Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/14/1997

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet. Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Sie darauf hinweisen, daß wir heute wegen der geringen Anzahl von Fragen eine verkürzte Fragestunde haben. Gleich anschließend ist dann die Aktuelle Stunde. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat für die Befragung als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zur aktuellen Situation im Bereich der Drogenpolitik. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Eduard Lintner.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Kabinettssitzung habe ich eingangs an Hand eines Sprechzettels, also ohne schriftliche Vorlage, kurz die gegenwärtige Situation auf dem Rauschgiftsektor dargestellt und darauf hingewiesen, daß die Zahl der Drogentoten 1996 erstmals wieder angestiegen ist, daß aber in den Jahren 1991 bis 1995 ein Rückgang zu verzeichnen war. Es ist deshalb also nicht gerechtfertigt, die Drogenpolitik der Bundesregierung als gescheitert zu bezeichnen. Zudem ist darauf aufmerksam zu machen, daß der Anstieg der Zahl der festgestellten Erstkonsumenten sich vor allem auf den Bereich der synthetischen Drogen konzentriert; Ecstasy wäre hier als Stichwort zu erwähnen. Das bestimmt im Grunde genommen das gesamte Lagebild. Wenn man über Erfolg oder Mißerfolg der Drogenpolitik urteilen will, so ist nicht die Schimäre einer drogenfreien Gesellschaft das Bezugsziel. Vielmehr muß man die Ergebnisse mit denen von Ländern im westlichen Europa vergleichen, die eine andersartige Drogenpolitik praktizieren. Dazu liegen uns zur Zeit zwei wissenschaftliche Studien vor. Die Bundesrepublik Deutschland schneidet dabei gut ab. Wenn man beispielsweise die Zahl der Drogenabhängigen auf 100000 Einwohner betrachtet, hat nur Norwegen eine geringere Quote. Wenn man auf die Drogenerfahrungen der 14- bis 17jährigen abstellt, liegen wir mit 12 Prozent deutlich besser als beispielsweise Großbritannien mit 33 Prozent oder Spanien und die Niederlande mit 20 Prozent. Besser als wir liegen in diesem Bereich nur Schweden, Finnland und Portugal. Insbesondere die bei uns immer wieder als beispielhaft dargestellten Niederlande und die Schweiz sind von der Drogensituation her wesentlich schlechter dran. Es ist bekannt, daß in den Niederlanden 4,4 Prozent der Bevölkerung Haschisch konsumieren; bei uns sind es 2,6 Prozent. In der Schweiz existieren etwa 30 000 bis 35 000 Heroinsüchtige - das sind die eigenen Aussagen der Schweiz -, bei uns nach Aussage der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren 120 000 bis 150 000. Wenn man die Zahl der Schweiz auf unsere Verhältnisse hochrechnen würde, müßte die Zahl in der Bundesrepublik Deutschland bei etwa 400 000 liegen. Ich bin im weiteren Verlauf auf bestimmte Stichworte eingegangen, die zur Zeit in der Drogenpolitik eine herausragende Rolle spielen, ausgelöst durch entsprechende Gesetzesinitiativen oder Vorschläge, beispielsweise auf den Vorschlag der SPD - federführend ist hier Hamburg -, Heroin an sogenannte Schwerstabhängige abzugeben. Ich habe darauf hingewiesen, daß nicht zu erwarten ist, daß sich daraus Positives für unsere Situation ergeben würde. Ich habe kurz auch den Vorschlag von SchleswigHolstein behandelt, einen Versuch mit der Abgabe von Haschisch in Apotheken zu machen. Sie wissen, dort plant man, fünf Gramm pro Person und Tag über Apotheken abzugeben. Ich habe aus der allgemeinen Sicht dazu Stellung genommen und darauf hingewiesen, wir hätten dann damit zu rechnen, daß die Zahl der Konsumenten steigt, daß sich auch die Intensität des Konsums erhöht usw. Der Kollege Bundesminister Seehofer hat bei dieser Gelegenheit zusätzlich darauf hingewiesen, daß der Antrag des Landes Schleswig-Holstein vom zuständigen Bundesinstitut abgelehnt werden wird. Er hat dazu tragende Gründe genannt, aber im einzelnen auf die noch zu erwartende schriftliche Ablehnung und die Begründung dazu verwiesen. Letztlich habe ich auf die Bedeutung von Prävention hingewiesen. Prävention hat im Zusammenhang mit der Suchtproblematik eine Schlüsselfunktion. Darüber sind sich im Grunde genommen alle einig. Ich habe erläutert, daß Prävention nicht nur eine Sache des Staates und der Politik sein könne. Sie kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie im Grunde genommen von der gesamten Gesellschaft getragen wird und auch alle Versuche unterlassen werden, den Umgang mit gefährlichen illegalen Suchtsubstanzen zu verharmlosen. Leider gibt es dazu Tendenzen. Deshalb auch der Appell an alle, die sich hier betätigen - auch an die Landesregierungen -, jeden Anschein von Verharmlosung des Konsums zu unterlassen. Ich habe schließlich noch kurz die Therapiesituation gestreift. Darauf kann ich aber aus Zeitmangel jetzt nicht mehr eingehen, sondern muß das meiner Antwort bei der Befragung überlassen. Vielen Dank.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Bitte schön, Herr Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich darf zunächst einmal danach fragen, wie die Bundesregierung glaubt, zuverlässig ermitteln zu können, wieviel Haschischkonsumenten es in unserem Lande tatsächlich gibt. Bei den Heroinkonsumenten räume ich ein, daß Polizeibehörden und auch die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren deren Zahl einigermaßen ermitteln können, weil diese Personen öffentlich auffällig werden; aber wie wollen Sie angesichts der bekannten Konsumart bei Haschisch - überwiegend in Privaträumen, auch auf Partys und ähnlichem - überhaupt Zahlen ermitteln, die Sie mit anderen Ländern vergleichen können?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Singer, Sie wissen wie ich und verwenden diese Zahlen ja auch immer, daß wir dabei auf Zahlenangaben zurückgreifen, die uns im Grunde genommen die Fachleute liefern - die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, die Beratungseinrichtungen, die Therapieeinrichtungen -, und danach muß man in Deutschland wohl davon ausgehen, daß zwischen zwei und drei Millionen regelmäßige Haschischkonsumenten existieren.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Eine Zusatzfrage? - Bitte.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine zweite Frage bezieht sich auf den gesamten Bereich der Prävention. Da hätte ich von Ihnen gerne ausführlichere Darlegungen, was die Bundesregierung im Bereich der Prävention macht, wie weit sie bisher erfolgreich war, die Einrichtung eines Lehrstuhls oder Teillehrstuhls für die Präventionsforschung anzuregen, als Modellvorhaben zu unterstützen, und ob sie sich bei der Präventionspolitik nicht nur mit den illegalen Rauschmitteln, sondern auch mit dem riesigen Markt der legalen Rauschmittel befaßt. Ferner möchte ich wissen, ob es die Bundesregierung beunruhigt, daß es bei uns etwa 40 000 bis 50 000 Alkoholtote und - wie man von einem Vizepräsidenten dieses Hauses gehört hat - sogar 80 000 Nikotintote pro Jahr gibt.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Singer, zu dem Fragenteil, der sich auf die Einrichtung eines entsprechenden Lehrstuhles bezieht, kann ich Ihnen sagen, daß wir der Kultusministerkonferenz der Länder eine entsprechende Anregung gegeben haben. Sie wissen, daß dafür die Länder zuständig sind. Ich kann vielleicht mit Ihnen zusammen bedauern, daß die Länder bisher diese Anregung nicht nachhaltig genug aufgegriffen haben. Wir sind sehr daran interessiert, daß uns hier ein Konzept vorgelegt wird. Wenn dieses Konzept vorliegt, dann kann sicherlich auch über die Art der Förderung durch den Bund gesprochen werden. Ihnen ist auch bekannt, daß die Bundesregierung ihre Präventionskampagnen schon immer darauf abgestellt hat, in einer ersten Phase - die sehr früh beginnt, in der Kindheit, womöglich schon im Vorschulalter - völlig suchtunspezifische Präventionsbemühungen zu entfalten. Das heißt also, es geht bei Kindern insbesondere darum, sie von der Persönlichkeit her zu stärken, sie zu befähigen, Konflikte ohne die „Zuhilfenahme" solcher Substanzen zu bewältigen. „Kinder stark machen" ist eine derartige Kampagne. Diese Präventionsbemühungen setzen sich dann in differenzierteren Kampagnen fort. „Sehnsucht" ist eine der neuesten Kampagnen. Ganz generell sind wir uns aber darüber im klaren, daß sich Suchtprävention nicht nur gegen die Einnahme illegaler Drogen richten soll, sondern ganz allgemein Bemühungen entfalten muß, die Resistenz, die Widerstandsfähigkeit, im Kopf gegen Sucht zu stärken. Bei der Prävention selber ist wohl davon auszugehen, daß nicht allein der Staat und die Politik den Erfolg garantieren können. Es handelt sich im Grunde genommen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder muß sozusagen den ihm möglichen und zumutbaren Beitrag zum Erfolg der Prävention leisten. Besonders schädlich in diesem Zusammenhang ist natürlich all das, was insbesondere von den jugendlichen Adressaten als verharmlosend aufgenommen wird. Jeder Schritt, der letztlich zu dem Fehlschluß führt - auch wenn das möglicherweise konkret gar nicht so gemeint ist -, daß es doch gar nicht so schlimm sei, solche Substanzen zu konsumieren, ist aus der Sicht der Prävention eine ganz gewagte, gefährliche und deshalb auch schädliche Maßnahme.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Hüppe.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen gerade über die Wirkung der Prävention und über die Verharmlosung des Konsums von Drogen. Deshalb frage ich Sie: Wie steht gerade in bezug auf eine solche Wirkung die Bundesregierung zu den Aussagen, die zum Teil aus den Reihen der Grünen kommen, nicht nur Cannabis in den Apotheken zu verkaufen, sondern, so wie es zum Beispiel die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Frau Knoche, in der Presse geäußert hat, zusätzlich Ecstasy?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich halte eine solche Aussage für nicht verantwortbar, zumal wir mittlerweile eine gewisse Klarheit darüber haben, welche. Gefahren mit dem Konsum von Ecstasy verbunden sind. Sie sind sehr viel schwerwiegender, als wir selber ursprünglich befürchtet hatten. Es ist vor allem unkalkulierbar, wann dieser Schaden eintritt. Er kann, so sagen die Fachleute, schon beim ersten Konsum eintreten. Deshalb sollte man, zumal unter Jugendlichen bei dieser Art von Drogen noch eine gewisse Unkenntnis herrscht bzw. viele Jugendliche offenbar nicht bereit sind, das anzuerkennen, was von Fachleuten geäußert wird, bei einer öffentlichen Äußerung gerade in bezug auf Ecstasy besonders sorgfältig sein. Wenn jemand in dieser Art und Weise Ecstasy verharmlost, so halte ich das für einen nicht verantwortbaren Schritt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Zusatzfrage.

