Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/6/1997

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf den Drucksachen 13/7848 und 13/7849 zu erweitern, die im Anschluß an die Agrardebatte aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 9 und 10 auf: ZP9 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern - Drucksache 13/7792 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({0}) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO ZP10 Beratung des Antrags des Abgeordneten Werner Schulz ({1}) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufbau Ost braucht langen Atem - Drucksache 13/7789 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft ({2}) Finanzausschuß Haushaltsausschuß Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Krüger.

Dr. Paul Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

({0}) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft, um die es in der heutigen Debatte geht, befinden wir uns derzeit - so kann man wohl sagen - an einem Wendepunkt. Im Mittelpunkt der ersten Hälfte des Aufbaus in den neuen Ländern stand als Schwerpunkt der Strukturwandel. Hier haben wir mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur - wir haben allein 11 000 Kilometer Straße und Schiene aus- und neu gebaut -, mit dem Aufbau der Telekommunikationsnetze - wir haben heute die modernsten Telekommunikationsnetze der Welt in den neuen Bundesländern - und ({1}) mit dem beginnenden Ausbau der Ver- und Entsorgungsnetze - ich denke hier insbesondere an das Riesenproblem Abwasserbereich - viel erreicht; aber viel bleibt noch zu tun. Wir haben mit der Umstrukturierung und Privatisierung von Unternehmen begonnen und sind hier weit vorangekommen. Wir haben enorm viele Existenzgründungen initiiert. Es gab im Saldo allein 550 000 neue ostdeutsche Unternehmen. Wir haben mit dem Wohnungsneubau und mit der Sanierung und Modernisierung von Wohnungen begonnen. Wir haben nicht zuletzt im Bereich der Umweltsanierung enorme Fortschritte erreicht. Angesichts dieser für alle sichtbaren, guten Entwicklung wird gelegentlich die Notwendigkeit einer weiteren Förderung in den neuen Bundesländern hinterfragt oder von einigen Kollegen sogar bestritten. Dabei wird immer wieder übersehen, bewußt oder unbewußt, daß es neben all den Fortschritten, die wir erreicht haben, natürlich eine Reihe von Problemen gibt. Nach wie vor haben wir eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit. Die aktuelle Situation gebietet Aufmerksamkeit, weil das Wachstum in den neuen BundesDr.-Ing. Paul Krüger ländern zu stagnieren beginnt. Wir sind noch weit weg von einem selbsttragenden Aufschwung, was insbesondere durch die sehr geringe Eigenleistungsquote dokumentiert wird. Wir haben eine Differenz von allein 200 Milliarden DM zwischen Güterherstellung und Verbrauch in den neuen Bundesländern. Ich denke, das ist eine der alarmierendsten Zahlen, die wir uns vor Augen führen müssen. Insbesondere haben wir viel zu wenige Unternehmen, die das, was in den neuen Bundesländern verbraucht wird, dort produzieren; aber noch viel weniger Unternehmen gibt es derzeit, die in den neuen Bundesländern etwas produzieren, was in anderen Regionen gekauft und verbraucht wird. Das heißt, wir brauchen mehr Exportkraft in den neuen Ländern. Hierauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit ganz besonders konzentrieren. Hinzu kommt, daß gerade bei den Unternehmen, die überregional absetzen, die Eigenkapitalsituation besonders schwierig ist und daß wir häufig fehlende Liquidität in den Unternehmen und eine schlechte Zahlungsmoral beklagen müssen. Wir versuchen hier gegenzusteuern. Trotzdem ist es uns nicht immer gelungen, Insolvenzen zu verhindern. Das Defizit betrifft vor allem das verarbeitende Gewerbe, also den Bereich der Industrie, und den Bereich der wertschöpfenden Dienstleistungen. Hier haben wir noch riesige Reserven. Dieses Problem haben wir bereits seit langem erkannt. Bereits im Jahre 1995 haben wir mit dem Jahressteuergesetz 1996 ganz entscheidende Weichenstellungen insbesondere zugunsten des verarbeitenden Gewerbes vorgenommen, und wir können heute konstatieren, daß wir in der Industrie und auch bei den Dienstleistungen in den Jahren 1996 und 1997 immer noch Wachstumsraten von ca. 6 Prozent haben. Ich finde, das ist ein großer Erfolg, der unserer Politik recht gibt. ({2}) Das konjunkturelle Hauptproblem der gegenwärtigen Zeit ist allerdings die Baukonjunktur, die Auftragssituation im Bauwesen - und das, obwohl noch ein enormer Bedarf insbesondere bei der Sanierung und der Modernisierung von Wohnungen und bei der Schaffung von Wohneigentum besteht. Nach unseren Schätzungen haben wir allein im Bereich der Modernisierung und Sanierung von Wohnungen einen Bedarf von etwa 280 Milliarden DM. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, für die zweite Hälfte des Aufbaus in den neuen Ländern besonders die Konsolidierung und das Wachstum von Unternehmen in den Blickpunkt zu nehmen. Genau hier setzt das Förderkonzept mit dem vorliegenden Gesetzentwurf an. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß die Förderung auch nach 1989 auf sehr hohem Niveau weitergeführt wird, jedoch haben wir das Instrumentarium der Förderung beträchtlich umgestellt. Wir gehen jetzt von der Sonder-AfA, die wir bisher in den Blickpunkt der Förderung gestellt haben, ab und hin zu Investitionszulagen, und wir werden uns weiter verstärkt auf das verarbeitende Gewerbe, also auf die Industrie, und auf die produktionsnahen Dienstleistungen konzentrieren, weil das zukünftig die eigentlichen Wachstumsbereiche in den neuen Ländern sein müssen. Im Förderkonzept wird besonderes Augenmerk auf die Förderung des Mittelstandes gelegt. Hier gehen wir zum Teil mit einer doppelt so hohen Förderquote heran, um nach wie vor den Mittelstand besonders aufzubauen und zu konsolidieren. Die Förderung im Baubereich konzentriert sich auf die Modernisierung und Sanierung von Wohnraum, insbesondere auf den Wohnungsneubau in Städten, weil hier mit erheblichen Mehrkosten gearbeitet werden muß. Daneben läuft natürlich die Wohneigentumsförderung in den neuen Bundesländern wie bisher auf hohem Niveau weiter und zeigt auch bereits eine sehr gute Entwicklung. ({3}) Investitionszulagen kommen besonders den wirtschaftlich Aktiven vor Ort zugute. Sie wirken unabhängig von der Ertragssituation. Es besteht ein rechtlicher Anspruch für den, der investiert. Die Investitionszulagen wirken damit in hohem Maße eigenkapitalverstärkend, was gerade in der momentanen Situation besonders wichtig ist. Wir wollen deshalb mit Investitionszulagen die Investitionen weiterhin direkt und zeitnah fördern. Das kommt besonders den Menschen mit einer ostdeutschen Biographie zugute, die bei 550 000 neuen Unternehmen immer noch die Masse der Unternehmer in den neuen Ländern ausmachen. Ich glaube, daß ist ein ganz besonders wichtiger Punkt in unserem Förderkonzept. Wichtig ist auch, daß der vorliegende Gesetzentwurf langfristige Berechenbarkeit schafft und eine Kontinuität auf sechs Jahre sichert. Er schafft damit auch eine hohe Planungssicherheit für die Unternehmen. Diese neue Förderung, meine Damen und Herren, ist eine Förderung mit Augenmaß. Sie ist auf das Notwendigste konzentriert, aber sie gibt genau die Impulse, die wir in Ostdeutschland jetzt brauchen. Deshalb begrüße ich es, daß dieses Konzept mittlerweile auch von Teilen der Opposition mitgetragen wird und auf konstruktive Resonanz stößt. Auch der Entwurf, der heute im Bundesrat behandelt wird - er ist mit unserem Konzept fast deckungsgleich -, zeigt diese Entwicklung. Ich hoffe, daß wir mit den zusätzlichen Punkten, die wir in unserem Programm haben, Zustimmung finden werden. Wir haben Investitionszulagen auch für den Leasingbereich hineingenommen, weiterhin eine Förderung im Mietwohnungsneubau für den Lückenschluß in Innenstädten sowie höhere Zulagen für die Sanierung von Wohnraum und natürlich auch die Förderung für den gesamten Bereich des Handwerks und des Handels vorgesehen. Insofern liegen wir besser als das Konzept, das heute im Bundesrat behandelt wird. Ich hoffe, daß wir, weil wir eine große Annäherung erreicht haben, insgesamt davon ausgehen können, daß wir dieses Gesetz erfolgreich verabschieden werden. ({4}) Wir bedauern, daß es uns nicht gelungen ist, der Innovationsförderung in diesem Gesetz stärker Berücksichtigung zukommen zu lassen und damit auf eines der größten Probleme in den neuen Ländern einzugehen. Ich hätte mir das gewünscht. Wir müssen an dieser Stelle noch weiterarbeiten. Ich muß auch sagen, daß insbesondere die Finanzminister der SPD-regierten neuen Länder die Innovationszulage, die wir seit langem befürworten, abgelehnt haben. Ich wünsche mir, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, daß wir an diesem Punkt weiterarbeiten - mit der Bundesregierung haben wir das bereits vereinbart - und daß wir zu einem Konsens finden. Dieser Bereich ist sehr wichtig, ebenso wie es neue Ansätze im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung in den neuen Bundesländern für neue Unternehmen sind, wenn wir auf Dauer Wachstum sichern wollen. Das Konzept, das wir heute vorstellen, ist das Kernstück der gemeinsamen Initiative für mehr Arbeitsplätze in Deutschland. Ich glaube, dieses Bündnis ist beispielgebend für Gesamtdeutschland. Deshalb appelliere ich an alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltungen, in Unternehmen und Verbänden, für die Zukunft der neuen Bundesländer, insbesondere aber auch für die Zukunft Deutschlands jetzt schnell und entschlossen zu handeln. Vielen Dank. ({5})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort für den Bundesrat dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Manfred Stolpe. Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Aufbau Ostdeutschlands ist unsere wichtigste nationale Aufgabe. Ich denke, da werden alle in diesem Hause zustimmen können. ({1}) Sie zu lösen entscheidet über die Chancen der kommenden Generation, über die sozialen und demokratischen Grundlagen unserer Republik im Osten wie im Westen. Der Aufbau Ostdeutschlands hat wirtschaftspolitische Priorität. Dieser Vorrang wird uns auch in den kommenden Jahren verpflichten. Mit dieser Aussage greife ich Worte des Bundeskanzlers bei der feierlichen Einführung des neuen Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder auf. ({2}) Ich füge hinzu: Der Aufbau Ostdeutschlands verpflichtet uns, nicht nur Gutes zu bekennen, sondern auch das Nötige zu tun. Die Menschen nehmen uns in die Pflicht. ({3}) Die Menschen erwarten sofortiges und energisches Handeln; denn Aufbau Ost heißt Aufbau jetzt. Aufbau Ost heißt Aufbau mit Ausdauer und Weitblick. Die Wankelmütigen werden nichts erreichen, die Unklugen die Chancen verspielen und die Engherzigen das große Geschenk der deutschen Vereinigung gefährden. Wer aber beharrlich dabeibleibt, den belohnt das Leben. Wer den Aufbau Ostdeutschlands unbeirrt fördert, wird die innere Einheit vollenden. Dieses Ziel ist der Maßstab, wenn wir über die Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung der neuen Länder sprechen, ein Maßstab, den die ostdeutschen Länder gemeinsam einfordern, und ein Ziel, für das Sozialdemokraten und Gewerkschaften weitgehend Kooperationswillen bewiesen haben. In einer wohl beispiellosen Anstrengung haben wir in den vergangenen sieben Jahren das gesamte System von Wirtschaft, Politik und Verwaltung in den neuen Ländern umgestaltet. ({4}) Die Menschen in Ostdeutschland haben zugepackt und Lasten getragen. Beispiellos war auch die Solidarität, die uns aus dem Westen entgegengebracht wurde. Aber 1995 ist der Aufschwung Ost ins Stocken geraten. Die Bundesregierung, der Sachverständigenrat und die wirtschaftswissenschaftlichen Institute kennen diesen Trend. Sie erwarten, daß sich das Gefälle zwischen West und Ost weiter vergrößert. Die Arbeitslosigkeit ist auf einen Höchstwert gestiegen. In dieser angespannten Lage müssen sich die Menschen in Ostdeutschland auch noch gegen eine vollständig destruktive und - verzeihen Sie - ausgesprochen dumme Stimmungsmache zur Wehr setzen. Mit dem Schreckwort „Bruttotransfer" werden unglaubliche Zahlen in Umlauf gebracht, die die Subventionsleistungen für Ostdeutschland beziffern sollen. Eifrig werden Bundesleistungen zusammengezählt, die regelgerecht in alle Länder fließen und tatsächlich durch nichts Geringeres als die grundgesetzlichen Finanzbeziehungen des Bundes und der Länder sowie die Zuständigkeiten des Bundes in unserem föderalen System bezeichnet sind. ({5}) Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Wenn die Eltern eines Kindes, das in Bayern geboren wird, Kindergeld erhalten, ist das selbstverständlich und richtigerweise eine sozialstaatliche Leistung. Ein Kind in Sachsen oder Brandenburg hingegen wird zum Fall einer Transferzahlung für den Osten mitgerechnet. Im gesamten Feld der Bundeszuschüsse für die neuen Länder trifft man auf Heuchelei. Umverteilungsvorgänge und Begünstigungen gab und gibt es auch in den alten Bundesländern. Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe ({6}) Der Süden der Republik hat in beträchtlichem Milliardenumfang und über Jahrzehnte hinweg von Strukturhilfen profitiert und damit seine Wirtschaft modernisiert. Ich stelle diesen Aufbau Süd nicht in Frage. Im Gegenteil: Der Erfolg dieser Länder beim Strukturwandel ist ein Erfolg der konsequenten und langfristig angelegten Förder- und Investitionspolitik. Von diesem Erfolg sollten wir für den Aufbau Ost lernen. Die Bundesregierung hat ihr Förderkonzept für Ostdeutschland nun als Gesetzentwurf eingebracht. Ich begrüße dies, weil es die Auseinandersetzung um den richtigen Weg auf die parlamentarische Ebene hebt und die Sachdiskussion beschleunigt. Wie Sie wissen, haben die neuen Länder dazu ihre eigenen Vorstellungen in einem gemeinsamen Gesetzentwurf konkretisiert. Unbeschadet der Beratungen im Bundestag bringen wir heute unseren Länderentwurf im Bundesrat ein. Diese gemeinsame Initiative ist unverändert notwendig, da im vorliegenden Entwurf der Bundesregierung Schwachstellen bleiben. Es ist unverzichtbar, die Aufbauhilfen für die ostdeutsche Wirtschaft insgesamt, aber mit verschiedenen, jeweils sachgemäß gestalteten Förderinstrumenten in vollem Umfang fortzusetzen. In diesem Rahmen wollen wir zielgenauer vorgehen und uns auf das verarbeitende Gewerbe konzentrieren. Vorrang hat die offensive Förderung von Investitionen; denn die Höhe und die Qualität der Investitionen sind Dreh- und Angelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung. Deshalb können wir der von der Bundesregierung vorgelegten degressiven Ausgestaltung eines Teils der Förderinstrumente nicht zustimmen. Uns kommt es vielmehr darauf an, eine wirklich verläßliche Grundlage für Investitionsentscheidungen zu schaffen. ({7}) Dies erreicht man nicht, wenn schon heute über Kürzungen von morgen gestritten wird. Den langfristig kalkulierenden Unternehmern muß ausreichende Planungssicherheit gegeben werden. Wir stimmen zu, wenn die Bundesregierung die Investitionszulagenförderung breit einsetzen will. Ein völliger Wegfall der Sonderabschreibungsmöglichkeit ist nach unserer Überzeugung nicht sinnvoll und nicht hinzunehmen. Wir brauchen im Bereich der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Mietwohnungsbaubestand die Möglichkeit der Sonderabschreibung, die für den Investor einen höheren Anreiz darstellt. Unser Vorschlag zielt darauf, daß eine Verstetigung der Förderung auf heutigem Niveau gesichert ist. Entscheidend bleibt, daß wir Förderinstrumente bereitstellen, die mehr Investivkapital anlocken. ({8}) Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie zu ihrem Bekenntnis steht, dem Aufbau Ostdeutschlands auch für die kommenden Jahre Priorität zu geben. Lassen Sie uns zu Ergebnissen kommen. Die Menschen in Deutschland sollten einmal erleben können, daß Politik in wirklich wichtigen Fragen handlungsfähig ist. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe dem Abgeordneten Werner Schulz das Wort.

Werner Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002108, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern waren die Feiern zum 50. Jahrestag des Marshallplans. Das ist sicher ein Anlaß, zurückzuschauen, denn dieses Datum markiert eigentlich auch den Beginn einer dramatischen Auseinanderentwicklung zwischen West und Ost. Während der Westen massive amerikanische Aufbauhilfe bekommen hat, Wirtschaftswachstum, Wohlstand und das sogenannte Wirtschaftswunder erlebt hat, mußte der Osten Reparationen bezahlen, hat seine erste Deindustrialisierung in der Nachkriegsgeschichte erlebt und war durch Knebelverträge in seiner gesamten Existenz eigentlich an die Sowjetunion und den RGW gebunden. Eine weitere Fehlentwicklung der Wirtschaft wurde durch die SED hinzugefügt. Nach der Wirtschafts- und Währungsunion und auch durch eine verfehlte Treuhandpolitik, die Privatisierung vor Sanierung gesetzt hat, hat der Osten seine zweite Deindustrialisierung in der Nachkriegsgeschichte erlebt. Heute gibt es eben keine Mauer in den Köpfen, wie das Institut für Marktforschung in Leipzig diese Woche festgestellt hat, sondern eher eine Vermögensgrenze, die zwischen Ost und West verläuft. Aus der Sicht des Produktionsvermögens gehört der Osten heute eigentlich dem Westen; dies erkennt man, wenn man es sich genau anschaut. Das hat jedoch nicht dazu geführt, daß im Osten die entsprechenden Aufbaueffekte zustande gekommen wären. Es ist sicherlich einiges geschehen. Das hat Kollege Krüger hier betont, und das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Aber Sie kennen auf der anderen Seite die Probleme. Sie sind einschneidend. Ich bezweifle, daß hier bereits der Rohbau eines tragfähigen, eines guten Wirtschaftsgebäudes vorhanden ist, wie Sie das behaupten, Herr Huber, sondern ich glaube eher, daß die wirtschaftliche Basis, das Fundament des Ostens, noch immer sehr schwach ist, wir noch immer darauf angewiesen sind, den Osten zu fördern. Jedenfalls sollten wir uns diese Stichworte vor Augen führen, wenn wir heute über die Notwendigkeit und Dauer und auch die Schwerpunkte der Ostförderung sprechen. Wir hätten eigentlich Wachstumsraten um 10 Prozent gebraucht. Sie wissen das alle. Das ist ausgeblieben, und im Moment laufen wir sogar Gefahr, daß das Wachstum im Osten hinter dem Wachstum des Westen zurückbleibt. Das heißt, der Aufholprozeß Ost findet eigentlich nicht statt. Werner Schulz ({0}) Nun liegt uns heute der offenbar mühsam ausgehandelte Kompromiß über die Fortschreibung der Ostförderung auf dem Tisch. Ich nehme an, das ist offenbar der Preis für die Zustimmung der ostdeutschen Unionsabgeordneten für die Absenkung des Soli-Beitrags. Einerseits muß ich sagen, daß die Streichung steuerlicher Sonderabschreibungen und die Konzentration auf Investitionszulagen vor allen Dingen im verarbeitenden Gewerbe, bei der produktionsnahen Dienstleistung sowie für die Sanierung und Modernisierung im Wohnungsbau die eigentlich schon lange bestehenden Schwachpunkte in der Ostförderung beseitigt. Wir sind andererseits aber der Auffassung, daß die Fördermittel von 5,7 Milliarden DM viel zu gering sind. Das sagt auch eine Erfassung im Hause des Wirtschaftsministers, die einen Subventionswert von eigentlich 6,8 Milliarden DM bei der bisherigen Ostförderung ausweist. Das heißt, bei der Neustrukturierung der Ostförderung ist einfach so nebenbei eine kleine Milliarde für die Haushaltssanierung abgefallen. Vielleicht muß man hier auch das feststellen. Ich habe mir am 22. Mai im Berliner Roten Rathaus die groß angekündigte Initiative für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland angeschaut - sicherlich eine wichtige Sache. Aber, Ministerpräsident Stolpe, Sie werden erlauben - wir haben das beide erlebt -, daß ich sage: Mir kam diese ganze Veranstaltung ein bißchen so vor wie in den Endzügen der DDR, als mit großem Bahnhof und Getöse eine Regierung, die eigentlich am Ende war, den Mikrochip präsentiert hat. Was Sie dort gemacht haben, war der begehbare Mikrochip. ({1}) Denn obwohl der Bundeskanzler so vollmundig mit der Zahl von 100 000 neuen Arbeitsplätzen ab 1998 hantiert hat, hat er nebenbei auch das Eingeständnis gebracht, daß er eigentlich seine Zielsetzung, die Halbierung der Arbeitslosigkeit, reduziert hat. Von der Halbierung der Arbeitslosigkeit zur Halbierung der Zielsetzung! Denn wenn wir die Arbeitslosigkeit wirklich auf die Hälfte reduzieren wollten, müßten wir mindestens 200 000 Arbeitsplätze pro Jahr schaffen. Selbst die hunderttausend sind noch zweifelhaft. Denn als konkret danach gefragt worden ist, wo sie entstehen werden, in welchen Branchen, welchen Berufen, und welche Aussichten es gibt, sagte der Wirtschaftsminister auf der Pressekonferenz wörtlich, es sei objektiv nicht möglich, die Zahl an Arbeitsplätzen zu beziffern. Koalitionsinterne Differenzen gibt es also offenbar nicht nur in der Steuerpolitik, sondern auch bei den Verkündungen und Offenbarungen dieser Regierung. Das Stärkste an dieser Gemeinschaftsinitiative war sicherlich der Überraschungseffekt. Dennoch sagt das viel mehr über die Beharrlichkeit der Gewerkschaften in diesem Land aus, also über den konstruktiven Beitrag, den momentan der DGB und vor allen Dingen sein Vorsitzender leisten. Denn Herr Schulte hat es fertiggebracht, das eigentlich aufgekündigte Bündnis für Arbeit zumindest als ein Bündnis für Arbeit Ost noch einmal zu beleben, auch wenn das hier eine Leichtvariante ist. Er hat sich beweglich gezeigt, was die Flächentarife anbelangt. Das ist sicherlich auch eine Schrittmacherposition, die er hier einnimmt. Wir haben gesehen, daß es zum Beispiel bei der IG Chemie bereits Wirkungen gibt. So notwendig es ist, die Lohnpolitik auf die Probleme im Osten zuzuschneiden: Die Senkung der hohen Lohnstückkosten ist nicht allein über die Senkung der Lohnkosten oder gar Senkung der Löhne zu erreichen. Wir haben im Osten einfach zu hohe Betriebskosten. Den Betrieben werden die hohen Energiepreise aufgebürdet. Sie wissen: Durch das Energiewirtschaftsgesetz bzw. durch die Lex Veag haben wir die Situation, daß die Strompreise im Osten höher sind als im Westen. Wir haben die Situation, daß den Betrieben durch die Modernisierung der Infrastruktur auch diese Kosten angelastet werden, so daß es hier trotz moderner Infrastruktur eindeutige Standortnachteile gibt. Auch der Beitrag der Unternehmen zur Ostinitiative ist nicht überzeugend. Absatzförderung und Einkaufsinitiative können nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir im Osten vor allen Dingen Produkt- und Verfahrensinnovation brauchen, um mit anderen Betrieben, die eine wesentlich bessere Ausgangssituation haben, wettbewerbsfähig zu sein. Ich hoffe, daß sich die Einkaufsinitiative Ost künftig nicht darauf beschränkt, daß Radeberger Pils in den westlichen Betriebskantinen fließt, ({2}) sondern daß man künftig im Osten auch industrielle Güter entdeckt, weil diese mittlerweile auch hier mühsam produziert werden. ({3}) Unzureichend ist der Beitrag der Banken. Für kleine und mittelständische Unternehmen fehlt der so wichtige Risikokapitalmarkt und vor allen Dingen ein Existenzsicherungsprogramm. Denn nicht nur die Frage der Existenzgründung ist im Osten wichtig, sondern es geht vor allen Dingen auch um die Existenzgründer, die sich jetzt nach drei Jahren in einer Durststrecke befinden und denen eigentlich über die Klippen geholfen werden muß. Gefordert sind natürlich mehr als nur unverbindliche Zusagen bei Ausbildungsplätzen. Hier müssen wir uns gemeinsam anstrengen, um das auch vom Gesetzgeber her besser zu regeln. Immerhin hat die Regierung stillschweigend einige Kritikpunkte der Opposition übernommen. Darüber freut man sich. Es ist bei der Bauförderung so, daß wir von der Förderung von Büro- und Abschreibungsprojekten auf die Sanierung und Modernisierung beim Wohnungsbau kommen. ({4}) - Ja, schön. - Ich würde mich freuen, wenn hier nicht nur die Eigentümermodernisierung, sondern vielleicht auch die Mietermodernisierung gefördert werWerner Schulz ({5}) den könnte - denn gerade das ist eine Sache, in der der Osten relativ große Erfahrungen hat ({6}) und die Eigeninitiative auf diese Weise belebt werden könnte. Trotz positiver Tendenz bleibt festzuhalten: Die Mittel für den Aufbau Ost werden in den kommenden Jahren spärlicher fließen, nicht etwa, weil sich die wirtschaftliche Lage im Osten verbessert hat und man die Ostförderung einstellen könnte, sondern - da baue ich eigentlich auch auf Ihren Beitrag, Herr Finanzminister Huber aus Bayern - weil sich eine kleine Koalitionspartei den Luxus erlaubt, den Solidarbeitrag für den Osten ab 1998 zu senken. Ich muß Ihnen sagen - Ihr Kollege Glos hat da vollkommen recht gehabt -: Dieser Versuch der F.D.P., hier Kraft zu zeigen, gleicht wirklich dem Versuch eines Karpfens, sich an Land zu schmeißen. ({7}) Ich sage Ihnen eindeutig: Sie sollten sich davor hüten, den Soli-Beitrag als Futter für diesen Karpfenteich einzusetzen. Ich glaube, die Solidarität für den Osten ist ein wichtiges Signal, und die Senkung des Solidarbeitrages ist in dieser Situation, in der es weiterhin auf eine dauerhafte, stabile Ostförderung ankommt, das denkbar falscheste Signal. ({8})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Jürgen Türk.

