer klaren Ermächtigung versehenes UNO-Mandat lieber gewesen. Daß es dieses Mandat nicht gibt, lag aber nicht an den NATO-Mitgliedern. Gerade mit Rücksicht auf Rußland und gerade mit Rücksicht auf die Stellung der Vereinten Nationen war es richtig, die NATO-Entscheidungen nicht von einer weiteren Sicherheitsratsresolution abhängig zu machen.
Die am 23. September beschlossene Resolution 1199 ist eine Kapitel-VII-Maßnahme der Vereinten Nationen. Der UN-Generalsekretär hat festgestellt, daß der Adressat der Resolution, Milosevic, die Forderungen nicht erfüllt hat. Die NATO bezieht sich in ihrer Entscheidung ausdrücklich auf die Resolution 1199 und auf die Notwendigkeit, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die NATO - das ist, denke ich, für uns alle wichtig - hat sich nicht selber ein Mandat erteilt; sie handelt im Bezugsrahmen der Vereinten Nationen.
Meine Damen und Herren, ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß für mich das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen und die Verantwortung des Sicherheitsrates für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit unverzichtbar sind für die Entwicklung einer Weltfriedensordnung.
({13})
An diesen Grundsätzen wird sich eine neue Regierung orientieren.
Ich will auch nicht verschweigen, daß bei der sehr schwierigen rechtlichen Abwägung für mich nicht ganz unwichtig war, zu welchen Ergebnissen unsere Freunde und Verbündeten gekommen waren. Wenn alle NATO-Staaten, in deren Mehrheit sozialdemokratische Parteien Regierungsverantwortung tragen, die NATO-Entscheidung unterstützen und in ihr eine ausreichende Rechtsgrundlage sehen, ist es jedenfalls für mich nicht zwingend, anzunehmen, daß alle unsere Freunde im Unrecht sind und der eine oder andere von uns im Recht.
({14})
Es gibt noch etwas sehr Wichtiges zu bedenken, meine Damen und Herren: Wir konnten nicht bei der ursprünglich auch von dem amerikanischen Präsidenten und anderen wichtigen Verbündeten akzeptierten Haltung bleiben, daß wir aus verfassungspolitischen - nicht aus verfassungsrechtlichen - Gründen eine Bundestagsentscheidung jetzt nicht herbeiführen können, weil es Legitimationsprobleme verfasMinisterpräsident Gerhard Schröder ({15})
sungspolitischer Art gibt. Nachdem nicht mehr ausgeschlossen werden konnte, daß das deutsche Verhalten die Reaktionen in Belgrad wesentlich beeinflussen würde, war eine solche Haltung nicht mehr möglich. Das wäre als deutsche Verweigerung angesehen worden und hätte schwere, nicht leicht zu reparierende Schäden innerhalb des Bündnisses und wohl auch in der Europäischen Union angerichtet. Ein Scheitern der Verhandlungen hätte uns angelastet werden können.
Das Ergebnis wäre ein verheerender Ansehens- und Bedeutungsverlust für die Bundesrepublik Deutschland gewesen. Daran kann niemand ein Interesse haben. Man kann die Frage stellen, ob die heute geforderte Entscheidung des Bundestages im Lichte der neuen Entwicklungen noch nötig ist. Diese Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort an die Adresse der Bundesrepublik Jugoslawien und besonders an die Führung Serbiens richten. Wir hegen - Karsten Voigt hat das zu Recht ausgeführt - keine feindseligen Gefühle gegenüber Serbien oder gar gegenüber dem serbischen Volk. Im Gegenteil: Wir wünschen ausdrücklich, daß dieses Volk seinen Weg in die Strukturen der europäischen Integration und der europäischen Kooperation findet.
({16})
Wir sind bereit, dabei zu helfen. Die Bedingungen dafür kann aber nur die serbische Führung selber schaffen. Ich fordere sie daher auf, an der Lösung aller Balkankonflikte konstruktiv mitzuwirken, und ich fordere sie auf, den Weg demokratischer und rechtsstaatlicher Reformen zu beschreiten und die Bundesrepublik Jugoslawien auf die Höhe der europäischen Normen und Standards zu bringen; denn das ist der einzige Weg, der in dieser Region Frieden bringen kann.
({17})
Pressezensur, Meinungsverbote, Unterdrückung der Opposition und all das, was wir gegenwärtig erleben, entsprechen diesen Standards nicht. Ich plädiere dafür, die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik Jugoslawien stärker zu unterstützen
({18})
und ihnen auch internationalen Schutz und Solidarität anzubieten.
Schließlich appelliere ich an alle Kräfte im Kosovo: Arbeiten Sie konstruktiv an der Verwirklichung einer Friedenslösung mit! Auch auf der Seite der KosovoAlbaner muß die Gewalt dauerhaft ein Ende haben.
({19})
Der Frieden im Kosovo ist möglich, wenn wir ihn alle wollen. Der Deutsche Bundestag kann mit seiner Entscheidung heute dazu beitragen, daß auch in diesem von Gewalt erschütterten Teil Europas die Menschen in Zukunft wieder frei von Angst leben können.
Ich denke, meine Damen und Herren, wenn uns dies zusammen gelingt, können wir alle miteinander ein wenig stolz darauf sein.
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Als nächster spricht der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Wolfgang Schäuble.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung zu. Ich stimme auch dem meisten zu, was in dieser Debatte bisher gesagt wurde - vom Bundesaußenminister, vom Bundesverteidigungsminister und von den anderen Kollegen, denen ich allen für die vorbereitende Arbeit in den Ausschüssen, die gestern getagt haben, danke. Herr Ministerpräsident Schröder, ich stimme auch dem meisten zu, was Sie gesagt haben. Es ist gut, daß diese schwierige und schwerwiegende Entscheidung von einer breiten Mehrheit in diesem Bundestag getragen wird.
Bei aller Hoffnung, daß die Entscheidungen der Bundesregierung und der NATO ihre Wirkung schon getan haben und daß es nicht zu einem Einsatz der Luftstreitkräfte kommen muß, möchte ich dennoch hinzufügen: Es kann natürlich weiterhin dazu kommen. Deswegen möchte ich vor allen Dingen auch den Soldaten der Bundeswehr unseren Dank, unseren Respekt, unsere Unterstützung und unsere Solidarität für ihre Bereitschaft bekunden, Frieden und Menschenrechte in Europa zu verwirklichen und durchzusetzen.
({0})
Ich will in diesen Dank auch ausdrücklich die Soldaten einschließen, die seit Jahren in Bosnien einen wichtigen, gefährlichen und verantwortungsvollen Dienst in hervorragender und beispielgebender Weise tun. Herzlichen Dank!
({1})
Es ist auch richtig, daß wir die Entscheidung heute und damit im 13. Deutschen Bundestag treffen müssen. Ich füge hinzu, Herr Ministerpräsident Schröder: Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dieser Entscheidung im 13. Deutschen Bundestag zu, und sie würde ihr genauso im 14. Deutschen Bundestag zustimmen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
({2})
Deswegen glaube ich auch, daß es richtig und beispielgebend war - ich danke allen Beteiligten dafür -, daß auch in einer Zeit direkt nach einer Bundestagswahl, in der aus Gründen der Verfassung und des Wahlrechts der bisherige Bundestag noch besteht und dessen Verantwortlichkeit gilt, bis der neugewählte Bundestag zusammentreten kann - so steht es im Grundgesetz und im Wahlgesetz; danach müssen erst das Wahlergebnis und die Abgeordnetennamen festgestellt werden; die Fristen müssen eingehalten werden -, die bisherige Bundesregierung und der bisherige Bundestag ihre Verantwortung voll wahrnehmen.
Gleichzeitig haben wir immer gesagt: Wir werden solche Entscheidungen, wie sie heute anstehen, nicht gegen den erklärten Willen derjenigen treffen, die nach dem Ergebnis der Bundestagswahl vom 27. September 1998 im künftigen Deutschen Bundestag die Mehrheit haben. Deswegen haben wir miteinander das so gut geschafft. Das finde ich auch richtig.
Ich möchte allerdings die Bemerkung hinzufügen, damit die Geschäftsgrundlage auch für die kommende Zusammenarbeit - wenn auch in unterschiedlichen Verantwortlichkeiten - klar ist, Herr Kollege Verheugen: Die Art, wie die Darstellung der Abläufe von Ihnen subtil verändert worden ist - so habe ich es gestern in der „Süddeutschen Zeitung" gelesen -, sollten wir gar nicht erst anfangen. Es war nicht die alte Bundesregierung, die etwa von sich aus vorbereitet hatte, daß man in dieser Woche zwar dem NATO-Beschluß, aber nicht einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland zustimmen sollte - so habe ich es gestern in der „Süddeutschen Zeitung" gelesen, und Sie, Herr Verheugen, waren der Informant -; vielmehr war es der Wunsch der künftigen Mehrheit von SPD und Grünen, daß die Bundesregierung so entscheiden möge. So ist es auch nach den Gesprächen in Washington verkündet worden. Es war das Ergebnis unserer gemeinsamen Besprechungen, daß wir am Montag gesagt haben: wir wollen es gemeinsam machen. Das Ergebnis dieser Gespräche jetzt im nachhinein anders darzustellen, das sollte man nicht tun.
Ich danke der Bundesregierung, dem Bundeskanzler, dem Außenminister und dem Verteidigungsminister für ihre klare und verläßliche Haltung.
({3})
- Nein, Sie können es nicht lassen. Ich zeige Ihnen den Artikel gern und lese ihn vor. Ich finde es nämlich, Herr Kollege Verheugen, nicht richtig: Wenn Sie so viele Gemeinsamkeiten haben wollen, gleichzeitig aber nicht hören wollen, welchen weiten Weg Sie in den vergangenen Jahren gegangen sind, wenn Sie nicht hören wollen, wie Sie uns für etwas beschimpft haben, was wir heute gemeinsam für richtig halten, dann sollten Sie wenigstens im nachhinein nicht sagen, daß wir der gegenteiligen Meinung gewesen seien und Sie schon immer recht gehabt hätten. Das geht ein bißchen zu weit.
({4})
Die andere Bemerkung, die ich in aller Ruhe auch noch hinzufügen will: Die CDU/CSU-Fraktion stimmt in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages in ihrer jetzigen Funktion und Verantwortlichkeit der Entscheidung in dieser Sache zu, und sie wird im nächsten Deutschen Bundestag bei gleicher Sachlage bei einer anderen parlamentarischen Aufgabenstellung genauso zustimmen. Aber ich füge hinzu: Im kommenden Deutschen Bundestag werden wir schon darauf achten, daß die Regierung eine eigene Mehrheit auch in solchen Entscheidungen hat - damit auch daran kein Zweifel besteht.
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Ich würde gern noch eine Bemerkung zu der schwierigen Frage machen, deren Beantwortung sich viele Kolleginnen und Kollegen nicht leichtgemacht haben und nicht leichtmachen können: Wie ist es eigentlich mit der Rechtsgrundlage? Vor ein paar Monaten haben sie noch in ähnlichen Debatten gefragt: Wollen Sie notfalls auch ohne Mandat des Sicherheitsrats einschreiten? Wie ist die Abgrenzung?
Ich bin der Überzeugung - auch ich habe mir das nicht leichtgemacht; wir alle haben das, jeder für sich und miteinander, sorgfältig geprüft -: Die Entscheidung der Bundesregierung, der der Bundestag zustimmen soll und der die CDU/CSU-Fraktion zustimmen wird, steht verfassungsrechtlich und völkerrechtlich auf sicherer Grundlage. Ich möchte, daß daran überhaupt kein Zweifel besteht. Ich glaube, daß die Debatte über das Gewaltmonopol - das wir uns wünschen; auch da gibt es keinen Dissens - im Bereich des Völkerrechts ein wenig komplizierter ist. Wir sollten uns da keinen Illusionen hingeben. Wir werden vielleicht in der Zukunft andere, ebenso schwierige Entscheidungen zu treffen haben.
Wir haben in einer Welt, in der die gegenseitigen Abhängigkeiten von Entwicklungen viel stärker geworden sind - Sie haben das Problem der Flüchtlingsströme angesprochen -, eben immer noch nicht und möglicherweise auch auf absehbare Zeit nicht eine Situation, die mit der im demokratischen Rechtsstaat vergleichbar ist, daß nämlich tatsächlich ein Gewaltmonopol und Entscheidungsinstanzen bestehen, die verbindlich mit Mehrheit Entscheidungen treffen können, die von der Minderheit akzeptiert werden, die notfalls durch Gerichte auf die Einhaltung der Grenzen hin kontrolliert werden und die notfalls durchgesetzt werden können, weil der Vollzug solcher Entscheidungen möglich ist. Diese Situation haben wir im internationalen Bereich nicht, und wir werden dort auf absehbare Zeit auch nichts Vergleichbares haben.
Deswegen müssen wir uns bei der rechtlichen Begründung von Entscheidungen, die im Interesse von Frieden und Menschenrechten auf dieser Welt, die unteilbar sind, liegen, im internationalen Bereich um Sorgfalt bemühen und bei unseren Entscheidungen heute schon ein wenig daran denken, was morgen anstehen kann. Daran muß man bei der Begründung jeder Entscheidung denken. Deswegen haben wir früh - dafür bin ich nicht zuletzt dem Bundesverteidigungsminister dankbar - gesagt: Natürlich ist ein klares Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen die beste Lösung - das war immer unstreitig -; es kann aber auch eine Situation eintreten, in der wir ohne rechtlichen Vorbehalt - es hat ja Vorbehaltserklärungen von zwei Ständigen Mitgliedern gegeben - ein solches Mandat nach einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung der Argumente zu erteilen gezwungen sein werden. Wir sollten frühzeitig daran denken, daß wir in solche Entscheidungssituationen kommen können.
Herr Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schuster?
Bitte sehr.
Herr Schäuble, Sie haben vorhin zu Recht auf die fehlenden Infrastrukturvoraussetzungen - Rechtsstaatlichkeit und dergleichen - hingewiesen. Wenn wir den Menschen im Kosovo wirklich helfen wollen, was wir alle wollen, dann wundert mich, daß wir heute ausschließlich den Teil eins beschließen, nämlich die militärische Intervention. Warum beschließen wir nicht auch das, was der zukünftige Bundeskanzler, Herr Schröder, formuliert hat: die Förderung der demokratischen Strukturen der Zivilgesellschaft im Kosovo?
({0})
Wollen wir das mit gleichem Ernst, um wirklich den Menschen zu helfen?
Herr Kollege Schuster, ich glaube, Sie haben mich mißverstanden. Ich habe von dem Problem gesprochen - auch was Sie ansprechen, ist ein Problem -, daß wir den Grad an Zivilisation auch in der Austragung von Konflikten, den wir in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat Gott sei Dank in 50 Jahren erworben haben, im internationalen Bereich nicht haben. Sie sprechen jetzt von der Situation der rechtsstaatlichen Verhältnisse im Kosovo; das ist ein anderes Problem.
Ich gehe auf Ihre andere Frage gleich ein; aber ich wollte doch zunächst einmal sagen, wovon ich gerade rede, falls mir noch jemand zuhören mag. Ich spreche von dem Problem, daß wir im internationalen Bereich unter engen Voraussetzungen, die man sehr sorgfältig prüfen muß, auf den Einsatz von militärischen Mitteln nicht generell verzichten können, um den Frieden zu wahren und die Menschenrechte durchzusetzen.
Das ist die Situation im internationalen Bereich, die sich von der Situation des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats leider noch - und wahrscheinlich noch für lange Zeit - unterscheidet. Zu dieser Situation möchte ich jetzt etwas sagen. Über einer sehr klugen Analyse von Sibylle Tönnies steht in diesen Tagen in einer großen deutschen Tageszeitung die Überschrift: „Wir lassen uns in Ruhe, auch beim Morden." Es geht ja um die Frage: Können wir in die inneren Angelegenheiten, auch in die Rechtsfragen eines Staates eingreifen? Dort ist das Prinzip des Interventionsverbotes gegen die Verwirklichung von Menschenrechten abgewogen worden.
Weil man aber nicht zuletzt aus der Geschichte dieses Jahrhunderts weiß, daß der Schritt zur Störung des Friedens in den internationalen Beziehungen ein kleiner ist, müssen wir bei den völkerrechtlichen Fragen bereit sein, den Frieden und die fundamentalen Menschenrechte zu sichern: durch Integration, durch Regionalisierung, notfalls auch unter Androhung militärischer Gewalt. Eine Drohung macht nur dann Sinn, wenn man im Zweifel auch bereit ist, sie zu realisieren; sonst wird die Drohung leer. Deswegen muß man sich bei jeder Entscheidung über alle Konsequenzen klar sein. Man soll nicht androhen, was man hinterher nicht einhalten kann. Das ist die eigentliche Frage.
({0})
Das geht nur unter engen Voraussetzungen. Darüber haben wir oft gestritten. Wir werden es nur durch Integration schaffen, niemals allein: durch die europäische Einigung, durch das Atlantische Bündnis, durch Berechenbarkeit und Verläßlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als Bündnispartner. Wir haben in diesen Tagen erlebt: Hätten wir Deutschen abseits gestanden, wäre die Chance, daß die Entscheidung des Atlantischen Bündnisses auf Milosevic eine Wirkung erzielt, geringer gewesen. Das war der ausschlaggebende Grund, diese Entscheidung zu treffen.
