Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/24/1997

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Änderung des Hochschulrahmengesetzes, Gesetz zur Einführung des Euro, Bericht des Bundeswirtschaftsministers über die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen in den neuen Bundesländern. Das Wort zu dem einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute dem von mir vorgelegten Entwurf zur Novellierung des Hochschulrahmengesetzes zugestimmt. Da der Entwurf, wie Sie wissen, in Gesprächen mit den Ländern intensiv diskutiert wurde, gehe ich davon aus, daß Bund und Länder das Gesetz gemeinsam verabschieden. Wir wollen unsere Hochschulen fit machen für das 21. Jahrhundert. Die Hochschulen müssen zu modernen Dienstleistungsunternehmen werden. Die Hochschulen der Zukunft sollen als geistige und kulturelle Zentren unseres Landes gestärkt werden, den jungen Leuten eine exzellente Ausbildung vermitteln, die Forschung in unserem Land stärken und die internationalen Kontakte in Zeiten der Globalisierung pflegen und ausbauen. Ich will Ihnen die wesentlichen Elemente des Entwurfs für ein neues Hochschulrahmengesetz nennen. Die Hochschulen brauchen für ihre zukünftige Entwicklung einen verbindlichen gemeinsamen Rahmen, der unserem Grundgesetz entspricht. Dieser ist von den Ländern auszufüllen. Die Entwicklung der Hochschulen darf nicht durch Überregulierung behindert werden; sie darf aber auch nicht der Beliebigkeit von Experimentierklauseln überlassen bleiben. Im In- und Ausland muß durch einen klar gezeichneten Rahmen erkennbar bleiben, was eine deutsche Hochschule ausmacht. Zur Ausfüllung dieser Leitgedanken haben wir folgendes im Gesetzentwurf verankert: Erstens: die Einführung einer leistungsorientierten Hochschulfinanzierung. Dreh- und Angelpunkt der Hochschulreform ist eine grundlegende Umstellung der staatlichen Hochschulfinanzierung. Die staatliche Mittelzuweisung an die Hochschulen soll sich künftig an den in Lehre und Forschung sowie bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erbrachten Leistungen orientieren. Zweitens: Evaluation von Forschung und Lehre unter Beteiligung der Studierenden bei der Evaluation der Lehre. Durch die Ergebnisse der Evaluation sollen Grundlagen geschaffen werden für die Information der Studienbewerber, für die Fortentwicklung von Inhalten und Formen der Lehre im Rahmen der Studienreform, für die vorgesehene staatliche Hochschulfinanzierung und die hochschulinterne Mittelverteilung nach erfolgsorientierten Kriterien. Drittens: die Neudefinition und -festlegung der Regelstudienzeit. Viertens: die Aufnahme des Themas Multimedia. Fünftens: die Verstärkung der Studienberatungspflicht der Hochschulen. Um den Studierenden möglichst frühzeitig Aufschluß über ihre Eignung für den gewählten Studiengang zu geben und so die Zahl der Fachrichtungswechsel und Studienabbrüche in höheren Semestern zu reduzieren, werden die Hochschulen bei der Studienberatung mehr als bisher in die Pflicht genommen. Sie müssen sich auch von dem Leistungsstand der Studierenden unterrichten. Sechstens: die Einführung einer Zwischenprüfung in allen Studiengängen mit mindestens vier Jahren Regelstudienzeit. Vorgesehen ist, daß künftig in allen Studiengängen mit einer Regelstudienzeit von mindestens vier Jahren eine Zwischenprüfung stattfindet, die studienbegleitend abgenommen werden kann. Das Bestehen der Zwischenprüfung soll im Regelfall Voraussetzung für die Aufnahme des Hauptstudiums sein. Die Studierenden sollen hierdurch veranlaßt werden, die Zwischenprüfung und gegebeBundesminister Dr. Jürgen Rüttgers nenfalls erforderliche Wiederholungsprüfungen möglichst frühzeitig vollständig abzulegen. Siebtens: „Freischuß" in allen geeigneten Studiengängen. Achtens: Einführung eines Leistungspunktesystems zur Akkumulation und zum Transfer von Studien- und Prüfungsleistungen. Die Entwicklung eines solchen Leistungspunktesystems ist von zentraler Bedeutung für die innerdeutsche wie die internationale Mobilität der Studierenden und Absolventen sowie die Konkurrenzfähigkeit der deutschen mit den ausländischen Hochschulen. Neuntens: Ermöglichung der Vergabe der Hochschulgrade Bachelor und Master. Zehntens: Einführung einer Leistungsquote bei der Studienplatzvergabe für bis zu - ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wir müssen einen Augenblick warten.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Jetzt geht es wieder. Also: Es geht um die - ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich weiß auch nicht, was da vorliegt. Ein Kollege von Ihnen hat das in einer bestimmten Situation einmal als einen Wink des Himmels bezeichnet. Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht funktioniert ein anderes Mikrophon. ({0}) - Bitte!

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Ich kann mich, verehrter Herr Präsident, noch sehr gut an die damalige Situation erinnern. Die damit verbundene Aufregung ist dem hier in Rede stehenden Thema aber nicht angemessen, weil sich Bund und Länder über diese Maßnahme einig sind, was eine gute Entwicklung ist. Also: Es ging um die Leistungsquote bei der Studienplatzvergabe für bis zu 25 Prozent der Studienplätze im Ortsverteilungsverfahren der ZVS und um die Aufnahme eines hochschuleigenen Auswahlverfahrens in das allgemeine Auswahlverfahren für einen Teil der Studienplätze - das sind zirka 20 Prozent - in bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen. Ich will abschließend darauf aufmerksam machen, daß daneben - das ist ganz wichtig - eine Vielzahl von Vorschriften wegfallen kann: Detailregelungen für die Ordnung des Hochschulwesens, der Weiterentwicklung des Studiums, der Rahmenprüfungsordnungen, der Studienordnungen, des Lehrangebots, der Prüfungen und Prüfungsordnungen, der Anerkennung sonstiger Leistungsnachweise, Hochschulforschung, Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule, Zusammensetzung der Hochschulgremien, Stimmrecht, Wahlen und Öffentlichkeit, studentisches Ordnungsrecht, Organisation und Verwaltung der Hochschulen. Lassen Sie mich ausdrücklich darauf hinweisen, daß dieses HRG nach meinem Verständnis nicht die Hochschulreform ist, sondern diese in der Praxis erst ermöglicht. Insofern ist es ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, zu einem Bildungssystem, das die Menschen ihren unterschiedlichen Begabungen entsprechend auf ein Leben des Lernens vorbereitet, zu einem Bildungssystem, das dem Stellenwert und der Dynamik des Wissens in der Welt von morgen angemessen ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wir kommen zunächst zu Fragen zu dem angesprochenen Themenbereich. Das Wort hat die Kollegin Bulmahn.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Rüttgers, die Reform der Hochschulen ist ganz sicherlich ein kontinuierlicher Prozeß. Das HRG stellt den Rahmen dafür dar. Die Bundesländer - ich nenne nur Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und auch Niedersachsen - haben in den letzten Jahren mit sehr großem Erfolg eine leistungsbezogene Finanzierung der Hochschulen eingeführt. Insofern ist es sicherlich sinnvoll, diese guten Erfahrungen auch auf andere Länder zu übertragen. Meine Frage bezieht sich aber auf den Bereich, für den der Bund die Verantwortung trägt. Im HRG gibt es ein großes Kapitel, das sich auf das Dienst- und Personalrecht bezieht. Der Bund ist derjenige, der die Verantwortung für das Dienst- und Personalrecht trägt. Es ist leider so, daß genau dieses Kapitel in völlig unveränderter Form jetzt auch wieder in den Kabinettsentwurf aufgenommen worden ist. Weil sich in all den Diskussionen und Anhörungen aber immer wieder gezeigt hat, daß das Dienst- und Personalrecht ein Schlüssel für die Reform der Hochschulen ist, lautet meine Frage an Sie, wann die Bundesregierung beabsichtigt, das Dienst- und Personalrecht für die Hochschulen zu verändern, welche Vorschläge sie bereits erarbeitet hat und wie ihr Zeitplan aussieht.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Frau Kollegin Bulmahn, wir haben in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern über dieses Thema natürlich sehr intensiv diskutiert. Wir haben vereinbart, daß wir auch hier gemeinsam initiativ werden wollen, daß wir bereits im Vorfeld gemeinsam über Lösungsmöglichkeiten sprechen wollen. Die Gespräche haben bereits begonnen. Ich habe auch schon mit dem Kollegen Kanther über diese Frage intensiv diskutiert. Die Bundesregierung ist sich einig, daß natürlich eine Änderung der entsprechenden Vorschriften des Dienstrechtes erfolgen muß. Nun haben Sie gesagt, das HRG werde insoweit nicht verändert. Die Änderung kann aber gar nicht dort erfolgen, weil das in den entsprechenden beamtenrechtlichen Regelungen respektive in den Tarifverträgen geschehen muß. Ich gehe davon aus, daß die Gespräche parallel weitergeführt werden. Da gibt es keine Differenzen zwischen Bund und Ländern.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich nachfragen?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Machen Sie das!

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Rüttgers, das ist wirklich einer der wesentlichen Gestaltungsbereiche für die Reform der Hochschulen. Wir von seiten der SPD bedauern es sehr, daß an diesem Punkt nichts gemacht und nichts verändert worden ist. Natürlich hängt das mit dem Beamtenrecht und mit dem Tarifrecht zusammen. Aber wir hätten an diesem Punkt meiner Meinung nach eine Bresche schlagen und vorangehen können. Ich möchte genauer wissen, welche ganz konkreten Pläne in Ihrem Hause bestehen. Können wir davon ausgehen, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des Dienst- und Personalrechts in Angriff genommen wird? Gibt es zeitliche Vorstellungen oder Vorschläge? Gibt es bereits inhaltliche Entscheidungen? Das wird einer der wesentlichsten Punkte sein. Wenn es uns nicht gelingt, das Dienst- und Personalrecht zu verändern, befürchte ich, daß die Hochschulreform nur eine halbe Reform bleibt.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Zur ersten Frage: ja. Zur zweiten Frage: Das hängt vom Ablauf der Gespräche ab. Zur dritten Frage: nein. Frau Kollegin, ich kann nicht vor Abschluß der Gespräche irgendwelche Zeitpläne bekanntgeben. Wir sind der Meinung, daß es geschehen muß; wir sind gemeinsam dieser Auffassung. Ich werde mich bemühen, das noch in dieser Legislaturperiode zu machen, und zwar auch so, daß es vom Parlament noch beschlossen werden kann. Ich bin aber kein Prophet. Ich kann nicht sagen, wann es soweit ist, daß es eingebracht werden kann. Das liegt aber - darauf können Sie sich verlassen - weder am bösen Willen noch an der Tatsache, daß es nicht mit großem Nachdruck betrieben wird. Es wäre nur einfach unverantwortlich, wenn ich vor den Gesprächen sagen würde, ich hätte die und die Vorstellungen. Das kann ich einfach nicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt folgt der Kollege Dr. Rainer Jork.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, die internationale Wettbewerbsfähigkeit steht seit längerer Zeit in der Diskussion, und zwar spätestens nachdem sich die Quandt-Stiftung im Dezember 1995 damit befaßt hat. Meine Frage: Inwieweit trägt der neue Gesetzentwurf dem Anliegen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen in Deutschland zu verbessern, Rechnung? Was ist darin vorgesehen? Wie kommen wir mit diesem Anliegen weiter?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Jork, wir haben verschiedene Regelungen in dieses Gesetz aufgenommen. Ich habe bereits auf den Bachelor und den Master hingewiesen. Das ist sehr wichtig für deutsche Studierende. Wir haben bisher immer das Problem, daß der deutsche Magister im Ausland nicht als dem Master adäquat verstanden wird und daß wir einen mit dem Bachelor vergleichbaren Abschluß überhaupt nicht haben. Das heißt, deutschen Studierenden würde mit dem Gesetz die Möglichkeit gegeben, die inzwischen überall auf der Welt anerkannten Abschlüsse ebenfalls zu erwerben. Das zweite ist, daß wir natürlich durch das Leistungspunktesystem, das wir einführen - das ist dann in der Praxis sehr wichtig -, die Möglichkeit schaffen, ein Auslandsstudium in einen deutschen Studienabschluß besser einzubeziehen. Man studiert eben nicht auf eine einzige Prüfung hin, sondern kann verschiedene Elemente verbinden, die dann auch teilweise im Ausland erbracht werden können. Es stellt sich also nicht immer die Frage der Anerkennung von Gesamtabschlüssen, was ein wichtiger Punkt ist. Ich glaube auch, daß die Studienberatungspflicht sehr wichtig ist, weil wir dabei entsprechende Hinweise für die Gestaltung des Studiums geben können. Erlauben Sie mir, daß ich darauf hinweise, daß wir daneben natürlich unsere Bemühungen in anderer Hinsicht, außerhalb des Gesetzes, noch verstärken können. Wir haben dies gerade mit der Einrichtung von 13 internationalen Studiengängen, seitens des Bundes finanziert, gemacht. Ich glaube, daß das ein ganz wichtiger Beitrag dazu wird, daß sich die Hochschulen dem internationalen Wettbewerb verstärkt stellen.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf auch ich etwas nachfragen?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Nachfrage ist immer kürzer als die Hauptfrage.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, klar. - Gibt es Ihrerseits Bemühungen, die ausländerrechtlichen Regelungen in diesem Sinne zu verbessern? ({0})

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Diese Frage kann ich eindeutig mit Ja beantworten; ich kann sie auch für die gesamte Bundesregierung eindeutig mit Ja beantworten. ({0}) - Die Frage „Wann?" beantworte ich genauso, Frau Bulmahn, wie ich vorhin Ihre Frage nach dem Dienstrecht beantwortet habe. ({1}) - Ich wäre ein bißchen vorsichtig mit zu frühzeitigem Gelächter; man blamiert sich dann meistens selber. Wir müssen natürlich dafür sorgen, daß die hier vom Deutschen Bundestag behandelten und beschlossenen Gesetze und Verordnungen zum Ausländerrecht nicht zu Erschwernissen für ausländische Studierende führen. Wir arbeiten natürlich vor dem Hintergrund des Willens und der Beschlüsse des Deutschen Bundestages. Dies macht den entsprechenden Handlungsbedarf in diesem Bereich deutlich.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Rüttgers, meine Frage bezieht sich auf die Regelstudienzeit und die Zwischenprüfungen. Die Regelungen, die in Ihrem Vorschlag enthalten sind, werden auch Auswirkungen auf die Ausbildungsförderung haben, vor allem vor dem Hintergrund der Vorschläge der Länder, die finanzielle Förderung der Studierenden von einem sogenannten ordnungsgemäßen Studium abhängig zu machen. Gestatten Sie mir, daß ich zu diesem zweiten wesentlichen Bestandteil der Hochschulreform eine Frage stelle. Heute stand in der Presse, es stehe eine Einigung zwischen Ihrem Ministerium und den Ländern bezüglich des BAföGs bevor. Ist es richtig, daß Sie sich dort auf die Forderung der Länder nach einem Sokkelmodell zubewegen, oder sind diese Meldungen falsch?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Ich kann Ihnen dazu nur sagen, daß ich erstens eine Einigung möchte, sie zweitens für erforderlich halte und drittens jetzt nicht ankündigen kann, daß die Einigung kurz bevorsteht. Am Montag hat eine weitere Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern stattgefunden, die sehr konstruktiv war. Es müssen jetzt noch Hausaufgaben gemacht werden, es müssen noch Informationen und Rechnungen beschafft werden. Vorher sind nach meiner Einschätzung eine abschließende Bewertung und eine Prognose nicht möglich.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gestatten sie eine Nachfrage?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Glauben Sie, daß die Hochschulreform, die Sie mit diesem Gesetz auch anstoßen wollen, ohne eine Einigung über die Ausbildungsförderung Erfolg haben wird, oder ist es nicht vielmehr so, daß bei einer fehlenden Einigung zwischen Bund und Ländern in diesem Punkt auch die Hochschulreform zur Makulatur zu werden droht?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Berninger, ich möchte mich nicht auf die Alternative, die in Ihrer Frage enthalten ist, einlassen, weil ich sie nicht für angemessen halte. Ich weiß natürlich, daß die Reform der Struktur der Ausbildungsförderung auch die Bemühungen zur Veränderung der Situation an unseren Hochschulen erleichtert. Nach meiner Einschätzung ist dies aber kein Fall von Entweder-Oder. Wir müssen hier etwas tun. Ich glaube aber, daß es genausowichtig ist, daß wir uns um die Strukturen unserer Hochschulen kümmern. Ich halte auch die Auffassung der Länder für richtig, daß es keinen Sinn macht, in dieser Frage irgendein Junktim zwischen beiden Themen herbeizuführen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Dr. Guttmacher.

Dr. Karlheinz Guttmacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, bei den Gesprächen zwischen Bund und Ländern haben Sie die Bildungsfinanzierung ein wenig außen vor gelassen, sicherlich auch deshalb, weil es sehr schwierig war, sich gerade auf diesem Gebiet zu einigen. Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Berninger gesagt hat. Die Finanzierung des Studiums über das BAföG wurde bei den Gesprächen mit den Ländern über die HRG-Novelle nicht noch einmal angesprochen, wohl aber in den Vorgesprächen zwischen Bund und Ländern über die 19. BAföG-Novelle. Halten Sie es für möglich, daß es dann doch - nachdem 14 der Justizminister der Länder gesagt haben, daß das Unterhaltsrecht im BGB nicht verändert werden soll, der Bundesjustizminister aber in Gesprächen mit Ihnen erkennen läßt, daß das BGB verändert werden kann, wenn wir dies wollen - zu einem neuen BAföG-Modell kommt und es dann ein Sockelmodell, das wir eingefordert haben, geben kann?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Guttmacher, erstens ist es nicht richtig, daß wir bei den Gesprächen über die HRG-Novelle das Thema Ausbildungsförderung ausgeklammert haben. Dies sind zwei unterschiedliche Regelungsmaterien. Bund-Länder-Arbeitsgruppen haben parallel daran gearbeitet. Dies ist der erste . Punkt, der nicht korrekt ist. Zweitens ist nicht korrekt, was Sie sagen, nämlich daß die Justizminister der Länder erklärt haben, daß es keiner Änderung des Unterhaltsrechts bedarf. Im Gegenteil hat die Mehrheit der Justizminister der Länder erklärt, daß sie dies für unverzichtbar hält. Drittens ist es bei einer so hochkomplizierten Materie nicht möglich, aus der Tatsache, daß wir verBundesminister Dr. Jürgen Rüttgers schiedene Probleme zu lösen haben und wir natürlich miteinander reden, um Lösungen zu finden, jetzt den Schluß zu ziehen, es sei alles geklärt. Wir haben nicht nur rechtliche - dazu gehört unter anderem das Stichwort Unterhaltsrecht -, sondern auch finanzielle Fragestellungen zu beantworten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nicht den Eindruck erwecken würden, als ob, wenn es in der einen oder anderen Frage Bewegungen gibt, damit die anderen bereits gelöst wären. Manches wird vom Deutschen Bundestag auch durch die entsprechende Mittelzuteilung zu beantworten sein.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt die Kollegin Odendahl.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Rüttgers, ich möchte jetzt keine BAföG-Debatte hervorrufen, ({0}) sondern zum Kern zurückkommen. Ich glaube, dann verstehen Sie eher, was ich meine. Ihnen ist bekannt, daß eine wirkliche Hochschulreform - Sie haben vorhin klargemacht, daß wir alle sie wollen und für erforderlich halten - mit einer durchgreifenden Verbesserung der Hochschulfinanzierung - das ist ein Teil -, aber auch mit einer zukunftsweisenden Reform der individuellen Ausbildungsförderung verknüpft werden muß? Wir wollen jetzt gar nicht von „Junktim" oder darüber reden, wie der oder die einzelne es gerne hätte. Ich wollte lediglich fragen, ob Ihnen folgender Zusammenhang bekannt ist: Es gibt nämlich - jetzt begründe ich meine Frage - dann, wenn Sie die Vergabe der Hochschulgrade „Bachelor" und „Master" ermöglichen wollen, einen Zusammenhang mit der Ausbildungsförderung. Meine Frage ist - ohne von einem Junktim zu sprechen -, wie Sie es handhaben wollen, auf der einen Seite die Einführung zu bringen, ohne auf der anderen Seite gleichzeitig und parallel dazu die Ausbildungsförderung geregelt zu bekommen.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Die Frage beantworte ich, verehrte Frau Kollegin Odendahl, indem ich Ihnen sage, daß ich beides parallel bearbeite und versuche, zu Lösungen zu kommen. Zudem gibt mir Ihr Hinweis auf die Finanzierung der Hochschulen Gelegenheit, noch einmal auf die großen Leistungen der Bundesregierung und der Koalition in dieser Legislaturperiode im Einsatz für die deutschen Hochschulen hinzuweisen. ({0}) Wir haben nicht nur das Hochschulbauförderungsgesetz novelliert, sondern gleichzeitig - über die 1,8 Milliarden DM, die der Bund jedes Jahr zum Hochschulbau beiträgt, hinaus - jetzt noch einmal in einem Sonderprogramm Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden DM im Rahmen des Options-Leasings bereitgestellt. Ich wäre froh, wenn die Länder dazu beitragen würden, daß das Geld möglichst schnell verbaut wird, um so zu einer Verbesserung der Situation an den Hochschulen beizutragen. Ich darf daran erinnern, daß wir in diesem Jahr 3,6 Milliarden DM für das Hochschulsonderprogramm III zur Verfügung gestellt haben. ({1}) Ich darf daran erinnern, daß wir für die Hochschulforschung über die DFG insgesamt 2 Milliarden DM pro Jahr ausgeben. Dieser Betrag ist in den letzten Jahren jährlich um 150 Millionen DM gestiegen. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir bei unseren Bemühungen zum Aufbau einer leistungsfähigen Hochschullandschaft in den neuen Bundesländern so weit gekommen sind, daß man sagen kann, daß die Hochschulen in den neuen Bundesländern inzwischen westdeutsches Niveau erreicht haben. ({2}) Ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir auch in dieser Legislaturperiode beim BAföG eine Erhöhung von 7 Prozent vorgenommen haben. ({3}) und daß sich das im Vergleich zu früheren Zeiten durchaus sehen lassen kann. Daraus ergibt sich immer noch nicht die Tatsache, daß ich sage, ich sei damit zufrieden. Ich finde aber, man sollte auch einmal darauf hinweisen, daß in dieser Legislaturperiode von seiten des Bundes verdammt viel für die deutschen Hochschulen getan worden ist. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Länder sich sehr stark bewegt hätten. Das will ich ausdrücklich bestätigen. Aber es wäre mir etwa bei der Frage der leistungsfähigen Finanzierung sehr recht, wenn der bisher erreichte Anteil an Flexibilität von etwa 10 Prozent der zugewiesenen Mittel nach der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes drastisch erhöht würde, um die Freiheit der Hochschulen zu wahren. Frau Kollegin Odendahl, es ist, wie es ist, nämlich ein komplexes System. Sie wissen, daß ich der Erfinder des Satzes „Alles hängt mit allem zusammen" bin. ({4}) - Ich schäme mich nicht meiner philosophischen Erkenntnisse. - Tatsache ist, daß wir versuchen müssen, sowohl im Bereich des öffentlichen Dienstrechts wie auch im Bereich der Hochschulfinanzierung noch weiterzukommen. Daran arbeiten wir. Ich bleibe da optimistisch; wir haben bisher schon so viel geschultert, daß ich nicht einsehe, warum man an der Stelle nicht weiterkommen sollte.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich freue mich sehr, daß wir nachher im Ausschuß Gelegenheit haben, Ihren freudigen Erwartungen zum Teil auf die Sprünge zu helfen. Ich verspreche Ihnen, an der SPD soll es nicht liegen. Dennoch möchte ich meine Frage konkretisieren: Was ist parallel? Sie haben gesagt, Sie seien sich durchaus des Zusammenhangs von Ausbildungsförderung und Einführung der Abschlüsse Bachelor und Master bewußt. Was heißt parallel? Heißt es, daß dann, wenn das eine ins Rutschen kommt - wir wissen ja, wie ein Parallelogramm funktioniert -, alles nicht mehr hält? Ich will von Ihnen wirklich hören, was parallel ist und wie es abgehandelt werden soll. Jetzt sagen Sie es uns doch einmal. ({0})

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Das Schöne, verehrte Frau Kollegin Odendahl, ist, daß das Leben viel vielfältiger ist als unsere politstrategischen Parallelogramme. ({0}) Die notwendige Änderung des HRG, um Bachelor und Master einführen zu können, wird erst, wie es zwischen Bund und Ländern, den Fraktionen und der Bundesregierung vereinbart wurde, am 6. März nächsten Jahres im letzten Durchgang im Bundesrat verhandelt und soll dann am 1. April 1998 in Kraft treten. Daraus ergibt sich nicht, daß man bereits zum 1. Mai 1998 mit Ausnahme der Modellstudiengänge, auf die Sie eben hingewiesen haben, an deutschen Universitäten den Grad eines Bachelors oder eines Masters erlangen kann, weil die entsprechenden Studien- und Prüfungsordnungen von den Verantwortlichen erst noch erarbeitet werden müssen. Alleine mit dieser Überlegung könnte ich Sie darauf verweisen, daß wir durchaus noch in der nächsten Legislaturperiode Zeit haben, um eine Lösung für die Ausbildungsförderung zu finden. Dies werde ich aber nicht tun, weil ich anderer Meinung bin. Ich glaube, daß ich mit dieser kleinen Überlegung deutlich gemacht habe, daß uns ein schematisches Herangehen überhaupt nicht nützt. Das ist erstens eine Frage des politischen Willens, zweitens der rechtlichen Möglichkeiten und drittens der finanziellen Mittel, die wir freimachen können. Ich freue mich, wenn Sie gleich weiteres Geld für den Einzelplan 30 zur Verfügung stellen wollen. Ich bin ganz sicher, daß Sie mir dann auch sagen, wo das Geld herkommen soll.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt erhält der Kollege Werner Lensing das Wort.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Dr. Rüttgers, ich möchte eine Frage zum Bereich des Hochschulzugangs stellen und damit drei Gedanken verbinden. Auf der einen Seite haben wir die Situation, daß wir das Abitur als eine unverzichtbare Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ansehen. Auf der anderen Seite steht die Überlegung, es nicht mehr hinnehmen zu wollen, daß sich nur die Studenten die Universitäten aussuchen; vielmehr sollen auch die Universitäten ihrerseits die Studenten auswählen dürfen. Als drittes steht die geplante Einführung eines Hochschulauswahlverfahrens im Raum. Jetzt meinen Kritiker, daß diese Einführung eines Hochschulauswahlverfahrens eventuell den Wert des Abiturs mindern könnte. Dabei weiß ich natürlich auch, daß das Abitur von Schule zu Schule, von Ort zu Ort und von Land zu Land in seinem Niveau verschieden zu bewerten ist. Auf der anderen Seite gibt es noch verstärkt die Anfrage aus der Wirtschaft, ob man nicht das Auswahlverfahren ausschließlich den Hochschulen überlassen sollte. Mich interessiert Ihre Beurteilung.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Lensing, um mit dem letzten zu beginnen: Ich halte nichts von einem System, das das Auswahlverfahren ausschließlich den Hochschulen überträgt. Ich halte auch nichts davon, daß wir das Abitur als Eingangsvoraussetzung für unsere Hochschulen schwächen. Ich begründe das einmal ganz praktisch: Ich bin in meinem Leben immer gut gefahren, wenn diejenigen, die mich geprüft haben, mich längere Zeit kannten. Für mich war es das Furchtbarste, wenn ich irgendwo anonymisiert in eine Prüfung hinein mußte und da unter irgendeiner Nummer unter von mir nicht nachzuvollziehenden Kriterien bewertet wurde. Ich glaube also, daß diejenigen, die einen Schüler acht oder neun Jahre bis zum Abitur begleiten, besser beurteilen können, welche Leistungen er auch in bezug auf ein Hochschulstudium erbringen kann, als irgendein Assistent oder in Ausnahmefällen der Professor selber, der sich einen einmal wenige Minuten ansieht. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir allerdings immer noch ein System der Studienplatzzuweisung - darüber kann man lange philosophieren -, das nach meiner Einschätzung zu nicht optimalen, also zu suboptimalen Ergebnissen führt. Wir stellen zum Beispiel fest, daß das jetzige Verfahren der ZVS in Kombination mit anderen Umständen dazu führt, daß unsere Hochschulen zu Regionalhochschulen degenerieren könnten. Das führt in der Regel einfach dazu, daß man auf Grund der Zuweisung oder aus anderen Gründen an der nächstgelegenen Hochschule studiert. Das kann auf Dauer, auch für das Profil der eigenen Hochschule, nicht richtig sein. Ich glaube, daß der Weg, den wir hier gefunden haben, den Hochschulen die Möglichkeit eröffnet, zur eigenen Profilbildung beizutragen, also dafür zu sorgen, daß auch beim Gespräch mit den Studierenden bestimmte Kriterien herangezogen werden, die vom Abitur so nicht berücksichtigt werden können. Es muß jedoch weiterhin sichergestellt sein, daß jeder, der die Voraussetzungen erbringt, seinen Studienplatz - vielleicht nicht an der Hochschule, an der er gerne studieren möchte - bekommt. Umgekehrt muß aber gelten - auch dazu haben wir ja eine Regelung gefunden -, daß diejenigen, die aus inhaltlichen Gründen bestimmte Hochschulen bevorzugen, jetzt die Möglichkeit haben, stärker aus dem rein mathematischen Verfahren herauszutreten, als das bisher der Fall ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage?