Jürgen Türk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schulz, Ihr Antrag, den ich wirklich gründlich gelesen habe, ist tatsächlich kein ganz schlechter, aber offensichtlich interessiert das niemanden aus Ihrer Fraktion; sonst wären Ihre Kollegen heute morgen zahlreicher vertreten. ({0}) Außerdem habe ich mitbekommen, daß Sie auch für Steuersenkungen eintreten. Der Solidarbeitrag ist eine Steuer, und wir müssen endlich einmal konsequent sein und mit Steuersenkungen beginnen, statt den Leuten nur etwas vorzumachen. ({1}) Als Cottbusser muß ich Ihnen sagen: Es kann kein besseres Beispiel dafür geben, was man alles mit Energie schaffen kann: ({2}) mit 3 : 1 den Aufstieg! Geben wir uns also auf dem Bonner Spielfeld endlich einen Ruck; dann sind der Aufschwung Ost und der Standort Deutschland insgesamt gerettet. ({3}) - Er kommt später. Es muß aufhören, daß die Politik ständig Eigentore schießt; das machen wir. Darum fragt bei Trainer Ede: Von Geyer lernen heißt siegen lernen. ({4}) Sein Erfolgsrezept lautet: gute Leute und Sponsoring. Somit wären wir beim Thema. Mit der Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung für die neuen Bundesländer nach 1998 bis zum Jahr 2004 geht es nicht um die Fortschreibung von Dauersubventionen, sondern weiterhin um den noch erforderlichen Handicapausgleich. Das ist ja ganz offensichtlich. Wenn wir die ostdeutsche Wirtschaft für Europa fit machen wollen, brauchen wir sowohl die Steuerreform als auch weitere Starthilfen. ({5}) Dabei ist und muß das Ziel sein, die Förderung noch effizienter zu gestalten und sich mehr auf kleine, mittlere und innovative Unternehmen zu konzentrieren, auf diejenigen nämlich, die wirklich Arbeitsplätze schaffen. ({6}) Dazu gehört auch die generelle Umstellung von AfA auf Investitionszulagen. Übrigens ist auch diese Forderung deckungsgleich mit derjenigen der Grünen, Herr Schulz. Für jährlich 5,76 Milliarden DM - das sind etwa 11 Milliarden DM AfA - soll unter anderem folgendes so verändert werden, daß es wirklich hilft: erstens die Erhöhung der allgemeinen Investitionszulage von 5 auf 10 Prozent, zweitens die Erhöhung der Mittelstandszulage von 10 auf 20 Prozent, also auf eine wirksame Größe, drittens die Verdopplung der Zulage für den kleinen innerstädtischen Einzelhandel - ich betone dies - als Nachteilsausgleich gegenüber den Großen und zur Belebung der Innenstädte. Vielleicht gelingt uns das noch. Darüber hinaus sollte über folgendes beraten werden. Erstens: Straffung des Förderweges. Der Investitionswillige braucht das Geld für die Investition und nicht erst danach. Zweitens. Besonders bei risikofreudigen Existenzgründern mit der Idee für ein neues Produkt muß unbürokratisch geholfen werden. Lassen Sie uns dafür das vorhandene ostdeutsche Netz von Technologiezentren nutzen. Diese Zentren müssen die Anlaufstellen für die Leute mit guten Ideen werden, das heißt den innovativen Existenzgründer von der Idee bis zum Produktabsatz begleiten, zum Beispiel durch erfahrene Akademiker und engagierte Hochschulabsolventen. Drittens. Die Fördermittelbürokratie sollte bei Existenzgründern mit bis zu 25 Mitarbeitern durch Selbstberechnung der Zulage und Verrechnung mit den Steuern abgebaut werden, denn es wird rasche Zahlungsfähigkeit benötigt. Viertens. Wir wissen, die Zahlungsmoral ist nach wie vor schlecht. Deshalb kann die Mehrwertsteuerentrichtung erst nach Zahlung erfolgen. Deshalb ist die jährliche Umsatzgrenze von 1 Million DM auf 5 Millionen DM zu erhöhen. Darüber müssen wir unbedingt sprechen. Fünftens. Da die Absatzförderung wichtig ist, sind die Markterschließungshilfen zu erhöhen. Sechstens. Existenzgründer scheitern vielfach schon an Boden- und Immobilienpreisen. Andererseits kosten seine Immobilien den Bund viel Geld für Verwaltung und Instandhaltung. Das sieht man überall. Deshalb fordere ich die verbilligte Abgabe der bundeseigenen Immobilien und Liegenschaften. ({7}) Siebentens und letztens. Es ist die Einrichtung grenzüberschreitender Modellregionen erforderlich, Herr Ministerpräsident. Denn über die EU-Erweiterung darf nicht immer nur gesprochen werden; jetzt muß die EU endlich etwas für das schrittweise Zusammenwachsen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten tun. Das bezieht sich natürlich auf die neue EU-Außengrenze. Durch die Einrichtung von Modellregionen können der Aufbau der strukturschwachen deutschen Grenzregionen und die organisierte, schrittweise Integration der potentiellen EU- Mitglieder Polen und Tschechien erreicht werden. Die experimentellen Erfahrungen können verallgemeinert und in ganz Deutschland genutzt werden. Schließlich möchte ich nicht versäumen, mich zu bedanken bei Herrn Dr. Ludewig und Herrn Dr. Rexrodt für den ständigen Kampf um den Aufbau Ost. ({8}) - Er wird dafür doch gleich den Beweis abgeben. Bei Herrn Rexrodt und Herrn Geil möchte ich mich im voraus für die zugesagte unvoreingenommene Prüfung der gerade gemachten Vorschläge der AG Aufbau Ost der F.D.P.-Fraktion bedanken. Vielen Dank. ({9})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Frau Dr. Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In die Elogen, die die Herren Krüger und Türk hier auf den Aufbau Ost und auf die erfolgreiche Politik der Bundesregierung in diesem Zusammenhang gesungen haben, kann ich leider überhaupt nicht einstimmen. ({0}) Denn die Menschen in den neuen Bundesländern messen doch den Erfolg der wirtschaftlichen Förderung nicht daran, wie viele Bürohochhäuser nun hochgezogen worden sind. ({1}) Es gibt wahrlich genügend, aber sie stehen zu einem großen Teil leer. Den Erfolg von wirtschaftlichen Fördermaßnahmen kann man auch nicht daran messen, wie hoch nun die Zahl von Ein-Mann- oder ZweiMann-Betrieben ist - es sind Hunderttausende -, wobei ich sagen muß, daß ich eine Riesenachtung vor den Menschen habe, die solche Existenzen gegründet haben. Leider sind diese Existenzen überhaupt nicht stabil. Die Hauptmaßstäbe für den Erfolg wirtschaftlicher Förderung müßten doch sein: Wie wird das Hauptübel im Osten - das ist es im übrigen ja auch im Westen -, nämlich die Massenarbeitslosigkeit, bekämpft? Da haben wir bisher keine Erfolge durch wirtschaftliche Förderung zu verzeichnen. Ein weiterer Maßstab ist: Wann wird die Ausbildungsplatzsituation für junge Leute endlich stabilisiert? In dieser Beziehung gibt es ein Riesenchaos; es gibt keine Fortschritte. Ein dritter Maßstab: Wird Vermögensbildung in der Hand ostdeutscher Bürgerinnen und Bürger gefördert, zum Beispiel auch über wirtschaftliche Fördermaßnahmen? In dieser Beziehung gibt es keine durchschlagenden Erfolge. Nein, meine Damen und Herren, Sie werden Ihre Politik in der Öffentlichkeit nicht als Erfolg verkaufen können, jedenfalls nicht in den neuen Bundesländern. Drei Dinge des vorgelegten Gesetzentwurfs halte ich in der Tendenz - wenn auch nicht im Maß - für richtig: die Konzentration der Wirtschaftsförderung auf das verarbeitende Gewerbe und auf produktionsnahe Dienstleistungen, auch eine Umlenkung von Sonderabschreibungen bis hin zu Investitionszulagen. Ich betone auch - wie das Ministerpräsident Stolpe schon getan hat -: Ein Ersatz des einen Instruments durch das andere wäre verfehlt. ({2}) Ich meine auch, daß es in der Tendenz richtig ist, einen mehrjährigen Förderhorizont anzustreben. Aber, Herr Krüger, ich denke, Sie sollten einem vier- bis sechsjährigen Förderhorizont nicht so ohne weiteres zustimmen. Denn so würde das wieder nur Flickwerk. Die Mindestförderungsdauer, die wir im Osten brauchen, darf sicherlich nicht unter zehn Jahren liegen. ({3}) Ich unterstütze ausdrücklich den Akzent, der im Antrag der Bündnisgrünen gesetzt worden ist. Unverständlich bleibt für mich auch, weshalb Sie mit einer Umlenkung von Sonderabschreibungen zu Investitionszulagen - wenn sie denn aus Ihrer Sicht so wichtig sind - bis zum Jahr 1999 warten. Sie können doch nicht immer sagen: Es gibt gültige Förderrahmen; wir können nicht in Gesetze eingreifen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, daß Sie, als es darum ging, kurzfristig das Sozialhilfegesetz oder das Renteneintrittsalter zu ändern, sehr wohl in Gesetze eingegriffen haben. Da hat es Ihnen nichts ausgemacht. Weshalb denn hier plötzlich diese Skrupel? ({4}) Ich glaube, wenn etwas richtig ist, dann sollte man es auch sofort tun. ({5}) Nun aber zu meinen grundsätzlichen Kritikpunkten. Wiederum, Herr Rexrodt, bleibt für Sie Wirtschaftsförderung Ersatz für Politik. Sie schreiben ihre im Osten längst gescheiterte neoliberale Denkweise einfach fort. Die Überschrift des Gesetzes lautet ja: „Gesetz zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern". Das suggeriert jedenfalls, daß Sie bei Ihrer alten Denkweise bleiben wollen. Es lassen sich jedoch die in den neuen Ländern durch Treuhandpraxis und wilde Konkurrenz entstandenen Fehlentwicklungen nicht allein mit Fördermitteln reparieren. Wie soll denn mit einem fast bis auf die Grasnarbe geschrumpften Forschungs- und Entwicklungspotential eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft entstehen? Auch Herr Krüger moniert, daß die Innovationsförderung zu kurz kommt, aber ich fürchte, er wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Wie soll denn in den neuen Ländern mit einem zweiprozentigen Anteil am gesamtdeutschen Export dort je der Motor anspringen, der in den alten Ländern für den einzigen Antrieb sorgt, nachdem die Binnennachfrage stagniert und teilweise sogar sinkt? Einen selbsttragenden Aufschwung werden Sie auf diese Weise nicht initiieren. Nun zum Fördervolumen: Ich erwarte von der Bundesregierung und von diesem Parlament, daß beide energisch dagegenhalten, wenn aus bestimmten Ecken immer wieder eine Stimmung hochgekocht wird, der Osten würde nur kosten, und die Förderung gehöre schnell zurückgeführt. Damit die Relationen einmal ins rechte Licht gerückt werden, möchte ich vor dem Hohen Hause einige Vergleiche anstellen: Sollte es bei den jetzt für das Jahr 1999 geplanten 5,7 Milliarden DM Fördermitteln, was ohnehin ein bescheidenes Volumen ist, bleiben - dabei ist im übrigen West-Berlin einbezogen, was ich auch für richtig halte -, dann wäre der äquivalente Steuerausfall für die öffentliche Hand geringer als das, was die Bundeswehr in jedem Jahr allein für Investitionen und Baumaßnahmen ausgibt. Im vergangenen Jahr waren das 5,9 Milliarden DM. Oder: 5,7 Milliarden DM für den Osten sind nicht viel mehr als das, was die Bundeswehr jährlich allein für Beschaffungen von Schiffen und Flugzeugen auf den Tisch legt. ({6}) Meine Damen und Herren, gemessen an solchen Objekten, sind die Gelder, die der Bund für die Wirtschaft im Osten Deutschlands vorsieht, nichts als Peanuts. Ein dritter Akzent: Ich kann einen direkten und engen Zusammenhang zwischen dem Gesetz zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung im Osten, das uns heute vorgelegt wird, und der vom Kanzler medienwirksam verkündeten neuen Initiative für ein Bündnis Ost leider nicht erkennen. Es scheint Ihnen von der Regierung und vielleicht auch einer ganzen Reihe von Koalitionsabgeordneten immer noch nicht gegenwärtig zu sein, wie die Unternehmenslandschaft und das sie prägende Umfeld in den neuen Bundesländern tatsächlich aussieht. Es gibt in den neuen Bundesländern - das ist wahr - Hunderttausende -550 000 wurden hier genannt - neue Unternehmen. Das sind in der Regel kleine und Kleinstunternehmen. Wir haben in den neuen Bundesländern noch 150 Unternehmen, die bis zu 1000 Beschäftigte haben, und wir haben 50 Unternehmen, die mehr als 1000 Menschen beschäftigen. Wie da ein stabiles, tragfähiges und zukunftssicheres Umfeld für kleine und mittlere Unternehmen entstehen soll, bleibt mir verborgen. Wir haben in den neuen Bundesländern Kommunen, die nicht zahlungsfähig sind. Sie wissen genau, wo die Ursachen dafür liegen. Auch das ist kein tragfähiges Hinterland für kleine und mittlere Unternehmen. Das, Herr Rexrodt, wären doch Probleme, die politisch angesprochen und praktisch geklärt werden müssen, bevor man zu neuen Förderkonzepten greift oder alte einfach fortschreibt. Wir brauchen neue Ansätze in der Förderpolitik, die vor allen Dingen das Hauptübel in den neuen Ländern, die Massenarbeitslosigkeit, ins Visier nehmen. Wir brauchen nicht weitere mehrstellige Fördermillionen, die einfach je nach Lobby ersatzlos an Unternehmen vergeben werden, sondern wir brauchen zum Beispiel die Möglichkeit, daß Fördermittel in Form wieder ablösbarer staatlicher Beteiligungen an Aktiengesellschaften vergeben werden können. Meine Damen und Herren, Fördermittel sind öffentliche Gelder, Steuergelder. Deshalb muß der Steuerzahler auch eine Gegenleistung dafür erhalten. Hohe Förderbeträge müßten an Mindestbeschäftigungseffekte gebunden sein. Es handelt sich doch Dr. Christa Luft ich sagte es bereits - um öffentliche Gelder, von denen die Allgemeinheit auch einen Nutzen haben muß. Heute ist es vielfach so, daß mit öffentlichen Mitteln vorwiegend Rationalisierungsinvestitionen finanziert werden und die Folgen des damit verbundenen Personalabbaus auch noch den öffentlichen Kassen in Form von Arbeitslosenfinanzierung aufgeladen werden. Wir werden noch vor der Sommerpause einen Antrag zur Reformierung der Wirtschaftsförderung einbringen, und wir werden darin den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Förderung und Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in den Mittelpunkt rücken. Auch Förderpolitik kann die Kostennachteile nicht ausgleichen, die ostdeutsche Unternehmen durch überhöhte Energie-,Wasser- und Abwasserkosten haben. Dieser Aspekt ist schon im Gespräch. Geben Sie politische Hilfe beim Aufbrechen von Monopolen, zum Beispiel in der Energieversorgung, und bei der Verbesserung der Marktzugangsbedingungen für umweltfreundliche Energieträger. ({7})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wenn diese Wettbewerbsnachteile abgebaut würden, dann hätten wir ein günstigeres Fundament für die wirtschaftliche Förderung. Dann hätte die wirtschaftliche Förderung eine ganz andere Ausgangssituation und auch neue Erfolgschancen. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Günter Rexrodt, für die Bundesregierung.

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sieben Jahre nach der deutschen Vereinigung ist in den neuen Ländern viel erreicht worden. Es gibt aber nicht nur eine Haben-Seite; es gibt auch eine SollSeite. ({0}) Weil es diese Soll-Seite gibt, legen wir anderthalb Jahre bevor die jetzige Förderregelung ausläuft, einen Gesetzentwurf vor. Wir schaffen damit Kalkulationssicherheit und Berechenbarkeit. Wir sind überzeugt, daß wir damit den Standort Ostdeutschland für Investoren aus dieser und anderen Regionen attraktiver machen. ({1}) Die Förderung wird ab 1999 auf vergleichbar hohem Niveau fortgesetzt. Es ist ja nicht so, daß allein ein Betrag von 5,7 Milliarden DM zur Verfügung gestellt wird, Frau Luft. 5,7 Milliarden DM beträgt die steuerliche Förderung. Daneben gibt es noch andere Programme mit einem riesigen Fördervolumen. Jährlich beläuft sich die Wirtschaftsförderung in den neuen Ländern auf insgesamt rund 50 Milliarden DM. Diese Zahl muß hier genannt werden und nicht die Zahlen, die Sie im Zusammenhang mit der Bundeswehr errechnet haben. ({2}) Wie wir wissen, wuchs die ostdeutsche Wirtschaft bis 1995 in Raten zwischen 5 und 10 Prozent sehr kräftig. Jetzt ist dieser kräftige Zuwachs zu Ende. Seit 1996 gibt es deutlich geringere Raten. ({3}) Die Bauwirtschaft ist zusammengebrochen. Aber im verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungsbereich, im Automobilbau, in der Informationstechnik, in der Chemieindustrie und bei den Werften geht es weiter aufwärts. In Eisenach arbeitet das produktivste Automobilwerk Europas. In Dresden wird es bald einen Standort für Mikroelektronik geben wie nirgendwo sonst in Mitteleuropa. In Leuna entsteht die modernste Raffinerie, und in Rostock werden Schiffe gebaut, die auch den Schiffen der Koreaner Paroli bieten können. ({4}) Das sind die Beispiele, die den Menschen in Ostdeutschland Hoffnung geben. Aber ich will die Probleme nicht schönreden. Ich habe das in den letzten Jahren nie gemacht. Es gibt auch eine Soll-Seite, die bitter genug ist: Die Arbeitslosenrate ist deprimierend hoch. Die industrielle Basis ist noch viel zu schmal. Ihr Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung liegt bei 15 Prozent. In Westdeutschland liegt er bei 27 Prozent. Die industrienahen Dienstleistungen sind unterentwickelt. Deshalb muß und wird es Förderung weiter geben. ({5}) In unserem Förderkonzept konzentrieren wir die Hilfe auf das verarbeitetende Gewerbe und auf die produktionsnahen Dienstleistungen, die bisher in dieser Form nicht gefördert wurden und die, Herr Ministerpräsident Stolpe, auch im Entwurf des Bundesrates nicht für die Förderung vorgesehen sind. Kern der Reform ist, daß wir die Förderung nach 1998 noch einmal um sechs Jahre verlängern. Sechs Jahre ist ein langer Zeitraum. Kern der Reform ist weiterhin, daß wir weg von den Sonderabschreibungen hin zu den Investitionszulagen gehen. Dadurch entsteht ein einheitliches System. Das ist auch ein Stück Steuervereinfachung. Diese Meinung wird einhellig vertreten. Im Kernbereich der Förderung, nämlich im verarbeitenden Gewerbe und bei den produktionsnahen Dienstleistungen, wird es eine Verdoppelung der Investitionszulagen geben. Die Grundzulage steigt von 5 auf 10 Prozent und die Mittelstandszulage von 10 auf 20 Prozent. ({6}) Keiner soll uns sagen, wir würden hier nicht die richtigen Akzente setzen. Ab dem Jahr 2001- das ist richtig - sehen wir eine Absenkung, eine Degression, bei den Handwerksbereichen, die außerhalb des verarbeitenden Gewerbes liegen, und beim Handel vor. Beim Wohnungsbau - auch da besteht Übereinstimmung - wollen wir uns angesichts der Leerstände in den neuen Ländern vor allem auf die Sanierung der vorhandenen Substanz konzentrieren. Wir wollen auch mit der Förderung des Neubaus weitermachen, soweit es sich um innerstädtischen Neubau, um Lückenschließungen und dergleichen handelt. Das ist eine richtige Orientierung, meine Damen und Herren. Im Entwurf des Bundesrates gibt es Schwachstellen, Herr Ministerpräsident Stolpe, weil Sie eben nicht die produktionsnahen Dienstleistungen berücksichtigen und den Mietwohnungsbau weiter einbeziehen. Wenn Sie, wie in Ihrem Entwurf vorgesehen, die Sonderabschreibungen aufrechterhalten, dann passiert genau das, was hier angeführt worden ist. Dann werden nämlich in den neuen Ländern weiterhin Bürobauten gefördert. Eben das wollen wir nicht. ({7}) - Sie müssen das noch einmal lesen. Sieben Jahre nach der Vereinigung zählt die ostdeutsche Wirtschaft über 500 000 mittelständische Existenzen. Sie geben 3,5 Millionen Menschen Arbeit. Mit großem Engagement und mit viel Mut wird hier am Aufbau und an der Festigung von mittelständischen Existenzen gearbeitet, auch durch die Begleitung und Förderung auf Grund des neuen Konzepts. Ein Engpaß war und ist die Eigenkapitalversorgung insbesondere in den neuen Ländern, im übrigen ganz generell in großen Bereichen der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland. Um im Osten Deutschlands etwas zu machen, habe ich - das sage ich einmal in aller Bescheidenheit - im Jahre 1995, in einer schon damals schwierigen Haushaltssituation, durchgesetzt, einen Beteiligungsfonds von 500 Millionen DM aufzulegen. Dieser Beteiligungsfonds, zu weiten Teilen eine Refinanzierung für Leute, die in Ostdeutschland investieren wollen, wird aufrechterhalten. Wenn er ausläuft, wird er aufgestockt. Mit einem enormen Betrag, einer enormen Kraftanstrengung tun wir etwas dafür, daß Beteiligungskapital in den ostdeutschen Ländern in ausreichendem Umfang und reichlicher als im Westen zur Verfügung steht. ({8}) Ein besonderes Kapital - das ist hier angesprochen worden - sind Forschung, Entwicklung und Innovation. Es ist richtig: Hier gibt es große Defizite. Hier ist auf Grund unterschiedlicher Forschungslandschaften und Strukturen in der alten DDR und bei uns beklagenswerterweise vieles zusammengebrochen. Hier gilt es, viel aufzufangen. Zum Ziel unserer Förderung haben wir zum einen die innovativen Existenzgründungen, zum anderen die innovationsreichen mittelständischen Unternehmen und die Infrastruktur erklärt. Ich darf das einmal sagen: Zwischen 1991 und 1996 sind in den neuen Ländern rund 3700 Unternehmen mit Forschungsmitteln gefördert worden. 2 Milliarden DM sind in diesen Bereich geflossen. Zwischen 1998 und 2001 sollen es aus meiner Sicht weitere 1,5 Milliarden DM sein, die für Forschung, Entwicklung und Innovation überwiegend im mittelständischen Bereich zur Verfügung gestellt werden, und das vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation des Bundes. Ich glaube, wir können uns mit diesen Zahlen sehen lassen. ({9}) Es ist darauf hinzuweisen, daß dieses Programm, das wir heute im Parlament in erster Lesung beraten, nur die steuerliche Förderung umfaßt und Aussagen zu einer Reihe anderer Programme enthält. In Zukunft wird es aber darauf ankommen, andere Fördermittel und Tatbestände, die in der Vorbereitung des Haushalts jeweils zu dotieren sind, beispielsweise für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" oder die Absatzförderung im Ausland auf einem hohen Niveau zu halten. Ich werde mich dafür einsetzen und erwarte auch keine tiefgreifenden Einbrüche, auch nicht bei der Gemeinschaftsaufgabe. Meine Damen und Herren, eines noch zur Klärung: Es hat immer große Diskussionen über das Volumen der Förderung gegeben. Das Volumen nach 1998 bleibt nach unserer Einschätzung auf dem Niveau in 1998. Ich will die Rechnung jetzt nicht hier vollziehen; es gibt verschiedene Förderinstrumente mit unterschiedlichen Subventionswerten. Man muß das neue System in das alte umrechnen. Wir haben das seriös und nachvollziehbar gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß die Volumina 1999 die gleichen sind wie die, die wir für 1998 erwarten. Da geistern Zahlen durch die Gegend, die völlig absurd sind. Die Bundesregierung hat gesagt: Wir setzen die Förderung auf etwa gleichem Niveau fort. Und das geschieht mit diesem Förderkonzept. Lassen Sie mich zum Schluß sagen, meine Damen und Herren - ich habe hier nur wenig Zeit -: Für mich ist dieses Konzept ein Stück Verstetigung der Förderung für sechs Jahre. Wir werden uns in diesen sechs Jahren darüber unterhalten müssen, ob und wie wir es weiterführen. Es ist auch ein Stück Berechenbarkeit für die Investoren - diese Berechenbarkeit muß da sein - und beinhaltet die Degression, da wo sie verantwortbar ist. In den Bereichen, wo die Förderung ausläuft, wird es die Förderung im alten Umfang eben nicht mehr geben. Wir setzen vielmehr auf die Industrie, auf moderne Dienstleistungen, den Mittelstand und die VerbesseBundesminister Dr. Günter Rexrodt rung der Eigenkapitalquote. Für mich ist das Ganze auch Ausdruck der Gemeinsamkeit. Ich bin froh, daß dieses Konzept im Grundansatz auch den Beifall der Kollegen in den neuen Ländern, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, gefunden hat. Zum Abschluß noch eines in Richtung von Frau Luft und anderen - Herr Präsident, ich bin gleich fertig -: Ich habe in meiner Amtszeit noch nie davon gesprochen, daß die Förderung, die wir gewähren, nur Kosten darstellt. Es sind zwar Kosten für die Kostenrechnung. Im Grunde aber sind es Investitionen. So behandeln wir diese Förderung auch. Diese Investitionen werden sich amortisieren, sie werden zurückkommen zum Vorteil der Menschen in den neuen Ländern und in den alten Ländern. Ich danke Ihnen. ({10})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Ernst Schwanhold.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Bemerkung anfangen, von der ich glaube, daß wir sie gar nicht oft genug wiederholen können: Die Debatte über die Förderung Ost ist eine Debatte, die uns im Westen und im Osten gleichermaßen angeht. Wir müssen aufpassen, daß man sich nicht gegenseitig ausspielt. Ich sage dies ausdrücklich auch mit Blick auf die Besetzung der Bundesratsbank zum gegenwärtigen Zeitpunkt. ({0}) Wer meint, er könne eigene Probleme zu Lasten des Ostens diskutieren, wird der Gefahrenlage, die daraus entsteht, daß es eine Abkopplung des ostdeutschen Aufbauprozesses gibt, nicht gerecht. ({1}) Die zweite Bemerkung richtet sich an Frau Luft. Frau Luft, Sie haben vieles Richtige gesagt. Ich glaube aber, daß man Ihnen in diesem Zusammenhang einen Hinweis geben muß, den ich gerne in folgenden Satz verpacken möchte: Jeder hat das Recht auf politischen Irrtum, aber niemand das Recht auf ein kurzes Gedächtnis. ({2}) Das neue Förderkonzept, welches uns jetzt vorgelegt worden ist, wird dem Problem der Bekämpfung der bedrückenden Arbeitslosigkeit, wie ich glaube, noch nicht in ausreichendem Maße gerecht. Wenn auch ein Schritt in die richtige Richtung vollzogen ist - da, Herr Minister Rexrodt, unterstütze ich Sie ausdrücklich -, so kommt er doch zu spät. Vor fast genau einem Jahr hat Ihnen mein Kollege Rolf Schwanitz unter der Drucksachennummer 13/4702 ein Programm mit dem Titel „Den wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands voranbringen" vorgelegt, in dem jene Kernelemente, auf die Sie sich jetzt zubewegen, ganz genau formuliert worden sind. Warum brauchen Sie eigentlich immer erst ein Jahr, ({3}) um zu besseren Einsichten zu kommen? ({4}) Das reale Wirtschaftswachstum stagniert zur Zeit bei 2,8 Prozent seit Mitte 1996. Der Aufholprozeß ist zu langsam. Wir entfernen uns in manchen Bereichen wieder. Es rächt sich - übrigens auch in der öffentlichen Wahrnehmung - eine über den letzten Zeitraum verfehlte Förderpolitik. Die Fehlallokationen erschweren uns die Debatte; gleichwohl müssen wir sie durchhalten. Das alte Förderinstrumentarium wurde zu lange beibehalten, obwohl Mängel seit langem bekannt waren. Ich will die gravierenden Mängel nennen. Es gibt kein Gesamtkonzept der Förderung in der Entwicklungsstrategie, zuwenig Wachstumsorientierung und keine ausreichende Abstimmung in den Bereichen Agrar-, Infrastruktur-, Technologie- und Wissenschaftspolitik, was unerläßlich für einen sich neu entwickelnden Standort ist. Vor allen Dingen gibt es kurzatmigen Aktionismus. Ich glaube, daß allein die Debatte, die um die Fortführung der Förderung immer wieder hin und her ging, zu großer Verunsicherung beigetragen und dem Investitionsstandort Ostdeutschland geschadet hat. ({5}) Das neue Förderkonzept, Herr Minister, ist unzureichend. Sie bemühen sich, auf etwa gleicher Höhe zurechtzukommen. Die Höhe ist aber dennoch reduziert. Mein Kollege Ilte wird später etwas dazu sagen. Wir brauchen eine Verstetigung des Mitteleinsatzes auf hohem Niveau. Dieses wurde nicht erreicht, weil auch schon die Spanne, die jetzt vorgegeben wird, wieder zu kurz ist. Tatsächlich findet unter dem Deckmantel der Umstrukturierung der Fördermittel ein Abbau statt. Der Wegfall der Sonderabschreibungen wird durch die Investitionszulage nicht voll kompensiert. Auch das Gesamtniveau der Förderung ist bestenfalls für sechs Jahre festgeschrieben. Deshalb reden Sie ja auch immer nur von einem vergleichbar hohen Niveau und nie davon, daß das Niveau auch tatsächlich gehalten wird. Wir fordern von Ihnen eine wachstumsorientierte Gesamtkonzeption, die nach wie vor fehlt. Notwendig wäre ein ostdeutsches Entwicklungskonzept, das fachlich und finanziell alle Politikbereiche in einer abgestimmten Strategie zusammenfaßt. Dazu gehören folgende Instrumentarien: Straffung der immer noch unübersichtlichen Förderlandschaft und ein Existenzgründungs- und Eigenkapitalhilfeprogramm, welches die zu geringe Ausstattung der ostdeutschen Betriebe mit Eigenkapital berücksichtigt und nicht vernachlässigt. Dabei muß die Vermögenslage der ostdeutschen Bevölkerung einbezogen werden. Gestern habe ich mit 50 selbständigen Unternehmern aus Ostdeutschland zusammengesessen; wir haben sehr intensiv darüber diskutiert, welche Chancen sie einerseits beim Zugang zu Fördermitteln und welche Probleme sie andererseits mit der Finanzierung ihres eigenen Wachstums auf Grund ganz unterschiedlicher Ursachen haben, wenn zum Beispiel öffentliche Auftraggeber ihrer Zahlungsverpflichtung nur sehr schleppend nachkommen. Wir müssen aufpassen, daß nicht das, was schon einmal gefördert wurde, in diesen Tagen wieder fahrlässig zerstört wird. Wir müssen deshalb einen Schwerpunkt setzen, um Unternehmen, die überlebensfähig sind und eine Zukunftsperspektive haben, auch über diese schwere Klippe hinwegzuhelfen, damit sie zum Aufbau beitragen können. Das ist die Aufgabe. ({6}) Dieser Schwerpunkt wird zuwenig gesetzt. Bestandspflege ist ein wichtiger Aspekt in einer sich umstrukturierenden Wirtschaft und insbesondere dann, wenn schon einmal mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Es gibt keine ausreichende Förderung des Absatzes und keine ausreichende Unterstützung bei der Markterschließung. Dieses ist gestern auch immer wieder von den Unternehmerinnen und Unternehmern angesprochen worden. Sie sind überzeugt, daß sie gute Produkte haben. Sie haben aber keine ausreichende Infrastruktur, um auf den Markt zu kommen, und insbesondere nicht die finanzielle Kraft, sich in den schnell wachsenden Märkten zu bewähren oder dort Fuß zu fassen. Es gibt natürlich auch Blockadehaltungen auf Grund alter Beziehungen zwischen westeuropäischen Unternehmern, die die Durchdringung des Marktes sehr schwer machen. Also ist es doch Aufgabe einer Rahmensetzung, ihnen die Luft zu geben, damit sie in diese Märkte hineinkommen und sich einen Platz für ihre guten Produkte erarbeiten können, damit sie aus eigener Kraft und eigenem Profit das nächste Wachstum finanzieren können. Dieser Schwerpunkt, der bisher zu kurz kommt, muß gesetzt werden. ({7}) Es ist - auch dies ist uns gestern und an anderer Stelle immer wieder gesagt worden - im derzeitigen Forschungs- und Entwicklungsbereich noch kein ausreichender Schwerpunkt gesetzt worden. Wir müssen darüber nachdenken, wie es uns gelingt, eine mit der westdeutschen vergleichbare Wissenschaftslandschaft aufzubauen, die insbesondere für die kleineren und mittleren Unternehmen den Wissenschaftstransfer möglich macht. Dazu braucht man vor Ort Institute, Fachhochschulen und insbesondere eine Unterstützung des Wissenschaftstransfers. Auch dies müßte das Förderprogramm hergeben, weil nur so die schnell wachsenden Technologieunternehmen Platz in Ostdeutschland finden und nicht Westdeutschland auf Grund der guten Infrastruktur bevorzugen. ({8}) Die Verkehrsprojekte kommen angesichts der desolaten Haushaltslage unter Druck. Dabei wäre es jetzt außerordentlich gut, Investitionen eher noch vorzuziehen, weil die schlechtere Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland natürlich nach wie vor ein Standortnachteil ist. Übrigens gehört zur guten Verkehrsinfrastruktur auch der Ausbau der transeuropäischen Netze über die Grenzen hinweg, da die alten Marktbeziehungen wieder neu belebt werden müssen. Es wäre also eine vergleichbar gute Tat von Ihnen, wenn Sie innerhalb Europas Ihre Blockadehaltung gegen die Finanzierung der transeuropäischen Netze aufgäben und sich an die Spitze der Bewegung setzten. Dies wäre eine Hilfe für die ostdeutschen Betriebe und für die Standorte in Ostdeutschland. ({9}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine wirtschaftsnahe Infrastruktur. Die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe sind im Verhältnis zum Bedarf zu gering. Auch das, wie ich finde, begrüßenswerte 25-Milliarden-DM-Kreditprogramm der MW ist kein ausreichender Ausgleich. Fazit: Herr Minister, Sie haben sich auf den richtigen Weg begeben, wenn auch zu spät; aber das kennen wir von Ihnen. Ich möchte dazu beitragen, daß wir uns gemeinsam anstrengen, die Mittel zur Verfügung zu stellen, die den Menschen in Ostdeutschland Hoffnung geben und insbesondere dafür sorgen, daß dort bald Arbeitsplätze in größerer Zahl, eine höhere Wertschöpfung und ein höherer Eigenfinanzierungsanteil möglich werden. Die Menschen in Ostdeutschland leiden darunter, daß wir ihnen das Gefühl geben, sie seien Subventionsempfänger. Sie wollen endlich dazu kommen, ihren eigenen Beitrag in viel höherem Maße zu leisten. Dafür müssen wir den politischen Rahmen setzen. Bewegen Sie sich in diese Richtung! ({10})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Hans-Peter Repnik.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein offenes Geheimnis, daß wir uns derzeit auf einer schwierigen finanz- und haushaltspolitischen Wegstrecke befinden. Gleichwohl sollten wir es uns nicht zur Gewohnheit machen, gute Nachrichten zu unterschlagen und nur auf die Probleme zu blicken. Deshalb möchte ich heute morgen festhalten: Der wirtschaftliche Aufbauprozeß in den neuen Ländern hat in den vergangenen Jahren außerordentliche Fortschritte gemacht. Ein Symbol für den Fortschritt in den neuen Ländern ist, daß dort inzwischen zum Teil eine modernere Infrastruktur geschaffen werden konnte, als es in den alten Ländern der Fall ist. Die Fortschritte in der Beseitigung von Umweltschäden und in der Modernisierung von Produktionsanlagen sind weitere deutlich sichtbare Zeichen. Dies ist auf der einen Seite auf eine gute Politik zurückzuführen, auf der anderen Seite aber nicht zuletzt auch auf eine herausragende Leistung der Menschen in den neuen Bundesländern. An einem solchen Tag, an dem wir resümieren, wie wir den Aufbau fortführen können, geziemt es sich, den Menschen zu danken, die sich unermüdlich mühen, diesen Aufbau zum Erfolg zu bringen. ({0}) Allerdings kann nicht bestritten werden, daß die wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern weiter angespannt bleibt. Deshalb sind wir ja auch gefordert. Die Bauwirtschaft hat nach den Anfangszeiten des Booms an Zugkraft verloren. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor zu hoch. Der konjunkturelle Aufholprozeß ist im Vergleich zu den alten Ländern ins Stocken geraten. Die Wachstumsrate - dies besorgt uns natürlich - wird in den neuen Ländern in diesem Jahr voraussichtlich höchstens das westdeutsche Niveau erreichen. Aber auch hier sollten wir nicht nur problematisieren, sondern die Erfolge herausstellen. Wenn wir einmal im Hinblick auf die Wachstumsraten in den neuen Ländern differenzieren, dann stellen wir fest, daß alte Bereiche eher zurückgehen und daß neue, zukunftsgerichtete Technologien auf dem Vormarsch sind. Hier haben wir weit überdurchschnittliche Wachstumsraten; die Zukunftstechnologien setzen sich durch. Das heißt für uns ganz konkret: Der Trend stimmt. Mittelfristig werden wir Erfolge haben. Daher sollten wir den Menschen auch und gerade sagen, daß sie sich auf dem richtigen Weg befinden, weil dies Mut macht, und wir sollten sie ermuntern, in diese Bereiche weiter zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. ({1}) Gerade um die Menschen auf diesem Weg zu begleiten, haben wir uns entschlossen, das bisherige Förderprogramm nach seinem Auslaufen fortzuschreiben und eine tragfähige Anschlußregelung zu erreichen. Aber die Zielrichtung muß klar sein. Ich glaube, hier gibt es eine Differenzierung oder vielleicht auch einen Meinungsunterschied zwischen dem, was Sie, Herr Kollege Schwanhold, hier zum Teil ausgeführt haben - ich will mich gar nicht streitig mit Ihnen auseinandersetzen -, und zwischen dem, was die Bundesregierung und die Koalition wollen. Die Zielrichtung muß klar sein: Wir brauchen viel mehr Wachstumspolitik und weniger Verteilungspolitik. Wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping vor wenigen Tagen zum Thema „Aufbau Ost" nur Forderungen nach einer Erhöhung der investiven Ausgaben des Bundes für Ostdeutschland auflistet, glaube ich, springt er hier zu kurz. Im Sinne eines sich selbst tragenden Aufschwungs in den neuen Ländern ist diese Beschränkung auf Investitionsprogramme des Bundes sicherlich nicht. Die neuen Länder brauchen keinen Dauertropf, sie brauchen eine verläßliche Fortsetzung der Wirtschaftsförderung, eingebettet aber in eine gesamtdeutsche Strukturreform. Investoren und Unternehmen brauchen Planbarkeit, sie brauchen Sicherheit für ihre Disposition. Genau darauf baut der hier zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf auf. Er beinhaltet ein Förderkonzept, das nicht einfach nur Programme fortschreibt oder aufstockt - dies wäre zu einfach -, sondern die Förderung fortentwickelt. Wir haben die Erfahrungen der ersten sechs Jahre ganz konkret umgesetzt in ein neues Programm, das seine Wirkung nach unserer festen Überzeugung nicht verfehlen wird. Es ist Teil einer umfassenden Initiative für mehr Wachstum und Beschäftigung in den neuen Ländern, und - ich glaube, dies muß man der Fairneß halber in solch einer schwierigen Zeit hinzufügen - das Konzept trägt sowohl den finanziellen Rahmenbedingungen des Gesamtstaates als auch den Belangen der neuen Länder Rechnung. Die drei Schwerpunkte dieses Konzepts orientieren sich an den Aussagen von Studien und von Gutachten der letzten Zeit. Erstens: Umstellung der Förderung auf Investitionszulagen. Wir wissen doch, daß der entscheidende Vorteil dabei darin besteht, daß die Förderung auf diese Weise unabhängig von Unternehmenserträgen wird. ({2}) Es ist schade, Frau Kollegin Matthäus-Maier, daß der Ministerpräsident Stolpe - ({3}) - Ich weiß. Ich hätte ja darauf hingewiesen, daß er in den Bundesrat gehen mußte. Vielleicht hätte es sich aber, nachdem er hier gesprochen hat, doch angeboten, diese Debatte noch bis zum Ende zu verfolgen. ({4}) - Ich habe doch darauf hingewiesen, daß ich Verständnis dafür habe, daß er an der Bundesratssitzung teilnimmt. Dennoch ist es schade, daß wir den Dialog, den er hier begonnen hat, jetzt nicht fortsetzen können. Das wäre doch wirklich im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. ({5}) Ich will das doch gar nicht kritisieren, ich will doch gar nicht streiten. Wir haben hier eine große gemeinsame Aufgabe für die neuen Länder zu bewältigen, und wir sollten alle ideologischen Vorbehalte zur Seite stellen und uns der Lösungsfindung zuwenden. Das ist unsere Aufgabe. ({6}) Deshalb möchte ich auf die Hilfen hinweisen, die gerade die Umstellung der Förderung auf InvestiHans-Peter Repnik tionszulagen bietet. Sie helfen ganz konkret den Menschen, sie helfen den Unternehmen vor Ort, den Betrieben in den neuen Ländern direkt. Deshalb bitte ich darum, daß sich die SPD und auch der Bundesrat dem nicht entgegenstellen. Zweitens: Konzentration der Förderung auf das produzierende Gewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen. Wir wissen, daß es hier einen Aufholbedarf gibt, und deshalb müssen wir hier Akzente setzen. Drittens: Fortentwicklung der Förderung des Mietwohnungsneubaus und Sanierung des Altbestandes. Herr Kollege Schulz, das ist doch Bestandteil des Konzepts. Das, was Sie angemahnt haben, steht nicht nur im Gesetzentwurf, sondern ist zum Teil sogar schon umgesetzt. Jetzt würde ich Sie gerne einladen - und zwar alle, auch die Opposition; denn Sie haben gesagt, der eine oder andere Vorschlag von Ihnen sei eingeflossen -, mit uns in einen kreativen Wettbewerb einzutreten. Alles, was uns hilft, den Aufschwung in den neuen Ländern zu verstärken, den Menschen Arbeit zu geben, sollten wir hier mit einbringen. Bei uns gibt es keine Vorbehalte. Wir sollten streiten im Sinne des Nutzens für die Menschen in den neuen Bundesländern. ({7}) Für einen Punkt aber, zu dem einige Anmerkungen gemacht worden sind, möchte ich werben: Was wir uns, Herr Kollege Schwanhold, nicht leisten können, ist, daß wir in diesem Zusammenhang Ost gegen West oder West gegen Ost ausspielen. Dazu sind die Probleme zu gewichtig. ({8}) Wer auch immer sich an solch einer Auseinandersetzung beteiligt, wird unseren erbitterten Widerstand finden. Wir sollten uns dieser Aufgabe gemeinsam stellen. Dazu ist nicht nur ein politischer Konsens, sondern der Konsens aller gesellschaftlich relevanten Kräfte eingefordert. Dazu rufen wir nachhaltig auf. Wir wissen aber auch: Wie für ganz Deutschland wird die konjunkturelle Entwicklung in den neuen Ländern ganz wesentlich durch folgende Parameter bestimmt: Verhalten der Tarifpartner, Innovations-tätigkeit und Investitionsbereitschaft. Zu den zwei letzten Punkten ist einiges gesagt worden; darauf will ich verweisen. Es tut sich Erfreuliches, wenn ich gerade das Verhalten der Tarifpartner betrachte. Sie übernehmen mehr und mehr Verantwortung auch für die Arbeitsuchenden in diesem Land. Das ist gut. Dafür sind wir dankbar. Moderate Tarifabschlüsse und die Vereinbarung von Öffnungsklauseln, wie sie in der Chemiebranche jetzt beschlossen wurden, sind gute Anzeichen. Auf diesem Weg müssen wir voranschreiten. ({9}) Meine Damen und Herren, auf Grund der Kürze meiner Redezeit möchte ich nur noch zwei kurze Gedanken einbringen. Zum einen: Wir haben gestern in einer Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer verhandelt. Das ist für ganz Deutschland wichtig. Das ist für die neuen Bundesländer in ganz besonderem Maße wichtig, weil sie sonst gezwungen wären, diese Steuer in einer für die Unternehmen schwierigen Zeit - viele Unternehmen sind unterkapitalisiert - einzuführen. Ich glaube - Fau Kollegin MatthäusMaier war dabei -, mit etwas gutem Willen können wir hier zu einem Ergebnis kommen, das sich sehr schnell in Deutschland, aber insbesondere in den neuen Bundesländern positiv auswirken wird. Nächste Woche haben wir die nächste Verhandlungsrunde. Ich wende mich auch hier an die Bundesratsbank - Sie können es ja Herrn Stolpe und den anderen vermitteln -: ({10}) Wir sollten die Verantwortung, die wir gerade in dieser Frage tragen, ernst nehmen. Unsere Seite - das sage ich zu - ist bemüht, zu tragfähigen Lösungen zu kommen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Repnik, Sie müssen zum Schluß kommen.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, zum Abschluß gestatten Sie mir noch einen zweiten Gedanken: Wir dürfen die Situation in den neuen Bundesländern nicht aus der Gesamtsituation Deutschlands herauslösen und isoliert betrachten. Das heißt ganz konkret: Wenn es uns nicht gelingt, die großen reformerischen Ansätze, die Steuerreform und die Reform des Sozialsystems, zu einem Erfolg zu führen, dann wird dies negative Auswirkungen auch auf die neuen Bundesländer haben. Diskutieren wir also im Gesamtzusammenhang über die Situation! Ich bin sicher, daß wir mit diesem Programm, eingebettet in die Gesamtpolitik, den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern weiter garantieren können. Darum werben wir. Wir bitten die Opposition, daran mitzuarbeiten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zu einer Kurzintervention zu der Rede des Kollegen Schwanhold gebe ich der Abgeordneten Dr. Luft das Wort.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Schwanhold, Ihre Kurzzeitgedächtnisreplik - Sie werden es verstehen - kann ich nicht ganz ohne Reaktion lassen. ({0}) Ich habe in meinem Beitrag von Fehlentwicklungen gesprochen, die nach der deutschen Einheit in den neuen Bundesländern durch die Praxis der Treuhand und wilde Konkurrenz entstanden sind. Ich habe ausdrücklich auf die katastrophale Schrumpfung des Forschungs- und Entwicklungspotentials und auf die schädliche Entwicklung, die im Export stattgefunden hat, abgehoben. Wer behauptet, diese beiden Dinge seien eine Folge der Hinterlassenschaft der DDR, der, so meine ich, hat selber irgendwo ein Loch im Gedächtnis. Denn die Märkte sind nach der Wende in der DDR nicht schlechthin zusammengebrochen, sondern sie sind von finanzstarker Konkurrenz aus den alten Bundesländern übernommen worden. ({1}) - Sie können doch nicht sagen, da sei etwas zusammengebrochen und die Länder im Osten seien nicht mehr zahlungsfähig. Das ist doch unerhört. Schauen Sie sich die Statistik an, wenn Sie solche Statistiken lesen können. Der gesamtdeutsche Export hat eine Aufwärtsentwicklung wie nie zuvor. Die Entwicklung des Exports der neuen Bundesländer befindet sich in einer Abwärtsspirale. Das heißt, die Plätze sind besetzt worden. Da sind keine Märkte zusammengebrochen. ({2}) Die Kostenreduzierung in den zu privatisierenden Unternehmen hat vorrangig über den Abbau von Personal im Bereich von Forschung und Entwicklung stattgefunden. Das mußte doch zu einer Katastrophe führen. Wer meint, die neuen Länder sollen über Innovationskonkurrenz neue Plätze auf den Märkten erobern, der muß doch erst einmal für ordentliche Forschungs- und Entwicklungspotentiale sorgen. Herr Späth, ein Kollege der Damen und Herren, die auf der anderen Seite diese Hauses sitzen, ist es gewesen, der die Treuhand ein Beerdigungsinstitut genannt hat. Er hat gesagt, sie habe Beerdigungshilfe statt Aufbauhilfe geleistet. Das habe nicht ich erfunden; das hat vielmehr Ihr Kollege gesagt. ({3}) Eine Übertragung von Vermögen auf die Menschen in den neuen Bundesländern hat nach 1990 nicht stattgefunden. Auch das ist eine Ursache dafür, daß heute bei vielen Existenzgründern eine zu geringe Eigenkapitalbasis vorhanden ist. Herr Schwanhold, haben Sie denn die fatalen Folgen des Prinzips „Rückgabe vor Entschädigung", das Sie von der SPD im Deutschen Bundestag mit beschlossen haben, vergessen? Haben Sie die fatalen Folgen des Altschuldenhilfegesetzes, das Sie im Deutschen Bundestag mit beschlossen haben, vergessen? Soviel zu Herrn Schwanhold. Nun zu Herrn Rexrodt. Ich darf Ihnen nur sagen: Sie sollten den Kasernenbau durch die Bundeswehr in den neuen Bundesländern nicht unbedingt als einen Fortschritt auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung betrachten. Das hielte ich doch für eine ziemlich befremdliche Auslegung. Danke. ({4})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Schwanhold, Sie haben die Möglichkeit zu entgegnen, bitte.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Luft, ich halte selbstverständlich die Regelung „Rückgabe vor Entschädigung" auch heute noch für falsch. Ich halte selbstverständlich auch heute noch das Versprechen von den „blühenden Landschaften" in kurzer Zeit für falsch. Das ist übrigens, Herr Kollege Repnik, eine der Ursachen dafür, daß Erwartungen bei den Löhnen geschürt worden sind, die nicht zu erfüllen waren und unter denen wir heute noch zu leiden haben. Der Appell an die Tarifvertragsparteien wäre nur dann glaubwürdig, wenn man den Appell auch an diejenigen richten würde, die diese Erwartungen geschürt haben. Ja, das gab es, Frau Luft. Dennoch will ich die folgende Bemerkung machen: Natürlich ist der Zusammenbruch der Märkte die Folge der Einführung der Währungsunion, zu der ich mich nachdrücklich bekenne; das war nicht anders. Ich habe in einem zweiten Satz gesagt: Sie vertreten viele richtige Punkte, die ich unterstütze. Aber es würde Ihre Glaubwürdigkeit in den Punkten, die Sie kritisieren, erhöhen, wenn Sie gesagt hätten, daß es Ursachen gab, die mit Ihnen und mit der Arbeit, die Sie in der Vergangenheit geleistet haben, zusammenhängen. Genau darum ging es mir bei meiner Aussage in bezug auf ein kurzes Gedächtnis. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Nun gebe ich zu einer Kurzintervention zu der Rede des Kollegen Repnik dem Abgeordneten Dr. Rössel das Wort.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Der Präsident hat leider meine Zwischenfrage nicht zugelassen; deswegen muß ich mich auf diese Art und Weise äußern. Der Kollege Repnik hat darüber informiert, daß im Vermittlungsausschuß derzeit Verhandlungen zur Zukunft der Gewerbekapitalsteuer laufen. Ich begrüße, daß auf diesem Gebiet Bewegung festzustellen ist. Ich muß aber an dieser Stelle auf eine Tatsache aufmerksam machen: Durch die Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland - eine insgesamt richtige Entscheidung - sind den ostdeutschen Städten, Gemeinden und Landkreisen seit 1991 Einnahmen in einem Umfang von insgesamt 3,5 Milliarden DM vorenthalten worden. Für die Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschand gab es entgegen den Forderungen der PDS aber keinen finanziellen Ausgleich für die betreffenden ostdeutschen Gemeinden. In diesem Jahr fallen bei den ostdeutschen Städten, Gemeinden und Landkreisen durch die Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer etwa 700 Millionen DM aus. Bundesfinanzminister Waigel hat vor einiger Zeit angeboten, den Ausfall dadurch zu kompensieren, daß das Kreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau um 1 Milliarde DM aufgestockt wird. Das würde aber de facto effektiv nur ganze 60 Millionen DM mehr für die ostdeutschen Gemeinden bedeuten. Der Ausfall macht aber 700 Millionen DM allein in diesem Jahr aus. Die ostdeutschen Gemeinden brauchen angesichts einer Gesamtverschuldung, die ohnehin pro Kopf schon über der im Altbundesgebiet liegt, keine neuen Kreditfinanzierungsprogramme, sondern sie brauchen Bargeld. Sie brauchen Planungssicherheit, um die Infrastruktur weiter ausbauen zu können und die immensen Belastungen insbesondere auf dem sozialen und ökologischen Gebiet bewältigen zu können. Deswegen fordere ich die Verantwortlichen auf, schnellstmöglich Lösungen zu finden, wie die Einnahmeausfälle, die den ostdeutschen Gemeinden durch die Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer entstehen, durch angemessene Zuweisungen von Bund und Ländern ausgeglichen werden können. Danke schön. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Repnik, Sie können darauf antworten.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rössel, dieses Thema muß etwas differenzierter dargestellt werden. Das, was Sie hier vorgetragen haben, entspricht nicht ganz den Tatsachen. Erstens hat die Bundesregierung das Kreditprogramm nie als Alternative, als Ersatz für die nicht eingenommenen Gewerbekapitalsteuern angeboten, sondern als zusätzlichen Anreiz. Nach allem, was wir hören, wird dieses Programm sehr wohl positiv angenommen. Wir sollten dieses Programm also nicht zerreden. Es ist ein guter Ansatz, und es wird Wirkung zeigen. ({0}) Zweitens. Wir, die Koalition, haben von Anfang an nicht nur darüber gesprochen, sondern auch Vorschläge gemacht, mit denen den neuen Bundesländern ein Ersatz für die Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer so lange angeboten wird, bis die Gesamtlösung, die Beteiligung auch der neuen Bundesländer an den Erträgen aus der Umsatzsteuer, gefunden ist. Aber da wir uns im Vermittlungsausschuß nicht einigen konnten, da das Vermittlungsverfahren nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, konnte auch dieser Ersatz bis heute nicht geleistet werden. Ich sage aber - dies ist unser Angebot -, daß wir als Bestandteil einer Lösung zum Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und zur Beteiligung der Kommunen in den neuen Bundesländern an den Erträgen der Umsatzsteuer für das Jahr 1997 den Gemeinden in den neuen Bundesländern selbstverständlich einen Ersatz anbieten, über dessen Größenordnung wir noch reden müssen. Wir haben bei unseren Lösungsvorschlägen auch hier nicht nur die Interessen der Industrie, des Gewerbes, der Wirtschaft in den neuen Ländern, sondern auch die Interessen der Kommunen in den neuen Ländern im Auge. An uns liegt es nicht. Wir können die Verhandlungen am nächsten Donnerstag abschließen, wenn wir uns mit der SPD-Mehrheit im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß einigen. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe dem Abgeordneten Wolfgang Ilte das Wort.