({1})
Das andere, Herr Kollege Schuster, steht heute nicht zur Abstimmung im Deutschen Bundestag. Dazu ist auch gar kein Antrag eingebracht worden. Vielmehr geht es jetzt nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes um die notwendige konstitutive Zustimmung des Bundestages zu der gegebenenfalls notwendigen Beteiligung deutscher Streitkräfte an den Luftoperationen der NATO, wobei wir hoffen, daß die Drohung damit dazu führt, daß es dazu nicht kommt. Die Drohung funktioniert nur, wenn damit die Bereitschaft verbunden ist, notfalls auch zu handeln. Hier ein möglichst großes Maß an Klarheit zu haben dient dem Frieden, dient den Menschenrechten. Hier ein möglichst großes Maß an Verläßlichkeit zu haben und ein berechenbarer, verläßlicher Bündnispartner zu sein dient dem Frieden der Deutschen unter allen denkbaren Umständen in der Zukunft.
Deswegen danke ich der Bundesregierung und allen, die daran mitgewirkt haben, daß wir heute zu einer Entscheidung kommen, die hoffentlich hilft, daß das Blutvergießen in Europa weniger wird. Die CDU/ CSU-Fraktion wird zustimmen.
({2})
Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Joseph Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir entscheiden heute über die Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz der NATO, von dem wir alle hoffen und heute Gott sei Dank begründet hoffen können, daß er niemals stattfinden muß und niemals stattfinden wird.
Ich will hier aber überhaupt nicht darum herumreden: Für meine Fraktion ist dieses eine sehr schwere Entscheidung. Vor allen Dingen, als es darum ging, diese Entscheidung vorzubereiten, stand noch im Raum, daß die Holbrooke-Mission scheitern könnte und daß wir deswegen hier über nichts Geringeres zu entscheiden hätten als über einen Krieg gegen Serbien. Daß dieses von besonderer Beschwer ist, dafür gibt es nicht nur ethische, sondern auch historische Gründe.
Wir tun dieses unter Rahmenbedingungen, meine Damen und Herren, ganz besonderer Art. Es sind die Rahmenbedingungen eines Übergangs, wo eine alte abgewählte Mehrheit durch die freie Wahlentscheidung des deutschen Volkes durch eine neue Mehrheit abgelöst wird. Diese besonderen Bedingungen werfen eben auch die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in diesem Übergangsprozeß auf.
Ich möchte mich hier auch beim Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel und seinen Mitarbeitern ganz besonders für die vertrauensvolle Unterrichtung in jeder Phase dieses Prozesses und für die gute Zusammenarbeit bedanken.
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Ich möchte nachdrücklich um Unterstützung für das Ja zum Abkommen werben, das Richard Holbrooke in Belgrad erreicht hat. Dieses Abkommen eröffnet noch nicht die Möglichkeit eines Friedens; dazu bedarf es der politischen Lösung. Aber dieses Abkommen eröffnet den Weg, ohne den Einsatz von Gewalt zu einer friedlichen, dauerhaften Lösung zu kommen. Andererseits müssen wir feststellen, daß dieser Weg ohne die Androhung von Gewalt nicht eröffnet worden wäre. Das macht heute unseren Widerspruch aus. In diesem Widerspruch müssen und werden wir heute entscheiden.
Für uns ist aber völlig klar: Bei einer Entscheidung, bei der es um Krieg und Frieden geht, vor allen Dingen in einer solchen Situation des Übergangs, hat es sich um eine Entscheidung zu handeln, die jeder einzelne vor sich verantworten muß. Deswegen geben wir die Abstimmung frei.
Für uns ist es wichtig - das macht die Entscheidungsgrundlage für uns gewiß nicht einfacher; aber wir schauen optimistischer auf die Entwicklung im Kosovo -, daß es keine Selbstmandatierung der NATO in dieser Frage gibt. Ich möchte ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, Herr Bundesaußenminister, daß Ihre heutige Erklärung, es handle sich um eine Notfallsituation, um eine Ausnahmesituation, nicht um einen Präzedenzfall, für uns ebenfalls von großer Bedeutung ist. Wir unterstützen nachdrücklich die Position, daß wir jetzt eine UN-Resolution mit einer eindeutigen, klaren Rechtsgrundlage brauchen.
Wir begrüßen es, daß die Umsetzung des Abkommens vor Ort überwacht wird: erstens durch unbewaffnete Luftfahrzeuge, durch Überwachungseinheiten der westlichen Allianz in der Luft und zweitens durch OSZE-Beobachter. Wir unterstützen nachdrücklich die Haltung, daß sich daran auch Deutschland beteiligen sollte.
Wir begrüßen ebenfalls nachdrücklich, daß in jeder Phase dieses Prozesses versucht wurde, Rußland einzubinden. Wir begrüßen ebenfalls die Erklärung der russischen Regierung, daß sie sich an der Umsetzung der jetzt gefundenen Vereinbarungen umfassend beteiligen wird. Ich denke, das ist eine gute Kontinuität in dieser Frage. Ich bin sehr froh, wenn es zu einer erfolgreichen Umsetzung dieses Abkommens kommt.
({1})
Meine Damen und Herren, reden wir doch nicht darum herum! Ich habe für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kollegen Kinkel gedankt. Aber tun Sie doch nicht so, als wenn sich nicht auch Teile bzw. einzelne Kollegen der Koalitionsfraktionen, als wenn sich nicht auch die Bundesregierung diese Entscheidung aus ähnlichen Gründen, wie wir sie haben, unendlich schwer gemacht hat, weil natürlich ein Negativszenario, ein Szenario, das auf einen Krieg, auf einen Militärschlag hinausläuft, unüberschaubare Konsequenzen für Frieden und Sicherheit in Europa gehabt hätte.
Es ist doch völlig klar: Wir alle sind dafür, daß wir uns nicht in Richtung einer Selbstmandatierung der NATO bewegen, sondern daß wir zur klaren Grundlage des Gewaltmonopols - ich danke Gerhard Schröder an dieser Stelle für seine eindeutige Aussage - der UN und ihres Sicherheitsrates in den internationalen Beziehungen zurückkehren.
({2})
Tun Sie doch nicht so, als ob Ihnen dies in der Bundesregierung keine Probleme bereitet hätte. Ich finde es gut und richtig, daß es so war. Ich sehe darin kein Defizit, sondern finde es für eine demokratische Regierung überaus positiv, daß die noch von Ihnen getragene Bundesregierung im Interesse Deutschlands bis zum letzten Augenblick um den politischen Standpunkt, aber auch um den Rechtsstandpunkt - angesichts der Widersprüche, die wir alle nur zu gut kennen - gerungen hat.
Insofern werden wir, auch auf dieser Grundlage, heute eine notwendige Entscheidung zu treffen haben. Es ist allerdings eine Entscheidung, die mir - das füge ich persönlich hinzu - im Lichte der heutigen Entwicklung nicht mehr so schwerfällt, die aber im Lichte eines nicht erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen von Holbrooke die schwerste gewesen wäre - ich nehme an, da spreche ich für viele KolJoseph Fischer ({3})
leginnen und Kollegen -, die wir je zu treffen gehabt hätten.
({4})
Denn - auch das möchte ich hinzufügen -: In unserer Diskussion haben natürlich auch der mögliche Einsatzbefehl und die Rolle, die die deutschen Streitkräfte dabei in der ersten Welle zu spielen gehabt hätten, eine große Bedeutung gehabt. Auch das will ich an diesem Punkt hier offen ansprechen.
Dennoch ist die andere Seite völlig klar: Die andere Seite ist - das steht in der Sicherheitsresolution 1199, das ist für uns ein bedeutender Punkt -, daß von der Politik der Bundesrepublik Jugoslawien Gefahr für Frieden und Sicherheit in der Region ausgeht. Das bitte ich alle, die meinen, diesem Einsatz nicht zustimmen zu können, einmal zu Ende zu denken. Was würde es denn unter dem Gesichtspunkt Wahrung des Friedens heißen, wenn die internationale Staatengemeinschaft den Druck nicht aufgebaut hätte?
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Wir wären bestenfalls in eine Situation - „bestenfalls" klingt hier zynisch, weil es viele unschuldige Opfer, vor allen Dingen unter den Kosovo-Albanern, bedeuten würde - wie in Bosnien hineingelaufen. Schlimmstenfalls würde es einen großen Krieg bedeuten.
Das Problem ist doch nicht nur die humanitäre Katastrophe, so schlimm sie auch ist. Das Problem ist, daß von der Politik der Bundesrepublik Jugoslawien, von der Politik Milosevic' - ich sage nicht: von der des serbischen Volkes, sondern von der Milosevic' - eine dauerhafte Kriegsgefahr in Europa ausgeht. Diese Kriegsgefahr können wir nicht akzeptieren. Das ist der entscheidende Punkt.
({6})
Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die nicht zustimmen wollen, dieses zu bedenken.
Es geht hier nicht um eine - wovon auch immer getragene - Interventionssucht. Es geht hier nicht darum - ich sage das denen, die jetzt meinen, in der Öffentlichkeit mit Strafanzeigen arbeiten zu müssen -, Angriffskriege und ähnliches im Stil nationalstaatlicher Hybris und nationalstaatlicher Hegemonialpolitik vorzubereiten. Vielmehr geht es darum, ebensolches zu verhindern, darum, eine rational nicht mehr erklärbare, ethisch nicht mehr verantwortbare, eine auf agressivem Nationalismus beruhende Politik Belgrads in die Schranken zu weisen - oder wir bekommen dort letztendlich einen großen Balkankrieg, den Europa nicht zulassen kann und darf, wenn wir ein Interesse am Frieden haben.
({7})
Das war - neben den menschenrechtlichen und ethischen Gründen - der Grund, der mich seinerzeit meine Position zu Bosnien hat ändern lassen. Ich appelliere nochmals an alle, egal, welcher Fraktion sie zugehören, zu bedenken, daß wir dies in Europa nicht zulassen dürfen. Wenn wir die Lehre aus unserer Geschichte und aus der blutigen ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gelernt haben, dann darf es in Europa keine Kriegstreiberei mehr geben: von niemandem und aus welchen Gründen auch immer.
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Eine politische Lösung wird sehr schwierig werden. Das weiß die jetzige Bundesregierung, das wissen wir alle. Die Situation ist anders als in Bosnien. Die Mehrheit der Kosovo-Albaner hat ein anderes politisches Ziel, nämlich die Unabhängigkeit, als die übergroße Mehrheit des serbischen Volkes.
Es wird notwendig sein, hier auf Frieden ausgerichtete Spielregeln und ein friedliches Zusammenleben durchzusetzen. Ich unterstütze nachdrücklich die Durchsetzung des Autonomieabkommens, den Versuch, hier einen gemeinsamen Weg zu eröffnen.
Aber machen wir uns nichts vor: Diese ganzen Konflikte werden entweder von uns gemeinsam, von der Europäischen Union und der westlichen Staatengemeinschaft, ins 21. Jahrhundert hinein, also in die europäische Integration, geöffnet, oder sie werden auf blutige und hochgefährliche Art und Weise im nationalistischen Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet bleiben und dann auch auf ähnliche Art und Weise ausgetragen - was Europa nicht zulassen kann. Deswegen werden wir für alle beteiligten Völker eine politische Lösung brauchen, die nach Europa führt. Das wird für das wiedervereinigte Deutschland eine besondere Verantwortung, auch in materieller Hinsicht, bedeuten.
Aber ich möchte hier die Menschen in Belgrad nochmals nachdrücklich dazu auffordern, zu begreifen, daß es ein Irrweg ist, auf einen aggressiven Nationalismus zu setzen, sondern daß der Weg des serbischen Volkes - genauso wie der aller anderen Völker in Europa - ein Weg in die gemeinsame Zukunft Europas sein muß. Wir sind bereit, diesen Weg mit zu tragen, mit zu gestalten und mit zu öffnen, auch für die anderen beteiligten Völker.
Meine Damen und Herren, es gilt heute zu entscheiden. Die Entscheidung muß getroffen werden angesichts vieler Bedenken: Rechtsbedenken, politischer Bedenken, Bedenken hinsichtlich einer drohenden Gefahr für unschuldige Opfer und eines Weitertreibenlassens dieses Prozesses. Wir müssen jetzt, in dieser Übergangsphase, als Bundesrepublik Deutschland handlungsfähig sein. Ich denke, wir sind handlungsfähig. Milosevic jetzt aus dem Druck herauszulassen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn es zum Holbrooke-Abkommen nicht gekommen wäre, halte ich nicht für verantwortbar. Deswegen werden meine Freundinnen und Freunde und ich dem Antrag der Bundesregierung zustimmen.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich keine seiner außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen, die er in der Nachkriegsgeschichte getroffen hat, leichtgemacht. Aber wenn wir einmal auf alle Kontroversen zurückblicken - das wird auch für die heutige gelten -: Er hat mit Mehrheiten - im Bewußtsein und in Kenntnis der deutschen Geschichte in diesem Jahrhundert - immer richtige und glückliche Entscheidungen getroffen. Das gilt im übrigen auch für eine Entscheidung, die wir gemeinsam zu Beginn dieser Legislaturperiode sehr kontrovers diskutiert haben, nämlich den ersten Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des NATO- Gebietes und ihre Stationierung im früheren Jugoslawien. Ich will heute daran erinnern, weil wir ja so vergeßlich geworden sind, was es damals hier für Kontroversen gab. Wenn wir nun alle Reden gehört haben, dann kann sich die jetzige Koalition, die amtierende Bundesregierung in ihrer damaligen Argumentation bestätigt fühlen. Ja, mehr noch: Es ist nicht nur nicht zu einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik gekommen; die deutschen Soldaten sind dort heute ausdrücklich willkommen.
({0})
Welcher Aufwand an Argumentation ist damals hier getrieben worden!
Die Bundeswehr hat dort Hervorragendes geleistet. Bevor wir jetzt die Entscheidung treffen, müssen wir wissen: Wir können sie auch treffen, weil wir uns auf deutsche Soldaten mit Maß und Ziel verlassen können. Den deutschen Soldaten gebührt unser Dank.
({1})
Wir entscheiden jetzt erneut in einer schwerwiegenden Frage; das will ich hier gar nicht juristisch abhandeln und vor dem Hintergrund des Völkerrechts hin- und herdiskutieren. Sie alle, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, entscheiden heute mit dem Blick auf das Elend, die Not, den Hunger, die Flüchtlingsströme und eine desolate Situation im Kosovo über das Schicksal von Menschen in diesem Gebiet. Natürlich entscheiden wir mit der Hoffnung, daß es am Ende nicht zum Ernstfall kommt. Aber wir wissen, daß es überhaupt nicht zu einer Verhandlungslösung gekommen wäre, wenn nicht die Bereitschaft der NATO bestanden hätte, notfalls mit militärischen Mitteln einzugreifen, um Menschen helfen zu können.
({2})
Das ergibt sich aus allen Dokumenten, die man lesen kann, und aus allen Verhandlungsberichterstattungen, die Holbrooke gegeben hat. Selbst wer sich die nicht zugänglich machen kann, kann im Gesicht von Herrn Milosevic ablesen, daß er nur reagiert hat, weil wir ihn dazu gezwungen haben.
Hans-Peter Schwarz hat einmal formuliert, daß sich die Deutschen völkerrechtlich, moralisch und strategisch klare Verhältnisse wünschen. Und er hat hinzugefügt, daß sich die Wirklichkeit diesen ordentlichen Erwartungen leider nicht immer so fügt, wie das ordentlichen Leuten wünschenswert erscheint. - Diese Lage haben wir nun. Wir alle hätten lieber - niemand sollte drumherumdiskutieren - ein eindeutiges Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Auf dessen Grundlage wäre uns die heutige Entscheidung leichter gefallen. Dies liegt in der Form einer klassischen Mandatierung nicht vor. Aber das Unvermögen des Sicherheitsrates, das Gewaltmonopol in diesem Fall einzusetzen, das ist die rauhe Wirklichkeit. Völkerrecht - so stellen wir fest, wir haben es auch damals schon festgestellt - trägt sich nicht von selbst; es bedarf kluger politischer Entscheidungen, die dazu verhelfen, es auch durchzusetzen. Deshalb kommen wir um diese Entscheidung nicht herum. Die Eindringlichkeit der Lageschilderung, die durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen gegeben worden ist, kontrastiert - das erfahren wir doch - mit dem Impetus der Entscheidungsfindung, die die Mitglieder des Sicherheitsrats nun bevorzugen.
Eines ist doch wahr: Es sind dort doch nicht alle von dem moralischen Impetus getragen, ein Problem durch Ausübung des Gewaltmonopols zu lösen, sondern es gibt dort auch Entscheidungsträger, die sich nicht nach den Zielen und dem moralischen Impetus der Charta der Vereinten Nationen richten. Jeder weiß und kann beobachten, daß staatliche Repräsentanten für ihre Entscheidungen vielfältige Gründe haben.