Hubert Hüppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000975, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sprachen darüber hinaus ein Projekt in der Schweiz und den Antrag des Bundesrates auf Abgabe von Heroin an. Es liegen ja mittlerweile die Zwischenberichte dieses Schweizer Projektes vor. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß in diesem Zwischenbericht gesagt wird, daß über 60 Prozent derjenigen, die jetzt Heroin erhalten, zunächst an einer Methadon-Behandlung und dann direkt an der Heroin-Abgabe teilgenommen haben? An diesen Zwischenbericht anschließend frage ich Sie: Wie stehen Sie zu der Aussage, daß, wie beispielsweise Herr Voscherau sagt, mit dem Versuch der Heroin-Abgabe die Kriminalität in der Schweiz zurückgehen wird?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Hüppe, wir haben stets betont, daß wir gerade den Versuch in der Schweiz erst endgültig bewerten wollen, wenn das Endergebnis vorliegt. Natürlich nehmen wir aber auch die Zwischenergebnisse zur Kenntnis. Die beiden Aussagen in diesem Zwischenbericht, die Sie gerade erwähnt haben, werden an Hand des Endberichts Gegenstand besonders aufmerksamer Nachprüfungen sein. Ich kann dazu soviel sagen: Auffallend ist, daß die ursprüngliche Intention, nämlich mit Hilfe der Heroin-Abgabe bei den betroffenen Personen zu einer Art Motivierung in bezug auf eine Abstinenztherapie zu kommen, zwischenzeitlich offenbar völlig aufgegeben worden ist. Von Abstinenzbemühungen ist nicht mehr die Rede. Zweitens ist auffallend, daß die Kantonspolizei Zürich, vor kurzem nachzulesen in der „Neuen Zürcher Zeitung", die Kriminalitätsbilanz für 1996 veröffentlicht hat und darin ausdrücklich eine deutliche Zunahme der Einbruchsdiebstähle - ein klassisches. Feld beispielsweise der sogenannten Beschaffungskriminalität - und einen Rekordzuwachs bei der Rauschgiftkriminalität von fast 30 Prozent feststellt. Außerdem sind 1996 in der Schweiz fast 300 Kilogramm Heroin beschlagnahmt worden, auch eine Rekordmenge. Wenn man nun den Beteuerungen glaubt, hätte sich eigentlich, da der Versuch in der Schweiz bereits seit drei Jahren läuft, 1996 ein Rückgang bei diesen Zahlen ergeben müssen. Das Gegenteil war aber der Fall. Daraus können Sie entnehmen, daß der Zusammenhang, wie er bei unserer Diskussion - ich muß fast sagen: leichtfertig - immer als längst bewiesen dargestellt wird, zumindest nicht so offensichtlich und so automatisch ist, wie es gerne unterstellt wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Knoche.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Problematik bei Ecstasy insbesondere darin liegt, daß die Stoffe, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, nicht gekannt werden können, solange diese Stoffe generell nur auf dem illegalen Markt zu haben sind? Mit anderen Worten: Stimmen Sie mir zu, daß durch die Tatsache, daß es keine Möglichkeit gibt, die Zusammensetzung der Stoffe pharmakologisch und damit auch auf ihre Nebenwirkungen hin zu prüfen, die gesundheitlichen Gefahren für die Konsumenten um so größer sind und die Prävention auch außerordentlich schwer ist, insbesondere bezogen auf die Menschen, die als hochgefährdete kleine Gruppe gelten müssen, und daß demgegenüber eine vergleichbare Bewertung der Wirkungen und der unbeabsichtigten Nebenwirkungen oder der Nebenwirkungen bei übermäßigem Gebrauch bei anderen Arzneimitteln vorgenommen werden sollte, womit eine Handreichung erfolgen könnte, daß die Konsumenten über die Risiken besser Bescheid wissen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Knoche, um so empfehlenswerter wäre es eigentlich, ganz dringend vor dem Konsum solcher Substanzen zu warnen. Aus der Analyse, die Sie gerade dargetan haben, womöglich den Schluß zu ziehen, daß bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen der Konsum toleriert werden könnte, was ich aus der vorhin zitierten Äußerung entnehmen muß, hielte ich für völlig verfehlt und - ich muß es noch einmal sagen - für nicht verantwortbar. Im übrigen gab es im letzten Jahr 20 Todesfälle, die auf Ecstasy-Konsum zurückgeführt werden - überwiegend Fälle, die unmittelbar auf die StoffwirParl. Staatssekretär Eduard Lintner kung zurückzuführen sind, also entweder über das Kreislaufversagen, die Austrocknung des Körpers oder sogar die toxische Wirkung der Substanz. Die Verunreinigung, die Sie jetzt in den Mittelpunkt stellen, spielt deshalb, so gesehen, nicht die dominierende Rolle, die Sie vielleicht annehmen.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe nicht die Verunreinigung angesprochen, sondern es geht um den Bewertungsmaßstab, mit dem die pharmakologische Wirkung der Substanzen verglichen wird mit anderen synthetisch erzeugten Stoffen, die verabreicht werden. Die Tatsache, daß Ecstasy illegal konsumiert wird, ändert nichts an der Tatsache, daß es einer pharmakologischen Bewertung und auch einer Bewertung der Risiken nicht zugeführt werden kann. Es geht mir um die gesundheitliche Bewertung dieser Frage.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich halte den Vergleich, verzeihen Sie, für abwegig. Denn Sie vergleichen Ecstasy im Moment mit Substanzen, die über Rezept von fachkundigen Stellen, nämlich Apotheken, zu einem bestimmten, vom Patienten dargetanen Zweck abgegeben werden. Hier geht es darum, daß solche oder ähnliche Substanzen quasi völlig frei, ohne jede Vorkontrolle, Voruntersuchung, Zulassung oder Einschaltung fachkundiger Instanzen einfach gekauft und konsumiert werden. Die Wirkung miteinander zu vergleichen hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen; denn im ersten Fall ist die Wirkung gezielt einkalkuliert, von Fachleuten auch als heilend und hilfreich prognostiziert und deshalb wünschenswert, während es im anderen Fall im Grunde genommen um eine ungewisse Toxizität des Stoffes geht. Wie Sie die beiden Dinge sinnvoll vergleichen wollen, ist mir noch nicht ganz klar geworden.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Habe ich noch eine andere Frage?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Nein, wir sind nicht in der Fragestunde. Sie haben zwei Fragen: eine Frage plus Zusatzfrage. Sie können sich aber gleich noch einmal melden. - Herr Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat sich die Bundesregierung mit der Kritik beschäftigt, die an den Präventionskampagnen der Bundesregierung geübt wird, zum Beispiel vom Institut für Therapieforschung? Hat die Bundesregierung einmal irgendwann eine Evaluation, eine Bewertung des Erfolges ihrer eigenen Präventionskampagne vorgenommen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Singer, das ist aus der Sicht der Bundesregierung eine ständige Aufgabe. Wir bewerten diese Dinge immer wieder neu. Ich nehme an, Sie spielen auf die Kampagne „Keine Macht den Drogen" an. Die Bundesregierung nimmt hier eine sehr scharfe Erfolgskontrolle vor. Allerdings kann man den Erfolg nur an der Zielsetzung messen. Die Kampagne „Keine Macht den Drogen" hatte nie die Aufgabe, konkret etwa Kinder vor ganz bestimmten Substanzen zu warnen. Hier geht es eigentlich darum, daß ein allgemeines Problembewußtsein herbeigeführt und aufrechterhalten wird, daß es sich bei Drogen um ein hochrangiges und, wie wir mittlerweile aus der Shell-Studie wissen, bei jungen Leuten um ein an zweiter Stelle der Rangskala liegendes Problem handelt. Dafür ist die Kampagne sehr wohl geeignet. Sie hat einen beispiellosen Bekanntheitsgrad. Bei Umfragen, wo gefragt wird: Kennen Sie eine Kampagne, wo zum Beispiel bei Drogen Prävention betrieben wird, antworten 80 Prozent der Befragten: ja, „Keine Macht den Drogen" - ein geradezu legendärer Erfolg aus der Sicht der PR-Leute. Mehr kann man von dieser Kampagne nicht erwarten. Höhere Anforderungen sollte man an sie auch nicht stellen.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage natürlich nicht beantwortet, nämlich wie Sie die Kritik des Instituts für Therapieforschung in München bewerten, das gerade diese Kampagne „Keine Macht den Drogen" äußerst negativ betrachtet hat, und zwar in einem Gutachten, das von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Sie sehen, wie ehrlich wir mit unseren eigenen Aktivitäten umgehen. Diese Kritik ist sehr wohl zur Kenntnis genommen worden. Wir teilen sie aber im Detail aus den genannten Gründen nicht, weil die Zielsetzung der Kampagne eine andere ist, als das IfT unterstellt hat.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bitte zu entschuldigen, daß ich den Bericht der Bundesregierung zur Drogenpolitik hier nicht anhören konnte. Aber ich habe der Presse entnommen, was gestern im Kabinett erörtert worden ist. Ich frage deshalb die Bundesregierung: Sind die Versuche in anderen Ländern - ich denke gerade an das Projekt in der Schweiz mit der Abgabe von Heroin, streng ärztlich kontrolliert - im Kabinett ausführlich beraten worden? Hat es dazu eine Beschlußfassung gegeben? Welche Auffassung vertritt das Justizministerium in dieser Frage?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, mein Vortrag, wo diese Fragen angesprochen worden sind, ist zur Kenntnis genommen worden. Es gab keinen Widerspruch.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Zusatzfrage?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. - Gehe ich recht in der Annahme, daß das JustizmiSabine Leutheusser-Schnarrenberger nisterium diesen Bericht zur Kenntnis genommen hat, ohne daß es eine abschließende Beschlußfassung zu einzelnen Fragen gab?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Es gab keine Beschlußfassung; das ist zutreffend. Im übrigen bin ich zu ungeübt in der Kabinettspräsenz. Ich glaube nicht, daß es üblich ist, über die Verhaltensweisen einzelner Kabinettsmitglieder bei der Befragung im Parlament Auskunft zu geben. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Knoche.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der jetzt bekanntgewordenen Position, die Herr Seehofer öffentlich zu dem Modellprojekt aus Schleswig-Holstein vertreten hat, ist zu entnehmen, daß das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit bei der Frage nach der Abgabe von Cannabis in Apotheken noch zu keiner fachlichen Bewertung gekommen ist. Deshalb frage ich: Woraus resultieren eigentlich die Erkenntnisse oder Bewertungen der Bundesregierung, daß es nicht zu einem positiven Bescheid aus fachlicher Sicht seitens des BfArM kommen wird?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Knoche, Herr Bundesminister Seehofer hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Bescheid, der erteilt werden wird, sehr ausführlich und detailliert auf diese fachlichen Fragen eingehen wird. Er konnte darauf im Kabinett auf Grund der zur Verfügung stehenden Zeit im einzelnen nicht eingehen. Er hat aber einen entscheidenden Grund erwähnt, der, so finde ich, von Hause aus schon sehr überzeugend ist. Es verhält sich nämlich so: Nach dem Betäubungsmittelrecht können zwar nach Genehmigung Versuche angestellt werden, aber diese Versuche müssen sich erstens auf Einzelfälle mit konkreter Problembeschreibung beziehen und zweitens die Verbesserung der gesundheitlichen Situation zum Ziel haben. Der Antrag von Schleswig-Holstein zielt faktisch auf die Freigabe der Abgabe von Haschisch in einem ganzen Bundesland ab. Das kann mit der im Gesetz erwähnten Versuchssituation überhaupt nicht mehr verglichen werden. Hier soll im Grunde genommen der Gesetzgeber umgangen werden; das ist nicht zulässig. Eine Teilfreigabe in einem ganzen Bundesland kann nicht als Versuch genehmigt werden, sondern der Gesetzgeber müßte das Betäubungsmittelrecht ändern. Diese beiden Gründe hat er genannt. Darüber hinaus werden die fachlichen Gründe, die Sie anmahnen, sicher im Bescheid enthalten sein.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Zusatzfrage.

Monika Knoche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002701, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bedeutet das, daß man seitens der Regierung durchaus bereit ist, die gesundheitliche Seite von CannabisKonsumenten und -Konsumentinnen zu verbessern und das Betäubungsmittelrecht in dieser Frage zu ändern? Ist dies das Resümee Ihrer Antwort?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, Sie nehmen zunächst einmal richtig an, daß wir ständig auf der Suche nach Erfahrungen sind, durch die wir unsere eigene Situation verbessern könnten. Leider sehen wir nirgends in der Welt einen entsprechenden Ansatzpunkt, insbesondere auch nicht in den Niederlanden, wo Cannabis beispielsweise in der Art, wie in Schleswig-Holstein angedacht, abgegeben wird. Wir wissen, daß in den Niederlanden der Glaube, Cannabis sei harmlos, auch nicht mehr öffentlich verbreitet wird, weil die dortigen Drogenberatungsstellen zunehmend von langjährigen Cannabis-Konsumenten aufgesucht und um Rat gefragt werden. Das heißt also, daß die von uns immer als richtig vertretene Annahme, daß der Cannabis-Konsum insbesondere dann, wenn er eine gewisse Dauer überschreitet, auch extrem gesundheitsschädlich sein und bis hin zu Psychosen usw. führen kann, gerade auch durch die in den Niederlanden gemachten Erfahrungen bestärkt wird. Deshalb sehe ich keinen Ansatzpunkt für Ihre Überlegung, daß, wenn Cannabis in dieser freizügigen Form abgegeben wird, irgend etwas Gutes für die Gesundheit der Betroffenen getan werden könnte.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Letzte Frage zu diesem Komplex, Herr Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat sich die Bundesregierung mit der heftigen Kritik aller Fachverbände an der Verkürzung der Therapiezeiten bei Suchtkranken infolge der Spargesetze des vergangenen Jahres beschäftigt? Ist Ihnen bekannt, daß nicht nur die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, sondern auch der Fachverband Drogen und Rauschgift und der Fachverband Sucht e.V. das in den Ländern ausgebaute Therapiesystem durch diese Entscheidung zur Rehabilitation für stark gefährdet halten?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Singer, Sie waren ja in Erfurt dabei; das habe ich der Zeitung entnommen. Deshalb wissen Sie sicher, daß all diese Befürchtungen prophylaktisch geäußert worden sind. Das heißt also: Man befürchtet, daß es geschehen könne. Ich bitte Sie, sich einfach einmal Zeit zu lassen, bis man sagen kann, ob sich die Befürchtungen bewahrheitet haben. Ich gehe nämlich davon aus, daß sie sich nicht bewahrheiten werden und deshalb kein Anlaß für diese Befürchtungen besteht.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Jetzt kommen wir zu den freien Fragen. Herr Hampel.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Herr Bundesminister Rexrodt hat am Montag in den neuen Bundesländern das mittelfristige Förderkonzept der Bundesregierung für die neuen Bundesländer nach 1998 vorgestellt und erläutert. ({0}) Von der Tagesordnung der gestrigen Kabinettssitzung ist dieses Thema abgesetzt worden. Gibt es inhaltliche Gründe dafür, daß es abgesetzt wurde, und wenn ja, welche?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Staatssekretär.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Hampel, das Kabinett hat gestern das Konzept für den Aufbau Ost beraten; es hat es noch nicht formal verabschiedet. Inhaltlich wird das Konzept gleichwohl von der Bundesregierung vollständig mitgetragen. Dieses Konzept läßt sich von fünf Grundüberlegungen leiten: Zum einen soll es den Investoren für einen Zeitraum von sechs Jahren ab 1999 Planungssicherheit geben, zum anderen soll die Förderung auf die Bereiche konzentriert werden, die im internationalen Wettbewerb stehen, auch auf die produktionsnahen Dienstleistungen. In diesen Bereichen ist zukünftig eine besondere Mittelstandsförderung vorzusehen. Kernpunkt der Überlegungen ist der Wegfall der Sonderabschreibungen und die Umstellung der Förderung in ein System von Investitionszulagen. Ich denke, daß dies zum einen einen Beitrag zur Vereinfachung leistet. Zum anderen ist die Investitionszulage für die Unternehmen in den neuen Bundesländern, die in der Regel noch nicht so ertragsstark sind, das heißt: mit Sonderabschreibungen noch nicht so operieren können, treffsicherer und zielgenauer. Das Konzept wird auch weiterhin die Möglichkeit bieten, im Bereich der Investitionen, der Forschung und Entwicklung, des Absatzes, der Existenzgründungen und Existenzfestigung zu fördern. Das heißt: Vieles von dem, was sich bisher bewährt hat, wird auch in Zukunft fortgeführt werden. Es wird - auch das möchte ich in diesem Zusammenhang sagen - nach drei Jahren einen Degressionsschritt geben, mit dem deutlich gemacht wird, daß die Förderung für die neuen Bundesländer keine Dauersubventionierung, also für die Zeit nach 2002, sein wird. Wie gesagt: Das Kabinett trägt dieses Konzept inhaltlich voll mit; es soll in der nächsten Woche formal verabschiedet werden. Die Zeit bis dahin soll genutzt werden, um noch Gespräche mit den neuen Bundesländern zu führen. Am 12. Mai - Sie haben es angesprochen - hat schon eine Unterrichtung der Länderwirtschaftsminister durch Herrn Minister Dr. Rexrodt stattgefunden. Dabei ist übrigens auch Zustimmung für das Konzept der Umstellung der Sonderabschreibungen auf ein System von Investitionszulagen signalisiert worden. Wir werden diese Woche nutzen, um die Ministerpräsidenten im Detail zu unterrichten. Ich gehe davon aus, daß die Verabschiedung in der nächsten Woche ohne wesentliche Änderungen erfolgen kann. Es ist vielleicht wichtig, noch darauf hinzuweisen, wenn ich hier sage, daß das Konzept steht und es keine inhaltlichen Probleme mehr gibt, daß die Dimension des Fördervolumens im wesentlichen bestehenbleibt. Das heißt: Das voraussichtliche Fördervolumen ab 1999 wird in etwa dem bisherigen Fördervolumen entsprechen. Allerdings gibt es dabei eine Schwierigkeit; das wissen Sie so gut wie ich oder vielleicht besser: Es ist immer schwierig, Sonderabschreibungen mit Investitionszulagen rechnerisch zu vergleichen, weil die Sonderabschreibung praktisch nur eine Steuerstundung darstellt, währenddessen eine Investitionszulage in dem von uns vorgesehenen System eine dauerhaft im Unternehmen verbleibende Förderung ist. Wenn man dies berücksichtigt, kann man davon ausgehen, daß auch für die Zeit nach 1999 eine nachhaltige Förderung in etwa in einer Größenordnung wie bisher erfolgen wird.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sind jetzt auf viele inhaltliche Dinge eingegangen, nach denen ich gar nicht gefragt hatte. Ich gehe davon aus, daß wir noch Gelegenheit haben werden, zu inhaltlichen Dingen zu fragen, wenn dieses neue Förderkonzept vom Kabinett endgültig verabschiedet ist.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Ja, sicher. Ich gehe davon aus, daß nach der formalen Verabschiedung im Rahmen der Regierungsbefragung diese Möglichkeit noch einmal besteht.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wobei Sie natürlich die Frage, weshalb das Konzept gestern nicht verabschiedet wurde, nicht beantwortet haben. Welche Gründe hat es gegeben?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Hampel, das habe ich schon gesagt. Ich habe gesagt: Es war keine formale Verabschiedung. Gleichwohl wird das Konzept inhaltlich voll mitgetragen. Die Zeit bis zur formalen Verabschiedung in voraussichtlich der nächsten Kabinettsitzung am 21. Mai soll genutzt werden, um nach den Länderwirtschaftsministern jetzt insbesondere die Ministerpräsidenten und auch Abgeordnete aus den neuen Bundesländern mit diesem Konzept vertraut zu machen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Eine weitere freie Frage hat Herr Dr. Eberhard Brecht.