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich halte die Auskunft für so erschöpfend und so optimal, daß ich auf eine Zusatzfrage verzichten kann. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt hat der Kollege Tilo Braune das Wort.

Tilo Braune (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002635, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Zunächst möchte ich eine Bemerkung machen. Ich muß Ihnen gegenüber, Herr Minister, mein Befremden ausdrükken. Die Art, wie Sie hier mit Kollegen - zum Beispiel mit dem Kollegen Guttmacher - umgehen, finde ich nicht nur arrogant, sondern unverschämt und damit unparlamentarisch. ({0}) Jetzt die Frage. Herr Minister, in der Sommerpause ist von Ihrer Pressestelle der Entwurf eines Leitantrages für den CDU-Parteitag unter der Überschrift „Projekt Zukunftschancen" veröffentlicht worden. Hierin heißt es - ich zitiere -: „Die Funktionärs-, Beamten- und Expertenherrschaft in den Bildungsgremien der Bund-Länder-Verwaltung muß zurückgedrängt werden. Wir wollen die Rückkehr zum demokratischen Diskurs ... " Können Sie uns, Herr Minister, vor diesem Hintergrund mitteilen, wie Sie die Entstehungsgeschichte der HRG-Novelle beurteilen - und das gerade eingedenk der Tatsache, daß Sie es waren, der im Frühjahr die Vorbereitung der HRG- Novelle in ein Bund-Länder-Funktionärsgremium gegeben hat, nachdem seit Mitte letzten Jahres, wie bekannt, immer wieder nicht autorisierte Beamtenpapiere aus Ihrem Hause in die Öffentlichkeit gelangten?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Braune, zunächst einmal möchte ich sagen: Kollege Guttmacher und ich arbeiten sehr eng und freundschaftlich zusammen. ({0}) Wie wir diskutieren, geht Sie einen feuchten Kehricht an - um das einmal ganz klar und eindeutig zu sagen. Das war der erste Punkt. Zweiter Punkt. Ich beabsichtige nicht, hier Anträge meiner Partei zum Bundesparteitag zu kommentieren. Ich glaube nicht, daß das Parlament das richtige Gremium dafür ist. Drittens darf ich Sie darauf hinweisen, daß in diesem Gremium nicht Funktionäre zusammengesessen haben, sondern verantwortliche Minister.

Tilo Braune (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002635, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte.

Tilo Braune (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002635, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kenne nicht den Unterschied zwischen Beamten aus Landesministerien und aus Ihrem Ministerium und dem, was Sie unter Funktionären und sonstigen Beamten, die Sie in Ihrem Hause kritisieren, verstehen. Die Frage ist aber: Scheint es Ihnen nicht angemessen, daß Sie nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern mit den Betroffenen diese Dinge diskutieren und daß die Gremien, die von Ihnen in dem Papier - das ist aus Ihrem Haus komischerweise als Parteipapier gekommen; auch das bedarf eigentlich einer Erläuterung - kritisiert wurden, sich mit denen beschäftigen sollten, um die es geht? Ich denke, mit den Betroffenen und nicht über sie hinweg zu reden ist immer von Vorteil. Ich kann Ihnen das nur anempfehlen.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Erstens. Die Unterstellung, daß das Papier aus meinem Hause gekommen ist, weise ich als unwahr zurück. Zweitens. Ich weiß nicht, was Ihre Frage zum Ziel hat. Ich verstehe sie einfach nicht. Ich diskutiere als Bildungsminister sehr viel mit Studierenden und Professoren. Ich weiß nicht, was Ihre Frage soll.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Rachel.

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, die Vorschläge zur HRG-Novelle sind auf ein sehr breites und ein sehr positives Echo gestoßen. ({0}) Dabei gab es aber eine Ausnahme, die mir aufgefallen ist: Der Deutsche Hochschulverband hat etwas gemosert. Deshalb möchte ich Sie gerne fragen: Teilt die Bundesregierung, teilen Sie als zuständiger Minister die Befürchtungen des Deutschen Hochschulverbandes in Person von Herrn Schiedemair, daß durch die vorgesehene Deregulierung im Bereich der deutschen Hochschulen die Gefahr des Provinzialismus bestehe und daß letztlich die Freizügigkeit von Studenten und Professoren innerhalb Deutschlands nicht mehr gewährleistet sei? Oder sehen Sie im Gegenteil durch die vorliegende Reform diesem Anliegen sehr wohl Rechnung getragen?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Rachel, ich teile die Auffassung des Hochschulverbandes, mit dem ich übrigens immer wieder und auch ganz aktuell im Gespräch bin und bleibe, nicht. Es gibt einen Punkt, wo wir, der Deutsche Hochschulverband und ich, vom Ansatz hier unterschiedlicher Auffassung sind. Das ist die Frage, wie das Bild der Universität des 21. Jahrhunderts aussieht. Ich habe, wie Sie wissen, in einer Rede vor der Hochschulrektorenkonferenz gesagt, daß nach meiner Einschätzung Humboldts Universität tot ist. Dieser Satz ist für mich deshalb ein Schlüsselsatz, weil ich nicht glaube, daß wir in Zukunft in Deutschland bei 326 Hochschulen - Universitäten und Fachhochschulen, großen und kleinen, technischen, mehr geistes- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten - von einem einheitlichen Universitätsbild ausgehen können. Eine Universität mit 60 000 Mitgliedern ist etwas anders als eine Universität mit 3000 bis 4000 Studierenden und Professoren zusammengenommen. Ich glaube, daß wir deshalb den Mut haben müssen, von einem Leitbild Abstand zu nehmen, das alle Universitäten gleich organisieren, gleich finanzieren und gleich ausstatten will, wie das in der Vergangenheit war. Es wird ganz sicherlich noch die eine oder andere zusätzliche Fragestellung bei der Durchsetzung der Hochschulreform auftauchen. Wir haben bisher nach meiner Einschätzung noch nicht ausgiebig genug darüber diskutiert, ob wir vom Leitbild des Vollzeitstudenten oder vom Leitbild des Teilzeitstudenten ausgehen. Das wird nicht nur für die Frage der Hochschule, sondern auch für die Ausbildungsförderung natürlich entsprechende Konsequenzen haben müssen. Von daher gesehen glaube ich, daß wir mehr Unterschiedlichkeit und mehr Wettbewerb wagen müssen. Ich bin fest davon überzeugt, daß der Zustand, den wir alle miteinander in unseren Festreden seit Jahren beklagen, daß nämlich die Dynamik der Veränderungen unserer Hochschulen angesichts der beginnenden Wissensgesellschaft nicht groß genug ist, vor diesem Hintergrund nur durch ein solches Verfahren, das auch Mut zur Unterschiedlichkeit hat, damit auch Mut zur Bewertung und Mut zu Konsequenzen aus dieser Bewertung, geändert werden kann und daß wir nur so die Exzellenz unserer Hochschulen im nächsten Jahrhundert sichern können.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

An und für sich ist jetzt die Zeit für die Beantwortung von Fragen zu dem zentralen Thema abgelaufen. Aber ich verlängere die Zeit um fünf Minuten. Einverstanden? - Ich wäre aber dankbar, wenn sich die Fragesteller sehr kurz fassen würden. Eine ähnliche Bitte ergeht, was die Antworten betrifft, an die Bundesregierung. Jetzt hat der Kollege Hilsberg das Wort.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Rüttgers, von Ihnen ist bekannt, daß Sie Studiengebühren ausdrücklich ausschließen. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob in Ihrem Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes das ausdrückliche Verbot dieser Studiengebühren enthalten ist, und wenn nein, warum nicht.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Es ist nicht enthalten. Ich sehe, wenn ich die Hochschulstrukturreform nicht scheitern lassen will, keine Möglichkeit, das Thema aus dem Gesetzentwurf herauszulassen. Ich sehe nicht, daß ein bundesweites Verbot zur Erhebung von Studiengebühren im Parlament eine Mehrheit hat respektive sich durchsetzen kann, sowohl bezogen auf Bundestag wie Bundesrat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe zum gleichen Komplex eine Frage. Sie werden Ihren Gesetzentwurf dem Bundestag als ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz vorlegen. Sie haben aber im Bereich der Finanzierung sehr eindeutige und für die Länder bindende Regelungen im Hochschulrahmengesetz vorgesehen, so daß mich schon der Unterschied zwischen einerseits einem bundesweiten Verbot von Studiengebühren interessieren würde, das dieser Bundestag mit diesem Gesetz so beschließen könnte, und andererseits den übrigen Regelungen, die die Länder in Finanzfragen direkt betreffen. Dies gilt vor einem wichtigen Hintergrund: Nicht nur Sie, sondern auch Sprecher eigentlich aller Fraktionen und der Gruppe in diesem Haus haben sich gegen Studiengebühren ausgesprochen. Wenn der Alleingang des Bundes beim Hochschulrahmengesetz Ihrer Meinung und der Meinung der Bundesregierung nach möglich ist, würde mich interessieren, warum Sie dann Ihren Worten keine Taten folgen lassen.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Das erste ist eine politische Frage, das zweite eine juristische Frage. Damit ergibt sich der Unterschied in der Beantwortung. Ich habe nicht argumentiert, daß man ein Verbot von Studiengebühren nicht in das Gesetz hineinschreiben kann. Ich habe nur gesagt, daß ich nicht sehe, wie dann das Hochschulrahmengesetz überhaupt noch Gesetz werden kann. Das ist eine politische Bemerkung. Hinsichtlich der Lösung der Frage, ob dieses Gesetz zustimmungspflichtig ist, gibt es ein klares Verfahren. Das ist von den Verfassungsressorts geprüft worden. Das Ergebnis ist eindeutig, nämlich daß das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Kollege Berninger, ich halte die Debatte nicht für politisch relevant; das will ich hinzufügen. ({0}) Ich habe das soeben auch in meinen Einleitungsformulierungen gesagt. Wir haben dieses Thema auch in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern behandelt. ({1}) Das war jedem bekannt. Ich weiß, daß es den einen oder anderen gibt, der zu einer anderen juristischen Auffassung kommt. Ich kann mich nur daran halten, was für das Gesetzgebungsverfahren richtig und notwendig ist. Sonst hätte ich diesen Gesetzentwurf gar nicht einbringen können. ({2}) Wir werden das Ganze gemeinsam machen. Das war soeben meine Formulierung. Insofern ist die Debatte nach meiner politischen Einschätzung zuerst einmal allenfalls für Juristen von Bedeutung. Auf politischer Ebene wird sie nicht zu irgendwelchen nicht gewünschten Ergebnissen führen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Berninger.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine kurze Nachfrage hätte ich noch. Wer sind in den Verhandlungen, die Sie geführt haben, die Akteure, die sich kategorisch dagegen ausgesprochen haben, das Verbot von Studiengebühren in der Bundesrepublik Deutschland einheitlich festzuschreiben? Die zweite Frage lautet: Glauben Sie nicht, daß es für eine Hochschulreform ganz erheblich von Bedeutung ist, daß wir bei der Einführung von Gebühren an Universitäten und Fachhochschulen bundeseinheitliche Regelungen haben sollten, um damit für Studierende, die aus Familien mit geringen Einkommen stammen, klare Verhältnisse und die Möglichkeit, überall zu studieren, zu schaffen?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Berninger, die Lage ist eigentlich ganz einfach. Dazu ist im Hochschulrahmengesetz bisher keine Regelung enthalten. Die Länder können Studiengebühren einführen oder nicht. Das liegt nach der jetzigen Rechtslage in ihrer Kompetenz. Sie müssen dies, falls sie dies tun, politisch verantworten. So ist das nun einmal in unserem föderativen Aufbau vorgesehen. ({0}) Daß sich daraus jetzt die Konsequenz ergibt, eine generelle Debatte zu führen, ({1}) kann man zwar so sehen, muß man aber nicht. Damit ist die politische Frage nach Studiengebühren noch immer nicht beantwortet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt der Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie dem Haus erläutern, wie die zu erprobende neue Studienstruktur mit den Abschlüssen Bachelor und Master im Vergleich zu den herkömmlichen Abschlüssen gesehen werden soll, und zwar sowohl im Hinblick auf den zeitlichen Umfang des Studiums und der Prüfung als auch im Hinblick auf Studieninhalte und die Zuordnung zu Fachhochschulen, Universitäten und Technischen Universitäten?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Kubatschka, dazu gibt es in meinem Haus natürlich eine Vielzahl von Informationen und Vorstellungen. Wenn ich jetzt sage, ich möchte dies nicht erläutern, dann bitte ich, das nicht als Unhöflichkeit zu betrachten. Dahinter steckt vielmehr eine politische Überlegung. Wenn wir die Veränderung vornehmen wollen, daß in Zukunft mehr Verantwortung bei den Hochschulen - auch für die Gestaltung der Studiengänge - liegt, dann, so finde ich, wäre es nicht richtig, wenn wir jetzt versuchten - Entschuldigung, Frau Kollegin Odendahl -, im Wege von Organigrammen, Parallelogrammen und ähnlichem Definitionen vorzunehmen. Dies wird Aufgabe der Hochschulen sein, und dadurch wird es natürlich zu einer sehr spannenden Debatte über die Umsetzung der Hochschulreform kommen. Ich bin mir der Problematik, die Sie mit Ihrer Frage ansprechen, wohl bewußt. Wir haben darüber auch zwischen Bund und Ländern lange gesprochen. Wenn Sie versuchen, dies theoretisch zu lösen, werden Sie übrigens eine Vielzahl von weiteren Problemen auftun, die bei den Hochschulen in der praktischen Umsetzung ganz pragmatisch gelöst werden können.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt der Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, habe ich es gerade richtig verstanden, daß Sie die Beantwortung einer so zentralen Frage wie die Einführung von Studiengebühren, zu der Sie sich auch schon geäußert haben, tatsächlich in das Belieben der Länder stellen wollen? Wie würden Sie denn ein solches Verhalten - nehmen wir einmal an, wir hätten hier unterschiedliche Regelungen - mit Art. 104a des Grundgesetzes in Einklang bringen wollen, bei dem es um die Einheitlichkeit von Lebensbedingungen geht? Ich halte es für eine zentrale Frage, wie Studierende an deutschen Hochschulen bundesweit behandelt oder nicht behandelt werden.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Ich teile Ihre Auffassung nicht und halte es nicht für notwendig, hier eine bundeseinheitliche Lösung zu finden. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es gibt noch Fragen zu anderen Bereichen, die in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt haben. Ich habe drei Fragen zum Stichwort „Euro" . Ich verlängere deshalb die Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Befragung der Bundesregierung noch einmal um fünf Minuten. Ich weise aber darauf hin, daß diese Zeit von der der Fragestunde abgeht. Kollege Tippach.

Steffen Tippach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002820, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident, es geht um das Euroeinführungsgesetz. Ich beziehe mich auf den Zwischenbericht des BMF vom 28. April 1997, in dem ausgeführt wurde, daß im Zusammenhang mit der Umstellung beim Sozialversicherungsträger neben der fortlaufenden Anpassung zusätzliche ständige Änderungen im Leistungsrecht zu erbringen seien. Ich hätte von seiten der Bundesregierung einige konkrete Aussagen dazu gehört, welcher Art diese Umstellung und insbesondere die zusätzlichen ständigen Änderungen sein sollen, von denen da die Rede ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wer antwortet? Herr Staatssekretär, bitte.

Rainer Funke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000624

Herr Kollege, zu diesem Punkt ist keine Regelung vorgesehen. Die Dauerschuldverhältnisse werden mit der Änderung der Währung umgestellt. Es handelt sich hier um eine schlichte Währungsumstellung, wonach der DM-Betrag in Euro umzurechnen ist.

Steffen Tippach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002820, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Würden Sie mir zustimmen, daß die Formulierungen insofern mißverständlich sind? Denn offensichtlich konnten sie von mir falsch verstanden werden. Ich habe es so verstanden, daß zusätzliche Änderungen erforderlich sind. Sie aber sagen, daß etwas Derartiges nicht geplant ist.

Rainer Funke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000624

Zur Zeit sind keine weitere Änderungen notwendig. In diesem Gesetz ist der Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum Jahr 2002 geregelt. Gegebenenfalls sind nach dem Jahre 2002, wenn es nur noch den Euro gibt, Änderungen notwendig. Sie wissen vielleicht, daß wir in unseren Gesetzbüchern fast 4000 Vorschriften haben, in denen von „D- Mark" die Rede ist. Sie müssen gegebenenfalls umgestellt werden. Das aber ist in diesem Gesetz nicht notwendig gewesen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Spiller.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte gerne die Bundesregierung fragen, ob im Zusammenhang mit dem Euroeinführungsgesetz im Kabinett auch die offenbar im Hause des Bundesfinanzministeriums vertretene These erörtert worden ist, wonach vor der Entscheidung des Europäischen Rates ein Votum des Bundestages oder auch des Bundesrates keinerlei verbindliche Bedeutung habe, sondern lediglich eine deklaratorische Bedeutung in Anspruch nehmen könne. Ist dies auch die Auffassung der Bundesregierung? Das wäre interessant zu wissen, weil der Amtsvorgänger des jetzigen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Herr Faltlhauser, als Chef der Bayerischen Staatskanzlei an dieser Auffassung sehr deutlich Kritik geäußert hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wer antwortet? - Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Minister:in)

Politiker ID: 11002781

Dazu hat sich heute das Bundeskabinett keine Meinung gebildet. Es war auch überhaupt nicht Gegenstand des Euroeinführungsgesetzes. Wenn der Schritt ansteht, werden die betreffenden Erörterungen dazu stattfinden. Heute aber hat es dazu keine Meinungsbildung gegeben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesjustizminister, darf ich Sie denn nach Ihrer eigenen Meinung, Ihrer Rechtsanschauung zu diesem Problemkomplex fragen?

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Minister:in)

Politiker ID: 11002781

Ich bin immer gerne bereit, meine eigene Rechtsanschauung darzulegen, aber nicht als Bundesminister. Dies ist eine Angelegenheit, die die Bundesregierung entscheiden muß. Das wird sie zu gegebener Zeit und mit voller Überzeugungskraft auch tun; da können Sie sicher sein. Aber über ungelegte Eier zu sprechen würde dem berühmten hühnerrechtlichen Grundsatz widersprechen: Man gakkert erst, wenn das Ei da ist. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt Frau Dr. Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich möchte gern an der Frage meines Kollegen Tippach anknüpfen und nachfragen, welche gesetzlichen Regelungen denn nun bis zur Einführung des Euro zwingend erfolgen müssen. Reicht die dafür vorgesehene Zeit aus, oder müssen wir damit rechnen, daß möglicherweise wieder Gesetze mit der heißen Nadel genäht werden?

Rainer Funke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000624

Frau Kollegin, diese Regelungen betreffen die Übergangszeit vom 1. Januar 1999 bis zum Jahre 2002. Entwürfe für die Gesetze, die geändert werden müssen, beispielsweise in bezug auf das Gesellschaftsrecht oder das Bilanzrecht, haben wir frühzeitig vorgelegt, so daß wir im März oder im April - vielleicht auch erst im Juni; jedenfalls rechtzeitig zur Mitte nächsten Jahres - die betreffenden Gesetze im Bundesgesetzblatt veröffentlichen können. Die Unternehmen und Gesellschaften, die davon, beispielsweise von den Änderungen bei der Bilanzaufstellung, betroffen sind, können sich rechtzeitig auf den Euro einstellen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Keine Nachfrage. - Weitere Wortmeldungen mit Fragen zu diesem oder anderen Themenbereichen liegen mir nicht vor. Dann beende ich die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 13/8533 Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Die Fragen 1 und 2 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Fragen 3 und 4 sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen damit zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Töpfer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dieter Maaß auf: Wie erklärt die Bundesregierung die Unvereinbarkeit ihrer Initiative zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge mit einem im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vorbereiteten Erlaß, in dem bewußt nicht die Kleinbetriebe, sondern die Generalüber- und -unternehmer bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge bevorzugt werden sollen?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Kollege Maaß, Ihre Frage darf ich wie folgt beantworten: Das Bundesbauministerium hat im Zusammenhang mit der Baukostensenkungsinitiative, die von uns allen sehr ernst genommen wird, den Entwurf einer Richtlinie zur kostensparenden und innovativen Vergabe nach der VOB, Teil A erarbeitet. Der Richtlinienentwurf verfolgt die Zielvorstellung, auf der Grundlage der geltenden Bestimmungen der VOB/A, das Innovationspotential auch gerade vieler Anbieter verstärkt bei der Vergabe öffentlicher Bauleistungen unter besonderer Berücksichtigung mittelstandsfördernder Regelungen einzubeziehen. Das Stichwort, das hier eine Rolle spielt, ist „Bauteam" . Das ist bei unseren niederländischen Nachbarn bestens bekannt. Von einer Bevorzugung von Generalübernehmern oder Generalunternehmern kann überhaupt keine Rede sein. Die Diskussion um den Richtlinienentwurf hat in der Zwischenzeit dazu geführt, daß sich in der Praxis viele gute Ansätze zu Innovation und Kostensenkung weiterentwickelt haben, was ich sehr begrüße. Immer mehr mittelständische Unternehmen aus dem Handwerk bieten „Angebote aus einer Hand" an, kommen zu Handwerkeranbietergemeinschaften zusammen und sind für „gewerkeübergreifende" Zusammenarbeit sehr offen. Architekten beziehen verstärkt schon bei der Planung das Know-how der bauausführenden Seite sowie die aktuellen Entwicklungen auf dem Bauproduktemarkt ein und berücksichtigen auf diese Weise Prinzipien der wirtschaftlichen Bauausführung. Insbesondere bei technischen Gewerken setzt sich zunehmend eine übergreifende Vergabepraxis durch; dadurch werden Synergieeffekte durch Abstimmung von technischen Teilleistungen wirksam eingebracht und die laufenden Betriebskosten gesenkt. Die Angebote auf dem Markt zeigen, daß die Initiative zur Baukostensenkung erfolgreich ist. Im Hinblick auf die vielen praktischen Fortschritte auf Architekten- und Ingenieurseite, von denen ich nur einige aufgezählt habe, wie auch auf die wachsende Bereitschaft von kleinen und mittleren Unternehmen, Bietergemeinschaften zu bilden, und andere innovatorische Ansätze im Mittelstand halte ich eine entsprechende Richtlinie inzwischen für überflüssig. Wir werden sie nicht erlassen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage? - Zunächst der Kollege Maaß.

Dieter Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wie sehen denn Ihre Kontrollmöglichkeiten aus, mit denen Sie sicherstellen wollen, daß Sie Ihre Absicht auch durchsetzen können?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ich habe bereits gesagt, daß ich nicht die Absicht habe, Generalüberoder -unternehmer zu bevorzugen, wie Sie das fälschlich in Ihrer Frage unterstellen. Ich kann Ihnen das auch gern mit Zahlen belegen. Unter allen Aufträgen, die wir etwa im Zusammenhang mit dem Umzug nach Berlin vergeben, gibt es nur einen einzigen Auftrag an einen Generalunternehmer. Den haben wir sehr bewußt - nebenbei: in Abstimmung mit der Handwerkskammer Berlin und mit dem Mittelstandsbeirat beim Bundeswirtschaftsministerium - vergeben. Wir haben damit die Absicht verfolgt, mittelständischen Bietergemeinschaften eine Chance einzuräumen. Wie Sie wissen, wird außerhalb der öffentlichen Hand in sehr breiter Weise mit Generalunternehmern- und -übernehmern gearbeitet. Zu meiner Freude kann ich feststellen, daß diese mittelständische Bietergemeinschaft den Auftrag zum Bau des zweiten Abschnitts des Bundeswirtschaftsministeriums bekommen hat. Alle anderen Ausschreibungen, alle anderen Aufträge sind nicht an Generalunter- oder -übernehmer vergeben worden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Möchten Sie eine weitere Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Maaß? ({0}) Herr Kollege Conradi, bitte.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie verträgt sich Ihre Aussage mit der Tatsache, Herr Minister, daß die Bundesregierung die Bauämter des Bundes angewiesen hat, bei der Sanierung und beim Umbau von frei gewordenen amerikanischen Kasernen generell an Generalünernehmer- oder -unternehmer auszuPeter Conradi schreiben? Ich habe diese Ausschreibungen vorliegen. Ich habe inzwischen auch vom zuständigen Amt die Bestätigung, daß es eine Weisung von der Bundesregierung gibt, so zu verfahren. Was heißt das? Die Handwerker und die mittelständischen Unternehmen, die geeignet wären, kommen eben nicht im Bauteam zum Zug, sondern sind erpreßbare Subunternehmer von Firmen, die dabei die Abzocke machen.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Kollege Conradi, Ihre Sprachwahl müssen Sie selbst verantworten. ({0}) Ich schließe mich dieser nicht an. Ich habe gesagt: Gerade deswegen habe ich veranlaßt - und dies auch zum Erfolg geführt -, daß in einem ganz konkreten Fall eine Generalunternehmerausschreibung durchgeführt worden ist. Wir müssen nämlich daraus Kenntnisse gewinnen, und zwar von der Frage der. Gewährleistung der einzelnen, die in diesem Team mitarbeiten, bis hin zur Frage der Zahlungsmoral und anderen Dingen. Von daher gesehen ist es das Bemühen der Bundesregierung, des Bundesbauministeriums, solche Dinge ebenfalls zu ermöglichen. Einen bestimmten Fall habe ich Ihnen genannt. Wir werden die damit verbundenen Erkenntnisse natürlich nutzen, um sie an anderen Stellen einzubringen. Ich sage noch einmal: Der Entwurf, nach dem gefragt wurde, wird nicht erlassen, weil sich die zwischenzeitliche Entwicklung zugunsten von baukostensenkenden Veränderungen ausgewirkt hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frau Kollegin Iwersen.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, es ist Ihnen doch sicherlich nicht entgangen, daß der Anlaß für diese Fragen darin besteht, daß die Regierung angekündigt hat, verstärkt oder bevorzugt Betriebe, die ausbilden, bei den Vergaben zu berücksichtigen, sofern es sich um Bauaufträge unterhalb des Schwellenwertes für die EU-Ausschreibung, also unter 10 Millionen DM, handelt. Wir würden sehr gern wissen: Wie stellen Sie es sich vor, daß Sie diese Betriebe tatsächlich herausfinden und mit Aufträgen beglücken? Wird es nicht letzten Endes doch zu einer Koppelung - entweder wird in Bauteams oder in Generalunternehmerschaft oder Generalübernehmerschaft, von denen Sie zumindest in den Vorläufern Ihrer Erlässe immer wieder gesprochen haben, gearbeitet - kommen? Ich möchte wissen, wie Sie es erreichen wollen, daß tatsächlich die Betriebe die Aufträge bekommen, die auch wirklich ausbilden.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Präsident, ich will nicht auf die nächste Frage des Kollegen Maaß vorgreifen, aber sie beschäftigt sich genau mit diesen Zahlen. Wenn der Kollege Maaß einverstanden ist, könnte ich die Antwort auf die Frage 6 mit der Zusatzfrage verbinden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wir machen es so: Wir behandeln jetzt die Frage 6 und verbinden sie mit dieser Zusatzfrage. ({0}) Wie viele öffentliche Bauaufträge des Bundes unterschreiten den Schwellenwert von 10 Millionen für die europaweite Ausschreibung, und welchen prozentualen Anteil bilden sie am gesamten Bauautragsvolumen des Bundes?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Wegen der Zahlenangaben wäre das eine sinnvolle Lösung. In Frage 6 wurde gefragt, wie hoch der Anteil der Aufträge ist, die unter den Schwellenwert von 10 Millionen DM für die europaweite Ausschreibung fallen. Die letzten vollständigen Zahlen liegen aus dem Jahre 1995 vor. Sie stellen sich wie folgt dar: Vergeben wurden insgesamt 29977 Bauaufträge. Das ist der Beleg für das, was ich vorhin gesagt habe, daß wir nicht für Generalunternehmer ausschreiben. Von den 29 977 Bauaufträgen unterschritten 29 359 den Schwellenwert von 10 Millionen DM. Grundlage dafür sind die statistischen Meldungen von 18 der insgesamt 21 Oberfinanzdirektionen. Dies entspricht einem Anteil von 98 Prozent. Wertmäßig - daran werden Sie sicherlich genauso interessiert sein - betrug der Anteil der Auftragssummen unterhalb des Schwellenwertes knapp 60 Prozent, nämlich 8,04 Milliarden DM bei einer Gesamtauftragssumme von 13,7 Milliarden DM. Sie sehen also, daß die Festlegung, die wir im Zusammenhang mit Ausbildungsbetrieben gemacht haben, Frau Kollegin Iwersen, nicht ins Leere läuft. Es gibt sehr viele solche Aufträge. Aber ich möchte noch einmal unterstreichen, daß wir drei Teilvoraussetzungen formuliert haben: gleichwertiges Angebot, Unterschreiten der Wertgrenze und daß keine ausländischen Bieter mit beteiligt sind. Das wollte ich nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt haben. Ich sehe darin eine deutliche Bestätigung, daß sich das, was wir auch in vielen Diskussionen eingeleitet und vorangebracht haben, mit diesen Zahlen bestens in Übereinstimmung befindet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt muß ich zunächst den Kollegen Maaß fragen: Zusatzfrage?