Nun komme ich auf einen entscheidenden Punkt zu sprechen, meine Damen und Herren: Das ist keine Frage der Quantitäten. Viele sagen ja, daß 200 000 Menschen noch nicht ausreichen, um politischen Zielen zum Durchbruch zu verhelfen, sondern es mindestens 500 000 sein müssen. Nein, unserer Entscheidungsfindung muß auch zugrunde liegen, daß das Menschenrecht eines einzelnen schon unendlich viel gilt und er Anspruch hat, daß wir es verteidigen.
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Mich bewegt nicht, wenn jemand einwendet, daß es in anderen Teilen der Welt noch größere Probleme gibt. Wir können abends auf den Fernsehbildschirmen Genozide in anderen Staaten hautnah erleben; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß es im Kosovo 290 000 Flüchtlinge und 90 000 Personen gibt, die anscheinend im Freien campieren, daß es ein Massaker mit 14 Toten, darunter eine Frau und ein Kind, gegeben hat und von einem weiteren berichtet wird. Es ist nicht auszuschließen, daß der serbische Präsident nicht innehält, wenn wir ihm nicht klar entgegentreten. Diese Entscheidungsgrundlagen dürfen in einer Demokratie nicht beiseite geschoben werden können. Deshalb ist für mich die Erörterung, ob das klassische Mandat des Sicherheitsrates vorliegt, ob man es wieder zurückholen kann, ob eine Selbstmandatierung der NATO vorliegt, zwar wichtig, aber nicht entscheidend.
Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn sich regionale Faustrechte entwickeln und Menschenrechte
in Regionen so verletzt werden, daß es zu humanitären Katastrophen kommen kann, weil das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen nicht ausgeübt werden kann. Die Nichtausübung des Gewaltmonopols der Vereinten Nationen kann das Gegenteil dessen bewirken, was wir durch die völkerrechtliche Festschreibung des Gewaltmonopols erreichen wollten. Diese Argumentation muß einer Aussprache im Deutschen Bundestag zugrunde gelegt werden können. Es geht nicht nur um die Frage, ob es legal ist und ob eine Mandatierung in klassischer Form vorliegt. Jeder weiß, daß wir heute nicht den Königsweg gehen werden. Aber dieser Weg ist verantwortbar. Es ist meine tiefe innere Überzeugung, daß die Androhung von Gewalt gegen Milosevic und notfalls auch die Ausübung von Gewalt gegen sein System in dieser außerordentlichen Situation legitim sind - ich benutze bewußt diesen Ausdruck. Allein darum geht es!
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Die Situation ist so ernst, daß die internationale Gemeinschaft reagieren muß. Wir wissen, daß sich die Lage auf eine humanitäre Katastrophe zubewegt und es noch viel schlimmer kommen kann. Es ist kein Willkürakt der NATO, wenn sie, wie auch der Deutsche Bundestag, sagt, wir wollen nicht, daß Menschen leiden, frieren, flüchten oder verhungern müssen, weil einige Staatsoberhäupter nicht in der Lage sind, die Trümmer ihrer eigenen Geschichte zu beseitigen, und Menschenrechte verletzen oder wiederum andere, die aufgerufen werden, vom Gewaltmonopol über den Weg der klassischen Mandatierung Gebrauch zu machen, das aus ganz anderen Beweggründen nicht wollen. Deshalb haben die Menschen einen Anspruch darauf, daß ihnen der Deutsche Bundestag sagt, wie ihnen geholfen werden könnte. Hier geht es ja nicht um eine isolierte deutsche Entscheidung, sondern wir befinden uns im Verein mit anderen Demokratien in einer großen Staatengemeinschaft und sind einer breiten, weltweiten öffentlichen Akzeptanz sicher - weit über die NATO-Staaten hinaus. Das ist der Hintergrund für die Entscheidung, die wir zu treffen haben. Die Lebenswirklichkeit, so lernen wir, ist komplizierter als das Völkerrecht und auch vielschichtiger. Sie läßt aber in diesem Fall keine andere Entscheidung zu als die, die zu beschließen wir uns hier anschikken.
Letztendlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, stehen wir doch hier vor der Frage, wie wir uns gegenüber Diktatoren verhalten, die die fundamentalsten Rechte ignorieren und Übergriffe auf die Bevölkerung zulassen. Diese Fragestellung kann hier nicht ausgeklammert werden, auch wenn wir Deutsche immer wieder den Versuch machen müssen, vom Gewaltmonopol her zu denken. Aber in dieser außergewöhnlichen Situation hilft mir keine Rechtskonstruktion. Vielmehr geht die internationale Gemeinschaft, die weit mehr Staaten als die NATO- Staaten umfaßt, davon aus, daß augenblicklich gehandelt wird. Die NATO selbst weiß, daß ein möglicher Einsatz zu einer weiteren Destabilisierung der regionalen Strukturen führen könnte. Gleichzeitig waren aber die Verhandlungsmöglichkeiten erschöpft, und nur die Bereitschaft, notfalls das letzte Mittel einzusetzen, eröffnet die Chance, Menschen zu schützen. Angesichts dieser außergewöhnlichen Situation kann ich für mich keine andere Entscheidung treffen, als der Beschlußvorlage der Bundesregierung zuzustimmen. Das gilt auch für den überwiegenden Teil meiner Freunde in der F.D.P.-Fraktion.
Meine Damen und Herren, wir beschließen hier als Ultima ratio über ein militärisches Eingreifen im Ernstfall, wobei wir davon ausgehen und hoffen, daß es nicht nötig sein wird, und von dem wir wissen, daß es am Ende Probleme nicht dauerhaft lösen kann. Das ist jedem klar. Aber wir können heute darauf nicht verzichten, wenn Menschen im wahrsten Sinne des Wortes in ihrer physischen Existenz bedroht sind. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es bei der heutigen Entscheidung. Darüber muß sich jeder klar sein.
Für die Serben gilt, daß wir gerne mit ihnen in der internationalen Gemeinschaft den europäischen Weg gehen würden. Dieses Land ringt um seine inneren Strukturen. Es gibt dort Menschen, die dieses System nicht nur für überflüssig halten, sondern die dieses Systems auch überdrüssig sind. Es gibt dort Repression und Pressezensur. Es gibt dort in der Staatsführung nicht den Katalog europäischer kultureller Verhaltensweisen, den wir uns angeeignet haben. All das ist nicht vorhanden.
Trotzdem haben wir heute die Hoffnung, daß dies mehr und mehr entsteht und daß wir es in Zukunft statt mit Vertretern dieses Regimes, das jetzt im Kosovo hoffentlich zum Einlenken bewogen werden kann, mit Repräsentanten zu tun haben, die mit uns durch die Schaffung von Demokratie, die Einhaltung von Menschenrechten und Minderheitenrechten einen europäischen Weg, den Weg zurück in die internationale Völker- und Staatengemeinschaft, gehen wollen. Diesen Repräsentanten sollten wir die Hand reichen. Dies sollten wir heute mit unserem Beschluß auch deutlich machen. Denn es muß klar sein, daß es bei diesem Beschluß nicht darum geht, jemanden zu vernichten, sondern darum, Menschen zu helfen. Es gibt keinen wichtigeren Grund für einen Abgeordneten bzw. für eine Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sich im Lichte dieser Erwägungen zu überwinden und sich dem humanitären Anliegen dieser Beschlußlage mit großem Impetus anzuschließen.
Deshalb erkläre ich für die Fraktion der F.D.P.: Man muß keine Abstimmungen freigeben. Abstimmungen sind immer frei.
({5})
Aber im Vorfeld von Abstimmungen, Herr Kollege Fischer, muß man seine Überzeugungen vertreten. Dann hat man das legitime Recht, auf Kolleginnen und Kollegen einzuwirken, mit einem den eigenen Weg zu gehen.
({6})
Wir haben dies früher getan als Sie. Daß auch Sie heute dazu übergehen, respektiere ich. Es wäre besser gewesen, Sie hätten dies schon früher getan.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Ich möchte zunächst noch Kritik an der Sitzung selbst üben. Ich will jetzt nicht verfassungsrechtlich argumentieren, sondern verfassungspolitisch. Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland hat am 27. September 1998 einen neuen Bundestag gewählt. Das amtliche Endergebnis liegt seit dieser Woche vor. Hier verhandelt ein abgewählter Bundestag, während der neugewählte nicht zusammengerufen wurde, obwohl es natürlich möglich gewesen wäre, Konstituierung und Sachentscheidung miteinander zu verbinden.
({0})
Ich werde das Gefühl nicht los, daß man der neuen Mehrheit, insbesondere den Grünen, damit einen Gefallen tun wollte, dergestalt, noch nicht die Mehrheit zu sein und deshalb noch nicht in ihrer neuen Funktion entscheiden zu müssen. Ich halte das für völlig illegitim. Ich bin der Meinung, man hätte für diese Entscheidung den neugewählten Bundestag zusammenrufen müssen, auch, um ihn nicht mit der Entscheidung eines Bundestages zu binden, der bereits abgewählt ist.
({1})
Zweitens. Wie Sie alle schätzen auch wir die Situation im Kosovo als höchst kompliziert ein. Ich habe mehrfach gesagt - und wiederhole dies -: Auch ich gehe davon aus, daß Milosevic und damit die Regierung in Jugoslawien die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Situation im Kosovo trägt, insbesondere deshalb, weil 1989 das Autonomiestatut für den Kosovo aufgehoben worden ist und damit dort eine Vielzahl von Problemen entstanden ist, die sich nun in jeder Hinsicht zugespitzt haben.
Nur, wenn wir alle das so sehen, dann müssen wir doch folgende Frage zulassen: Was hat die NATO, was hat die internationale Staatengemeinschaft, was hat die Bundesregierung, was haben wir alle in den Jahren seit 1989 real getan, um die Situation im Kosovo zu stabilisieren und den dort lebenden Menschen einen anderen Status zu geben, als sie ihn gegenwärtig haben? Nicht einmal in Dayton ist darüber ernsthaft verhandelt worden. Das ist eine Tatsache.
({2})
Jetzt haben wir es mit der Situation zu tun, daß sich dort eine militärische Macht in Form der UCK herausgebildet hat, die nicht die Autonomie anstrebt, sondern die Abspaltung und Unabhängigkeit. Das ist doch nichts Neues in der Geschichte. Ich kenne keinen Fall, in dem die Zentralregierung auf solche Art von Gewalt nicht ihrerseits mit Gewalt geantwortet hat, um die Abspaltung und die Unabhängigkeit eines Teils des Landes zu verhindern.
Ich erinnere Sie an die diesbezüglichen Auseinandersetzungen in Nordirland, als nicht nur von den Nordiren, die eine Loslösung von Großbritannien wollten, Gewalt angewandt wurde, sondern auch von der Zentralregierung. Dieselbe Situation hatten wir im Baskenland und - noch viel schlimmer - in Tschetschenien, als die russische Regierung sogar gebombt hat, ohne daß hier jemand auf die Idee gekommen wäre, daß wir uns mit der Androhung oder gar dem Einsatz von militärischer Gewalt einzumischen hätten.
Noch viel schlimmer ist die Situation bei einem NATO-Partner, in der Türkei: Seit Jahren findet dort ein Krieg gegen das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes statt, ohne daß es überhaupt jemanden in diesem Bundestag gegeben hätte, der dafür gewesen wäre, dies seitens der NATO oder der Bundesrepublik Deutschland mit der Androhung oder der Anwendung militärischer Gewalt zu beantworten.
({3})
So schlimm die Situation im Kosovo auch ist: Niemand hier kann bestreiten, daß die Situation in Afghanistan noch tausendmal schlimmer ist, ohne daß irgend etwas ernsthaft unternommen wird, um diese Situation zu verändern. Ich finde, dies macht die ganze Sache mit dem moralischen Stempel so unglaubwürdig: wenn man so unterschiedliche Maßstäbe anlegt, je nach Land, je nach Regierung, je nach Nähe, oder dies von der Frage abhängig macht, ob man besonders viele Flüchtlinge oder besonders wenige Flüchtlinge befürchtet, und deshalb das Eigeninteresse im Vordergrund steht und nicht die Interessen der Menschen in anderen Ländern.
({4})
Es ist hier darauf hingewiesen worden, daß das Ganze der Verhinderung einer humanitären Katastrophe dienen soll. Ich will in diesem Zusammenhang nicht völkerrechtlich argumentieren, was den Begriff anbetrifft. Es gibt eine solche Katastrophe, und sie kann noch schlimmer werden. Nein, was mich in diesem Zusammenhang stört, ist: Wie reagieren wir denn auf diese Katastrophe? Mit der Androhung der Militärgewalt durch die NATO wurden die Hilfskräfte in der Bundesrepublik Jugoslawien und im Kosovo aufgefordert, das Land zu verlassen, damit sie durch einen Militärschlag nicht getroffen werden. Das heißt: Wir helfen, indem wir erst einmal die Hilfskräfte abziehen. Der Außenminister hat sich hier beim Haushaltsausschuß bedankt, daß die Mittel für einen Militärschlag sofort zur Verfügung gestellt worden sind. Wo sind denn die Mittel für Zelte? Wo sind die Mittel für Medikamente? Wo sind die Mittel für Lebensmittel? Nichts davon ist beantragt worden. Das Ganze unter „Humanität" laufen zu lassen und diesbezüglich im Antrag nichts zu erwähnen, das ist, wie ich finde, höchst unglaubwürdig.
({5})
Ferner sage ich folgendes: Die PDS war immer gegen den internationalen Einsatz der Bundeswehr Dr. Gregor Gysi
aus politischen, moralischen, aber auch aus vielen historischen Gründen. Das war lange Zeit auch überwiegend Auffassung in der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen. Herr Fischer hat in der Zeitschrift „Die Woche" vom 30. Dezember 1994 folgendes ausgeführt.
Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, daß die Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen oder Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber den militärischen Optionen der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und die Humanitätsfrage.
So das Zitat von Joseph Fischer. - Ich bin der Meinung, es hat eine entsprechende Entwicklung stattgefunden.
({6})
Wir haben immer vor der Militarisierung der Außenpolitik gewarnt. Es wird heute so schnell an Militär gedacht und so selten an andere Wege und Möglichkeiten, daß dies nicht nur in Europa, sondern weltweit verheerende Folgen hat. Wenn man nämlich internationale Beziehungen und Außenpolitik so militarisiert, dann entsteht doch der Eindruck, daß Einfluß nur der militärisch Starke hat. Das führt dann zum Beispiel in Pakistan und Indien zu der Überlegung, daß man überhaupt nur politischen Einfluß hat, wenn man selber über Atomwaffen verfügt. So kommt weltweit eine Militarisierung der internationalen Beziehungen und der Außenpolitik zustande. Deshalb waren wir immer dagegen; früher auch andere.
Nun sind die meisten hier einen anderen Weg gegangen. Herr Voigt wirft uns vor, daß wir auf unserem Weg geblieben sind. Bloß, Kollege Voigt, eines sage ich ebenfalls: Wenn wir auch jetzt noch die Positionen vertreten, die Sie früher auch einmal vertreten haben, sollten Sie uns dafür nicht gar so sehr beschimpfen.
({7})
Das ist auch eine große Kritik an Ihrer eigenen Entwicklung. Vielleicht ist es gar nicht so unvernünftig, daß wir bei Positionen geblieben sind, die Sie auch einmal vertreten haben. Heute sind Sie von diesen Positionen weit weg.
({8})
Wir glauben, daß das der falsche Weg ist. Man kann dazu eine andere Auffassung haben, und eine wachsende Mehrheit in diesem Bundestag - auch im nächsten Bundestag - hat dazu eine andere Auffassung. Aber auch für die Befürworter eines internationalen Einsatzes der Bundeswehr war bisher immer eines klar: Es muß völkerrechtlich legitimiert sein. Wenn Herr Gerhardt sagt, die völkerrechtliche Frage interessiere ihn nicht so sehr, dann kann ich nur erwidern: Das ist ein kreuzgefährlicher Weg. Es ist in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta geregelt, daß alle Mitgliedsländer der Vereinten Nationen sowohl die
Androhung als auch die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen zu unterlassen haben. Gerade in bezug auf die Androhung wird hier ständig so getan, als sei sie ein völlig legitimes Mittel, obwohl nach der UN-Charta schon die Androhung von militärischer Gewalt verboten ist. Darüber wird hier schon gar nicht mehr diskutiert. Und die Anwendung von Gewalt ist dann erst recht verboten.
In der Charta sind zwei Ausnahmen geregelt, nämlich der Fall von Selbstverteidigung, auch kollektiver Selbstverteidigung, und der Fall, daß der Frieden gefährdet ist, der Weltsicherheitsrat dies feststellt und selbst beschließt, militärische Gewalt anzudrohen oder anzuwenden. Das darf aber ausschließlich der Weltsicherheitsrat. Es besteht da ein Gewaltmonopol, und das wissen Sie.
In Art. 39 der UN-Charta heißt es dazu: Der Sicherheitsrat
- nicht die NATO stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er
- nicht die NATO gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.