Dr. Eberhard Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000254, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte etwas zur inhaltlichen Seite fragen. Durch die Presse geisterte die Zahl von 5,7 Milliarden DM Investitionsförderung. Diese Summe weicht von den früher genannten etwa über 6 Milliarden DM ab, die Herr Minister Rexrodt vorgestellt hat, und noch stärker von der Zahl, die die sächsischen CDU-AbgeordDr. Eberhard Brecht neten mit „10 plus x" benannt haben. Ist denn diese Summe - 5,7 Milliarden DM - einvernehmlich mit dem genannten Personenkreis festgelegt worden?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Staatssekretär.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Brecht, es haben natürlich intensive Beratungen zur Konkretisierung dieses Konzeptes stattgefunden. Ich werde heute - das werden Sie mir nachsehen - noch nicht zu sehr in die Details einsteigen. Ich bin schon der Meinung, wie auch Herr Kollege Hampel, daß man das erst dann tun sollte, wenn das Konzept formal verabschiedet worden ist. ({0}) Auch ich habe die Zahlen, die Sie genannt haben, der Presse entnommen. Wenn von 10 oder 11 Milliarden DM die Rede ist, liegt ein ganz anderes Berechnungskonzept zugrunde. Dabei geht es um das Volumen einer steuerlichen Förderung, während, wenn von Zahlen in der Größenordnung von 5,7 oder 6 Milliarden DM die Rede war - ich weiß nicht, welche Sie erwähnt hatten -, von einer Subventionswertberechnung ausgegangen wird. Den Unterschied habe ich im Rahmen der Beantwortung der Frage des Kollegen Hampel schon deutlich gemacht: Natürlich ist die Investitionszulage niedriger als die Sonderabschreibung, weil letztere ja über den Steuerhebel wirkt. Deswegen kann ich nur noch einmal sagen: Wenn Sie die Zahlen vergleichbar machen, werden Sie feststellen, daß die Förderung für den Zeitraum ab 1999 etwa dem entspricht, was wir bisher hatten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, noch eine Zusatzfrage? - Dann Frau Dr. Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Der Übergang von einer steuerlichen Förderung zu einer direkten Förderung, einer Investitionszulage, bietet auf alle Fälle die Möglichkeit höherer Zielgenauigkeit. Mich interessiert aber: Welche Mechanismen gedenkt die Bundesregierung einzubauen, damit eine Investitionszulage tatsächlich dazu führt, daß Arbeitsplätze geschaffen werden? Wie also soll verhindert werden, daß nur Rationalisierungsinvestitionen vorgenommen werden, die dann zur Arbeitsplatzvernichtung führen, bzw. wie soll kontrolliert werden, daß tatsächlich dauerhafte Arbeitsplätze entstehen, die tariflicher Bezahlung unterliegen? Das, so denke ich, wären wichtige Kriterien für eine Wirtschaftspolitik.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Die Ziele, die Sie genannt haben, sind sicherlich richtig. Die Kenntnis unternehmerischer Praxis sagt mir, daß kein Unternehmer in eine Maschine investieren wird, um sie letztendlich nutzlos in einer Ecke herumstehen zu lassen. Die Investition in eine Maschine bedingt vielmehr letztendlich auch die Einstellung von Personal zur Bedienung dieser Maschine. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Sekunde. - Ich kann keine Zusatzfrage mehr zulassen, da die für diesen Tagesordnungspunkt zur Verfügung stehende Zeit abläuft und noch eine Frage von Frau Dr. Lucyga angemeldet ist. - Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Das also ist die Erfahrung, die wir bisher mit der Investitionszulage in den neuen Bundesländern gemacht haben. Ich gehe davon aus, daß sich diese positiven Erfahrungen in der Vergangenheit auch in die Zukunft perpetuieren werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Frage noch von Frau Dr. Lucyga.

Dr. Christine Lucyga (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gibt es hinsichtlich der Förderkonzeption, des Fördervolumens und der Anwendung unter den Kabinettsmitgliedern unter Umständen noch Meinungsverschiedenheiten? Gibt es zum Beispiel schon Konsens zwischen BMWi und BMF?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Es gibt insbesondere Konsens zwischen BMWi und BMF, weil es insoweit eine gemeinsame Federführung beider Ressorts gibt. Und noch mehr als das: Ich habe schon gesagt, Frau Kollegin Lucyga, daß das Konzept inhaltlich von der Bundesregierung vollständig mitgetragen wird. Es gibt innerhalb der Bundesregierung auch nicht die Spur eines Dissenses.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Zeit, die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehen ist, ist abgelaufen. Ich beende daher diesen Tagesordnungspunkt und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 13/7604 Zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Frage 1 der Kollegin Amke Dietert-Scheuer wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit wären wir beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, und zwar bei der Frage 2 des Kollegen Fritz. Ich finde allerdings, daß man diese Frage nicht beantworten kann, ohne daß vorher die Frage 34 aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes beantwortet worden ist. Ich rufe daher zunächst aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes die Frage 34 des Abgeordneten Fritz auf: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, das Gesetz über den Auswärtigen Dienst in der Weise zu verändern, die Leiter der Abteilung Wirtschaft in den deutschen Botschaften dem Bundesministerium für Wirtschaft, nicht wie bisher dem Auswärtigen Amt zu unterstellen, um damit die Zusammenarbeit mit den anderen beiden Säulen der Außenwirtschaftsförderung besser zu koordinieren, die als untergeordnete Behörde des Bundesministeriums des Innern ({0}) bzw. als öffentlich mitfinanzierte Einrichtung ({1}) im gleichen Aufgabenfeld arbeiten? Herr Staatsminister Schäfer, bitte schön.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Leiterinnen und Leiter der Wirtschaftsabteilungen der Auslandsvertretungen unterstehen dem Auswärtigen Amt. Dies entspricht der Gesamtverantwortung des Auswärtigen Amtes für den Auswärtigen Dienst und auch für die auswärtigen Beziehungen. Die Federführung für die Außenwirtschaftsförderung liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft, das damit sowohl für die konzeptionelle Gestaltung der Instrumente als auch für deren optimalen Einsatz verantwortlich ist. Die Auslandsvertretungen und somit auch ihre Wirtschaftsabteilungen vertreten bei der Unterstützung deutscher Unternehmen im Gastland die gesamte Bundesregierung. Den Auslandsvertretungen kommt bei der Koordinierung aller Kräfte der Außenwirtschaftsförderung vor Ort mit dem Ziel der Steigerung der Effizienz besondere Bedeutung zu. Dies gilt auch für die entwicklungspolitische und kulturelle Zusammenarbeit. Sowohl die Leiter bzw. Leiterinnen der Auslandsvertretungen als auch die Leiter bzw. Leiterinnen der Wirtschaftsabteilungen nehmen diese Aufgabe erfolgreich wahr. Eine Veränderung des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst ist unter diesen Gesichtspunkten nicht vorgesehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter, Ihre Zusatzfrage. - Keine Zusatzfrage. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kolb zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 auf: Hält die Bundesregierung eine solche Veränderung für einen Beitrag zur Verbesserung der Abstimmung der drei Säulen der Außenwirtschaftsförderung?')

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Fritz, die Bundesregierung sieht zu einer Änderung des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst unter den gegebenen Umständen keinen Anlaß. Sie hält den Interministeriellen Ausschuß Außenwirtschaft unter Federführung meines Hauses, des Bundesministeriums für Wirtschaft, in dem auf Bundesebene neben dem Auswärtigen Amt das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vertreten sind und in dem außerdem die Bundesländer und auch der Bundesverband der Deutschen Industrie wie auch der Deutsche Industrie- und Han- ') s. hierzu Frage 34 delstag für die deutsche Wirtschaft mitwirken, für das geeignete Gremium, über eine verbesserte Abstimmung aller Instrumente der Außenwirtschaftsförderung zu beraten. Dadurch bleibt die Verantwortung für die einzelnen Instrumente der drei Säulen und die Verpflichtung zur Abstimmung mit anderen betroffenen Ressorts unberührt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine Zusatzfragen. Die Frage 3 der Abgeordneten Dr. Leonhard wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fragen 4 und 5 der Abgeordneten Lydia Westrich werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Bindig auf: Trifft es zu, daß die Bundesregierung bisher nicht auf einen entsprechenden Appell des VN-Welternährungsprogramms reagiert hat, mit dem die Staatengemeinschaft um Beiträge für Nahrungsmittelhilfe für Nordkorea in Höhe von insgesamt 95 Mio. US-Dollar aufgerufen wird ({0}), und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Haltung?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Bindig, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Es trifft in der Tat zu, daß das von Ihnen angesprochene Schreiben der Exekutivdirektorin Bertini vom Welternährungsprogramm zum Zeitpunkt des „ZEIT" -Interviews, auf das Sie hingewiesen haben, noch nicht beantwortet war. Dieses Schreiben war vom 14. April datiert, ist aber in unserem Hause erst am 29. April eingegangen. Eine Antwort ist in Vorbereitung. Die Gründe für die Verzögerung werden hoffentlich gleich aus der Antwort deutlich werden. Die Bundesregierung unterstützt nachhaltig die Initiative des Welternährungsprogramms und ermuntert dasselbe, vor allem zusätzliche Gelder und Ressourcen im asiatisch-pazifischen Raum zu erschließen. Das wäre auch im Falle Nordkoreas eine angemessene Vorgehensweise. Wir unterstützen die politischen Entscheidungen der EU, Nahrungsmittelhilfe über das Welternährungsprogramm oder über andere Wege für Nordkorea bereitzustellen. Bisher waren 26500 Tonnen Getreide und Saatgut geplant, die jetzt noch im Mai ausgeliefert werden sollen. Die EU hat gestern einen Vorschlag unterbreitet - das ist ganz neu -, noch weitere 76 000 Tonnen Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dem hat die Bundesregierung telefonisch beParl. Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich reits zugestimmt. Insgesamt wird es sich dabei um einen Wert von 32,5 Millionen Ecu handeln. Der Anteil Deutschlands beträgt 18 Millionen DM. Das BMZ ist seit Jahren einer der größten bilateralen Beitragszahler des Welternährungsprogramms. Auch 1997 sind trotz der Enge der Haushaltslage wiederum 100 Millionen DM vorgesehen. Zusätzliche Mittel stehen im Augenblick im Haushalt nicht zur Verfügung. Deshalb hätte eine Anfrage der Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms, Frau Catherine Bertini, von uns negativ beschieden werden müssen. Jetzt ist aber von seiten des Welternährungsprogramms angefragt worden - das ist der Grund für die Verzögerung -, ob wir nicht bereit wären, aus den Mitteln, die wir für Ruanda zur Verfügung stellen wollten, 14 Millionen zugunsten von Nordkorea umzuschichten. Diese Überlegung scheint uns sehr sinnvoll zu sein. Wir werden das heute oder morgen entscheiden. Wenn wir die Anfrage des Welternährungsprogramms positiv beantworten würden, dann würden entsprechende Mittel, also die 14 Millionen, aus dem Topf der bilateralen Zusammenarbeit für Nordkorea zur Verfügung gestellt werden. Ich verweise hier ausdrücklich noch einmal darauf, daß mindestens noch das Zwei- bis Dreifache dieser Mittel von der EU zur Verfügung gestellt wird. Daran sind wir Deutsche - wie Sie wissen - immer mit knapp 30 Prozent beteiligt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter, Zusatzfragen? - Bitte.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, zunächst ist es natürlich erfreulich, daß nach anfänglichem Zögern nun offensichtlich doch noch einiges in Bewegung gekommen ist, mit dem man der heraufziehenden Katastrophe in Nordkorea begegnen kann. Es bleibt aber das Problem, daß offensichtlich immer noch eine Lücke zwischen dem, was wirklich benötigt wird, und dem, was bisher international angeboten wird, besteht. Ich frage Sie: Wird die Bundesregierung die Situation dort aktiv beobachten und wird sie gegebenenfalls bereit sein - wenn die Lücke eben nicht durch die bisherigen Angebote geschlossen werden kann -, dann noch einmal eine Initiative zu ergreifen, so daß, wenn die Bundesregierung schon nicht auf bilateraler Ebene besonders aktiv werden will, wenigstens multilateral noch einiges geleistet werden wird?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Kollege Bindig, ich kann natürlich diese Frage jetzt nicht abschließend beantworten. Die EU ist ja über ihr bisheriges Hilfsangebot deutlich hinausgegangen. Ich wiederhole die Zahl: Statt wie bisher „nur" 26500 Tonnen werden jetzt zusätzlich 75 000 Tonnen zur Verfügung gestellt. Das ist schon eine gewaltige Erhöhung. Ich wiederhole auch, daß wir diesem Vorschlag der EU bereits zugestimmt haben. Ich möchte allerdings darauf verweisen, daß hier natürlich eine besondere Verantwortung der Staaten in jener Region vorliegt, also zum Beispiel der Südkoreaner und auch der Japaner. Ich kann Ihnen nur berichten, daß in den Gesprächen, die am Rande der gestern nachmittag zu Ende gegangenen Jahresversammlung der Asiatischen Entwicklungsbank in Fukuoka in Japan stattgefunden haben, die Frage der Überlebensbeihilfe für Nordkorea eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Ich gehe davon aus, daß wir auch in Zukunft diese ganz schwierige Entwicklung im Auge behalten werden. Ich muß natürlich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß diese Katastrophe - nicht ausreichende Nahrungsmittel - hausgemacht ist. Sie ergab sich durch das totale Versagen der politisch Verantwortlichen in Pjöngjang.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die letzte Bemerkung macht eine weitere Nachfrage geradezu erforderlich. Selbst wenn diese Katastrophe durch das System mitbedingt sein sollte: Können denn die Menschen, die letztlich davon betroffen sind, etwas dafür, und wäre es nicht aus übergeordneten humanitären Gründen notwendig, diese Überlegungen beiseite zu schieben und zu sagen, nur die nackte Not der Menschen zählt?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Die humanitäre Hilfe, die Akut-hilfe, die ja aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert wird - Sie haben dazu noch eine weitere Frage gestellt -, wie auch die mittelfristig angelegte Nahrungsmittelhilfe sind natürlich darauf ausgerichtet, den Menschen in einem Lande zu helfen. Es wird ja immer noch erlaubt sein, darauf hinzuweisen, welche die Ursachen für diese Katastrophe sind. Diese Katastrophe ist ausschließlich auf die miserablen politischen Rahmenbedingungen in Nordkorea zurückzuführen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist Ihrem Hause etwas darüber bekannt, ob gesichert ist, daß bei einer Nahrungsmittelhilfe für Nordkorea der Transport nach Nordkorea überhaupt gesichert ist? Gibt es eine Zusammenarbeit mit den dortigen Machthabern?

Klaus Jürgen Hedrich (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000840

Der Transport ist in diesem Zusammenhang natürlich gesichert. Dabei muß man wissen, daß in den Gesamtkosten, die zur Verfügung gestellt werden und die ich hier genannt habe, die Transportkosten enthalten sind. Es entstehen nicht unbeträchtliche Transportkosten, um die Nahrungsmittel dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden. Es findet natürlich eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden in Nordkorea statt, so auch mit dem nordkoreanischen Roten Kreuz. Aber wie die Verhältnisse in Nordkorea nun einmal sind, ist das eine Institution, die nicht unabhängig von den Machtstrukturen in Nordkorea zu betrachten ist. Deshalb ist es - das mag man bedauern; aber das sind die nackten Tatsachen - nicht zu vermeiden, daß mit den unmittelbar Verantwortlichen der Staatsführung in Nordkorea zusammengearbeitet werden muß, um den Hunger dort zu bekämpfen. Hierzu möchte ich das aufgreifen, was Kollege Bindig gefragt hat. Es geht darum, den Menschen zu helfen. Da muß man manchmal mit Leuten reden, mit denen man eigentlich ungern redet.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Zöpel auf: Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung das bis heute unveröffentlichte Protokoll mit der Volksrepublik Algerien über die Identifizierung und Rückübernahme von Personen unterzeichnet angesichts der bürgerkriegsähnlichen Situation im Lande, die eine Gefährdung für Leib und Leben breiter Bevölkerungsschichten darstellt und auch für die durch Asylverfahren exponierten Personen in Deutschland?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Dr. Zöpel, die Antwort lautet: Das am 14. Februar 1997 mit der Demokratischen Volksrepublik Algerien geschlossene Rückübernahmeprotokoll bedarf zu seinem Inkrafttreten der Ratifikation durch die algerische Seite und wird - wie sonstige Abkommen auch - zu gegebener Zeit bekanntgemacht werden. Sein Abschluß ist vor dem Hintergrund von derzeit knapp 7000 algerischen Staatsangehörigen zu sehen, die sich ohne Aufenthaltsrecht vollziehbar ausreisepflichtig im Bundesgebiet aufhalten. Bei diesen Personen handelt es sich ganz überwiegend um zuvor bestands- bzw. rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber, denen auf Grund einer fehlenden konkret-individuellen Gefährdung auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Abschiebeschutz zuerkannt wurde. Die zuständigen Behörden von Bund und Ländern haben daher bereits in der Vergangenheit kontinuierlich Abschiebungen nach Algerien auf dem Luftwege vorgenommen. Bei diesem Bemühen. sind sie jedoch immer wieder zahlreichen Schwierigkeiten begegnet. Diese liegen zum einen in der Tatsache, daß die rückzuführenden überwiegend männlichen Algerier durch ihr häufig aggressives und gewaltbereites Verhalten eine starke Sicherheitsbegleitung erfordern, um Gefahren für den Luftverkehr auszuschließen. Zum anderen wird die Rückführung auch durch den Umstand verzögert, daß viele der sich illegal im Bundesgebiet aufhaltenden Algerier über keine Ausweispapiere verfügen, da diese häufig bewußt zurückgehalten oder sogar vernichtet werden, um so einer Identifizierung und damit einer Abschiebung zu entgehen. Durch das im Februar 1997 unterzeichnete deutsch-algerische Protokoll sollen diese Probleme verringert und die Rahmenbedingungen für eine geordnete Identitätsklärung und Rückführung algerischer Staatsangehöriger in ihr Heimatland geschaffen werden. Dabei ist allerdings zu betonen, daß den algerischen Stellen keinerlei Daten über ein etwaiges früheres Asylverfahren in Deutschland übermittelt werden. Die Gefahr einer „besonderen Exponierung" durch ein Asylverfahren in Deutschland ist daher nicht zu erkennen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Zöpel.