Dieter Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich habe die Zusatzfrage: Wenn das alles so ist, wie Sie es darstellen, wie setzen Sie dann Ihre Forderung durch, daß die Betriebe Ausbildung betreiben? Das war in diesem Zusammenhang eigentlich die ursächliche Frage.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Diese Frage ist zunächst einmal eine Informationsfrage an die bietenBundesminister Dr. Klaus Töpfer den Unternehmen. Sie sollen uns mitteilen, ob und - wenn ja - wieviel sie ausbilden. Ich sage Ihnen: Über die Frage, wie viele Entscheidungen davon beeinflußt werden, hinaus ist eine solche Festlegung von großer Bedeutung, da wir doch in dieser Zeit wirklich belegen wollen und belegen müssen, daß das Ausbilden eine auch für die Gesamtgesellschaft wichtige Funktion ist. Wir können dadurch zumindest noch einmal das Signal geben, daß diejenigen, die ausbilden, eine weiterreichende, von uns auch zu honorierende Leistung erbringen. Ich meine, daß dies die Ausnahme darstellen muß und daß wir das öffentliche Vergaberecht mit sonstigen qualifizierenden Merkmalen des Angebotes selbst nicht be- oder gar überfrachten dürfen. Sie wissen, daß das, was wir gemacht haben, natürlich auch mit den Regelungen in Einklang steht, die das europäische Recht uns vorgibt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Noch eine Zusatzfrage?

Dieter Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich unterstütze natürlich die Forderung, daß mehr Ausbildung betrieben wird. Die Frage ist nur: Senden Sie nur ein Signal aus, oder setzen Sie durch, daß die Ausbildung in den Betrieben ausgeweitet wird? Das ist doch die Frage.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Wir können uns heute sicherlich theoretisch darüber unterhalten, wie viele zusätzliche Ausbildungsplätze dadurch geschaffen werden. Zunächst einmal belegt damit die Bundesregierung, daß sie den ausbildenden Betrieben eine ganz besondere, nachdrückliche Priorität einräumt. Ich möchte auch die psychologische Wirkung nicht unterschätzt wissen. Wenn die Zahlen, die wir jetzt noch gar nicht haben können, dies dann noch zusätzlich belegen, ist das eine gute ergänzende Entwicklung. Ich wiederhole es im Hinblick auf Ihre Frage: Diese Entscheidung läuft nicht ins Leere. Die den Oberfinanzdirektionen nachgeordneten Bauämter erteilen sehr viele kleine Aufträge. Die Entscheidung geht in Bereiche hinein, in denen wir zusätzliche Ausbildung brauchen. Mir ist sehr bewußt, daß es in der Bauwirtschaft Regelungen über Ausbildungsleistungen gibt, mit einer Umlage, die, wie Sie wissen, bis zur Vergütung der Auszubildenden reicht. Das, was wir hier machen, ist eine zusätzliche, auch psychologische Honorierung derer, die ausbilden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frau Kollegin Iwersen.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, Betriebe, die ausbilden, würden Aussicht auf mehr Aufträge seitens der Oberfinanzdirektion haben, schränken das aber gleichzeitig dadurch ein, Voraussetzung sei ein gleichwertiges Angebot - gleichwertig vermutlich mit dem Angebot eines Betriebes, der nicht ausbildet; so muß man es wohl auffassen. Könnten Sie den Ausdruck „gleichwertig" vielleicht ein wenig eingrenzen? Denn wenn gleichwertig bedeutet, daß der Angebotspreis wirklich auf Heller und Pfennig genau gleich ist, dann hat es sowieso schon immer die Freiheit gegeben, den einen oder anderen als den wirtschaftlichsten einzustufen und ihm den Auftrag zu geben. Ich kann noch nicht so richtig erkennen, wo Ihre Initiative zu mehr Ausbildungsplätzen oder zu einer Belohnung der ausbildenden Betriebe führt. ({0})

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

In Richtung des Kollegen Conradi möchte ich nur sagen: Das muß er selbst vertreten - was er ja auch gerne tut. Zu Ihrer Frage: Auch in der VOB ist nicht niedergeschrieben, daß der billigste Anbieter den Auftrag zu bekommen hat. ({0}) - Wohlgemerkt! Das ist die Abwägung, die stattfinden muß. Ich habe großen Respekt vor. den in der öffentlichen Bauverwaltung Tätigen, und wir sollten sie bei der Entscheidung, welches Angebot anzunehmen ist, ein Stück politisch unterstützen. Überall rufen wir schnell nach dem unbürokratischen Entscheidungsvorgang, lassen aber viele der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung schnell alleine, wenn es einmal Probleme gibt. Deswegen ist es gut, wenn wir ihnen als Abwägungsgebot mitgeben, auch die Ausbildungsleistung zu berücksichtigen. Ich kann ihnen jetzt aber keine Marge vorgeben dergestalt, daß dieses Kriterium eine Preisdifferenz von 2 oder 3 Prozent aufwiegt. Das muß sich aus der Abwägung des gesamten Angebotes herauskristallisieren. Den mit der Vergabe beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich klar signalisieren: Wenn sie solche Argumente einbringen, sind sie voll über die politische Entscheidung abgesichert. Das ist meine Aufgabe, und diese möchte ich hier noch einmal unterstreichen. Denn sonst kommen wir in der Tat sehr schnell in Beweisnöte, die auf der praktischen Ebene nicht beseitigt werden können.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Dreßen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, es ist immer noch nicht deutlich geworden - Sie winden sich herum -: Wie werden Sie dem Anspruch, den Sie in der Öffentlichkeit erweckt haben, daß Betriebe, die ausbilden, bei Ausschreibungen bevorzugt werden, gerecht? Wie kontrollieren Sie das? Können Sie uns sagen, was die Bundesregierung tut, um Betriebe, die ausbilden, bei der Auftragsvergabe wirklich bevorzugt zu behandeln? Was machen Sie konkret?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ich habe mich nicht gewunden, und es steht mir auch nicht gut an, mich zu winden. - Ich habe klipp und klar gesagt, was wir wollen: Wir wollen den psychologischen Effekt nutzen, daß diejenigen, die sich für Ausbildung entscheiden, wissen: Im Zweifelsfall ist auch das ein zusätzliches Argument für die Vergabe. ({0}) - Das haben wir den Oberfinanzdirektionen, den vergebenden Stellen so mitzuteilen. Damit haben sie zusätzliche Argumente bei der Abwägung. Wie sie im jeweils einzelnen Fall umgesetzt werden, muß ich - wie bei jeder anderen Abwägung eines Angebotes -denen überlassen, die vor Ort die Kenntnisse haben. Ich kann doch keinen Erlaß herausgeben, der die Umsetzung im Detail, für jeden einzelnen Fall, regelt. Das hat nichts mit Sich-Winden zu tun, sondern nur damit, daß wir dieses Instrument richtig einordnen müssen: Es ist das zusätzliche Signal „Bildet mehr aus!" in einer Zeit, wo auch im wichtigen Baubereich dringlich Ausbildungsplätze gebraucht werden - auch wenn möglicherweise durch die rückläufige Konjunktur andere Signale eher durchschlagen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Frage 7 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. - Ich danke dem Herrn Minister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Dr. Uschi Eid auf: Auf Grundlage welcher völkerrechtlichen Einschätzung ist Bundesminister Carl-Dieter Spranger der Auffassung, daß, wie in einer Meldung der „Frankfurter Rundschau" vom 30. August 1997 geäußert, die Verantwortung für Abgeschobene, deren Staatsangehörigkeit nicht geklärt ist, an die „Organisation für Afrikanische Einheit" abzugeben sei?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Herr Präsident! Werte Frau Kollegin! Die Organisation für Afrikanische Einheit ist, wie der Name sagt, eine Gemeinschaft der afrikanischen Staaten und hat damit auch einen gewissen völkerrechtlichen Charakter. Deshalb liegt es bei unseren Überlegungen nahe, daß wir auch diese Organisation ersuchen wollen, ihrerseits auf ihre Mitgliedstaaten einzuwirken, daß völkerrechtliche Verpflichtungen eingehalten werden. Dieses Instrumentarium betrachten wir als eines unter mehreren, um afrikanische Staaten auf ihre Rücknahmeverpflichtungen von hier illegal lebenden Ausländern hinzuweisen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Hat sich die Bundesregierung bzw. Herr Minister Spranger bereits, wie angekündigt, an die OAU gewandt, damit diese ausreisepflichtige Afrikaner in Addis Abeba übernimmt, und, wenn ja, welche Reaktion der OAU liegt vor?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Nein, wir haben uns offiziell noch nicht an die OAU gewandt. Wir werden dies aber tun und diesen Prozeß der Kontaktaufnahme mit der OAU natürlich innerhalb der Bundesregierung entsprechend abstimmen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Stimmen Sie mir darin zu, daß Ihr Vorgehen mit folgendem vergleichbar wäre: daß, wenn sich auf dem afrikanischen Kontinent Europäer illegal bewegen, zum Beispiel die Regierung Namibias sich an die EU wendet und dann diese illegal in Afrika befindlichen Europäer einfach nach Brüssel übersendet?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Sie werden verstehen, liebe Frau Kollegin Eid, daß sich wegen des Umfanges der Problematik von Europäern, die sich illegal in Afrika aufhalten, diese Frage nicht stellt, sondern hypothetischer Natur ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 9 der Kollegin Dr. Uschi Eid auf: Wird die Bundesregierung ihre Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung - wie etwa Good Governance, Menschenrechte, Marktwirtschaft usw. - ändern und Entwicklungszusammenarbeit zukünftig von nicht damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Argumenten, wie etwa der bundesrepublikanischen Abschiebepraxis, abhängig machen?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich möchte hier noch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung sich bei ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit von fünf Kriterien leiten läßt: der Beachtung der Menschenrechte; marktwirtschaftlicher Orientierung; der Teilhabe der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen; dem sehr wichtigen Element der Rechtssicherheit; last, but not least natürlich der guten Regierungsführung - ein Begriff, den wir sonst häufig mit dem englischen Ausdruck „good governance" belegen. An diesen Kriterien irgendeine Änderung vorzunehmen, sieht die Bundesregierung nicht die geringste Veranlassung. Diese Feststellung ändert aber natürlich nicht im geringsten etwas an der Notwendigkeit, Partnerstaaten in Afrika auf ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinzuweisen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Außenminister hat gesagt, daß Entwicklungshilfe als I Druckmittel benutzt wird, wenn nach einer bestimmten Schonfrist die Staaten Afrikas nicht reagieren. Ich hätte gerne gewußt, wie der Begriff der Schonfrist zu definieren ist und wann genau die Bundesregierung vorhat, aktiv zu werden.

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich könnte Ihnen diese Frage detailliert beantworten. Da aber entsprechende Anfragen von Kollegen Ihrer eigenen Fraktion zu diesem Thema an den Außenminister vorliegen, bitte ich um Verständnis, wenn ich die Beantwortung dem Kollegen Hoyer überlassen möchte.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich nehme an, daß Herr Hoyer dann noch antwortet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Notfalls müssen Sie fragen. Sie haben jetzt noch zwei Zusatzfragen, weil die erste nicht beantwortet worden ist.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Herr Staatssekretär, hat sich das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bereits Gedanken ) gemacht, welche Maßnahmen Sie dann anwenden werden, wenn zum Beispiel die Organisation für Afrikanische Einheit nicht in Ihrem Sinne reagiert?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Wir gehen davon aus, daß wir mit den einzelnen Mitgliedstaaten der OAU wie der Organisation selber dieses schwierige Feld in partnerschaftlicher Diskussion erörtern können. Wir gehen nicht davon aus, daß sich unsere Partnerstaaten oder eine Partnerorganisation einem ernsten Anliegen der Politik Deutschlands entziehen werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich muß an dieser Stelle einmal ganz kurz intervenieren. Es gibt zwar eine Frage zu dem angesprochenen Thema, nämlich die Frage 12, aber für sie ist inzwischen eine schriftliche Beantwortung vorgesehen. Insofern können Sie, Herr Staatssekretär, in der Tat nicht auf die Beantwortung durch den Kollegen Hoyer verweisen, sondern müßten die erste Frage, die gestellt worden ist, beantworten.

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht. Es war mir nicht bekannt, daß diese Frage inzwischen zur schriftlichen Beantwortung vorgesehen worden ist. Der Kollege Hoyer hatte sich bereits erlaubt, mir die Bemerkung „Feigling" zuzurufen. ({0}) Insofern bin ich jederzeit bereit, diese Frage zu beantworten. Wenn die Kollegin Eid sie wiederholen würde, wäre ich dankbar. br. Uschi Eid ({1}): Es war die Frage, wie die Bundesregierung die Schonfrist definiert. Der Außenminister hat ja gesagt,. es gibt eine gewisse Schonfrist. Die Frage ist: Wie lang wird die sein?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Erst einmal können wir feststellen, daß wir in unserer Politik generell - gerade was das Verhältnis zu unseren Partnerländern in Afrika anbetrifft - von einer großen Langmütigkeit geprägt sind. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß wir alle Gespräche - übrigens sehr, sehr viel interne Gespräche - dazu nutzen, die Repräsentanten unserer Partnerstaaten darauf aufmerksam zu machen, daß es dem deutschen Steuerzahler schwer verständlich zu machen ist, daß wir den Aufbau dieser Länder mit erheblichen Mitteln unterstützen, obwohl wir auf Grund der Probleme bei der Rücknahme von Staatsbürgern aus dieser Region immer wieder feststellen müssen, daß diese Staaten ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Dann stellt sich irgendwann die Frage nach der Schonfrist. Ich bitte Sie um Verständnis, daß ich hier jetzt nicht sagen kann: 386 Tage, und dann knallt es. Es ist selbstverständlich, daß wir zum Beispiel im Rahmen von Regierungsverhandlungen der unterschiedlichsten Art - hier ist nicht nur das BMZ gefragt oder beteiligt - darauf hinweisen, daß wir auch das Mittel der unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit nutzen, um Druck auf die Partnerstaaten auszuüben, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen endlich nachzukommen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Dann rufe ich jetzt die Frage 10 des Kollegen Wolfgang Schmitt auf: Aus welchem Grund hält die Bundesregierung es für „fair", Drohungen über eine Aufkündigung der Entwicklungszusammenarbeit ins Feld zu führen, um andere Regierungen dazu zu zwingen, aus Deutschland Ausreisepflichtige aufzunehmen, im Hinblick auf die wiederholten Äußerungen der Bundesregierung - zuletzt von Bundesminister Carl-Dieter Spranger in seiner Haushaltsrede -, daß Entwicklungszusammenarbeit eine „faire Partnerschaft" voraussetze?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Herr Präsident! Lieber Kollege Schmitt, es ist nicht zutreffend, daß die Bundesregierung einem ihrer Partnerländer in Afrika aus asylpolitischen Gründen angedroht hat, die Entwicklungszusammenarbeit aufzukündigen. Im Rahmen der fairen Partnerschaft ist es aber durchaus angemessen - hier darf ich auf das zurückkommen, was ich eben der Kollegin Eid zu erläutern versuchte -, Partnerländer auf ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinzuweisen, zum Beispiel auf die, diejenigen ihrer Staatsangehörigen aufzunehmen, die in Deutschland als Asylbewerber abgelehnt bzw. in Deutschland straffällig geworden sind.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage?

Wolfgang Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002784, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Erste Zusatzfrage: Ist den Äußerungen des Ministers zu entnehmen, daß sich die Bereitschaft einzelner Staaten, insbesondere Afrikas, in Zukunft kooperativ mit der Bundesregierung in Sachen Aufnahme hier nicht aufenthaltsberechtigter Staatsburger umzugehen, in einer bevorzugten Behandlung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit niederschlagen wird?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich würde hier nicht die Formulierung „bevorzugt" verwenden. Ich würde es hier, obwohl ich ein Anhänger von Belohnung bin, ausnahmsweise umgekehrt formulieren: Wenn sich eine Partnerregierung auf Dauer - das war auch der Hintergrund der Frage der Kollegin Eid, wenn ich das richtig verstanden habe - der Verpflichtung entzieht, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen, dürfte dieses Verhalten natürlich auch Auswirkungen auf die gesamtpolitische Zusammenarbeit mit einem solchen Land haben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage?

Wolfgang Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002784, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zweite Zusatzfrage. Es gibt insbesondere in Afrika Staaten, die auf Grund ihrer Struktur oder ihres gegenwärtigen Zustandes kaum die Eigenschaft der Staatlichkeit besitzen. Beabsichtigt die Bundesregierung, die eher den Charakter der Not- und Katastrophenhilfe tragende Entwicklungszusammenarbeit auch mit solchen Staaten einzustellen, die auf Grund mangelnder staatlicher Strukturen oder fortschreitenden Staatszerfalls objektiv nicht dazu in der Lage sind, die hier in Rede stehenden Aufnahmeverfahren einzuleiten?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich glaube, das kann ich ausschließen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frau Kollegin Eid.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wüßte von der Bundesregierung gern, wie die afrikanischen Partnerländer Menschen und ihre Nationalität identifizieren sollen, wenn wir dazu schon in Anwesenheit dieser Personen hier in der Bundesrepublik nicht in der Lage sind.

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Es besteht gar kein Zweifel daran, daß es in einer Fülle von Einzelfällen schwierig ist, die wirkliche staatliche Zugehörigkeit festzustellen. Das beginnt schon bei der ganz einfachen Tatsache, daß jemand einer Volksgruppe angehört, die über zwei oder sogar mehr Staaten verteilt ist. Dann haben wir das Problem, daß zum Beispiel ein Land in Westafrika sagt: Der kommt aber aus dem Nachbarland. - Diese Schwierigkeit wird eingeräumt. Das Problem ist ferner - deshalb reden wir darüber, gegebenenfalls regionale Regelungen anzustreben -, daß dann zwei oder drei Länder, die möglicherweise von einem solchen Fall betroffen sind, jeweils strikt behaupten: Der oder die kommt aber aus dem Nachbarland. Da es aber klar ist, daß der oder die Betreffende aus einer bestimmten Region kommen muß, muß man dann Lösungen anstreben, die darauf hinauslaufen, in Kooperation mit zwei oder drei Staaten festzustellen, aus welchem Land der Betreffende, der sich hier illegal aufhält, kommt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Dann rufe ich jetzt die Frage 11 des Kollegen Wolfgang Schmitt auf: Wie begründet Bundesminister Carl-Dieter Spranger seine Auffassung, die aus einer Meldung der Frankfurter Rundschau vom 30. August dieses Jahres zu entnehmen ist, wonach er sich dafür ausgesprochen hat, auch bei ungeklärter Staatsangehörigkeit Ausländer in bestimmte Regionen abzuschieben?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Herr Präsident! Herr Kollege Schmitt, die Zahl der Fälle, in denen die Staatsangehörigkeit von eingereisten Ausländern ungeklärt ist, hat, wie auch Ihnen bekannt ist, in der jüngsten Zeit zugenommen und stellt nicht nur die zuständigen Behörden in den Ländern und den Kommunen vor Schwierigkeiten, sondern natürlich auch die Bundesregierung. Hier darf ich auf das zurückkommen, was ich eben versucht habe deutlich zu machen. In diesem Zusammenhang ist der Versuch, nicht nur mit einzelnen Ländern zu intensiveren Gesprächen zu kommen, um das Problem einer Lösung zuzuführen, sondern auch, wenn Sie mir diese Ausdrucksweise gestatten, zu regionalen Absprachen zu kommen, eine von verschiedenen Lösungsvarianten.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Eine Zusatzfrage?

Wolfgang Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002784, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, auf welche Staaten bezieht sich die hier in Rede stehende Vermutung, daß sich in der Bundesrepublik Menschen illegal aufhalten, die ihre Staatsangehörigkeit vorsätzlich oder Wolfgang Schmitt ({0}) fahrlässig - wir wissen es nicht - nicht bekanntgeben?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Da gibt es eine ganze Reihe von Staaten. Hier darf ich Sie - Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht - jetzt darauf verweisen, daß - möglicherweise bin ich wieder falsch informiert - eine entsprechende Frage vorliegt, die das Innenministerium beantworten soll. Stimmt das, oder ist diese Frage zurückgezogen worden?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es liegt eine solche Frage vor.

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Dann, Herr Kollege Schmitt, darf ich Sie - diesmal wohl zutreffend um Verständnis dafür bitten, daß Ihre Frage vom Kollegen Lintner aus dem Innenministerium beantwortet werden kann.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Dann haben Sie jetzt noch zwei Zusatzfragen.

Wolfgang Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002784, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme noch einmal zurück auf die Äußerung von Minister Spranger. Er hat angesichts der Unmöglichkeit, festzustellen, aus welchem Land ein sich hier illegal aufhaltender Personenkreis kommt, davon gesprochen, daß dann in Regionen abgeschoben werden könne oder müsse. Könnten Sie diese Regionen vielleicht geographisch präziser bezeichnen?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich hatte vorhin versucht, das mit der Aussage zu umschreiben, daß es Personengruppen gibt, die einer Volksgruppe angehören, die über mehrere Staaten verteilt ist, und daß man dann, wenn konkretere Lösungen mit einzelnen Staaten nicht erreichbar sind, versuchen müßte, mit zwei oder drei oder sogar mehr Staaten zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Ich halte das - das hat auch Minister Spranger zum Ausdruck gebracht - allerdings für ein sehr schwieriges Unterfangen. Nichtsdestotrotz müssen wir, um mit dieser Problematik fertig zu werden, unterschiedliche Möglichkeiten anstreben. Dazu gehören dann gegebenenfalls auch regionale Vereinbarungen. Ob das dann wirklich im einzelnen erreichbar ist, das kann ich Ihnen heute natürlich nicht beantworten. Wir werden zumindest diesen Versuch unternehmen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002784, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mit welchen Staaten sind diesbezügliche Kontakte bereits aufgenommen worden, oder mit welchen beabsichtigt man, Kontakt aufzunehmen?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich werde versuchen, mich hierzu neutral zu äußern: Dies wäre zum Beispiel mit Staaten im westlichen Afrika ein durchaus gangbarer Weg.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte, Frau Kollegin Dr. Eid.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mir ist bekannt, daß Regierungen in Westafrika von Botschaften bereits informiert worden sind. Können Sie mir sagen, wie die dortigen Regierungen auf Ihr Ansinnen reagiert haben?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Ich kann auf das Verhalten dieser Regierungen indirekt dadurch schließen, daß die Kooperationsbereitschaft vieler Botschaften, die hier in Bonn stationiert sind, in den letzten Wochen erheblich zugenommen hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen zu diesem Geschäftsbereich. Ich danke dem Herrn Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Hoyer bereit. Die Fragen 12 und 13 werden - wie vorhin schon angedeutet - schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Gernot Erler auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Türkei dem renommierten deutschen Asienforscher, Prof. Dr. U. S., Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, Einreiseverbot erteilt hat und damit seine berufliche Tätigkeit in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt, und ist die Bundesregierung bereit, bei der türkischen Regierung vorstellig zu werden, um das Einreiseverbot für ihn aufzuheben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Erler, die Türkei hat das Einreiseverbot für Professor Steinbach heute aufgehoben. Die Bundesregierung begrüßt dies. Sie hat noch einmal klargemacht, daß sie dieses Einreiseverbot für unsere bilateralen Beziehungen für nicht sehr sinnvoll und darüber hinaus in der Sache für nicht gerechtfertigt hält. Wir sind froh, daß es nun zur Aufhebung des Einreiseverbots gekommen ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, auch ich freue mich darüber, daß heute morgen bekannt wurde, daß diese Einreisesperre sogar gegen insgesamt 21 deutsche Personen aufgehoben worden ist. Ich begrüße das vor dem Staatsbesuch, den wir nächste Woche erwarten, als eine Geste des guten Willens. Können Sie mir sagen, gegen wie viele und welche weiteren Personen jetzt noch Einreisesperren bestehen? Dies betraf renommierte Leute: den Leiter des Orient-Institutes, Landtagsabgeordnete, Journalisten und Rechtsanwälte. Gegen welche Personen bestehen jetzt noch Einreiseverbote seitens der Türkei?

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen diese Frage jetzt nicht beantworten, weil ich die Liste nicht hier habe. Ich bin aber gern bereit, Ihnen diese Informationen so schnell wie möglich nachzuliefern.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für dieses Angebot, das ich gern annehme. Herr Staatsminister, Sie haben sich eben erfreut über diese Entwicklung gezeigt. Geht diese Entwicklung auf eine Einwirkung der Bundesregierung zurück, vielleicht sogar auf diese Fragestunde, die bevorstand, oder ist dies eine einseitige Geste der türkischen Regierung?

Not found (Gast)

Nein, mit Sicherheit geht sie auf ein Einwirken der Bundesregierung zurück. Bundesminister Kinkel hat diesen Fall bereits vor Monaten aufgenommen und bei seinem Besuch in Ankara nachdrücklich angesprochen. Seither haben es die Botschaft in Ankara und auch das Auswärtige Amt hier an Bemühungen nicht fehlen lassen. Sie können auch davon ausgehen, daß uns Professor Steinbach nicht nur als ein sehr renommierter Experte bekannt ist, sondern auch als jemand, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Daher gibt es mit Sicherheit ein glaubwürdiges Interesse der Bundesregierung, dieses Einreiseverbot aufgehoben zu sehen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Özdemir.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch ich freue mich sehr darüber, daß das Einreiseverbot für Herrn Steinbach, den wir auch auf seiten unserer Fraktion wegen seiner Arbeit durchaus schätzen, nicht mehr besteht. Meine Frage bezieht sich auf eine andere Person, die aus der gleichen Stadt, nämlich aus Hamburg, kommt, auf Helmut Oberdiek, ehemaliger AmnestyInternational-Referent für die Türkei, der als ein sehr guter Türkei-Kenner bekannt ist. Auch er hat vor kurzem ein Einreiseverbot in die Türkei bekommen. Mich interessiert, ob es Bemühungen der Bundesregierung in Richtung einer Aufhebung des Einreiseverbots für Helmut Oberdiek gibt.

Not found (Gast)

Herr Kollege Özdemir, ich bleibe Ihnen sehr un-gerne Antworten schuldig. Aber wenn ich den konkreten Fall nicht in der Hand habe, kann ich die Frage nicht beantworten. Ich bin gern bereit, Ihnen die Antwort so schnell wie möglich nachzuliefern. - Herr Präsident, ich höre gerade - das Auswärtige Amt ist sehr schnell -, daß in diesem konkreten Fall das Einreiseverbot ebenfalls aufgehoben worden ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Erler auf: Über welche Möglichkeiten verfügt die Bundesregierung, solche Maßnahmen gegen deutsche Forscher, Wissenschaftler und Vertreter des öffentlichen Lebens seitens eines befreundeten Landes und NATO-Allianzpartners wie der Türkei künftig zu verhindern?