Der Sicherheitsrat hat sich befaßt. Er hat zwei Resolutionen verabschiedet und hat aus guten Gründen auf die Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt verzichtet. Er hat am Schluß seiner letzten Resolution gesagt: Wir bleiben damit befaßt; wir werden weitere Berichte zur Kenntnis nehmen, und wir werden entscheiden, ob wir weitere Maßnahmen treffen. Deshalb liegt natürlich eine Selbstmandatierung und sogar eine Verletzung dieser Resolution vor,
({9})
wenn die NATO dann, ohne daß der Sicherheitsrat sich damit beschäftigt hat und ohne daß er weitere Maßnahmen beschlossen hätte, sagt: Wir legen fest, welche Maßnahmen zu beschließen sind. - Das verletzt nicht nur das allgemeine Völkerrecht, sondern auch diese spezielle Resolution. Damit begeben wir uns auf eine Stufe mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die diese Resolution ebenfalls nicht einhält.
({10})
Ich möchte noch etwas dazu sagen. Es ist doch nichts Neues, daß UN-Resolutionen nicht eingehalten werden. Aber das war schon bei Israel so; das war beim Irak so; das war bei Südafrika so; das war in Zypern so. Noch niemand ist auf die Idee gekommen, daß dann, wenn eine Resolution nicht eingehalten wird, ein anderer als der Sicherheitsrat das Recht hat, zu entscheiden, welche Maßnahmen dann zu treffen sind. Und diese Maßnahmen hat der Sicherheitsrat - und zwar abgewogen - in aller Regel getroffen. Jetzt sagen wir: Gerade weil er dazu nicht in der Lage ist, übernehmen wir als NATO und als BunDr. Gregor Gysi
desrepublik Deutschland das selbst. Wer das vertritt, kann sich doch nicht mehr hier hinstellen und behaupten, das sei kein Präzedenzfall. Ob etwas ein Präzedenzfall ist oder nicht, entscheidet doch nicht derjenige, der das macht, sondern das wird von den anderen Ländern auf der ganzen Welt entschieden. Sie wissen, daß es in fast allen Ländern ethnische Minderheiten gibt; überall gibt es Menschenrechtsverletzungen. Ja, was glauben Sie denn, was andere Staaten, von denen Minderheiten in dritten Staaten leben, in Zukunft sagen werden? Sie können fragen: Wieso soll denn der UN-Sicherheitsrat dafür zuständig sein? Wir sehen dort Menschenrechtsverletzungen, und deshalb werden wir militärisch eingreifen und damit auch angreifen. - Den Präzedenzfall dafür hat die NATO geschaffen, und ihn schafft heute der Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, wenn Sie mit Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zustimmen.
Herr Kollege Gysi, Ihre Redezeit ist um.
Sie können es nicht leugnen: Sie ändern die völkerrechtliche Weltordnung, wie sie nach 1945 in der UN-Charta festgelegt wurde. Man kann in bezug darauf über eine Änderung nachdenken. Aber Sie ändern diese Weltordnung, ohne daß Sie eine neue hätten. Damit schaffen Sie einen Präzedenzfall, der den Sicherheitsrat, insbesondere China und Rußland, entmachten soll - mit katastrophalen Folgen für die künftigen internationalen Beziehungen. Und grundgesetzwidrig ist es nach Art. 26 auch, genauso wie es auch strafbar ist nach § 20 Strafgesetzbuch.
Ja, es geht um einen möglichen Krieg gegen Serbien. Dafür wird heute ein Vorratsbeschluß gefaßt. Ich halte das für indiskutabel und für den falschen Weg. Hingegen wird die humanitäre Hilfe, die dringend erforderlich wäre, nicht geleistet.
({0})
Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Rudolf Scharping.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Beschluß, den wir heute fassen werden, verfolgen wir ein Ziel. Das Ziel, das wir verfolgen, ist, bedrohten Menschen in einer katastrophalen Situation so gut zu helfen, wie wir es eben vermögen. Das Ziel ist, den Druck in einer Situation aufrechtzuerhalten, die ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern auf Grund langer Entwicklungen entstanden ist. Dieser Druck ist leider notwendig, zum einem als Ausdruck einer klaren Haltung und eines festen Willens, zum anderen angesichts der schlechten Erfahrungen, die wir gemacht haben.
Wir haben nämlich mit Blick auf die aktuelle Situation im Kosovo festzuhalten, daß der Rückzug der serbischen Polizeieinheiten, Spezialkräfte und Streitkräfte zwar zugesagt, aber nicht durchgeführt ist, daß von den 13 000 dort stationierten Soldaten immer noch 10 000 im Kosovo sind, davon 3 000 dieser besonders berüchtigten Spezialkräfte. Das ist die schlechte internationale Erfahrung, die man mit der Regierung Milosevic sammeln mußte und für die es viele, leider schreckliche Beispiele gibt.
Deshalb sollten wir in dieser Diskussion das Ziel nicht vergessen, das wir mit unseren Entscheidungen, mit unserem Handeln in der internationalen Staatengemeinschaft und mit der internationalen Staatengemeinschaft verfolgen. Denn unsere schlechte Erfahrung ist ja nur die Kehrseite von bitterem Leid und von besonders schrecklichen Erfahrungen der Menschen, die unter dem skrupellosen Verhalten der Regierung Milosevic leiden müssen.
Die Sache ist ernst, für uns, für die internationale Staatengemeinschaft. Aber ganz besonders ernst ist sie für jene Menschen, die vertrieben worden sind, die mit Mord bedroht werden, die in den Wäldern hausen müssen, bedroht von Hunger, Krankheiten und anderen schweren Beeinträchtigungen ihrer Lebenschancen. Wer in einer solchen Debatte dieses Ziel aus dem Auge verliert und instrumentell diskutiert, der begibt sich auf eine schiefe Ebene.
({0})
Im übrigen: Wir sollten bei dieser Diskussion nicht vergessen, daß mit der Aufrechterhaltung notwendigen, auch militärisch untermauerten Drucks das Ziel noch längst nicht erreicht ist. Die Entwicklung der letzten Tage hat deutlich gemacht - auch das entspricht den gemachten Erfahrungen -, daß sich die Regierung Milosevic zu einem einigermaßen akzeptablen Handeln nur bewegen läßt, wenn es diesen Druck gibt. Also wird er auch für die Zukunft aufrechterhalten bleiben müssen, damit überhaupt eine Chance besteht, die eigentliche Aufgabe zu lösen
({1})
und das eigentliche politische Ziel zu verwirklichen, das hinter dieser Entscheidung steckt, nämlich den Albanern im Kosovo eine Autonomie innerhalb des jugoslawischen Staatsverbandes zu ermöglichen, die ihre Menschenrechte, ihre kulturelle Identität, ihr Selbstbestimmungsrecht ernst nimmt und auf diese Weise verhindern hilft, was ja als Gefahr auch nicht übersehen werden darf, daß nämlich in dieser Region Europas ein neues, ein gewalttätiges, ein von Terror erschüttertes „zweites Nordirland" entstehen könnte.
({2})
Deshalb wird es jetzt darauf ankommen, ein Abkommen durchzusetzen - und dann dauerhaft die Einhaltung dieses Abkommens zu gewährleisten - und den Weg hin zu diesem Ziel schrittweise zu ermöglichen.
Das Ziel einer Autonomie für die Albaner im Kosovo und im jugoslawischen Staatsverband kann nicht erreicht werden ohne verantwortungsbewußtes Handeln auf beiden Seiten: sowohl auf der Seite der Bundesrepublik Jugoslawien wie auf der Seite der Kosovo-Albaner. Deshalb sollten wir bei dieser Entscheidung immer mitbedenken und im Auge behalten, daß es darum geht, zivile, demokratische, rechtsstaatliche Entwicklungen und die sie tragenden Kräfte in der Bundesrepublik Jugoslawien zu unterstützen.
({3})
Es geht nicht allein darum, mit einer militärischen Drohung einen Konflikt einzudämmen, sondern auch darum, mit Hilfe dieser Drohung eine für die Zukunft tragfähige Lösung des Konfliktes zu ermöglichen.
({4})
Deshalb wird es unsere Aufgabe sein, neben allem notwendigen Handeln der Staaten und der Staatengemeinschaft dafür zu sorgen - jedenfalls mitzuhelfen -, daß zivile, demokratische, rechtsstaatliche Entwicklungen in der Bundesrepublik Jugoslawien möglich werden.
({5})
Auf der anderen Seite wird es darum gehen, mit Blick auf manche Kräfte unter den Kosovo-Albanern mit derselben Deutlichkeit, mit derselben festen Haltung und mit demselben klaren Ziel zu sagen: Auch auf dieser Seite ist jede Form der Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele inakzeptabel und wird auf den gleichen entschiedenen Widerspruch der internationalen Staatengemeinschaft stoßen.
({6})
In dieser Debatte sind einige Bemerkungen gemacht worden, die ich mit ein paar, wie ich hoffe, weiterführenden Überlegungen verbinden möchte. Wenn man sagt, man wolle nichts tun, dann ist auch das ein Präzedenzfall. Wenn man sich auf die Position zurückziehen wollte, daß die Rechtsgrundlage des Eingreifens eine schwierige, jedenfalls hinterfragbare Rechtsgrundlage ist, und deshalb zu dem Ergebnis kommt, in dieser Situation nichts tun zu wollen, dann setzt man ein Signal auch für künftige internationale, innerstaatliche, sich zwischen Bevölkerungsgruppen entwickelnde Konflikte. Dann ist auch das Nichthandeln ein Präzedenzfall und eine Ermutigung für jene, die sich darauf berufen könnten.
({7})
Wenn also in dieser Debatte die Befürchtung geäußert wird, hier könnte gewissermaßen in einer unzulässigen Dehnung von rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der internationalen Staatengemeinschaft - in diesem Falle der Vereinten Nationen und der NATO - ein Präzedenzfall geschaffen werden, den andere mißbrauchen könnten - hier ist unter anderem Rußland erwähnt worden, was ich im übrigen für eine höchst problematische Erwähnung halte; aber das nur nebenbei -,
({8})
dann würde das Nichthandeln genau jenen Präzedenzfall kreieren, der jetzt befürchtet wird.
Wenn gesagt wird, daß die Charta der Vereinten Nationen in ihrer rechtlich nicht zu bezweifelnden Verfassung eine solche Handlungsmöglichkeit nicht eröffnet, dann muß man das im Zusammenhang mit der drohenden humanitären Katastrophe sehen, die mit unserem Handeln verhindert werden soll. Im übrigen werden wir uns für die Zukunft - auch da will ich deutlich machen, daß die eigentliche Aufgabe erst in der Zukunft liegt - mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob man mit der Charta der Vereinten Nationen, ob man mit international respektierten oder auch reklamierten Grundsätzen von der universellen Geltung der Menschenrechte, ob man mit dem vorhandenen Instrumentarium, das aus der Zeit des kalten Krieges und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt, noch in der Lage sein wird, anderen, völlig veränderten Konfliktlagen innerhalb von Staaten und zwischen Staaten gerecht zu werden.
({9})
Dahinter steckt das notwendige Ziel, daß man diesem Handeln schrittweise die notwendige Verrechtlichung folgen lassen muß; denn sonst würde man das Ziel, das wir verfolgen, außer acht lassen.
({10})
Ich will noch einen dritten Hinweis geben: Ich bitte doch sehr darum, in einer solchen Diskussion einen Anspruch, zum Beispiel den der universell geltenden Menschenrechte und der daraus folgenden Verantwortung, nicht mit der Reichweite unserer Möglichkeiten zu verwechseln, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich habe den Eindruck, daß einige unter uns so argumentieren, als würde die begrenzte Reichweite der Möglichkeit, Verantwortung wahrzunehmen, uns von der Verantwortung selbst entbinden. Das präzise Gegenteil ist der Fall!
({11})
Gerade wenn man erkennt, daß man mit dem Anspruch universell geltender Menschenrechte, mit dem Anspruch von Humanität, der Förderung von Demokratie Politik gestalten will, ist man verpflichtet, die bittere Erkenntnis begrenzter Möglichkeiten zur Wahrnehmung dieser Verantwortung nicht als Entschuldigung dafür mißzuverstehen, die gesamte Verantwortung zur Seite zu legen, sondern wenigstens die begrenzten Möglichkeiten zu nutzen, um der Verantwortung gerecht zu werden, die sich aus unserem Anspruch ergibt.
({12})
In diesem Teil der Debatte drücken sich ganz ernste Fragen aus. Diese Fragen wiederum kann man vermutlich mit Blick auf ein Ziel ernster, hoffnungsvoller und zielbewußter beantworten.
Es wird notwendig sein, nicht nur zu unterstützen, was es an rechtsstaatlichen und demokratischen Bewegungen und Möglichkeiten in der Bundesrepublik Jugoslawien genauso wie auf der Seite der KosovoAlbaner gibt. Es ist hier schon gesagt worden - ich will das unterstreichen -, daß man den Weg nach Europa offenhalten muß. Ich füge hinzu, daß dieser Weg nicht allein von Staaten beschritten werden kann. Manchmal schleicht sich ja in einer solchen Diskussion in den geistigen Hintergrund das Mißverständnis förmlich ein, der Weg nach Europa sei nur der Weg einer mehr oder weniger staatlichen Integration, untermauert von ökonomischen Interessen. Das wird aber nicht reichen.
Wenn es beispielsweise nicht gelingt - was in der Debatte meiner Fraktion eine große Rolle gespielt hat -, einen kulturellen Dialog zu eröffnen, die Möglichkeiten des Austausches auch auf den Ebenen gesellschaftlicher Gruppen und kommunaler Selbstverwaltung, so sie sich dort und andernorts entwickelt, zu verbessern, wenn es nicht gelingt, auch den Dialog zwischen Muslimen, die sich als aufgeklärt empfinden, Christen, die mit einem vergleichbaren Anspruch ihr Leben zu gestalten suchen, und orthodoxen Christen zu eröffnen, dann könnte sich herausstellen, daß die innere Qualität eines Prozesses, der als Zusammenschluß von Staaten mit ökonomischer Basis und sonst nichts mißverstanden wird, dem es also an politischer und geistiger Kraft mangelt, zum Scheitern der Integration und des Dialogs führt.
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Ich denke, solche Bemerkungen gehören hinzu.
Ich will noch eine Bemerkung machen, die sich mit der hier und da deutlich werdenden Skepsis auseinandersetzt, das, was wir heute entscheiden, könnte zu einer Schwächung internationaler Organisationen führen.
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Wenn wir als Bundesrepublik Deutschland konsequent jenen zur Seite treten, die ein sogenanntes Durchsetzungsmandat der Vereinten Nationen anstreben, dann läßt sich in diesem Prozeß auch eine Stärkung der Vereinten Nationen erreichen.
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Wenn wir einbeziehen, daß die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Überwachung eines Abkommens mit dem Abzug der Truppen, einem Waffenstillstand und der humanitären Versorgung der Bevölkerung übernimmt, und zwar unter Beteiligung Rußlands, dann ist das ein mehr als deutlicher Hinweis darauf, daß es eben nicht um einen Ausschluß oder eine Brüskierung Rußlands oder eine Ignoranz gegenüber der internationalen Bedeutung Rußlands geht, sondern ganz im Gegenteil darum, Rußland so gut wie irgend möglich in diese Entwicklung einzubeziehen und dabei gleichzeitig die OSZE zu stärken. Das kann gelingen, wenn man sich dem Ziel widmet, das hier beschrieben worden ist.
Schließlich: Mit Blick auf die Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen, von gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Prozessen sollten wir das alles nicht geringschätzen.
Meine letzte Bemerkung gilt den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Sie sind in diesen Prozeß besonders einbezogen - zum einen, weil man von ihnen die Erfüllung einer Pflicht erwartet, und zum anderen, weil in dieser Erwartung der Erfüllung einer Pflicht ein enorm hohes Risiko für die beteiligten Menschen stecken kann. Niemand von uns sollte die Illusion haben, mit dieser Entscheidung oder mit dem Abkommen und seiner Überwachung sei der Prozeß schon zu Ende. Ganz im Gegenteil: Es werden schwierige, von außerordentlichen Risiken geprägte Situationen auf uns zukommen. Gerade deshalb ist es wichtig - das ist ja heute mehrfach gesagt worden -, daß der Deutsche Bundestag diesen Auftrag an die Soldaten, der mit einem hohen Risiko verbunden sein kann, mit großer Gemeinsamkeit unterstützt und im übrigen den Soldaten mit dieser Unterstützung noch etwas anderes signalisiert, nämlich daß die Menschen, von denen wir einen besonderen Beitrag zur Gewährleistung von Sicherheit erwarten und denen wir diesen Auftrag geben, in innerstaatlichen politischen Diskussionen die gleiche Sicherheit und Verläßlichkeit erhalten. Das ist eine Frage der Gegenseitigkeit.
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Ich will sehr deutlich sagen, daß es Aufgabe und Ziel der neuen Bundesregierung sein wird, es als Prinzip durchzusetzen, daß jene Menschen, von denen wir einen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes und in den internationalen Beziehungen fordern, vom Parlament und von der Regierung ebenfalls Sicherheit und Verläßlichkeit für ihren eigenen Auftrag fordern können. Das wollen wir gewährleisten.