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Repnik, zur Gewerbekapitalsteuer: Es klingt immer ein bißchen so, als würden wir den ostdeutschen Kommunen und den ostdeutschen Betrieben eine Wohltat erweisen, wenn wir die Gewerbekapitalsteuer nicht einführen. Wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, daß das Ganze gegenfinanziert wird und daß sich die ostdeutschen Unternehmen an der Gegenfinanzierung in der gleichen Höhe beteiligen. Daher kommt beispielsweise auch die Forderung, die ostdeutschen Kommunen endlich den westdeutschen Kommunen gleichzustellen. Wenn die Ostbetriebe, wenn die Ostinstitutionen, wenn die Ostindustrie in gleichem Maße wie die Westindustrie an der Gegenfinanzierung beteiligt werden, müssen die Ostkommunen den Westkommunen gleichgestellt werden. Das muß man im Nachgang zu dem sagen, was Sie gesagt haben. Das, worüber wir heute sprechen, die Nachlegung bei der Investitionsförderung Ost, ist seit längerem im Gespräch. Mein Kollege Schwanhold hat schon darauf hingewiesen, daß wir im Mai vorigen Jahres einen Antrag dazu vorgelegt haben. Die Ost-CDU hat vor anderthalb Monaten ihren Antrag vorgelegt. Die Ost-Finanzminister haben Beschlüsse dazu gefaßt. Es lag ein Regierungskonzept vor, das umfassender war. Herr Minister Rexrodt hat schon ausgeführt, daß eine Menge mehr dazu gehört als nur die steuerliche Förderung. Mittlerweile liegen ein Koalitionsentwurf und ein Entwurf des Bundesrates vor. Sie unterscheiden sich - das wurde heute auch schon gesagt - nur marginal, so daß man sich bei der steuerlichen Förderung irgendwo auf einem Treppchen einigen könnte. Streitpunkt war, ist und bleibt das Finanzvolumen. Ausgangspunkt waren 11 bis 13,5 Milliarden DM Steuermindereinnahmen, als Fördervolumen. Gestützt auf Berechnungen des Ifo, wird jetzt geschätzt, daß ein Fördervolumen von ungefähr 5,7 Milliarden DM herauskommt, wenn man die Steuerausfälle in Investitionzulagen gegenrechnet. Wir haben das nachgerechnet. Bei den Bauinvestitionen mag das Ifo-Institut recht haben. Bei den Ausrüstungsinvestitionen allerdings geht man von 65 Milliarden DM aus. Wir befürchten, daß dies deutlich zu hoch angesetzt ist. Ferner hat man beispielsweise vergessen, daß West-Berlin jetzt in die Summe mit einbezogen ist, was in einem höheren Ansatz hätte seinen Ausdruck finden müssen. Der Subventionswert insgesamt - so wird gesagt - liege, wenn man 5,7 Millionen DM zugrunde legt, bei Berücksichtigung von Stundungs- und Zinseffekten eigentlich bei 6,85 Milliarden DM. Da fängt die Crux schon an - der Kollege Schulz hat es vorhin in seinem Beitrag deutlich gemacht -, daß man sagt: Ab 1999 werden es nicht mehr 6,85 Milliarden DM, sondern roundabout 1,15 Milliarden DM, sprich: 15 Prozent, weniger sein. Worüber wir uns im Augenblick streiten, Herr Krüger, ist ja, daß Sie die Förderung nicht auf hohem Niveau fortführen wollen, sondern daß Sie mit der Förderung ständig heruntergehen, indem Sie ab 2002 um insgesamt 2,45 Milliarden DM kürzen. Dann beträgt die Förderung noch 35 Prozent weniger als die derzeitige Förderung. Beispielsweise nicht berücksichtigt bei diesen Rechnungen haben Sie - Herr Hauser, Sie können darauf nachher noch eingehen - einen speziellen Anreizeffekt der Sonder-MA.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Kollege Ilte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Krüger?

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist vielleicht besser, daß er die Frage jetzt stellt; denn ich komme gleich zu einem anderen Thema.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte schön, Herr Kollege Krüger.

Dr. Paul Krüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ilte, bei den Zahlen, die wir hochgerechnet haben, gehen wir von vorsichtigen Investitionsschätzungen aus. Sie haben zu Recht gesagt, daß man die alte Förderung über Sonder-MA nicht mit dem neuen Förderansatz vergleichen kann. Ist Ihnen bekannt, daß - wir gehen von höheren Investitionserwartungen aus; wir alle wollen ja, daß mehr investiert wird; davon gehen übrigens auch die SPD-regierten neuen Bundesländer aus -, weil quasi ein Rechtsanspruch auf die neue Förderung besteht, ein wesentlich höherer Fördereffekt erreicht werden wird, der natürlich zwangsläufig mit positiven Auswirkungen auf den Bundeshaushalt verbunden sein wird, also zu mehr Einnahmen und geringeren Ausgaben für Sozialleistungen in den neuen Ländern führen wird, so daß wir mit einiger Zuversicht davon ausgehen können, daß wir mit dem neuen Förderansatz, den wir heute möglicherweise beschließen, ein wesentlich höheres Fördervolumen als bisher in den neuen Ländern erreichen?

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist mir bekannt, Herr Krüger. Wir würden uns freuen, wenn dieser höhere Subventionswert eines Tages erreicht würde. Wenn Sie - das, was ich gerade sagen wollte, gehört eigentlich mit zur Beantwortung Ihrer Frage - dann noch den speziellen Anreiz der Sonder-MA - zur Sonder-MA komme ich gleich noch einmal - berücksichtigen, kommen Sie auf einen Subventionswert von 7,5 bis 8 Milliarden DM. Wenn wir auf Grund des Rechtsanspruchs diese Größenordnung erreichen, Herr Krüger, dann macht die ganze Sache im Endeffekt auch Sinn. Ich komme zur Sonder-AfA. Es ist hier vorhin vehement - ich glaube, von Herrn Minister Rexrodt - kritisiert worden, daß einige Elemente der AfA nach dem Entwurf der Länder beibehalten werden sollen. Ich möchte an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, daß die Sozialdemokraten von Anfang an gefordert haben, die Höhe der Sonder-MA endlich zu verringern, nicht mehr in dem Maße zu fördern, sondern auf Investitionszulagen umzustellen. Das haben wir von Anfang an gefordert, weil wir in der Sonder-MA so, wie sie war, einfach eine reine Vermögensbildung West und eine nur geringe Förderung Ost gesehen haben. ({0}) - Das machen Sie jetzt, im Jahre 1997. Das hätten Sie schon im Jahre 1995 oder 1993 machen können. Die Kritik beruht auf folgendem: Es kommt einem immer ein bißchen so vor, als wenn Klein Fritzchen auf dem Fahrrad sitzt, durch den dunklen Wald fährt und dann, wenn er am Ende kein Licht sieht, um 180 Grad herumschwenkt und den Weg wieder zurückfährt, weil da das Licht sein könnte. - Man muß natürlich auch ein bißchen darüber nachdenken, was man macht. Man kann doch nicht einfach radikal streichen. Was wird im Endeffekt erreicht? Wir erreichen mit Investitionszulagen den Effekt, daß die Ostbetriebe endlich vernünftig an dieser Förderung partizipieren. Aber ich frage Sie: Können wir den ostdeutschen Aufbau schaffen, indem wir die erforderlichen Investitionen allein die ostdeutschen Unternehmen durchführen lassen? Brauchen wir nicht auch das Geld - ich sage es einmal so - des Münchner Zahnarztes? Wenn wir dem Zahnarzt in München sagen: Lieber Zahnarzt, das ist doch Jacke wie Hose, du mußt im Osten investieren, ob du eine Mark Steuererleichterung oder eine Mark Zulage bekommst, ist doch rechnerisch genau das gleiche, für dich ändert sich doch nichts, dann verspreche ich Ihnen: Er wird es nicht tun. Wir werden zur Antwort bekommen - das ist eine psychologische Frage -: Mein lieber Herr, ich verdiene genug Geld. Ich brauche im Osten nicht zu investieren. Ich will gar nicht noch mehr verdienen. Ich will einfach das, was ich verdiene, behalten. Die Hälfte davon muß ich Herrn Waigel geben, und das will ich nicht; das will ich sparen. Diesen psychologischen Effekt streichen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf gegenwärtig völlig heraus. Das bedeutet, daß wir uns darauf verlassen, daß - auf deutsch gesagt - der Osten allein durch Investitionszulagen und eigene Investitionen in den Unternehmen, in den Betrieben und sicherlich auch mit Fremdkapitalisierung vorwärtskommt. Ich glaube nicht, daß das ausreichen würde. Aus diesem Grunde halten wir es für richtiger, einen Teil der Sonder-MA dort zu belassen, wo es Sinn macht und wo sie in den letzten Jahren nicht genügend gegriffen hat. Schauen Sie sich die Innenstädte an! Wir brauchen diese Möglichkeit für die Modernisierung der Innenstädte, zum Schließen der Lücken und für die Sanierung der Plattenbauten. Es würde sehr wohl Sinn machen, dieses Instrument dort einzusetzen. An dieser Stelle bitte ich Sie, einfach noch einmal nachzudenken. Das Problem der Transferleistungen ist hier von Herrn Ministerpräsident Stolpe ebenfalls angesprochen worden. Ich kann es, offen gestanden, nicht mehr hören. Herr Rexrodt, es ist auch Ihre Regierung, die mit unverantwortlichen Zahlen von einer Billion und mehr in die Öffentlichkeit geht und diese als Transferleistungen bezeichnet, die in den Osten geflossen seien. Herr Stolpe hat das vorhin hier deutlich gemacht. Es ist auch schon von anderer Seite deutlich gemacht worden. Wir alle haben den „Spiegel" von voriger Woche gelesen, in dem die Zahlen standen. Es ist einfach unerträglich. Dafür, daß - wie Sie nachlesen konnten - beispielsweise Bayern bei der Landwirtschaft und im Naturschutz ungefähr im Verhältnis 3 : 1 oder beim ÖPNV mit 2:1 in Relation zu Sachsen gefördert wird, fehlt mir das Verständnis. Es fehlt mir das Verständnis, daß man sich hier hinstellt und sagt: Transferleistungen in den Osten werden nur aus dem Westen bezahlt. ({1}) An dieser Stelle muß man daran erinnern: Autobahn, BAföG, Wohngeld, Zivildienstgeld und jeder neue Wasserhahn in einer Bundeswehrkaserne - alles sollen Transferleistungen in den Osten sein. Es ist nicht mehr auszuhalten. Damit sind wir beim Thema Bundeswehr. Es ist vorhin - zumindest bei einem Zwischenruf - aus Ihren Reihen gesagt worden, die Bundeswehr sei einer der größten Auftraggeber in den neuen Bundesländern. Das will gar keiner bestreiten. Das ist gut so. Das ist sicherlich auch bei jedem Standort im Westen zu begrüßen. Aber wir müssen, wenn wir über die Förderpolitik Ost reden, auch einmal Tatsachen zur Kenntnis nehmen, die wir hier im Hause zu ändern in der Lage sind. Wir haben uns in der Querschnittsgruppe am Donnerstag den Anteil an Inlandsaufträgen der Bundeswehr ermitteln lassen, der für den Osten übrig bleibt. Es ist klar, daß Waffen, die ich nur in den USA kaufen kann, nicht in Dresden produziert werden können. Der Anteil der Inlandsaufträge der Bundeswehr, der auf Ostdeutschland entfällt, betrug 1994 noch 8,8 Prozent, 1995 waren es noch 5,4 Prozent und 1996 sage und schreibe 3,4 Prozent. Das ist ein Skandal. Das ist etwas, was wir hier ändern können. ({2}) Es geht nicht an, daß wir weiter von Transferleistungen faseln. Wir müssen dafür sorgen, daß der Osten von sich aus aufbauen kann. Zur Zeit der Wende hat man es vielleicht nicht ganz so deutlich gesehen, aber hinterher hätte es jeder sehen können und heute weiß es jeder: Wir brauchen ökonomisch im Osten überhaupt keine Produktion. Das, was der Osten verbraucht, kann prima im Westen mitproduziert werden. - Das ist überhaupt nicht das Problem. Unsere Verantwortung ist es, dafür zu sorgen, daß ein gleichmäßiges Produktionsspektrum in ganz Deutschland entsteht. Es ist niemandem geholfen, Transferleistungen in den Osten zu erbringen, damit im Osten die Arbeitslosen dreimal die Woche mit dem Taxi zum Frisör fahren, um so wenigstens Wertschöpfung durch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen vor Ort zu betreiben. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen dafür sorgen, daß im Osten die Produktion zumindest auf Westniveau gebracht wird. Wenn wir nicht einmal bereit sind, das, für das wir Verantwortung zeichnen, im Osten produzieren zu lassen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn Produktion an dieser Stelle nicht stattfindet. Gefordert ist Langfristigkeit. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen: In Ihrem Konzept steht eine degressive Absenkung. Was nach 2004 sein wird, weiß keiner. Wir machen es jetzt drei Jahre einmal so und danach drei Jahre anders. Am Ende mag es sein, daß die Förderung nicht zurückgeht, aber noch kann es keiner genau wissen. Was her muß, ist ein langfristiges Konzept. Das hat der Kollege Schulz am Anfang der Debatte eindeutig gefordert. Was wir brauchen, sind neue Konzepte. Wir haben einmal das Konzept der Sonder-MA und der Investitionszulage eingeführt. Seit sieben Jahren doktern wir daran herum - hier ein paar Prozent mehr, dort ein paar Prozent weniger - und denken, irgendwie wird es schon klappen. Wir müssen uns neue Konzepte ausdenken. Dazu gehört eine ganze Menge; einiges ist hier schon gesagt worden. Für ganz wichtig halte ich beispielsweise ein Konzept zur Insolvenzvermeidung. Sie kennen die Insolvenzen im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Die Zahl der Insolvenzen muß ich nicht deutlich machen; wir alle kennen die Probleme. Wir müssen uns das Handelsrecht anschauen, ob man an dieser Stelle etwas machen kann. Wenn es uns gelingt, alle diejenigen, die heutzutage nicht zahlen, aus welchen Gründen auch immer, zum Zahlen zu zwingen, können wir eine ganze Menge von Insolvenzen vermeiden. Was unsere mitteldeutschen kleinen und mittleren Betriebe insbesondere brauchen, ist administrative Hilfe, so profan es klingt. Wenn wir zum Beispiel für ein Unternehmen mit zehn Arbeitsplätzen einen guten Berater - nicht so, wie wir es bisher gemacht haben - finanzieren würden, der tatsächlich vor Ort im Betrieb arbeitet, der beispielsweise Steuerfragen klärt, sich im Bilanzrecht auskennt, juristisches Know-how oder Kenntnisse im Vertragsrecht hat oder einem solchen Unternehmen kaufmännische Unterstützung gibt, dann wäre das Geld sehr viel besser angelegt als in vielen Förderprogrammen, die wir im Augenblick haben. Wenn uns im Außenhandel bessere Konzepte einfallen, insbesondere im Osten, werden wir es gegebenenfalls schaffen, daß die Produktivität im Osten wieder steigt. Das Mittel der Hermes-Bürgschaften, um an dieser Stelle ein Beispiel zu nennen, müssen wir auf jeden Fall wesentlich stärker einsetzen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie müssen zum Schluß kommen, Herr Kollege.