Dr. Christoph Zöpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002604, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für mit der Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung für vereinbar, daß Sie ein Protokoll mit der Regierung eines Landes abschließen, in dem die Sicherheitskräfte in dem Geruch stehen, in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen manchmal mit Methoden vorzugehen, die sich mit den Menschenrechten nicht vereinbaren lassen? Halten Sie es mit der Glaubwürdigkeit der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung für vereinbar, ein solches Protokoll liegen zu lassen, es nicht zu veröffentlichen, abzuwarten, bis die Presse - nach meiner Kenntnis unter anderem „Die Welt" am 3. April - darüber berichtet, worauf algerische Menschenrechtspolitiker hierherkommen und fragen „Wie kann, wenn ein solches Abkommen schon sein muß, es so vollzogen werden, daß Menschenrechte auch in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen Algeriens beachtet werden?", Sie es den Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch die Nichtveröffentlichung aber unmöglich machen, in sachbezogener Weise im Rahmen deutscher Menschenrechtspolitik gegenüber Algerien zu handeln? Haben Sie nicht eher den Eindruck, daß dieses Verhalten der Bundesregierung viele Vorwürfe hinsichtlich der Zusammenarbeit mit anderen von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Staaten, wie zum Beispiel Iran, wieder aufleben läßt?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Dr. Zöpel, die Tatsache, daß das Übereinkommen noch nicht veröffentlicht worden ist, geht unter anderem darauf zurück, daß noch Expertengespräche vereinbart worden sind, um die technischen Details zu erörtern. Zweitens geht sie darauf zurück, daß auf algerischer Seite Ratifikationsbedarf besteht, das heißt, daß sich das dortige Parlament damit befassen muß, sich aber bisher noch nicht damit befassen konnte, weil zum Beispiel demnächst Wahlen in Algerien anstehen. Wir haben hier also einem Wunsch der Gegenseite entsprochen. Das schließt nicht aus, daß Sie rechtzeitig, das heißt, ohne daß Ihnen wertvolle InformatioParl. Staatssekretär Eduard Lintner nen oder Möglichkeiten verlorengehen, den Text des Abkommens zur Kenntnisnahme erhalten werden. In Algerien haben wir es mit einer gewählten Regierung zu tun, die sich in einer schwierigen Situation befindet. Dennoch, glaube ich, ist es vernünftig, daß dann, wenn beispielsweise ausreisepflichtige Algerier aus unserem Land abgeschoben werden können, weil Abschiebehindernisse konkreter Art nicht vorliegen, über die technischen Details dieser Abschiebung auch mit den dortigen staatlichen Autoritäten verhandelt wird. Ich habe in meiner Antwort bereits darauf hingewiesen, daß es praktisch ausgeschlossen ist, daß irgendwelche personenschutzgesicherten Daten, die mit dem Asylverfahren zusammenhängen, der algerischen Seite übermittelt werden. Insoweit besteht die von Ihnen gerade wortreich beschriebene Gefahr eigentlich nicht.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Zöpel.

Dr. Christoph Zöpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002604, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben sicher Ihren eigenen Worten zugehört: Teilen Sie nicht meinen Eindruck, daß man sich über das Parlaments- und Demokratieverständnis eines Innenministeriums wundern muß, das mit der Begründung, daß das - nicht gewählte - Parlament eines anderen Staates - der Übergangsrat in Algerien ist ein nichtgewähltes Parlament - informiert werden müßte, Auskünfte an Mitglieder eines gewählten Parlaments in der Bundesrepublik Deutschland nicht erteilt? Haben Sie nicht den Eindruck, daß der Innenminister darüber nachdenken muß, ob er sich voll auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland befindet?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Dr. Zöpel, der Innenminister braucht nicht Ihre Empfehlung, um über etwas nachzudenken. Ich möchte das in derselben Tonart, mit der Sie aufgetreten sind, sagen. Zum zweiten muß ich Ihnen sagen: Wenn Sie meiner Antwort richtig zugehört haben, dann werden Sie festgestellt haben, daß das Ganze um das Bemühen kreist, diejenigen Algerier sicher zurückzuführen und nicht in Gefahr zu bringen, die in unserem Land kein Aufenthaltsrecht besitzen. Dabei ist die Tatsache, daß sie bei uns nicht aufenthaltsberechtigt sind, in aller Regel von Gerichten durch mehrere Instanzen bestätigt worden. Wie bei uns Abschiebehindernisse an Hand des konkreten Einzelfalls geprüft werden, ist Ihnen sicher bekannt. Deshalb weise ich den zwischen Ihren Zeilen aufkeimenden Vorwurf, wir würden uns sozusagen nicht demokratischer Gepflogenheiten bedienen oder wir wären uns unserer Pflicht als demokratische Regierung nicht bewußt, als unsinnig zurück.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In welcher Weise verfolgt die Bundesregierung das Schicksal zurückgeführter Algerier angesichts der Tatsache, daß es von algerischen Menschenrechtsorganisationen die Behauptung gibt, daß solche Zurückgeführten inhaftiert, gefoltert und sogar zu schweren Strafen verurteilt worden sind, und daß auch der deutschen Botschaft solche Fälle bekannt seien? Sieht die Bundesregierung darin eine Möglichkeit, daß sie zum Beispiel die Namen von Zurückgeführten auch in Deutschland bekannt macht, damit diese an die Menschenrechtsorganisationen in Algerien weitergegeben werden können, um somit einen Schutz für diese Menschen zu gewährleisten?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Bindig, die deutsche Botschaft in Algier ist insbesondere mit diesen Überprüfungen befaßt. Ich kenne keinen Bericht der deutschen Botschaft, in dem ein solcher Vorfall, daß jemand inhaftiert worden ist, geschildert wird. Ich schließe nicht aus, daß eine Inhaftierung vielleicht aus anderen Gründen erfolgte, aber nicht aus in diesem Zusammenhang relevanten Gründen. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich in Algerien an die deutsche Botschaft zu wenden oder sonstige Organisationen zu alarmieren, wenn tatsächlich so etwas vorgekommen wäre. Bisher kann ich feststellen: Die deutsche Botschaft hat bei der Kontaktaufnahme zu Abgeschobenen teilweise Erfolg gehabt. Die Tatsache, daß uns weitere Klagen auch der deutschen Botschaft nicht bekannt sind, deutet darauf hin, daß die von Ihnen befürchteten Fälle nicht existieren.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Dietmar Schlee auf: Liegen der Bundesregierung vergleichbare Erkenntnisse vor oder kann sie ansonsten beurteilen, ob die anderen Länder der EU, insbesondere Großbritannien, Frankreich und die Beneluxländer, einen prozentual ähnlich hohen Anteil an Ausländern in der organisierten Kriminalität aufweisen wie Deutschland?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schlee, die Antwort lautet: Organisierte Kriminalität ist kein abgrenzbarer Straftatbestand, sondern ein komplexes Kriminalitätsphänomen, das in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich definiert wird. Zudem ist ein großer Teil der organisierten Kriminalität als sogenannte Kontrollkriminalität zu verstehen. Das heißt, das Erkennen dieser Kriminalität korreliert mit dem Ausmaß und der Intensität der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden. Quantitative Angaben zur organisierten Kriminalität liegen in vielen EU-Mitgliedstaaten nicht vor oder werden mit unterschiedlichen Methoden ermittelt. Auf Grund der unterschiedlichen Erhebung und Analyse der statistischen OK-Daten sind auch die vorhandenen Ergebnisse größtenteils nicht miteinander vergleichbar und erscheinen deshalb für profunde Einschätzungen oder Vergleiche nicht geeignet. Lediglich die OK-Daten Belgiens werden mit einer der deutschen vergleichbaren AuswertungsmeParl. Staatssekretär Eduard Lintner thodik erstellt. Der Ausländeranteil an der organisierten Kriminalität lag dort 1994 bei zirka 50 Prozent und im Jahr 1995 bei zirka 70 Prozent. In den anderen Lagebeiträgen wird insbesondere die internationale Dimension der organisierten Kriminalität hervorgehoben. Die ausländische Herkunft der Tatverdächtigen und kriminellen Gruppierungen ist mit Ausnahme von Irland und Finnland das herausragendste Merkmal in den Beiträgen der EU-Staaten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie Zusatzfragen?

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wir sind uns, glaube ich, darüber einig, daß die Bekämpfung der organisierten Kriminalität gerade auch innerhalb Europas einen hohen Stellenwert hat. Wenn dies so ist, dann frage ich Sie: Ist die Bundesregierung bereit, bei ihren Partnern darauf zu drängen, daß solche einheitlichen Kriterien, wie Sie sie beschrieben haben und die offensichtlich EU-weit nicht praktiziert werden, möglichst rasch erarbeitet und in den einzelnen Mitgliedstaaten auch umgesetzt werden? Wie soll denn sonst, wenn Sie jetzt einmal an Europol denken, die organisierte Kriminalität erfolgreich bekämpft werden?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schlee, das ist schon Gegenstand der Bemühungen der Bundesregierung. Ich stimme mit Ihrer Auffassung völlig überein. Wir bemühen uns deshalb, die Standardisierung, die Sie anregen, herbeizuführen. Es sind auch schon erste Schritte in diese Richtung unternommen und Zusagen gemacht worden. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die einzelnen Mitgliedstaaten diese Dinge realisieren können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Zusage. - Darüber hinaus möchte ich Sie fragen, ob es bei der Gefährdungslage, die Sie jetzt noch einmal unterstrichen haben, nicht notwendig wäre, in diesen Statistiken, in diesen Aufstellungen zwischen tatverdächtigen Erwachsenen und tatverdächtigen Jugendlichen zu differenzieren. Sie wissen, daß wir gerade bei der zweiten Gruppe, wenn Sie an die Zahlen des Polizeipräsidiums München aus den letzten Tagen denken, europaweit aktuellste Probleme haben.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schlee, ich kann Ihnen nur meinen Eindruck wiedergeben. Nach Studium des Berichts - darin sind die einzelnen Berichte der EU-Staaten aufgeführt - scheint es sich mir auch in dieser Angelegenheit um eine europaweite Problematik zu handeln, wobei der statistische Beleg unterschiedlich qualifizierbar ist, je nachdem, wie genau oder wie seriös die Daten jeweils erfaßt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage des Kollegen Stadler.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, treffen nach Ihren Erkenntnissen folgende zwei Thesen zu, die in der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der statistischen Erfassung von ausländischen Tatverdächtigen auch der organisierten Kriminalität zu hören sind: These eins: Die ausländische Wohnbevölkerung weist nach aller Erfahrung keinen höheren Kriminalitätsanteil auf als die inländische Wohnbevölkerung, These zwei: Bei der organisierten Kriminalität betätigen sich Ausländer häufig in Straftatenbereichen, die relativ offen und leicht aufklärbar sind wie etwa Förderung der Prostitution, während inländische Tatverdächtige häufig mit Straftaten in Verbindung zu bringen sind wie Wirtschaftskriminalität und Computerkriminalität, bei denen die Ermittlungen schwieriger sind, so daß die statistische Erfassung, die Relation zwischen ausländischen und inländischen Tatverdächtigen ihrerseits wiederum relativiert werden muß?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Stadler, zu Ihrer ersten Feststellung kann ich im großen und ganzen ja sagen. Zu der zweiten Feststellung kann ich nicht ohne weiteres ja sagen; denn es gibt Bereiche gerade schwer aufklärbarer Kriminalität - denken Sie an Geldwäsche, an den Mißbrauch von Kreditkarten, an den Rauschgifthandel usw. -, bei denen der Ausländeranteil deutlich und signifikant ist. Deshalb meine ich, daß auch Ausländer an Deliktbereichen beteiligt sind, die von der Aufklärung her besondere Schwierigkeiten bereiten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 9 des Kollegen Schlee auf: Worauf führt die Bundesregierung etwaige wesentliche Unterschiede in der - vergleichbaren - Kriminalitätshäufigkeit und Kriminalitätsbelastung durch Ausländer in den Mitgliedsländern der EU zurück?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Historische, kulturelle und geographische Faktoren wirken sich maßgeblich auf die Verteilung der OK-Gruppierungen ausländischer Herkunft in den einzelnen Mitgliedstaaten aus. So bestehen beispielsweise in Spanien und Portugal historische und kulturelle Bindungen zu südamerikanischen Staaten. Die geographische Nähe Osteuropas zu Deutschland, Österreich und Italien übt seit der politischen und wirtschaftlichen Wende in den osteuropäischen Ländern einen starken Einfluß auf die Herkunft der OK-Täter hier bei uns aus.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Schlee.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nach der Frage des Kollegen Stadler und meinem Hinweis vorher auf die aktuellen Zahlen des Polizeipräsidiums München möchte ich Sie fragen, was Sie zu folgenden Zahlen, veröffentlicht vor wenigen Tagen in der „Süddeutschen Zeitung", sagen, die sich alle auf Tatverdächtige 1996 beziehen: Der Anteil von Ausländern unter 21 Jahren bei Raubdelikten lag bei 62 Prozent. Von 27 Vergewaltigern unter 21 Jahren in München waren vier Deutsche und 23 Ausländer. Bei Tötungsdelikten einschließlich Mord ist das Verhältnis in etwa gleich.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schlee, bevor ich antworte, sollte ich auf zwei Besonderheiten hinweisen. Erstens. München hat einen außerordentlich hohen Ausländeranteil an seiner Bevölkerung. Zweitens. München ist vergleichsweise die sicherste deutsche Großstadt. Diese zwei Prämissen vorausgeschickt, kann ich Ihnen bestätigen, daß es sich dabei um eine Art Tendenz handelt, die sich so in etwa auch in anderen Großstädten darstellen würde.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Frage. - Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Dann ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Fragen 10, 11, 12 und 13 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Jetzt rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen 14 und 15 sind zurückgezogen worden. Die Fragen 16, 17, 18 und 19 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Dr. Schwall-Düren auf: In welchem Planungs- und Genehmigungsstadium befindet sich das zwischen Twist und Ochtrup gelegene Teilstück der Autobahn A 31, das zur lückenlosen Anbindung dieses Gebietes erforderlich ist?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Dr. Schwall-Düren, die A 31 ist auf der gesamten Länge von 51 Kilometern zwischen Meppen und Ochtrup gemäß § 16 Fernstraßengesetz in der Linie bestimmt. Unterteilt ist diese Länge von 51 Kilometern in fünf Teilabschnitte. In diesen fünf Teilabschnitten gibt es unterschiedliche Planungs- und Bauzustände: Ein Teilabschnitt befin det sich im Bau. Für einen weiteren haben wir das Baurecht erlangt. Ein dritter Unterabschnitt befindet sich in der Planfeststellung. Für die zwei restlichen Teilabschnitte ist die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens noch 1997 vorgesehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfragen? - Keine. Dann rufe ich Frage 21 der Abgeordneten Schwall-Düren auf: Wann ist zu erwarten, daß mit dem Bau dieses Teilstückes begonnen wird, und in welchem zeitlichen Rahmen wird die Fertigstellung insgesamt abgewickelt werden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Dann kommen wir zu den Teilabschnitten: Der 8,6 Kilometer lange Teilabschnitt von Twist nach Geeste ist der, der sich bereits im Bau befindet. Für den Abschnitt Geeste-Wietmarschen, der zirka sechs Kilometer lang ist, liegt das Baurecht vor. Das Planfeststellungsverfahren ist also abgeschlossen. Für den dritten Teilabschnitt zwischen Wietmarschen und Lingen läuft das Planfeststellungsverfahren. Der Beschluß wird Ende dieses Jahres erwartet. Für die beiden restlichen Abschnitte von Lingen nach Schüttorf und von Schüttorf nach Ochtrup ist die Einleitung der Planfeststellungsverfahren bis Ende dieses Jahres vorgesehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfragen? - Bitte schön.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe danach gefragt, in welchem zeitlichen Rahmen mit einer Fertigstellung der Teilabschnitte zu rechnen ist. Diese Frage ist nicht beantwortet worden. Ich wüßte gerne, ob für den Teilabschnitt, für den Baurecht vorliegt, die Mittel im kommenden Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt werden, damit dort mit dem Bau begonnen werden kann.