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß eine kleine persönliche Bemerkung. Ich erinnere mich sehr gut, daß sich meine vermutlich erste Rede als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion nach der Haushaltsdebatte 1994 mit genau diesen Themen auseinanderzusetzen hatte. Ich erinnere mich an streitige Abstimmungen und an schwierige und mit großem Ernst geführte Diskussionen im Parlament, aber auch in meiner eigenen Bundestagsfraktion. Mit Blick auf die Zukunft und auch mit Blick auf das Handeln der künftigen Bundesregierung will ich sagen, daß der in großen Schwierigkeiten und mit großer Ernsthaftigkeit erreichte Konsens in den Grundlagen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik auch in der Zukunft bewahrt werden sollte. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, weil er nach draußen, zu unseren Freunden und Partnern etwas signalisiert, nämlich Verläßlichkeit, Festigkeit und Stetigkeit in den ausRudolf Scharping
wärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und in der Wahrnehmung des Teils der Verantwortung, der sich für Deutschland daraus ergibt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Scharping.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Glos.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einen Satz zur ganz linken Seite dieses Hauses sagen. Der Vertreter der SED, die sich jetzt PDS nennt, hat vorhin gesprochen.
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Ich erinnere mich nicht, daß die SED 1968 ein Mandat gefordert hat, als es um die Intervention in der damaligen Tschechoslowakei ging.
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Der Deutsche Bundestag hat heute eine ernste und wichtige Entscheidung zu treffen. Es geht um die Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Unser politisches Ziel muß sein: Retten von Menschenleben und Beenden menschlichen Leidens. Deswegen ist Deutschland aufgefordert,
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im Bündnis seinen gleichgewichtigen Beitrag zu leisten, der Gewalt im Kosovo wirksam Einhalt zu gebieten.
Die aktuellen Zusagen des Herrn Milosevic ändern nichts an der Notwendigkeit, daß wir heute über die Teilnahme deutscher Soldaten an NATO-Operationen zu entscheiden haben. Bis Milosevic seinen Worten überprüfbare Taten folgen läßt, bis die Rückkehr der Flüchtlinge Realität ist, muß er wissen, daß die NATO jederzeit handeln kann und daß die Deutschen im Rahmen der NATO ihren Beitrag leisten werden. Dabei geht es ganz sicher nicht um eine Militarisierung unserer Außenpolitik, wie es uns früher immer unterstellt worden ist. Wir stehen vor der aktuellen Aufgabe, unser außenpolitisches Handeln in der Kosovo-Krise glaubwürdig zu untermauern. Wir müssen gleichermaßen das Vertrauen unserer Partner in die Verläßlichkeit Deutschlands erhalten. An dieser Verläßlichkeit hat es bisher nie Zweifel gegeben, und ich hoffe, daß das auch in der Zukunft so bleibt.
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Die Lage im Kosovo ist eindeutig. Die Resolution 1199 des UN-Sicherheitsrates stellt klar: Das bisherige Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte gegen die albanische Bevölkerung gefährdet den Frieden in dieser Region. Damit ist der Konflikt im Kosovo keine innere Angelegenheit Serbiens oder Jugoslawiens mehr. Wir stehen vor der wichtigen Entscheidung, angesichts des Leidens der Menschen im Kosovo die Kraft zum Handeln aufzubringen, um bestenfalls - das wünschen wir uns sicherlich alle - nicht handeln zu müssen.
Zu Recht hat der amerikanische Präsident Clinton - er ist heute schon zitiert worden, und ich möchte es noch einmal tun - darauf hingewiesen, daß „die Friedhöfe des Balkans voll sind von den gebrochenen Versprechen Milosevics".
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Deshalb darf und kann es keine Entwarnung für Herrn Milosevic geben. Der glaubwürdige Druck muß erhalten bleiben.
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Wir begrüßen die positive Entwicklung, die sich in den Verhandlungen zwischen dem amerikanischen Vermittler und der jugoslawischen Führung ergeben hat.
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Diese Verhandlungen lassen hoffen, daß es zu einer politischen Lösung kommt, die dauerhaft eine regionale Autonomie des Kosovo innerhalb Rest-Jugoslawiens gewährleistet. Diese erfreuliche Chance ist ganz offensichtlich auf eine Tatsache zurückzuführen: Die NATO hat unmißverständlich deutlich gemacht, bereit zu sein und auch entschlossen zu handeln. Das hat letztendlich den Durchbruch zu dieser politischen Lösung eröffnet.
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Einmal mehr war es gut, daß unsere amerikanischen Freunde und Verbündeten die Initiative ergriffen haben. Die USA haben in gebotener Weise Führung und Verantwortung übernommen. Ich hatte unlängst Gelegenheit, mit dem bis vor drei Wochen zuständigen Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa und damit auch in Bosnien, General Eric Shinseki, zu sprechen, der früher im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben zweimal in meinem Wahlkreis stationiert war. Er hat mir von der Schwierigkeit berichtet, die Aufgabe dort zu erfüllen. Ich habe ihn gefragt: Herr General, was war eigentlich das Allerschwierigste? Darauf antwortete er: Das Allerschwierigste war die Aufgabe, den Delegationen des amerikanischen Kongresses, die uns besucht haben, zu erklären, warum hier amerikanische Steuergelder eingesetzt werden müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns überhaupt nichts vor: Es wäre verheerend für uns und unsere Zukunft gewesen, wenn deutsche Besatzungen aus den Awacs-Flugzeugen hätten aussteigen müsMichael Glos
sen und wenn sich deutsche Soldaten und Offiziere aus den Einsatzstäben hätten zurückziehen müssen. Deswegen danke ich auch an dieser Stelle unseren amerikanischen Verbündeten, daß sie immer treu zu uns und treu zu Europa standen. Ich freue mich deswegen, daß heute, wie ich hoffe, vom gesamten Bundestag - bis auf die ganz linke Seite - ein Signal der Verläßlichkeit ausgeht.
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Erfolg und Wert des Atlantischen Bündnisses hängen entscheidend von seiner Geschlossenheit und von seiner Entschlossenheit ab. Deshalb war es richtig und notwendig, daß die Bundesregierung auch zwischen Bundestagswahl und Regierungsbildung Beschlüsse gefaßt hat. Die noch amtierende Regierung hat Verantwortung übernommen, entschlossen entschieden und ihre Pflicht wahrgenommen. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich im Namen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion.
Wenn sich das Atlantische Bündnis in diesem Fall zum Handeln entschließt, entspricht es fundamentalen deutschen Interessen, wenn Deutschland von Anbeginn dieser Operation - und wenn sie nur eine Operation der glaubhaften Drohung war - seinen gleichgewichtigen Anteil leistet. Gerade im Interesse unserer Soldaten ist es wichtig, daß heute alle demokratischen Parteien des Deutschen Bundestages ganz breit einem möglichen Einsatz zustimmen.
Ich habe mich über die Rede des Vertreters der Grünen und wohl künftigen Außenministers unseres Landes gefreut. Wenn ich an viele Debatten zurückdenke, die wir hier geführt haben, stelle ich fest, daß er einen sehr weiten Weg gegangen ist. Ich erinnere mich an dieser Stelle an die Debatte über den Einsatz deutscher Tornados zur Beendigung des elenden Völkersterbens in Bosnien. Damals war vieles noch ganz anders. Ich will mir verkneifen, aus den damaligen Reden von führenden grünen Politikern zu zitieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deutsche Soldaten haben in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl von Einsätzen zur Erhaltung und Schaffung des Friedens ganz Herausragendes geleistet. Ich möchte mich bei diesen Soldaten bedanken.
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Ich weiß von einem Besuch und Gesprächen mit deutschen Soldaten in Sarajevo, aber auch in Mostar - mit Soldaten auch aus meinem Wahlkreis, die ich dort getroffen habe -, daß die schlimmen geschichtlichen Ereignisse, die uns, wenn es um den Balkan geht, natürlich immer wieder begleiten, offensichtlich aber eine geringere Rolle spielen, als wir befürchtet haben. Die Soldaten haben mir gesagt, sie seien auch zum Beispiel in der Republika Srpska angesehen, weil sie Friedensbringer sind und weil ohne Hilfe von außen der Frieden dort nicht möglich gewesen wäre.
Ebenso klar sage ich: Im deutschen Interesse wäre es auch, wenn die neue Regierungskoalition in dieser wichtigen Entscheidung geschlossen aufträte. Ich halte an dieser Stelle von der Freigabe der Abstimmung nicht sehr viel. Das würde sehr ernste Fragen aufwerfen. Wir werden - das hat Wolfgang Schäuble gesagt - auch künftig, wenn die Verantwortung noch klarer definiert ist, darüber wachen, daß sich diejenigen, die vom Wähler die Mehrheit bekommen haben, geschlossen zum Handeln entschließen. Man kann nicht die vermeintlichen Sonnenseiten der Regierung in Anspruch nehmen und sich um das Unangenehme, das auch dazu gehört, letztendlich drücken wollen. Wie glaubwürdig wir als Deutsche insgesamt sind, wie glaubwürdig aber auch Herr Joschka oder Joseph Fischer als Außenminister ist, wird heute von seiner eigenen Fraktion abhängen, und zwar davon, inwieweit sie ihm Gefolgschaft gewährt bzw. inwieweit sie ihm Gefolgschaft verweigert.
Wir machen in der heutigen Sitzung mit unserem Abstimmungsverhalten deutlich, daß auf die CDU/ CSU-Fraktion Verlaß ist. Auf die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war in den Zeiten Verlaß, in denen wir die Regierungsverantwortung getragen haben. Es wird auch in der Zeit Verlaß auf uns sein, in der wir als Opposition eine wichtige Rolle für unser Land wahrnehmen.
Ich bedanke mich herzlich und bitte um die Zustimmung zu dieser Vorlage.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludger Volmer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag befindet sich in einem Entscheidungsdilemma.
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Er befindet sich im Widerspruch zwischen der Legitimität und der Legalität eines Militäreinsatzes.
Es kann keinen Zweifel darin geben, daß es überfällig war, den boshaftesten Despoten in Europa, der Krieg gegen sein eigenes Staatsvolk führt, es entwurzelt, in die Wälder treibt und ermorden läßt, in seine Schranken zu verweisen, um eine humanitäre Katastrophe noch größeren Ausmaßes zu verhindern. Es kann aber auch nicht bezweifelt werden, daß die notwendige völkerrechtliche Grundlage für ein Eingreifen der NATO nicht gegeben ist. Das Fehlen eines Sicherheitsratsbeschlusses kann nicht durch andere Rechtskonstruktionen aufgewogen werden.
Mein Respekt gilt allen, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion, die sich ihre Entscheidung im Spannungsverhältnis von Völkerrecht und Bündnissolidarität nicht leichtgemacht haben und aus humanitären Motiven dem Einsatz nun zustimmen. Denselben Respekt aber verlange ich für diejenigen, die dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen werden, weil sie in der Umgehung des Völkerrechts einen gefährlichen PräzeLudger Volmer
denzfall sehen, der mittelfristig mehr Schaden anrichten kann, als er kurzfristig Probleme löst.
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Machen wir uns nichts vor: Die Argumentation, es handele sich um eine Ausnahme und nicht um einen Präzedenzfall, ist Augenwischerei. Jede beliebige Regionalmacht, die in Zukunft in ihrer Nachbarschaft Ordnung schaffen will und nur eine halbwegs zutreffende UNO-Resolution anführen kann, wird auf das Beispiel verweisen. Der Selbstmandatierung von Militärbündnissen ist Tür und Tor geöffnet; ein Sicherheitsrat, der immer dann umgangen wird, wenn ein Veto droht, ist als Garant des UNO-Gewaltmonopols außer Kraft gesetzt. Es ist ja kein Geheimnis, daß eine solche Entwicklung gerade dort Anhänger hat, wo die Verfügung über mächtige Militärapparate Anlaß zu der Überlegung gibt, ob man denn die Macht mit zahlreichen anderen ärmeren, schwächeren Ländern im Rahmen internationaler Organisation teilen soll, wenn man stark genug ist, den eigenen Willen jederzeit überall durchsetzen zu können.
Ich selber gehöre zu denen, die dem Antrag nicht zustimmen werden, weil sie daran glauben, daß das Recht des Stärkeren auch international durch die Stärke des Rechts ersetzt werden muß. Nur eine Verdichtung und Verbreiterung des Völkerrechts, nur die Stärkung des UNO-Gewaltmonopols durch entsprechende Mandate und Ressourcen wird dazu beitragen, nicht seine Aushöhlung.
Nun wenden einige ein, daß das Recht auf dem Balkan nach Lage der Dinge nur durch Waffen erzwungen werden könne. Nicht allen, die das formulieren, nehme ich die Ernsthaftigkeit des Arguments ab. Warum sind denn auch von NATO-Staaten die Sanktionen gegen Milosevic unterlaufen worden? Warum wurde der jugoslawischen Fluggesellschaft so spät und unvollständig das Landerecht entzogen? Ich kann nicht begreifen, wie jemand einen Kampfauftrag für die NATO ohne UNO-Mandat befürwortet, der nicht einmal bereit war, Jugoslawien die Teilnahme an der Fußballweltmeisterschaft zu verwehren. Alle Fachleute sind sich einig, daß eine solch scheinbar läppische Maßnahme für den größenwahnsinnigen Diktator eine empfindlichere Schmach gewesen wäre, die ihm eher die Sympathie seiner Bevölkerung entzogen hätte, als die geplanten Bombardierungen.
Zu erinnern ist auch daran, daß die bündnisgrüne Bundestagsgruppe bereits 1991 in einem Antrag auf die Gefährlichkeit der Situation im Kosovo hingewiesen hat. Anläßlich des Dayton-Abkommens forderten wir, den Kosovo-Konflikt mit zu lösen. Das hielt man aber nicht für nötig. Wenn heute über Militäreinsätze entschieden wird, dann sollen das diejenigen verantworten, die unsere frühen Mahnungen nicht ernst genommen haben, schlimmer noch, die der Kosovo nur unter der Fragestellung interessierte, wie sie die Kosovo-Flüchtlinge wieder zurückschicken könnten.
Wir diskutieren heute unter dem Eindruck der Verhandlungserfolge. Diese Erfolge sind ausdrücklich zu begrüßen. Es wird die Aufgabe der kommenden
Regierung sein, sie zu untermauern. Aber man kann nicht sagen: Ende gut, alles gut. Erstens ist der Konflikt nicht zu Ende, und zweitens hat mir niemand die Frage beantworten können, was denn nach den ersten Bombardements gekommen wäre. Eine Invasion mit Bodentruppen? Ein Krieg, der die gesamte Region erfaßt hätte? Ein Wiedererstarken von Milosevic und die totale Unterdrückung der Opposition? Eine gestärkte UCK, die nun ihrerseits Terror verbreitet?
Das Dilemma jeder Abschreckungspolitik besteht darin, ein Übel anzudrohen, das schlimmer ist als das aktuelle, und den festen Willen zu haben, es auch eintreten zu lassen. Es scheint, als seien wir davongekommen; aber wir waren nahe dran.
Um so wichtiger ist es in der Zukunft, in der internationalen Politik alles zu tun, was solche Zuspitzungen unterbinden kann. Dies ist auch der Grund, warum wir Grünen uns an dieser Frage nicht zerstreiten werden; denn wir sind uns einig, daß auch in der deutschen Politik Mechanismen gestärkt werden müssen, die bereits bei der Konfliktentstehung ansetzen: Frühwarnsysteme und eine Verstärkung krisenpräventiver Maßnahmen, wie die OSZE sie anbietet. Solange diese Mittel nicht ausprobiert und ausgereizt werden, wird ein Militäreinsatz bei uns immer auf wenig Verständnis stoßen. Das ist der Grundsatz grüner Außenpolitik.
Wir freuen uns darauf, diese Elemente der Konfliktprävention und Konfliktbeilegung mit friedlichen Mitteln in einer neuen Regierung weiterentwickeln zu können mit einem Außenminister Fischer, der dafür meine und die volle Unterstützung unserer Fraktion haben wird.
Danke.
({2})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Irmer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ort, an dem wir heute tagen - das Wasserwerk -, aber auch die Ausführungen meines Vorredners Volmer rufen in mir Erinnerungen an Debatten wach, die wir hier im Hause geführt haben, als es zum ersten Mal darum ging, daß eine deutsche Beteiligung an internationalen militärischen Einsätzen verlangt wurde.
In der Tat müssen wir uns noch einmal daran zurückerinnern, daß wir die deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung unseres Landes neu orientieren mußten. Das war nicht einfach. Wir waren bis zur deutschen Einheit Frontlinienstaat. Es gab zwei deutsche Staaten in den Vereinten Nationen. Wir konnten mit einem gewissen Recht eine Sonderrolle für uns in Anspruch nehmen, auch mit Blick auf die jüngere deutsche Geschichte.