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte gern drei Dinge sagen, die wir bei diesem Gesetzentwurf vielleicht nicht beachtet haben.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ganz kurz, Herr Präsident: Der Vorschlag zum Jumbo bringt wieder Verschlechterungen, die Abschaffung der Vermögensteuer hat Verschlechterungen gebracht, weil der Osten sie mit gegenfinanziert, und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, auf die ich vorhin schon eingegangen bin, wird auch durch den Osten mitfinanziert. Dies alles mindert natürlich das Volumen dessen, was wir mit diesem Gesetzentwurf eigentlich erreichen wollten. Besten Dank. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe dem Abgeordneten Gerhard Schulz das Wort.

Gerhard Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Von 1990 bis 1996 wurden mit einem Bundesanteil von rund 25 Milliarden DM für Investitionszulagen und Sonderabschreibungen Investitionen von rund 430 Milliarden DM realisiert. Es wurde damit mehr als das Siebzehnfache - ich wiederhole: mehr als das Siebzehnfache - an Investitionen initiiert. Damit hat die steuerliche Investitionsförderung für Ostdeutschland den mit Abstand höchsten Wirkungsgrad. Diese erfolgreiche Politik wollen wir nun langfristig fortsetzen, und deshalb bringen wir heute dieses Gesetz ein. Wir wollen den Investoren in Ostdeutschland Investitionsanreize und langfristige Planungssicherheit geben. Die Konzentration auf verbesserte, direkte Investitionszulagen hilft im besonderen Maße den ostdeutschen Unternehmen, die das Instrument der Sonderabschreibungen bislang nicht nutzen konnten, und stärkt das Wachstum der Betriebe, die bereits erfolgreich am Markt aktiv sind und sich erweitern wollen. ({0}) Außerdem festigt es die Eigenkapitalsituation dieser Betriebe. Zulagen, Herr Schwanhold und Herr Ilte, gibt es bereits seit 1990. Es ist also keine neue Erfindung. ({1}) Wir sind 1990 mit 12 Prozent eingestiegen. Ich habe lange Zeit mit meinen Freunden darum geworben - wir haben es dann 1992 hinbekommen -, daß wir 20 Prozent Investitionszulagen ausreichen konnten. Es ist also keine neue Erfindung. ({2}) Diese erfolgreiche Politik wollen wir langfristig fortsetzen. Teilweise verdoppeln wir die Investitionszulagen. ({3}) - Meine Vorredner haben das ausführlich dargelegt. Sie können das im Gesetz nachlesen. Durch diese langfristige und sehr vorzeitige Ankündigung anderthalb Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes - regeln wir, was ab 1999 erfolgt, und geben auch Investoren bestimmte Signale. Wir geben zum einen Signale an die, die Abschreibungen noch nutzen wollen; sie müssen ihre Investitionen bis Ende 1998 getätigt haben. Wir sagen zum anderen den Investoren, die längerfristig denken und die Investitionszulagen nutzen wollen: Bereitet euch gut vor, es geht voran; ihr könnt Hilfen von uns in Anspruch nehmen. ({4}) Wir sind mit unserem Konzept der gezielten Investitions- und Existenzgründungsförderung in Ostdeutschland nachweislich erfolgreich. Ich nehme als Beleg dafür einige Daten aus meiner Heimatstadt. In Leipzig befand sich früher ein ausnehmend starkes Verlagswesen; „Buchstadt Leipzig" hieß es früher. Mit der Wiedervereinigung brach dieser Wirtschaftszweig zusammen. Das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig stellte im Januar dieses Jahres fest, daß der Verlust der Arbeitsplätze durch den rasanten Aufbau der Medienbranche im Verlagswesen mehr als nur aufgefangen wurde. ({5}) Heute existieren in Leipzig schon rund 1000 Medienunternehmen, die insgesamt 33 000 Mitarbeiter beschäftigen. Zwei Drittel der Unternehmen wurden nach 1990 gegründet. Jeder zehnte Leipziger arbeitet in den Bereichen Werbung, Marktkommunikation, Rundfunk und Film. Innerhalb von nur sieben Jahren wurde Leipzig damit zu einer Medienstadt. Der Umsatz dieser Medienbranche beträgt heute rund 12 Prozent am Gesamtumsatz aller Branchen und liegt damit noch vor Hamburg und München. Im Kammerbezirk der Handwerkskammer zu Leipzig sind in den Jahren 1990 bis 1996 - nach Abzug der Betriebsschließungen - 3525 Neugründungen erfolgt. Durchschnittlich sind in jedem Handwerksbetrieb elf Personen beschäftigt; 1989 waren es nur vier oder fünf. Die gleiche Entwicklung ist im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Leipzig festzustellen. Gerhard Schulz ({6}) Hier wurden von 1990 bis 1996 netto rund 36 000 Betriebe neu gegründet. Daß wir damit leider nicht die insgesamt weggebrochenen Arbeitsplätze der, wie jeder weiß, überbesetzten DDR-Industrie auffangen konnten, soll nicht verschwiegen werden. Das mindert aber überhaupt nicht die positive Wirkung unserer Förderpolitik. ({7}) Was lehrt uns das? Die Politik des forcierten Strukturwandels ist richtig und trägt Früchte. Die Politik der Förderung von Existenzgründungen ist erfolgreich und führt nachweisbar zu Arbeitsplätzen und Beschäftigung. Vor allem: Die Politik der gezielten Investitionsförderung ist ein ausnehmend effektives Instrument zur Bewältigung des Aufbaus Ostdeutschlands. Wir wollen mit diesem Gesetz sichern, daß es weitergeht. Nun mußten wir im Laufe der letzten Wochen erfahren, daß sich insbesondere die westdeutschen SPD-Länder im Bundesrat gegen die Fortführung der Ostförderung sträuben. ({8}) Hier wurde vorhin von Solidarität gesprochen. Nun wurde mir ein Zitat aus der „Rheinpfalz" vom 5. Juni vorgelegt. Dort wird der Fraktionsvorsitzende der SPD im rheinland-pfälzischen Landtag, Joachim Mertes, mit folgenden Worten zitiert: Im Osten wird jeder Feldweg zur Autobahn ausgebaut. Es wird Zeit, daß die in Bonn merken, daß hier bei uns auch Bedarf besteht. ({9}) Nun wird sich am Verhalten der Länder im Bundesrat zeigen, ob die Aktivitäten, die besonders die SPD-Ostabgeordneten zur Verbesserung der Ostförderung hier im Deutschen Bundestag in der Vergangenheit vorgeführt haben, nur eine Showveranstaltung waren, nach dem Motto: „Die Schwarzen machen ja doch nicht, was wir vorschlagen; da können wir sagen, was wir wollen", ({10}) oder ob das ein Konzept war, das mit den SPD-Länderfürsten abgestimmt und wirklich ehrlich gemeint war. Wir werden es sehen. ({11}) Unabhängig davon zeigt der gemeinsame Entwurf der Ostländer allerdings Ungereimtheiten - sie wurden schon angesprochen -, und zwar bei der Weiterführung der Sonderabschreibungen. Das macht überhaupt keinen Sinn. Erst tönt Herr Voscherau, SPD-Bürgermeister von Hamburg, seine Millionäre würden wegen der Abschreibungsmöglichkeiten kaum Steuern zahlen, und dann kommt die SPD und sagt: Wir wollen bei der Förderung für Ostdeutschland die Sonderabschreibungen beibehalten. Das kapiere ich nicht. ({12}) Leider kann ich an dieser Stelle auch meinen bayerischen Parteifreunden von der CSU ein Wort der Kritik nicht ersparen. ({13}) Der Ehrlichkeit halber muß das gesagt werden. Es mehren sich Stimmen aus München, die das Förderkonzept der Bundesregierung für Ostdeutschland kritisieren und es abspecken wollen. ({14}) Das halte ich für unredlich, und ich richte die Frage nach München: Hat man sich damals, als nach Öffnung der Grenzen 1989 und in den Jahren danach die Menschen aus Sachsen und Thüringen der Wirtschaft gerade in den Grenzgebieten Bayerns riesige Umsatz- und Gewinnzuwächse bescherten, darüber beschwert? - Natürlich nicht. Selbstverständlich wurde diese unerwartete Konjunkturspritze in den strukturschwachen Gebieten mit Freude zur Kenntnis genommen. Sicherlich kann es jetzt durch die Konzentration der Ostförderung zu vereinzelten Betriebsverlagerungen von Bayern nach Sachsen oder Thüringen kommen. Das trifft zu, aber die Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse geschieht doch auch im Interesse Bayerns und seiner Landesgrenzgebiete. Meine Damen und Herren, Fakt ist doch: Wenn wir bei einer Arbeitslosenquote von 19 Prozent nicht die Wirtschaftsentwicklung in den neuen Ländern voranbringen, dann wird das, was an Wirtschaftsförderung eventuell gespart wird, in vielfacher Weise als Transferzahlung für Arbeitslosengeld oder ähnliches notwendig sein. - Das ist der falsche Weg, und deswegen meine Mahnung an Bayern, noch einmal nachzudenken. ({15}) Noch ein Wort zur Diskussion über das Volumen der Investitionsförderung. Der Subventionswert der bisherigen Förderung für 1996 betrug 6,8 Milliarden DM. Nun wird er für die Jahre von 1999 bis 2001 mit jährlich 5,7 Milliarden DM quantifiziert. In den Jahren 2002 bis 2004 sollen es jährlich 4,4 Milliarden DM sein. Diese Annahmen beruhen auf Schätzungen, wie sich das Investitionsverhalten in den neuen Bundesländern in diesen Jahren gestalten wird. Für die Investitionsentscheidung des einzelnen Unternehmers ist es aber entscheidend, wie hoch der Fördersatz ist, ({16}) Gerhard Schulz ({17}) und davon abhängig ist die Summe der geleisteten Förderung. Lassen Sie mich ein Rechenbeispiel anführen, auch wenn es, wie ich zugebe, unvollkommen ist. Wir nehmen einmal an, der Mittelwert der Zulagen sei 15 Prozent; es gibt verschiedene Sätze und verschiedene Zeiträume. Wenn also im Jahr 2001 Mittel in Höhe von 5,7 Milliarden DM für die Förderung ausgegeben werden sollen, dann müssen Investitionen im Umfang von 38 Milliarden DM erfolgen. 15 Prozent von 38 Milliarden DM ergeben einen Betrag der Förderung von 5,7 Milliarden DM. Wenn wir nun die nötigen Reformen im Bereich der Steuer, der Sozialversicherungen, der Rente und der Tarifregelungen, um nur einige zu nennen, nicht zustande bekommen, weil das einige hier im Haus nicht wollen, dann geht die wirtschaftliche Entwicklung nicht voran, und es besteht durchaus die Gefahr, daß nicht diese 38 Milliarden DM investiert werden, sondern vielleicht nur 25 oder 35 Milliarden DM. In diesem Moment beträgt die Fördersumme lediglich 3,75 bzw. 4,5 Milliarden DM, also deutlich weniger als das, was im Finanztableau steht. Können wir aber alle Reformen durchführen, weil die Opposition lieb und einsichtig ist - nehmen wir es doch einmal an -, so ist es durchaus möglich, daß die Investitionen deutlich über 38 Milliarden DM liegen werden. ({18}) Liegen sie beispielsweise bei 40 oder 45 Milliarden DM, so beträgt die Fördersumme 6 oder 6,75 Milliarden DM, also deutlich mehr als das, was im Tableau steht. Die Gesamtförderung ist demzufolge nicht im vorhinein zu beziffern, und eine Debatte ist Augenwischerei und macht keinen Sinn. ({19}) Meine Zeit ist abgelaufen; ({20}) deswegen überblättere ich die Seiten. Meine Bitte an das gesamte Haus ist: Lassen Sie uns dieses Gesetz schnell beraten und noch vor der Sommerpause beschließen! Lassen Sie es uns durch den Bundesrat bringen und in Kraft treten! Wir brauchen es für mehr Wachstum und Arbeitsplätze in Ostdeutschland. Recht schönen Dank. ({21})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Für die Bundesregierung gebe ich das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Hansgeorg Hauser. ({0})

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich ein Wort zum Kollegen Schulz und all denen, die da so kräftig mitgeklascht haben: Ich darf hier feststellen, daß Bayern die Leistungen für die neuen Bundesländer solidarisch mitgetragen hat, sowohl das Land als auch die Kommunen. Ich habe aber auch Verständnis dafür, daß man eine sinnvolle Überarbeitung des Förderkonzeptes, die wir jetzt vorgenommen haben, immer wieder angemahnt hat. Ich hoffe nur, daß die Fördermaßnahmen genauso erfolgreich wirken, wie sie in Bayern gewirkt haben, denn dann werden die blühenden Landschaften sehr, sehr bald auch in den neuen Ländern vorhanden sein, so wie das in Bayern schon seit längerer Zeit der Fall ist. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident des Landes Brandenburg hat in seinem Redebeitrag gesagt, daß die Politik mit der Fortsetzung des Förderkonzeptes für die neuen Länder in einem wichtigen Bereich Handlungsfähigkeit gezeigt hat. Ich kann ihn nur auffordern, daß er diese Handlungsfähigkeit jetzt endlich auch beim Thema Gewerbekapitalsteuer zeigt. ({1}) Denn das Land Brandenburg ist dasjenige Land, das die Einführung der Gewerbekapitalsteuer am intensivsten betreibt. Deswegen möchte ich herzlich darum bitten, daß man nicht nur Lippenbekenntnisse abgibt; ich meine beispielsweise die Herren Ministerpräsidenten. In das Steuerreformkonzept der SPD hat man die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer hineingeschrieben. Wir haben im Ausschuß gehört, daß es sich dabei nur um einen Beschluß des Parteivorstandes handelt und die Fraktion damit offensichtlich wenig zu tun haben will. ({2}) - Das haben wir im Ausschuß zur Kenntnis nehmen müssen. Ich fordere die SPD und die übrige Opposition auf, dem Konzept der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer jetzt endlich zuzustimmen, damit wir ein Stück weiterkommen. ({3})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär Hauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ilte?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Bitte sehr.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte schön.

Wolfgang Ilte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Hauser, ich habe mich eigentlich gemeldet, weil ich eine Zwischenfrage zur Gewerbekapitalsteuer stellen wollte. Ich komme gleich darauf. Ich will versuchen, die eine Frage, die mir zusteht, in zwei Unterfragen zu gliedern. Zum einen: Ist Ihnen bekannt, daß wir im Finanzausschuß, wenn wir über Anhörungen beschließen - das haben die Koalitionsfraktionen ja beantragt -, diese Anhörungen normalerweise zu eingebrachten Gesetzesvorlagen dieses Hauses und nicht zu Präsidiumsbeschlüssen von Parteien durchführen? Wir waren über den Beschluß verwundert, obwohl wir gern bereit sind, künftig etwa zu Präsidiumsbeschlüssen der CDU/CSU im Finanzausschuß Anhörungen zu veranstalten. Damit haben wir kein Problem; deswegen haben wir auch diesem Ansinnen zugestimmt. Meine zweite Unterfrage bezieht sich auf die Gewerbekapitalsteuer. Herr Hauser, Sie haben den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg heftig kritisiert. Daß der Finanzminister von Sachsen eine ähnliche Auffassung vertritt, ist Ihnen ja mittlerweile sicherlich bekannt; Sie haben nur vergessen, es zu erwähnen. Das Problem ist folgendes: Ist Ihnen bekannt, daß der von Ihnen vorgelegte Entwurf zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer - er ist ja immer noch nicht geändert worden - bedeuten würde - das hat mir ja Herr Waigel in der letzten Fragestunde bestätigt -, daß die Ost-Unternehmen doppelt so stark zur Kasse gebeten würden, wie das bei der Gewerbekapitalsteuer der Fall wäre? Ist Ihnen bekannt, daß nach Ihrem Entwurf im Endeffekt die Ost-Unternehmen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer im Westen finanzieren würden?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Kollege Ilte, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie jetzt noch einmal bestätigt haben, daß es sich bei dem Steuerreformkonzept der SPD offensichtlich nur um einen Präsidiumsbeschluß der SPD handelt, der von der Fraktion wohl gar nicht mitgetragen wird. Denn das war ja der Hauptgrund, warum Sie sich so geziert haben, einer Anhörung zu Ihrem Steuerreformkonzept im Finanzausschuß zuzustimmen. Zum zweiten: die Gegenfinanzierung durch die ostdeutschen Betriebe. Wenn man sich die vorgeschlagene Maßnahme einer Reduzierung der degressiven Abschreibung anschaut, dann wird man finden, daß das genau die Betriebe betrifft, die am stärksten von einer Abschaffung bzw. Nichteinführung der Gewerbekapitalsteuer profitieren würden. Gerade im Osten besteht das Problem darin, daß diese Betriebe, die neu investiert und sich verschuldet haben, durch die Hinzurechnung der Schulden von der Gewerbekapitalsteuer stärker belastet würden. Gewinne fallen nicht in derart hohem Ausmaß an, daß sie bei der Berechnung der Steuerschuld durch Inanspruchnahme der degressiven AfA reduziert werden könnten. Das bedeutet, daß man die degressive AfA gar nicht in Anspruch nimmt, sondern in der Regel nur die lineare AfA. Deswegen stimmt die Rechnung nicht, die Sie hier aufmachen. Meine Damen und Herren, der wirtschaftliche Aufbauprozeß in Ostdeutschland hat seit der Wiedervereinigung deutliche Fortschritte gemacht. Hierzu hat die Förderpolitik des Bundes in hohem Maße beigetragen. ({0}) Das haben auch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in ihrem 15. Bericht über die Anpassungsfortschritte in Ostdeutschland bestätigt. Natürlich - das ist heute schon sehr deutlich zum Ausdruck gekommen - gibt es in vielen Bereichen noch spürbare Schwächen. Zwar hat beispielsweise der Kapitalstock je Einwohner über 60 Prozent des westdeutschen Niveaus erreicht - 1991 betrug er nur 46 Prozent -, der Abstand zu Westdeutschland ist aber immer noch beachtlich. Einen weiteren Punkt möchte ich erwähnen: Der Anteil der neuen Länder an der Ausfuhr beträgt nur 2 Prozent. Ich möchte das Märchen, das hier erzählt worden ist, es habe nämlich bestimmte Finanzmächte gegeben, die die Märkte im Osten zusammenbrechen ließen, nachhaltig aus der Welt schaffen. Es hat an wettbewerbsfähigen Produkten gefehlt - das war das Entscheidende -, und gleichzeitig ist die Kaufkraft in den osteuropäischen Ländern weggebrochen. Das waren die Ursachen dafür, warum der Anteil der Ausfuhr in die osteuropäischen Länder nicht aufrechterhalten werden konnte. ({1}) Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands liegt mit 15 Prozent deutlich unter dem westdeutschen Wert. Die industrielle Basis ist noch viel zu gering. Kollege Schulz, es hat keinen Sinn, hier zu klagen, die Banken würden sich nicht ausreichend beteiligen. Ich darf Sie daran erinnern: In anderen Konzepten fordern Sie, die Macht der Banken einzuschränken, sie sollten sich nicht an der Wirtschaft beteiligen. Auch das sollte man sich einmal in Erinnerung rufen. Eines darf man nicht vergessen: Es gibt sehr viele Beteiligungsgesellschaften, es gibt Risikokapitalfonds, denen sehr viel Geld zur Verfügung steht. Dies wird aber deshalb nicht investiert, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Konzepte für wettbewerbsfähige Produkte sind nicht im nötigen Ausmaß vorhanden. Die Entwicklung in den neuen Ländern muß deshalb auch in den kommenden Jahren weiter unterstützt werden. Allerdings ist auf Grund der Fortschritte im Aufbauprozeß eine flächendeckende Förderung - besonders im Bereich des Wohnungsbaus - nicht mehr nötig. Die Förderung des Mietwohnungsbaus sowie des Büro- und Gewerbebaus außerhalb des verarbeitenden Gewerbes kann deshalb deutlich zurückgeführt werden. Die Förderung kann sich nun auf Bereiche konzentrieren, in denen eine weitere Unterstützung besonders wichtig ist. Dies gilt insbesondere für das verarbeitende Gewerbe und die Wohnungsbausanierung. Wir haben insbesondere die produktionsnahen Dienstleistungsbereiche neu in die Förderung aufgenommen - im Unterschied zu dem Antrag, den die neuen Länder im Bundesrat eingebracht haben. Wir wollen der zunehmenden Bedeutung der Dienstleistungen in der modernen Volkswirtschaft Rechnung tragen, und wir wollen damit die Benachteiligung vor allem der selbständigen Dienstleister vermeiden, die bisher von der Förderung ausgeschlossen waren. Wir haben auch das Leasing in das neue Förderkonzept aufgenommen, weil wir der Meinung sind, daß auch hier eine Erweiterung des Finanzspielraums ermöglicht werden muß. Das Förderkonzept ist auf einen befristeten Zeitraum angelegt. Denn wir brauchen auf der einen Seite eine klare zeitliche Perspektive für die Investoren, und auf der anderen Seite wollen wir Dauersubventionen vermeiden. Im Einklang mit den Zielen der großen Steuerreform werden im neuen Förderkonzept die bisherigen Sonderabschreibungen durch eine erhöhte Investitionszulage ersetzt. Das Fördersystem wird dadurch vereinheitlicht und transparenter gestaltet. Durch die Konzentration auf Investitionszulagen werden zudem die Bedürfnisse der mittelständischen Unternehmen in den neuen Ländern, die Sonderabschreibungen nur in geringem Umfang nutzen konnten, stärker berücksichtigt. Wir haben West-Berlin in bestimmten Teilbereichen in das neue Konzept einbezogen. Bei der Investitionszulage für die Wohnungsbausanierung haben wir die Möglichkeit geschaffen, daß bis zum Jahresende 2004 bei Vermietung, begrenzt auf 1200 DM nachträglicher Herstellungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche, bezuschußt werden kann bzw. bei selbstgenutztem Wohneigentum, begrenzt auf 40 000 DM nachträglicher Herstellungskosten, Zulagen gezahlt werden können. Die Verlängerung der umsatzsteuerlichen Sonderregelungen ist bereits angesprochen worden. Kollege Türk, ich kann Ihnen nicht zustimmen, daß wir hier auf 5 Millionen DM aufstocken sollten. Denn das würde bedeuten, daß wir mit Blick auf den Westen eine Sonderregelung für den Osten vornähmen. Auch hinsichtlich der Betriebe im Westen könnte man genügend Argumente finden, das in dieser Form zu gestalten. Das würde aber zu einem erheblichen Steuerausfall führen. Wir sollten, wie Kollege Repnik schon gesagt hat, dieses Konzept nicht isoliert betrachten. Wir sollten versuchen, durch die Steuerreform einen zusätzlichen Schub an Investitionen auszulösen. Hier denke ich insbesondere an ausländische Investoren, die auf Grund deutlich gesenkter Steuersätze neue Anreize bekommen. Die neuen Bundesländer könnten von dieser neuen Investitionstätigkeit erheblich profitieren. Deswegen sollte unser Konzept „Niedrige Steuersätze bei weniger Ausnahmen" auch von Ihnen unterstützt werden, damit wir neue Investoren für unser Land gewinnen. Herzlichen Dank. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/7792 und 13/7789 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 a bis 11 g auf: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Agrarbericht 1997 Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung - Drucksachen 13/6868 und 13/6869 ({0}) Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" - Drucksache 13/6618 -({2}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3}) - Drucksache 13/7429 - Berichterstattung: Abgeordnete Marianne Klappert c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Matthias Weisheit, Horst Sielaff, Anke Fuchs ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Forschung und Forschungsförderung des Bundes im Bereich Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Holzwirtschaft sowie der Entwickung ländlicher Räume - Drucksache 13/2503, 13/3337 - d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Sielaff, Adelheid Tröscher, Anke Fuchs ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Zusammenarbeit in der internationalen Agrarforschung verbessern - Drucksache 13/7678 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Vizepräsidentin Michaela Geiger e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Weisheit, Anke Fuchs ({8}), Ilse Janz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Rahmenkonzept für die Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drucksachen 13/2906, 13/4997 - Berichterstattung: Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({9}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Bahr, Ilse Janz, Christel Deichmann sowie weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD Künftige Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drucksachen 13/4452, 13/5944 - Berichterstattung: Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({10}) - zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P. Fortsetzung der Garantiemengenregelung Milch und Stärkung der Position der milcherzeugenden Betriebe - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, Christel Deichmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Milchquotenregelung in den neuen Ländern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs ({11}), Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Produzierende Milcherzeuger stärken - Drucksachen 13/7180, 13/4905, 13/5751, 13/7742 Berichterstattung: Abgeordneter Peter Bleser Zum Agrarbericht liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der Gruppe der PDS vor. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat außerdem einen Entschließungsantrag zur Großen Anfrage der SPD eingebracht. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Bundesminister Jochen Borchert.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Agrarbericht 1997, über den wir heute diskutieren, zeigt, daß die deutschen Landwirte im Wirtschaftsjahr 1995/96 - das ist der Zeitraum, der im Agrarbericht dargestellt wird - mit einem Plus von durchschnittlich 6,6 Prozent eine positive Einkommensentwicklung verzeichnen konnten. Aber was sagt diese Durchschnittsrate aus? Sie sagt wenig aus, denn den Durchschnittsbetrieb gibt es in der Praxis nicht. Wir müssen uns daher mit den unterschiedlichen Einkommensergebnissen je nach Betriebstyp und Region, ihren Ursachen und den Schlußfolgerungen für die Agrarpolitik auseinandersetzen. Wir müssen auch den weiteren Entwicklungstrend sehen. Für die Haupterwerbsbetriebe im Marktfruchtbau und in der Veredlung ging es 1995/96 mit Gewinnsteigerungen und auch mit zufriedenstellenden Einkommensergebnissen aufwärts. Für die Futterbaubetriebe dagegen war das Wirtschaftsjahr 1995/96 ein schwaches und schwieriges Jahr. Auch im laufenden Wirtschaftsjahr zeichnet sich keine Verbesserung ab, dies vor allem wegen der niedrigen Milch- und Rindfleischpreise. Es ist müßig, über die Gründe für den Preisdruck zu debattieren und zu lamentieren. Die Bäuerinnen und Bauern, die Tag für Tag darunter leiden, haben - ich denke: zu Recht - kein Verständnis für einen akademischen Richtungsstreit. Sie erwarten Taten zur Lösung der Probleme. Deshalb haben wir sofort gehandelt, als die BSE-Krise eintrat, und in Brüssel unmittelbar wirksame Maßnahmen zur Marktstützung und zur Einkommensstabilisierung durchgesetzt. Auch Sie von der Opposition werden nicht bestreiten, daß wir die Maßnahmen sofort durchgesetzt haben. Ich erinnere an die Interventionskäufe, an die Frühvermarktungsprämie und an die Einkommensbeihilfen, die allen Rinderhaltern zugeflossen sind; denn alle Rinderhalter, nicht nur die Mäster, litten und leiden unter der BSEKrise. Diese Maßnahmen waren das Ergebnis sehr intensiver Gespräche mit den Rinderhaltern und entsprechen dem Wunsch der betroffenen Betriebe. Wir werden in unseren Anstrengungen zur Sanierung des Rindfleischmarktes nicht nachlassen. Damit sich die Aussichten nachhaltig verbessern, muß die Rindfleischproduktion den bestehenden Absatzmöglichkeiten angepaßt werden. Die dafür notwendige Produktionsrückführung muß ausgewogen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Berücksichtigung der gewachsenen Produktionsstrukturen erfolgen. Wir müssen deshalb den 1992 mit der Agrarreform eingeschlagenen Weg der Marktentlastung mit Einkommensausgleich weitergehen. Mit dieser Marschrichtung werde ich in die Beratungen über die ReBundesminister Jochen Borchert formvorschläge für den Rindfleischmarkt in Brüssel gehen; in dieser Richtung werde ich Entscheidungen durchsetzen. ({0}) Wir haben in Brüssel bereits den obligatorischen Herkunftsnachweis durchgesetzt und damit den Grundstein für vertrauensbildende Maßnahmen gelegt. Künftig wird europaweit die Rückverfolgung der Herkunft des Fleisches von der Ladentheke bis zum Erzeuger möglich sein. Die Herkunftskennzeichnung bei Rindfleisch gewinnt auch deshalb an Bedeutung, weil uns durch den Hormonstreit neuer Ärger ins Haus steht. Wir wollen doch nicht ein Debakel wie bei BSE erleben, weil die Verbraucher aus Furcht, hormonbehandeltes Fleisch angeboten zu bekommen, ganz auf Rindfleisch verzichten. Deshalb steht für mich fest: Der Einsatz von Hormonen in der Tiermast ist völlig überflüssig und schädlich. ({1}) Wir bleiben bei einem europaweiten Verbot des Einsatzes von Hormonen. ({2}) Im übrigen bestärkt mich der Verlauf des Hormon-Panels in meiner Überzeugung: Die Europäische Union muß offensiv in die nächste WTO-Runde gehen. Dort müssen wir unsere essentiellen Forderungen genauso selbstbewußt vertreten, wie dies Handelspartner in Übersee tun. ({3}) Bei den Verhandlungen über weitere Schritte zur Liberalisierung des Agrarmarktes müssen wir die Grenzen der Liberalisierung sehen. Die Liberalisierung darf die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft, vor allen Dingen ihren Beitrag zur Pflege und zum Erhalt der Kulturlandschaft, nicht gefährden. Deshalb muß es das Ziel der europäischen Verhandlungsstrategie sein, daß wir Mindeststandards für eine umweltverträgliche und tierschutzgerechte Landwirtschaft sowie Hygienestandards für einen vorbeugenden Verbraucherschutz viel stärker berücksichtigen und durchsetzen, als das bisher der Fall gewesen ist. Diese Standards, die wir in den WTO-Verhandlungen fordern und durchsetzen müssen, müssen unseren europäischen Regelungen entsprechen. Denn wir brauchen auch in Zukunft Rahmenbedingungen, die die Leistungen der bäuerlichen Landwirtschaft in Europa - unabhängig von den Schwankungen des Weltmarktes - absichern, wenn wir die Kulturlandschaft erhalten und die ländlichen Räume fördern wollen. ({4}) Die Grenzen der Liberalisierung werden am Beispiel der Milch besonders deutlich. Auf vielen Grünlandstandorten gibt es nämlich keine vernünftige Alternative zur Milchproduktion. ({5}) Wir können zwar Butter und Milchpulver zu äußerst niedrigen Preisen importieren, aber eine gepflegte und abwechslungsreiche Landschaft können wir uns nicht frei Haus liefern lassen. Sie ist das Ergebnis der tagtäglich harten Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern. Deswegen müssen wir der Liberalisierung dort Grenzen setzen, wo der Fortbestand dieser Leistungen gefährdet wird. ({6}) Meine Damen und Herren, es gibt nichts daran herumzudeuteln: Die derzeitige Situation am Milchmarkt ist alles andere als zufriedenstellend. Manche leiten aus den Problemen die Forderung ab, die Milchquoten ab dem Jahr 2000 ersatzlos abzuschaffen und die Milchproduktion freizugeben. Was passieren würde, wenn die Produktionsbeschränkungen aufgehoben würden, liegt, denke ich, auf der Hand: Ausdehnung der Milchproduktion auf Teufel komm raus in Betrieben mit niedrigen Produktionskosten - die Regionen dafür liegen vielfach außerhalb Deutschlands -, verschärfter Druck auf die Erzeugerpreise, Abwanderung der Milch aus benachteiligten Regionen und damit die Aufgabe einer flächendekkenden Landbewirtschaftung und Preisgabe unserer gepflegten Kulturlandschaft. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung ist mit uns, mit der Bundesregierung und der Koalition, nicht zu machen. ({7}) Auch alle anderen Modelle, die diskutiert werden - A-B-Modelle und andere -, weisen im Vergleich zur Quotenregelung mehr Nachteile als Vorteile auf. Deshalb lautet die Kernforderung des Positionspapiers, das ich in Brüssel vorgelegt habe: Fortführung der Quotenregelung über das Jahr 2000 hinaus. Bis zu dieser Entscheidung über eine Fortführung der Quotenregelung müssen die Sonderregelungen für die neuen Länder verlängert werden, damit wir in den alten und neuen Bundesländern die Neuregelung umsetzen können. ({8}) Dringend erforderlich sind auch kurzfristige Aktivitäten zur Verbesserung der schwierigen Einkommenssituation der Milcherzeuger. Hier hat die Diskussion beim letzten Agrarrat und beim informellen Treffen gezeigt, daß inzwischen bei anderen Mitgliedstaaten ebenfalls die Schmerzgrenze erreicht ist. Unsere sehr intensiven bilateralen Gespräche haben dazu geführt, daß wir in dieser Forderung von vielen anderen Mitgliedstaaten unterstützt werden. Die geltenden WTO-Regelungen bieten durchaus noch Handlungsspielraum für die Marktverwaltung, und zwar sowohl bei den Exportmengen als auch bei den Mittelvolumen. Die Kommission steht hier in der Pflicht. Sie muß die vorhandenen Instrumente der Beihilfen- und Erstattungspolitik umfassend nutzen, um den Preisdruck abzumildern. Sie muß aufhören mit der phantasielosen Senkung der ExporterstattunBundesminister Jochen Borchert gen und muß die Rahmenbedingungen des GATT-Vertrages, der WTO-Regelungen zur Stützung der Milchpreise und damit der Milcherzeuger voll nutzen. ({9}) Meine Damen und Herren, vor allem mit Hinblick auf die noch bestehenden strukturellen Defizite muß aber auch die Wirtschaft selbst aktiv werden. Auf der Produktionsebene sind die Möglichkeiten zur Kostensenkung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vielfach noch nicht ausgeschöpft. Auch in der Vermarktung sind weitere strukturelle Verbesserungen notwendig, um das Problem der Überkapazitäten in der Vermarktung zu lösen und um ein stärkeres Gegengewicht zur dominierenden Marktmacht des Handels zu schaffen. Nur so ist längerfristig sicherzustellen, daß bei uns nicht nur noch der Rohstoff Milch produziert, dieser aber woanders verarbeitet wird, so daß ein möglichst hoher Anteil der Wertschöpfung im Land erfolgt und über eine optimale Vermarktung auch die Milcherzeugerpreise gestützt und erhöht werden können. ({10}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer Verantwortung, den unvermeidbaren Strukturwandel zu unterstützen und sozialverträglich zu gestalten. Die Aufwendungen des Bundes für die Agrarsozialpolitik, die den Leistungsempfängern Sicherheit bieten und die aktiv Wirtschaftenden tendenziell entlasten, sprechen in ihrer Ausgestaltung und in ihrer Höhe für sich selbst. Darüber hinaus ist und bleibt die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe ein zentrales Element der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes". Natürlich schmerzt es, daß der Mittelansatz für die Gemeinschaftsaufgabe in diesem Jahr geringer ausfällt als im vergangenen Jahr. Bei manchen Klagen darüber erinnere ich natürlich daran, wie viele Mittel im vergangenen Jahr von bestimmten Ländern nicht abgerufen worden sind. ({11}) Natürlich könnten wir noch mehr wünschenswerte Maßnahmen fördern, wenn die Steuerquellen reichlicher sprudeln würden. Herr Kollege Sielaff, ich finde es schon interessant, daß Sie die Kürzungen im Agrarbereich immer kritisieren, in jeder haushaltspolitischen Debatte mehr Einsparungen fordern, aber hier nicht sagen, wie der Haushalt konsolidiert werden soll, ohne daß der Agrarbereich seinen notwendigen Beitrag dazu leistet. Diese Doppelzüngigkeit müssen Sie innerhalb Ihrer Fraktion klären. ({12}) Ich denke, Wunschträume helfen uns nicht weiter. Mit den Einsparungen in der Gemeinschaftsaufgabe hat der Agrarbereich seinen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten müssen und geleistet. Aber die notwendigen Kürzungen sollten jetzt in den Bereichen erfolgen, in denen sie noch am ehesten zu verkraften sind, also zum Beispiel bei der Dorferneuerung oder in der Wasserwirtschaft. ({13}) Ich denke, hier können wir einige Jahre lang auf Maßnahmen verzichten, ohne daß dies gravierende Auswirkungen hat. Auf der anderen Seite müssen die unverzichtbaren Maßnahmen wie die einzelbetriebliche Förderung und der Küstenschutz so weit wie möglich von Kürzungen verschont bleiben. ({14}) Deswegen begrüße ich es, daß wir - so sieht es im Augenblick aus - mit den Ländern einig sind, 1997 den finanziellen Schwerpunkt auf die einzelbetriebliche Investitionsförderung zu legen. Wir werden natürlich, Herr Kollege Carstensen, im Laufe des Jahres 1997 sehr genau beobachten, wie die Länder diese Mittel einsetzen und ob sie diese Schwerpunktbildung auch wirklich vollziehen oder ob möglicherweise zusätzlich bei der einzelbetrieblichen Förderung gezielt gekürzt wird. ({15}) Meine Damen und Herren, der Strukturwandel im Agrarbereich hat natürlich auch Konsequenzen für die weitere Nutzung der Bausubstanz in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben. Wir wollen die Umnutzung der Bausubstanz, die nicht mehr für land-und forstwirtschaftliche Zwecke benötigt wird, als eigenständigen Fördertatbestand in die Gemeinschaftsaufgabe aufnehmen. Damit wollen wir ein Zeichen setzen und eine Initialzündung auslösen, um bäuerliches Vermögen und wertvolles Kulturgut zu erhalten. Wir wollen dieses Vermögen einer weiterhin sinnvollen Nutzung zuführen. Neben der Erschließung zusätzlicher Einkommensmöglichkeiten für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe können von der Umnutzung aber auch positive Impulse für das Arbeitsplatzangebot im ländlichen Raum ausgehen. Wir sollten auch nicht vergessen: Durch den Verzicht auf sonst notwendige Neubauten wird der Flächenverbrauch reduziert und der Zersiedelung der Landschaft entgegengewirkt. Ich hoffe, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe angesichts dieser Vorteile eine breite Mehrheit finden wird. Ich erhoffe mir auch eine breite Unterstützung bei den Änderungen im Bundesbaugesetzbuch, die zur Stunde im Bundesrat behandelt werden. Die bisherigen Beratungen haben gezeigt, daß auch hier die Devise der Opposition einmal mehr heißt: taktieren und blockieren! Die Diskussion hierüber war wieder einmal bezeichnend für das merkwürdige Verständnis des Eigentumsbegriffs bei SPD und Grünen. Da greift der grüne Bauminister Vesper aus Nordrhein-Westfalen in die ideologische Mottenkiste und zieht die Forderung nach einem Planungswertausgleich heraus. Aus der gleichen Ecke kommt beim Bundesnaturschutzgesetz die Forderung, daß die Flächeneigentümer selbst für naturschutzbedingte Zusatzkosten und -belastungen aufkommen sollen - frei nach dem Motto: Wertsteigerungen sozialisieren und Wertverluste privatisieren. ({16}) Das alles auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern. Auch in Ihrem Entschließungsantrag zum Bundesnaturschutzgesetz haben Sie erneut die Streichung der Ausgleichszahlungen gefordert. ({17}) - Ich zitiere den Entschließungsantrag der SPD. Dann setzen Sie sich doch innerhalb Ihrer Fraktion durch! ({18}) - Ich nehme zur Kenntnis, Herr Sielaff, daß Sie anderer Meinung als die SPD-Fraktion sind. Aber nur zu fragen, wie die Länder das bezahlen sollen, reicht nicht aus. Dann müßte man es streichen und sagen, die Bauern sollen die Belastungen tragen. Aber wenn es für die Länder zu teuer ist, ist es für die Bauern erst recht zu teuer. ({19}) Wenn die Länder es nicht bezahlen können, müssen weniger Auflagen beschlossen und verhängt werden. Dann ist es finanzierbar. Ich kann aber doch nicht sagen, daß deswegen, weil die Kassen der Länderhaushalte leer sind, es die Bauern selber bezahlen müssen. Diese Lastenverschiebung wird es mit uns nicht geben. ({20}) Herr Sielaff, Sie haben aber noch die Chance, im Bundesrat zu zeigen, daß Sie bereit sind, etwas im Interesse der Bauern und des Naturschutzes zu tun. Unser Land braucht eine leistungsfähige und für neue Chancen offene Landwirtschaft, die uns mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt, nachwachsende Rohstoffe für die industrielle Weiterverarbeitung bereitstellt, umweltschonend und tierschutzgerecht wirtschaftet und auf diese Weise die Erhaltung und Pflege unserer Kulturlandschaft sicherstellt. Um all diese Aufgaben zu erfüllen, brauchen unsere Bäuerinnen und Bauern unsere Unterstützung. Der Agrarbericht 1997 zeigt: Auf diese Bundesregierung und die Koalitionsparteien können sich die Bäuerinnen und Bauern verlassen. Wir werden, wie schon bisher, mit einem breiten Bündel von Maßnahmen helfen und dieses Bündel einsetzen, um die bäuerlichen Einkommen zu sichern, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zu verbessern, um den Strukturwandel zu unterstützen und sozial abzufedern, kurz gesagt: um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß unser Land dank der Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft Lebens- und liebenswert bleibt. Vielen Dank. ({21})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Sielaff, SPD-Fraktion. ({0})