Not found (Gast)

Die Türkei ist ein souveräner Staat und entscheidet - wie wir auch - über Einreisegenehmigungen selbständig. Gleichwohl ist es sinnvoll, daß man unter befreundeten Nationen darauf aufmerksam macht, wenn man ein Einreiseverbot nicht für sinnvoll hält. Das geschieht auch hier und - Gott sei Dank - im konkreten Fall auch mit Erfolg.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie mir und dem Hohen Hause sagen, ob es im Verhältnis der Bundesrepublik zu anderen NATO-Partnern - die Türkei ist ja einer von fünfzehn NATO- Partnern - ähnliche Vorgänge gibt, wonach wegen der Kritik an der Innenpolitik des Landes Einreiseverbote verhängt worden sind?

Not found (Gast)

Das ist mir nicht geläufig. Ich finde es auch insgesamt recht ungewöhnlich, unter engen Partnern zu solchen Mitteln zu greifen. Sicherlich mag die Situation in der Türkei etwas problematischer als in anderen Ländern sein, aber so etwas sollte unter NATO- Partnern die Ausnahme bleiben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, nächste Woche erwartet die Bundesregierung den Besuch von Ministerpräsident Yilmaz, der jetzt eine Geste des guten Willens gezeigt hat. Ist die Bundesregierung bereit und darauf vorbereitet, diese Geste des guten Willens aufzugreifen und zu versuchen, bei diesem Besuch zu erreichen, daß es nicht nur eine Geste bleibt, sondern daß ein Schlußstrich unter die Praxis gezogen wird, renommierte Orient- oder Türkei-Experten mit Einreiseverboten zu belegen, wenn sie die Innenpolitik der Türkei kritisieren?

Not found (Gast)

Als erste Reaktion haben wir sofort gesagt, daß wir das für einen richtigen Schritt halten. Aber ein Schritt bedeutet niemals das Ende des Weges. Von daher begreifen wir den Besuch von Ministerpräsident Yilmaz nächste Woche auch als eine große Chance. Sicherlich wird das Thema eine Rolle spielen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Spiller.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben eben ausgeführt, daß es durchaus üblich sei, daß die Bundesregierung, wenn sie ein von einem fremden Staat gegen einen deutschen Staatsangehörigen ausgesprochenes Einreiseverbot nicht für sinnvoll halte, vorstellig werde. Darf ich fragen, wie oft es vorkommt, daß die Bundesregierung ein Einreiseverbot, das ein anderer Staat gegen einen deutschen Staatsangehörigen ausspricht, für sinnvoll erachtet?

Not found (Gast)

Herr Kollege, diese Frage ist so nicht zu beantworten. Das ist vielleicht auch im Sinne derer, um deren Einreisegenehmigung wir uns bemühen. Es ist nicht immer sinnvoll, das auf dem offenen Markt auszutragen; es ist besser, das Auswärtige Amt und die Bundesregierung bemühen sich darum, im konkreten Fall zu helfen. Das tun wir sehr nachdrücklich und recht oft.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Frage 16 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit haben wir den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes - erfolgreich, wie ich feststellen möchte - abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Lintner bereit. Die Fragen 17 und 18 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Susanne Kastner auf: Ist es richtig, daß das Bundesministerium des Innern über die Grenzschutzpräsidien den Bundesgrenzschutzbeamten eine öffentliche Beurteilung des BGS-Neustrukturierungskonzeptes verboten hat mit dem Hinweis, daß auch Pressebegleitung bei Abgeordnetenbesuchen unerwünscht sei, und gesteht das Bundesministerium des Innern nicht indirekt Fehlentscheidungen ein, wenn es jede Stellungnahme durch die Bundesländer mit dem Hinweis auf die Unumkehrbarkeit der Entscheidung verwirft? Eduard Lintner, Part. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Kastner, die Antwort lautet wie folgt: Das Bundesministerium des Innern hat im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Konzepts zur Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes die nachgeordneten BGS-Dienststellen gebeten, daß bei Informationsbesuchen von Abgeordneten in der Dienststelle deren Information über das BGS-Konzept durch den Dienststellenleiter selbst erfolgt. Um einen unbeeinträchtigten Dienstbetrieb zu gewährleisten, finden diese Informationsgespräche grundsätzlich ohne Medien statt. Damit soll auch verhindert werden, daß politische Auseinandersetzungen in die Dienststellen hineingetragen werden. Es bleibt den Abgeordneten unbenommen, nach ihren Gesprächen mit den Dienststellenleitern außerhalb der Dienststellen Gespräche mit Medienvertretern zu führen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe folgende Frage an Sie: Hat das Bundesinnenministerium vielleicht ganz einfach Angst vor der Fachkompetenz der BGS-Leute vor Ort? Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, daß für eine solche BGS-Reform ein breiter Konsens in der Bevölkerung gefunden werden und damit auch ein relativ ausgewogener Dialog stattfinden muß?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Kastner, dieser ausgewogene Dialog hat über Jahre hinweg stattgefunden. Die BGS-Angehörigen haben über die jeweiligen Vertretungen ausreichend die Möglichkeit gehabt, darauf Einfluß zu nehmen. Im übrigen sind sie auch immer lückenlos informiert worden. Ich muß allerdings sagen, daß sich eine Reform, die auf Grund einer gesetzlichen Aufgabenveränderung stattfinden muß, natürlich nicht danach richten kann, ob sie eine Mehrheit in der Bevölkerung findet. Vielmehr muß sie sach- und fachgerecht an Hand der gesetzlichen Zielsetzungen durchgeführt werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie meine Frage nach dem Einfluß der Bundesländer nicht beantwortet haben - sollte ich es überhört haben, so bitte ich um Entschuldigung -, würde ich jetzt gern folgendes wissen. Als CSU-Staatssekretär wissen Sie, daß die CSU-Staatsregierung in Bayern eine andere Meinung zu diesem BGS-Strukturkonzept hat. Wie wird das denn nun mit dem Innenministerium geregelt? Ist die Aussage des Herrn Kanther, daß es keine Änderungen bei dem BGS-Konzept gibt, endgültig? Wie ist dann die Stellungnahme der Länder zu diesem BGS-Konzept zu bewerten?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Kastner, ich hatte in der Tat überhört, daß Sie nach der Stellungnahme der Länder gefragt hatten. ({0}) Aber auch das ist leicht zu beantworten. Das kann ich nachholen. Die Länder haben bis zum 15. Oktober die Möglichkeit, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen. Bevor diese Frist nicht abgelaufen ist, kann ich inhaltlich überhaupt nichts sagen, weil ich nicht weiß, was noch alles auf uns zukommt. Das gilt auch für die Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung. Wir haben uns allerdings - wie seinerzeit bei der Schließung der Bundeswehrstandorte - als Prinzip vorgenommen, darauf zu achten, daß keine länderübergreifenden Empfehlungen dergestalt ausgesprochen werden, daß man im Nachbarland und nicht im eigenen Land Standorte schließen solle. Solche Stellungnahmen würden keine Berücksichtigung finden. Stellungnahmen aber, etwa einen Standort zu schließen und den anderen Standort aufrechtzuerhalten, können durchaus noch entscheidungserheblich werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben berichtet, daß eine Medienbegleitung bei Abgeordnetenbesuchen nicht erwünscht sei und untersagt werde. Gilt das Verbot einer solchen Medienbegleitung auch bei Besuchen des Abgeordneten und Bundesministers Kanther oder bei anderen Abgeordneten, die gleichzeitig ein Exekutivamt innehaben?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schily, mir sind in letzter Zeit keine Besuche aus unserem Haus bekannt, bei denen Medienbegleitung stattgefunden hätte. Ich darf aber darauf hinweisen, daß sich die Anweisung des Innenministeriums, über die wir jetzt hier sprechen, nur auf den Sachverhalt der derzeit stattfindenden BGS-Reform bezieht. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lintner, finden Sie nicht, daß Sie, wenn Sie bei der Beantwortung der Frage der Kollegin Kastner unter anderem Begriffe wie „Vermeidung öffentlicher Auseinandersetzungen" oder „Vermeiden von Hineintragen von Konflikten in die BGS-Unterkünfte" verwenden und damit Abgeordnete praktisch von den Diskussionsrunden innerhalb der BGS-Unterkünfte ausschließen, von vornherein fälschlicherweise unterstellen, daß sich immer dann, wenn sich ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete in eine BGS-Unterkunft begibt, um Informationen einzuholen, gleich ein Konflikt ergeben könnte?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schmidt, ich verstehe den Sinn Ihrer Frage nicht. ({0}) Ich habe darauf hingewiesen, daß sich Abgeordnete selbstverständlich in BGS-Unterkünfte begeben können, dort informiert werden und sich dort auch äußern können. Es geht hier nur um die Medienbegleitung. Eine Medieninformation kann außerhalb des BGS-Standorts oder der BGS-Liegenschaft jederzeit vom Abgeordneten durchgeführt werden. ({1})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Conradi!

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie sich darüber im klaren, daß Ihr Verbot der Pressebegleitung von Abgeordneten beim Bundesgrenzschutz in die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten eingreift, die in ihrer Arbeit auf Medien angewiesen sind und das Recht haben, Medienvertreter zu beteiligen? Das heißt, daß Sie hier in Rechte eingreifen, die die Verfassung den Abgeordneten für ihre Arbeit garantiert.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Conradi, ich sehe das ganz anders. Der betreffende Abgeordnete hat jederzeit die Möglichkeit, am selben Ort Medienvertreter zu kontaktieren und mit ihnen zu sprechen. Nur haben wir als dienstvorgesetzte Behörde des BGS auch die Verpflichtung, sicherzustellen, daß dieser Dienst uneingeschränkt und unbeeinträchtigt weitergeführt werden kann. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt kommt die Frage 20 der Kollegin Susanne Kastner: Gibt es im Bundeshaushaltsplan 1998 erhöhte Mittel für die Neukonzeption des BGS, gerade im Hinblick auf den Hinweis des Bundesministeriums des Innern, daß höhere Mittel notwendig seien, und wie wird in diesem Zusammenhang die Sicherheit der Reisenden an Bahnhöfen gewährleistet, die in Zukunft ohne BGS-Beamte auskommen müssen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Für die Umsetzung der am 11. September 1997 im Innenausschuß des Deutschen Bundestages von Herrn Bundesminister Kanther vorgestellten Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes sind gesonderte Mittel im Bundeshaushalt 1998 bisher nicht vorgesehen. Das Bundesministerium des Inneren wird bemüht sein, die in der Anfangsphase der Umsetzung abzusehende finanzielle Mehrbelastung mit Hilfe der im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1998 enthaltenen Flexibilisierungsinstrumente im Rahmen des Kapitalansatzes für den Bundesgrenzschutz aufzufangen. Mit der Neuorganisation ist die Erhöhung der personellen Ausstattung im bahnpolizeilichen Aufgabenbereich um 880 Polizeivollzugsbeamte auf insgesamt 5540 Polizeivollzugsbeamte - das ist eine Steigerung um rund 20 Prozent - bei gleichzeitiger organisatorischer Konzentration von Bahnpolizeidienststellen verbunden, die eine quantitativ und qualitativ verbesserte, den modernen polizeilichen ErfordernisParl. Staatssekretär Eduard Lintner sen gerecht werdende mobile Aufgabenerfüllung sowohl auf Bahnhöfen in Großstädten und Ballungsräumen als auch auf Bahnstrecken und in Zügen ermöglicht. Die hierdurch erzielte Effizienzsteigerung hat allerdings Konsequenzen für eine Reihe von kleineren Bahnpolizeiwachen und -posten, deren Beibehaltung polizeitaktisch und personalökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen ist. Künftig wird hier die bahnpolizeiliche Präsenz durch nahegelegene BGS-Inspektionen bzw. Einsatzabschnitte gewährleistet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie als Mitgestalter dieser Strukturreform wissen sehr genau, daß die ersten Umzüge, die ersten Umsetzungen von Polizeibeamten bereits im Mai, Juni und Juli nächsten Jahres stattfinden werden. Diese Umzüge von Polizeibeamten sind mit Umzugskosten und mit anderen Kosten verbunden. Sie haben gesagt, daß Sie die dafür notwendigen Mittel aus anderen Posten des Etats des Innenministeriums nehmen. Ist das im Hinblick auf den Bundeshaushalt nicht wieder eine Ihrer Täusch- und Tarnaktionen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Kastner, ich fürchte, Sie reden jetzt vom Haushalt des Bundesinnenministeriums, ohne die Details zu kennen. Denn im Bundesinnenministerium hat schon seit längerer Zeit die sogenannte Flexibilisierung Einzug gehalten. Das bedeutet, daß voraussichtlich ab 1998 im BGS-Haushalt von über 3 Milliarden DM die gegenseitige Deckungsfähigkeit besonders ausgeprägt ist und daß dort die Jahresgrenze nicht eingehalten werden muß. Ich finde, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Wir werden diese Aufgabe bewältigen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage?

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001069, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was die Sicherheit der Reisenden in den Bahnhöfen angeht, so ist Ihnen, Herr Staatssekretär, sicher bekannt, daß sich in Würzburg die nächstgelegene BGS-Stelle - von Schweinfurt aus - befindet. Die Entfernung beträgt bekanntlich über 60 Kilometer. Wie ist denn meine Sicherheit - oder auch die anderer - gewährleistet, wenn ich im Bahnhof Schweinfurt durch kriminelle Handlungen geschädigt oder als Frau belästigt werde, mich aber an die BGS-Stelle in Würzburg wenden muß, die über 60 Kilometer entfernt ist?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Kastner, auch in diesem Punkt scheint mir ein grundsätzlicher Mangel an Information über den Inhalt der BGS-Bahnpolizeireform vorzuliegen. Denn wenn wir die BGS-Inspektion nach Würzburg verlegen, dann heißt das zunächst einmal überhaupt nicht, daß alle Beamten, die im Bereich dieser Bahnpolizeiinspektion zur Verfügung stehen, in Würzburg sind. Möglicherweise hält sich genau dann, wenn Ihnen die eben beschriebenen Handlungen widerfahren, die Bahnpolizeistreife wie gewöhnlich in Schweinfurt auf, so daß Ihnen sofort geholfen werden kann. Ich darf aber folgendes hinzufügen: Es ist im übrigen schon heute so, daß bei der personellen Besetzung kleinerer Bahnpolizeiwachen nicht gewährleistet werden kann, daß für 24 Stunden, also für einen ganzen Tag, Bahnbeamte im Dienst sind. Es gibt Schichten - derzeit wird die Organisation à la Bahn von früher praktiziert -, die mit zwei oder drei Mann besetzt sind. Wenn sich diese Beamten beispielsweise zur Aufnahme eines Unfalls 35 Kilometer von Schweinfurt wegbegeben müssen, dann hätten Sie auch heute schon die Bahnpolizei zunächst nicht zu Ihrer Verfügung. Sie müßten sich - wie es übrigens einer bewährten Zusammenarbeit entspricht - an die bayerische Landespolizei wenden, die Ihnen dann hilfreich zur Seite stehen würde.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich jetzt die Frage 21 des Kollegen Özdemir auf: Ist es zutreffend, daß die Innenministerkonferenz bereits 1995 eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die prüfen sollte, ob Personen, bei denen nicht geklärt ist, aus welchem Staat sie kommen, in die „Gesamtregion" abgeschoben werden können, und wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Arbeitsgruppe gekommen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Özedmir, die Antwort lautet: Die IMK hat auf Initiative von Hamburg in ihrer Sitzung am 19. Mai 1995 in Berlin die Arbeitsgruppe Rückführung beauftragt, zu prüfen, ob und inwieweit es möglich ist, in den Fällen ungeklärter Staatsangehörigkeit durch den Abschluß von Rückübernahmeabkommen eine Rückführung auch ohne den Nachweis der Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates in einen der Gesamtregion zuzurechnenden Vertragsstaat zu ermöglichen und hierzu gegebenenfalls entsprechende Kriterien - wie Finanzierung, Organisation, Aufenthaltsrecht, Weiterleitung an den eigentlichen Zielstaat, Ausschluß menschenrechtswidriger Behandlung usw. - zu entwickeln. Bisher hat sich noch kein afrikanischer Staat zur Übernahme dieses Personenkreises bereit erklärt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn der Präsident einverstanden ist, würde ich gerne von Ihnen, Herr Staatssekretär Lintner, die Frage des Kollegen Schmitt beantworten lassen, um welche Staaten es sich handelt, die sich weigern, vornehmlich Illegale aufzunehmen.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Diese Staaten - es handelt sich um sogenannte Problemstaaten - sind im wesentlichen im August dieses Jahres in der „Welt am Sonntag" aufgeführt worden. Ich kann sie Ihnen nennen. Es sind dies Ghana, Äthiopien, Ägypten, Sudan, Côte d'Ivoire, Guinea, Niger, Burkina Faso, Nigeria, Südafrika, Eritrea, Uganda und Tschad.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann Frau Dr. Eid, bitte.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, auf Grund welcher Paragraphen und auf Grund welcher Regelungen im Völkerrecht eine Region verpflichtet werden kann, Menschen aufzunehmen, deren nationale Identität und Staatsbürgerschaft nicht geklärt sind?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Wenn nicht nachgewiesen werden kann; daß es sich um den eigenen Staatsangehörigen handelt, dann ist in der Tat keine Möglichkeit der Durchsetzung gegeben. Aber es geht gar nicht um diese Frage, Frau Kollegin Eid, sondern es geht um das Vorfeld, nämlich zu klären, ob es sich um jemanden handelt, der diesem Staat als Staatsangehöriger angehört.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 22 des Kollegen Özdemir auf: Ist es zutreffend, daß die Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Abschiebungen entgegen den öffentlichen Äußerungen bereits längst bestehende Praxis ist und z. B. in dem Beschluß des Rats der Innen- und Justizminister der Europäischen Union vom November 1993 zum Ausdruck kommt, wonach bei Europa-, Assoziations- oder Kooperationsabkommen mit dritten Staaten ein Zusammenhang mit der Rückübernahmepraxis eigener Staatsangehöriger herzustellen ist?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Der Rat der Innen- und Justizminister der EU hat Ende November 1993 beschlossen, gegenüber Drittstaaten in geeigneten Fällen einen Zusammenhang zwischen Europa-, Assoziations- und Kooperationsabkommen und der jeweiligen Rückübernahmepraxis herzustellen. Ziel ist die Gewinnung zusätzlicher politischer und rechtlicher Einwirkungsmöglichkeiten im Hinblick auf die bereits nach allgemeinem Völkerrecht bestehende Pflicht dieser Staaten zur Rücknahme derjenigen eigenen Staatsangehörigen, die sich illegal im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten. Ein Junktim zwischen den genannten Abkommen und der Rückübernahmeverpflichtung soll jedoch nicht automatisch, sondern nur auf Grund politischer Abwägung im Einzelfall erfolgen. Hinsichtlich der formellen Frage, wie ein solcher Zusammenhang herzustellen ist, hat sich der Rat Ende 1995, getrennt für reine Gemeinschaftsabkommen und gemischte Abkommen, auf zwei „Muster-Rückübernahmeklauseln" verständigt und beide Standardklauseln inzwischen auch formell angenommen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß bei Abkommen von dritten Staaten mit Staaten der Europäischen Union bzw. einzelnen Mitgliedstaaten eine Pflicht des Nicht-EU-Staates zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung bzw. der Rückführung durch vorformulierte Musterklauseln besteht? Und ist es zutreffend, daß innerhalb der Europäischen Union bereits danach verfahren wird?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Özdemir, ich kann nur sagen, daß, wenn über entsprechende Vereinbarungen verhandelt wird, natürlich solche Rückübernahmeklauseln verpflichtender Art eingebaut werden und dann auch danach verfahren wird. Wie nun der gegenwärtige Stand ist, welche Staaten sich bereits zu einer solchen Vereinbarung entschlossen haben und ob diese in der Praxis schon angewandt wird, kann ich Ihnen nicht beantworten. Das müßte ich im übrigen an das Auswärtige Amt weiterleiten.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Trifft es ferner zu, daß das Rückübernahmeabkommen der Bundesregierung mit Algerien quasi als Nebenprodukt der EU-Assoziationsverhandlungen mit Algerien gelten kann?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Nein, dieses Abkommen ist noch nicht zu Ende verhandelt. Also ist es noch nicht in Kraft, so daß ich Ihre Frage mit Nein beantworten muß.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage der Kollegin Dr. Eid.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben von einem Junktim gesprochen. Eines ist, daß Länder Entwicklungshilfe nicht mehr bekommen sollen - zumindest wird das angedroht -, wenn sie Bürger ihres Staates nicht zurücknehmen. Nun haben Sie auf die Frage des Kollegen Özdemir eine Reihe von Ländern genannt, zum Beispiel Sudan und Nigeria. Können Sie mir erklären, wieso Sie diese Länder in dieser Reihe nennen, da mit diesen Ländern - hoffentlich - keine entwicklungspolitische Zusammenarbeit stattfindet?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Eid, ich habe die Frage beantwortet, welche Länder im Zusammenhang mit der Rückführung ihrer Staatsangehörigen Probleme machen. Die Nennung dieser Länder hängt also nicht damit zusammen, daß in diesen Ländern tatsächlich Entwicklungshilfemaßnahmen durchgeführt werden. Ich erhebe nicht den Anspruch, daß alle von mir genannten Länder in die deutsche Entwicklungshilfe einbezogen sind.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen mehr. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht die Staatssekretärin Karwatzki bereit. Ich rufe zunächst die Frage 23 des Kollegen Dr. Wodarg auf: Wie beurteilt der Bundesminister der Finanzen die Tatsache, daß EU-Bedienstete in Belgien und Luxemburg weiterhin zollfrei einkaufen dürfen, angesichts der Tatsache, daß die arbeitsplatzvernichtende Abschaffung des Duty-free-Handels auf Fähren und an Flughäfen von Kommission und Ministerrat als angeblich zwingende binnenwirtschaftliche Konsequenz beschlossen worden ist?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Wodarg, Grundlage für die Möglichkeit zum abgabenbegünstigsten Erwerb von Waren durch Mitglieder von EU- Einrichtungen ist das Protokoll über Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaft vom 8. April 1965 und das dazugehörige Sitzstaatsabkommen. Dahinter steht der im Völkerrecht wurzelnde Gedanke, daß ein Mitgliedstaat aus der Anwesenheit einer internationalen Organisation auf seinem Gebiet keinen unangemessenen fiskalischen Nutzen ziehen soll. Ein Bezug zum Auslaufen der Übergangsfrist für den innergemeinschaftlichen Tax-free-Handel ist nicht ersichtlich. Hier geht es darum, daß für diese Abgabenbegünstigung in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem sich der Reiseverkehr frei und ohne jeglichen Grenzausgleich vollzieht, keine Berechtigung mehr besteht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Zusatzfrage lautet: Welche Erscheinungsformen des Duty-freeHandels sind ab Juli 1999 noch möglich? Ich denke zum Beispiel an Helgoland. Ich frage Sie nach weiteren Plätzen, zum einen im deutschen Hoheitsbereich und zum anderen innerhalb Europas.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Dadurch, daß wir einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsbereich haben werden, gibt es keine Grenzen mehr. Insofern fehlt dem zweiten Teil Ihrer Frage die Grundlage. ({0}) - Das weiß ich wirklich nicht, Herr Kollege Wodarg. Aber ich mache mich schlau und werde Sie dann sofort davon unterrichten.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Dann rufe ich die Frage 24 des Kollegen Dr. Wodarg auf: Wann und wie wird sich der Bundesminister der Finanzen in Brüssel ({0}) für eine Erhaltung des Duty-freeHandels und somit für die Sicherung der damit verbundenen über 5000 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Ostseeregion einsetzen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das Bundesministerium der Finanzen hat Ende des Jahres 1991 nicht unerhebliche Bedenken, unter anderem im Hinblick auf Wettbewerbsgesichtspunkte und die damit verbundenen Arbeitsplätze im „normal" versteuernden Handel, zurückgestellt und hierdurch den politischen Kompromiß für die Beibehaltung des innergemeinschaftlichen Tax-free-Handels während einer Übergangsfrist von sechseinhalb Jahren nach Schaffung des Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 maßgeblich ermöglicht. Diese ausgesprochen großzügige Übergangsfrist wurde der Branche eingeräumt, um auch zugunsten der Beschäftigten neue Geschäftsfelder und Strukturen erschließen zu können. Dahin gehende Aktivitäten können und müssen von der Branche auch jetzt noch erwartet werden, zumal eine Verlängerung der Übergangsfrist angesichts der hierfür erforderlichen Zustimmung aller Mitgliedstaaten und der sich bisher eindeutig ablehnend äußernden Kommission nicht zu erwarten ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind der Bundesregierung Versuche auf europäischer Ebene bekannt - oder hat der Bundesfinanzminister dies selber versucht -, in denen einerseits die zu erwartenden Steuermehreinnahmen bei Wegfall des Duty-free-Handels abgeschätzt und ausgerechnet sowie andererseits die Verluste gegengerechnet worden sind, die im Bereich der öffentlichen Mittel dadurch entstehen, daß hier Arbeitsplätze zerstört werden? Ich weise darauf hin: Allein an der Ostseeküste sind es über 5000 Arbeitsplätze, die mit Sicherheit durch den Wegfall dieses Handels zerstört werden. Wie beurteilt die Bundesregierung diese beiden Größen? Ist dies nicht eine Subvention, für die es sich einzusetzen lohnt und die relativ niedrig ist, verglichen mit dem, was sonst für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen getan wird? Hier sind ja bereits Arbeitsplätze vorhanden. An anderer Stelle subventionieren wir neue Arbeitsplätze. Wenn man einmal die Effizienz der eingesetzten Mittel betrachtet, lohnt es sich dann nicht, zu sagen: Wir wollen diese Arbeitsplätze erhalten?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Arbeitsplätze zu erhalten lohnt sich immer, Herr Kollege Wodarg. Ich glaube aber nicht, daß die Steuer das tragende Argument ist. Wir haben einen Wirtschaftsraum, in dem keine Grenzen gegeben sein werden. Es wäre nicht sinnvoll, unter Beibehaltung dieser Regelung einen gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraum zu erschließen. Ich denke aber, wir sind uns einig, daß wir das wollen.

Dr. Wolfgang Wodarg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Angesichts der Tatsache, daß die Europäische Union zuläßt, daß europäische Beamte weiterhin zollfrei einkaufen können, und angesichts der Tatsache, daß es sich hierbei um prinzipielle Entscheidungen innerhalb Europas handelt, kann die Ungerechtigkeit, die offenbar dahintersteckt, von den Betroffenen nur sehr schwer nachempfunden werden. Die formalen Gründe, die Sie vorhin nannten, sind nur schwer zu vermitteln. Meine Frage - ich möchte daran erinnern; denn Sie haben sie nicht beantwortet -: Gibt es Berechnungen, die einerseits die Steuerverluste abschätzen und andererseits die Kosten, die durch die Arbeitslosigkeit entstünden, dagegenstellen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Wodarg, Steuern sind nicht mein originärer Zuständigkeitsbereich. Insofern kann ich Ihnen - das aber ist keine Entschuldigung - die Frage nicht beantworten. Auch hier sage ich Ihnen zu - ich gehe davon aus, daß es solche Berechnungen gibt -, Ihnen die Zahlen, nachdem ich sie mir besorgt habe, zukommen zu lassen. Subjektiv möchte ich Ihnen recht geben: Es ist sehr schwer zu vermitteln, daß Diplomaten, die in irgendeinem Staat tätig sind, zollfrei einkaufen können, wir aber in diesem Fall - das ist etwas anderes - den Leuten dieses Stückchen Zugewinn - so sieht es aus - nicht gönnen. Das ist aber nicht so, wie ich auf Ihre erste Frage bereits ausgeführt habe. Hier gibt es nun einmal völkerrechtliche Verträge, von denen ich der Meinung bin, daß sie gut sind.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt rufe ich die Frage 25 des Kollegen Schily auf: Hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel, die vertraglichen Abmachungen mit der US-amerikanischen Firma Dow Chemical im Rahmen der Privatisierung der früheren Chemiekombinate Buna ({0}), Sächsische Olefinwerke ({1}) und Leuna Polyolefine ({2}) ({3}) bewilligt, und wie beurteilt die Bundesregierung heute die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen dieser Vereinbarungen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Schily, wir haben es - wie so oft im Miteinander - mit Ausnahmen zu regelnden Fakten zu tun. Ich gebe mir Mühe, Ihre Frage vollständig und umfassend zu beantworten. Zu Ihrer ersten Frage: Das Bundesministerium der Finanzen hat die vertraglichen Abmachungen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mit der US-amerikanischen Firma Dow Chemical im Rahmen der Privatisierung der Buna GmbH, der Sächsischen Olefinwerke GmbH und der Leuna Polyolefine GmbH, zusammengeschlossen in der BSL - und davon spreche ich gleich -, am 6. Juli 1995 genehmigt. Zuvor war durch schriftliche Berichte vom 19. und 30. Juni 1995 der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages bzw. die Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" des Haushaltsausschusses über die Inhalte des Privatisierungsvertrages unterrichtet worden. Die Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" hatte sich in ihrer Sitzung vom 4. Juli 1995 unter Einbeziehung des Bundesrechnungshofes abschließend mit dem Privatisierungsvertrag befaßt. Die Privatisierung des BSL-Olefinverbundes an Dow Chemical hat eine Schlüsselfunktion für den Erhalt und Aufbau wettbewerbsfähiger Chemiestandorte in den neuen Bundesländern Sachsen-Anhalt und Sachsen. Mit der Privatisierung verbunden ist eines der bedeutendsten Restrukturierungs- und Erneuerungsprogramme im Bereich der ostdeutschen Chemieindustrie. Die wirtschaftlichen Folgen für die Standorte und die gesamte Region sind positiv zu bewerten. Der Privatisierung kommt für die Entwicklung der chemischen Industrie in Ostdeutschland strategische Bedeutung zu. Sie sieht die standortübergreifende Restrukturierung des Polyolefinverbundes und die Entwicklung zu einem international wettbewerbsfähigen petrochemischen Komplex vor. Die Privatisierung sichert langfristig mehr als 3000 Arbeitsplätze an den Standorten des Olefin-Verbundes.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily?