Als aber die Einheit erreicht war, als ein Deutschland Mitglied der Vereinten Nationen war, als der Ost-West-Konflikt überwunden war, da haben unsere Bündnispartner mit Recht gefragt: Warum wollt
ihr euch denn auf einen Sonderweg begeben, in dem ihr allein euch verweigert, wenn als - wohlgemerkt - immer nur allerletztes Mittel der Einsatz oder die Androhung militärischer Gewalt unausweichlich geworden ist, um schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhüten?
Ich kann die neue Mehrheit nur dazu beglückwünschen, wie lernfähig sie in den letzten Jahren gewesen ist. Wir sind hier bezichtigt worden, wir betrieben eine Militarisierung deutscher Außenpolitik. Wir haben immer darauf Wert gelegt festzustellen, daß das natürlich absoluter Unsinn ist; denn wir haben immer betont, daß wir den Einsatz von Militär nur für legitim halten, wenn er wirklich unausweichlich zur Wahrung von Menschenrechten ist. Dabei bleibt es.
({0})
Wir haben insofern eine Umorientierung unserer Außenpolitik vornehmen müssen. Aber wir haben zugleich Kontinuität gewahrt, indem wir nämlich den Weg der alten Bundesrepublik Deutschland weitergegangen sind: Einbindung in unsere Bündnissysteme, in die Weltordnung, in die vom Recht der Vereinten Nationen geprägte Weltlage.
Wir haben immer sagen müssen - und wir sagen das weiterhin -: Es darf keine deutschen Alleingänge geben. Das gilt nicht nur im Sinne von Abenteuern und von deutschem Sonderweg auf Grund neuerworbener eigener Kraft. Nein, wir dürfen auch keine Sonderwege gehen, wenn es darum geht, internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Wir dürfen auch dann keine Sonderwege gehen, wenn uns das wie heute schwierige und schwierigste Entscheidungen abverlangt.
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Ich kann der neuen Bundesregierung nur wünschen und hoffe, daß dieser Weg auch in Zukunft nicht verlassen wird. In der schwierigen Lage nach der deutschen Einheit hat die scheidende Bundesregierung die entscheidenden Weichenstellungen für die notwendigen Veränderungen, aber auch für die Wahrung der Kontinuität eingeleitet. Sie ist dabei von den Regierungsfraktionen inhaltlich voll unterstützt worden.
Ich danke der Bundesregierung für das, was sie hier geleistet hat. Ich wünsche der neuen Bundesregierung, daß sie die Kraft und vor allem auch die innere Geschlossenheit aufbringt, diesen Weg nicht zu verlassen, der nämlich allein dazu beitragen kann, daß Deutschland auch weiterhin nicht nur eine wichtige, sondern auch eine geachtete Rolle in der Welt spielen kann.
Ich bedanke mich.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Verheugen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um noch einmal auf den Kern der Frage zurückzukommen, um die es heute geht, die Entscheidung über die Beteiligung deutscher Streitkräfte an einem Einsatz von NATO- Luftstreitkräften, den wir alle nicht erhoffen, aber mit dem wir rechnen müssen, muß noch eine Frage beantwortet werden. Wir wollen heute etwas entscheiden, wissen aber nicht, ob diese Entscheidung tatsächlich dazu führt - hoffen, daß sie nicht dazu führt - daß es zu diesem Einsatz kommt: Wie lange hat diese Entscheidung Bestand? Können wir hier einen Beschluß fassen, der eine unbegrenzt lange Wirkung entfaltet?
Ich möchte deshalb für meine Fraktion sehr deutlich sagen, daß der Beschluß, den wir heute fassen, kein Vorratsbeschluß ist, der bedeutet, daß man in vier, sechs, acht oder zwölf Wochen dann gegebenenfalls darauf zurückkommen kann, sondern daß nur für eine sehr überschaubare Zeit der Bereitschaftsstatus, den die NATO mit unserer gemeinsamen Unterstützung eingenommen hat, aufrechterhalten werden kann und daß in absehbarer Zeit eine Entscheidung darüber fallen muß, ob dieser Zustand aufrechterhalten wird oder nicht. Wenn sich dann die Krise erneut verschärfen sollte, ist ein neuer Entscheidungsprozeß innerhalb der NATO und auch innerhalb von Bundesregierung und Bundestag notwendig.
Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung, die heute getroffen wird, keinen militärischen Automatismus auslöst. Man hat falsche Darstellungen gelesen, als sei es folgendermaßen: Wenn wir dem, was heute hier vorliegt, zustimmen, heißt das, daß der NATO-Oberbefehlshaber, wann immer er es für richtig hält, auf den Knopf drücken kann, und dann geht es los. So ist die NATO nicht.
Es ist sehr wichtig, festzuhalten, daß alle einzelnen Schritte, jede einzelne Entscheidung, die noch getroffen werden muß, bis zur allerletzten Einsatzentscheidung unter vollständiger politischer Kontrolle steht, daß jederzeit die politische Möglichkeit gegeben ist, einen Prozeß anzuhalten oder ihm eine andere Richtung zu geben. Diese Möglichkeit hat auch die jeweilige deutsche Bundesregierung. Das ist vielleicht für diejenigen hilfreich, die Bedenken haben, weil sie nicht wissen, wie mit dem Instrument, das wir heute der NATO zur Verfügung stellen, tatsächlich umgegangen wird.
Im übrigen sind für mich aus dieser Debatte drei weiterführende Fragen hervorgegangen, die ich kurz skizzieren möchte. Die erste und wahrscheinlich wichtigste ist in der Tat die Frage nach der völkerrechtlichen Entwicklung. Wir haben jetzt mitten in Europa eine Situation, bei der der Inhaber des Gewaltmonopols das, wozu er eigentlich verpflichtet ist, aus Gründen, die ich nicht näher untersuchen möchte, nicht tun kann. Es ist dargestellt worden, das es intensive Bemühungen gegeben hat, ein eindeutiges und klares Mandat der Vereinten Nationen mit Erzwingungsermächtigung herbeizuführen. Rußland hat sich dem verweigert.
Ich will übrigens an die Adresse unserer russischen Partner sagen, daß diese Haltung nicht ganz verständlich ist. Gerade wenn Rußland vermeiden will, daß gefährliche Präzedenzfälle entstehen - das ist die russische Position, meine ist es nicht -, gerade dann wäre es im russischen Interesse gewesen, mit den anderen Sicherheitsratsmitgliedern möglichst viel Gemeinsamkeit zu zeigen und gemeinsam daran zu arbeiten, daß eine Resolution zustande kommt; dann hätte Rußland nämlich die Sicherheit, daß nur auf der Grundlage von klaren Mandaten gehandelt werden kann.
Ich fürchte also, daß die russische Haltung in erster Linie nicht von Rücksicht auf die Vereinten Nationen bestimmt ist, sondern daß es sich um Interessen handelt, die Rußland auf dem Balkan verfolgt und die nicht dazu geeignet sind, eine schnelle und friedliche Lösung der Balkankonflikte herbeizuführen. Da werden wir in den Kontakten mit unseren russischen Kolleginnen und Kollegen in den nächsten Monaten sicherlich noch eine Menge zu tun haben.
Die zweite Frage ist, ob die völkerrechtlichen Grundsätze weiterentwickelt werden können. Das ist der Fall bei dem Grundsatz der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Hier hat sich das Völkerrecht bereits weiterentwickelt. Vor 15 Jahren wäre selbst die Resolution 1199, auf die wir uns heute stützen, nicht möglich gewesen, weil die Vereinten Nationen eine solche Resolution damals unter dem Gesichtspunkt der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten nicht hätten fassen können. Da hat es im Laufe der letzten zehn Jahre eine bemerkenswerte Entwicklung gegeben. Es ist wichtig, festzuhalten, daß das Völkerrecht heute auf einem Stand angekommen ist, der besagt, daß systematische Menschenrechtsverletzungen in einem Land dem Tätigwerden der internationalen Gemeinschaft nicht deshalb entgegenstehen, weil es sich um die innere Angelegenheit dieses Landes handelt. Dieser Stand ist bereits erreicht.
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Wie handelt man in einer solchen Notfallsituation, wie wir sie jetzt haben, wenn der eigentliche Inhaber des Gewaltmonopols handlungsunfähig ist? Herr Kinkel hat in seiner Regierungserklärung gesagt, das, was hier vorgeschlagen werde, sei rechtlich vertretbar. Das ist eine Formel, die ich als die unterste Möglichkeit dessen bezeichne, was man als eine dem Recht verpflichtete Regierung dem Deutschen Bundestag - rechtlich vertretbar - noch vortragen kann. Also müssen wir in den nächsten Jahren daran arbeiten, daß die humanitäre Intervention, die Möglichkeit, humanitäre Katastrophen abzuwenden, auf eine völkerrechtliche Grundlage gestellt wird, die den jeweiligen Außenminister nicht in die Lage bringt, sagen zu müssen, es sei rechtlich vertretbar, sondern in die Lage bringt, zu sagen: Das ist das Völkerrecht, das es uns erlaubt, in einem solchen Fall tätig zu werden.
Die dritte weiterreichende Frage bezieht sich auf die Konfliktlösung auf dem Balkan selbst. Wir müssen die Balkankonflikte im Zusammenhang sehen.
Es ist immer ein Fehler, einen dieser Konflikte isoliert zu betrachten, so wie es falsch war, Bosnien oder Kosovo isoliert zu betrachten. Wir müssen die Auswirkungen auf Albanien, auf Makedonien und auf alle Nachfolgestaaten der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien sehen. Und da gibt es Auswirkungen. Die Antwort ist eigentlich in allen Fällen dieselbe: Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, dieses Gebiet, diesen Raum mitten in Europa zu einem starken und handlungsfähigen demokratischen Gebilde zu machen. Je stärker die demokratischen Kräfte in Serbien, in Bosnien und in Albanien werden, desto eher haben wir die Möglichkeit, eine langfristige und stabile Friedensordnung auch für diesen Raum herzustellen.
Wir sollten uns auch bemühen, zur Stabilisierung der Region die Zusammenarbeit zwischen den Staaten der Region zu fördern. Einige von uns, die sich in Bosnien gut auskennen, schütteln immer wieder den Kopf darüber, daß uns die Freunde dort sagen, sie wollten gerne nach Europa. Wir müssen ihnen dann sagen: Wie wollt ihr in einer europäischen Integration mitwirken, wenn ihr nicht einmal in der Lage seid, zwischen euren beiden Identitäten, der Republika Srpska und der Föderation, eine Integration herzustellen und wirklich zusammenzuarbeiten? Das gilt auch darüber hinaus. Wenn die Staaten der Regionen nicht in der Lage sind, eine enge politische und wirtschaftliche Kooperation als Vorstufe zur Integration in Europa zu verwirklichen, dann werden sie diesen Weg nicht finden. Wir aber sollten bereit sein, ihnen dabei zu helfen.
Vorletzter Punkt: die hier aufgeworfene Frage, ob Sanktionen nicht eine bessere Möglichkeit wären, mit einem solchen Problem umzugehen. Ja, ich glaube, daß das so ist. Wir müssen aber erkennen, daß gerade im Falle Kosovo, gerade im Falle Jugoslawien das Thema Sanktionen in Verbindung mit dem Thema „Handlungsfähigkeit der Europäischen Union" ein außerordentlich beschämendes und außerordentlich bedrückendes war. Wir haben hier über Monate und Jahre ein Trauerspiel erlebt.
Es gibt einen Punkt, an dem gearbeitet werden muß: Noch schärfere Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien als bisher würden vor allen Dingen die Nachbarländer in unglaubliche Probleme stürzen. Das haben wir ja früher schon gesehen. Wenn wir also über die Verschärfung des Instruments Sanktionen nachdenken, ist es notwendig, auch darüber nachzudenken, wie man den Ländern helfen kann, die völlig unschuldig Opfer einer solchen Sanktionspolitik werden. Man kann nicht Jugoslawien sanktionieren wollen und die Nachbarstaaten dadurch bestrafen. Man wird einen Weg finden müssen, wie man das vermeidet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Letztes: Hier wurden ja Rückblicke über die letzten Jahre gehalten. Auch ich will - zum allerletzten Mal, ich verspreche es - noch etwas zu diesem Diskussionsprozeß sagen. Wir hatten harte Diskussionen. Es waren aber, soweit es mich betraf, immer Diskussionen über die rechtspolitische Frage, was wir eigentlich dürfen, also eine Verfassungsdiskussion. Bis vor weGünter Verheugen
nigen Jahren hat diese Regierung - wie auch ihre Vorgänger - gesagt, der Einsatz deutscher Truppen außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung ist nicht zulässig. Ich bleibe dabei, daß es richtig war, eine Klärung in dieser Frage herbeizuführen. Sie hat uns im übrigen den Parlamentsvorbehalt eingebracht, ohne den wir heute hier nicht zusammensäßen. Das damalige Urteil des Verfassungsgerichts hat überhaupt erst dafür gesorgt, daß wir darüber beraten und entscheiden, ob die Bundeswehr eingesetzt wird oder nicht. Dieses Recht hätten wir sonst überhaupt nicht. Sie hatten nicht vor, es so zu machen.
({1})
In dem Moment, wo die Rechtsfrage geklärt war und klar war, was wir dürfen, hat sich die SPD-Bundestagsfraktion auf den Weg begeben, mit dem auch unsere heutige Entscheidung in Einklang steht. Es wäre schön, wenn wir uns endlich darauf verständigen könnten, worüber wir eigentlich gestritten haben. Wir haben nicht über die Notwendigkeit gestritten, für Deutschland Verantwortung wahrzunehmen, sondern wir haben über die Frage gestritten, was uns unsere Verfassung erlaubt und was nicht.
Schönen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Christian Schwarz-Schilling.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte all denjenigen Dank sagen, die sowohl in der Bundesregierung, in den Fraktionen wie auch außerhalb Deutschlands dazu beigetragen haben, daß das sich mehr und mehr ausbreitende Feuer, das jeder, der wollte, sehen konnte, noch einigermaßen rechtzeitig gelöscht wird. Das ist der Unterschied zum Jahre 1992, als sich das Feuer genauso ausbreitete. Damals haben wir die Frage, ob auch wir beim Löschen des Feuers helfen sollen, verneint. Das Feuer breitete sich dann aus und brachte 300 000 Tote, 800 000 Krüppel und 2 Millionen Vertriebene mit sich. Das ist der entscheidende Unterschied, warum ich trotz der Schwere der Entscheidung, die heute zu treffen ist, froh über den Geisteswandel bin, der sich hier abgespielt hat. Jetzt erhalten nämlich die Menschenrechte in unserem Denken den Primat gegenüber anderen Gesichtspunkten, die aus der Historie berechtigt sein mögen, aber nicht bei der jetzt anstehenden Entscheidung.
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Das hat auch die Glaubwürdigkeit Europas gestärkt. Ich habe es mehr als einmal gesagt, daß Europa nicht bestehen kann, wenn es nur den Euro einführt. Vielmehr kann es nur bestehen, wenn es im Bewußtsein seiner kulturellen Werte bereit ist, zu handeln und diese zu verteidigen, wo auch immer sie in Europa angegriffen werden. Nur dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt.
Natürlich dürfen wir uns jetzt nicht zurücklehnen. Die Aufgabe steht noch vor uns. Frieden und Stabilität zu schaffen ist etwas anderes als eine militärische Drohung, die den Diktator nun dazu gebracht hat, zu verhandeln. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, wie die „Substanzverhandlungen", die auch im Antrag der Bundesregierung gefordert werden, basierend auf der UN-Resolution 1199 geführt werden. Wie wird die Autonomie des Kosovo rechtsstaatlich abgesichert und international garantiert? Dies ist ein ganz entscheidender Punkt. Wie können wir die politischen Ziele des gemäßigten Rugova einigermaßen erfüllen, damit bei den Wahlen in neun Monaten nicht nur die Extremisten, die UCK und ähnliche, gewinnen werden? Das muß jetzt bedacht werden. Wie kann die im Antrag ausgeführte Zielsetzung zur Unterbindung schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen erfüllt werden?
Wir haben nach den bisherigen Vereinbarungen Beobachter installiert, und zwar am Boden Vertreter der OSZE und in der Luft Satelliten und Flugzeuge. Aber wie können wir den zurückkehrenden Flüchtlingen das Gefühl der Sicherheit geben, daß wir, wenn neue Massaker geschehen und die Polizei plötzlich beginnt, neue ordnungswidrige Verhaftungen vorzunehmen, tatsächlich präsent sind? Das ist eine Aufgabe, deren Bewältigung sehr schwer ist.
Die Resolution stellt fest, daß die ganze Region von der Entwicklung im Kosovo betroffen ist. Dies wurde soeben auch von Herrn Verheugen festgestellt. Ich habe in der letzten Woche Gespräche in BosnienHerzegowina sowie mit den Regierungen in Mazedonien und Albanien geführt. Wenn es im Moment keine hohen Flüchtlingszahlen gibt, dann deswegen, weil die Flüchtlinge Hoffnungen auf den Militärschlag setzen. Die Flüchtlinge fragten, wenn man mit ihnen sprach: Mit welchen Sicherheiten können wir wieder zurückkehren? Wir müssen auch für die umgebenden Staaten schnellstens Stabilisierungsaktionen in Gang setzen. Beratungen zur Verbesserung des Rechtssystems, die Schaffung eines Polizeiwesens, all das gehört dazu und nicht nur das, was heute beschlossen wird.