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Dr. Schwall-Düren, Sie hatten nach dem gesamten Abschnitt gefragt. Ich habe Ihnen die derzeitige Situation in den fünf Teilabschnitten erläutert. Der erste Abschnitt befindet sich im Bau. Für den nächsten Abschnitt haben wir Baurecht. Wir werden dort im nächsten Jahr mit dem Bau beginnen können. Die Mittel dafür sind eingestellt. In bezug auf die übrigen Bauabschnitte, zum Beispiel die beiden letzten, für die mit den Planfeststellungsverfahren noch nicht einmal begonnen worden ist, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wann wir Baurecht haben werden, und damit auch nicht, wann wir diese Abschnitte fertigstellen könParl. Staatssekretär Johannes Nitsch nen; denn es liegt außerhalb unserer Möglichkeiten, das Baurecht zu erlangen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Nein. Die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Hans Wallow werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Christel Deichmann werden nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Elke Wülfing zur Verfügung. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Günter Rixe werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Franz Thönnes werden nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit komme ich zur Frage 30 des Abgeordneten Stephan Hilsberg: Wie haben sich seit 1990 die gesamten Bruttoaufwendungen aller privaten und öffentlichen Arbeitgeber für die berufliche Erstausbildung entwickelt, und wie hoch schätzt die Bundesregierung unter Berücksichtigung der von den Auszubildenden erwirtschafteten Erträge die Nettoaufwendungen der privaten Arbeitgeber? Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Herr Kollege Hilsberg, Sie haben in der Frage 30 nach den gesamten Bruttoaufwendungen aller privaten und öffentlichen Arbeitgeber für die berufliche Erstausbildung gefragt. Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat, bezogen auf das Jahr 1991- das sind die letzten Zahlen; veröffentlicht wurden sie 1994 -, ein Forschungsprojekt „Erhebung der betrieblichen Kosten der beruflichen Ausbildung unter Berücksichtigung von Aspekten des Kosten-Nutzen-Verhältnisses" durchgeführt. Dies ist die letzte aktuelle Erhebung. Die Ergebnisse sind dokumentiert. Die Untersuchungsergebnisse basieren auf den Angaben von 1370 repräsentativ ausgewählten Ausbildungsbetrieben der Kammerbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk in den alten Bundesländern. Durchschnittlichen Bruttokosten von 20 508 DM in Industrie und Handel stehen Nettokosten in Höhe von 9193 DM gegenüber. Im Handwerk sieht es anders aus. Dort beträgt dieses Verhältnis 12 936 DM zu 400 DM. Hier wird der hohe Anteil der produktiven Leistungen der Auszubildenden am Arbeitsplatz in der Handwerkersausbildung deutlich. Insgesamt ist festzustellen, daß die Ausbildungskosten wesentlich von der Höhe der Ausbildungsvergütungen beeinflußt sind. Daher hat die Bundesregierung die Tarifparteien aufgefordert, ihren Spielraum im tariflichen Bereich zu nutzen, um durch geeignete Neufestlegungen der Ausbildungsvergütungen eine Kostensteigerung der Ausbildung zu verhindern und eine Ausweitung des Ausbildungsplatzangebotes zu unterstützen. Mit zunehmender Betriebsgröße steigen die Nettokosten steil an. Nettokosten in Höhe von 17 886 DM bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten resultieren vor allen Dingen daraus, daß in diesen Betrieben das hauptberufliche Ausbildungspersonal, sowie die zum Teil vorbildlich ausgestalteten Lehrwerkstätten vergleichsweise stark zu Buche schlagen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter, Sie haben Zusatzfragen. Bitte schön.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin Wülfing, haben Sie Angaben über diese Zahlenverhältnisse im Handelsbereich, insbesondere im Einzelhandelsbereich? Ich beziehe mich hierbei auf Betriebe, welche Lehrlinge offenbar nur als billige Arbeitskräfte benutzen, da sie sehr viel mehr Lehrlinge als sonstige Arbeitskräfte anstellen.

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Herr Hilsberg, ich habe keine Einzelangaben für den Einzelhandelsbereich hier. Ich habe wohl Angaben je nach Betriebsgröße, die ich Ihnen vortragen kann. Die Gesamtzahlen habe ich eben schon genannt. Bei Betrieben mit einem bis neun Beschäftigten liegen Bruttokosten von 13 868 DM und Erträge von 12 221 DM vor. Die Nettokosten sind also 1647 DM. Wollen Sie die Zahlen für Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten auch noch hören? Ich könnte Ihnen die zur Verfügung stellen. Das ist in der BIBB-Studie enthalten und auch sehr schön als Schema dargestellt. Ich kann es Ihnen aber gerne sagen: 10 bis 49-

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Soweit ich sehe, ist der Kollege mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden. ({0}) Sie haben eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Hilsberg. Bitte schön.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mich interessiert dieses Kostenverhältnis, aufgeschlüsselt nach Lehrjahren. Ändert sich da etwas, oder bleibt es konstant?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Nach Lehrjahren ist das hier nicht aufgeschlüsselt. Dazu liegen mir jetzt keine Unterlagen vor. Aber bedenken Sie: Das sind Zahlen von 1991. Man muß zumindest die Inflationsrate dazurechnen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Frau Kollegin.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, können Sie uns mitteilen, wie hoch die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Ausbildung und Qualifikation nach der Pflichtschulzeit insgesamt sind, das heißt die Aufwendungen für Berufsschulen, Ausbildungsprogramme, Qualifizierungsprogramme im Bereich der dualen Ausbildung, für Länderprogramme wie auch für Bundesprogramme?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Das ist die nächste Frage, wenn ich darauf hinweisen darf.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Das ist richtig.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann stelle ich sie zurück. Wenn Sie sie dann in dem Zusammenhang beantworten können, kann ich mir die weitere Zusatzfrage sparen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wunderbar. Dann rufe ich erst einmal die Frage 31 des Kollegen Hilsberg auf: Welche steuerlichen Auswirkungen hatten bzw. haben diese Betriebsausgaben, d. h. wie hoch war nach Steuern der gesamte betriebliche Aufwand für die berufliche Erstausbildung, und wie hoch sind die Aufwendungen der öffentlichen Hände - insgesamt und getrennt nach Bund, Ländern und Kommunen - für die Berufsausbildung ihres eigenen Fachkräftenachwuchses in nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten Berufen?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

In Frage 31 wird nach den steuerlichen Auswirkungen gefragt. Dazu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Man muß allerdings in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß steuerliche Auswirkungen erheblich davon abhängen, wie hoch oder niedrig Betriebsergebnisse im einzelnen ausfallen. Angaben zu den Aufwendungen der öffentlichen Hände für die Berufsausbildung ihres eigenen Fachkräftenachwuchses liegen ebenfalls nicht vor. Da das beides interessante Fragen sind, sollten wir im zuständigen Fachausschuß einmal überlegen, ob wir nicht beim BIBB eine Studie über diese Fragen in Auftrag geben können, damit wir etwas genauere Angaben darüber erhalten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter, Zusatzfragen? - Bitte schön.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Anregung würden wir selbstverständlich gerne aufnehmen. Das ist gar keine Frage. Dennoch habe ich noch eine Zusatzfrage: Kann man ausschließen, daß für unterschiedliche Bereiche, also beispielsweise Handwerk und Industrie, unterschiedliche Steuerbelastungen vorliegen?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Selbstverständlich gibt es eine ganz unterschiedliche Besteuerung zum Beispiel von Aktiengesellschaften und von Handwerksbetrieben, die meistens Einzelbetriebe oder Personengesellschaften sind. Personengesellschaften sind mit Steuern, vor allen Dingen Einkommensteuer plus Gewerbesteuer, sehr belastet, während Aktiengesellschaften in Deutschland häufig gar keine oder nur geringe Körperschaftsteuern entrichten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Gibt es eine weitere Zusatzfrage? - Frau Kollegin Bulmahn, wollen Sie Ihre Frage wiederholen, oder geht das mit in den schriftlichen Bericht ein?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Anregung und würde die auch etwas weiter formulieren. Hier wird ja nach den Aufwendungen für den eigenen Fachkräftenachwuchs der öffentlichen Hände gefragt. Für uns wäre interessant und wichtig, zu wissen, wie hoch die Aufwendungen der öffentlichen Hände für die berufliche Ausbildung insgesamt sind, und zwar sowohl für den schulischen Teil als auch für den betrieblichen Teil der dualen Ausbildung.

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Ich denke, das erfordert Zeit. Das ist natürlich innerhalb von drei bis vier Tagen, die für eine mündliche Antwort zur Verfügung stehen, nicht zu schaffen. Ich darf herzlich darum bitten, daß wir etwas Zeit dafür haben. Das ist aber sicherlich möglich.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 32 des Abgeordneten Heinz Schmitt auf: Wie viele Kammern ({0}) haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Praxis angeschlossen, einen Gebührenverzicht für neue und zusätzliche Ausbildungsplätze einzuführen oder Gebühren zeitweilig zu ermäßigen, wie dies von einigen Vollversammlungen inzwischen beschlossen wurde?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Ich bitte darum, daß ich die Fragen 32 und 33 zusammen beantworten darf.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Einverstanden?

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch die Frage 33 des Abgeordneten Schmitt auf: Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Gesamtaufwand aller ausbildenden Betriebe für derartige Eintragungs-, Zwischenprüfungs- und Abschlußprüfungsgebühren, und mit welchem Betrag werden in den Kammern, die sich an dieser Aktion beteiligen, die ausbildenden Betriebe entlastet, die nichtausbildenden Betriebe belastet?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Es trifft zu, in einigen Kammern haben die Vollversammmlungen beschlossen, daß ein Gebührenverzicht für neue und zusätzliche Ausbildungsplätze für 1996 erfolgt bzw. daß eine Senkung um 10 Prozent für 1996 und 1997 durchgeführt wird. Das läuft unter „zeitweilige Ermäßigung zur Verbesserung des Ausbildungsmarktes". Teilweise wurde auch die übliche jährliche Anpassung der Gebühren für einige Jahre ausgesetzt. So hat zum Beispiel das Präsidium des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks bereits im Frühjahr 1996 den Handwerkskammern empfohlen, die Gebühren einzufrieren. Von seiten des Deutschen Industrie- und Handelstages ist empfohlen worden, darauf hinzuarbeiten, nach Möglichkeit eine einheitliche Höhe der Prüfungs- und Betreuungsgebühren zumindest auf Landesebene zu erreichen. Die IHK-Gebühren für die Berufsausbildung decken in der Regel nach eigenen Angaben höchstens 50 Prozent der tatsächlichen Verwaltungskosten. In einigen Kammern liegt der Dekkungsgrad bereits heute darunter. Angaben, bei wie vielen Kammern dies bereits praktiziert wird, liegen der Bundesregierung zur Zeit nicht vor. Das konnte in der Kürze der Zeit nicht ermittelt werden, ließe sich aber beim DIHT sicher nachfragen, wenn man uns dafür etwas Zeit einräumt. Die Gebührensatzungen der Industrie- und Handelskammern für Berufsausbildungsverhältnisse sehen nicht die Erhebung von Einzelgebühren für tragung, Zwischenprüfung und Abschlußprüfung vor, sondern eine Gesamt- oder Betreuungsgebühr. Die Handwerkskammern bzw. die Innungen erheben hingegen Gebühren für die Eintragung, für die Zwischen- und für die Gesellenprüfung getrennt. Die Gebühren im IHK-Bereich werden überwiegend nach kaufmännischen und industriell-technischen Ausbildungsberufen gestaffelt erhoben, und zwar je nachdem, ob die Prüfungen ohne Fertigkeitsprüfung oder mit Fertigkeitsprüfung durchgeführt werden. Die Gebühren betragen im Durchschnitt für kaufmännische Ausbildungsberufe 280 DM - ohne Fertigkeitsprüfung - bis 340 DM - mit Fertigkeitsprüfung -, für gewerblich-technische Ausbildungsberufe 370 DM - ohne Fertigkeitsprüfung - bis 420 DM - mit Fertigkeitsprüfung. Die durchschnittlichen Gebühren für die Zwischenprüfung liegen im Handwerk bei 160 DM und für die Gesellenprüfung bei 290 DM, wobei hier Sach- und Materialkosten noch nicht enthalten sind. Angaben über die unterschiedliche Belastung ausbildender bzw. nicht ausbildender Betriebe liegen der Bundesregierung nicht vor. Es ist aber davon auszugehen, daß etwa 50 Prozent der Kosten von allen kammerzugehörigen Betrieben getragen werden.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Zusatzfrage eins: Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, was diese kammerinternen Entlastungen an zusätzlichen Ausbildungsplätzen gebracht haben? Das heißt konkret: Wieviel additive Ausbildungsplätze konnten auf diese Weise zur Verfügung gestellt werden?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Nein, die liegen uns zur Zeit nicht vor. Ich hatte ja eben auch darauf hingewiesen. Da wir auch nicht genau wissen, wie viele Betriebe das in den einzelnen Kammerbereichen machen - da brauchen wir zur Beantwortung einfach ein bißchen mehr Zeit -, ist mir auch die Beantwortung der konkreten Frage hier nicht möglich. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber trotzdem noch einmal darauf hinweisen, daß es sicherlich unsere gemeinsame Aufgabe ist, die Kammern, die sich an dieser Aktion noch nicht beteiligen, dazu zu bewegen, Prüfungsgebühren für Ausbildungsbetriebe zu erlassen oder zumindestens eine Entlastung herbeizuführen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie sagen, die Zahlen lägen Ihnen noch nicht konkret vor. Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Zahlen in Erfahrung zu bringen, um eventuell Vorbilder darzustellen und in dieser Richtung weiter zu motivieren, damit mehr Effekte für zusätzliche Ausbildungsplätze entstehen?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Bei der Vorbereitung der Beantwortung dieser Anfragen ist mir selber die Idee gekommen, daß wir hier einmal eine genaue Auflistung vornehmen sollten. Die Zahlen werden wir sicherlich beim DIHT erfahren. Ich glaube, daß es ein sehr guter Anreiz und auch eine Lösung wäre, die Kammern, die diesen Gebührenverzicht heute noch nicht vornehmen, zu dieser Praxis zu bringen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Falls insgesamt - ich gehe eigentlich davon aus - eine positive Bilanz entstehen würde, die konkrete Frage: Plant die Bundesregierung auf Grund des dann positiven Beispieles, weiter auf Modelle zu drängen bzw. eine entsprechende Gesetzesinitiative zu entwickeln, um über diese Steuerungsmethoden generell einen Beitrag dazu zu leisten, die Ausbildungsplatzmisere zu verringern bzw. zu lösen?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Alles das, was die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und die Wirtschaft insgesamt freiwillig und von sich aus tun, sollten wir nicht unsererseits vorschreiben. Denn dann wird es bestimmt nicht besser. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß auch die Tarifparteien das Thema Ausbildungsplätze bzw. die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze sehr wohl in ihre Tarifverträge eingebaut haben. Ich setze hier tatsächlich auf diejenigen, die die Arbeitsplätze schaffen müssen. Denn das können wir als Politiker gar nicht leisten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie haben noch eine Zusatzfrage? ({0}) Herr Thönnes, bitte.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, eine weitere Steuerungsmöglichkeit bei dem Versuch, die Ausbildungsplatzangebote zu erhöhen, ist die Möglichkeit, die Ausbildungsleistung der Betriebe bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen. Haben sich inzwischen alle Kabinettsmitglieder der Umsetzung der von der SPD seit langem erhobenen Forderung, die ja vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geteilt wird, angeschlossen? Wenn nein, wann gedenkt der Bundeskanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, ich sehe keinen Sachzusammenhang mit der gestellten Frage. Wenn Sie, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, die Frage trotzdem beantworten wollen, dann können Sie das tun.