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für die einleitenden Worte. Ich meine, es ist ein wenig schwierig, daß wir in den Fragestunden immer mit diesen Problemen konfrontiert werden, weil Sie vielleicht dann doch nicht den unmittelbaren Zugang zu den Erkenntnissen haben. Diese vertraglichen Abmachungen sind, wie Sie jetzt sagen, schon 1995 genehmigt worden. Hat das dazu geführt, daß sie jetzt endgültig rechtswirksam geworden und von beiden Seiten unterschrieben worden sind, oder fehlt da noch eine Unterschrift?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, sie sind unterschrieben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Eine weitere Zusatzfrage?

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist in der Presse berichtet worden, die Verträge seien noch nicht unterschrieben worden, das sogenannte legal closing sei nicht abgeschlossen. Ist das eine Fehlinformation?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Schily, ich bin ohnehin der Meinung, daß manches, was in der Presse veröffentlicht wird, nicht dazu beiträgt, den Menschen zu helfen, sondern sie eher verunsichert. Wenn man sich einmal den Artikel von Focus", auf den Sie sich beziehen, anschaut und die Rechenbeispiele nimmt, dann muß man sagen, daß das eine unfaire Argumentation den Menschen gegenüber ist, die dort einen Arbeitsplatz gefunden haben. Insofern möchte ich noch einmal sagen: Die Verträge sind abgeschlossen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Eine weitere Zusatzfrage stellt Kollege Beucher.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wir haben Ihrer Bewertung entnommen, daß Sie diesen Abschluß begrüßen. Sie haben auf die positiven arbeitsmarktpolitischen Folgen hingewiesen. Ist es, was die Finanzseite angeht, denn richtig, daß die Bundesregierung bisher 2,1 Milliarden DM für den Verlustausgleich bei diesem Projekt aufgebracht hat, während Dow Chemical bisher noch nicht einmal den Kaufpreis gezahlt hat? Ich beziehe mich dabei auch auf die von Ihnen kritisierte Veröffentlichung im „Focus".

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich werde gleich bei der Beantwortung Ihrer Frage, der Frage Nummer 27, deutlich machen, daß Dow Chemical die erste Rate sofort gezahlt hat. Eine weitere Rate ist, glaube ich, jetzt, Ende des Monats, fällig. Ich gehe davon aus, daß sie dann auch beglichen wird. Ich finde das jetzt nur nicht so schnell in meinen Unterlagen, Herr Beucher; ich gebe das ehrlich zu. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 26 des Kollegen Otto Schily auf: Welche Subventionen sind im Rahmen der Privatisierung der oben genannten früheren Chemiekombinate direkt und indirekt geleistet worden, und mit welchen direkten oder indirekten Subventionszahlungen muß für die Zukunft gerechnet werden?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Schily, die Europäische Kommission hat sich ausführlich mit der Höhe und der Zulässigkeit staatlicher Subventionen in Verbindung mit dem Privatisierungsvertrag auseinandergesetzt und ihre Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 19. September 1996 veröffentlicht. Daraus geht hervor, daß die Kommission Beihilfen in Höhe von maximal 9,494 Milliarden DM genehmigt hat. Die Beihilfen stellen nach oben hin gedeckelte Beträge dar, die nach heutiger Einschätzung nicht in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Zu den finanziellen Beiträgen der BvS ist anzumerken, daß ein Großteil der von der BvS im Zuge der Privatisierung gezahlten Beträge auch ohne eine Privatisierung angefallen wäre. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere die Kosten für die Beräumung, ferner für die Sanierung von Altlasten sowie für die Betriebsverluste und Abfindungszahlungen, die bis zu einer Stillegung der Betriebe angefallen wären. Im Falle der Fortführung der BSL in staatlicher Trägerschaft wären zudem Kosten durch Investitionen und einen weiteren Verlustausgleich angefallen, ohne daß das weitere unternehmerische Risiko auf die Privatwirtschaft übertragen worden wäre. Indirekte Subventionen wurden von der BvS nicht gewährt. Vom Land Sachsen-Anhalt und vom Freistaat Sachsen wird die Restrukturierung von BSL durch Mittel aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" unterstützt. Diese Zuschüsse sowie gewährte Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz werden in vollem Umfang auf die ratierlich von der BvS zu leistenden Investitionszuschüsse angerechnet und reduzieren die Verpflichtungen der BvS entsprechend.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Trifft es zu, Frau Staatssekretärin, daß 90 Prozent der Investitionen, die in diesem Bereich getätigt werden, vom Staat getragen werden?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das weiß ich nicht. Ich glaube aber nicht, daß es 90 Prozent sind.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Glaubensfragen sind das eigentlich nicht. Gerade im Finanzministerium sind Glaubensfragen nicht besonders hilfreich.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Schily, ich kann Ihnen das nicht beantworten. Ich glaube nicht, daß der Anteil so hoch ist. Ich gebe es Ihnen aber so bald wie möglich bekannt.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Trifft es zu, Frau Staatssekretärin, daß Dow Chemical allein aus den Zinserträgen, die es aus Vorauszahlungen erhält, seinen eigenen Anteil, also auch den Kaufpreis, abdecken kann?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich glaube nicht. Ich weiß es aber auch nicht. Das tut mir leid.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich schlage vor, daß diese beiden Fragen schriftlich beantwortet werden. Schließlich sind sie wichtig, doch wenn die Ziffern nicht parat sind, macht die Diskussion jetzt keinen Sinn. Herr Kollege Beucher. ({0})

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, hat es Vereinbarungen hinsichtlich der Verwendung der öffentlichen Investitions- und Fördermittel gegeben, und inwieweit wurde gegebenenfalls die zweckbestimmte Verwendung dieser Mittel durch die Bundesanstalt kontrolliert? Ich frage das, weil wir es beim Bremer Vulkan Verbund erlebt haben, daß die Gelder ins Cash-Management geflosFriedhelm Julius Beucher sen sind. Sie wurden nicht richtig verwendet und waren für die Staatskasse unwiederbringlich verloren.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, diesmal ist das sicherlich nicht der Fall. Wir haben in die Privatisierungsverträge aufgenommen, daß der Bundesrechnungshof eine Prüfungskompetenz erhält, so daß nicht noch einmal das passieren kann, was beim Vulkan passiert ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wir kommen jetzt zur Frage 27 des Kollegen Beucher: Welche Gründe waren dafür maßgebend, daß die 1995 getroffenen Vereinbarungen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ({0}) mit der Dow Chemical Company über die Privatisierung der früheren Chemiekombinate Buna, Sächsische Olefinwerke und Leuna Polyolefine erst im September 1997 zum Abschluß eines Privatisierungsvertrages geführt haben, und sind bereits vor Abschluß des Privatisierungsvertrages mit Dow Chemical öffentliche Investitions- und Fördermittel unmittelbar oder mittelbar an Dow Chemical geflossen ({1})?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Beucher, der Vertrag zwischen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und der Dow Chemical über die Privatisierung der früheren Chemiekombinate - ich lasse die Namen jetzt weg - wurde mit Beurkundung am 3./4. April 1995 abgeschlossen. Vertragsgemäß übernahm Dow Chemical am 1. Juni 1995 bereits vor Übertragung der Geschäftsanteile die unternehmerische Verantwortung bei der BSL, da es im Interesse der BSL dringend erforderlich war, unverzüglich mit dem Restrukturierungsprogramm zu beginnen. Die Übertragung der Geschäftsanteile - 80 vom Hundert - stand insgesamt unter der aufschiebenden Bedingung der beihilferechtlichen Genehmigung der EG-Kommission. Erst ab Bekanntgabe der beihilferechtlichen Genehmigung der EG-Kommission am 8. November 1995 hat die BvS begonnen, die vereinbarten ratierlich zu leistenden finanziellen Mittel an BSL auszuzahlen. Zahlungen der BvS an Dow Chemical erfolgen hingegen nicht. Die Übertragung der Geschäftsanteile ist am 1. September 1997 erfolgt, nachdem die letzte aufschiebende Bedingung des Vertrags eingetreten ist. Auflagen der EG-Kommission hatten Anpassungen des Investitionsprogramms und des Energiekostenausgleichs notwendig gemacht. Dem wurde in Änderungsverträgen zum Privatisierungsvertrag Rechnung getragen. Eine Einigung zwischen BvS und Dow Chemical über den im Privatisierungsvertrag vereinbarten Kosten- und Maßnahmenplan zur Beseitigung der Altlasten an den Standorten der BSL konnte wegen der hohen Komplexität erst Ende August 1997 erreicht werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, hat nicht für die Bundesregierung im nachhinein betrachtet ein nicht unerhebliches Risiko bestanden? Denn bei dem Einsatz umfangreicher Investitions- und Fördermittel konnte man Gefahr laufen, daß der Vertrag nicht unterzeichnet wird, da sich die Verhandlungen von 1995 bis 1997 hingezogen haben, vorher aber schon an den Konzern Gelder gezahlt worden sind. Wir müssen fragen: Was wäre geschehen, wenn die Unterschrift nicht erfolgt wäre?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das ist eine hypothetische Frage. Der Vertrag ist unterschrieben worden. Ich meine - das habe ich eben schon einmal gesagt -, daß wir im Interesse der Menschen und der Arbeitsplätze vor Ort jetzt froh sein sollten, daß das so geglückt ist. Ich gehe davon aus, daß mit der Entscheidung, die wir hier getroffen haben, dieser Industriestandort eben auch viele andere neue Firmen anziehen kann, so daß dann wirklich eine Grundlage für die Menschen geschaffen wird.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben mehrfach erklärt, der Vertrag sei unterschrieben worden. Ich frage nur zu meiner Vergewisserung. In dem von Ihnen kritisierten „Focus"-Artikel heißt es wörtlich: Weil Dow seit zwei Jahren die Verträge ({0}) nicht unterschreibt, ist die Privatisierung des Chemieriesen Buna noch immer nicht rechtswirksam. Eines der größten Investitionsvorhaben in Ostdeutschland steht auf der Kippe. Pikant: Während Bonn bereits über 2,1 Milliarden Mark Verlustausgleich in das Vorzeigeprojekt pumpte, zahlte Dow bisher nicht einmal den Kaufpreis ({1}). Ich frage Sie jetzt ganz präzise: Dementieren Sie diesen Bericht? Sagen Sie: Es ist alles vertraglich fest abgemacht, und der Kaufpreis ist gezahlt?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich habe eben schon ausgeführt, daß ich bei der Vorbereitung dieser Fragestunde gelesen habe, daß die zweite Rate der Firma entweder jetzt am 30. September oder aber, Herr Kollege Schily,. am 30. Oktober zu zahlen ist. Das kann ich Ihnen nicht auswendig sagen. Ich setze mich gleich hin und schaue die Akten durch. Dann sage ich es Ihnen sofort.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe aber nach der Rechtswirksamkeit der Verträge gefragt.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Die Verträge sind rechtswirksam.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber den Bericht dementieren Sie?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ja.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 28 des Kollegen Friedhelm Julius Beucher auf: Treffen Presseberichte ({0}) zu, wonach der bis zum Jahr 2014 reichende Vertrag zwischen Dow Chemical und einem Energiekonzern über die Stromversorgung von Buna in der Anlaufphase stark überhöhte Preise und danach ungewöhnlich niedrige vorsieht, und trifft es zu, daß die erhöhten Strompreise in der Anfangsphase zu Lasten der BvS und damit zu Lasten des Steuerzahlers gehen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Beucher, die BvS hat den Auflagen der EG-Kommission in ihrer beihilferechtlichen Genehmigung vom 8. November 1995 zur Anpassung des Energiekostenausgleichs durch einen Änderungsvertrag zum Privatisierungsvertrag Rechnung getragen. Ferner hat die EG-Kommission von der BSL den von BSL mit der VEBA Kraftwerke Ruhr abgeschlossenen Liefertrag über Strom und Dampf erhalten. Hierbei handelt es sich um einen Privatvertrag zwischen diesen beiden Unternehmen. Die Vertragslage einschließlich der Änderungsverträge ist der EG-Kommission bekannt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, trifft es denn zu, daß Dow Chemical den Ausgleich der Energiepreise mit der Drohung durchgesetzt hat, die gesamte Privatisierung in Frage zu stellen, und daß dies in einem Schreiben an den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Rudi Geil, schriftlich zum Ausdruck gebracht worden ist?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Mir liegt dieser Brief nicht vor.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat die Bundesregierung bei einem Gesamtaufwand von 9,5 Milliarden DM für die Privatisierung dieser früheren Chemiekombinate und den zusätzlichen Aufwendungen für Verluste und Energiekosten den von Dow Chemical zu entrichtenden Kaufpreis von 300 Millionen DM für angemessen gehalten?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich gehe davon aus, daß die Verhandlungspartner das so gesehen haben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Rechnen Sie den Sachverhalt, den Kollege Beucher soeben angesprochen hat, auch zu dem Problemkreis der indirekten Subventionen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das ist ja so.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 29 der Kollegin Jelena Hoffmann auf: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, daß die für ganz Sachsen zuständige Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion in Chemnitz geschlossen und mit der kleineren Abteilung in Erfurt verschmolzen werden soll?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hoffmann, das Bundesministerium der Finanzen plant eine Umstrukturierung der Bundesabteilungen an den 21 Oberfinanzdirektionen des Bundesgebietes. Grundlage hierfür ist der Beschluß der Bundesregierung vom Februar 1996 zur Straffung und Reduzierung von Bundesbehörden, der mit Drucksache 13/3923 auch dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde. Wie Bundesminister Dr. Waigel hier im Plenum dargelegt hat, werden die Bundesabteilungen danach voraussichtlich auf acht Oberfinanzdirektionen konzentriert. Dies entspreche in etwa der Struktur bei den Landeszentralbanken. Nach den bisherigen Überlegungen ist für Sachsen und Thüringen gemeinsam eine Bundesvermögensabteilung in Erfurt vorgesehen. Im Gegenzug zeichnet sich eine Zusammenlegung der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen in Dresden ab. Entscheidungen sind jedoch noch nicht getroffen. Es ist geplant, demnächst das Gesamtstraffungskonzept für die Mittelinstanz allen Betroffenen und Interessenträgern zur Einbringung ihrer Belange vorzustellen und insbesondere das nach dem Finanzverwaltungsgesetz erforderliche Benehmen mit den Ländern herzustellen. Erst nach Abschluß des Anhörungsverfahrens wird eine endgültige Entscheidung über die künftigen Standorte in der Mittelinstanz getroffen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich gehe davon aus, daß Ihnen die Zahl der Angestellten in Chemnitz und Erfurt bekannt ist und daß Sie wissen, welche Bauvorhaben geplant sind. Wenn die Zahlen stimmen, die mir vorliegen, sind im Haushaltsplan des Bundesministeriums der Finanzen für die Bundesvermögensverwaltung im Oberfinanzbezirk Chemnitz Mittel für mehrjährige Bauvorhaben in Höhe von 453 Millionen DM und im Bezirk Erfurt in Höhe von 33 Millionen DM eingestellt. Sind diese Zahlen richtig? Auch ich bin der Auffassung, daß keine Fünfjahrespläne à la DDR aufgestellt werden können. Aber was ist mit der Planungssicherheit? Gelder in dieser Höhe kann man - das ist klar - nicht an einem Tag Jelena Hoffmann ({0}) verplanen, schon gar nicht verbauen. Wie nehmen Sie dazu Stellung?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Letzteres, die Haushaltsplanung, hat mit dieser Entscheidung nur sekundär etwas zu tun. Frau Kollegin Hoffmann, wir reden alle immer wieder vom schlanken Staat. Deshalb sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß gerade die Mittelbehörden zugunsten der Bedürfnisse der Menschen, die vor Ort leben, stärker abgebaut werden können. Ich weiß, was hinter Ihrer Frage steht: Sie befürchten natürlich den Abbau von Arbeitsplätzen. Sie brauchen nicht damit zu rechnen, daß sofort eine Verschlankung vorgenommen wird. Wir gehen davon aus, daß ziemlich viele Mitarbeiter vor Ort beschäftigt bleiben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Inwieweit sind die Mittel, von denen ich vorhin gesprochen habe, schon in Anspruch genommen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das weiß ich nicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Kröning.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich darf vorausschicken, daß dem Finanzausschuß, der heute nach der Aktuellen Stunde noch einmal zusammenkommen will, eine Unterrichtung Ihres Hauses - unter der Drucksache 470 - vorliegt, in der über den Stand dieser Angelegenheit, zu der Sie heute in der Fragestunde antworten, berichtet wird. Wir werden dazu Herrn Staatssekretär Overhaus anhören. Aber auch diese Erörterung im Finanzausschuß scheint nur eine Zwischenstation zu sein. Ich möchte nicht die heißeste Frage, nämlich die der Standorte, anschneiden, sondern noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückkommen: Ist nach Ihrer Auskunft die Entscheidung gefallen, nicht dem Vorschlag der Oberfinanzpräsidenten zu folgen, 16 Bundesabteilungen einzurichten, das heißt also, jedem Land eine Bundesabteilung zuzuordnen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Kröning, in der vorigen Woche hat ein Gespräch zwischen einigen Oberfinanzpräsidenten, dem Minister, dem Staatssekretär Overhaus und mir stattgefunden, in dem uns die Oberfinanzpräsidenten noch einmal ihre Vorstellungen vorgetragen haben. Wir haben diese zur Kenntnis genommen und zugesagt, daß wir in eine erneute Beratung einsteigen werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben von der notwendigen Beteiligung der Länder an diesen endgültigen Entscheidungen gesprochen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß es ein garantiertes Mitentscheidungsrecht der Länder gibt, in dem Sinne, daß nur gehandelt wird, wenn das Benehmen zwischen Bund und Ländern hergestellt ist, oder behält sich der Bund dabei vor, von seinen Rechten, was seine Bundesabteilungen an den OFDs anbetrifft, notfalls auch Gebrauch zu machen, wenn kein Benehmen mit den Ländern hergestellt ist?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Es ist mein Ziel, daß wir das Benehmen herstellen, weil es wenig Zweck macht, gegen die Länder eine solche Entscheidung vorzunehmen. Wir haben das über Jahre gemeinsam getragen und damit auf beiden Seiten Erfolge gehabt. Ich gehe davon aus, das Benehmen wird hergestellt, bevor entschieden wird.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Küster.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin Karwatzki, wir haben in den Jahren nach dem Umzugsbeschluß in der Föderalismuskommission schwierige Diskussionen über die Verteilung von Bundesoberbehörden und Mittelinstanzen über die gesamte Republik und besonders nach Ostdeutschland gehabt. Teilen Sie die Auffassung, daß dieser Beschluß, eine Konzentration der OFDs zum großen Teil auch in den alten Bundesländern herbeizuführen, dem Geist der Föderalismuskommission und ihren Beschlüssen entgegenläuft?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich möchte Ihnen antworten, Herr Küster, daß wir viel Wert darauf legen, daß die neuen Bundesländer bei der Neueinteilung nicht hintanstehen, und daß wir uns Mühe geben, daß wirklich ein ordentlicher Ausgleich stattfindet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe die Frage 30 der Kollegin Hoffmann auf: Gibt es einen Beschluß der Bundesregierung, der vorsieht, daß kleinere Bundesabteilungen der Oberfinanzdirektionen im Zuge der Sparpolitik notfalls auch über Landesgrenzen mit größeren Behörden vereinigt werden sollen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hoffmann, der Kabinettsbeschluß vom 7. Februar 1996 sieht in der Tat vor - danach hatten Sie eben schon einmal gefragt -, kleinere Oberfinanzdirektionen auch über Ländergrenzen hinweg mit Nachbaroberfinanzdirektionen zusammenzulegen. Der Beschluß bezieht sich allerdings auf die Oberfinanzdirektionen insgesamt und nicht nur auf die Bundesabteilungen. Hierzu war - ausgenommen Baden-Württemberg bezüglich der Zusammenlegung der beiden badischen Oberfinanzdirektionen - jedoch bisher keine Bereitschaft bei den Ländern vorhanden. Mit dem jetzigen Straffungskonzept soll deshalb für die Bundesabteilungen die mit dem Kabinettsbeschluß angestrebte Straffung realisiert werden. Im übrigen kann aus dem Beschluß nicht hergeleitet werden, daß stets die kleinere Behörde bzw. Abteilung zu schließen ist. Bei der Standortfrage sind viele Gesichtspunkte einzubeziehen, wie beispielsweise strukturpolitische Besonderheiten und, wie ich eben schon einmal sagte, regionale Ausgewogenheit, aber auch die Verteilung beider Bundesabteilungen auf die betroffenen Länder.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, bitte.

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auf Ihre letzten Worte zurückkommend, möchte ich eine Frage stellen. Ich gehe davon aus, Ihnen ist bekannt, daß die Grenzregionen zu Polen und Tschechien sehr arbeitsintensiv sind. Da möchte ich die Gründe hinterfragen: Aus welchem Grund wird dann die Abteilung um zwei- bis dreihundert Kilometer ins Landesinnere versetzt und bleibt nicht in Chemnitz? Sie hatten gerade gesagt, auch die strukturpolitische Bedeutung müsse dabei eine Rolle spielen.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hoffmann, ich habe versucht, das darzulegen. Es gibt natürlich an jedem Standort und bei jeder Entscheidung, die getroffen wird, Kollegen aus der jeweiligen Region, egal, von welcher Partei, die uns deutlich machen wollen, daß ihr Standort der wichtigste sei. Sie dürfen aber davon ausgehen, wie ich eben schon Herrn Küster geantwortet habe, daß gerade strukturpolitische und auch regionale Ausgewogenheit unser Ziel ist. Es wird sicherlich im Einzelfall nicht allen Kollegen Rechnung getragen werden können. Aber daß wir uns viel Mühe geben, davon dürfen Sie ausgehen. Das Entscheidende ist: Wir werden das gemeinsam mit den Ländern tun.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Weitere Zusatzfrage?

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich möchte noch eine Frage stellen. Liegen Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor, die besagen, welche Auswirkungen das haben wird, Irmgard Karwatzki, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Ja, die liegen vor.

Jelena Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002681, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- zum Beispiel die Verlegung von Chemnitz nach Erfurt mit allem Drum und Dran, etwa daß zwei- bis dreihundert Kilometer längere Fahrtwege zurückzulegen sind?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hoffmann, ich habe eben schon einmal ausgeführt: Wir wollen, daß die unteren Behörden gestärkt werden, mit Leuten versehen werden, die Entscheidungskompetenzen haben. Wir sagen nicht nur, daß wir die Mittelinstanz nicht mehr berücksichtigen wollen, weil sie überflüssig ist, sondern auch, daß wir die stärken wollen, die die Entscheidungen zu treffen haben, was in der Regel vor Ort der Fall ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Küster.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, dem folgend müßten Sie die Entscheidung, die Oberfinanzdirektion von Magdeburg nach Hannover zu verlegen, genau umkehren; denn die Arbeit fällt in Magdeburg an. Das ist eine Vorbemerkung. Mir liegt Ihre Rede vom 25. Januar 1996 zur Einweihung des Neubaus der Oberfinanzdirektion Magdeburg vor. Sie sagten dort wörtlich: „Für den Bereich Ihrer Oberfinanzdirektion ergibt sich daraus keine Veränderung. " Da waren die Pläne schon diskutiert. Eine Woche später steht im Kabinettsbeschluß, daß die OFD in Magdeburg geschlossen werden soll. Ich frage Sie: Haben Sie, als Sie in Magdeburg die Eröffnungsrede gehalten haben, gewußt, daß eine Woche später der Kabinettsbeschluß gefaßt werden würde, die OFD in Magdeburg zu schließen, die erst eine Woche zuvor eröffnet worden war?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Entschuldigung, Herr Küster, wenn ich das gewußt hätte, hätte ich das doch nie gesagt. ({0}) - Nein, das können Sie nicht sagen. Der Beschluß, der gefaßt worden ist, war ein genereller Beschluß. Dabei ist überhaupt noch nicht entschieden worden: Magdeburg geht dahin, oder Cottbus kommt dorthin, oder Berlin geht dahin. ({1}) Dagegen, daß eine grundsätzliche Entscheidung getroffen wird, können Sie doch nichts haben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt die Kollegin Kaspereit.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wie rechtfertigen Sie die öffentlichen Investitionen - also auf Kosten der Steuerzahler - für die Einrichtung der OFDs in den neuen Bundesländern - zum Beispiel in Magdeburg 110 Millionen DM -, wenn diese im Zuge der Neuorganisation innerhalb kürzester Zeit überflüssig werden? Wie hoch sind eigentlich die gesamten Ausgaben des Bundesministeriums für die Einrichtung der OFDs in den neuen Bundesländern?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Da wir im Augenblick noch keine Entscheidung getroffen haben, wer wo17294 hin geht, kann ich Ihnen diese Zahlen verständlicherweise auch nicht geben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Kröning.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf sagen, daß der Staatssekretär Overhaus die Angehörigen der Bundesabteilungen heute mit 8000 beziffert und gesagt hat, ihr Ziel sei es, ein Drittel davon einzusparen. Ich komme noch mal auf Ihre erste Antwort zurück, Frau Staatssekretärin, die ich als sehr hilfreich und weiterführend betrachtet habe, weil Sie damit Ihre Intention ausgedrückt haben, sich zwischen Bund und Ländern zu einigen. Ich muß die Kollegen um Verständnis bitten, wenn ich jetzt noch mal von lokalen und regionalen Dingen abhebe.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frage, Herr Kollege, Frage!

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ja. Sie haben gesagt, Sie streben eine Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern an. Sie haben gesagt, das Modell der Oberfinanzpräsidenten -16 Bundesfinanzabteilungen - werde gleichgewichtig mit dem Vorschlag des Bundes geprüft. Könnten Sie in Aussicht stellen, auch eine andere Variante zu prüfen, die, wenn Sie Ihre ehrgeizigen Einsparziele bei der Bundesverwaltung möglichst weitgehend realisieren wollen, jedem Land mindestens eine vollwertige Oberfinanzdirektion gewährt? Wir haben 21 Oberfinanzdirektionen. Bei nur 16 Bundesabteilungen würden einige übrigbleiben, die dann nur noch Landesbehörden wären. Das wäre der Einstieg in den Ausstieg einer Oberfinanzdirektion im Sinne einer klassischen Mischverwaltung.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Kröning, das kann ich Ihnen nicht versprechen. Das Ziel ist, hier eine Verschlankung vorzunehmen, und zwar im Verhältnis 8:8:8. Dabei käme man immerhin auf 24 Bereiche und Einrichtungen. Ich habe es eben ausgeführt: Wir wollen kleinere Oberfinanzdirektionen zusammenführen. Dabei ist es nun einmal so, daß das eine oder andere Land vielleicht nicht berücksichtigt werden kann..