Herr Ministerpräsident Schröder, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie darauf hingewiesen haben, daß das die Aufgabe der Zukunft ist. Eigentlich ist es ein guter Stil, daß die alte Bundesregierung die Wege frei gemacht hat, um unsere Integration in das NATO- Bündnis zu sichern, und daß Sie die Zukunftsaufgabe, deren Bewältigung vor uns liegt, in ihrer Schwere gekennzeichnet haben.
Meine Damen und Herren, wir sollten nicht über Vergangenheitsfragen sprechen, also darüber, wer mehr und wer weniger Anteil an diesem Beschluß hat. Herr Verheugen, wir wollen nicht über die einzelnen Zitate sprechen. Unser Minister Rühe hat genausosehr darauf hingewirkt, daß wir noch in dieser Woche die Integration in das Bündnis beschließen konnten. Streit über die Vergangenheit hat keinen Sinn. Wir alle hier stehen vor der ganz wichtigen
Aufgabe, Frieden zu schaffen. Wir sollten dankbar sein, daß wir alle an der Schaffung des Friedens mitwirken können, und dies in gemeinsamer internationaler Solidarität mit den großen Demokratien, die dem NATO-Bündnis angehören. Deswegen sollten wir alle so weit wie möglich geschlossen für den Antrag der Bundesregierung stimmen.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gernot Erler.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD macht es sich bei der anstehenden Entscheidung nicht leicht. Ich spreche hier für diejenigen, die dem Antrag der Bundesregierung nur mit großen Bedenken zustimmen können, aber auch für eine Minderheit, die sich wegen dieser Bedenken letztlich anders entscheiden wird. Es bleibt unsere Grundüberzeugung, daß wir für eine Stärkung der Vereinten Nationen als der Weltorganisation zu sorgen haben, in der alle Weltregionen - auch die armen und einflußlosen Länder der Welt - vertreten sind,
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und daß wir uns für eine Weltordnung einsetzen müssen, in der die Stärke des Rechts über das Recht der Stärkeren in der Tat triumphiert. Wir sehen die Reformbedürftigkeit der Vereinten Nationen. Aber es gibt in der internationalen Politik keine Alternative bei der Hoffnung auf Interessenausgleich und auf ein geregeltes Zusammenleben der Völker an Stelle einer einseitigen Vermachtung. Gerade deshalb fällt eine Zustimmung zu potentieller Gewaltanwendung, die nicht durch ein ausdrückliches Mandat der Vereinten Nationen autorisiert ist, schwer.
Wenn die Mehrzahl von uns trotzdem diese Zustimmung gibt, dann deshalb, weil wir drei schwer entkräftbaren Argumenten folgen.
Das erste ist: Es erscheint nicht möglich, eine Drohkulisse in dem Augenblick, wo sie in letzter Minute wirkt, in Frage zu stellen. Die Vorstellung ist geradezu unerträglich, daß die Bundesrepublik die Verantwortung dafür übernehmen müßte, daß Milosevic an der Entschlossenheit der Weltgemeinschaft zweifelt, ihm in seinen Schrecken verbreitenden Arm zu fallen.
Der zweite Punkt: Es sind nicht nur die Mitglieder der NATO, sondern alle europäischen Staaten, die jetzt eine Drohung bis zur Gewaltanwendung für notwendig halten. Ein Nein des Deutschen Bundestages würde in der Tat Deutschland isolieren und Zweifel an der deutschen Bündnis- und Integrationsfähigkeit wecken.
Schließlich der dritte Punkt: Wir freuen uns über die Mission von Richard Holbrooke und sind dankbar dafür. Sie gemahnt uns aber auch daran, daß bei einem europäischen Konflikt einmal mehr die amerikanische Shuttle-Diplomatie notwendig war, um überhaupt eine Lösung zu eröffnen. Das zeigt, wie weit der Weg für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik noch ist. Ein Nein würde die Chancen für dieses Instrument, das wir brauchen, verringern.
Was jetzt dringend notwendig ist, ist eine begleitende Politik. Hier ist mehrfach gesagt worden: Diese Entscheidung ist keine Umgehung der Vereinten Nationen, kein Präzedenzfall. Hier autorisiert sich nicht eine neue, eine andere NATO selber. - Das darf aber nicht nur eine verbale Erklärung sein. Das muß sich widerspiegeln in der Politik der nächsten Wochen und der nächsten Monate.
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Dazu gehört als erstes, daß nach wie vor versucht und die Chance genutzt wird, doch noch eine gemeinsame, Rußland einbeziehende UN-Resolution zu bekommen - nicht nur aus völkerrechtlichen Erwägungen, sondern auch weil ohne eine russische Beteiligung eine dauerhafte Lösung für die Probleme auf dem Balkan politisch nicht möglich ist.
Dazu gehört auch eine Stärkung der OSZE, die in dieser Region den schwierigsten Part übernimmt. Es war immer die Überzeugung der SPD, daß wir die OSZE stärken und ihr die notwendigen Mittel geben müssen. Vielleicht findet diese Politik endlich einmal eine Mehrheit und läßt sich auch durchsetzen.
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Die OSZE hat die schwierige Aufgabe, nach beiden Seiten zu wirken. Es geht nicht nur um das Unrecht der serbischen Sicherheitskräfte, sondern auch um das Verhalten der Befreiungsarmee des Kosovo, das heißt der UCK. Die Menschenrechtsverletzungen von militärisch Überlegenen sind sichtbar. Aber auch Gewaltanwendungen von militärisch Unterlegenen sind nicht akzeptabel. Das muß in der Politik der OSZE deutlich werden.
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Die Mitwirkung der UCK an dem politischen Teil der Vereinbarung ist notwendig. Nicht nur das Ruhen der Waffen ist erforderlich, sondern auch ein echter Dialog mit Kompromißbereitschaft und eine Beteiligung der Albaner an den verabredeten Wahlen. Notfalls wird man für ein solches Wohlverhalten auch Druck ausüben müssen.
Und schließlich: Es mahnt uns doch auch, wenn mitten in Europa eine Gemeinschaft von Ländern einem anderen Land einen Militärschlag androhen muß, weil dort Menschenrechte verletzt werden. Das heißt: Hier hat Politik schon sehr große Defizite aufgezeigt. Es war ein Fehler, daß der Kosovo nicht in Dayton vorkam. Wir wissen doch seit 1989, was da auf uns zukommt. Das heißt aber, daß wir in den nächsten Wochen und Monaten zeigen müssen, daß die Alternative zu der Sackgasse, in die wir jetzt geGernot Erler
raten sind, eine präventive Friedenspolitik für ganz Europa ist. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
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Zum Abschluß wiederhole ich: Es fällt uns schwer, diese Zustimmung zu geben. Ich habe begründet, warum die meisten von uns in der jetzigen Situation eine Zustimmung trotzdem für alternativlos halten. Die schwierige Abwägung der verschiedenen Risiken und Bedenken haben wir in einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung niedergelegt, die ich hier übergeben werde.
Wir haben uns entschieden im Vertrauen darauf, daß die Vereinten Nationen und die OSZE künftig durch eine neue Regierung gestärkt werden. Ich begrüße ausdrücklich, was Gerhard Schröder in diesem Zusammenhang gesagt hat.
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Wir vertrauen darauf, daß die neue Bundesregierung einen Schwerpunkt auf die präventive Friedenspolitik legt, die verhindert, daß das Greifen nach der letzten Möglichkeit zum Regelfall wird. Wir vertrauen darauf, daß die neue Bundesregierung nicht darin nachlassen wird, auch die Russische Föderation in eine dauerhafte Friedensregelung auf dem Balkan einzubeziehen. Wir vertrauen schließlich darauf, daß die neue Bundesregierung dazu beiträgt, daß die Abwehr von Menschenrechtsverletzungen nicht in einem selektiv vorgehenden Zufallsverfahren stattfindet. Es gibt ja in der Tat viele Gegenden in der Welt, wo wir Menschenrechtsverletzungen entgegentreten müssen, auch wenn sie nicht im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehen. In diesem Sinne stimmen zahlreiche Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion trotz erheblicher Bedenken dem Antrag der Bundesregierung zu.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Kurt Rossmanith. Ich möchte um etwas mehr Ruhe im Saal bitten und Sie darauf hinweisen, daß noch zwei Redner auf der Rednerliste stehen und daß danach noch Erklärungen zur Abstimmung abgegeben werden. Wir brauchen also noch ein wenig Konzentration. - Bitte, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als gewählte Vertreter unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger haben wir natürlich in diesem Parlament Positionen zu beziehen und auch schwierige Entscheidungen nach unserem Gewissen zu treffen. Ich freue mich darüber, daß in einem solch schwierigen und sehr sensiblen Bereich, wie ihn das Thema darstellt, das wir heute zu behandeln und über das wir abzustimmen haben, ein so breiter Konsens über alle Fraktionen hinweg besteht. Ich meine die Entscheidung des Bündnisses, eine humanitäre Katastrophe für die Menschen im Kosovo notfalls auch durch den
Einsatz von Streitkräften abzuwenden. Ich bin dankbar dafür, daß diese Position, die ja die bisherige Bundesregierung schon seit langem mitgetragen hat, auch von der zukünftigen Bundesregierung getragen werden wird, daß wir hier im Einklang miteinander sind.
Sehr geehrter Herr Kollege Volmer, wir sollten dies nicht abwertend mit Begriffen, die vielleicht in die Kategorie der politischen Kampfbegriffe gehören, wie „Selbstmandatierung" oder ähnliche, belegen. Ich glaube, wir tun uns keinen Gefallen damit; wir schaden uns und dem Bündnis, und wir schaden vor allem auch unseren Soldaten, die notfalls diesen Auftrag, den sie von uns erhalten, durchführen müssen. Es wird sich ja um rund 500 Soldaten handeln, die im Rahmen dieses besonderen Auftrags im Ausland ihren Dienst leisten werden, seien es Berufssoldaten, Zeitsoldaten oder auch Grundwehrdienstleistende, die sich freiwillig zu diesem Einsatz melden.
Es war ja immer unsere Aufgabe - auch darin waren wir uns einig -, darauf zu achten, daß unsere Soldaten auf derartige Einsätze gut vorbereitet sein sollen. Sie müssen im Hinblick auf solche Ziele ausgebildet sein, sie müssen entsprechend motiviert sein, und sie müssen die bestmögliche Ausrüstung erhalten. Deswegen berührt der Beschluß, dem vorliegenden Antrag der Bundesregierung zuzustimmen, den Kernpunkt des sich neu entwickelnden Bündnisses, nämlich unseren Willen, die Verteidigungsfähigkeit in einem kollektiven Bündnissystem unter Beweis zu stellen. Lassen Sie mich dazu feststellen - ich sage das mit großem Ernst -, daß die mit der parlamentarischen Verantwortung befaßten deutschen Abgeordneten natürlich, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, eine sehr schwere Bürde schultern. Wir tun dies aber in dem Wissen, daß sich die deutschen Soldaten erforderlichenfalls an militärischen Maßnahmen beteiligen, die ja dem wichtigsten aller Zwecke dienen, nämlich dem Schutz von Menschenleben und der Wahrung der Menschenwürde derer, die im Kosovo-Konflikt Opfer sind, und nicht derer, die die Aggressoren sind. Ich glaube, in dieser Überlegung liegt die eigentliche Legitimation für unsere Zustimmung zur Beteiligung deutscher Soldaten an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe in diesem Konflikt.
Ich möchte an dieser Stelle schon jetzt den Soldaten meinen Dank aussprechen, die sich in diesen eventuellen Einsatz befehlen lassen müssen. Diese Soldaten tragen eine schwere Verantwortung, genauso wie ihre Familien. Denn es sind die Männer, es sind die Väter, es sind die Söhne dieser Familien, die diesen von uns geforderten Auftrag ausführen müssen. Ich glaube, dafür verdienen sie unseren besonderen Dank und unsere Anerkennung.
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Deshalb bitte ich in diesem Zusammenhang mit allem Nachdruck: Lassen Sie uns diese Gemeinsamkeit auch in Zukunft mittragen! Fassen wir heute diesen Beschluß mit einer breiten Mehrheit! Wir sind es den Menschen im Kosovo schuldig. Aber wir sind es auch unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig, die notKurt J. Rossmanith
falls dort den von uns gewollten Auftrag erfüllen müssen, für die Freiheit und für die Menschenwürde in einem Teil Europas, der geschunden genug ist.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kurt Neumann. Vorher möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedoch bitten, noch einige Minuten Ruhe zu halten, damit wir den Redner verstehen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich trifft wieder einmal die Ungnade der späten Redezeit.
Dies ist eine überflüssige Sitzung; gleichwohl ist es eine historische Sitzung. Die Sitzung ist überflüssig; eine Einigung über die nächsten Schritte ist in Belgrad bereits zustande gekommen. Diese Einigung beruht - darauf hat der Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der Kollege Wimmer, vorgestern im Deutschlandfunk hingewiesen - im wesentlichen auf Überlegungen, die schon vorher mit der Bundesrepublik Jugoslawien angestellt worden waren. Eines unmittelbaren Einsatzbefehls der NATO bedurfte und bedarf es nicht. Ich erlaube mir zusätzlich die Bemerkung, daß vorher ein Mehr an nichtmilitärischem Druck durchaus denkbar gewesen wäre.
Es geht hier ja auch nicht um einen militärischen Einsatz, auch nicht um die Ausübung von Druck. Ganz im Gegenteil zu den Ausführungen des Bundesaußenministers geht es um einen Präzedenzfall. Ich halte mich da an die „FAZ", die heute über unsere Sitzung getitelt hat: „Es wird ein Präzedenzfall geschaffen". Die konservative französische Zeitung „Le Figaro" schrieb dazu vor zwei Tagen:
Jugoslawien ist ein Glücksfall für die internationalen Sicherheitsorganisationen. Die NATO, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Suche nach sich selbst war, hat eine zweite Jugend gefunden. Auch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ({0}) bietet sich die Gelegenheit des Neuanfangs ... Die OSZE wird im Kosovo das Auge des Westens sein, aber die NATO bleibt der Schlagstock.
Darum geht es letztlich. Denn wie das Ziel durchgesetzt werden soll, den Kosovo-Albanern eine begrenzte Autonomie zu verschaffen, wenn sie selbst das gar nicht wollen, bleibt völlig offen. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, was denn geschieht, wenn die Separatisten der UCK ein Kraftwerk oder eine andere wichtige Versorgungseinrichtung besetzen. Darf Serbien, darf Jugoslawien dagegen einschreiten? Wie sollen Provokationen derer verhindert werden, die sich ein Eingreifen der NATO geradezu herbeiwünschen? Und was schließlich wird mit Makedonien?
Im übrigen darf ja vielleicht einmal daran erinnert werden - wenn es manchem nicht paßt, stört mich das nicht -, daß auch anderswo die Autonomie von Volksgruppen verletzt und die Menschenrechte mißachtet werden. Das ist zwar kein Grund, hier nicht einzugreifen; aber wer hier und heute sagt, wir müßten im Kosovo etwas tun, von dem erwarte ich in nächster Zeit Aktivitäten, was die Situation der Kurden in der Türkei angeht.
Die heutige Sitzung, meine Damen und Herren, ist historisch. Die „FAZ" schreibt in dem bereits zitierten Artikel unter anderem:
Wie auch immer die Abgeordneten entscheiden, sie entscheiden damit zugleich über die Reichweite des völkerrechtlichen Gewaltverbots, die Rolle der Nato und die Auslegung des Grundgesetzes.
Nach den bisher unumstrittenen Grundsätzen des Völkerrechts sind die Voraussetzungen für ein gewaltsames Eingreifen nicht gegeben. Es liegt weder eine Notwehrsituation vor, noch hat die Völkergemeinschaft durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Ermächtigung zur Gewaltanwendung erteilt. Die Begründung dafür, daß ein militärisches Eingreifen im Kosovo dem geltenden Völkerrecht entspräche, gibt es Schlichtweg nicht. Der gegenteilige Versuch des Außenministers - nachzulesen in der „FAZ" vom 13. Oktober - demonstriert das mit unfreiwilliger Deutlichkeit:
Im Lichte des Unvermögens des Sicherheitsrats, seinem Gewaltmonopol bei dieser besonderen notstandsähnlichen Situation gerecht zu werden, fußt die Rechtsgrundlage angesichts der humanitären Krise im Kosovo auf Sinn und Logik der Sicherheitsratsresolutionen 1160 und 1199 in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der humanitären Intervention und einem Mindeststandard in Europa für die Einhaltung der Menschenrechte, dem wir die Qualität eines sich entwickelnden regionalen Völkerrechts beimessen.
Das spricht für sich, das spricht gegen sich. Wer das nicht klarer definieren kann, zeigt, daß er keine Begründung hat.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle und nach dem Wahlsieg, über den ich mich sehr gefreut habe, meine Enttäuschung über das Verhalten der SPD ausdrücken, der Partei, der ich 30 Jahre angehört habe.