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie werden nicht verwundert sein, daß unsere Bilanz dieses Agrarberichtes eine völlig andere ist als Ihre, Herr Minister. Wir stellen fest: Der Bundesminister Borchert baut ab. In dieser Woche wird die Koordinierungs- und Kommunikationsabteilung des BML, von mir bei Einführung 1993 als „konzentrierte Bürokratie" tituliert, abgebaut. Der Aufbau einer solch aufgeblähten Leitungsebene des Ministeriums war damals schon, gelinde gesagt, überflüssig; ihr Abbau war überfällig. Hierzu, Herr Borchert, gratuliere ich Ihnen ausdrücklich. Sie sind endlich unserer Forderung vom 1. März 1993 nachgekommen. Vielen Dank. ({0}) Es bleibt zu hoffen - mehr wage ich nicht zu sagen -, daß mit dem Abbau des Küchenkabinetts die Fachebene des Ministeriums wieder mehr zum Zuge kommt. Umfassende fachliche Beratung von unabhängigen und qualifizierten Beamten und Angestellten des BML ist dringend geboten. Die Ergebnisse Ihrer Agrarpolitik, Herr Borchert, machen das deutlich. Den Rat politisch abwägen, dann politisch entscheiden und es politisch verantworten, das müssen Sie selbst, das kann Ihnen niemand abnehmen, übrigens auch nicht ein noch so großer Berufsverband an Ihrer Seite. Mit dem Führungswechsel kommt dort das demokratische Kräftespiel mit klaren Interessenabgrenzungen hoffentlich wieder mehr in die richtigen Gleise. Langjährige, enge präsidiale Beziehungen hinterlassen sicherlich deutliche Spuren, und es ist bestimmt nicht gut, wenn draußen der Eindruck entsteht oder der Minister in den Geruch kommen kann, Befehlsempfänger eines großen Verbandes zu sein. Der Bundesminister Borchert baut ab. Er demontiert nicht erst seit heute sein mit viel Propaganda 1993 herausgebrachtes Agrarkonzept „Der neue Weg - Agrarstandort Deutschland sichern" . PrinziHorst Sielaff piep bäuerlichen Wirtschaftens, Flächenbindung der Tierhaltung, verantwortungsvoller Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren, all diese Vokabeln des Konzepts werden zu leeren Worten, wenn es zum Beispiel um Legehennenanlagen mit 800000 Plätzen in achtstöckigen Käfigen geht. Nach Auffassung des Ministers ermöglichen sie eine kostengünstige und wettbewerbsfähige Eierproduktion gegenüber Importen. So jedenfalls hieß es in der Antwort auf Drucksache 13/7722 von Mitte Mai dieses Jahres. Vom Ziel seiner Agrarpolitik, eine leistungs- und wettbewerbsfähige, marktorientierte und umweltverträgliche Landwirtschaft, also eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft, zu erreichen, bleibt da nichts mehr übrig. ({1}) Gewerbliche Unternehmen dieser Größenordnung sind nach unserer Auffassung nicht unter Landwirtschaft zu subsumieren. Sie entziehen landwirtschaftlichen Betrieben Produktionspotentiale und damit Einkommensmöglichkeiten, sind nicht tierart- und tierschutzgerecht und schon gar nicht, meine Damen und Herren, bäuerlich. ({2}) Ob denn die Rahmenbedingungen überhaupt ausreichen oder Änderungen angezeigt sind, um die landwirtschaftliche Urproduktion und vor allem die Veredelungsproduktion langfristig in landwirtschaftlichen Unternehmen zu halten, wird überhaupt nicht beantwortet, auch heute nicht. Nebelkerzenartige Analysen sollen die Konzeptionslosigkeit und die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des mit viel Aufwand propagierten Agrarkonzepts verschleiern. ({3}) Bundesminister Borchert baut ab. Dabei helfen ihm ganz kräftig die gesamte Bundesregierung und offensichtlich auch die Regierungskoalition, vor allem aber Bundesfinanzminister Waigel. ({4}) Die Bundesmittel zur Förderung von Investitionen in der Landwirtschaft und in den Dörfern werden in diesem Jahr um 500 Millionen DM gekürzt. Sie verhindern damit wichtige Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation in landwirtschaftlichen Unternehmen. Sie verhindern damit die Verbesserung der Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen. Nicht zuletzt ist das auch ein Beitrag zur Verschlechterung der Beschäftigungssituation insbesondere in schwach strukturierten ländlichen Räumen. Verstärkt hat die Bundesregierung diese negativen Entwicklungen mit der laufenden Verschiebung des Termins für die Entscheidung des Planungsausschusses für Agrarstruktur und Küstenschutz über den Rahmenplan 1997. Entscheidungen über notwendige Investitionen wurden dadurch verzögert. ({5}) Beschäftigungswirksame Maßnahmen wurden behindert - durch diese Bundesregierung. ({6}) Das proklamierte Ziel Ihrer Agrarpolitik, eine leistungs- und wettbewerbsfähige, marktorientierte, umweltverträgliche Landwirtschaft zu erreichen, wird in einigen Bundesländern zudem durch Ihre Kürzungen und Ihr Verhalten nahezu zum Nullsummenspiel. 1996 hatte beispielsweise Bayern nur noch 9,6 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel verfügbar, um neue Bewilligungen für Investitionen auszusprechen. In Baden-Württemberg lag dieser Anteil bei 12,4 Prozent. Man kann sich ausrechnen, wie dieses Ergebnis für 1997 bei einer Kürzung der Bundesmittel um 500 Millionen DM in diesen Ländern aussieht. Aktive Politik zugunsten von landwirtschaftlichen Unternehmen und ländlichen Räumen ist in diesen Ländern kaum noch möglich. Auch das ist ein Ergebnis der verfehlten Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik dieser Bundesregierung in den letzten Jahren.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bredehorn?

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, Sie haben die Kürzung der Bundesmittel um 500 Millionen DM hier sehr kritisch gesehen. Die Kürzung ist sicherlich sehr schmerzlich. Haben Sie, hat die SPD denn eventuell Vorstellungen - wir sind uns ja wohl alle einig, daß wir den Haushalt nicht weiter ausweiten können -, woher wir die Mittel aus dem Agrarhaushalt nehmen können? Es kann ja nur um eine Umschichtung gehen. Haben Sie dazu Vorstellungen?

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Bredehorn, wir haben wiederholt gesagt, daß man sich zusammensetzen und überlegen sollte, in welchen Bereichen Einsparungen möglich sind, ({0}) wo Ausgleichszahlungen nicht sinnvoll eingesetzt sind, damit wir erreichen, daß der ländliche Raum vor Ort mehr entscheiden kann, und wir nicht automatisch Kürzungen vornehmen. Ich nehme auch gleich ein zweites Beispiel, bei dem Sie sicherlich auch zustimmen werden, daß das nicht gerade glücklich ist. ({1}) Auch in der Ressortforschung wird abgebaut. Die Mittel für die Ressortforschung werden in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent gekürzt. Das bedeutet einen Rückgang der Beschäftigung in den Forschungseinrichtungen um den gleichen Anteil. Bisher wurde versäumt, zum Beispiel eine inhaltliche Neubestimmung der Forschungsbereiche vorzunehmen und das Parlament damit zu befassen. Dies alles geschieht in einer Zeit veränderter agrarpolitischer Rahmenbedingungen und sich wandelnder gesellschaftlicher Anforderungen an die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sowie den ländlichen Raum. Dabei steht außer Zweifel, daß der strukturelle Anpassungsbedarf dieser Sektoren erheblich ist. Er geht weit über den Agrarbereich hinaus. Für die Entwicklung des natürlichen Lebensraumes, für die Erfüllung der Verbrauchererwartungen an Lebensmittel und für die Produktion erneuerbarer Rohstoffe in Deutschland ist die Forschung bedeutsam. Eine inhaltliche Neubestimmung der Forschungsbereiche ist mehr als überfällig und im Interesse unserer Land- und Ernährungswirtschaft dringend geboten. ({2}) Herr Hornung, Bundesminister Borchert baut - gemeinsam mit dem CSU-Bundesfinanzminister - die Steuervergünstigungen der Land- und Forstwirtschaft ab. Das tun auch wir mit unseren Vorschlägen. Soziale Gerechtigkeit und beschäftigungswirksame Impulse stehen bei uns jedoch im Vordergrund. Die Vorschläge der Sozialdemokraten sind Berechnungen zufolge für die landwirtschaftlichen Unternehmen um 100 bis 120 Millionen DM günstiger als die von CDU/CSU und F.D.P. Bundesminister Borchert und die Bundesregierung benachteiligen außerdem im Zusammenhang mit der Steuerreform landwirtschaftliche Unternehmen. Gewerbliche Großunternehmer der flächenungebundenen Tierproduktion zum Beispiel werden begünstigt. Mit der im Vorschlag der Koalition vorgesehenen vergleichsweise starken Spreizung der Spitzensteuersätze besteht die Gefahr, daß die agrar- und umweltpolitisch gewollte flächengebundene Tierhaltung in landwirtschaftlichen Unternehmen noch stärker als bisher in gewerbliche Großunternehmen, in flächenunabhängige Tierhaltung abwandert. Auch dies widerspricht eindeutig den vielgepriesenen und vielpropagierten Zeichen von Borcherts Agrarkonzept aus dem Jahre 1993. Das widerspricht auch einer sinnvollen, umweltpolitisch gewollten Kreislaufwirtschaft. Ich bin froh, daß der Agrarsprecher der CDU/CSU im Ausschuß auf Fragen von mir versprach, mitzuhelfen, dies im Rahmen der Beratungen zu korrigieren. Bundesminister Borchert hat auch die Erzeugerpreisentwicklung bei Rindfleisch und Milch mitzugestalten. Er ist doch nicht nur Zuschauer. Insofern kann er nicht so tun, als gebe er hier eine Analyse und sei in der Verantwortung nicht selber gefordert. Zur Milchpolitik hat er einiges gesagt. Meine Kollegin Jella Teuchner wird das eine oder andere aufgreifen. Auch hier sind wir in der Analyse einig. Nur, von einer Zukunftsperspektive für Landwirte und Bauern gerade in den Mittelgebirgslagen und an benachteiligten Standorten haben wir nichts gehört. ({3}) Erschwerend kommen ja auf Grund wissenschaftlicher und politischer Fehleinschätzungen bestehende Überkapazitäten im Schlachthof- und Molkereibereich hinzu. Sie sind kostentreibend und damit erzeugerpreissenkend. Obwohl mit viel Steuermitteln gefördert, ist nicht erkennbar, welchen Beitrag die Bundesregierung zur Lösung auch dieses Problems und damit zur Stabilisierung der Erzeugereinkommen leisten will. Der Versuch im Jahre 1996, über ein Strukturkrisenkartell im Schlachthofbereich eine Bereinigung herbeizuführen, ist kläglich gescheitert. Auch hier ist die Bundesregierung mit in der Verantwortung. Es wird also höchste Zeit, daß in der deutschen Agrarpolitik bald wieder frischer Wind weht. Herr Bundesminister Borchert, Ihre Politik ist durch Orientierungslosigkeit, ich sage es noch deutlicher: durch politisches Versagen gekennzeichnet. Trotz großer Aufgaben in Landwirtschaft und ländlichem Raum entwickelt sich das BML immer mehr zur Bedeutungslosigkeit hin. ' ({4}) Zwei Drittel Ihres Etats werden in Ihrem Hause von einem Referat verwaltet. Die übrigen rund 90 Referate teilen sich den Rest. ({5}) Dabei liegt die letztendliche Federführung für die Agrarsozialpolitik gar nicht im BML, sondern im BMA. Muß angesichts der verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung weiter gekürzt werden und geht das nach dem bisherigen Muster - Kürzungen bei der Förderung zukunftsträchtiger und arbeitsschaffender Investitionen und zukunfts- und innovationsträchtiger Forschungsbereiche - , kann man sich die Entwicklung des BML hin zur Bedeutungslosigkeit ausmalen. Herr Borchert, Sie müssen aufpassen, daß das BML nicht eines Tages zu je einer Abteilung im Arbeits- und Wirtschaftsministerium wird. Wir Agrarpolitiker in der SPD sind entschieden gegen eine solche Entwicklung. Für uns ist Agrarpolitik mehr als Politik nur für Landwirte. Agrarpolitik ist für uns Politik für den Erhalt und die Entwicklung des ländlichen Raumes, Politik für alle Menschen im ländlichen Raum. Wir bedauern, daß der Agrarminister hier sehr kurzsichtig ist und mit dazu beiträgt, daß sein Ministerium nicht der Bedeutung entsprechend nicht stärker in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich. ({6})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Egon Susset, CDU/CSU-Fraktion.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich unserem Bundeslandwirtschaftsminister und seinem Hause - im Gegensatz zu dem, was der Kollege Sielaff hier zu Gehör brachte - für die gute Arbeit in Bonn und in Brüssel herzlich danken. ({0}) Vor allen Dingen möchte ich auch für die gute Zusammenarbeit danken. Der Kollege Sielaff hat mich in eine schwierige Situation gebracht, und zwar einfach deshalb, weil ich erstens von einem Oppositionspolitiker heute eine ganz andere Rede erwartet hätte und weil ich zweitens das, was ich hier eigentlich sagen wollte, aus Zeitgründen nicht im vorgesehenen Umfang vortragen kann. ({1}) Der Herr Kollege Sielaff hat davon gesprochen, daß man sich zusammensetzen soll. ({2}) - Wir sitzen jeden Mittwoch zusammen. Herr Kollege Sielaff, ich möchte darüber berichten, welche Ergebnisse entstehen, wenn sich diejenigen zusammensetzen, die innerhalb der Sozialdemokratischen Partei das Sagen haben. Beim Europakongreß der Sozialdemokraten wurde vor einem Irrweg in der Agrarpolitik gewarnt. Dabei hat der Bundesvorsitzende der SPD, Lafontaine, seine Meinung zum Ausdruck gebracht. Herr Samland, der Haushaltsexperte der SPD auf europäischer Ebene, hat in etwa das wiederholt - das wurde dann auch beschlossen -, was Frau Wulf-Mathies aus Brüssel schon seit langem f ordert und was Frau Wieczorek-Zeul einmal allein und ein anderes Mal zusammen mit dem Kollegen Sielaff - auch er durfte mal dabeisein, wenn es etwas zahmer werden sollte - zum Ausdruck gebracht hat. Herr Samland erklärte: Zugleich wird eine grundlegende Reform der Agrarpolitik in Form einer Teilliberalisierung durch Abschmelzen von Exportsubventionen und Marktordnungen gefordert. Zum Ausgleich von Einkommensverlusten sollen die Landwirte dann Flächenprämien bekommen. Aber pro Jahr müssen mindestens 15 Milliarden DM eingespart werden. Das sagte der SPD-Europaabgeordnete Detlev Samland. Ich habe jetzt zufällig eine Pressemeldung zu diesem Kongreß; es gibt aber mehrere.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter Susset, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sielaff?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. Wir sind zwar ein bißchen unter Zeitdruck, aber ich lasse genügend Zwischenfragen zu. ({0})