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Conradi auf: Unterrichten Beamte der Bundesregierung in Vorträgen, Seminaren und Schulungen Steuerpflichtige und Steuerberater über Lücken im Steuerrecht, beispielsweise über Möglichkeiten, sich dem Zinsabschlag auf legalem Weg zu entziehen, und geben sie bei solchen Vorträgen Insider-Kenntnisse zu bevorstehenden Änderungen des Steuerrechts ab?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Conradi, der Bundesregierung ist bekannt, daß Beamte in Veranstaltungen zu Fragen des Steuerrechts Vorträge halten. Grundsätzlich wird dies aus der Sicht des Dienstherrn begrüßt. Denn auf diesem Weg kann einerseits das komplexe Steuerrecht den interessierten Kreisen aus der Sicht der Verwaltung unmittelbar und fachkundig erläutert werden. Andererseits kann durch den Informationsaustausch einer solchen Veranstaltung die Verwaltung praxisnahe Erkenntnisse über Probleme bei der Umsetzung des Steuerrechts gewinnen. Sollten im Zusammenhang mit der Vortragstätigkeit eines Beamten Dienstpflichten verletzt werden, zum Beispiel Bekanntgabe von Dienstgeheimnissen oder Verstoß gegen Loyalitätspflicht zum Dienstherrn, hat der Dienstherr zu prüfen, ob disziplinarrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Natürlich ist auch das Steuergeheimnis zu beachten. Eine derartige Vortragsnebentätigkeit ist nach den beamtenrechtlichen Vorschriften nicht genehmigungspflichtig. Allerdings ist demnächst insofern eine Änderung zu erwarten, als das zweite Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz, das in Kürze in Kraft treten wird, die Einführung einer vorhergehenden Anzeigepflicht bei entgeltlich ausgeübten wissenschaftlichen, schriftstellerischen und Vortragstätigkeiten vorsieht. Durch diese Regelung werden ein Überblick über die entsprechenden Tätigkeiten und eine Prüfung im Hinblick auf mögliche Interessenkollisionen bereits im Vorfeld ermöglicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird die Bundesregierung bei der beabsichtigten Neuregelung für die Genehmigung von Nebentätigkeiten dafür Sorge tragen, daß Beamte keine Nebentätigkeiten ausüben, mit denen die Interessen des Arbeitgebers - in diesem Fall des Bundesfinanzministers, die Steuern unverkürzt einzuziehen - beeinträchtigt werden? Das heißt, wird hier klargestellt, daß die ihrem Diensteid verpflichteten Beamten nicht gegen die Interessen ihres Arbeitgebers Bundesrepublik Deutschland entgeltlich tätig sind?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Das habe ich gerade ausgeführt, Herr Kollege Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist erstaunlich, daß das bisher nicht praktiziert wurde. Würde ein Rechtsanwalt, der die Bundesregierung in einem Rechtsstreit vertritt - etwa beim Schürmann-Bau -, der Gegenseite Tips geben, dann wäre das Parteienverrat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege, bitte keine Debatte.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie beurteilen Sie den durchaus vergleichbaren Vorgang, daß Beamte Ihrer Verwaltung Steuerpflichtigen Tips geben, etwa über die Beschleunigung der Verlustnutzung durch Rückbezug des Umwandlungsstichtages? Hier werden entPeter Conradi geltlich steuerverkürzende Tips gegen das Interesse der Bundesfinanzverwaltung gegeben. Ich halte das für Parteienverrat.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich halte es auch für unverantwortlich, wenn das geschieht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Spiller.

Jörg Otto Spiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wenn die Bundesregierung beabsichtigt, die Nebentätigkeit von Beamten in diesem Bereich künftig nach dem Umfang einzuschränken: Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen dieser Neuregelung auch, die Honorare, die den Beamten für eine solche Tätigkeit verbleiben, nach oben zu begrenzen und, falls eine gewisse Summe überschritten wird, zu verlangen, daß die Honorare begrenzt werden, die durch die - ich sage einmal freiberufliche Verwertung von Erkenntnissen erzielt werden, die im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erworben worden sind? Oder ist die Bundesregierung der Auffassung, das Prinzip der lebenslangen Hingabe vertrage sich nicht mit der Erwartung, daß der Beamte etwas hergebe? ({0})

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Spiller, ich bin im Dienstrecht nicht so zu Hause, aber ich sage Ihnen: Ich erachte es für richtig, daß hier mit der Änderung, die ich eben ausgeführt habe, eine Deckelung vorgenommen wird.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Dreßen.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie die zweite Zusatzfrage meines Kollegen Conradi bejahen, aber im Moment jede Nebentätigkeit noch nicht genehmigungspflichtig ist, müßten Sie dann nicht für Vortragsreihen vor Steuerberatern Ihren Beamten mitteilen, daß sie in Zukunft hierfür eine Genehmigung bräuchten? Sonst hätten Sie, bis das neue Gesetz in Kraft tritt, noch einen luftleeren Raum, so daß jeder tun und lassen könnte, was er wollte, und man könnte das, was Sie hier zu Recht kritisieren, noch weiterhin tun, und zwar legal?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Dreßen, ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Soweit ich informiert bin, muß vorher deutlich gemacht werden, wo man seine Zeit verbringt, wenn man sie nicht im Amt verbringt. Insofern besteht eine Kontrolle. Ich gehe nach wie vor davon aus, daß fast alle Beamten gegenüber dem Staat loyal sind und im Rahmen ihrer Möglichkeiten nichts Illoyales auf den Weg bringen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Conradi. Hat die Bundesregierung gegen den Leiter der Steuerabteilung im baden-württembergischen Ministerium der Finanzen, der in einer Stammtischrunde Dienstgeheimnisse über eine bevorstehende Aktion der Steuerfahndung - auch zu Lasten der Bundesregierung - ausgeplaudert hat, Strafantrag nach § 353 b StGB gestellt und die Landesregierung Baden-Württemberg als Dienstherrn aufgefordert, die Ermächtigung zur Verfolgung nach § 353 b Abs. 4 Nr. 3 StGB zu erteilen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Conradi, bei der Verletzung des Dienstgeheimnisses durch einen Landesbeamten kann nur die zuständige oberste Landesbehörde die Ermächtigung zur Verfolgung der Tat erteilen. Die Bundesregierung hat somit in diesen Fällen keine Zuständigkeit.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, die Gesetzeslage ist mir bekannt. Ich frage: Hat die Bundesregierung, die von dem Geheimnisverrat des höchsten Steuerbeamten des Landes Baden-Württemberg möglicherweise betroffen ist, weil sich die Steuereinnahmen des Bundes verringern könnten, auf die Landesregierung von Baden-Württemberg entsprechend eingewirkt? Halten Sie das für einen entschuldbaren Lapsus, oder äußern Sie sich dazu?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ich sage es noch einmal: Dies ist eine Angelegenheit des Landes. Das Land soll die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten, die gegeben sind, in die Wege leiten.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zum wiederholten Mal bitte ich das Präsidium, zu veranlassen, daß bei den fragenden Abgeordneten das Mikrophon ebenso wie bei der antwortenden Bundesregierung eingeschaltet bleibt. Es müssen gleiche Rechte gelten. Könnte die nachsichtige Haltung des Bundesfinanzministers Waigel in dieser Sache, die in offenem Widerspruch zu den Klagen des Finanzministers über trickreiches Jonglieren im Steuerrecht steht, damit zusammenhängen, daß der betroffene Beamte CDU-Mitglied ist?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Sicher nicht. Das wäre eine Unterstellung.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Frage 33 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Heinz Schmitt auf: Wie viele Einkommensteuerpflichtige in Deutschland ({0}) wurden gemäß aktuellen Zahlen nach dem geltenden Spitzensteuersatz veranlagt, und welchen prozentualen Anteil hatte diese Gruppe von Steuerpflichtigen am Gesamtaufkommen der Einkommensteuer?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Schmitt, nach der neuesten verfügbaren amtlichen Einkommensteuerstatistik gab es im Veranlagungszeitraum 1992 125 098 nach der Grundtabelle besteuerte und 217 075 nach der Splittingtabelle besteuerte Steuerpflichtige, die ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 120 041 DM bzw. mehr als 240 083 DM aufwiesen und somit dem höchsten Grenzsteuersatz von 53 vom Hundert unterlagen. Diese insgesamt 342 173 Steuerpflichtigen entsprachen 1,2 vom Hundert der unbeschränkt Steuerpflichtigen, ohne Verlustfälle, insgesamt. Auf sie entfielen 25,7 vom Hundert des Gesamtaufkommens der Einkommensteuer.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Schmitt, jetzt muß ich etwas tun, was ich nicht gern tue. Ich muß die Fragestunde beenden, weil die Zeit abgelaufen ist. Es geht nicht anders. Ich habe eine strikte Vorgabe. Ich danke der Frau Staatssekretärin. Die Fragen, die wegen Zeitablaufs nicht mehr beantwortet werden konnten, werden wie üblich schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde: Haltung der Bundesregierung zu dem Vorschlag, eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Erhöhung der Mineralöl- und Mehrwertsteuer zu ermöglichen Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde verlangt. ({0}) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Kerstin Müller.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Morgen abend wird sich der Vermittlungsausschuß erneut mit der Steuerreform befassen. Alles deutet darauf hin, daß es dort auch diesmal kein Ergebnis geben wird. ({0}) - Das werden wir tun. Die Frage ist aber: Dürfen wir uns damit abfinden? Müssen wir nicht doch noch einmal einen neuen Anlauf nehmen? Denn uns allen haben die Wahlen in Hamburg doch eines in erschreckender Weise gezeigt, nämlich wie groß die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger wirklich ist. ({1}) Die Menschen wollen Entscheidungen von uns. Sie akzeptieren, daß die Parteien hart miteinander ringen, aber sie erwarten, daß der Streit irgendwann auch einmal zu vernünftigen Ergebnissen führt. ({2}) Der ganze - ich nenne es einmal so - Interviewkrieg des Sommers hat doch nur zu einer Verhärtung der Fronten geführt. Konkrete, verhandelbare neue Vorschläge haben den Verhandlungstisch leider nie erreicht. ({3}) Daher habe auch ich noch vor dem Wochenende gesagt: Lieber ein Ende mit Schrecken als weiter dieser Schrecken ohne Ende. Nun hat Herr Kollege Schäuble am vergangenen Freitag ein Interview gegeben, das Bewegung hinsichtlich der Frage der Senkung der Lohnnebenkosten bringen könnte; denn Herr Schäuble sagte ganz bemerkenswerte Dinge. Ich zitiere aus dem „Handelsblatt" vom Montag dieser Woche: Schäuble sprach von einer Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt. Zusätzlich könne die Mineralölsteuer um maximal 15 Pfennig pro Liter angehoben werden ... Er wies darauf hin, daß die Preise des Straßenverkehrs ohnehin nicht dessen wahre Kosten widerspiegelten. ({4}) Gerade in Deutschland müsse der Straßenverkehr teuerer gemacht werden. In den meisten europäischen Ländern liege der Benzinpreis höher als in Deutschland. ({5}) - In der Tat, der Kollege Schäuble hat recht. Die Preise sprechen heute nicht die ökologische Wahrheit, und mehr Preisehrlichkeit ist eigentlich längst überfällig. ({6}) Was Herr Schäuble da vorgeschlagen hat, ist bei weitem nicht das, was wir Bündnisgrüne wollen. Wir wollen einen wirklichen Einstieg in die ökologische Steuerreform. Dazu gehört vor allen Dingen eine Energiesteuer; dazu gehört auch eine Mineralölsteuer; dazu gehört ein Programm zur Förderung von Schlüsseltechnologien und des öffentlichen Verkehrs; dazu gehören soziale Ausgleichsmaßnahmen; und vor allen Dingen gehört eine verläßliche Zeitschiene dazu. Denn private Haushalte und Firmen müssen sich darauf einstellen können, daß der Ressourcenverbrauch über Jahre hinweg teuerer wird, die Lohnnebenkosten dafür aber sinken. Wir haben bei seinem Vorschlag darüber hinaus die allergrößten Probleme, was die Erhöhung der Mehrwertsteuer angeht, weil sie sozial ungerecht ist und weil sie vor allem keine ökologische Lenkungswirkung hat. Aber Herrn Schäubles Vorschlag bringt in einem zentralen Punkt Bewegung, nämlich beim Einstieg in eine höhere Mineralölsteuer, und zwar nicht zur Schließung der Haushaltslücken, sondern zur Entlastung der Lohnnebenkosten. Kerstin Müller ({7}) Das ist ein kleines Stück Lenkungswirkung, ein kleines Stück mehr ökologische Preisehrlichkeit. Es ist ein kümmerlicher, unzureichender Schritt ohne die erforderlichen Begleitmaßnahmen, aber es ist für uns ein erster Schritt in die richtige Richtung. Darum sagen wir als Bündnisgrüne heute: Herr Schäuble - bezeichnenderweise ist er nicht da - und meine Damen und Herren von der Koalition, lassen Sie uns das machen! ({8}) Wir greifen Ihren Vorschlag so auf, wie er ist: Erhöhung der Mineralölsteuer um 15 Pfennig und Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zur Senkung der Lohnnebenkosten. Ich versichere Ihnen noch einmal: Es fällt uns sehr schwer, die Kröte Mehrwertsteuererhöhung zu schlucken. Aber die Alternative ist doch, daß sich ein weiteres volles Jahr lang gar nichts bewegt. Das wollen wir nicht. ({9}) - Ich bin auf Ihr Abstimmungsverhalten bei diesem Antrag gespannt. Belasten wir die Sache nicht mit anderen Fragen, etwa mit Ihrer Rentenreform! Um eines klar zu sagen: Für Ihre Rentenreform stehen wir nicht zur Verfügung. ({10}) Wer da - wie der Kollege Solms - ein Junktim herstellt, der verhindert damit morgen jedes .Vermittlungsergebnis in dieser Sache. ({11}) Wir bieten an, auf der Grundlage von Herrn Schäubles Vorschlag nun tatsächlich zu einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten zu kommen. Wir legen Ihren Vorschlag ohne jeden Schnörkel so, wie er gemacht wurde, vor. Meine Damen und Herren von der Koalition, jetzt sind Sie am Zuge. Jetzt liegt es an Ihnen, die Irritationen und Widersprüche der vergangenen Tage auszuräumen. Sie müssen jetzt Farbe bekennen. Es muß sich zeigen, ob das eben auch nur wieder eines dieser vielen Interviews war oder ob wir zu einem wirklichen Ergebnis kommen. Ich fordere Sie auf: Beenden Sie Ihre Selbstblokkade! Wir sind weit über unseren Schatten gesprungen. Jetzt sind Sie an der Reihe. Stimmen Sie Herrn Schäubles Vorschlag zu, damit sich zur Entlastung des Arbeitsmarktes und im Interesse der Arbeitslosen wenigstens etwas bewegt. Das wird von uns erwartet. ({12})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Hans-Peter Repnik. ({0})

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Diese Koalition hat eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Rückführung der Arbeitslosigkeit und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen beschlossen. ({1}) Wir haben noch zwei große Ziele, über die wir morgen abend im Vermittlungsausschuß noch einmal diskutieren werden. Das eine ist die große Steuerreform, das andere ist die Senkung der Lohnzusatzkosten nachweislich des Entwurfs zur Rentenreform. In beiden Punkten haben wir Konzepte vorgelegt und im Bundestag verabschiedet, zu denen es ökonomisch keine Alternative gibt. Die Realisierung dieser beiden wichtigen Punkte, so mußten wir feststellen, hat die Koalition aus SPD und Grünen durch ihr Blockadeverhalten im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß vereitelt. ({2}) Frau Kollegin Müller, es bedurfte nicht erst des Hamburger Wahlergebnisses - bei dem wir ja so schlecht nicht aussehen; das darf man vielleicht auch einmal am Rande erwähnen -, ({3}) um zu der Einsicht zu gelangen, daß die Bürger von uns Handlung und nicht Blockade erwarten. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr in einer ganzen Reihe von Punkten unsere Vorschläge unterbreitet und haben uns im Rahmen des ersten Vermittlungsverfahrens und in den ersten zwei Verhandlungsrunden des zweiten Vermittlungsverfahrens ja ebenfalls ganz erheblich auf die Vorschläge der SPD zubewegt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen, die wir in Deutschland haben, ({4}) sind wir in hohem Maße einigungswillig. ({5}) Wir haben - dies sage ich insbesondere den Kolleginnen und Kollegen von der SPD - gesagt, daß wir, um ein Ergebnis zu erzielen, bereit sind, über eine erste Stufe der Steuerreform mit Ihnen zu verhandeln. Wir sind auch bereit, mit Ihnen über die Höhe der Nettoentlastung zu diskutieren. Sie haben bisher beides abgelehnt. Wir haben eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die Sie bis heute nicht beantwortet haben. ({6}) Der Kollege Voscherau, ein im Vermittlungsverfahren ausgesprochen fairer und einigungswilliger Verhandlungsführer der SPD, hat uns versprochen, Antworten auf die Fragen zu geben. ({7}) Wenn Sie in der Lage sind, die Fragen vom letzten Donnerstag morgen zu beantworten, werden wir ein großes Stück vorankommen. ({8}) Zum zweiten Punkt, der Rente: Die SPD hat ein Konzept vorgelegt, das eine Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt mit einer äquivalenten Erhöhung der Mineralölsteuer verbindet. ({9}) Wir sind auf Sie zugegangen. Wir tragen eine Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt mit, allerdings mit der Maßgabe, daß wir im selben Atemzug auch Strukturen verändern. Das ist doch völlig klar. ({10}) Frau Kollegin Müller, wenn wir die Staatsquote senken und Bürger und Wirtschaft entlasten wollen, können wir nicht nur von der einen Tasche in die andere umschichten. Damit erreichen wir keine Entlastung, sondern wir müssen auch ganz konkret Strukturen verändern. ({11}) Jetzt komme ich konkret zu dem Angebot und den Vorschlägen meines Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble. ({12}) - Hören Sie mir bitte zu. - Umgetrieben nach dem Scheitern des ersten Vermittlungsverfahrens hat Wolfgang Schäuble am 7. August in einem Interview in der „Welt" bereits erste Signale gesandt nach dem Motto: Wenn es denn nicht anders geht, laßt uns auch einmal über die Mineralölsteuer nachdenken. Es gab keine einzige Reaktion und keine Bewegung weg von Ihrem sturen Beharren auf der Ablehnung der Strukturreform, um mit uns ins Gespräch zu kommen. ({13}) Sie haben die Blockade auch am letzten Donnerstag im Vermittlungsausschuß fortgesetzt. Jetzt sagt Wolfgang Schäuble, weil er sich und uns angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen in der Verantwortung sieht: ({14}) Wenn es denn gelänge, gemeinsam mit der SPD und mit den Grünen über eine Steuerreform, die uns voranbringt, über eine Rentenreform, durch die die Struktur verändert wird, und, wenn es nötig ist, auch über eine Umfinanzierung durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu sprechen, dann bin ich, Wolfgang Schäuble, ad personam bereit, dafür in meiner eigenen Fraktion und bei dem Koalitionspartner zu werben. ({15}) Das ist nichts Neues. Wolfgang Schäuble hat schon immer gesagt: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ({16}) von direkten zu indirekten Steuern umschichten. Er hat immer wieder darauf hingewiesen, daß es sich lohnt, in diesem Zusammenhang darüber nachzudenken, ökologische Aspekte einzubeziehen. ({17}) Daß man dies differenziert beurteilen kann, ist wohl wahr und zeigt die Diskussion, die auch bei uns in diesen Tagen geführt wird.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Sie müssen zum Schluß kommen.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will nur sagen: Er steht mit dieser Meinung nicht allein. ({0}) Wir haben das Thema im Bundesvorstand meiner Partei in dieser Woche behandelt. Alle, auch die Vertreter der Wirtschaft, würden ihn auf diesem Weg begleiten, wenn es gelänge, damit eine Gesamtreform zu ermöglichen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Repnik, bitte achten Sie auf die Uhr. Sie sind deutlich über der Zeit.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr, Herr Präsident. Gestatten Sie mir noch einen Schlußsatz?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Einen.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir werden morgen abend zusammenkommen. Wenn SPD und Grüne bereit sind, mit uns ganz konkret über eine Steuerreform, auch über eine Veränderung der Struktur, und über eine Rentenreform im Hinblick auf die Absenkung der Versicherungsbeiträge zu sprechen, und wenn sie lösungsbereit sind, ({0}) dann haben wir die Chance, auch über andere Dinge zu reden. Es liegt an Ihnen. Wir warten auf Ihre Antworten auf die Fragen, die wir am letzten Donnerstag gestellt haben. ({1})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Ingrid Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Es bedarf einer grundsätzlichen Umgestaltung unseres gesamten Steuer- und Abgabensystems unter ökologischen Gesichtspunkten. Den Grundgedanken einer ökologischen Steuerreform halte ich nach wie vor für richtig. Unser Steuer- und Abgabensystem macht wider alle ökonomische Vernunft gerade das besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im Überfluß haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran wir sparen müssen, viel zu billig: Energie- und Rohstoffeinsatz. ({0}) Dieses doppelte Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker ins Lot bringen. ({1}) Der Einsatz des Faktors Arbeit muß durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, ({2}) der Energie- und Rohstoffverbrauch durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden, beides zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden. So lautet die Aufgabe. ({3}) Wer meine Partei und mich in den letzten Jahren hier hat reden hören, könnte meinen, die Sätze stammen von meiner Partei und von mir. Diese Sätze stammen von Herrn Schäuble. Deswegen fragen wir uns a), warum er sie heute nicht vertritt, und b), warum in der Zeitung steht, die F.D.P. sei dagegen und die CSU sei dagegen. Der Kanzler Kohl sagt über die Vorschläge seines ersten Mannes, das sei Schäubles Privatmeinung. Wie weit sind Sie denn eigentlich gekommen, daß Ihr Fraktionsvorsitzender nicht mehr handlungsfähig ist? ({4}) Das, was Herr Schäuble hier sagt, ist nicht nur seit langem Meinung meiner Partei, sondern ist das, was wir im Vermittlungsausschuß im August dieses Jahres Wort für Wort beschlossen haben. Sie haben es hier abgelehnt. ({5}) Das ist eine Schande. Ein besseres Beispiel für Selbstblockade als dieses gibt es gar nicht. Deswegen sage ich: Geben Sie sie auf! ({6}) Also: Runter mit den Lohnzusatzkosten und Gegenfinanzierung über eine ökologische Steuerreform. ({7}) Wir sind allerdings der Ansicht, daß wir, nachdem Sie schon 50 Pfennig daraufgepackt haben, mit maximal 10 Pfennig Mineralölsteuererhöhung auskommen und nicht 15. ({8}) Wenn es heißt, die CSU sei dagegen, dann muß ich Ihnen dazu folgendes sagen. Es gibt einen stellvertretenden Generalsekretär, der heißt Herrmann. Er hat im Juli gesagt: „Ich halte es ... für richtig, die Lohnnebenkosten zu senken und den Verbrauch unserer Ressourcen höher zu besteuern. " Auch in der CSU gibt es diese Gedanken. Und nun zur F.D.P. ({9}) Vor fast auf den Tag genau zwei Jahren hat meine Kollegin Anke Fuchs - hören Sie gut zu - die ökologische Steuerreform hier in der Haushaltsdebatte vorgetragen. Am Tag danach sprach Kollege Sohns. Wissen Sie, was er gesagt hat? Wenn das Gesamtmanöver - also ökologische Steuerreform aufkommensneutral vonstatten gehen soll, hat sie meine volle Zustimmung. So sagte Herr Sohns. ({10}) Dann setzt er fort: Deswegen halte ich - Solms Ingrid Matthäus-Maier die Vorschläge der SPD, die ich zwischenzeitlich genau gelesen habe, für eine sehr gute Anregung zu einer sachgerechten Diskussion. ({11}) Jetzt kommt es: Man muß ja auch einmal loben, wenn etwas lobenswert ist, auch wenn es von der Opposition kommt. ({12}) Dazu sagen wir: Loben reicht nicht, machen Sie es endlich. Wir können es nicht mehr vertragen, daß in diesem Lande sinnvolle Reformen verhindert oder verzögert werden, nur weil sie von der SPD kommen. ({13}) Wenn Sie endlich bereit sind, diesen unseren Vorschlag aufzugreifen, dann können wir morgen abend im Vermittlungsausschuß zu einer sinnvollen Reform kommen, die den Faktor Arbeit entlastet, die für die Wirtschaft gut ist, gut für die Arbeitsplätze und gut für die Menschen in diesem Lande., Geben Sie endlich Ihre Blockade auf! ({14})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Paul Friedhoff. ({0})