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Dabei will ich gar nicht auf ihr Berliner Grundsatzprogramm hinweisen. Das ist vielen so kostbar, daß sie es nicht einmal mehr anfassen, geschweige denn darin lesen. Ich will auch nicht aus dem Beschluß des Hannoveraner Parteitags vom 3. Dezember 1997 zitieren, der von einer Kommission unter Leitung des designierten Verteidigungsministers erarbeitet wurde. Nein, ich beziehe mich auf das Wahlprogramm vom 17. April dieses Jahres - wegen der vielfach und immer wieder in Anspruch genommenen
Kurt Neumann ({2})
Verläßlichkeit. In diesem Wahlprogramm heißt es unmißverständlich:
Einsätze der NATO, die über ihren kollektiven Verteidigungsauftrag hinausgehen, bedürfen eines Mandats der Vereinten Nationen oder der OSZE.
Von einem Mandat ist hier die Rede, nicht von einem wie auch immer gearteten Handlungsrahmen, den Gerhard Schröder vorhin wolkig ansprach.
Ich komme zum Schluß.
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Zum Schluß zitiere ich, meine Damen und Herren, das, was unser allseits geschätzter Kollege Wimmer im Rundfunk geäußert hat. Ich würde das Ganze nicht so scharf kritisieren. Er sagt:
Das ist ja etwas, was ich für wirklich außerordentlich bedenklich halte, weil wir 50 Jahre nach den Nürnberger Prozessen unserer Armee nicht zumuten sollten, was nicht international auf einer eindeutigen Rechtsbasis steht.
Das geht vielleicht etwas weit. Aber eines sollten wir bedenken: Wenn wir heute einen Beschluß fassen, der Einsätze jenseits des Völkerrechts billigt, schaffen wir einen Präzedenzfall, kommen wir in eine Politik des Rechts des Stärkeren.
Ihre Redezeit ist vorbei.
Das wieder rückgängig zu machen wird außerordentlich schwierig sein. Deswegen bitte ich, den Antrag der Bundesregierung abzulehnen.
Vielen Dank.
({0})
Wir sind damit am Schluß der Debatte, die ich hiermit schließe, und kommen nun zu den Abstimmungen.
Mir liegt eine Reihe von schriftlichen Erklärungen zur Abstimmung vor. Ich nenne nur die Namen der Abgeordneten: Michael Müller, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller, Volker Beck, Wilhelm Schmidt, Eberhard Brecht, Gerald Häfner, Angelika Köster-Loßack, Birgit Homburger, Jörg van Essen, Reiner Krziskewitz, Volker Kröning 1), Konrad Gilges und andere 2), Gernot Erler und andere 3), Dr. Helmut Lippelt und andere, Dr. Winfried Wolf, Rolf Köhne, Klaus Dieter Reichardt, Freimut Duve sowie Gila Altmann 4).
Zu einer mündlichen Erklärung zur Abstimmung hat der Kollege Dr. Burkhard Hirsch um das Wort gebeten. Bitte.
({0})
1) Anlage 2
2) Anlage 3 3) Anlage 4 4) Anlage 5
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei der Bundestagspräsidentin Frau Professor Süssmuth dafür entschuldigen, daß eine Meinungsverschiedenheit über die Einberufung dieser Sitzung in einer Weise veröffentlicht worden ist, die ich nicht gewollt, aber verursacht habe. Das tut mir leid. Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Ich möchte im übrigen folgende Erklärung abgeben:
Erstens. Wir sehen uns in vielen Teilen der Welt denselben humanitären Problemen gegenüber wie im Kosovo, häufig verbunden mit einer nicht akzeptablen Behandlung ethnischer und religiöser Minderheiten. Niemand kann und sollte uns daran hindern, jede nur erdenkliche humanitäre Hilfe anzubieten und zu leisten. Die Anwendung militärischer Gewalt, die wir heute beschließen sollen, ist weder Voraussetzung noch Ersatz für diese materiellen Hilfeleistungen.
({0})
Zweitens. Ich bin der Auffassung, daß der 13. Deutsche Bundestag angesichts der weitreichenden Bedeutung die ihm vorgelegte Entscheidung nicht mehr selbst treffen sollte und treffen kann. Die Verfassung hat zwar für die Konstituierung des 14. Bundestages eine maximale Frist von 30 Tagen bestimmt, um eine bundestagsfreie Zeit mit Sicherheit auszuschließen. Aber wenn der Bundestag nach Art. 39 Abs. 3 des Grundgesetzes vorher zusammengerufen werden muß, dann kann man zumindest nach der amtlichen Feststellung des Wahlergebnisses nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß der 13. Bundestag nicht mehr dem Wählerwillen entspricht und daß die Mitglieder des 14. Deutschen Bundestages auch unabhängig von jeder anderen Verabredung das Recht hätten, sich unverzüglich selbst zu konstituieren. Ich bin der Auffassung, daß die Abgeordneten des 14. Bundestages zumindest hätten gefragt werden müssen, ob sie angesichts des außergewöhnlichen Sachverhaltes die Wahl unverzüglich annehmen und zusammentreten wollen, um ihre Verantwortung wahrzunehmen. Diese eigene Entscheidung eines jeden gewählten Abgeordneten kann ihnen niemand - auch nicht in wohlmeinender Absicht - abnehmen.
Drittens. Die völkerrechtliche Friedensordnung der gesamten Nachkriegszeit beruht auf der Charta der Vereinten Nationen. Ihre entscheidende Grundlage ist der Verzicht auf Gewalt als Mittel der Politik. Nach Kapitel VII der Charta ist die Entscheidung über Gewaltanwendung in dem hier vorliegenden Sachverhalt ausschließlich dem Sicherheitsrat zugewiesen. Dementsprechend hat er sich in seiner hier immer wieder erwähnten Resolution 1199 ausdrücklich vorbehalten, selbst darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, wenn die Parteien des Kosovo-Konfliktes die Forderungen nicht erfüllen, die in der Resolution enthalten sind. Der NATO-Vertrag stellt ausdrücklich fest, daß die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus der Charta der Vereinten Nationen vom NATO-Vertrag nicht berührt werden. Darum bin ich der Überzeugung, daß ein militärisches Vorgehen der NATO mit dem geltenden Völkerrecht nicht begründet werden kann
und daß wir mit der heutigen Entscheidung einen irreparablen Vorgang schaffen, auf den sich später andere - im Osten und im Westen - berufen werden.
({1})
Damit schaffen wir keine neue Friedensordnung, sondern kehren zu dem Zustand des Völkerrechts zurück, in dem es sich vor der Gründung der Vereinten Nationen befunden hat. Das kann und will ich nicht mit verantworten.
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Ebenfalls zu einer Erklärung zur Abstimmung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stimme vor allem aus juristischen Gründen gegen diese Entscheidung.
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Die juristischen Gründe sind aber bedeutungsvoll, wenngleich sie in dieser Debatte keine so große Rolle gespielt haben.
Das Recht dient der Überwindung des „bellum omnium contra omnes", des Krieges aller gegen alle. Auch das Völkerrecht hat diese Funktion. Es hat diese Funktion sehr lange sehr unvollkommen wahrgenommen; das wissen Sie alle. Aber ich meine, daß die UN-Charta bei der Überwindung des „bellum omnium contra omnes" international einen großen Schritt vorwärts gemacht hat. Dieser Fortschritt wird heute zurückgenommen.
Ich bin gegen internationale Einsätze der Bundeswehr über den Art. 87a des Grundgesetzes hinaus. Es ist mir bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht dazu eine nach meiner Ansicht problematische Entscheidung gefällt hat. Aber auch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzte ausdrücklich einen UN-Beschluß für den Einsatz deutscher Truppen voraus. Jetzt wird auf ein Mandat des UN-Sicherheitsrats verzichtet.
Es wird gesagt, es gebe kein eindeutiges, kein klares, kein klassisches Mandat. Ehrlicherweise muß man aber sagen: Es gibt kein Mandat. Für einen Juristen gibt es kein Mandat. Der Rechtsausschuß fühlte sich auch in einer sehr unglücklichen Lage. Man war sich dort einig darüber, daß es kein klares Mandat gebe. Aber ein nicht klares Mandat ist eben kein Mandat. Es gibt also keine Rechtsgrundlage für den Einsatz. Im Rechtsausschuß ist dann gesagt worden, man müsse mehreres kumulieren. Wenn aber ein Jurist mehreres kumulieren muß, weiß man, daß er in einer verzweifelten Lage ist.
Ich lehne zudem die Einseitigkeit der Beschlußvorlage ab, die sich ausschließlich an Belgrad wendet. Die Rolle der kosovo-albanischen Führung und der UCK werden überhaupt nicht behandelt. Aber auch das ist ein wichtiger Punkt.
Mein Hauptanliegen ist aber, daß wir mit dem heutigen Beschluß - darin bin ich mit dem Abgeordneten Burkhard Hirsch einig - eine ganz wesentliche Gefährdung des Völkerrechts und - wenn man so sagen will - der Verfassungsordnung der Welt einleiten. Der Grundsatz „Macht geht vor Recht" wird endgültig in den internationalen Beziehungen installiert.
Im Rechtsausschuß fiel die Formulierung vom „Unvermögen des Sicherheitsrates", seine Aufgabe wahrzunehmen. Das bedeutet: Man setzt sich an die Stelle des Sicherheitsrates. Jetzt übernimmt die NATO das Gewaltmonopol vom Sicherheitsrat. Das ist eine unzulässige Usurpation von Macht. Das bedeutet, daß der Sicherheitsrat, der nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt, ausgehebelt wäre, weil die USA das wollen; er würde durch die NATO ersetzt.
Wir schlagen damit einen gefährlichen Weg ein. Es ist gesagt worden, das sei kein Präzedenzfall. Natürlich ist es ein Präzedenzfall. Jeder Jurist weiß, daß jeder Akt, der geschieht, ein Präzedenzfall ist. Herr Fastenrath von der „FAZ" hat seinen Artikel nicht umsonst -
Herr Kollege, Sie dürfen nicht mehr debattieren. Sie sollten Ihre Abstimmung erklären. Ihre Redezeit ist jetzt auch um.
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Ich begründe meine Abstimmung.
Aber etwas zur „FAZ" gehört nicht in eine persönliche Erklärung.
Ich begründe meine Abstimmung mit diesem Artikel aus der „FAZ". Herr Fastenrath schrieb seinen Artikel unter der Überschrift „Es wird ein Präzedenzfall geschaffen". Auch der Abgeordnete Schäuble hat heute gesagt, wir würden damit künftiges Völkerrecht schaffen.
Es wird also auf den Zustand vor Gründung der UNO zurückgegangen. Wir setzen das Faustrecht wieder ein - das Faustrecht der NATO.
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- Aber natürlich! Es wurde nämlich heute vom Gewaltmonopol der NATO gesprochen. Das ist das Faustrecht der NATO. Warum nicht ein Faustrecht für Rußland? - Nur ein Faustrecht für die Großen?
Meine Damen und Herren, verteidigen Sie mit mir die UNO-Charta gegen die Angreifer!
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Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der BundesreVizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
gierung zur deutschen Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt, Drucksache 13/11469.
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Zur Abgabe der Stimmkarten sind fünf Urnen aufgestellt, und zwar eine Urne an der Regierungsbank, eine Urne an der Bundesratsbank, eine. Urne am Stenographentisch und je eine Urne an der „Ja"- und ,,Nein"-Tür. Sie können dieses Mal eine Urne Ihrer Wahl benutzen.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Am Stenographentisch fehlt noch ein Schriftführer, und an der Bundesratsbank fehlt noch ein Schriftführer von der CDU/CSU. - Jetzt sind alle Urnen besetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß wir nachher eine weitere Abstimmung haben. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe dann die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis werden wir Ihnen später bekanntgeben. Wir haben jetzt noch eine allerletzte Abstimmung. Dafür bitte ich um ein bißchen Übersichtlichkeit.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/11470. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen übrigen Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden.
Bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt, unterbreche ich die Sitzung.
({0}).
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu dem Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 13/11469 bekannt.
Abgegebene Stimmen 584. Mit Ja haben gestimmt 503. Mit Nein haben gestimmt 63. Enthaltungen 18. Der Antrag ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 580; davon
ja: 500
nein: 62
enthalten: 18
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Franz Peter Basten Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({0}) Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Paul Breuer
Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({1}) Dankward Buwitt Peter Harry Carstensen
({2})
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Anke Eymer
Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer ({3})
Leni Fischer ({4}) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther ({5}) Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser ({6}) Hansgeorg Hauser
({7}) Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Elke Holzapfel
Dr. Karl-Heinz Hornhues Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung ({8}) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Hans-Ulrich Köhler
({9}) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski
Thomas Kossendey Annegret KrampKarrenbauer Rudolf Kraus
Wolfgang Krause ({10}) Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Dr.-Ing. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
({11})
Karl Lamers ({12}) Dr. Norbert Lammert
Helmut Johannes Lamp Armin Laschet
Herbert Lattmann Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link ({13}) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
({14})
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
({15}) Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({16}) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski
Günter Marten Dr. Martin Mayer
({17}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Rudolf Meyer ({18})
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller
Elmar Müller ({19}) Engelbert Nelle
Bernd Neumann ({20}) Johannes Nitsch
Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald
Norbert Otto ({21})
Dr. Gerhard Päselt
Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger
Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler
Marlies Pretzlaff Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Otto Regenspurger Klaus Dieter Reichardt
({22})
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Dr. Norbert Rieder Klaus Riegert
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({23})
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({24}) Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer ({25})
Ortrun Schätzle
Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({26}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({27})
Andreas Schmidt ({28}) Hans-Otto Schmiedeberg
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte
({29})
Gerhard Schulz ({30}) Frederik Schulze
({31}) Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer Marion Seib
Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters
Johannes Selle Bernd Siebert
Jürgen Sikora
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Gottfried Tröger Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
Gunnar Uldall
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm ({32}) Matthias Wissmann
Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Cornelia Yzer
Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer
Wolfgang Zöller
SPD
Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr Doris Barnett Gerd Bauer
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Tilo Braune Edelgard Buhlmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({33}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger
Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer ({34}) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Eva Folta
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs ({35})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner
Günter Graf ({36}) Dieter Grasedieck
Achim Großmann
Karl Hermann Haack ({37}) Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann
Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum
Reinhold Hiller ({38}) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({39}) Frank Hofmann ({40}) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({41}) Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-Mengel
Dr. Uwe Küster Werner Labsch Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann ({42}) Dieter Maaß ({43}) Winfried Mante
Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({44}) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Jutta Müller ({45}) Christian Müller ({46})
Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Leyla Onur
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Hermann Rappe
({47})
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Dieter Schanz Rudolf Scharping Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Günter Schluckebier Ulla Schmidt ({48})
Dagmar Schmidt ({49}) Wilhelm Schmidt ({50}) Regina Schmidt-Zadel
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({51})
Brigitte Schulte ({52}) Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({53}) Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Karsten D. Voigt ({54}) Hans Georg Wagner
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({55}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen ({56}) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert Wieczorek Helmut Wieczorek
({57})
Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({58}) Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann ({59})
Marieluise Beck ({60}) Matthias Berninger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Andrea Fischer ({61}) Joseph Fischer ({62}) Rita Grießhaber
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper
Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt
Oswald Metzger Christa Nickels
Egbert Nitsch ({63}) Cem Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Christine Scheel Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({64}) Wolfgang Schmitt
({65})
Waltraud Schoppe Werner Schulz ({66}) Dr. Antje Vollmer
Margareta Wolf ({67})
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun ({68})
Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Detlef Kleinert ({69}) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb Jürgen Koppelin
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Uwe Lühr
Günther Friedrich Nolting Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng ({70})
Guido Westerwelle
Nein
CDU/CSU
Reiner Krziskewitz
SPD
Klaus Barthel
Anni Brandt-Elsweier
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Katrin Fuchs ({71}) Konrad Gilges
Christel Hanewinckel Uwe Hiksch
Konrad Kunick
Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Christa Lörcher
Dr. Christine Lucyga Adolf Ostertag
Renate Rennebach Otto Reschke
Marlene Rupprecht Horst Schmidbauer ({72})
Heinz Schmitt ({73}) Ute Vogt ({74}) Berthold Wittich
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({75}) Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Monika Knoche
Steffi Lemke Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk Ursula Schönberger
Helmut Wilhelm ({76})
F.D.P.
PDS
Wolfgang Bierstedt Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Hanns-Peter Hartmann
Dr. Barbara Höll Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller ({77}) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
fraktionslos
Kurt Neumann ({78})
Enthalten
CDU/CSU
Manfred Carstens ({79}) Willy Wimmer ({80})
SPD
Dr. Eberhard Brecht
Freimut Duve
Angelika Graf ({81}) Jens Heinzig
Ilse Janz
Dr. Hermann Scheer
Hans Wallow
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Volker Beck ({82}) Angelika Beer
Kerstin Müller ({83}) Winfried Nachtwei Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
F.D.P.
Dr. Max Stadler
Wir sind am Schluß unserer Tagesordnung. Die konstituierende Sitzung des 14. Deutschen Bundestages findet am Montag, dem 26. Oktober 1998, um 15 Uhr statt.
Die letzte Sitzung des 13. Deutschen Bundestages ist damit geschlossen.