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Susset, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen - ich war selbst Teilnehmer an diesem Kongreß und kenne alle Reden und Veröffentlichungen sehr genau -, daß Herr Samland von der leider gegebenen Situation ausgeht, daß der EU-Agrarhaushalt keine weiteren, zusätzlichen Mittel bekommen wird und daß wir bei einer Osterweiterung der EU gezwungen sein werden, den Haushalt zu durchforsten, und daß sich die Zahlen darauf beziehen? ({0}) Das heißt, er hat eindeutig gesagt, daß wir einfach davon ausgehen müssen, daß wir bei einer Osterweiterung der EU mit weniger Geld auskommen müssen. In bezug auf die Exportsubventionen gibt es bei uns in der Tat den Vorschlag, in vielen Bereichen einzusparen, weil die Subventionen zum Teil unsinnig sind.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Samland hat das wiederholt, was Frau Wulf-Mathies in Brüssel fordert und was Frau Wieczorek-Zeul als eure Europaexpertin schon lange fordert, nämlich: Weg mit den Mitteln aus dem Agraretat, hin zu anderen Projekten. Daß auf Bundesebene - auch das wurde schon angesprochen - Mittel gekürzt wurden, bedauern wir. Aber waren es nicht ausschließlich SPD-regierte Länder, die seither nie bereit waren, die Mittel, die für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung gestellt werden, auch tatsächlich abzurufen? Das hat dann sicherlich zu diesem Ergebnis geführt. Meine Damen und Herren, ich komme im Verlauf meiner Ausführungen, wenn meine Redezeit es zuläßt, noch auf den einen oder anderen Punkt, der hier schon angesprochen wurde. Nach einem Gewinnanstieg im vergangenen Wirtschaftsjahr müssen die landwirtschaftlichen Betriebe im laufenden Wirtschaftsjahr leider wieder rückläufige Einkommen verkraften; das zeigt die Vorschätzung für das laufende Wirtschaftsjahr. Deutliche Gewinneinbußen zeichnen sich bei den Futterbaubetrieben ab. ({0}) Die Lage der Milcherzeugungs- und Rindermastbetriebe - das ist der Großteil der Betriebe - ist so angespannt wie selten zuvor. ({1}) Eine der Ursachen dafür ist die BSE-Rinderseuche in Großbritannien. Auch das muß man sagen. Im Bereich der Sonderkulturen hatte lediglich der Obstbau einen mäßigen Gewinnanstieg. Daher müssen auch im Sonderkulturbereich Erschwernisse verEgon Susset mieden werden. Vor dem Hintergrund einer Diskussion, die zur Zeit überall geführt wird, sage ich: Es muß im Weinbau, im Obstbau und im Gemüsebau auch möglich sein, Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland einzusetzen, solange der deutsche Arbeitsmarkt nicht in der Lage ist, zu zumutbaren Bedingungen entsprechende Arbeitskräfte anzubieten. Anderenfalls - das sage ich hier deutlich - würde die Existenz vieler Sonderkulturbetriebe aufs Spiel gesetzt. Das möchte ich hier festgehalten haben. Die Betriebsergebnisse in der Landwirtschaft variieren in Abhängigkeit von der Betriebsform und der Betriebsgröße sowie von Region zu Region. Unternehmerischer Einsatz und Nutzung von Rationalisierungsreserven unter anderem durch Kooperation machen sich bezahlt. Dies wird im Bericht immer wieder bewiesen. Der Strukturwandel hat sich vor dem Hintergrund nicht gerade günstiger Perspektiven beschleunigt. ({2}) Die strukturelle Anpassung muß verkraftbar sein. Daher lassen sich strukturelle Schwächen nicht von heute auf morgen beseitigen. Die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft in den neuen Ländern hat sich - auch dank der Förderung - weiter stabilisiert. Die Agrarpolitik hat die Rahmenbedingungen für eine gesicherte Zukunft der Landwirtschaft verantwortlich zu gestalten und die Entwicklung zu leistungsfähigen Betrieben zu unterstützen. Politik kann aber unternehmerisches Handeln und Eigenverantwortung nicht ersetzen. ({3}) Unsere Landwirte stehen im Wettbewerb mit ihren Kollegen in den anderen Mitgliedstaaten der EU und darüber hinaus. Vorrangig ist daher der Abbau von Wettbewerbsnachteilen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft im europäischen Binnenmarkt. Sonderlasten der deutschen Landwirtschaft müssen beseitigt werden. Wir setzen auf eine termingerechte Einführung der gemeinsamen Währung Euro. ({4}) Mit der Währungsunion entfallen die Wechselkursrisiken, die in der Vergangenheit den deutschen Landwirten zu schaffen gemacht haben. Der Euro verringert die Kosten, verbessert die Wettbewerbslage und erhöht die Planungssicherheit. Auch hausgemachte Wettbewerbshemmnisse müssen angegangen werden. Im Ausschuß haben wir ein Bodenschutzgesetz verabschiedet. Gestern haben wir das Naturschutzgesetz verabschiedet. Sache der Länder ist es nun, überzogene Produktionsauflagen und bürokratische Hemmnisse in diesem Bereich soweit wie möglich abzubauen. Dies ist unabdingbar, um den unternehmerischen Handlungsspielraum unserer Landwirte zu erweitern und die Produktion kostengünstiger zu machen. Unredlich ist es, notwendige Sparmaßnahmen im nationalen Agrarhaushalt 1997 anzuprangern, wie gerade durch den Kollegen Sielaff geschehen, andererseits aber auf Kongressen, auf denen diejenigen vertreten sind, die das Sagen haben, anderes zu beschließen. Ich meine das, was der SPD-Europaabgeordnete Samland mit der von ihm geforderten Kürzung der EU-Mittel um 15 Milliarden DM künftig politisch umsetzen zu können glaubt. ({5}) - Herr Bangemann hat zumindest bisher so einen Blödsinn nicht gesagt. In dem Falle, daß er es sagen sollte, werden wir uns nicht scheuen, auch Herrn Bangemann von diesem Pult aus oder sonstwo zu sagen, was unsere Meinung ist. ({6}) Flächendeckende, standortgerechte Landbewirtschaftung läßt sich auf mittlere Sicht nur bei angemessenem Außenschutz gegenüber dem Weltmarkt und mit ausreichendem Stützungsniveau im europäischen Markt sichern. Zur Sicherung des Agrarstandorts Deutschland gehören auch Maßnahmen der Steuer- und Sozialpolitik. ({7}) Die ursprünglichen Pläne konnten verhindert werden, etwa die vorgesehene Abschaffung der Pauschalierung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes. Damit bleibt der Land- und Forstwirtschaft auch weiterhin der Effekt der Steuervereinfachung erhalten. Die besonderen Wirtschaftsbedingungen der Land- und Forstwirtschaft erfordern weitere steuerpolitische Maßnahmen; darüber diskutieren wir zur Zeit. Steuerpolitik hat auch die Aufgabe, die Entwicklung der Landwirtschaft und ihre strukturelle Anpassung zu unterstützen. ({8}) Im Ergebnis muß auch die Land- und Forstwirtschaft vor allem im mittleren Einkommensbereich an den Entlastungen durch die Reform teilhaben. Ich komme nun zur Sozialpolitik. Es wird sehr oft davon geredet, die Mittel würden nach dem Gießkannenprinzip zur Verfügung gestellt. Das ist nicht richtig. Die Sozialpolitik unterstützt auch die wirtschaftenden Betriebe. ({9}) In der Alterssicherung, der Kranken- und Unfallversicherung werden die beitragszahlenden Landwirte durch umfangreiche Bundesmittel entlastet. Das ist für die wirtschaftenden Betriebe wichtig. ({10}) - Die Agrarsozialpolitik hat nicht die SPD erfunden, sondern es war die CDU/CSU. Die Agrarpolitik kann Entwicklungen nur flankieren und fördern. Die Betriebsinhaber müssen alle sich bietenden Chancen nutzen. So eröffnet zum Beispiel - der Bundesminister hat schon darauf hingewiesen - die kürzlich beschlossene Änderung des Bau- und Raumordnungsgesetzes mehr Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit für zusätzliche Einnahmen. Landwirtschaftliche Gebäude können künftig auch im Außenbereich zum Beispiel für Handwerks- und Dienstleistungszwecke umgebaut werden. So wird der Strukturwandel vernünftig flankiert. Mit dem Gesetz zur Änderung der Gemeinschaftsaufgabe, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, schaffen wir die Grundlage für die Förderung der Gebäudeumnutzung. Durch Erwerbsalternativen im ländlichen Raum werden zusätzliche Einkommensquellen geschaffen. Im Marktfruchtbau muß für die Zukunft jegliche Verunsicherung durch Abkehr von Grundsatzentscheidungen vermieden werden. Die Reform von 1992 hat wichtige Ziele erreicht. Auf dieser Grundlage muß die gemeinsame Agrarpolitik weiterentwickelt und auf die sich einstellenden Veränderungen ausgerichtet werden. Preisausgleichszahlungen müssen auch in Zukunft verläßlich sein. Ein Abbau des Ausgleichs würde den Ackerbaubetrieben schaden und anderen Betrieben nicht nutzen. Der neuerliche Versuch der Kommission, den Preisausgleich zu reduzieren, zerstört die Glaubwürdigkeit. Es gibt weder von seiten des EU-Haushalts eine Notwendigkeit dafür, noch gibt es eine Überkompensation der Preissenkungen. Deshalb, sehr geehrter Herr Minister Borchert, haben Sie bei Ihrem Vorgehen gegen die Abbauvorschläge unsere volle Unterstützung. ({11}) Wer die Mittel für den Ausgleich kürzen will, verabschiedet sich von einer verläßlichen Politik. Wer die Ausgleichszahlungen mit zusätzlichen Umweltauflagen befrachten will, mutet den Landwirten Einkommenseinbußen zu. In der Milchviehhaltung und der Rindermast erwirtschaften unsere Landwirte 40 Prozent und damit den größten Teil Ihrer Verkaufserlöse. Zugunsten der durch BSE gebeutelten Rinderhalter sind Initiativen ergriffen worden, so etwa der staatliche Aufkauf von Rindfleisch und die volle Nutzung der Exportmöglichkeiten. Vor allem aber konnten durch gut geführte Verhandlungen seitens Minister Borcherts in Brüssel die Einbußen bei der Rinderhaltung durch Einkommenshilfen vermindert werden. Die Bundesregierung ist gut beraten - sie hat dabei die volle Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - , im Hormonstreit mit den USA das Brüsseler Einfuhrverbot weiterhin zu unterstützen; ({12}) denn unsere Verbraucher akzeptieren kein hormonbehandeltes Fleisch. ({13}) Unstrittig ist aber auch, daß dauerhaft weniger Rindfleisch erzeugt werden muß; denn der Trend weg vom Rindfleisch ist einfach da. Er muß durch vertrauensbildende Maßnahmen umgekehrt werden. Dazu brauchen wir eine lückenlose Herkunftskontrolle. Im Milchbereich müssen Entlastungsschritte erfolgen, um die Erlöse der Milchviehbetriebe zu stabilisieren. Die EG-Kommission muß ihre Preisdruckpolitik zugunsten einer verantwortlichen Erstattungs- und Beihilfepolitik aufgeben. Das zum Teil selbstherrliche Vorgehen der Brüsseler Verwaltungsausschüsse bei der Marktsteuerung ist dabei nicht hinnehmbar. Es muß künftig aber auch energisch gegen Dumping-Methoden im Lebensmittelhandel angegangen werden. Wenn Milcherzeugnisse von einigen marktbeherrschenden Lebensmittelketten unter Einstandspreis verramscht werden, wird jegliches Bemühen um stabilere Milchauszahlungspreise zunichte gemacht. Auch ist es höchste Zeit, das Bewußtsein für den Wert landwirtschaftlicher Produkte in der Bevölkerung wieder zu schärfen. Einen Beitrag hierzu muß natürlich auch die Molkereiwirtschaft leisten. Die europäische Landwirtschaft steht vor der Herausforderung einer von vielen Seiten gewünschten Marktliberalisierung. Aber es wäre unverantwortlich, die Landwirtschaft dem globalen Wettbewerb auszuliefern; denn ohne angemessenen Außenschutz kann sie ihre vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aufgaben für die Gesellschaft nicht erfüllen. Damit läßt sich nur eine behutsame Öffnung im Marktbereich vereinbaren. Wir haben heute auch das Thema der künftigen Ressortforschung des BML auf der Tagesordnung. Aber ich sehe, daß meine Redezeit zu Ende ist. Ich möchte nur sagen, daß wir uns mit dem Problem entsprechend befaßt haben und daß wir auch weiterhin dafür sorgen werden, daß hier zumutbare Regelungen gefunden werden, weil wir meinen, die Bedeutung der Agrarforschung in Deutschland muß auch künftig sichergestellt sein. ({14}) Ich glaube, dieser Agrarbericht und vor allen Dingen auch die Zusammenarbeit zwischen Koalitionsfraktionen und Bundesregierung im vergangenen Jahr haben gezeigt, daß sich die deutsche Landwirtschaft und die Familien im ländlichen Raum auf uns verlassen können; denn für das, was auf SPD-Zukunftskongressen beschlossen wird, gibt es in unseren Fraktionen keine Mehrheit. Ich danke schön. ({15})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Agrarbericht 1997 ist ein Vernebelungsbericht. Wir haben keine differenzierte Darstellung zwischen Ost und West mehr. Der Vergleich zum Vorjahr ist im Prinzip nicht mehr möglich. Die Haupterwerbsbetriebe werden erst ab einem Standardbetriebseinkommen ab 15 000 DM erfaßt. Notwendig ist aber nach wie vor ein Agrarbericht, der eine realistische Einschätzung der Lage in der Landwirtschaft ermöglicht, und zwar als Grundlage für die künftigen Politikentscheidungen. Wir fordern, daß es eine differenzierte Darstellung, die den vielfältigen Agrarstrukturen weiter gerecht wird, auch in Zukunft wieder gibt. ({0}) Dennoch läßt sich auch mit diesem Zahlenmaterial feststellen, daß es eine weitere Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft gibt. Die Subventionen übersteigen den Produktionswert der Landwirtschaft zum erstenmal. Die Anzahl der Betriebe hat um drei Prozent abgenommen. 55 000 Arbeitsplätze sind im letzten Jahr vernichtet worden. Das entspricht etwa einem Großbetrieb wie der BASF. Ich würde gerne einmal sehen, was Sie sagen würden, wenn ein solcher Großbetrieb schließen würde und wenn das nicht nur stillschweigend in der Landwirtschaft passierte. Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt sind auf jeden Fall vergleichbar. Die Betriebseinkommen im laufenden Wirtschaftsjahr drohen sich um etwa sechs Prozent zu verschlechtern. Obwohl jedes Jahr ein Niedergang im Agrarbereich zu verzeichnen ist und hier darüber diskutiert wird, gibt es keine Neuausrichtung und keine Handlung der Bundesregierung, die diese Entwicklung aufhalten würde. Sie, Herr Minister Borchert, sagen, es gebe einen unvermeidbaren Strukturwandel und die Notwendigkeit der sozialen Abfederung. Aber das, was Sie unter letzterem verstehen, ist offensichtlich etwas ganz anderes als das, was objektiv notwendig ist und was wir uns unter einer Modernisierung der Landwirtschaft im Blick auf die Zukunft vorstellen. Im Gegensatz zu den Entwicklungen in manchen anderen Wirtschaftsbereichen sind wir der festen Überzeugung, daß landwirtschaftliche Produktion gebraucht wird. 30 Milliarden Menschen mehr werden in Zukunft zu ernähren sein. Das kann nicht auf umweltzerstörerische Art und Weise in der Intensivproduktion geschehen, sondern nur, wenn die eigenen Produktionsgrundlagen erhalten bleiben und die Erzeugung von Lebensmitteln umwelt- und tiergerecht ist. Wir brauchen von daher die Landwirtschaft in Europa, und wir brauchen sie auch in Deutschland. ({1}) Insofern ist eine fehlende Neuausrichtung der Agrarproduktion unverzeihlich. Die Erfolge, die die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wieder in ihren Entschließungsanträgen verkaufen, stehen im krassen Gegensatz zur Realität, zum Beispiel zur Finanzpolitik der Bundesregierung. Herr Sielaff hat bereits darauf hingewiesen. Die Steuerreformvorschläge der Bundesregierung sehen eine Mehrbelastung der Land- und Forstwirtschaft von bis zu 900 Millionen DM vor, ({2}) unabhängig von der Vorsteuerpauschale, zu der Sie hier so feiern, daß Sie das verhindern konnten. ({3}) An der Vernichtung des Projekts Euro basteln Sie als Bundesregierung mit aller Intensität selbst, wie wir in den letzten Debatten feststellen konnten. ({4}) Dazu kommt die Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe, bei der Sie die Schuld wieder auf die Länder schieben. Aber eine solche unattraktive Politik kann natürlich die Unterstützung der Länder nicht finden. Insofern gibt es eine Begründung, warum die mangelnde Akzeptanz immer weiter fortgeschrieben wird. ({5}) Es sind nicht nur die 500 Millionen, die von Bundesseite in bezug auf die Gemeinschaftsaufgabe gekürzt werden, sondern auch noch die Kofinanzierungsmittel. Für Nordrhein-Westfalen hat das alleine zu einem Minus von 36 Millionen DM für den ländlichen Raum geführt. Hinzu kamen die Verschleppung der PLANAK-Ausschüsse, ein Investitionsstau und eine mangelnde Planungssicherheit der Länder, die auf einer solchen Grundlage diese Mittel überhaupt nicht in Anspruch nehmen können und auch keine entsprechenden Planungen erstellen können. Dann beschweren Sie sich nicht, daß die Länder ihre Mittel nicht bereitstellen wollten. ({6}) Was Sie tun, ist, Pohlmann und seine Nachfolger in der Besteuerung für die gewerbliche Intensivlandwirtschaft besserzustellen, und noch nicht einmal die Möglichkeiten im Tierschutzgesetz haben Sie genutzt, um einer solchen Entwicklung der Konzentration der Tierhaltung wirklich entgegenzustehen. ({7}) - Genau, dazu wird kein Wort gesagt. - Es ist absehbar, daß die gesamte Landwirtschaft jedes Jahr weiter an die Wand gefahren wird, und zwar sehenden Auges. Als Beispiel will ich die Milchpolitik nennen. Wir sind auch dafür, daß die produzierenden Betriebe in der Milchproduktion gestärkt werden. Aber wir sind auf keinen Fall dafür, daß die regionale Bindung in der Milchproduktion aufgegeben wird. Was Sie mit Ihrem Antrag, der nebulös genug ist, riskieren, und zwar auch sehenden Auges, ist, ({8}) daß die Milchproduktion aus den Grönlandgebieten abwandert. Was das für Konsequenzen hat, können Sie sich doch weiß Gott selber vorstellen. ({9}) - Sicher, es gibt zwei Anträge von Ihnen, die sich gegenseitig widersprechen. Aber dennoch haben Sie in Ihrem Antrag nichts von einer regionalen Bindung der Milchproduktion erwähnt. Aus den Diskussionen im Ausschuß weiß ich sehr wohl, daß es keine Mehrheit gefunden hat, einen solchen Schritt zu tun und die Grönlandproduktion weiter aufrechtzuerhalten. Die Milchproduktion wird sich auf die günstigen Standorte verlagern, und zwar in Ihrer Verantwortung. ({10}) Ein zweiter Punkt ist die Seuche BSE. Sie haben eben Herrn Sielaff angegriffen, was die Gegenfinanzierung zur Gemeinschaftsaufgabe angeht. Dem kann man auf jeden Fall entgegenhalten: Hätte man konsequent die Tierseuchen bekämpft und vorbeugend Maßnahmen ergriffen, wäre es zu einem derartigen Finanzierungsbedarf in diesen Bereichen gar nicht gekommen. Die Herkunftskennzeichnung, wie auch wir sie unterstützen wollen, dümpelt seit Jahren vor sich hin. Wäre es tatsächlich zu einer konsequenten Handhabung dieses Problems gekommen, nämlich Herkunftskennzeichnung, Qualitätsproduktion und eine Bekämpfung der Seuche, hätte man auf diese ganzen Mittel verzichten können, die den Aufkauf notwendig gemacht haben und die letztendlich den Betrieben überhaupt nicht geholfen haben, sondern sie sozusagen nicht leben und nicht sterben lassen. ({11}) Das dritte sind die Entwicklungen im Naturschutz und im BauROG. Dies ist wohl der Strukturwandel, wie Sie ihn beschreiben. Das Bauen im Außenbereich ist deutlich erleichtert worden, und zwar für Wohnungsbauzwecke. Außer den Umwidmungen landwirtschaftlicher Gebäude heißt das doch nur, daß Sie einer Entwicklung Tür und Tor öffnen, die bedeutet: Unterbringung von Feriengästen oder Städtern oder die Auslagerung von Siedlungsbereichen in die Landwirtschaft und in den Außenbereich. Das ist durchaus nicht als eine Förderung des Wirtschaftsbereiches Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion zu sehen.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Bitte schön.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Höfken, hätten Sie denn lieber, daß im Außenbereich leerstehende Scheunen und leerstehende Ställe stehen? ({0})

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Unsere Anträge haben diese Umwidmungen für landwirtschaftliche Zwecke ausdrücklich gebilligt. Was wir aber nicht wollten und was jetzt eingetreten ist, ist die Umnutzung auch für beispielsweise irgendeine Autowerkstatt. Das kann nicht im Sinne der Landwirtschaft sein, und das ist auch kein Strukturwandel, wie wir ihn verstehen. ({0}) Im Naturschutzgesetz gibt es eine ähnliche Entwicklung. Wir sind immer dafür gewesen, daß es einen Ausgleich und eine Nutzungsentschädigung für die Landwirtschaft gibt. Aber jetzt ist es so, daß Projekte regionaler Entwicklung mit sanftem Tourismus, Naturschutz und Landwirtschaft nicht mehr möglich sind, sondern ihnen die Grundlage entzogen ist. Wir fordern, die Kürzungen in der Gemeinschaftsaufgabe rückgängig zu machen. ({1}) Als Gegenfinanzierung fordern wir eine Konzentration der Förderung sowie die Bindung an ökologische Kriterien, an Tierschutzkriterien. Wir fordern, daß es eine Priorität für den Verbraucherschutz gibt, der diesem Wort auch wirklich entspricht. Ich möchte nur ganz kurz die Tiermehlproduktion und die „sicheren Standards" in der EU ansprechen, die bis heute nicht umgesetzt sind, die die Verbraucher wieder verunsichern und die einen Rückfall im Punkte BSE zur Folge haben können. ({2}) Wir fordern nicht zuletzt eine Verbesserung der Darstellung im Agrarbericht, die den tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen Rechnung trägt. Vielen Dank. ({3})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günther Bredehorn, F.D.P.-Fraktion.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Höfken, zunächst ein Wort zu Ihnen. Sie haben Zahlen genannt, die nun wirklich falsch sind. Wenn Sie hier sagen, die Steuerreform belaste die Landwirtschaft mit 900 Millionen DM, so ist das nicht richtig. Wir haben gehört - das müssen wir uns sehr genau ansehen -, daß man damit rechnet, daß die Landwirtschaft durch die entsprechenden Korrekturen sicherlich mit gut 500 Millionen DM - 560 Millionen DM wurden genannt - belastet ist. Es muß aber die Entlastung durch die neuen Tarife dagegengesetzt werden, so daß man praktisch bei plus minus Null landet. Auch von daher müssen wir uns das noch einmal genau ansehen, damit wir nicht bestimmte Bereiche in der Landwirtschaft treffen, in denen wir eine Entlastung wollen. Da gebe ich Ihnen recht. Aber nennen Sie bitte nicht solche Zahlen, die wirklich nicht stimmen.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, es wird schon eine Zwischenfrage gewünscht, und zwar von der Frau Abgeordneten Höfken. ({0})

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie denn auch der Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes, die wir in der letzten Anhörung in dieser Woche gehört haben und die genau diese Zahlen zur Grundlage hatte, widersprechen wollen.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

So ist es. ({0}) Im Agrarbericht 1997 wird festgestellt, daß der Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft unvermindert anhält. Ich sage voraus: Dieser Strukturwandel wird sich auch im nächsten Jahrzehnt fortsetzen. Unsere Landwirte müssen zur Zeit mit der EUAgrarreform und mit den Ergebnissen der ersten GATT-Runde fertig werden. Die Öffnung der EU für die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie die ab 1999 stattfindende zweite GATT-WTO-Runde werden weitere Veränderungen und neue Herausforderungen für die Landwirtschaft bringen. Die zunehmende Liberalisierung und Globalisierung, die wir nicht wegdiskutieren können, betreffen auch die Agrarmärkte, bergen Risiken, aber bieten vor allem Chancen. Von daher möchte ich unseren Landwirten Mut machen. Die Landwirtschaft ist eine der dynamischsten Wachstumsbranchen. Nahrungsmittelproduktion ist einer der wenigen Wachstumsmärkte in der Welt. Jährlich müssen 90 Millionen Menschen mehr satt werden, und dies, obwohl schon heute 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden. Folglich wird der Getreideverbrauch in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen. Der Fleischverbrauch wächst zur Zeit jährlich um zirka 3 Prozent. Bei der Milch rechnet man in den nächsten Jahren weltweit mit einer Zunahme des Verbrauchs von 20 bis 30 Millionen Tonnen. Die wachsende Weltbevölkerung kann nur durch eine effiziente, moderne Agrarproduktion ernährt werden. Experten sprechen von einem notwendigen Produktivitätszuwachs in den nächsten 20 Jahren von 50 bis 70 Prozent. Der steigende Verbrauch wird dann aus Regionen bedient werden, die durch Nutzung der Biotechnologie, durch technisch-organisatorische Fortschritte und durch strukturelle Verbesserungen zu niedrigen Kosten und mit hoher Qualität produzieren können. ({1}) Deutschland ist dabei von den natürlichen Voraussetzungen her ein hervorragender Agrarstandort. ({2}) Wir sollten diesen Vorteil nicht durch flächendekkende Extensivierung und Flächenstillegung aufgeben. ({3}) Auch auf dem Binnenmarkt - das wissen Sie alle - wird der Wettbewerb stärker. Wir beklagen, daß die deutsche Landwirtschaft Marktanteile verloren hat. Gerade bei der Schweineproduktion, einer klassischen Domäne für die Familienbetriebe, ist dies leider festzustellen. Noch ein kurzes Wort zu Ihnen, Herr Sielaff. Ich hoffe, das, was Sie gesagt haben, war nicht so gemeint. ({4}) Sie haben die gewerblichen Unternehmen sehr kritisiert; sie seien keine Landwirte mehr und wirtschafteten nicht umwelt- und tierschutzgerecht. Sie meinen damit hoffentlich nicht meine Berufskollegen im Südoldenburgischen mit 30 Hektar leichtem Sandboden, die Masttiere - Mastschweine, Ferkel, Legehennen, Mastgeflügel - produzieren, die sehr wohl Landwirte sind und sich sehr wohl an die gesetzlichen Vorgaben im Tierschutzgesetz und im Umweltrecht halten. Beurteilen Sie das bitte nicht so pauschal. ({5}) Das haben Sie hoffentlich auch nicht so gemeint, aber ich möchte es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Man darf diese Gruppe von Landwirten - es sind Landwirte, auch wenn sie gewerblich tätig sind - nicht so pauschal verteufeln. ({6}) - Okay. Meine Damen und Herren, für die F.D.P. ist die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit unter Beachtung einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise die wichtigste Aufgabe der Agrarpolitik. Investitionsförderung muß zukünftig stärker an der Wirtschaftlichkeit ausgerichtet, vereinfacht und finanziell besser ausgestattet werden. Darum ist es natürlich sehr schmerzlich und auch kontraproduktiv, daß wir die Mittel hierfür in der Gemeinschaftsaufgabe gekürzt haben. ({7}) Ich weiß natürlich, daß wir bei der jetzigen Haushaltssituation nicht mehr Mittel bekommen, aber wir müssen im Agrarhaushalt neue Schwerpunkte setzen. ({8}) Hierzu sollten wir dann auch gemeinsam den Mut haben. ({9}) Grundsätzlich müssen von der staatlichen Förderpolitik weit mehr als bisher wettbewerbsorientierende Impulse ausgehen. Wir sagen ja zu Anpassungshilfen, wir sagen auch ja zur Selbsthilfe, aber grundsätzlich nein zur Gießkannenförderung. Zur Zeit herrscht bei unseren Landwirten viel Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Milchmarktes. Die Frage lautet: Gibt es nach dem Jahr 2000 noch eine Milchquotenregelung? Landwirte, die vor Investitionsentscheidungen stehen, oder junge Menschen, die den Hof übernehmen wollen, brauchen Planungssicherheit. Ich freue mich, daß wir uns in der Koalition, teilweise mit großer Zustimmung der Opposition, auf ein Modell der Neugestaltung und Fortsetzung der Milchquotenregelung ab dem 1. April 2000 einigen konnten. Dieses Modell entspricht dem F.D.P.-Konzept, das wir bereits im Mai 1996 zur Neugestaltung der Milchgarantiemengenregelung vorlegten, ({10}) womit wir die Debatte in Gang gebracht haben. Ziel ist es, die Position der aktiven Milchproduzenten zu stärken und die Produktionsstrukturen zu verbessern. Damit auf nationaler Ebene Gestaltungsspielraum für die wirtschaftenden Betriebe entstehen kann, muß die Flächenbindung auf EU-Ebene entfallen. Die Übertragung der Milchquoten - das ist ganz wichtig - soll über den Markt erfolgen. Die F.D.P. möchte, daß Lieferrechte an einer Milchbörse gehandelt werden - darüber diskutieren wir noch -, um mehr Markttransparenz zu schaffen. Die Übertragungsregelungen für Milchquoten sind so auszugestalten, daß die Quoten unbefristet in die Hände der Milcherzeuger gelangen können. Nun ist Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert gefordert, und er hat dabei unsere volle Unterstützung, dieses Konzept einer künftigen Milchmarktregelung in Brüssel durchzusetzen. Für mich als Liberalen ist es erfreulich, daß wir mit diesem Konzept mittelfristig durchaus wieder zu einem Milchmarkt ohne Quoten kommen können. Wir müssen uns doch als Agrarpolitiker immer wieder fragen, für wen wir eigentlich Agrarpolitik betreiben: für den auf Wachstum angewiesenen wirtschaftenden Unternehmer oder für den Boden- bzw. Quoteneigentümer? Wir haben gestern im Deutschen Bundestag das novellierte Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet. Dies ist ein großer Schritt nach vorn für mehr Umwelt- und Naturschutz. ({11}) Naturschutz ist ohne die Einbeziehung und Mitwirkung der Landwirtschaft nicht möglich. Allerdings müssen wirtschaftliche Einbußen durch Nutzungsbeschränkungen und Bewirtschaftungsauflagen für den Landwirt ausgeglichen werden. ({12}) Von daher ist es ein Erfolg, daß wir im Gesetz verankert haben, daß besondere Leistungen der Landwirtschaft für den Umwelt- und Naturschutz, die über die vom Gesetz vorgegebene ordnungsgemäße Landbewirtschaftung im Sinne der guten fachlichen Praxis hinausgehen, bezahlt werden müssen. Die im Bundesnaturschutzgesetz vorgesehenen Ausgleichsregelungen werden allerdings bisher von den Bundesländern abgelehnt. Hier fordere ich die SPD und die von ihr regierten Bundesländer auf, endlich ihrer Verantwortung gegenüber der Natur gerecht zu werden und dieses Gesetz im Bundesrat nicht zu blockieren. ({13}) Wir stellen in Deutschland und in der EU besonders hohe Umweltanforderungen an die Agrarproduktion. Mit dem deutschen Pflanzenschutzgesetz, dem Naturschutzgesetz, dem Düngemittelgesetz, dem Tierschutzgesetz, dem Bodenschutzgesetz und den entsprechenden Verordnungen haben wir einschneidende, kostentreibende Regelungen zum Schutze der Menschen und der natürlichen Ressourcen geschaffen. Die Lebensqualitätsvorteile unserer Verbraucher bedeuten aber erhöhte Kosten für die Landwirte. Von daher ist ein gewisser Außenschutz auch in Zukunft notwendig. Der Agrarbericht 1997 weist aus: Gut geführte, gut strukturierte landwirtschaftliche Unternehmen machen auch gute Gewinne. Das zeigt sich insbesondere auch in der positiven Entwicklung der Betriebe in den ostdeutschen Bundesländern. Dort sind krisenfeste Arbeitsplätze entstanden; dort sind Betriebe entstanden, die im gemeinsamen Markt wettbewerbsfähig sind. Immer weniger Bauern können immer mehr hochwertige Nahrungsmittel für immer mehr Menschen produzieren. Das hat nichts mit Bauernsterben zu tun, sondern mit einem ganz normalen Strukturwandel, der uns aber die Richtung für eine langfristige, zukunftsweisende Agrarpolitik anzeigt. Ich danke Ihnen. ({14})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Günther Maleuda, PDS.