Paul K. Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000588, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte gibt erneut Gelegenheit, die Zielsetzung der großen Steuerreform und der Rentenreform noch einmal darzulegen. Sie ist offensichtlich nicht überall verstanden worden. Ich glaube, wir müssen uns wirklich darauf konzentrieren, den Reformstau in diesem Land zu beseitigen und nicht auf irgendwelche parteipolitischen Geplänkel. Auch das ist eine Lehre, die man sicher aus Hamburg ziehen kann. ({0}) Wohl selten zuvor ist ein politisches Reformwerk von wirtschaftlichem Sachverstand so einhellig und einvernehmlich begrüßt worden wie die große Steuerreform der Koalition. ({1}) Von der Bundesbank über den Sachverständigenrat bis zur OECD - man könnte das beliebig erweitern - gab es nur Zustimmung. Allerdings gab es keine Zustimmung von der anderen Seite des Hauses. ({2}) Die Reformen sind darauf gerichtet, die Rahmenbedingung für die Entstehung neuer wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze zu schaffen. Aber wo entstehen denn Arbeitsplätze? In jedem Unternehmen hängt die Anzahl der Arbeitsplätze von der Anzahl der Aufträge ab, die wir auf den Märkten im In- und Ausland erhalten. Das muß man gelegentlich in Erinnerung rufen. Aufträge erhalten wir nur, wenn die von uns hergestellten Produkte gegenüber den Produkten der Mitbewerber im Preis-Leistungs-Verhältnis entweder ebensogut oder noch etwas besser sind. Preise - auch da sage ich nichts Neues - müssen kostendeckend sein. So spielen die Kosten eine große Rolle bei der Frage: Wie viele Aufträge und wie viele Arbeitsplätze kann ein Unternehmen an sich binden? Dies ist eine Binsenweisheit, die leider noch nicht von allen begriffen worden ist, die auch immer wieder in Frage gestellt wird. ({3}) Jeder internationale Kostenvergleich zeigt: Deutsche Unternehmen haben mit wesentlich höheren Arbeitskosten zu kämpfen als ihre ausländischen Konkurrenten; denn im Vergleich mit unseren Konkurrenten in den Industriestaaten haben wir die höchsten Steuersätze, die höchsten Sozialabgaben, die höchsten Lohnnebenkosten und die höchste Regulierungsdichte bei den Arbeitsmarktgesetzen. ({4}) Alles dies geht in die Arbeitskosten ein und verteuert so unsere Produkte gegenüber den internationalen Konkurrenten. ({5}) Dies gilt um so mehr, je höher der Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten der Produktion ist. Je mehr Menschen also an den Gütern mitarbeiten, desto ungünstiger ist unsere Position in Deutschland. ({6}) Diese Zusammenhänge machen deutlich, warum es für Unternehmen mit arbeitsintensiver Produktion schwierig ist, in Deutschland Aufträge zu erhalten und damit Arbeitsplätze zu schaffen. ({7}) Deshalb werden hier in Deutschland Arbeitsplätze abgebaut, die statt dessen in anderen Ländern neu entstehen. Genau hier setzt die Reformpolitik der Koalition an. Wenn man diese von so gut wie allen Ökonomen geteilte Analyse unterstützt, dann muß man eine Steuerreform mit deutlicher Entlastung der Bürger und der Unternehmen vornehmen, muß anläßlich der Reform der sozialen Sicherungssysteme Leistungen reduzieren, um so dem Druck der dauernden Beitragserhöhungen entgegenzutreten, und kann sich nicht allein mit Umfinanzierungen begnügen. ({8}) Die Koalition ist zu diesen Reformen bereit und fähig. Wir haben erkannt, daß die große Steuerreform und die Rentenreform unabdingbare Voraussetzungen für die Bewahrung und Schaffung von Arbeitsplätzen sind. Unser Land befindet sich in einem Wettlauf mit der Zeit. Die Standortkonkurrenten um Arbeitsplätze bauen Subventionen ab, senken die Steuern und deregulieren die Arbeitsmärkte. ({9}) Diese Steuerreform ist der Schlüssel zu mehr Arbeitsplätzen. Deshalb werden wir sie nicht zur Disposition stellen. Die SPD spricht ja so gerne von Solidarität. Geben Sie Ihre Blockadepolitik auf! Noch ist Zeit dafür. Das wäre praktizierte Solidarität mit den Arbeitslosen. ({10}) Nur die massive Rückführung der Arbeitslosigkeit wird wieder dafür sorgen, daß die Steuereinnahmen berechenbarer werden und die sozialen Sicherungssysteme wieder sicher gemacht werden können. ({11}) Die Koalition hat erkannt, daß die Stabilität unseres Wirtschaftssystems nur durch mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze gewährleistet ist. Das wissen im Grunde auch Sie. Deshalb appelhere ich an Sie: Machen Sie den Weg frei für die Reformpolitik der Koalition, und begreifen Sie endlich: Nur durch Aufträge entstehen Arbeitsplätze. ({12}) Am Anfang steht der Auftrag, nicht die Umfinanzierung. Vielen Dank. ({13})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Gysi.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Haltung der Bundesregierung zu dem Vorschlag, eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Erhöhung der Mineralöl- und Mehrwertsteuer zu ermöglichen". Ich frage mich, Herr Friedhoff, nach dem einen einzigen Satz, den Sie zu diesem Thema geäußert haben. Es war keiner dabei. ({0}) Auch Herr Repnik hat sich um die Beantwortung dieser Frage schlicht und einfach herumgedrückt. ({1}) Es ist schon ein bißchen auffällig, daß, obwohl es immerhin um die Äußerung des Vorsitzenden der größten Fraktion in diesem Hause und um die Haltung der Bundesregierung dazu geht, die ganze erste Reihe fehlt. Daß das Thema sehr unangenehm sein muß, kann wirklich jeder und jedem auffallen. ({2}) - Ich sprach von der ersten Reihe. Wir können schon ganz gut unterscheiden, wer dies ist, so glaube ich. Herr Repnik hat, um vom Thema abzulenken, über andere Dinge gesprochen und hat zum Beispiel gesagt, daß man schon viele Maßnahmen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit beschlossen habe. Wenn man so etwas feststellt, dann hätte mich schon einmal Ihre Meinung über die Wirkung dieser beschlossenen Maßnahmen interessiert. ({3}) Denn ich kann nur feststellen: Die Massenarbeitslosigkeit hat trotz all Ihrer Maßnahmen ständig zugenommen. Diese Maßnahmen scheinen also falsch zu sein. Wir brauchen also eine andere Politik. Das hätte eigentlich das Ergebnis Ihrer Aussage sein müssen. ({4}) Sie haben dann darauf hingewiesen, daß noch zwei Projekte offen sind, nämlich die Steuerreform und die Rentenreform. ({5}) Könnten Sie mir vielleicht einmal erklären, warum Sie die Rentenreform, zu deren Verabschiedung Sie den Bundesrat gar nicht benötigen, nicht alleine durchführen, wenn Sie so von ihr überzeugt sind? Warum wollen Sie die SPD unbedingt mit ins Boot nehmen? Doch nur, weil Sie wissen, daß dies eine höchst negative Maßnahme ist, für die Sie nicht allein die Verantwortung tragen wollen. ({6}) Die SPD wäre wirklich schlecht beraten, wenn sie sich in dieses Boot mit hineinbegeben würde. Ihr Verhalten ist nicht nachvollziehbar. Wenn Sie von Ihrer Rentenreform so überzeugt sind, dann machen Sie sie doch einfach. Aber Sie müssen ja gute Gründe haben, sie immer wieder hinauszuzögern. ({7}) - Frau Babel, wenn Sie sie dann wirklich machen, ({8}) - dann sage ich Ihnen eines: Dann gibt es wieder einen Verlust an Arbeitsplätzen, der in diesem Falle allerdings unvermeidbar ist. Das betrifft die ganzen Arbeitsplätze bei der Fraktion der F.D.P. im Bundestag, die hier ab 1998 nicht mehr vorhanden sein werden. ({9}) Aber dies wäre verkraftbar. ({10}) Auch wir haben zu kämpfen - das ist klar -, aber auf anderer Strecke. Wir werden ja sehen, ob wir uns hier wiedersehen. Im übrigen ist mir aufgefallen, daß Sie gesagt haben, Herr Voscherau habe so fair verhandelt und sei einigungsbereit gewesen. Ich frage mich dann, warum es zu keiner Einigung gekommen ist. ({11}) Dann hätte die Reform ja beschlossen werden können. Offensichtlich haben Sie sich auf seine Vorschläge letztlich nicht eingelassen. Zurück zum eigentlichen Thema, denn ich muß natürlich auch etwas zu dem Vorschlag von Herrn Schäuble sagen. Ich bin gegen die Verknüpfung von Mineralölsteuer und Lohnnebenkosten, die hier angedeutet worden ist. Ich glaube, wir brauchen eine eigenständige ökologische Steuerreform, die wirklich ökologischen Zwecken dient. Eine separate Mineralölsteuererhöhung, die nicht mit Sozialmaßnahmen und mit Veränderungen im öffentlichen Nahverkehr verbunden ist, bedeutet nur soziale Ausgrenzung. ({12}) Die Lösung ökologischer Probleme kann nicht darin bestehen, daß ich weiterhin Auto fahren kann, während Arbeitslose davon ausgeschlossen werden. Wir müssen auch Veränderungen im ÖPNV, Anpassungen der Bahnpreise und viele andere umweltpolitische Maßnahmen vornehmen, all das also, was eine ökologische Steuerreform ausmacht, auch eine Erhöhung von Rohstoff- und Energiepreisen. Es muß ein in sich geschlossenes System sein. Es darf keine einzelne Maßnahme sein, um irgendwo eine Finanzlücke zu schließen. ({13}) Ich möchte außerdem darauf hinweisen, daß eine Mehrwertsteuererhöhung in diesem Zusammenhang problematisch ist. Sie wissen alle, daß Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler, Wehrpflichtige, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslose an der Bezahlung der Mehrwertsteuer beteiligt sind, an sich aber mit Lohnnebenkosten nichts zu tun haben. Das heißt: Hier werden auch soziale Gruppen, denen es wirklich nicht gut geht in dieser Bundesrepublik, herangezogen, um eine sie nicht betreffende Reform zu ermöglichen. Deshalb unterbreite ich noch einmal den Vorschlag, ob es nicht günstiger wäre, die Bemessungsgrundlage für die Lohnnebenkosten zu verändern. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden dann ihren Anteil im Prinzip wie bisher - wir können diesen Anteil schrittweise senken - in die Sozialversicherungssysteme einzahlen. Die Unternehmen aber würden nicht nach der Zahl der Beschäftigten, nicht nach der Bruttolohnsumme, sondern nach ihrem Betriebsergebnis, nach ihrer Wertschöpfung einzahlen. Wer eine hohe Wertschöpfung und wenig Beschäftigte hat, muß dann eben deutlich mehr Lohnnebenkosten tragen. Wer aber viele Beschäftigte hat und eine geringere. Wertschöpfung, muß entsprechend wesentlich weniger bezahlen. Dieses System wäre auch viel flexibler: Geht nämlich die Wertschöpfung, geht der Umsatz zurück, dann muß nicht sofort entlassen werden, weil sich automatisch die Lohnnebenkosten senken, obwohl die Anzahl der Beschäftigten und ihr Bruttolohn gleichgeblieben ist. Geht der Umsatz aber nach oben und es wird nicht eingestellt, dann entstehen trotzdem höhere Lohnnebenkosten. Das kann sich das Unternehmen dann auf Grund des Ergebnisses auch leisten. Das heißt: Die Bemessungsgrundlage zu verändern und damit dem nahezukommen, was wir alle propagieren, nämlich einer Abhängigkeit vom Betriebsergebnis und nicht von festen, von den Unternehmen nicht zu regulierenden Größen, wäre doch eine geeignete Reform. Das wäre auch wirtschaftlich sinnvoll, gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. ({14})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte werfen Sie einen Blick auf die Uhr.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Eines, Herr Friedhoff, möchte ich Ihnen nicht durchgehen lassen. Das muß ich zum Schluß noch sagen. Sie sagen immer, wir hätten die höchsten Steuersätze. Sie wissen, daß das nicht stimmt. Real haben wir, im Vergleich zu anderen Ländern, eher niedrige Steuersätze. Wir haben theoretisch die höchsten; diese aber bezahlt doch inzwischen kein Mensch mehr. Deshalb sage ich: Mit Sozialabbau sind die Probleme in diesem Lande nicht zu lösen. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Hauser. ({0})

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Müller, Sie haben so schön gesagt, Sie wären über Ihren Schatten gesprungen. ({0}) Man sagt ja immer: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Dann kann ich nur sagen: Wie zappenduster muß es bei Ihnen schon sein, daß Sie über das bißchen Schatten, das noch da ist, nicht hinweggekommen sind. ({1}) Das, was an Bewegung vorhanden war, ist so minimal, daß man darüber eigentlich gar, nicht reden kann. Wir sind mitten im Vermittlungsverfahren. Die Diskussionen finden nicht innerhalb dieses Verfahrens, sondern außerhalb statt. Es ist richtig: Wir sind uns einig darüber, daß zu den Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland zweifellos auch die hohen Arbeitskosten gehören. Innerhalb der Personalzusatzkosten, die im Gesamtdurchschnitt rund ein Drittel des Entgelts für die geleistete Arbeit ausmachen, stellen die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber mit rund einem Viertel des Arbeitsentgelts den größten Anteil dar. Hier stellen wir sogar noch eine steigende Tendenz fest. Für uns gibt es aber einen ganz klaren Zusammenhang. Eine echte Steuerreform auf der Grundlage der Petersberger Steuervorschläge kann nur dann mit einer Nettoentlastung bei der Sozialversicherung verbunden werden, wenn gleichzeitig entscheidende Senkungen der Lohn- und Einkommensteuertarife vorgenommen werden. ({2}) Wir haben in einer ganzen Reihe von Punkten Kompromißbereitschaft gezeigt, ({3}) beispielsweise bei der Festlegung der Steuersätze und beim Umfang der Tarifsenkungen. Wir haben Kompromißbereitschaft gezeigt bei der im Grundsatz von allen befürworteten Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch Abbau von Steuervergünstigungen, Sonderregelungen, Ausnahmetatbeständen und Befreiungsvorschriften usw. usf. ({4}) Wir haben Kompromißbereitschaft beim Umfang der. Nettoentlastungen gezeigt, damit die Steuerreform für die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden finanziell verkraftbar ist. Das geht aber nicht ohne Stufenregelungen. ({5}) Wir haben abgestimmte Zahlen vorgelegt. Ich darf das wiederholen: Es gab eine Beamtenrunde, in der die Zahlen abgestimmt worden sind. Diese sind in dem Vermittlungsverfahren offensichtlich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. Hier haben wir ganz eindeutig nachgewiesen, daß wir ohne eine Stufenregelung in den Jahren 1999 und folgende eine drastische Steuererhöhung bekommen würden. Deswegen brauchen wir eine Regelung für weitere Stufen ab 1999. ({6}) Die Opposition hat demgegenüber die ihr gestellten Fragen nicht beantwortet. ({7}) Wir werden sie morgen abend wieder stellen - verlassen Sie sich darauf! -, nämlich: ({8}) Besteht überhaupt Bereitschaft, an einer Gesamtkonzeption für eine Steuerreform, an einer echten Steuertarifreform und an einem durchgängigen Abbau von Vergünstigungen mitzuarbeiten, und besteht Bereitschaft dazu, bei einer Stufenregelung mit einer Nettoentlastung im Jahr 1999 und dann verstärkt in den Folgejahren mitzuarbeiten? Das wäre machbar. Das alles hat mit dem gemeinsamen Ziel zu tun, die Bürger von zu hohen Abgaben und Steuern zu entlasten. Mit einer Senkung der Lohnnebenkosten allein im Wege der Umfinanzierung läßt sich das nicht machen. ({9}) Wenn Sie also bei der Steuerreform mitmachen, werden wir auch eine Einigung bei der Senkung der Lohnnebenkosten finden. ({10}) Die Senkung der Lohnnebenkosten durch einen höheren Bundeszuschuß für die Sozialversicherung ist nicht Element der eigentlichen Steuerreform. Der in der Debatte des Deutschen Bundestages zu Steuern und Arbeitsplätzen am 5. August 1997 von den Koalitionsfraktionen angenommene Entschließungsantrag läßt aber keinen Zweifel aufkommen. Es heißt dort: Gemeinsames Ziel der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände ist es, die Lohnnebenkosten zu senken. Dies wurde im Bündnis für Arbeit unterstrichen. Dazu ist eine dauerhafte Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge dringend notwendig. Wir haben dafür ein Modell vorgelegt, nämlich die Erhöhung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung, die im Umfang dem Aufkommen eines um einen Prozentpunkt von 15 auf 16 Prozent erhöhten allgemeinen Umsatzsteuersatzes entspricht. Der für die unteren Einkommensgruppen so wichtige ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent auf Güter des täglichen Bedarfs soll unverändert bleiben. Das wäre sozialverträglich, weil die Grundversorgung,. zum Beispiel Miete, aber auch medizinische und kulturelle Leistungen, ohnehin von der Umsatzsteuer befreit ist und Grundnahrungsmittel und andere Grundleistungen, zum Beispiel der öffentliche Personennahverkehr, Lebensmittel usw., nur ermäßigt besteuert werden. Für die unteren Einkommensgruppen würde sich bei einer Anhebung nur des allgemeinen Umsatzsteuersatzes lediglich eine Mehrbelastung von monatlich rund 11 DM ergeben. Bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern würde dem der Vorteil aus der Senkung der Lohnnebenkosten gegenüberstehen. Während eine Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes bei Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes niedrige Einkommen also verhältnismäßig wenig belastet, muß man sich natürlich schon fragen, wie sich eine Mineralölsteuererhöhung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen auswirken würde. ({11}) Das muß man vorher intensiv prüfen. ({12}) Ich denke hier beispielsweise an Pendler in ländlichen Gebieten. ({13}) Hierbei muß man sich eben fragen - das ist der Zusammenhang zur Steuerreform -, wie sich das dann mit einer Entfernungspauschale verträgt, die ja auch von seiten der Opposition sehr eindeutig gewünscht wird. Man muß sich ebenfalls Gedanken darüber machen, wie sich das bei den Betrieben, etwa durch erhöhte Produktions- und Transportkosten, auswirkt. Die Auswirkungen Ihrer Vorschläge auf Preise und Verbraucher müssen also sorgfältig geprüft werden. ({14}) Eine Bereitschaft zur Umfinanzierung kann nur dann bestehen, wenn wir gleichzeitig die Reform der Rentenversicherung in Kraft setzen. Denn eine Senkung der Lohnnebenkosten durch Umfinanzierung bedeutet nicht zwangsläufig eine Entlastung der Arbeitnehmer oder eine Stärkung der Kaufkraft. ({15}) So müßten beispielsweise die Gewerkschaften der Versuchung widerstehen, die höhere Steuerbelastung in den Lohnverhandlungen wieder hereinzuholen. Andernfalls würde es durch die Abgabenentlastung nur kurzfristige Effekte auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung geben. ({16}) Meine Damen und Herren, neue Arbeitsplätze werden wir sicherlich nur schaffen, wenn wir die Belastungen entsprechend senken. Langfristig muß der Faktor Arbeit durch eine stärkere Dämpfung des Anstiegs des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung entlastet werden. Deshalb fordern wir Sie auf, beim Rentenreformgesetz mitzuwirken und die Einführung der demographischen Komponente in die Rentenformel zu unterstützen, um damit die Rentenversicherung dauerhaft zu sichern. Sie haben die Möglichkeit, morgen abend im Versicherungsausschuß, Entschuldigung, im Vermittlungsausschuß ({17}) - ja, es geht um die Versicherung, deshalb war der Versprecher durchaus verzeihlich - diese angebotene Kompromißbereitschaft zu nutzen und mit uns zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. Das wäre zum Wohle unserer Arbeitnehmer dringend notwendig. ({18})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Andrea Fischer. ({0})

Andrea Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002652, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemessen daran, daß wir heute die Haltung der Bundesregierung und der sie tragenden Parlamentsfraktionen zu den Vorschlägen des Kollegen Schäuble hören wollten, haben wir ausgesprochen wenig gehört. Man kann ja manchmal dadurch, daß man nichts sagt, sagen, was man tatsächlich davon hält. Das haben Sie offensichtlich getan. Sie haben sich zum Teil in volkswirtschaftliche Exkurse von zweifelhafter Qualität gerettet und neue Andrea Fischer ({0}) Pappkameraden aufgebaut. Ich stelle also seitens der Oppsition fest: Von Ihrem Fraktionsführer scheinen Sie nicht sehr viel zu halten. Eine engagierte Verteidigung Ihres Fraktionschefs habe ich heute nicht gehört. ({1}) - Herr Repnik, wenn Sie es so filigran machen müssen, dann tut es mir leid für Sie. Ich habe es unglaublich satt, daß Sie das Schwarzer-Peter-Spiel fortsetzen. Sie erklären uns wieder, warum die eine Steuer besser ist als die andere. Führen wir das, worüber wir diskutieren, doch einmal auf den Kern des Problems zurück. Alle Parteien hier im Haus sind sich einig, daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen, weil wir uns davon positive Wirkungen auf den Arbeitsmarkt versprechen. ({2}) Alle Parteien sind sich einig, daß ein Weg zu diesem Ziel über eine verstärkte Steuerfinanzierung führen kann. ({3}) Differenzen haben wir in der Frage, ob auch Leistungs- und Ausgabenkürzungen diesem Ziel dienen sollen. Aber das steht heute nicht zur Debatte; Sie wollen dieses Thema allerdings einführen, weil Sie der eigentlichen Frage, über die debattiert werden soll, ausweichen wollen. ({4}) Der Hintergrund für das Vorhaben der Umfinanzierung ist doch die Erkenntnis, daß eine Entlastung von Arbeitskosten positive Beschäftigungseffekte hätte. Viele Industriestaaten finanzieren ihren Sozialstaat in deutlich stärkerem Maß als Deutschland durch indirekte Steuern, das heißt, durch Verbrauchsteuern. Wenn wir uns in den Grundzügen einig sind, dann muß es doch offensichtlich andere als vernünftige Gründe dafür geben, daß wir damit nicht zu Potte kommen. ({5}) - Das Problem liegt doch offenkundig bei Ihnen. Mit Verlaub, das müssen wir jeden Tag mit wachsendem Mißmut den Zeitungen und dem Fernsehen entnehmen. Sie sagen dauernd, wir würden alles blockieren. ({6}) Was hören wir denn von Ihnen? Wir haben in der Koalition einerseits eine Partei, für die die Steuersenkung der Heilige Gral ist und die sich überhaupt nicht davon beeindrucken läßt, daß sie derzeit unerreichbar ist. Dann setzen sich diese Ritter von der Steuerfront in ein Auto mit den Knappen aus Bayern, weswegen ihnen dann eine Erhöhung der Mineralölsteuer als ein Todesstoß für den Standort Deutschland erscheint. ({7}) Dann endlich bewegt sich jemand aus Ihren Reihen, und wir sagen: Oh, klasse, wir bewegen uns jetzt auch. ({8}) Wir sagen hier ganz deutlich - obwohl es uns eine Menge Überwindung kostet, weil wir die Mehrwertsteuer für ein Instrument aus dem vergangenen Jahrhundert halten -: ({9}) Wir kommen euch entgegen und springen über unseren Schatten. Wir sind bereit zur Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Arbeitslosenversicherung, zur Erhöhung der Mineralölsteuer für den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung. ({10}) Dann wollen wir aber nicht, daß Sie wieder neue Hürden aufbauen, ({11}) indem Sie immer sagen, dann müßten wir auch Ihren anderen Vorhaben zustimmen. Sagen Sie einmal, was glauben Sie denn eigentlich, was Sie von der Opposition verlangen können? Sie sagen: Das ist unsere Steuerreform, das ist unsere Rentenreform - wenn ihr die nicht Punkt für Punkt mitmacht, dann seid ihr Blockierer. ({12}) Wie stellen Sie sich denn Politik auf gleicher Augenhöhe vor? ({13}) Wir versuchen doch an einem Punkt, den wir für einigungsfähig halten - wir alle wissen genau: die anderen Punkte sind hier nicht einigungsfähig -, Ihnen entgegenzukommen. Anstatt daß Sie sagen: „Oh, schön, da ist jetzt Bewegung drin", wollen Sie doch so gerne noch ein ganzes Jahr Wahlkampf machen mit dem Blockadevorwurf und sagen sich: Jetzt fügen wir aber noch eine Bedingung hinzu, und noch eine Bedingung, damit die Opposition garantiert nicht über diesen Stock springen kann. Sie wollen doch gar nicht, daß wir uns hier einigen. Sie wollen doch mit Vorwürfen an die Opposition Wahlkampf Andrea Fischer ({14}) machen, um davon abzulenken, daß Sie nichts mehr gebacken bekommen, überhaupt nichts mehr. ({15}) Niemand, auch seitens der Opposition, bestreitet, daß Umfinanzierung nicht reicht. Wir haben andere Vorstellungen von der Strukturreform. Diese liegen auch alle auf dem Tisch. Meinetwegen können wir uns auch noch einmal zusammensetzen. Politik, bei der beide Seiten auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln, heißt aber nicht, daß Sie kommen und sagen: Dies ist unseres, und jetzt macht mit! Vielmehr heißt es: Wir legen jetzt alles auf den Tisch und verhandeln über diese Strukturreform. Aber das wollen Sie nicht. Unser Appell an Sie ist, morgen zu sagen: Weg mit diesem nicht einigungsfähigen Teil in den Strukturreformen; laßt uns nur über den Finanzierungsteil reden! Da sind wir Ihnen wirklich extrem weit entgegengekommen. Das werden Sie auszubaden haben. ({16}) Wir sind doch als Politiker und Politikerinnen ganz normale Bürger und Bürgerinnen in diesem Lande. Ich kann Ihnen nur sagen: Es geht mir so unglaublich auf den Geist, was ich inzwischen seit Monaten täglich in der Zeitung darüber lesen muß, wie sich hier überhaupt nichts bewegt in einem Punkt, von dem alle wissen, daß sich etwas bewegen müßte. Im Grunde wissen auch alle, in welche Richtung es sich bewegen muß. Jetzt sind Sie am Zug. ({17})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Peter Rauen. ({0})

Peter Rauen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001783, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau MatthäusMaier, Sie haben beklagt, daß Herr Dr. Schäuble nicht hier ist. Sie wissen - zumindest Ihr Geschäftsführer Peter Struck weiß es -, daß er heute in Kiel auf einer Festveranstaltung spricht. Ich bin der Meinung, man sollte das hier klarstellen. Es ist kein guter Stil, sich zu beklagen, wenn man weiß, daß er gar nicht da sein kann. Es ist gut, daß alle Parteien im Bundestag der Meinung sind, daß die Lohnzusatzkosten in Deutschland zu hoch sind und daß dadurch Arbeitsplätze verlorengehen. In der Tat: Zwischen 80 und 110 Prozent Lohnzusatzkosten, je nach Branche, sind weltweit einmalig hoch, erhöhen die Kosten für Arbeit und vernichten Arbeitsplätze. Zwischen Oktober 1995 und Mai 1997, also in nur 19 Monaten, sind fast exakt 1,1 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Deutschland verlorengegangen. Im gleichen Zeitraum sind die Sozialversicherungsbeiträge von 39,7 Prozent auf 42 Prozent, also um 2,3 Prozentpunkte oder zirka 40 Milliarden DM jährlich gestiegen. ({0}) - Ich komme dazu, machen Sie nur langsam. Der Zusammenhang zwischen Beschäftigungsrückgang und Beitragssteigerung ist unverkennbar. Die Belastung trifft die Arbeitnehmer und insbesondere die lohnintensiven mittelständischen Betriebe. Die Sozialversicherungsbeiträge müssen runter; darüber sind sich offenbar alle einig. Aber wie, darüber streiten wir. Frau Fischer, ich nehme Ihnen die redliche Absicht ab, daß man weiterkommen muß, sich einigen sollte. Aber die Einigung muß auch Sinn machen. Es ist jedoch völlig falsch - wie es häufig geschieht -, Sozialversicherungsbeiträge mit Lohnzusatzkosten gleichzusetzen. ({1}) Lohnzusatzkosten werden ausschließlich - hören Sie zu, Frau Matthäus-Maier, Sie wissen es wahrscheinlich so exakt nicht! - durch zwei Faktoren bestimmt. Erster Faktor sind die Beiträge der Arbeitgeber in die Sozialkassen: Diese belaufen sich zum Beispiel im Baugewerbe - um bei einer Branche zu bleiben - zur Zeit auf 31,8 Prozent auf den Bruttolohn des Arbeitnehmers. Diese Beiträge sind überwiegend gesetzlich bestimmt. Zweiter Faktor sind die Soziallöhne, also der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Nichtarbeit im Verhältnis zur wirklich geleisteten Arbeit. Dieser Teil ist überwiegend tariflich bestimmt. Er betrug zum Beispiel im Baugewerbe vor dem neuen Tarifabschluß 57,1 Prozent auf den Bruttolohn des Arbeitnehmers und nach dem Tarifabschluß im April dieses Jahres nur noch 38,3 Prozent auf den Bruttolohn des Arbeitnehmers - sofern die Betriebe die Flexibilisierung mit 150 Jahresarbeitsstunden nutzen. Da die Unternehmerbeiträge in die sozialen Kassen auch auf die Soziallöhne zu entrichten sind, multiplizieren sich beide Faktoren. Ergebnis: Vor dem Tarifabschluß im Baugewerbe beliefen sich die Lohnzusatzkosten auf 107 Prozent, nach dem Tarifabschluß nur noch auf 82 Prozent. Die Lohnzusatzkosten betragen also 25 Prozent weniger als vor dem Tarifabschluß. Meine Damen und Herren, Sie mögen an dem Beispiel erkennen, wie gering der Anteil dessen ist, was wir heute hier diskutieren, gemessen an der Problematik der Lohnzusatzkosten insgesamt. ({2}) Selbst wenn die Erhöhung des Mehrwertsteueraufkommens um 15 Milliarden DM und des MineralölSteueraufkommens um 15 Milliarden DM voll zur Senkung der Beiträge genutzt würden - also um zwei Prozentpunkte -, würde dies die Lohnzusatzkosten lediglich um zirka 1,4 Prozent senken. ({3}) Hinzu kommt die Tatsache, daß zwar dem Arbeitnehmer durch die Senkung ein höherer Nettolohn verbleibt, die Entlastung von Unternehmen und Arbeitnehmern jedoch durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Mineralölsteuer konterkariert wird. ({4}) - Dazu komme ich noch. - Damit wäre die Wirkung auf den Arbeitsmarkt äußerst begrenzt. Meine Damen und Herren, in dem Bestreben nach mehr Arbeitsplätzen gibt es in Wahrheit keine Alternative zu strukturellen Reformen der sozialen Sicherungssysteme, mit dem Ziel, die Beiträge deutlich abzusenken. ({5}) Diese strukturellen Reformen werden jedoch ohne Ausnahme von der Opposition bekämpft und mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Meine Damen und Herren, Sie reden zwar davon, aber in Wahrheit behindern Sie den gesetzlichen und tariflichen Abbau von Lohnzusatzkosten. ({6}) Sie wollen umfinanzieren und nicht reformieren. Sie wollen mehr Staat und nicht weniger Staat. Genau dies aber ist Gift für die Arbeitsplätze in Deutschland. Ich habe unseren Fraktionsvorsitzenden - der als Vorsitzender der Bundestagsfraktion einer großen Volkspartei natürlich die Aufgabe hat, Signale im Sinne von Einigung auszusenden ({7}) so verstanden: Wenn die Opposition strukturelle Reformen bei den Renten nicht will, sie aber den Widerstand bei der Gegenfinanzierung aufgibt, wenn man ihr bei der Absicht entgegenkommt, auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 1 Prozent zu senken, ist dies - verglichen damit, daß überhaupt nichts geschieht - das geringere Übel. Sie müssen überlegen, ob Sie bei der Rentenreform auch strukturelle Veränderungen wollen. Reine Umfinanzierungen machen überhaupt keinen Sinn. ({8}) Umfinanzierung heißt immer nur: gleiche Steuer- und Abgabenquote, keine Senkung der Staatsquote, mehr Staat und nicht weniger Staat, ({9}) weniger Arbeitsplätze und nicht mehr Arbeitsplätze. Das haben Sie dann ganz alleine zu vertreten. Schönen Dank. ({10})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Ottmar Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja schon vieles erlebt in diesem Hohen Haus, aber selten eine Debatte, in der die Koalitionsabgeordneten ein derartiges Bild des Jammers und der Konfusion bieten. Das ist wirklich kaum noch zu übertreffen. ({0}) Der Bundeskanzler hat vor kurzem, zum Ende der parlamentarischen Sommerpause, öffentlich verkündet: „Die alte Katz ist wieder da, das tut den Mäusen gut." Die Mäuse tanzen toller auf den Tischen als je zuvor. Ich will einmal aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" - die gilt als durchaus seriöses Blatt - von heute zitieren. Da steht, daß die F.D.P. davon ausgeht, daß Herr Waigel „unkontrolliert" handle; bei Schäuble sei man da nicht so sicher. ({1}) Meine Güte! Wenn der Koalitionspartner, die F.D.P., dem amtierenden Bundesfinanzminister oder, wie der Kollege Fischer zutreffend sagte, dem designierten Exbundesfinanzminister „unkontrolliertes" Verhalten zutraut - also sagt, der Junge ist überhaupt nicht mehr berechenbar -, in welcher Regierung sind Sie dann eigentlich? Wenn die gleiche F.D.P. nicht sicher ist, wie sie Herrn Schäuble zu beurteilen habe, wo ist diese Koalition dann eigentlich gelandet? ({2}) Sie sind auf dem denkbar tiefsten Punkt der Konfusion. Sie bieten ein Bild des Jammers. Meine Damen und Herren, ich bemühe mich darum, Ihre gegenwärtige Konfusionslage zu verstehen. Ich höre ständig die Klagen über die hohen Lohnnebenkosten, die hohen Sozialversicherungsbeiträge. Meine Güte! Es hat keine Phase in der deutschen Sozialgeschichte gegeben, in der die Lohnnebenkosten derart massiv angestiegen sind wie während der Phase Ihrer Regierung seit 1982. ({3}) Wir haben seit 1982 - ich sage Ihnen die genauen Zahlen - einen Anstieg der Beitragssätze in der Sozialversicherung von 34 Prozent im Jahre 1982 auf jetzt rund 42 Prozent erlebt. Diesen dramatisch hohen Anstieg der Lohnnebenkosten haben Sie als Regierung und als Regierungsfraktionen ganz alleine zu verantworten. ({4}) - Auf dieses Stichwort habe ich jetzt wirklich geradezu gewartet. Schade, daß Sie keine Zwischenfrage stellen können. Der sehr verehrte Herr Kollege ruft nämlich dazwischen: „Einschließlich der Wiedervereinigung! " ({5}) - Der Kollege Michelbach: „Einschließlich der Wiedervereinigung! " Wo steht geschrieben, daß Sie die Kosten der Wiedervereinigung über die Lohnnebenkosten finanzieren sollen? Wo steht das geschrieben? ({6}) Ich will Sie nur daran erinnern, daß der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, der Kollege Scharping, Sie in den 90er Jahren mehrfach auf ein denkbares Finanzierungsinstrument hingewiesen hatte, nämlich einen Lastenausgleich. ({7}) - Haben Sie „Bescheuert!" dazwischengerufen? ({8}) - „Steuern"? Aha! ({9}) Das hätte mich allerdings sehr animiert, weil schon Anfang der 90er Jahre der damalige. Bundespräsident von Weizsäcker daran erinnerte, daß der Lastenausgleich ein gehöriges Instrument, ein angemessenes Instrument zur Bewältigung der Finanzierungslasten der deutschen Einheit wäre. ({10}) Lastenausgleich bedeutete nichts anderes als eine Abgabe auf Vermögenseinkommen, auf große und größte Einkommen. ({11}) Sie haben sich nicht im geringsten mit den Vorschlägen des ehemaligen Bundespräsidenten angefreundet. Sie haben ihn exkommuniziert und die Vermögensteuer gleich ganz abgeschafft. ({12}) Sie bieten ein Bild des Jammers. ({13}) Und jetzt stellen sich die Redner der Koalitionsfraktionen hierhin und beklagen die Lohnnebenkosten, nachdem sie systematisch alle denkbaren Ausgaben und Aufgaben über die Lohnnebenkosten finanziert haben. ({14}) Der entscheidende Punkt ist: Sie können sofort mit der Zustimmung der SPD rechnen - sofort! -, wenn Herr Schäuble ernsthaft beim Wort zu nehmen ist und es um eine Umfinanzierung von Lohnnebenkosten hin zu maßvoll erhöhten Mineralöl- und Mehrwertsteuern geht. Dafür haben Sie sofort die Zustimmung der SPD, und Sie können mit uns beginnen, den berühmten Reformstau aufzulösen. Sie können sofort beginnen. ({15}) Sie haben allerdings, Herr Kollege Repnik, ein doppeltes Problem. Deshalb sind Sie die Blockadepartei. ({16}) Sie haben ein doppeltes Problem. Das erste Problem ist, daß Sie nicht in der Lage sind, Ihrem Fraktionsvorsitzenden Schäuble zu folgen. ({17}) - Sie persönlich könnten es; das will ich Ihnen gerne zutrauen. Sie sind ein ehrenwerter Mann. Aber die Koalitionsfraktionen können es nicht. ({18}) Es ist nicht ganz zufällig, daß weder der Kollege Schäuble hier während der Debatte anwesend ist - es geht immerhin um den Vorgang: Wer blockiert hier eigentlich? - noch irgendein Bundesminister in der Debatte dabei ist. Hier sitzen lauter Hilfssheriffs. Was ist das für eine Debattenlage von seiten der Koalition? ({19}) - Durchaus. Sie wollen doch im Bereich der unteren Tarifeinkommen mehr Arbeitsplätze schaffen. Da können Sie nicht sagen, das sei eine Beleidigung. Das geht jetzt wirklich zu weit. Das widerspricht -