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Die mündliche Fragestellung hier ist - das sage ich ganz ehrlich - angesichts der Tatsache, daß morgen eine Aktuelle Stunde zum Thema Ausbildungsplatzsituation stattfindet, offensichtlich nur durch einen Geschäftsordnungstrick zustande gekommen. Trotzdem möchte ich diese Frage gerne beantworten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Staatssekretärin, ich muß Sie unterbrechen. Sie können die Beantwortung der Frage ablehnen, weil kein Sachzusammenhang besteht, oder Sie können die Frage beantworten. Ich würde hier aber nicht eine Frage über die Taktik entfesseln. ({0}) Wollen Sie antworten? Ja oder nein?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Nein.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. - Dann kommt die Zusatzfrage des Kollegen Hilsberg.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Frage bezieht sich auf die Möglichkeit der parlamentarischen Diskussion über dieses Zahlenmaterial, das Sie uns heute vorgestellt haben. Würden Sie uns in dem Bemühen unterstützen, daß künftig der gesamte Berufsbildungsbericht, wie er vom Kabinett beraten und beschlossen wird, dem Plenum als Bundestagsdrucksache zugeleitet wird, damit er im Plenum und in den entsprechenden Fachausschüssen, also im Ausschuß für Bildung, im Ausschuß für Jugend und Familie sowie im Ausschuß für Wirtschaft, als Ganzes beraten werden kann, was angesichts der Ausbildungsplatznot, die ein sehr komplexes Problem ist, als dringend notwendig erscheint?

Elke Wülfing (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002567

Ja, selbstverständlich. Die Drucksache befindet sich im Geschäftsgang. Soweit ich weiß, liegt sie entweder schon vor oder wird zur Zeit gedruckt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. Damit ist der Geschäftsbereich abgeschlossen. Vielen Dank, Frau Staatsekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Helmut Schäfer zur Verfügung. Ich stelle zunächst fest, daß die Fragen der Kollegen Fritz, Erler, Dr. Jüttner und Dr. Leonhard schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Zur Erörterung steht nur noch Frage 37 des Abgeordneten Rudolf Bindig: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die gravierende Hungersnot in Nordkorea vor, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für sofortige bi- und multilaterale Maßnahmen der humanitären Hilfe?

Not found (Gast)

Herr Kollege Bindig, in Nordkorea kam es durch Überschwemmungen schon im Sommer 1995 zu einem weitgehenden Ernteausfall, der in seinen Auswirkungen noch durch den sich anbahnenden Zusammenbruch der Zentralverwaltungswirtschaft verstärkt wurde und Ursache für den derzeitigen Nahrungsmittelmangel ist. Die Regierung in Pjöngjang hat bereits Ende August 1995 die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. Um der dringendsten Not zu begegnen, hat Deutschland im Oktober 1995 erste Hilfe geleistet. Seither hat die Bundesregierung aus Mitteln der humanitären Hilfe rund 450000 DM zur Verfügung gestellt. Eine weitere Hilfe im Wert von 300000 DM ist vorgesehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Abgeordneter, Ihre Zusatzfragen.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wird diese humanitäre Hilfe - wir haben vorhin bereits den entwicklungspolitischen Teil besprochen - über deutsche oder internationale Nicht-Regierungsorganisationen abgewickelt?

Not found (Gast)

Sie wird größtenteils durch deutsche und internationale Hilfsorganisationen abgewickelt. Wie Sie wissen, haben wir auch, ohne diplomatische Beziehungen zu unterhalten, die Möglichkeit, in Pjöngjang unmittelbar tätig zu werden, da wir von der DDR ein früheres Botschaftsgebäude übernommen haben und einen kleinen Stab von deutschen Mitarbeitern verfügbar haben, der dies auch mit den Hilfsorganisationen abwickeln kann.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es sind Befürchtungen geäußert worden - ich teile diese nicht -, daß ein Teil der gelieferten Nahrungsmittel zweckentfremdet eher in Richtung Militär gehen könnte, statt in Richtung der wirklich Bedürftigen, zum Beispiel der betroffenen Kinder. Können Sie durch die Art der Organisation sicherstellen, daß die humanitären Hilfsmaßnahmen auch den wirklich Bedürftigen zugute kommen?

Not found (Gast)

Was Sie sagen, ist völlig richtig. Diese Gerüchte sind zu bestätigen. Es gab tatsächlich die Versuche, solche Hilfsmittel an die Nomenklatura bzw. das Militär in Nordkorea abzuzweigen. Es geht natürlich jetzt darum, alles zu tun - es wird auch getan -, im Zusammenhang mit den von den Vereinten Nationen kommenden Hilfen und von den einzelnen Geberstaaten und Hilfsorganisationen durchgeführten Maßnahmen genau darauf zu achten, daß die Hilfe an die Bedürftigen und nicht an die in diesem Land über die Macht Verfügenden gelangt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich sehe keine weiteren Fragen. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Es ist mir gesagt worden, daß Einverständnis besteht, daß die Aktuelle Stunde zum Transrapid um 15.30 Uhr beginnt, weil Herr Minister Wissmann nicht vorher hiersein kann. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.30 Uhr. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Mögliche Mittelsperre für den Transrapid Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Gila Altmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mit dem Transrapid wäre es etwas schneller gegangen. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was hier zur Zeit geschieht, erinnert eher an absurdes Theater - damit meine ich nicht meine fehlende Luft - und hat mit sachorientierter Politik nichts mehr zu tun. Herr Wissmann hat dazu vorhin im Verkehrsausschuß eine Probe seines Könnens abgeliefert. Für Ende April war uns eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angekündigt worden. Bekommen haben wir allerdings eine Mixtur aus Zahlen und Annahmen, die vorgaukeln soll, was nicht ist und auch nie sein wird, daß der Transrapid jemals wirtschaftlich sein kann. Trotzdem passiert Erstaunliches. Obwohl die prognostizierten Erlöse von 1,15 Milliarden DM auf 790 Millionen DM pro Jahr gesunken sind und die Kosten explodieren, wird weiterhin der Erfolg dieses Milliardenflops auf Stelzen beschworen. Doch damit nicht genug. Der Transrapid ist nicht mehr nur das teure Hobby von Herrn Wissmann; der Virus hat inzwischen die gesamte Bundesregierung befallen. Dabei wäre es gerade jetzt höchste Eisenbahn, die Signale auf Rot zu stellen. Wenigstens von einem Finanzminister sollte man erwarten, daß er rechnen kann. Doch wenn der Theaterdonner verhallt ist, bedeutet das Finanzierungskonzept im Klartext: Weil die Industrie nicht bereit ist, das finanzielle Risiko zu tragen, hat sich der Bund die Bahn gegriffen - halb zog er sie, halb sank sie hin. Die soll nun die Transrapidstrecke bauen und auch betreiben - mit dem vollen wirtschaftlichen Risiko, versteht sich. Zum einen beim Fahrweg: Die Bahn bekommt vom Bund 6,1 Milliarden DM überwiesen, egal, wie hoch die realen Kosten tatsächlich sein werden. Schon heute ist klar, daß die Strecke über 10 Milliarden DM kosten wird. Hier werden die ersten Defizite produziert, die letzten Endes beim Bund als hundertprozentigem Eigentümer der Bahn hängenbleiben. Das gleiche gilt für den Betrieb. Werden die Fahrgastschätzungen unabhängiger Gutachter zugrunde gelegt und nicht die Phantasiezahlen von Herrn Wissmann, belaufen sich die Verluste aus dem Betrieb bis 2030 auf 5,2 Milliarden DM. Sie werden sagen: Was kümmert es den Bundestag? Der Transrapid ist doch Sache der Industrie - Stichwort: „public-private partnership". Doch das stimmt schon lange nicht mehr. Neuer Betreiber ist die Bahn. Sie trägt auch das volle wirtschaftliche RiGila Altmann ({0}) siko - allein -, und das ist beträchtlich: Genau deshalb ist die vielgepriesene Kooperation mit der Privatindustrie auf der Strecke geblieben. Im Gegensatz zu Wissmann und dem Finanzhallodri Waigel kann die Industrie nämlich rechnen. Aber es kommt noch doller: Während die Industrie ihr Risiko durch garantierte Nutzungsentgelte minimiert, sieht der Bund von seinem zinslosen Kredit keinen Pfennig wieder; denn Geld gibt es nur, wenn es auch Gewinne gibt. Die stehen aber, wie wir alle längst wissen, in den Sternen. Die Frage, die sich stellt, ist: Warum machen Kohl und Waigel diesen Wahnsinn überhaupt mit? Wollen sie sich vielleicht ein Denkmal setzen und der Industrie ein Abschiedsgeschenk vor dem Regierungswechsel machen oder Schulden und Sachzwänge für Rot-Grün, das Angenehme also mit dem Nützlichen verbinden? Es ist schon ein starkes Stück, wie der Bund über die Bahn das Risiko auf sich zurücküberträgt. Aber es ist unverantwortlich, wie hier die Bahnreform, die die öffentliche Hand schon Milliarden bei der Entschuldung gekostet hat, aufs Spiel gesetzt wird. Nach zehn Jahren der Vernachlässigung sollte es endlich aufwärts gehen. Das tut es auch: auf den neuen Schuldenberg der Bahn. Den geplanten Börsengang kann man getrost vergessen. Für ein Unternehmen, das dank Transrapid wieder in die roten Zahlen fährt, wird kaum eine müde Mark zu erlösen sein. Ich frage Sie: Ist dieses unkalkulierbare finanzielle Desaster, das zudem noch das Zukunftsunternehmen Bahn gegen die Wand fährt, die Basis, auf der Sie dieses Projekt beschlossen haben? Das ist nämlich die bittere Konsequenz aus den Ereignissen der letzten Woche. Wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt endlich einen Schlußstrich zu ziehen und sich vom Transrapid zu verabschieden. ({1}) Wenn Sie nicht den Mut dazu haben, legen Sie endlich nachvollziehbare Zahlen auf den Tisch, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, die diesen Namen auch verdient. Was muß eigentlich noch alles passieren, bis es die Koalition interessiert, welche Milliardenlöcher hier in den nächsten Jahrzehnten produziert werden? Die Bahn hat sich eine Hintertür offengehalten. Innerhalb des nächsten Jahres soll die endgültige Entscheidung fallen. Wir - das kündige ich Ihnen hiermit an - werden die Zeit nutzen, um Ihnen einen unruhigen Vorruhestand bis zur nächsten Wahl zu bereiten. Danke. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer, CDU/CSU.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung von Bund und Industriekonsortium steht jetzt eindeutig fest: Der Transrapid kann auf einer seriösen und verantwortbaren Grundlage gebaut werden. ({0}) Wichtig ist - darauf haben wir immer wieder hingewiesen -: Innovative technische Lösungen müssen im Herstellerland auch realisiert werden, sonst haben sie keinerlei Glaubwürdigkeit und keinerlei Exportchance. Denn wenn das Hersteller- und Entwicklungsland nicht daran glaubt, wer sonst sollte daran glauben? ({1}) Der Technikvorsprung muß genutzt werden; er darf nicht verspielt werden. Uns alle gemeinsam hat der aus dem Amt scheidende Vorstandsvorsitzende der DB AG Heinz Dürr nach seinen Gesprächen und Informationen, die er in Japan erhalten hat, davor gewarnt und gesagt, es gehe hier um eine Frage, die mit dem Thema Airbus vergleichbar ist. ({2}) Diese Entscheidung steht an - nichts anderes! Transrapid ist im Unterschied zu allen anderen Infrastrukturprojekten das einzige Verkehrsprojekt, bei dem der Bund seine Infrastrukturinvestitionen langfristig voll zurückerhält. Die Investition in den Fahrweg geht also nicht endgültig zu Lasten des Steuerzahlers, sondern es geht hier um eine optimale Lösung zu seinen Gunsten. Es handelt sich auch um eine ordnungspolitische Innovation, daß wir privates Kapital mit eigenem Risiko daran beteiligen. ({3}) Das neue Transrapidkonzept beruht unverändert auf „public-private partnership"; der Bund zahlt 6,1 Milliarden DM für den Fahrweg; die Industrie beteiligt sich erstmals mit beträchtlichem Eigenkapital, 500 Millionen DM, an der Realisierung. ({4}) Sie übernimmt das volle Risiko für die technische Machbarkeit und die zeitliche Verfügbarkeit des Systems; die Kosten für das Betriebssystem belaufen sich auf 3,7 Milliarden DM. Sie haftet für die Tauglichkeit ({5}) ich habe das heute morgen im Ausschuß schon verdeutlicht - auch mit ihrem internationalen Renommee. Dahinter stehen nämlich Unternehmen unseres Landes, die im Weltmaßstab eine große Bedeutung haben. Sie können sicher davon ausgehen, daß SieDirk Fischer ({6}) mens, Thyssen, Daimler und ABB nicht mit ihrem internationalen Renommee spielen werden. ({7}) Deswegen haben wir in der Industrie einen starken, glaubwürdigen und leistungsfähigen Partner. Das ermöglicht uns, diese Herausforderung erfolgreich zu bestehen. Die DB AG übernimmt eine zentrale Rolle. Sie baut, betreibt und vermarktet das System. Sie leistet keinen Eigenkapitalbeitrag, sie übernimmt allerdings das Risiko für das Nutzungsentgelt. ({8}) Das ist ja wohl auch richtig so; denn wenn sie als Betreiber auftritt und die Entgelte kassiert, muß sie auch dem Investor des Betriebssystems Entgelte zahlen. Wie soll das denn anders gehen? Das ist doch wohl selbstverständlich. ({9}) Das ist, wie Herr Dürr im Ausschuß treffend bemerkte, das übliche unternehmerische Risiko wie bei jeder anderen neuen Schienenstrecke auch. Ausdrücklich hat er als Beispiel die Neubaustrecke Rhein-Main genannt. Für dieses Projekt hat gestern unser Kollege und Bundesminister Matthias Wissmann zusammen mit Herrn Dürr und dem NRW-Wirtschaftsminister Clement den ersten Spatenstich vollzogen. ({10}) Die zentrale Rolle der DB bringt - dies sage ich angesichts früherer Angriffe der Opposition - auch weitere Vorteile: Sie kann als Auftraggeber für den Bau Erfahrungen bei Ausschreibungen und Vergabe von Neubau- und Ausbaustrecken verwerten. Eine gute Verknüpfung des Transrapid mit den Schienenangeboten wird durch Einbeziehung in das Gesamtangebot - Fahrplan, Tarif, Ticket, Gepäck, Schnittstellenoptimierung - gewährleistet. Heinz Dürr hat im Ausschuß gesagt: Wenn wir das haben, wird die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft die modernste Bahn der gesamten Welt werden. - Ich finde, das ist eine großartige Aussage. ({11}) Damit kann der nachgewiesene Verkehrsbedarf zwischen Hamburg und Berlin, der vom Gesetzgeber festgehalten und worüber von Bundestag und Bundesrat zustimmend entschieden worden ist, optimal befriedigt werden. Das neue Konzept ist durch eine verantwortungsbewußte gemeinsame Entscheidung von Bundesregierung, Industrie und DB AG geschaffen worden. Das ist ein positives Signal für den Industriestandort Deutschland und unseren Arbeitsmarkt. Es festigt das Ansehen Deutschlands als Technologiestandort. Das beweist, daß über innovative Technologie nicht nur geredet, sondern daß sie auch verwirklicht wird. Mut und Risikobereitschaft haben unser Land in der Vergangenheit stark gemacht. Stark zu sein ist für Deutschland als rohstofffreies Land kein Naturgesetz. Qualifikation, Mut und der Wille, solche Dinge durchzusetzen und dazu zu stehen, haben dieses Land stark gemacht. Demgegenüber bietet die SPD als Opposition ein klägliches Bild. ({12}) Die Opposition hier im Hause ist dagegen. Die Ministerpräsidenten Voscherau, Schröder, Eichel, Scherf, Stolpe, Beck und Rau haben das Projekt in Aussagen und mit ihrem Verhalten im Bundesrat durch Zustimmung gefördert bzw. durch Enthaltung laufenlassen. Last, but not least hat der von Ihnen hochverehrte Altbundeskanzler Helmut Schmidt gesagt, das müsse geschehen, und er sei unglücklich über die Rolle der Opposition. Ich kann nur sagen: Über Ihr Verhalten kann sich nur der Wettbewerber Japan freuen. Wir bitten Sie, von dem Roß herunterzukommen, auf das Sie sich begeben haben. Ich glaube, dank der Entscheidung von Bundesregierung, Industrie und Deutscher Bahn AG, die von der Koalition geschlossen mitgetragen wird,