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Abgeordnetengruppe der PDS hat mit ihrem heutigen Entschließungsantrag ihre Position zum vorliegenden Agrarbericht zum Ausdruck gebracht. Ich meine, der jährliche Agrarbericht ist die Chance und das Risiko der Bundesregierung, die Ergebnisse ihrer Agrarpolitik abzurechnen. Sicher hängt es immer vom angelegten Maßstab ab, wie ein Bericht bewertet und beurteilt wird. Der Verlauf der Debatte zeigt ja: Beifall und Dank auf der einen Seite, heftige Kritik auf der anderen Seite. So ist letzten Endes die Bewertung zu beschreiben. Wir meinen, der Bundestag sollte, was die Bewertung anbelangt, den Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes an die Regierung zum Maßstab machen. Darin wird unter anderem das Ziel formuliert, die Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung zu sichern. Im bisherigen Verlauf der Debatte ist ja sichtbar geworden, daß im Wirtschaftsjahr 1995/96 auf der einen Seite zwar positive Ergebnisse zu vermelden sind, es aber Positionen gibt, die im kritischen Bereich liegen. Während zum Beispiel in NordrheinWestfalen ein Zuwachs beim Gewinn von 12,8 Prozent erreicht wurde, waren es in Baden-Württemberg nur 1,6 und in Bayern sogar nur 0,4 Prozent. Zwischen dem unteren und dem oberen Viertel der Haupterwerbsbetriebe schwankt die Höhe des Gewinns von 9800 DM bis 108 000 DM; das heißt, diese Spanne muß Anlaß für einige unbefriedigende Bewertungen sein. Das hat zur Folge, daß fast 40 Prozent der betreffenden Betriebe von ihrer Substanz leben. Noch kritischer muß die Beurteilung der Lage ausfallen, wenn man den für das Wirtschaftsjahr 1996/97 vorausgesagten Gewinnrückgang von 2 bis 6 Prozent betrachtet. Das heißt, die Prognose bietet kein positiveres Bild; vielmehr ist mit weiteren Rückgängen und Einschnitten bei einer größeren Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe zu rechnen. Wir sehen die Antwort der Regierung in folgendem: Erstens. Sie nährt die Hoffnung, der Markt, Unternehmungsgeist und Gentechnik würden die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft schon richten und der Euro - auch das ist heute gesagt worden - sei letztlich ein Heilmittel für viele Schwierigkeiten. Zweitens. Die Bundesregierung ordnet die Landwirtschaft dem allgemeinen Liberalisierungs- und Globalisierungskurs unter. Wir meinen, die Kürzungen im Agrarhaushalt und die zu erwartenden Steuerbelastungen für die Familienbetriebe nehmen ein Ausmaß an, das wir auf keinen Fall akzeptieren können. In fast allen Bundesländern stehen 1997 fast keine Mittel mehr für neue Vorhaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung. Die gekürzten Mittel werden für die Realisierung der in den Vorjahren eingeleiteten Maßnahmen benötigt. Aus der vorliegenden Übersicht geht beispielsweise hervor, daß bereits 1996 in Bayern 30 Prozent der Anträge überhaupt nicht für die einzelbetriebliche Förderung bewilligt werden konnten. Drittens. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wird zunehmend selektiver. Sie setzt auf den unternehmerisch geführten Betrieb, der in der Lage ist, seine Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Staatssekretär Gröbl kleidete diese Politik kürzlich auf einer Veranstaltung in die Feststellung, daß eine Museumslandwirtschaft keine Zukunft habe. Der Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Freiherr von dem Busche, wurde noch deutlicher: Unternehmerisch geführte Familienbetriebe haben keinen Anspruch auf die Schutzglocke des Staates, sondern müssen sich am Markt behaupten. Es ist doch wohl vor allem wichtig, daß dafür notwendige und zwingende Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Das wäre in erster Linie eine Angelegenheit der Bundesregierung. ({0}) Viertens stellen wir fest: Die Bundesregierung zieht sich zunehmend aus ihrer Verantwortung für eine gestaltende Agrarpolitik zurück. Sie privatisiert zum Beispiel die in ihrem Eigentum befindlichen Bodenreformflächen. Dabei handelt sie grundsätzlich anders als die christlichen Kirchen, die ihr Land bekanntlich langfristig verpachten. Das halten wir für eine akzeptable Vorstellung. ({1}) - Jawohl. Sie reduziert den Agrarhaushalt, kürzt die Agrarforschung und ist dabei, weitere staatliche Aufgaben zu privatisieren. Es ist zu befürchten, daß sie unter Druck gesetzliche Regelungen ändert, damit der Griff auf das Vermögen der LPG-Nachfolgebetriebe erleichtert und ungeliebte Rudimente der DDR-Landwirtschaft beseitigt werden. Bei einer solchen Agrarpolitik - ich möchte hier auf den Beitrag des Kollegen Sielaff zurückkommen und noch eine andere Aussage machen - könnte der Tag absehbar sein, an dem ein Agrarminister überflüssig wird, so wie es dem Postminister bereits ergeht. Wir meinen, das wäre fatal. ({2}) Wir halten es partei- und fraktionsübergreifend für geboten, durch gemeinsame Anstrengungen die unverzichtbare Rolle der Landwirtschaft und ihre außerordentliche Bedeutung für die Zukunft im öffentlichen Bewußtsein wiederherzustellen. Die Landwirtschaft kann nicht einseitig nur nach ihrem Anteil am Bruttosozialprodukt, der bei etwa 1,1 Prozent liegt, beurteilt werden. Ich meine, hier sollten sowohl Partei- als auch Fraktionsbewertungen den Vorrang haben, die die Stellung der Landwirtschaft im öffentlichen Bewußtsein verbessern. Wir gehen von einer wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung der Landwirtschaft und ihrer Verantwortung für die Gestaltung und den Schutz der Umwelt aus.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, bitte. ({0})

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin doch kein Pastor, daß ich laufend reden will. ({0}) Herr Kollege Sielaff, wir haben so viele gute Redner bei uns, da muß ich mich nicht vordrängen. Das ist der Gegensatz zu euch. Herr Kollege Maleuda, jetzt zu meiner Frage: Sie haben gerade die Stellung der Landwirtschaft und ihre Unterstützung in einigen Bereichen positiv dargestellt. Können Sie mir dann sagen, warum Sie gestern dem Koalitionsvorschlag zum Naturschutzgesetz nicht zugestimmt haben, bei dem es um die Unterstützung bei höheren Belastungen der Landwirtschaft geht? ({1})

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es ist ganz offensichtlich so, daß wir, was die inhaltliche Ausrichtung anbelangt - das betrifft nicht nur dieses Gesetz, sondern auch das Bodengesetz -, zu einer ganzen Reihe von inhaltlichen Anforderungen eine andere Auffassung haben. Das bezog sich auch auf Inhalte des Naturschutzgesetzes. Was wir besonders kritisieren, ist, daß unsere eigenen Anträge, die zumindest in wichtigen Teilen auf richtige Schwerpunkte lenken, generell abgelehnt werden. Das ist ein Grund, der uns zu dieser Entscheidung veranlaßt hat. ({0}) Ansonsten kann man sagen, daß wir wesentliche Inhalte mittragen. Ich will hier nicht weiter zum Problem der Milchproduktion argumentieren. In diesem Bereich oder in dem Bereich der notwendigen Ausgestaltung des ländlichen Raumes beispielsweise haben wir im Ausschuß Übereinstimmung erzielt. Aber in den Punkten, in denen unsere Auffassungen diametral entgegengesetzt sind, vertreten wir andere Beschlüsse. Wir wenden uns auch gegen die von der Deutschen Gesellschaft für Agrar- und Umweltpolitik verfolgte Politik der Entkoppelung der Agrar-, Umwelt- und Sozialpolitik. Wir wissen auch, daß eine nachhaltige Landwirtschaft über erhebliche Reserven zur Senkung des Material- und Personalaufwandes verfügt. Wir plädieren deshalb dafür, die grüne Brille abzunehmen und die Agrarbetriebe zu Rohstoffproduktions-, -verarbeitungs-, Vermarktungs- und Dienstleistungsbetrieben, kurz: zu Gewerbebetrieben - weiterzuentwickeln. Man muß nämlich berücksichtigen, daß schon im Jahre 1991 der Anteil des nicht landwirtschaftlichen Einkommens in den Vollerwerbsbetrieben 28 Prozent des Gesamteinkommens betragen hat. Als einen ersten Schritt empfiehlt die DLG deshalb den kleinen Familienbetrieben, ihre Pflanzenproduktion kooperativ zu betreiben. Wir meinen, das ist ein Weg, der generell begrüßt werden soll. Die Perspektive kann ja nicht darin liegen, daß alle Kleinbetriebe auf der Strecke bleiben. Dem heute zur Abstimmung anstehenden Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" können wir vom Ansatz her zustimmen. Wir sehen allerdings für die Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgabe einen zwingenden und insgesamt weit größeren Handlungsbedarf der Bundesregierung. Kern der Gemeinschaftsaufgabe muß nach unserer Auffassung der ländliche Raum sein. Dazu ist eine Bündelung aller Mittel notwendig, die aus verschiedenen Fördertöpfen in die ländlichen Räume fließen. Es kann nicht nur um die Entwicklung wachstumsfähiger Betriebe in einseitiger Form gehen. Notwendige Förderkriterien müssen nach unserer Auffassung sein: die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die nachhaltige und flächendeckende Landbewirtschaftung, Strukturwandel durch Kooperation und Wiederherstellung vertretbarer regionaler Stoffkreisläufe. Das ist in der Diskussion bereits gesagt worden. Das schließt auch eine Erweiterung der förderbaren Betriebe ein. Es ist kaum einzusehen, warum zum Beispiel der Kauf moderner Gülletechnik nur im Fall eines Bauern gefördert wird, nicht aber im Fall eines landwirtschaftlichen Dienstleisters. So könnte man sich über eine ganze Reihe anderer Zusammenhänge verständigen. Ich möchte abschließend nur noch zwei Punkte zur Forschung sagen. Hier gibt es in der Tat auch im Ausschuß recht kontroverse Positionen. Erstens. Wir sind der Auffassung, daß alles getan werden muß, um eine weitere Reduzierung der Forschungskapazitäten zu vermeiden. ({1}) In den zurückliegenden Jahren seit 1990 ist auf diesem Gebiet schon zuviel auf der Strecke geblieben. Zweitens. Die inhaltliche Ausgestaltung der Agrarforschung muß internationale Wirkungen berücksichtigen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Albert Deß, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Agrarbericht 1997 zeigt, daß die Landwirtschaft in Deutschland nach wie vor vielen Menschen einen Arbeitsplatz bietet. In den rund 540 000 Betrieben finden zirka 1,35 Millionen Personen eine haupt- oder nebenberufliche Beschäftigung. In Zeiten, in denen es schwierig ist, Rezepte zu finden, mit denen kurzfristig die Arbeitslosigkeit in Europa massiv abgebaut werden könnte, muß dem Stellenwert landwirtschaftlicher Arbeitsplätze eine höhere Bedeutung zugemessen werden. Von diesen landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen sind auch viele Arbeitsplätze in der übrigen Wirtschaft abhängig. Wer hier die Bauern laufend an den Subventionspranger stellt, muß zur Kenntnis nehmen, daß es volkswirtschaftlich billiger ist, durch entsprechende Rahmenbedingungen sinnvolle Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu sichern, als höhere Arbeitslosigkeit zu finanzieren. ({0}) Eine nachhaltige, flächendeckende und umweltfreundliche Landwirtschaft ist für Deutschland und die Gesamtbevölkerung von überragender Bedeutung. Sie ist ökonomisch, ökologisch und kulturell für das gesamte Land wichtig. Die Vielfalt der natürlichen und betrieblichen Unterschiede prägt unsere Landwirtschaft in Deutschland. Die rasch steigende Produktion und die sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hatten und haben erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die deutsche Landwirtschaft hat sich diesen Entwicklungen immer gestellt. Durch unternehmerisches Verhalten, Reduzierung von Produktionskosten und durch Einkommenskombinationen wurden in vielen Fällen die Einkommen gesichert. Im Bereich der Selbsthilfe haben die Landwirte eine überbetriebliche Zusammenarbeit aufgebaut, wie sie nur wenige Wirtschaftszweige vorweisen können. ({1}) Die deutsche Landwirtschaft hat erhebliche Anstrengungen unternommen, die Qualität ihrer Produkte zu steigern, und muß dafür büßen, daß diese Qualitätsstandards woanders oft nicht eingehalten werden und die Verbraucher in den Supermärkten leider trotzdem Produkte kaufen, die unter anderen Standards hergestellt wurden als die, die wir erfüllen. ({2}) Dabei wird nicht verkannt, daß noch nicht alle Möglichkeiten einer kostengünstigen Produktion und Verarbeitung genutzt werden. Auch in der Vermarktung stecken noch Reserven, die zur Stärkung der Position der deutschen Landwirte genutzt werden müssen. Daß es der Stärkung der Position der deutschen Landwirte dient, wenn ein Verarbeitungsunternehmer nach dem anderen auch wegen Mißmanagement von ausländischen Konzernen übernommen wird, bezweifle ich jedoch sehr. ({3}) Wir haben erst jetzt wieder Beispiele dafür erlebt. Wir müssen dringend Modelle finden, mit denen die Zusammenarbeit in der Verarbeitung und Vermarktung von Agrarprodukten in Deutschland verbessert wird. Handlungsbedarf besteht auch beim Wettbewerbsrecht; Egon Susset hat das bereits angesprochen. Die bisher bekanntgewordenen Entwürfe zur Novellierung des deutschen Wettbewerbsgesetzes sind meiner Meinung nach unzureichend. Was in Frankreich möglich ist, nämlich das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis, muß auch in Deutschland möglich sein. ({4}) - Das sage ich ihm ja. - Die Forderungen des Deutschen Bauernverbandes zu diesem Punkt sind mehr als berechtigt. Trotz eigener Anstrengungen kann die deutsche Landwirtschaft die vorhandenen Schwierigkeiten nicht alleine lösen. Es erweist sich immer mehr, daß eine zentralistisch betriebene EU-Agrarpolitik nicht in der Lage ist, der Situation und den Interessen in den verschiedenen Regionen Europas gerecht zu werden. ({5}) Dies haben wir auch vor kurzem bei unserem Besuch in Italien festgestellt. 16140 Deutscher Bundestag - .13. Wahlperiode Albert Deß Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß mit der derzeitigen EU-Agrarpolitik die unterschiedlichen Gegebenheiten durch die geplante Osterweiterung noch größer werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Deß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bredehorn?

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gern.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zu dem Stichwort - das ist jetzt leider schon eine Weile her - „Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis". Das ist in Frankreich meines Wissens seit einem Jahr ({0}) - seit diesem Jahr - in Anwendung. Gibt es da schon erste Erfahrungen?

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Bayerische Bauernverband ist zur Zeit dabei, die Sache zu analysieren. Wir werden die Ergebnisse in der nächsten oder übernächsten Sitzungswoche erhalten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß, wenn hier nichts geändert wird, Herr Bredehorn, sich diese Sache weiter fortsetzt und der Landwirtschaft gerade durch die weitere Konzentration beim Handel immer mehr die Möglichkeit genommen wird, am Markt entsprechend tätig sein zu können. Ich kenne auf Grund meiner Erfahrungen im Milchbereich viele Beispiele dafür, wie die Landwirtschaft hier ausgebootet wird. Die CSU war und ist Anwalt einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft, die flächendeckend, nachhaltig und umweltverträglich produziert. Aus diesem Grunde fordern wir neben aktuellen Maßnahmen eine grundlegende neue Ausrichtung der EU-Agrarpolitik. Der Agrarbericht zeigt eine sehr unterschiedliche Einkommensentwicklung in den verschiedenen Betriebsformen. Während die Veredelungsbetriebe nach einigen schwierigen Jahren wieder eine sehr positive Einkommensentwicklung hatten, zeichnet sich bei den Futterbaubetrieben eine sehr negative Einkommenssituation ab. Hauptursache für diese Entwicklung ist das Verhalten der Kommission in Brüssel. Die zulässigen GATT-Mengenkontingente wurden zwar bei Käse und anderen Produkten zu 100 Prozent ausgeschöpft, bei Magermilchpulver jedoch nur zu 75 Prozent und bei Butter nur zu 20 Prozent. Die möglichen Ausgaben für Exporterstattungen wurden im vergangenen Jahr nur zu 46 Prozent in Anspruch genommen. Durch diese Vorgehensweise der Kommission ist den Milcherzeugern in Europa großer Schaden entstanden. Die Milchbauern mußten nicht nur einen kräftigen Rückgang der Milchauszahlungspreise verkraften, sondern auch dramatische Einbrüche auf dem Rindersektor hinnehmen. Der durch BSE angerichtete Schaden konnte nur zu einem geringen Teil ausgeglichen werden. Die wirtschaftliche Situation milchviehhaltender Betriebe hat gerade in Grünlandgebieten eine katastrophale Dimension erreicht. Aus einer Aufstellung, die ich von unserem Allgäuer Kollegen Dr. Gerd Müller erhalten habe, ist ersichtlich, daß im Landkreis Oberallgäu der Gewinn im Wirtschaftsjahr 1995/96 um zirka 25 Prozent niedriger lag als im Wirtschaftsjahr 1989/90- und dies, obwohl die Betriebsgröße um zirka 20 Prozent angestiegen ist. Der Strukturwandel allein kann den Verlust hier nicht mehr ausgleichen. 75 Prozent der Betriebe haben trotz Strukturwandel keine positive Eigenkapitalbildung. Es ist unerträglich, daß gewachsene bäuerliche Strukturen den Bach runtergehen, während die 1000 größten Betriebe in Deutschland mehr als 1 Milliarde DM Ausgleichszahlungen kassieren. ({0}) Laut Aufstellung der Deutschen Bundesbank - niemand sollte sich erlauben, die Zahlen anzuzweifeln - ({1}) hat sich der Nettobeitrag Deutschlands an die EU von 11,6 Milliarden DM in 1990 auf 27,6 Milliarden DM in 1994 erhöht. ({2}) Es kann nicht sein, daß Deutschland immer höhere Beträge nach Brüssel zahlt, ein großer Teil der deutschen Bauern von diesen Mitteln immer weniger erhält und die Nutznießer dieser Entwicklung die Bauern in anderen Ländern der EU sind. ({3}) Hier ist eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik mit einer Verlagerung der Zuständigkeit für die ergänzende Einkommens- und Strukturpolitik in der Landwirtschaft in die nationale bzw. regionale Verantwortung notwendig. Ich sage auch hier deutlich: Ich hätte nichts dagegen, wenn die Gemeinschaftsaufgabe abgeschafft würde zugunsten eines entsprechenden Finanzausgleiches an die Bundesländer. Dann könnten die einzelnen Bundesländer beweisen, wer landwirtschaftsfreundliche Politik betreibt und wer nicht. ({4}) - Eben, darum sind die dagegen. Für Bayern sähe ich keine Probleme, wenn das Land, die CSU-geführte Staatsregierung allein für die Verteilung der Mittel zuständig wären. ({5}) - Die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen erheben Widerspruch. Mir ist es nicht erklärlich, warum der Agrarbereich von Brüssel aus unter Umgehung von grundlegenden demokratischen Prinzipien zentral gesteuert und finanziert werden muß, während der VerteidigungsAlbert Del und Arbeitsmarktbereich, um nur zwei Beispiele zu nennen, weiter in nationaler Verantwortung bleiben. Wir als Politiker müssen den Kopf für Brüsseler Fehlentscheidungen hinhalten, obwohl wir auf diese Entscheidungen fast keinen Einfluß mehr haben. Die Beamten eines Verwaltungsausschusses in Brüssel entscheiden mehr über die Einkommensentwicklung der deutschen Milchbauern als die Mitglieder des Agrarausschusses des Deutschen Bundestages oder der deutsche Landwirtschaftsminister. Dieser Zustand kann so nicht bleiben. ({6}) Mit der Preisdruckpolitik bei Milch verfolgt die Kommission anscheinend das Ziel, die Milchmengenregelung in Mißkredit zu bringen, um sie ab dem 1. April 2000 abschaffen zu können. Die Unionsfraktion unterstützt Minister Borchert in seinem Bemühen, in der EU eine Mehrheit für die Fortsetzung einer Milchmengengarantieregelung nach dem 1. April 2000 zu finden. Die Vorschläge des bayerischen Landwirtschaftsministers Reinhold Bocklet zur inneren Ausgestaltung einer Garantiemengenregelung halte ich für eine gute Diskussionsgrundlage, um die aktiven Milcherzeuger zu stärken und eine Lösung für die leidige Altpachtproblematik zu finden. Die im Agrarbericht 1997 ausgewiesene Verbesserung des landwirtschaftlichen Einkommens trifft, wie heute schon angesprochen, für Bayern nicht zu. Da in Bayern 75 Prozent der Betriebe als Futterbaubetriebe mit dem Schwerpunkt Milch und Rinderhaltung bewirtschaftet werden, wurden vor allem die bayerische und die baden-württembergische Landwirtschaft Opfer der Preismisere auf diesen Märkten. Deshalb fordert die Regierungskoalition in ihrem Entschließungsantrag die Bundesregierung eindeutig auf, ihren ganzen Einfluß in Brüssel geltend zu machen, damit die Preisdruckpolitik im allgemeinen und die Schikanen bei den Exporterstattungen bei Milchprodukten im besonderen schnellstens beendet werden. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum Entschließungsantrag der Regierungskoalition. Ich glaube, er stellt eine gute Grundlage für die agrarpolitische Arbeit der nächsten Jahre dar. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Reinhold Hemker, SPD. ({0})