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Schreiner, das sollten Sie noch einmal bedenken und außerdem die Zeit beachten.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will zum Schluß kommen. Sie können, Herr Kollege Repnik, mit uns sofort zu einer sinnvollen Vereinbarung kommen, wenn Sie bereit sind, der Position Ihres Fraktionsvorsitzenden zu folgen, und wenn Sie bereit sind, mit dem schädigenden Erpressungsmanöver aufzuhören, mit dem Sie erreichen wollen, daß die SPD der Rentenkürzung zustimmt. Diese Zustimmung werden Sie von uns unter keinen Umständen bekommen. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Warnke.

Dr. Jürgen Warnke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002428, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Steuer- und Rentenreform sind durch das gemeinsame Ziel verbunden, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze im vereinigten Deutschland zu schaffen. Wer die Reformen verhindert, der erhöht und verlängert Arbeitslosigkeit, die auf ihrem derzeitigen Stand ohnehin schon unerträglich ist. ({0}) Reform bedeutet in beiden Fällen - bei der Steuer wie bei der Rente - Strukturveränderung, und zwar mit dem Ergebnis der Nettoentlastung des Investitionsstandortes Deutschland von arbeitsplatzschädlichen Steuern und arbeitsplatzschädlichen Lohnzusatzkosten. Die Umbuchung von der Rentenkasse auf den Bundeshaushalt mag nützliche Begleiteffekte haben, stellt für sich allein aber keine Lösung, sondern nur eine Verschiebung und Verlängerung des Problems dar. ({1}) Den Arbeitslosen von heute und den arbeitsplatzsuchenden Jugendlichen von morgen hilft ein solcher Verschiebebahnhof nicht. ({2}) In beiden Fällen - bei der Steuer wie bei der Rente - blockiert die Mehrheit des Bundesrates die Entlastung der investierenden Wirtschaft des Inlandes ({3}) und - was mindestens so wichtig ist - des Auslandes von arbeitsplatzschädlichen Kosten. ({4}) - Wolfgang Schäuble, Herr Kollege Scharping, hat Erfahrung in Blockadeauflösung. ({5}) Den Weg zur Überwindung des jahrelangen Widerstandes der SPD bei der Asylrechtsänderung, den Weg zur Überwindung dieser Blockade hat in der vergangenen Legislaturperiode Wolfgang Schäuble gewiesen und niemand anders. ({6}) Auch damals hat er Umwege in Kauf genommen, die manche nicht verstanden haben. Es hat sich aber herausgestellt, daß sie zielführend und erfolgreich gewesen sind. Eine Wirkung der jüngsten Äußerungen Schäubles zur Rentenreform zeichnete sich bereits ab: die Bereitschaft von Bündnis 90/Die Grünen, sich auf das Kernstück der Rentenreform einzulassen, nämlich auf die Einführung einer demographischen Komponente mit der Folge der Herabsetzung der Eckrente von 70 Prozent auf 64 Prozent. ({7}) - So die „Süddeutsche Zeitung" von heute, Frau Kollegin Müller. Das ist ein Zitat Ihres Sprechers Schulz. Von Ihnen habe ich jetzt etwas anderes gehört. So ganz sortiert scheinen Sie in den Kernfragen der Rentenreform nicht zu sein. ({8}) Wohlgemerkt, Kollege Schreiner, nicht eine einzige Rente wird gekürzt. Hier ist von Rentenkürzungen die Rede gewesen. ({9}) Nicht eine einzige Rente wird gekürzt. Im Gegenteil: Es wird auch in Zukunft Rentensteigerungen geben, wenn wir die Anpassung, die notwendig und unverzichtbar ist, auf einen hinlänglich langen Zeitraum ausdehnen, so wie es in unserem Rentenreformvorschlag vorgesehen ist. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, daß die Rentenreform so schnell wie möglich in Kraft tritt. Das ist auch deshalb dringlich, meine Damen und Herren, weil das Generationenverhältnis sonst unnötig oder sogar gefährlich belastet wird. Es ist kein Zufall, daß das Kernstück der Reform, die demographische Komponente, von einem Mann der jungen Generation, unserem Kollegen Andreas Storm, erarbeitet worden ist. Die demographische Komponente zieht die Konsequenz aus dem Wandel von der Lebenspyramide zum Lebensbaum, dessen Krone weiter auslädt als der Stamm. Dem Anspruch der jungen Generation Rechnung zu tragen, ist berechtigt. Die ältere Generation hat Verständnis dafür. ({10}) Ich erinnere nur an Präsident Hirrlinger vom VdK. Deshalb muß jetzt gehandelt werden, und zwar schnell. Es ist das erklärte Ziel der SPD im Bundestag und im Bundesrat - wir haben es heute wieder gehört -, genau das zu verhindern. Deshalb haben Sie bis heute eine Gegenfinanzierung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer abgelehnt. Die morgige Sitzung des Vermittlungsausschusses bietet nun erneut eine Chance das zu tun, was die Bevölkerung von den Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat zu Recht erwartet, nämlich überholte Strukturen rechtzeitig zu reformieren und damit die Bremsklötze wegzuziehen, die bis jetzt arbeitsplatzschaffende Investitionen verhindert haben. Wer da nicht mitmacht, der schadet nicht nur den Arbeitsuchenden, der schadet auch sich selbst, aber was wichtiger ist: der schadet der Standfestigkeit unserer Demokratie. Die Hamburger Wahlergebnisse waren eine deutliche Mahnung. Ich hoffe, Sie werden sie morgen im Vermittlungsausschuß beherzigen. ({11})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Detlev von Larcher.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verschleiern und Vertuschen sowie eine ganz klare Absage an Herrn Schäuble und seinen Vorschlag - das sind die Beiträge von Herrn Repnik, von Herrn Hauser, von Herrn Rauen und von Herrn Warnke. Was war der Kern von Herrn Schäubles Vorschlag? Der Kern war: Wir müssen uns im Vermittlungsausschuß wenigstens auf einen kleinen Konsens einigen, weil ein totaler Stillstand in erster Linie der Regierung und den Koalitionsfraktionen angelastet wird. Das war doch der Kern der Aussage. Heute habe ich nichts darüber gehört. ({0}) - Herr Repnik, Sie verkoppeln schon wieder alles mit allem. Herr Schäuble hat es gerade auseinandergekoppelt und gesagt: Laßt uns uns auf das einigen, was einigungsfähig ist. Das andere lassen wir sein. - Er sieht, daß Sie dadurch, daß Ihnen das angelastet wird, in die Sackgasse geraten. Wenn Sie heute in die Zeitung schauen, sehen Sie: Die Presse hat das begriffen; die Landschaft ist voll davon, aber die Koalition und der Kanzler wollen die Situation nicht wahrnehmen. Wie gesagt, Herr Schäuble weiß, daß Stillstand vor allem der Regierung angelastet wird, aber jetzt hat er sich in dem Netz verfangen, das er die ganze Zeit feinsinnig gegen andere gesponnen hat. Ich sage Ihnen: Von Anfang an war das ganze Steuerkonzept, das Sie hier vorgelegt haben, gar nicht darauf angelegt, es zu verwirklichen. Es war von Anfang an ein Wahlkampfversprechungskonzept. Sie haben den Blockadevorwurf schon im Kopf gehabt, bevor Sie Ihr Konzept hier vorgelegt haben. Das war Ihre Strategie. Jetzt haben Sie festgestellt, daß diese Strategie nicht aufgeht, daß sie kein Wasser auf Ihre Mühlen lenkt, sondern Ihnen den Vorwurf des Stillstands einträgt. ({1}) Das kann man auch daran ablesen, daß in der öffentlichen Debatte, die Sie geführt haben, zum Schluß immer nur noch von Steuersenkung die Rede war. Da konnte man nichts mehr hören von Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, von Transparenz des Steuersystems und von Steuervereinfachung. ({2}) Es hieß nur noch: Steuersenkung, Steuersenkung, Steuersenkung. ({3}) Es sollte ein Wahlkampfversprechen sein, und wir waren dazu ausersehen, dieses Wahlkampfversprechen zunichte zu machen. Das war Ihre Strategie. ({4}) Deswegen habe ich hier gesagt, daß Sie mit Ihrer Mehrheit in der zweiten und dritten Lesung ein Gesetz beschließen, von dem Sie gar nicht wollen, daß es in Kraft tritt. ({5}) Dieses hat sich nach der Beschlußfassung in den Vermittlungsausschußverhandlungen bewahrheitet. ({6}) - Natürlich hat es sich bewahrheitet. ({7}) Nun zeigt sich eben, daß die Menschen nicht so dumm sind. Der Blockadevorwurf richtet sich zu Recht gegen Sie selbst. Ihre Saat geht nicht auf. Nun ist guter Rat teuer. Herr Schäuble ist klug genug, das zu sehen. ({8}) Er versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Er hoffte wenigstens auf eine kleine Vereinbarung - ich sagte das schon -, besser als der totale Ausfall. Aber von den Blockierern in den eigenen Reihen wird er nun abgeblockt, an der Spitze Chefblockierer Bundeskanzler Kohl. ({9}) Ich finde es geradezu peinlich, wie Ihr Bundeskanzler mit seiner Bemerkung über die Privatmeinung, die Herr Schäuble geäußert hat, hat im Regen stehen lassen. ({10}) Sie bemühen die Massenarbeitslosigkeit als Argument für Ihre Vorschläge. Heute sagt fast wieder jeder Ihrer Redner an die SPD gerichtet: Ihr müßt doch springen, wenn ihr die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen wollt. - Aber wenn dann etwas konkret vorgeschlagen wird, machen Sie es nicht, nicht einmal, wenn es von Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden kommt. ({11}) Wenn Sie mit dem Vorschlag von Herrn Schäuble morgen in den Vermittlungsausschuß kommen, dann werden wir uns ganz schnell einigen; da bin ich mir ganz sicher. Ob am Donnerstag eine Einigung erzielt wird oder nicht, liegt also allein bei Ihnen. ({12}) - Wir reden hier über Schäubles Vorschlag. In diese Sackgasse sind Sie durch die Ein-PunktPartei F.D.P. getrieben worden. Diese kennt nur noch ein Thema: Steuersenkung. Dies wird an der Diskussion über den Solidaritätszuschlag deutlich. ({13}) Nach dem Gesamtkonzept sollen die Länder die Hälfte der Senkung des Solidaritätszuschlages mit finanzieren. Wenn das nun nicht gelingt, steht die F.D.P. mit ihrem Vorschlag ganz nackt da. Sie kann nicht sagen, wie die Mindereinnahmen von 7,5 Milliarden DM gegenfinanziert werden sollen. Der F.D.P. ist das Gemeinwohl gleichgültig. Ob die Staatskasse und die sozialen Sicherungssysteme zusammenbrechen, spielt keine Rolle, Hauptsache Steuersenkung. Die F.D.P. blockiert im Vermittlungsausschuß jede Einigung, ({14}) weil sie nur das eine Thema kennt: nichts mehr von Liberalität, nichts mehr von Gerechtigkeit, nichts mehr von Rechtsstaatlichkeit, nur noch Steuersenkung. ({15}) Volkspartei CDU/CSU, mach dich frei von der EinPunkt-Partei! Kommen Sie - ich sage es noch einmal - mit dem Vorschlag Wolfgang Schäubles in den Vermittlungsausschuß, und wir einigen uns. ({16})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Johannes Selle.

Johannes Selle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002798, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grund, weshalb es ein solches Ringen um die Lohnnebenkosten gibt, ist unsere schwierige wirtschaftliche Lage, begleitet von hoher und steigender Arbeitslosigkeit. Ich vertrete eine Region mit einer Arbeitslosenquote von weit über 20 bis 27 Prozent, nicht gerechnet, was im zweiten Arbeitsmarkt abgefangen wird. Wir machen die sehr leidvolle Erfahrung: Die neuen Bundesländer besitzen die interessantesten Investitionsstandorte, aber leider ist Deutschland kein interessanter Investitionsstandort mehr. Deshalb bleibt die wirtschaftliche Entwicklung hinter den Erwartungen zurück. Zwei Ursachen, nämlich Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge, sind unstrittig. Wenn wir eine Möglichkeit sehen, die Beiträge zu senken, dann müssen wir das tun. Das ist unsere Pflicht als Abgeordnete. Dabei trägt die Opposition nicht weniger Verantwortung; denn ohne Ihre Zustimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, geht es nicht. ({0}) Sich zurückzulehnen, gelassen neue Vorschläge zu verlangen und steigende Zustimmung in den Umfragewerten zu genießen, kann jetzt nicht mehr genügen. Es dürfte logisch sein, daß Geld über Steuererhöhungen zu beschaffen, die letzte Maßnahme sein darf, die erst unausweichlich sein muß, bevor sie angewendet wird. Logisch ist, daß es falsch ist, einen Fehler bzw. eine Schwäche in der Ausgabenstruktur nicht zu korrigieren. Die dadurch weiter steigenden Ausgaben und damit steigenden Beiträge wären wieder durch Steuererhöhungen abzufangen - eine unsinnige Spirale. Die Koalition hat einen Vorschlag zur Strukturreform der Rentenversicherung gemacht. Den kann man kritisieren, aber richtig bleibt: Eine Strukturreform muß sein. Hier muß vordringlich eine Lösung her. Eine kurzfristige Entlastung bringt dies aber nicht. Deshalb geht es heute leider um Geldbeschaffung. Bei der Geldbeschaffung über Steuererhöhungen sollten wir aber das Ziel im Auge behalten - um es nicht zu verfehlen -, das darin besteht, Investitionen nicht zu behindern. Ungeeignet ist eine Erhöhung der Mineralölsteuer, weil die Kostenerhöhung direkt zu einer Belastung der Betriebe führt. Das ist nicht unser Ziel. ({1}) Frau Matthäus-Maier, Sie haben gestern die Anhebung der Mineralölsteuer als Einstieg in die ökologische Steuerreform begrüßt. ({2}) Ich möchte es bei drei Aspekten belassen. Es ist unlogisch, mit der ökologischen Steuerreform höhere EinJohannes Selle nahmeerwartungen zu verbinden; denn dann gehen Sie davon aus, daß der Verbrauch gleich bleibt. Dies ist ökologisch ein Null-Effekt. ({3}) Was sagen die Verfechter der ökologischen Steuerreform dem kleinen Mann - den auch Sie vertreten -, dem wir heute zumuten müssen, Arbeit im Umkreis von 80 Kilometern aufzunehmen? Aus der dritten öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zur ökologischen Steuerreform vom April 1996 konnten wir die Aussagen mitnehmen: Im Prinzip möglich! Jetzt keinen Alleingang! Weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit wahrscheinlich! Eine Mineralölsteuererhöhung ist nach meiner Meinung keine gute Lösung. Die Menschen erwarten, daß wir handeln. Das heißt für mich, den Konsens zu suchen, solange guter Wille vorhanden ist. Guter Wille bedeutet, Entgegenkommen zu zeigen. Guter Wille bedeutet aber auch, von seinem Verhandlungspartner nicht eine vollständige Richtungsänderung zu erwarten. Wenn wir mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, einen Schritt weiterkommen und dem Land ein Zeichen der Hoffnung geben wollen, dann sollten wir mit Ihnen über eine nicht wesentliche Erhöhung der Mineralölsteuer reden. ({4})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Struck.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dieser Debatte habe ich eines gelernt - bisher jedenfalls -: Die Worte und öffentlichen Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der größten Fraktion im Deutschen Bundestag sind nicht mehr ernst zu nehmen. ({0}) Ich bitte Sie, Herr Kollege Repnik, das dem Herrn Fraktionsvorsitzenden mitzuteilen. Ich glaube nicht, daß sich mein Fraktionsvorsitzender, Rudolf Scharping, noch wie bisher darauf verlasssen kann, daß Angebote, die Herr Schäuble - wo auch immer - unterbreitet, auch wirklich Angebote der CDU/CSU- Fraktion sind. ({1}) Das, was heute passiert ist, zeigt eines: Herr Schäuble hat nicht mehr den Rückhalt der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. ({2}) Er hat auch nicht den Rückhalt der Bundesregierung. Denn was sich Herr Hauser als Vertreter der Bundesregierung heute erlaubt hat, war ein totaler Verriß der Vorschläge von Herrn Schäuble. ({3}) Man muß einmal fragen: Wer bestimmt eigentlich die Richtung der Politik der Koalition? Offenbar nur einer - ich meine den Bundeskanzler -, der sogar seinen Fraktionsvorsitzenden alleine läßt. Und Sie von dieser „Drei-Pünktchen-Partei", die inzwischen bei jeder Landtagswahl mit drei Prozent aus den Landtagen. fliegt, setzen sich gegen einen ausnahmsweise einmal vernünftigen Vorschlag von Herrn Schäuble durch. Das wollen wir einmal feststellen. ({4}) - Die Vorschläge von Herrn Schäuble können wir nach dem, was Sie uns heute erzählt haben, vergessen. Ich nehme sie nicht mehr ernst. ({5}) Ich will Ihnen etwas zur Sitzung des Vermittlungsausschusses morgen sagen. Die SPD hat im Vermittlungsausschuß im August und in der letzten Sitzung - ({6}) - Wir werden Ihnen das morgen schon ordnungsgemäß vortragen. Es wird dann einen amtierenden Verhandlungsführer geben; der spricht übrigens gerade zu Ihnen. Sie wissen das. Wir werden das Angebot vorlegen, das Sie kennen, Herr Repnik. Das Angebot lautet: Wir erhöhen die Mineralölsteuer nicht um 15 Pfennig. Das ist zu viel. Es ist in der Tat ein Argument, auch an die Pendler zu denken. Wir erhöhen die Mineralölsteuer in bescheidenem Umfang. Wir senken die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung. Wir nehmen die versicherungsfremden Leistungen heraus. Wir greifen den Vorschlag von Herrn Blüm auf und senken damit die Lohnnebenkosten. Stimmen Sie dem gefälligst zu! Dann können wir wenigstens etwas erreichen, Herr Kollege Repnik. ({7}) Ziehen Sie sich verdammt noch mal nicht immer darauf zurück, daß Sie Gesamtpakete haben wollen: Peter Rauen hat das wieder gesagt; Herr Friedhoff hat allgemein formuliert, man müsse alles zusammen machen. Sie wissen ganz genau: Die SPD trägt eine sogenannte Steuerreform, die unsozial ist und Großverdiener unverhältnismäßig ent- und zum Beispiel Krankenschwestern unverhältnismäßig belastet, nicht mit. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! ({8}) - Und Sie, verehrter Herr Michelbach, Sie sollten sich einmal eines merken: Wenn Ihnen klar ist, daß Ihre Vorstellungen nicht durchsetzbar sind, weil sie die Zustimmung des Bundesrates brauchen - das ist Ihnen inzwischen doch wohl klargeworden; selbst wenn Sie nicht im Vermittlungsausschuß sitzen, können Sie ja vielleicht Zeitung lesen -, dann müssen Sie eben kompromißbereit sein. Sie sind überhaupt nicht kompromißbereit. Deshalb werden wir unsere politischen Vorstellungen morgen durchsetzen. ({9})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Norbert Schindler.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Struck, gestatten Sie mir das erste Wort an Sie. Dem Fraktionsvorsitzenden unserer Fraktion steht das Recht zu, Ideen zu entwickeln - es war nämlich kein Angebot. ({0}) Weh tut es, wenn Sie seine Glaubwürdigkeit und die Unterstützungsbereitschaft unserer Fraktion so ad absurdum führen wollen. Aber weh tat es auch - es tut mir leid, Herr Struck -, wie nach dem Mannheimer Parteitag in Ihrer Partei mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden umgegangen wurde. ({1}) Ich will das ja nur noch einmal in Erinnerung rufen, es wäre eigentlich gar nicht notwendig. ({2}) Wir fragen uns schon, wenn wir aus unserer Sicht Ideen entwickeln, wo denn, wie zum Beispiel bei der Steuerreform, Ihre Konzepte bleiben. ({3}) Bei jedem Angebot von uns setzt Lafontaine Pflöcke von hinten entgegen. Ein Aufeinanderzugehen findet nicht statt. Daß dieses bei der Hamburger Wahl abgestraft wurde, ist wohl deutlich. Unser Wachstums- und Beschäftigungsprogramm zeigt ja Wirkung: Wir haben ein Wachstum von 2,5 Prozent. Wie haben Sie sich dagegen gewehrt? Alles njet. Die Zunahme der Beschäftigung ist eine logische Folge, die bei 3 Prozent Wachstum im nächsten Jahr todsicher kommt. ({4}) In einem Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung" von vor einigen Wochen konnten Sie, meine Damen und Herren, lesen, daß dort festgestellt wurde - ich wußte es ja schon länger -: Die wahren Reaktionäre unserer Gesellschaft stehen links. ({5}) Besitzstandsdenken, das Beharren auf Privilegien und möglichst nicht mehr auf die Straße zu gehen können keine Antwort auf zukünftige Fragen wie die Rentenreform sein. Die Demoskopie zeigt uns auf - und auch die Bevölkerung draußen sagt es uns allerorten - daß wir etwas tun müssen. Es ist nur ehrlich, vernünftig und konsequent, die Strukturreform der Rente genauso offen anzusprechen und zu beschließen. Diese Ehrlichkeit erwartet jeder draußen von uns. Auf die Frage: „Seid ihr bereit, weniger absolute Rentensteigerung hinzunehmen, damit eure Kinder und Enkel nicht mehr durch so hohe Beiträge belastet werden?" erhält man von jeder Oma und jedem Opa überall draußen sofort Zustimmung. Sie aber reduzieren dieses Thema auf Neidkampagnen. ({6}) - Wir brauchen aber für eine Gegenfinanzierung über die Mehrwertsteuer die Zustimmung des Bundesrates. Das weiß doch jeder. Wie Sie sich dabei verhalten, indem sie die Pflöcke nach hinten setzen, habe ich doch eben erwähnt. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hätten ja die Chance. Gehen Sie darauf doch einmal massiv ein! ({7}) Bekennen Sie morgen abend Farbe! Sagen Sie uns dann, wie „Butter bei die Fische" bei Ihnen aussieht, nicht nur in Hamburg, sondern auch hier in Bonn, wo die Richtung der Politik entscheidend festgelegt wird. Es wäre eigentlich vernünftig, gerade die Wahlergebnisse in Hamburg als Mahnung zu betrachten: Absolut haben die Stimmen für die Rechten nicht zugenommen, aber daß die Rechten beinahe gerade auch noch mit ihrem Rechtsausleger, eigentlich einem Nazinachfolger, in die Bürgerschaft hineingekommen wären, ist schlimm genug. Das sollte uns alle mahnen, in den wichtigsten Bereichen von parteitaktischem Denken über wenige Stunden abzusehen. Deswegen mein Appell an Sie: Helfen Sie, damit in Deutschland auch über das Jahr 2000 für alle sozialen Brennpunkte Mittel zur Verfügung stehen und wir unsere Politik ehrlich vor unseren Bürgerinnen und Bürgern verantworten können. Ich danke Ihnen. ({8})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. September 1997, 9 Uhr ein.