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Bitte kommen Sie zum Schluß, Herr Kollege.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- werden wir die Chance haben, dieses Projekt durchzusetzen. Ich glaube, darüber kann sich das Land, können sich die Bürger und die Arbeitnehmer rechtschaffen freuen. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Elke Ferner, SPD.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Kollege Fischer, wenn hier jemand vom Roß herunterkommen muß, dann sind das nicht wir. Sie sollten sich vielleicht einmal orientieren, wo Sie im Moment sitzen. ({0}) Das neue Transrapidkonzept ist für meine Begriffe ein Offenbarungseid, weil das Modell der vielgerühmten „public-private partnership" kläglich gescheitert ist. Um die immensen Risiken für den Steuerzahler zu vertuschen, wird jetzt zum wiederholten Male die industriepolitische und technologische Karte gezogen; das haben Sie eben wieder gemacht. Sie müssen sich aber endlich entscheiden, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Koalition, was Sie eigentlich wollen. Zuerst begründen Sie das Projekt als verkehrspolitisch notwendig, machen sogar ein Bedarfsgesetz, um es gerichtsfest zu machen, ({1}) und jetzt ist es wieder industriepolitisch notwendig. ({2}) - Herr Fischer, ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind. - Auch haben Sie bisher immer wieder betont, insbesondere bei dem alten Finanzierungskonzept, daß dieses Projekt so wirtschaftlich sei, daß es sich rechne und alles überhaupt kein Problem sei, es sei absolut wirtschaftlich zwischen Hamburg und Berlin zu betreiben. Nach dem neuen Finanzierungskonzept kommt es plötzlich überhaupt nicht mehr darauf an. Ich sage Ihnen: Wenn das Projekt in den Sand gesetzt wird, dann nicht wegen der Risiken, die wir benennen und die sich jetzt Stück für Stück bewahrheiten - ich erinnere nur an das deutliche Absinken der Fahrgastprognosen und der Verkehrsleistungsprognosen -, sondern weil Sie die falsche Strecke durchgeboxt haben. Diese Strecke ist frühestens im Jahr 2005 verfügbar. Sie wissen genauso gut wie ich, wie leicht Bauverzögerungen bei solchen Großprojekten eintreten können. Sie werden also vor dem Jahr 2010 in keinem einzigen Fall den Export dieses Systems realisieren können. Sie hätten unsere Unterstützung bekommen, wenn Sie eine deutlich kürzere Anwendungsstrecke gewählt hätten, zum Beispiel eine Flughafen-Stadt-Anbindung. Sie, Herr Kollege Fischer, gefährden das Projekt und damit auch die möglichen Exportchancen, ({3}) weil Sie mit dem neuen Konzept die Risiken mit einer völligen Schieflage auf die öffentliche Hand bzw. auf das im öffentlichen Eigentum befindliche Unternehmen Deutsche Bahn AG abwälzen. ({4}) Ich sage auch ein paar kritische Worte an die Industrie: Für meine Begriffe stellt sich die deutsche Industrie ein Armutszeugnis aus, wenn sie ihre eigene Risikobereitschaft so weit zurücknimmt - und das bei einem eigenen Produkt -, daß sie sich lediglich zu einer Art In-sich-Geschäft bereit erklärt. Wo ist denn da das unternehmerische Risiko der Industrie, das der Bahn ganz selbstverständlich abverlangt wird? Von dem Modell der „public-private partnership" ist folgendes übriggeblieben: Von den 1,5 Milliarden DM, die aus privaten Töpfen in die Betriebsgesellschaft fließen sollten, sind 500 Millionen DM, also ein Drittel, übriggeblieben, jetzt von der Systemindustrie aufgebracht werden. Diese Finanzierungsgesellschaft nimmt dann einen Bankkredit auf, um von sich selbst - der Systemindustrie - das System zu kaufen. Somit hat sie einen Dritten gefunden, der ihr auch noch die Kreditkosten - sprich: Zinsen und Tilgung - abnimmt über ein festes Nutzungsentgelt, das die Deutsche Bahn AG an diese Finanzierungsgesellschaft zu zahlen hat, unabhängig davon, ob die Betriebskosten durch die Verkaufserlöse der Tickets überhaupt gedeckt werden können und unabhängig davon, ob dieses Nutzungsentgelt überhaupt erwirtschaftet werden kann. Das ist kein normales unternehmerisches Risiko; für meine Begriffe ist das, was da passiert, Kamikaze. ({5}) Dann muß man noch sagen: Die Industrie hat sich einen ganz schönen Schnitt gerechnet, insbesondere bei der Beschaffung der Fahrzeuge. Bei dem alten, deutlich umfangreicheren Betriebskonzept waren 3,4 Milliarden DM für Fahrzeuge vorgesehen. Jetzt ist das Betriebskonzept auf 60 bis 65 Prozent der Fahrzeuge ausgedünnt. Wenn man das auf 100 Prozent hochrechnet, dann kommt man auf Kosten von mehr als 5 Milliarden DM, im Vergleich zu vorher 3,4 Milliarden DM. Das ist nun wirklich keine normale Preissteigerung. Herr Wissmann, Sie haben gesagt, Sie wollten das Projekt nicht um jeden Preis. Der Preis ist jetzt höher - ich sage: er ist zu hoch. Weder bei der Streckenplanung noch in bezug auf das Finanzierungskonzept werden Sie mit unserer Unterstützung rechnen können. Die Bahn trägt das Betriebsrisiko alleine. Die Unterhaltung des Fahrweges liegt bei der Bahn. Letztendlich werden die Bahnkunden und die Steuerzahler - denn der Bund ist Eigentümer des Unternehmens - dafür bluten müssen. Das sture Festhalten an dieser Strecke wird Ihnen noch zu schaffen machen, weil man das Risiko weiter auf die öffentliche Hand verlagert hat. Wir sagen nach wie vor ja zur Technik, ja zu Hochtechnologie - aber nur bei vertretbaren Risiken für den Steuerzahler, einem stärkeren Engagement der Industrie und einer kürzeren und früher verfügbaren Anwendungsstrecke.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluß.

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir sagen aber nein zu dieser Strecke von Hamburg nach Berlin und dem völlig untragbaren Finanzierungskonzept. Ich denke, wir werden noch weiter Gelegenheit haben, über diese Thematik zu diskutieren. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich, F.D.P.-Fraktion.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Häufigkeit der Transrapid-Debatten erinnert mich ein bißchen an die Häufigkeit der von den Grünen beantragten Debatten über das Schienennetz der Bundesbahn. ({0}) Ähnlich wie dort die Argumente zusammenfallen, ist auch beim Transrapid der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, daß, obwohl Ihnen die Argumente zwischen den Fingern zerrinnen, Sie krampfhaft nach immer neuen Gründen suchen, um etwas schlechtzureden, was nicht mehr schlechtzureden ist. Denn eines ist sicher: Der Transrapid wird kommen. Nach den neu vorgestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen und dem neuen Finanzierungs- und Managementkonzept bestehen für die F.D.P. keine Zweifel mehr an der Realisierung dieses Projektes. Mit neuen Fahrgastzahlen, den jährlichen Personenkilometern sowie den zu erwartenden Investitionskosten und Erlösen sind frühere Zahlen zwar mit konservativeren Ansätzen korrigiert worden. Dennoch stellen diese aktuellen Daten unabänderlich eine gute Basis für den Erfolg dieser neuen Technologie dar. ({1}) Das wird allerorten so gesehen - mit Ausnahme der Grünen und vielleicht auch Teilen der SPD, die in einer Koalition der Technologiefeindlichkeit jedwedem Verkehr jenseits von 200 Stundenkilometern den Garaus machen wollen. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen: Allein vom Fahrradexport wird die deutsche Industrie ihre Position im Weltmarkt wohl kaum auf Dauer erhalten können. ({2}) Es stimmt zuversichtlich, daß dennoch wichtige Stimmen auch innerhalb der SPD bereit sind, den Transrapid zu unterstützen. Ich zitiere hier eine Presseerklärung von Dr. Voscherau, dem Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, vom 25. April. Er begrüßt die tragenden Merkmale der Einigung: realistische Kalkulation der Erlöse - man höre und staune -, die Beendigung der Interessenkollision mit den Baukonzernen, Einbindung der Bahn AG in die Betriebsführung. Er schließt wörtlich: „Nach meinem Eindruck liegt jetzt ein realistisches, zukunftsfähiges Konzept vor, das Unterstützung verdient." ({3}) Die Frage ist nur: Warum erklärt dann die SPD-Fraktion hier das genaue Gegenteil von dem, was ihr Erster Bürgermeister in Hamburg in einer Erklärung sagt? ({4}) Besser kann man es selbst als Regierungskoalition nicht ausdrücken. Dazu kam heute vormittag die neue Tatsache, daß der bisher immer vielzitierte Zeuge Bundesrechnungshof relativ deutlich erklärt hat, daß nach einer ersten Schätzung mit den vorgelegten Zahlen wahrscheinlich auf einer seriösen Basis gerechnet werden kann. Selbst die GdED, erkennbar nicht der Steigbügelhalter für den Transrapid in der letzten Zeit, erklärt in ihrer neuesten Zeitschrift, daß jetzt eine realistische Perspektive vorliege, weil man nun endlich über die Zukunft des Transrapid entschieden habe. Die Gewerkschaft verspricht sich über das hinaus eine Sicherung von Arbeitsplätzen im Konzern Bahn AG. Auch das ist ein prägnantes Merkmal: Offensichtlich besitzen im Gegensatz zu manch anderen diese Kritiker wenigstens die Fähigkeit, noch rechtzeitig umzudenken. Klar ist eines: Die endgültig gesicherte Realisierung des Transrapids ist ein wichtiges Signal für den Standort Deutschland, nicht nur in bezug auf die Wettbewerbsvorsprünge und nicht nur in bezug auf die Aufnahme des modernsten spurgebundenen Verkehrssystems in das Angebot der Deutschen Bahn AG. Ich erinnere an die Aussagen von Herrn Dürr in der letzten Verkehrsausschußsitzung. Er hat Ihnen ziemlich den Kopf gewaschen und Ihnen deutlich gesagt, was er unter moderner Bahn versteht. Das ist nicht das, was in manchen Anträgen der Opposition zum Ausdruck kommt. „Zurück zur alten Eisenbahn, zurück in die Steinzeit" wird nicht funktionieren. ({5}) Abgesehen davon, daß auf dem Arbeitsmarkt 18 000 Arbeitsplätze in der Bauphase geschaffen werden, sprechen 4400 Arbeitsplätze auf Dauer in der heutigen Zeit eine deutliche Sprache. Zur deutschen Bauindustrie kann man nur eines sagen: Es gibt die Aussage, daß bei Nichtbeteiligung im Konsortium die Kosten für die Strecke automatisch um 1 Milliarde DM günstiger werden. Ich bin sehr darauf gespannt, wie sich diese Firmen bei der Präqualifikation, wenn die Bahn AG den Bau der Strecke tatsächlich ausschreibt, beim neuen Verhandlungsverfahren in ihrem Angebotsverhalten hinsichtlich der Zahlen bewegen. Das wird eine hochinteressante Erkenntnis für mich bringen. Die F.D.P.-Fraktion begrüßt die Entscheidung ausdrücklich. Es ist wichtig, daß der Transrapid nicht länger im Schwebezustand verharren muß, sondern zu Beginn des kommenden Jahrzehnts tatsächlich losschweben kann. Herzlichen Dank. ({6})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Dagmar Enkelmann, PDS.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Wissmann, ich gestehe, ich bin eine fanatische Gegnerin des Transrapid. Ich bin also eine von denen, vor denen Sie heute früh im Ausschuß gewarnt haben. Ich gestehe auch, daß ich eine ziemliche Wut im Bauch habe. Es geht hier nicht mehr nur um die Frage: Transrapid - ja oder nein? Es geht schon gar nicht um den Technologiestandort. Nebenbei bemerkt: Es ist ein Armutszeugnis, wenn technischer Fortschritt, Innovation und Mut zu Neuem mit einem einzigen Projekt verbunden werden. Der Transrapid wird wie ein Fetisch gehandelt. Sie machen sich in der Welt lächerlich. Es wäre schlimm, wenn es tatsächlich so wäre, daß der Standort Deutschland mit dem Transrapid steht oder fällt. Inzwischen geht es um mehr. Es geht auch um die demokratische Verfaßtheit dieser Bundesrepublik. ({0}) Argumente für und wider wurden in Anhörungen, in zahlreichen Ausschußsitzungen und diversen Gutachten zur Genüge ausgetauscht. Was mich erschreckt, ist die Arroganz gegenüber den Ergebnissen, ist die Ignoranz gegenüber dem wissenschaftlichen Sachverstand. Das kennen wir ganz gut aus der DDR. Wohin das geführt hat, wissen wir alle. ({1}) Bis heute gibt es an den Fahrgastprognosen große Zweifel. Die immer wieder kolportierten Aussagen über die Exportchancen sind bis heute nicht belegt. Der Kanzler bejubelte in Australien schon fast den Verkauf des Transrapid und hinterher mußte dementiert werden. Hinzu kommt: Inzwischen lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung den Transrapid ab. Wie Sie die Entscheidung innerhalb der Bevölkerung vertreten wollen, ist mir nach wie vor schleierhaft. Irgendwie ist das ziemlich schizophren. Inzwischen wird von einem Haushaltsdefizit von mindestens 20 Milliarden DM gesprochen. Aber 6,1 Milliarden DM werden mal schnell genehmigt. Aus welchem Titel eigentlich? ({2}) Der Anstieg der Kosten um 500 Millionen DM, wie er heute morgen bekanntgegeben wurde, ist für Minister Wissmann nur „Peanuts" . Vorhin hat Kollege Fischer allerdings gesagt, der Anteil der privaten Unternehmen in Höhe von 500 Millionen DM sei beträchtlich. Ich frage: Ja, was denn nun? Die Antwort auf die Frage, woher denn diese zusätzlichen Mittel kommen sollen, wurde heute früh im Ausschuß verweigert. Was mich allerdings ganz besonders empört, ist die Art, wie mit diesem Parlament umgegangen wird, und das sollte auch Sie empören. Erst nachdem dieses Parlament dazu aufgefordert hatte, wurde die Wirtschaftlichkeitsstudie in Auftrag gegeben. Noch vor wenigen Wochen habe ich hier gesagt, daß ich es langsam satt habe, daß wir als Abgeordnete ständig über Tickermeldungen oder die Medien informiert werden und die Bundesregierung ihrer Informationspflicht letztlich nicht nachkommt. Meine Vorstellungen von parlamentarischer Demokratie sind durchaus andere. So, und was macht Herr Wissmann diesmal wieder? ({3}) Zunächst einmal informiert er die Unternehmen - ich meine, bloß für sie ist das ganze Ding sowieso gedacht -, und dann bereitet er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Pressekonferenz vor. Dort verkündet er auch gleich noch den Bau des Transrapid und noch dazu, daß der Kanzler und der Finanzminister ihre Einwilligung gegeben haben. Das, meine Damen und Herren, ist eine Verhöhnung des Parlaments. ({4}) Wir lassen uns zu Hampelmännern und Hampelfrauen der Bundesregierung machen. Das I-Tüpfelchen hat heute im Ausschuß der Vertreter des Bundesrechnungshofs geliefert, der dort erklärte, er sei genauso überrascht worden wie die Abgeordneten. Für ihn war das Dokument ebenso geheim wie für uns. Hört! Hört! Immerhin hat der Bundesrechnungshof die Fragen für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung formuliert. ({5}) Er war sehr vorsichtig in seinen Äußerungen. Ich denke, wir sollten abwarten, welcher Bericht bis zur Sommerpause aus dem Bundesrechnungshof kommt. Da sollten wir einmal ganz genau hingucken. Auf ein Problem hat er allerdings heute im Ausschuß schon aufmerksam gemacht, nämlich daß neue Risiken entstehen, die mittelbar auf den Bund zurückfallen werden, das heißt mittelbar auf den Steuerzahler und die Steuerzahlerin. Damit kommen wir schon zum Part der DB AG. Wahrlich, der Noch-Bahnchef Dürr hat der Bundesregierung ein pompöses Abschiedsgeschenk bereitet. Allerdings hat er dabei das Wohl der Bahn wahrscheinlich nicht im Blick gehabt. ({6}) Den Differenzbetrag für den Fall, daß das garantierte Nutzungsentgelt nicht erreicht wird, übernimmt die DB AG. Schon heute ist klar, daß es mindestens 30 Millionen DM im Jahr sein werden. ({7}) Erlösausfälle, zum Beispiel auf Grund des Wegfallens des IC-Verkehrs auf der Strecke - immerhin 415 Millionen DM pro Jahr -, werden schlichtweg nicht berücksichtigt. Die DB AG trägt die gesamte finanzielle Verantwortung für den Bau. Nun wird jeder zugeben müssen, daß der Bau einer Magnetstrecke und der Bau von Schienen zwei völlig verschiedene Schuhe sind. Der Bahn fehlen in dieser Beziehung nun wirklich alle Erfahrungen. ({8}) Der BUND fordert in einem Brief die Mitglieder des Aufsichtsrates auf, der DB AG diesen wirtschaftlichen Mühlstein nicht um den Hals zu hängen. Dem kann man sich nur anschließen. Eines garantiere ich Ihnen schon heute: Das Drama Transrapid ist noch nicht im letzten Akt. Für seine Gegner und Gegnerinnen kann es immer noch zum Lustspiel mit Happy-End werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt Bundesminister Matthias Wissmann.