Dr. Reinhold Hemker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002670, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Harry Carstensen, nicht jeder Pastor will ständig reden, wie du weißt, aber manchmal - so wie heute - ist es vielleicht angebracht. ({0}) - Ich denke, lieber Harry Carstensen, wir sollten uns nicht auf dieses Niveau begeben. Wir könnten uns einmal darüber unterhalten, welche Aktivitäten für ländliche Räume und insbesondere auch für die Agrarwirtschaft von Menschen ausgehen, die nun gerade diesen Berufsstand von der Ausbildung her nicht angestrebt haben und etwas anderes machen, aber sich trotzdem sehr engagieren. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Agrarbericht - in diesem Zusammenhang beziehe ich mich auch ein wenig auf das, was die Kollegin Höfken schon gesagt hat - muß mehr sein als eine Aneinanderreihung von Zahlen und Fakten, vermischt mit Aussagen zum Lobe der Bundesregierung ohne weiterführende Perspektiven zum Wohle der Betroffenen. Ein Agrarbericht, lieber Kollege Borchert, muß nämlich wie jeder politisch zu verantwortende Bericht mehr sein als eine Bestandsaufnahme im Sinne einer Beschreibung des Status quo. Er muß vor allem auf Auswertungen basieren - das hat die Kollegin Höfken schon angedeutet -, die - ich zitiere aus der Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes - „besser als bisher abgesichert sein müssen". In diese Richtung ging ja auch ein Teil der Argumentation des Kollegen Deß. Eine statistisch ausreichende Datengrundlage fehlt aber nach Meinung des Bauernverbandes nicht nur bei der Beschreibung der wirtschaftlichen Situation nach Bundesländern. Der aufmerksame Leser des Agrarberichtes wird auch den Eindruck nicht los, als wolle die Bundesregierung bewußt den Eindruck erwecken, daß es den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland besser gehe, als es tatsächlich der Fall ist. ({2}) Warum hält die Bundesregierung sonst an der schon mit dem Agrarbericht 1989 eingeführten Darstellung der verfügbaren Einkommen fest, die die Situation der deutschen Landwirtschaft besser beschreibt, als sie tatsächlich ist? Lieber Kollege Borchert, wie wäre es, wenn Sie im nächsten Bericht die im Landwirtschaftsgesetz vorgegebenen Grundlagen in diesem Sinne berücksichtigen würden? Es geht bei der Bewertung einer nachhaltigen Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe nicht nur um die personelle Einkommenssituation, es geht um die Kraft zur Zukunftssicherung unter Einbeziehung weiterer Investitions- und Produktionsfaktoren. Ich rufe in diesem Zusammenhang nachdrücklich zwei Hauptforderungen des Landwirtschaftsgesetzes in Erinnerung: Erstens. Die Anstrengungen der Bundesregierung müssen darauf ausgerichtet sein, die Einkommen in der Landwirtschaft durch agrarpolitische Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß sie nicht hinter der gewerblichen Wirtschaft herhinken. Davon ist meiner Einschätzung nach zuwenig zu spüren. Zweitens. Die jährliche Vorlage des Agrarberichtes soll nach dem Landwirtschaftsgesetz auch dazu dieReinhold Hemker nen, diese Diskrepanz öffentlich darzustellen. Auch davon ist zuwenig zu spüren. Das liegt nicht nur nach meiner Einschätzung daran, daß der Bericht zu sehr im darstellenden Bereich steckenbleibt. Zwar ist der Teil B „Ziele und Maßnahmen der Agrar- und Ernährungspolitik" mit '77 Seiten und 198 Punkten vom Umfang her gesehen im Vergleich zur Lagebeschreibung mit 78 Seiten und 128 Punkten zunächst durchaus sehenswert. Aber dann bleibt doch vieles wieder so wie im ersten Teil des Berichtes, beziehungsweise hier werden zum erstenmal Zustandsbeschreibungen erwähnt. Ich will wegen der fortgeschrittenen Zeit jetzt auf den Vortrag anschaulicher Beispiele verzichten. Diese Fakten sind, von fleißigen Mitarbeitern Ihres Hauses, Kollege Borchert, zusammengestellt, hilfreich und lehrreich. Aber sie verdecken gewollt oder ungewollt einen grundsätzlichen Mangel dieser Art der Berichterstattung. Die notwendigen Schlußfolgerungen, die aus der Bilanz gezogen werden müssen, gibt es nur in Ansätzen. Wo sind zum Beispiel politische Aussagen im Rahmen unterschiedlicher Szenarien mit verschiedenen Optionen für eine notwendige Neuorientierung der deutschen Politik im Rahmen der EU, insbesondere im Blick auf die Wirtschafts- und Währungsunion? Dazu müßte natürlich auch ein weiterer Mangel des jährlichen Agrarberichtes abgestellt werden, nämlich der ungenügende Vergleich mit den anderen Ländern der Europäischen Union. Aber vielleicht will man ja an verantwortlicher Stelle nicht zur Kenntnis nehmen und geben, ob und wie es in anderen EU-Ländern gelingt, durch agrarpolitische Weichenstellungen zum Beispiel die Einkommensschere zwischen der gewerblichen und der Agrarwirtschaft zu verringern. Ich erinnere mich an den Bericht aus dem Jahre 1995, was die Wettbewerbsverzerrungen in der EU angeht. Hingewiesen wurde vorwiegend auf für die deutsche Landwirtschaft nachteilige Bedingungen. Gab und gibt es keine positiven Beispiele, aus denen man in Deutschland lernen kann? In diesem Zusammenhang muß deutlich gemacht werden, welche Schlußfolgerungen zum Harmonisierungsbedarf in der EU gezogen werden. Weiter: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß die Strukturfonds bis 1999 reformiert werden sollen und müssen? Hierher gehört, lieber Kollege Susset, das, was auf dem europapolitischen Kongreß der SPD durchaus auch kontrovers diskutiert worden ist, darunter auch das, was dort, Kollege Deß, zur Regionalisierung gesagt worden ist. ({3}) - Sie wissen genau, daß solche politischen Kongresse dazu dienen, einen Diskussionsprozeß in Gang zu bringen. Viele Ergebnisse dieses Kongresses werden sicherlich auch unsere Diskussionen noch befruchten. Es reicht nicht aus, zu berichten, welche Mittel geflossen sind und wie sie verteilt worden sind. Wie soll für den größten Nettozahler eine gerechte Lastenverteilung im Rahmen der 1999 anstehenden Neuregelung der Finanzen der EU erreicht werden? Es reicht nicht aus, die unterschiedlichen Rückflüsse aus der gemeinsamen Agrarpolitik als Ursache für die einseitige Nettozahlerposition Deutschlands zu beklagen. Konzepte oder, in der Sprache des Agrarberichtes, Ziele und Maßnahmen - nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft - müssen auf der Grundlage der umfangreichen Diskussion in der Politik und der Wissenschaft benannt werden. Die von meiner Fraktion vorgelegten Anträge, insbesondere der Antrag zum Agrarbericht, verstehe ich als konstruktiv-kritische Beiträge im Bemühen um einen Dialog. Es macht doch keinen Sinn, auf der einen Seite die Produktivität auch durch den Einsatz der Gentechnologie in Deutschland zu steigern, die über die Intensivlandwirtschaft zum Teil mit Giftstoffen angereicherten Lebensmittel für teures Geld in Lagerhäusern aufzubewahren und sie dann auch noch exportsubventioniert und mit all den oft negativen Konsequenzen für die heimischen Märkte auf den Weltmarkt zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam daran weiterarbeiten, die Extensivierung und die konsequente Berücksichtigung ökologischer Kriterien auch bei der Förderpolitik zu berücksichtigen. Ich denke dabei nicht nur an den Kollegen Albert Deß und seine nachdenklichen Ausführungen, die er in der Debatte zu WTO und Osterweiterung vor einigen Wochen und auch heute wieder gemacht hat. In allen Fraktionen des Deutschen Bundestages werden Überlegungen in dieser Richtung angestellt; auch Herr Kollege Borchert hat sich heute in dieser Richtung geäußert. Abschließend ein Gedanke zu den Vorstellungen der neoliberalen Chefideologen, die es ja mittlerweile in fast allen politischen Lagern dieser Welt gibt. Es muß unter uns Freundinnen und Freunden der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft und der dort stattfindenden landwirtschaftlichen Produktion darüber Einigkeit bestehen, daß der vollen Liberalisierung der Agrarmärkte als mögliche Handlungsoption für eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU eine Absage erteilt wird. ({4}) Bei einer Weiterentwicklung der Teilliberalisierung, verbunden mit einer Flächen- oder Arbeitsprämienregelung, sollten wir gemeinsam alle Varianten engagiert diskutieren. Alle Vorschläge aus der Wissenschaft und der Politik sind von uns gemeinsam zu prüfen und auszuwerten, auch der Vorschlag, daß verstärkt Direktzahlungen für erbrachte Dienste und auch neu zu erbringende Dienste im Naturschutz geleistet werden. Lieber Kollege Borchert, vor diesem Hintergrund freue ich mich schon auf den nächsten Agrarbericht, in dem dann sicherlich einige der Maßnahmen eingearbeitet sein werden. Vielleicht wird dann - ich komme auf die freundliche Bemerkung des Kollegen Carstensen zurück, deswegen zitiere ich eine Stelle aus dem Alten Testament -, lieber Kollege Borchert, „Ihre Lehre strömen wie Regen, Ihre Botschaft fallen wie Tau, wie Regentropfen auf das Gras und wie Tauperlen auf die Pflanzen", wie es im Alten Testament heißt. Dieses Mal kann es allerdings nur so sein wie mit dem jetzigen Wetter, bei dem wir alle für die Landwirtschaft einmal den notwendigen Regen, also einen Wetterumschwung, herbeiwünschen müssen. Herzlichen Dank ({5})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Steffi Lemke, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! In den Debatten in der vergangenen Woche und auch in der jetzigen Agrardebatte spielte die Haushaltspolitik eine große Rolle. Die Redner der Koalition betonten die Notwendigkeit von Einsparungen. Sie haben aber im Bereich der Agrarforschung bereits im vergangenen Jahr ihre Konzeptionslosigkeit dokumentiert, indem sie ein sogenanntes Rahmenkonzept für die künftige Ausgestaltung der Ressortforschung vorgelegt haben. Mit dem darin geplanten Stellenabbau um 30 Prozent und einer Verringerung der Standorte der Bundesforschung von 54 auf 30 wurden die Signale hier auf einen weiteren Abbau der Forschungskapazitäten im Agrarbereich gestellt. Die Gründe, die auf seiten der Bundesregierung zu diesem Streichregister geführt haben, sind nicht inhaltlicher, sondern ausschließlich haushaltspolitischer Natur. So begründete Staatssekretär Gröbl die Vorlage des ersten Entwurfes mit den restriktiven finanziellen Vorgaben des Haushaltsentwurfes 1996 und der mehrjährigen Finanzplanung. Nun bestreitet auch meine Fraktion nicht die Notwendigkeit von Einsparungen auch im Agrarbereich, aber wenn gespart werden muß, so sollte dies nach unserer Auffassung auf der Basis fachlich fundierter und zukunftsfähiger Konzepte erfolgen. ({0}) Nicht so bei der Bundesregierung. Nicht inhaltliche Überlegungen, nicht die regionalen und globalen Herausforderungen an eine zukunftsfähige Landwirtschaft, nicht die Sorge um den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Sicherung der Welternährung gaben Anlaß zu diesem Rahmenkonzept, sondern lediglich die Frage, wo Gelder zur Stopfung von Haushaltslöchern an anderer Stelle abgezogen werden können. ({1}) Unverständlich bleibt bei diesem Konzept vor allen Dingen, warum Standorte in den neuen Bundesländern, die erst 1991/92 evaluiert wurden, besonders von der Schließung betroffen sind. Im ersten Entwurf des Konzeptes wurden 33 Standorte als aufzulösen eingestuft, davon befanden sich 10 in den neuen Ländern. Im überarbeiteten Konzept wurde die Anzahl der aufzulösenden Standorte zwar um 7 reduziert, aber diese 7 Standorte liegen sämtlich in den alten Bundesländern. Damit wird das Verhältnis der Forschungskapazitäten zwischen alten und neuen Ländern weiter zu Lasten der neuen Länder verschoben, und Ihre Beteuerungen zur Stärkung der neuen Bundesländer in der Debatte heute morgen sind vor diesem Hintergrund zumindest bei der Forschung im Agrarbereich Makulatur. Sparen läuft dort nach dem Motto ab: Nicht da, wo es sinnvoll ist, sondern dort, wo der geringste Widerstand zu erwarten ist. ({2}) Gerade in den neuen Bundesländern ist die Bereitstellung hochqualifizierter Arbeitsplätze im ländlichen Raum jedoch erforderlich, um eine Sogwirkung auf die nachgeordneten Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche zu induzieren und so die Attraktivität des ländlichen Raumes zu erhalten bzw. zu steigern. Dieses Vorgehen der Bundesregierung kritisieren nicht nur wir, sondern auch Ihre eigenen Parteifreunde in den neuen Bundesländern. So hat die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt gemeinsam mit SPD und Grünen den Wunsch geäußert, auf die Bundesregierung einzuwirken, ein Alternativkonzept zu dem der Bundesregierung vorzulegen. Da tun sich ganz neue Konstellationen für die Zukunft auf. Wir meinen, daß die dezentrale Struktur der Bundesforschungsanstalten erhalten bleiben muß, verstärkte Forschungsanstrengungen, vor allem in den Bereichen Sicherung der Welternährung, Sicherung des Bodens und der Wasserressourcen, Entwicklung nachhaltiger Fischereimethoden, Herr Carstensen, und Erhalt der biologischen Vielfalt notwendig sind, ({3}) Alternativen zu dem verschwenderischen Ernährungsverhalten westlicher Industriegesellschaften entwickelt werden müssen, der ökologische Landbau als nachweislich nachhaltiges Landnutzungssystem größerer Unterstützung im Forschungssektor bedarf und die internationale Agrarforschung unbedingt verstärkt werden muß. ({4}) Die Erfolgsmeldung des Agrarbereiches im „Bundesbericht Forschung 1996" lautet jedoch: In Zusammenarbeit von Wirtschaft, Universitäten und Bundesforschungsanstalten konnten Widerstände gegen Freisetzungsexperimente mit biotechnologisch veränderten Pflanzen abgebaut werden. Ich frage mich, ob Sie wirklich keine anderen Probleme haben. Wir fordern Sie auf, Ziele und Aufgaben der Agrarforschung zu definieren, statt konzeptionslos hier und dort etwas abzuzwacken, bis Herr Waigel wieder einmal feststellt, daß der Haushalt nicht ein Haushalt, sondern ein Loch ist. Wir fordern Sie auf, aufzuhören, die Landwirtschaft in die gentechnologische Sackgasse zu führen und dies in den Mittelpunkt der Agrarforschung zu stellen. ({5})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Heinrich, F.D.P.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilanz, die wir heute ziehen, ist sehr nüchtern. Die Situation ist nach meinem Dafürhalten ernster, als es in der heutigen Debatte bisher zum Ausdruck gekommen ist. In den Kassen von Bund und Ländern herrscht schon seit einiger Zeit Ebbe. Zwangsläufig führte das in der Vergangenheit zu Opfern bei Land- und Forstwirten. Auch in der Zukunft sind weitere Einschnitte vorgesehen. Dazu einige Beispiele: Kürzungen im Agrarhaushalt in Höhe von 770 Millionen DM, die beschlossene Kürzung der Bundesmittel für Gemeinschaftsaufgaben in Höhe von 500 Millionen DM, die geplante Streichung der dritten Rate der Brüsseler Ausgleichszahlungen für Währungsverluste in Höhe von 69 Millionen DM, die vorgesehene Kürzung der Bundesmittel für landwirtschaftliche Unfallversicherungen in dreistelliger Millionenhöhe für die folgenden Jahre, die geplante Kürzung des EU-Agrarhaushaltes um rund 2,7 Milliarden DM durch Absenkung der Ausgleichsbeihilfen und die entstandenen Verluste in Milliardenhöhe allein im Jahre 1996 wegen BSE und Schweinepest. Welche finanziellen Auswirkungen die 1999 anstehende WTO-Runde und eine Osterweiterung der Europäischen Union für unsere Landwirte haben werden, ist heute schwer abzuschätzen. Sicher ist aber schon jetzt, daß der Wettbewerbsdruck weiter zunehmen wird. Genau diese Aspekte müssen wir nach meinem Dafürhalten in der Steuer- und Spardiskussion entsprechend berücksichtigen. Diesen Belastungen stehen auf der anderen Seite wichtige positive Beiträge der Land- und Forstwirtschaft für die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der gesamten Gesellschaft gegenüber: Über die Versorgung der Bürger mit qualitativ hochwertigen, sehr preiswerten Nahrungsmitteln hat unsere Landwirtschaft als eine entscheidende Inflationsbremse gewirkt. ({0}) Die relativen Ausgaben der Menschen für Nahrungsmittel sind heute auf einem historischen Tiefstand. Das verfügbare Einkommen hat sich dadurch für die Verbraucher vergrößert. Die heutige Kulturlandschaft wäre ohne die Arbeit unserer Land- und Forstwirtschaft nicht zu pflegen und damit nicht zu erhalten. In den ländlichen Räumen findet im wesentlichen die Grundwasserneubildung statt. Darüber hinaus werden Klärschlämme und Komposte insbesondere aus Ballungsgebieten über die Kreislaufwirtschaft auf landwirtschaftlichen Flächen preiswert verwertet. Agrarpolitik ist nicht nur Politik für den ländlichen Raum, sondern für die gesamte Gesellschaft. Alle profitieren davon. Das sollte hier deutlicher zum Ausdruck kommen. ({1}) Schließlich ist die Land- und Forstwirtschaft ein Bereich unserer Wirtschaft, der - im Gegensatz zum Beispiel zur Kohle - einen überragenden gesellschaftspolitischen Nutzen hat. Die Landwirtschaft erzeugt qualitativ hochwertige Nahrungsmittel, pflegt und erhält unsere Kulturlandschaft, baut nachwachsende Rohstoffe an, stellt erneuerbare Energien zur Verfügung und setzt „grüne Gentechnik" ein. Landwirtschaft steht für Zukunftstechnologie, Innovationen und Ökologie. ({2}) Das heißt, das Geld, das für die Landwirtschaft ausgegeben wird, kommt nicht nur den Beschäftigten der Landwirtschaft zugute. Letztendlich profitiert die gesamte Gesellschaft davon. ({3}) Das sind Leistungen, die andere Wirtschaftsbereiche in dieser Vielfalt und Bedeutung nicht erbringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Land- und Forstwirtschaft will eine gerechte, einfache und transparentere Steuergesetzgebung, die zu einer Nettoentlastung führt. Dieses Ziel wird aber mit der vorgesehenen Steuerreform in keiner Weise erreicht. Insbesondere für Betriebe mit einem Einkommen bis 50 000 DM wird dabei eine deutliche Mehrbelastung herauskommen. Der Wegfall von Freibeträgen macht sich bei diesen einkommensschwachen Betrieben eben besonders stark bemerkbar und führt groteskerweise gerade dort zu Einkommenseinbußen. Wenn dies aus steuersystematischen Gründen so gehandhabt werden soll, muß man sich aber gleichzeitig überlegen, wie man Leistungen der Landwirtschaft, die bisher für die Gesellschaft kostenfrei erbracht wurden, in Zukunft bezahlen kann. Vernünftigerweise könnte man aber auch einen Teil der Freibetragsregelungen beibehalten. Hier sind wir noch in den Beratungen. Zu den bereits aufgezählten Haushaltskürzungen kommen die Einschnitte aus der großen Steuerreform hinzu. Das sind nach Berechnungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums Belastungen für die Land-und Forstwirtschaft von brutto rund 1,2 Milliarden DM. Wenn auf Grund der Petersberger Beschlüsse nahezu alle Steuervergünstigungen für die Land-und Forstwirtschaft entfallen sollen, wie das ja im System beinhaltet ist, ({4}) dann ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe der gewerbliche, also niedrigere, Spitzensteuersatz eingeführt werden soll. Landwirte sind Unternehmer, und ihre Betriebe müssen dann auch wie Unternehmen besteuert werden. ({5}) Weitere Korrekturen sind erforderlich in den Bereichen, die den starken Strukturwandel in der Landwirtschaft nur ungenügend oder überhaupt nicht berücksichtigen. Das ist zum Beispiel bei der in § 14 a des Einkommensteuergesetzes vorgesehenen Änderung der Fall. Hier müssen die bis zum 31. Dezember 2000 befristeten Freibeträge für Gewinne aus Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zur Abfindung von weichenden Erben gerade aus strukturpolitischen Erwägungen heraus über dieses Datum fortgeführt werden. Wir müssen die strukturelle Entwicklung unserer Betriebe unterstützen und dürfen sie nicht behindern. ({6}) Schließlich ist die in § 34 b des Einkommensteuergesetzes enthaltene Verschlechterung von Kalamitätsnutzungen in der Forstwirtschaft nicht akzeptabel. ({7}) Diese Regelung hat mit Steuersubventionen überhaupt nichts zu tun und muß deshalb erhalten bleiben. Fazit: Um die zukünftigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern, muß eine weitere marktwirtschaftliche und unternehmerische Ausrichtung der Agrarpolitik erfolgen. ({8}) Die befriedigende Einkommenssituation in den fast politikfreien Bereichen - das ist zum Beispiel die Schweine- und Geflügelproduktion; aber auch viele Sonderkulturen gehören hierzu - zeigt eindeutig, daß der Weg in Richtung Marktwirtschaft gegangen werden muß. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Problematik der Saisonarbeiter anführen. Uns wird von Arbeitsämtern schriftlich bestätigt, daß in den ländlichen Räumen, in denen eine Nachfrage nach Saisonarbeitskräften besteht, der Bedarf mit deutschen Arbeitslosen nicht befriedigt werden kann. Das liegt schriftlich vor. Das muß die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen. ({9}) Sie kann nicht durch eine weitere Kontingentierung und Zurückschneidung die Existenz dieser Betriebe in Gefahr bringen. ({10}) - Ich sage es hier, damit er es hört. Mit unseren Vorschlägen zur Milchpolitik haben wir in den Koalitionsfraktionen ebenfalls einen wichtigen Schritt zu mehr Marktwirtschaft gemacht. Ich freue mich, Herr Minister Borchert, daß das, was die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und F.D.P. zusammen mit Ihrem Haus ausgearbeitet haben, Eingang in Ihre Überlegungen gefunden hat und daß Sie das in Brüssel vertreten. Herzlichen Dank dafür! ({11}) Wir müssen die Rahmenbedingungen zugunsten einer leistungsstarken und zukunfsfähigen Landwirtschaft so fortentwickeln, daß unsere Land- und Forstwirte im europäischen Wettbewerb bestehen und verlorene Marktanteile zurückgewinnen können. Dabei muß das immer knapper werdende Geld zukünftig aber noch zielgenauer eingesetzt werden. ({12}) Herzlichen Dank. ({13})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort die Kollegin Jella Teuchner.

Jella Teuchner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich erinnere mich an einen Werbespruch, der früher jede Strohhalmpackung von Milcherzeugnissen geziert hat. Darauf stand nämlich: „Milch macht müde Männer munter." ({0}) Diese Aussage ist heute natürlich unfreiwillig auch zu einer politischen Bedeutung gekommen; denn die verstärkte Diskussion über die zukünftige Milchmarktregelung - ab dem 1. April 2000 - hat jetzt auch Landwirtschaftsminister Borchert zum Handeln gezwungen. Nach zahlreichen politischen Aktivitäten, der Milchkonferenz der SPD, einem Diskussionsforum des Deutschen Bauernverbandes und der Stellungnahme der Agrarminister der Bundesländer, hat der Bundeslandwirtschaftsminister im März dieses Jahres endlich seine Hausaufgaben gemacht und ein entsprechendes Memorandum der EU-Kommission zugeleitet. Wenngleich auch die SPD für eine Fortführung der Milchquotenregelung über das Jahr 2000 hinaus ist und obwohl wir es begrüßen, wenn die aktiven Milcherzeuger gestärkt werden, so sollten doch die Besitzstandswahrung und auch der Quotenhandel zu Ende gehen. Aktiven Milcherzeugern muß bei einer flächendeckenden Landbewirtschaftung, so wie wir sie wollen, eine Milchquote innerhalb der Region zur Verfügung stehen. Einen Quotenverkauf zur Alterssicherung oder zur Finanzierung des Ausstieges kann es dann eigentlich nicht mehr geben. Wir treten außerdem für eine Erhaltung der Quote ein, die dann zuJella Teuchner rückzugeben ist, wenn die Milchproduktion im Betrieb endgültig aufgegeben wird. Die Bundesregierung hat sich allerdings im Hinblick auf die anderen Mitgliedsländer - insbesondere zur Einhaltung der Quotenmenge - auf verbale Proteste und Interventionen beschränkt. Auf ihrer letzten Reise nach Italien konnten sich einige Mitglieder des Agrarausschusses davon überzeugen, daß selbst nach 13 Jahren Milchquotenregelung die italienische Administration immer noch nicht weiß, wieviel Milch die einzelnen Betriebe produzieren. Gleichzeitig wird aber von Italien in Brüssel eine Erhöhung der Milchmenge gefordert, und das bei einem Preis von 80 Pfennig pro Liter an den produzierenden Landwirt. In Deutschland wurde im letzten Milchwirtschaftsjahr zum erstenmal die Quotenmenge überschritten. Die Zahlungen für die Straf- oder Superabgabe - die Sanktion beträgt 115 Prozent des Richtpreises für Milch - werden selbst vom BML mit mehreren hundert Millionen DM angegeben. Weiterhin ist zu konstatieren, daß die EU im Einkommensvergleich festgestellt hat, daß die Futterbaubetriebe nach der direkten Einkommensbeihilfe durch das Flächenprämiensystem um 20 Prozent schlechter gestellt sind als die Ackerbau- bzw. Marktfruchtbetriebe. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch der Agrarbericht der Bundesregierung, der den Futterbaubetrieben mit plus 1,9 Prozent den geringsten Gewinnzuwachs bestätigt. Bisher ist mir allerdings noch kein ernstzunehmender Vorschlag der Bundesregierung bekannt, wie dieses Manko behoben werden kann. Zum diesjährigen Preispaket, das Ende Juni verabschiedet werden muß, hat sie noch keine offiziellen Verbesserungsvorschläge für die Milchproduzenten unterbreitet. Es bestätigt sich damit wieder, daß der Bundeslandwirtschaftsminister seine Rolle nicht als Vordenker, sondern nur - und das auch nicht permanent - als Nachdenker versteht, zumindest was die Milch angeht. Wir erachten auch die Beibehaltung der Quote in den neuen Bundesländern für sinnvoll, um nicht fehlerhafte Entwicklungen, wie den sogenannten Sofamelker, zu wiederholen. Dort besteht ein reines Lieferrecht, das in die öffentliche Hand zurückwandert, wenn der Betrieb seine Milchproduktion aufgibt und auf den reinen Mastbetrieb oder auf Ackerbau umstellt. Die Beibehaltung der Milchquote ist auch vor dem Hintergrund der anstehenden WTO-Runde unabdingbar. Wenn klimabegünstigt die Haltung in Primitivställen - um nicht von „Schutzhütten" zu reden - eine Produktion mit einem Preis von 30 Pfennig pro Liter in Neuseeland und Australien ermöglicht, so würde der europäische Markt mit Milchprodukten dieser Staaten überschwemmt werden, wenn eine totale Liberalisierung im Milchmarkt erfolgen würde. Wenngleich die WTO-Runde als Fortführung der GATT-Verhandlungen noch nicht unmittelbar vor der Tür steht, so lassen sich doch bestimmte Anzeichen feststellen, die auf die Richtung hindeuten, in die die anderen Verhandlungspartner steuern werden. EU-Kommissar Franz Fischler und sein stellvertretender Kabinettschef Strohmeyer werden nicht müde, ständig und überall darauf hinzuweisen, daß die direkten Einkommensbeihilfen in der jetzigen Form die WTO-Runde nicht überdauern werden. Es wäre eigentlich an der Zeit, sich in den Mitgliedstaaten darüber Gedanken zu machen, wie die jetzigen Zahlungen nicht mehr an Produktionsmengen, sondern an ökologische Kriterien gebunden werden, damit sie nicht dem bereits festgelegten Abbaumechanismus unterliegen. ({1}) Dazu zählen gegebenenfalls die Einführung einer Grönlandprämie und eines Punkteschemas für standort- und umweltgerechte sowie nachhaltige Bewirtschaftung, die freiwillige Teilnahme an Dorf- und Landschaftsverschönerungen und die Fortentwicklung der in einigen Bundesländern aufgelegten Programme. Das bayerische KULAP- oder das baden-württembergische MEKA-Programm wären da zum Beispiel günstige Ansatzpunkte. ({2}) Statt solche politischen Ansätze weiter zu verfolgen, wird aus Ihrem Hause immer noch verkündet, daß die Einkommensbeihilfen, die in der Agrarreform von 1992 festgelegt wurden, als dauerhaft zu betrachten seien und in gleicher Höhe weiter gezahlt werden müßten. Wir Sozialdemokraten halten es für eine falsche Strategie, in die WTO-Verhandlungen mit der Position zu gehen, daß alles beim alten bleibt, und dieses auch den Bauern in der Bundesrepublik zu verkünden. Dabei sei bemerkt, daß der von den USA beschlossene FAIR Act von der Formulierung und dem Inhalt her genau auf die Kriterien des Abbaumechanismus in der Blue Box zielt. Entscheidende Änderungen gegenüber der früheren Gesetzgebung in Amerika sind die Abschaffung der Flächenstillegungsprogramme und die Einführung von Hektarprämien bei Abschaffung der produktbezogenen Ausgleichszahlungen. Die bisher bestehende betriebliche Obergrenze für direkte Ausgleichszahlungen wird um 20 Prozent auf zirka 60 000 DM pro Person und Betrieb gesenkt. Gleichzeitig werden neue Exportziele formuliert, um den Exportanteil in der Agrarwirtschaft, der heute bereits 25 Prozent beträgt, noch zu steigern. Nach unserer Meinung ist die Einschätzung der EU, was die Verhandlungssituation, die Umsetzung der GATT-Beschlüsse und die nächste WTO-Runde betrifft, realistischer als die des Bundeslandwirtschaftsministers und seines Staatssekretärs. Eine entsprechende Kontroverse auf der letzten DGAU-Tagung hat dies deutlich gezeigt. ({3}) Es scheint mir an der Zeit, für die bevorstehenden Verhandlungen eher eigene Positionen zu entwikkeln, als stets nur die des Deutschen Bauernverbandes zu verteidigen. ({4}) Das Beharren des Bauernverbandes auf alten Positionen ist natürlich verständlich. Wenn aber die Bundesregierung Agrarpolitik als Teil der Gesellschaftspolitik versteht, muß sie auch dazu bereit sein, über neue Wege nachzudenken. Die ständige Forderung gegenüber der EU, sie möge die 1992 festgelegten Grundsätze der gemeinsamen Agrarpolitik ohne Wenn und Aber in den Nachfolgekonferenzen verteidigen, wird diese nicht erfüllen. Danke. ({5})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Junghanns, CDU/CSU.

Ulrich Junghanns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001042, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorgelegt worden ist der erste Agrarbericht aus einem Guß. Denen, die das vollbracht haben, möchte ich herzlich danken. Denen, die das Werk noch für unausgereift halten, empfehle ich zur Qualifizierung dieser wichtigen Grundlagen unseres agrarpolitischen Instrumentariums eine Zusammenarbeit über Koalitions- und Oppositionsgrenzen hinweg. Das Problem liegt für mich darin, daß einerseits im Berichtsjahr ein Gewinnanstieg ausgewiesen wird, andererseits übereinstimmend darauf verwiesen wird, daß im laufenden Wirtschaftsjahr deutliche Gewinnrückgänge zu verzeichnen sind. Unter solchen Vorzeichen sind verläßliche, überschaubare und handhabbare, erprobte agrarpolitische Rahmenbedingungen für jeden Landwirtschaftsbetrieb von ausschlaggebender Bedeutung. Besonders wichtig ist das für die vergleichsweise jungen Unternehmen in den neuen Bundesländern, die Personengesellschaften, die Einzelunternehmen und die juristischen Betriebe. Ihr betriebswirtschaftliches Gefüge stabilisiert sich erst. Mit dem notwendigen Strukturwandel sind noch viele Unwägbarkeiten verbunden. Deshalb besteht aus unserer Sicht, der Sicht der jungen Bundesländer, die wichtigste Aufgabe darin, daß die Finanzmittel im Rahmen der EUAgrarleitlinien gesichert werden und daß sich die sachliche und finanzielle Schwerpunktbildung zugunsten der einzelbetrieblichen Förderung fortsetzt. Das steht in unserer Entschließung; das haben meine Kollegen begründet. Unser Bundesminister Jochen Borchert erhält dafür unser aller Unterstützung. Hingegen wende ich mich gegen alle Versuche, tatsächliche oder herbeigeredete EU-Finanzprobleme etwa über betriebliche Obergrenzen oder Degressionen zu lösen. Das führt in die Sackgasse. Unser agrarpolitisches Ziel ist es, unabhängig von der Unternehmens- und Erwerbsform eine leistungs- und wettbewerbsfähige, marktorientierte und umweltverträgliche Land- und Forstwirtschaft zu entwickeln. Mit diesem Anspruch empfiehlt sich ein differenzierter Blick auf die Entwicklung der Betriebe in unseren jungen Ländern. ({0}) - Herr Sielaff, ich komme auf Sie zurück. Ich möchte zu vier ausgewählten Punkten kurz Stellung nehmen. Bei insgesamt sinkenden Betriebszahlen hat sich die Zahl der Betriebe in den jungen Bundesländern um 575 Einzelunternehmen und Personengesellschaften auf knapp 31000 erhöht. Dieser Strukturwandel geht, wenn auch stark verlangsamt und in den Ländern unterschiedlich, weiter. Der Vorzug der Betriebe ist ihre vergleichbar große Flächenausstattung. Sie haben einen hohen Pachtanteil. Die Größenordnungen - auch traditionell bedingt - können für die alten Länder keine Zielmarken sein. Aber mit den Schleswig-Holsteiner Betrieben zusammen geben sie auf alle Fälle die Entwicklungsrichtung mit an. Neben der wirtschaftlichen Konsolidierung sind und bleiben auch alle Vermögensfragen wichtig. Zum einen muß es dabei um die gesetzeskonforme Abarbeitung aller Vermögensauseinandersetzungen gehen, wofür die Koalition gesetzlich Zeit geschaffen hat. Andererseits rücken Vermögens- und Eigentumsfragen vornehmlich in den Agrargenossenschaften, GmbHs und Aktiengesellschaften zunehmend ins Blickfeld. Für eine nachhaltige Bindung zum Tier, zum Boden und zum Dorf treten wir für ein breit gestreutes bäuerliches Eigentum ein, so wie in den einzelnen Unternehmen und Personengesellschaften und auch in den Zusammenschlüssen der Bauern in Form juristischer Personen. Unterstützung durch den Berufsstand ist daher auch vonnöten. Zweitens. Aus ganz unterschiedlicher Sicht unterstütze ich die Auffassung des neuen DBV-Präsidenten Sonnleitner, die lautet, die Zukunft der deutschen Landwirtschaft liege maßgeblich in der landwirtschaftlichen Veredelung. Der Agrarbericht belegt diese Einkommenspotentiale, aber auch die Tatsache, daß sich die ostdeutsche Landwirtschaft dabei viel vergibt. Nach dem dramatischen Tierbestandsabbau im Zuge des Strukturwandels sollte diese Überlegung wieder stärker in den Vordergrund des Unternehmenskalküls gerückt werden. Eine breitere Präsenz am Markt wird die Wirtschaftlichkeit nachhaltig stärken. Damit verbinde ich natürlich auch Arbeitsplatzhoffnungen, wobei ich erfahren mußte, daß das Geld-besorgen für den Stallbauern schwierig ist, aber die Akzeptanz unter manchen Teilen der DorfbevölkeUlrich Junghanns rung oder die Zustimmung von Behördenvertretern noch schwerer wird. Wichtig ist, daß die knapper gewordenen GA-Mittel vor allem für die Investitionsförderung eingestellt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe muß im Vordergrund stehen. Es kann und darf nicht sein, daß, wie vom Berufsstand festgestellt, in 1996 zirka 90 Millionen DM Bundesmittel wegen fehlender Landesmittel - insgesamt 150 Millionen DM - den Bauern verlorengehen. Da paßt ins Bild, daß jetzt gerade noch die Vertreter der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt dieser Agrardebatte beiwohnen. Außerdem fordern wir die Bundesregierung weiterhin auf, sich auf EU-Ebene für die weitere Verlängerung der Sonderegelung Milchquote und die Verlängerung der Regionalplafonds bei den Tierprämien einzusetzen. Als Politiker haben wir es in der Hand, schon in der Art - das ist meine dritte Bemerkung - des Umgangs mit agrarpolitischen Problemen der neuen Bundesländer wirtschaftliche Zuversicht zu stärken oder im Gegenteil politisches Mißtrauen zu schüren. Die Themen Altschulden und Flächenerwerbsprogramm sind solche ostdeutschen Reizthemen, bei denen bislang eher Konfrontation aufgebaut wurde. Um dem etwas entgegenzutreten, liegt mir daran, nochmals sachlich hier und heute festzustellen: Das Karlsruher Urteil zu den Altschulden schafft Rechtsklarheit. Altschulden sind eine rückzahlbare Verpflichtung. Durch die bislang getroffenen Entlastungen sind die betroffenen Unternehmen in ihrer Existenz nicht gefährdet. Eine Überprüfung der bestehenden Regelungen steht im Jahr 2000 an. Richtig ist: Schon jetzt muß die Vorarbeit beginnen. Deshalb begrüße ich es, daß die ostdeutschen Agrarminister die Untersuchung der Altschulden in Auftrag gegeben haben oder geben wollen. Es ist aber notwendig, daß dies wegen der einschlägigen Kompetenzzuordnung von Anfang an zur gemeinsamen Aufgabe von BMF, BML und den ostdeutschen Agrarministerien wird. Ich erwarte diesbezüglich ein Aufeinanderzugehen dieser Beteiligten ganz einfach aus dem gemeinsamen Interesse, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gründlich zu erfüllen. Schließlich noch zum Flächenerwerbspogramm. Wenn nun in den verschiedensten Zeitungen Fragen des am anhängigen Beschwerdeverfahren beteiligten EU-Kommissars als starke Vorbehalte der EU gegen das Flächenerwerbsprogramm interpretiert werden, ändert das noch lange nichts an der Haltung der Koalition. Auf Bitten der EU hat die Regierung in einem umfangreichen Material das Flächenerwerbsprogramm als Bestandteil der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen erläutert und begründet. Die Materie ist zweifelsohne kompliziert. Deshalb sind Rückfragen und Gespräche diesbezüglich wohl normal. Spekulationen jeder Art helfen da überhaupt nichts. Ausgehend von der Gesetzeslage müssen von der Regierung gegenüber der Kommission alle Fragen gründlich beantwortet und der Gesetzesauftrag konsequent vertreten werden. Ich bin überzeugt, daß dies geschieht. Es besteht keine Veranlassung, die Verkaufstätigkeit der BVVG auf der bestehenden gesetzlichen Grundlage einzustellen. Danke schön. ({1})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zu Tagesordnungspunkt 11 a: Interfraktionell wird Überweisung des Agrarberichts 1997 auf den Drucksachen 13/6868 und 13/6869 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS auf den Drucksachen 13/7795, 13/7796, 13/7810, 13/7798 sollen an dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Tagesordnungspunkt 11 b: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", Drucksache 13/ 6618, mit der Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/7429. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit Zustimmung des Hauses im übrigen angenommen. Wir kommen zur Dritten Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie eben angenommen. Tagesordnungspunkt 11 c: Es ist beantragt worden, den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 13/7809 zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 11 d: Interfraktionell wird Überweisung des Antrages der SPD zur Verbesserung der Zusammenarbeit in der internationalen Agrarforschung auf Drucksache 13/7678 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeVizepräsident Hans-Ulrich Klose schlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen. Tagesordnungspunkt 11 e: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einem Rahmenkonzept für die Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Drucksache 13/4997. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/2906 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Tagesordnungspunkt 11 f: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Antrag der Fraktion der SPD zur künftigen Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Drucksache 13/5944. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4452 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Tagesordnungspunkt 11 g: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Fortsetzung der Garantiemengenregelung Milch und zur Stärkung der Position der milcherzeugenden Betriebe, Drucksache 13/7742 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7180 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Milchquotenregelung in den neuen Ländern, Drucksache 13/ 7742 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4905 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Stärkung produzierender Milcherzeuger; das ist die Drucksache 13/7742 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5751 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Zusatzpunkte 11 und 12 auf: ZP11 Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens - Drucksache 13/7848 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Paziorek ZP12 Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof - Drucksache 13/7849 Berichterstattung: Abgeordneter Andreas Schmidt ({2}) Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Durchführung eines Strafverfahrens. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Durchführung eines Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Schaich-Walch, Wolf-Michael Catenhusen, Margot von Renesse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck ({3}), Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms im Deutschen Bundestag beraten - Drucksache 13/7801 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß ({4}) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Dazu teile ich dem Hause mit, daß die für diese Debatte vorgesehenen Redner ihre Debattenbeiträge zu Protokoll geben. Es handelt sich dabei um Peter Altmaier, CDU/CSU, Gudrun Schaich-Walch, SPD, Marina Steindor, Bündnis 90/Die Grünen, Professor Laermann, F.D.P., Wolfgang Bierstedt, PDS, und Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Herrn Bundesminister Dr. Schmidt-Jortzig.*) Ich gehe davon aus, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/7801 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich gehe da- *) Anlage 2 von aus, daß Sie damit einverstanden sind. - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung beschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 11. Juni 1997, 14 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.