Matthias Wissmann (Minister:in)

Politiker ID: 11002534

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ihnen im Januar im Verkehrsausschuß einen Einblick in die damaligen Zahlen gegeben. Ich habe Sie heute morgen in einer zweistündigen Gesprächsrunde im Ausschuß über das neue Management- und Finanzierungskonzept unterrichtet. Wir haben Ihnen die schriftlichen Unterlagen rechtzeitig zugeleitet. Ich will im Blick auf den einen oder anderen Einwand hier nur noch einmal sagen: Wir haben das Prinzip der Gewaltenteilung ganz genau beachtet. Das Parlament hat alle Vorlagen, die vom Gesetz her als parlamentarische Hürden auf dem Weg zur Verwirklichung des Transrapid lagen, ernsthaft beraten, und es hat entschieden. Jetzt kommt es darauf an, daß die Bundesregierung, ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen und entsprechend ihrer Zusage, mit dem Konsortium in einem neuen Finanzierungs- und Managementkonzept die Voraussetzungen für die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens schafft. Aber dies ist eine Führungsentscheidung der Regierung, die sie auch zu verantworten und gegenüber dem Parlament zu vertreten hat. Das ist aber keine eigentliche Entscheidung des Parlaments. Das sage ich als Parlamentarier mit allem Respekt. Ich finde, der Bundespräsident hat recht, wenn er von uns sagt: Wir müssen entscheiden und führen. Unser eigentlicher Mangel liegt darin, daß es zu viele Bedenkenträger gibt. ({0}) Ich finde, man sollte den Bundespräsidenten nicht nur dann loben, wenn es einem in den Kram paßt, sondern vielmehr dann, wenn es um eine schwierige Sachauseinandersetzung wie hier bei der Magnetbahntechnologie geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige haben sich selbst als fanatische Gegner des Transrapid abgestempelt. Das ist ihr gutes Recht. Mit denen muß ich mich jetzt nicht auseinandersetzen. Ich setze mich mit denen auseinander, auf deren Rest an Einsicht und Offenheit für Zukunftsfragen der eine oder andere noch vertrauen könnte. Interessant ist nicht, wer von der SPD heute redet; interessant ist, wer nicht redet. Es redet nicht der Fraktionsvorsitzende, der sich bei seinem Besuch der Versuchsstrecke im Emsland massiv für die neue Technologie ausgesprochen hat. ({1}) Es redet nicht der niedersächsische Ministerpräsident, der zu dem neuen Finanzierungskonzept wörtlich erklärt hat, es sei ein rationaleres Finanzierungskonzept; er begrüße den Transrapid. Es redet nicht der Hamburger Bürgermeister Voscherau, auch nicht Herr Stolpe. Es reden nicht die Sozialdemokraten, die sich bemühen, die Tür für mehr Zukunftsoffenheit zu öffnen. Ich habe den Eindruck - jedenfalls bis jetzt; das mag sich im Laufe des Nachmittags noch ändern -: Es reden die, die immer neue Gründe erfinden, um neuen Technologien Barrieren in den Weg zu legen. ({2}) Meine Damen und Herren, machen Sie sich nichts vor. Damit gewinnen Sie keine Zukunft. Damit gewinnt auch - was viel wichtiger ist - unser Land keine Zukunft. Bei allem Pro und Kontra muß man sich darüber im klaren sein: Sie reden über 15 000 bis 18 000 Arbeitsplätze in der Bauphase. Sie reden über rund 4500 Arbeitsplätze in der langfristigen Entwicklung. Nicht umsonst hat Ihnen die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands zugerufen: Stimmt diesem Konzept zu! Denn die wissen natürlich ganz genau, wie auch bei der Bahn um Arbeitsplätze für die Zukunft gerungen wird. Man kann nicht schöne forschungspolitische Papiere machen, man kann auch nicht wunderschöne Innovationskongresse mit salbungsvollen Reden über Technik veranstalten und immer dann, wenn es konkret wird, Gründe erfinden, warum man nein sagt. ({3}) Das macht in der Technologiedebatte niemanden glaubwürdig, vor allem deshalb nicht, weil wir viele Anregungen, die während der Debatten in den letzten Monaten gegeben worden sind, aufgenommen haben. Wir haben durch die stärkere Beteiligung der Bahn AG sichergestellt, daß der Transrapid verkehrspolitisch mit den anderen Nah- und Fernverkehrssystemen der Bahn vernetzt wird. Daran wird die Bahn ein eigenes Interesse haben. Wir haben die Anregungen von unabhängigen Gutachtern wie Intraplan aufgenommen, mit vorsichtigeren Prognosen zu arbeiten. Der Vertreter des Rechnungshofs hat heute in einer ersten StellungBundesminister Matthias Wissmann nahme gesagt, er halte sie für die besseren Prognosen. Wir haben alles dafür getan, die Kosten für den Fahrwegbau in vernünftigen Grenzen zu halten und eine straffere Konsortialstruktur herbeizuführen: mit den Weltfirmen Thyssen, Siemens, Daimler und ABB, zusammengefaßt in Adtranz. Die Bahn wird keinen Eigenkapitalbeitrag mehr leisten, während die Industriefirmen ihren Eigenkapitalbeitrag deutlich erhöhen. Meine einzige Bitte ist: Polemisieren Sie meinetwegen gegen den Transrapid. Viele entlarven sich dabei selbst. Aber nehmen Sie die Fakten und Daten zur Kenntnis, und sehen Sie, daß Gerhard Schröder recht hat, wenn er von einem rationalen Finanzierungskonzept spricht. Es fällt mir schwer, ihm zuzustimmen. Aber in diesem Punkt, finde ich, verdient er Zustimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist auch klar: Es gibt keine Straßen- und Schienenbaumaßnahme in Deutschland, bei der ein Finanzierungskonzept auf den Tisch gelegt wird, das durch die Zahlung von Nutzungsentgelten langfristig die Rückzahlung des vollen Baupreises an den Bund ermöglicht. So ist es im Transrapidkonzept vorgesehen. Auch das spricht dafür, daß die Risiken für den Bund und den Steuerzahler in vertretbaren Grenzen bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich die Entwicklung der Bahnmärkte ansieht, und zwar weltweit, auch in den fernen Kontinenten, in Asien, in Lateinamerika und in den USA, der weiß, daß Hochgeschwindigkeitssysteme der Bahn im 21. Jahrhundert eine wachsende Rolle spielen werden. Denn so wichtig das Auto im 21. Jahrhundert bleibt: Sie können die Mobilitätsprobleme des kommenden Jahrhunderts mit dem Auto allein nicht lösen. Das heißt aber: Die Industrienation, die in einer solchen strategischen Ausgangsposition für künftige Weltmarktentwicklungen ihre Techniken in Stellung bringt, sie entwickelt, verwirklicht und erprobt, hat natürlich bessere Chancen im Weltmarkt des 21. Jahrhunderts, oder - wie es Heinrich von Pierer zu Recht gesagt hat -: Der Bäcker, der sich weigert, seine Brötchen selbst zu essen, der wird sie auch niemandem verkaufen. ({4}) Wer Technologien nur in Parteiprogrammen beschreibt, aber nicht die politische Kraft hat, sie auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen und in einem Teil der Bevölkerung durchzusetzen, der wird sie nie auf den Weltmärkten verkaufen und somit nie Arbeitsplätze in Deutschland sichern. ({5}) Meine Hand bleibt jenen, die zu einer engen und guten Zusammenarbeit gewillt sind, wie wir sie mit dem Hamburger Senat, mit der mecklenburg-vorpommerschen Landesregierung, mit der brandenburgischen Landesregierung und dem Senat von Berlin - sie haben ganz unterschiedliche Parteifarben - bei der Verwirklichung dieses Projekts betreiben, entgegengestreckt. Uns geht es nicht darum, irgendeine Debatte zu gewinnen. Uns geht es darum, daß wir für den Standort Deutschland im 21. Jahrhundert und damit für Arbeitsplätze Weichen stellen. Deswegen bitte ich Sie, diesen Weg positiv zu begleiten. ({6})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans Georg Wagner, SPD. ({0})

Hans Georg Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002406, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gerne Saarländer, damit Sie das wissen. Ich sage das auch für die Kollegen Jacoby und Töpfer, die auch gerne Saarländer sind und die Sie pauschal mitbeleidigen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal meinen herzlichen Glückwunsch an Sie, Herr Kollege Fischer. Sie haben soeben in meinem Beisein zum 25. Male die Liste der erfolgreichen Ministerpräsidenten der SPD heruntergebetet. Man hätte sie noch um den einen oder anderen ergänzen können. Ihre Liste ist aber ein Beleg dafür, daß die Sozialdemokraten flächendeckend vertreten sind und, wenn sie von Ihnen so nett aufgezählt werden, eine geballte Ladung darstellen. Herr Minister, ich habe heute ein neues Konzept gehört. Ich habe das auch im Bericht vom 27. April gelesen. Ich muß daran erinnern, daß der Transrapid seit Jahrzehnten als einsatzreif dargestellt wird. Sowohl der Minister als auch seine Vorgänger - damn-ter war auch ein sozialdemokratischer Verkehrsminister - haben immer wieder gesagt: Der Transrapid ist einsatzreif. Aber er fährt immer noch nicht. Jetzt kommt ein neues Konzept. Ich bin überrascht, daß plötzlich die Bauwirtschaft zum Buhmann gemacht wird. Bis vor drei Monaten war die Bauwirtschaft ein liebenswerter Partner in der ganzen Konstruktion. ({0}) Jetzt wird sie als Abzocker von einer zusätzlichen Milliarde bezeichnet. Ich finde das Ihren ehemaligen Partnern gegenüber unfair. Daß sie ausgestiegen sind, muß seine Gründe haben; denn wenn im Haushalt von Herrn Rüttgers zur weiteren Erforschung der Technologien im Emsland 200 Millionen DM vorgesehen sind, dann muß ich fragen: Wie weit ist die Einsatzreife bis heute tatsächlich gediehen? Was nützt uns die schönste Konstruktion, wenn das Ding nicht funktioniert oder die Betonpfeiler Risse bekommen? Es gab ja Leute, die sagten: Daß jetzt nur noch Stahlfirmen im Konsortium beteiligt sind, bedeutet im Klartext, daß mit Eisenschienen gearbeitet wird. Man braucht also nicht mehr den Beton. Ich frage: Wann werden die Forschungsgelder in Höhe von 200 Millionen DM unter Beachtung aller ForschungsnotHans Georg Wagner wendigkeiten, die sich über Jahre hinziehen können, dazu aufgewandt, um eine neue Verbindung herzustellen, nicht mehr aus Beton, sondern aus Stahl? Auch hier eine Ungereimtheit. Die größte Ungereimtheit besteht darin, daß Sie offenbar das Klonen von Fahrgästen vorhaben. ({1}) Anders kann ich mir die Höhe der Fahrgastzahlen gar nicht vorstellen. Die Fahrgäste müssen geklont werden. Die Fahrgastzahlen deuten darauf hin, daß irgend etwas nicht stimmen kann, es sei denn, man überlegt, wie man die Menschen dort hinbringt oder wie man sie dienstverpflichtet, dort zu fahren. Herr Minister Wissmann, wenn die Kosten der Bahn angelastet werden und die Fahrkarten für eine Fahrt mit dem Transrapid von Hamburg nach Berlin teurer werden, dann frage ich: Wer bezahlt das eigentlich? Bezahlen das die Fahrgäste, die von Konstanz nach Karlsruhe fahren, mit einem erhöhten Fahrpreis? Die Bahn muß das Geld ja irgendwie hereinbringen. Das ist ein Punkt, dem man durchaus noch einmal nachgehen sollte. Sie haben noch einmal die Vernetzung angesprochen und gesagt: Jetzt ist der Transrapid aber hervorragend vernetzt. - Ich habe mir überlegt: Wie klappt das eigentlich mit der Magnetschwebebahn auf der Schiene, wenn die Vernetzung doch bestens funktioniert. Da fiel mir ein Beispiel ein - das ist einleuchtend, in der Tat -: Es gibt Autoreisezüge. Da fahren die Autos drauf und werden dann nach Perpignan in Südfrankreich transportiert. Das ist Vernetzung von Fortbewegungsmöglichkeiten. Man kann vielleicht auch den Transrapid im Huckepackverfahren auf der ICE-Strecke transportieren. ({2}) Wie ist, Herr Minister, eigentlich verständlich zu machen, daß Ihre Bundesregierung, obwohl Sie die Vernetzung total wollen - wir sind dafür, daß das so ist -, in Brüssel dafür gesorgt hat, daß die Mittel, die die Europäische Kommission zum Bau der transeuropäischen Verkehrsnetze vorgesehen hat, gekippt wurden? Sie hätten die Vernetzung doch eigentlich europaweit vorantreiben können, wenn Sie dem Vorschlag der Kommission gefolgt wären und die 1 Milliarde ECU für die transeuropäischen Verkehrsnetze geholt hätten. Dann hätten wir das kleine Inselstückchen von Berlin bis Hamburg akzeptieren können. Das ist nicht der Fall, so daß wir befürchten, daß dies eine Eintagsfliege bleibt. Mit Ihrem weltweiten Verkauf haben Sie vor kurzem wieder Pech gehabt. Ihre Partner in Südostasien waren - so war mein Eindruck - gar nicht sehr begeistert, den Transrapid zu kaufen. Um mit einem Punkt aufzuräumen, der, was mich sehr wundert, immer wieder zitiert wird: Es werden die Namen von Sozialdemokraten heruntergerasselt, die alle sagen: Eine tolle Technik! - Nirgendwo ist jemand, der gesagt hätte, der Transrapid sei keine tolle Technik. ({3}) - Nein, das ist nicht richtig. Als Beleg lese ich Ihnen einmal vor, was die SPD tatsächlich zum Transrapid beschlossen hat - Herr Minister, ich kann es Ihnen auch faxen -, ich zitiere den Wortlaut: Der Bundesparteitag fordert die Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen auf, gegen das von der Bundesregierung eingebrachte Magnetschwebebahnbedarfsgesetz zu stimmen und damit den Bau einer Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin zu verhindern. ({4}) Genau das, was die Partei beschlossen hat, ist geschehen. In dem Beschluß steht nichts von Technikfeindlichkeit, die Sie uns immer unterstellen. Sie ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Es ist zu beweisen, daß Sie an anderen Stellen in der Tat technikfeindlicher sind, als wir jemals sein können. ({5}) Ich denke nur an die Techniken, die beispielsweise große Kraftwerke oder auch unser Steinkohlenbergbau haben. Diese Techniken vernichten Sie. Und hier wollen Sie eine aufbauen, die keine Zukunft hat. ({6})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael von Schmude, CDU/ CSU-Fraktion.

Michael Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002039, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Redner der Opposition haben gezeigt, daß sie sich mit der neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht auseinandersetzen wollen, weil sie ihre Horrorprognosen eben nicht bestätigt sehen. ({0}) Vielmehr wird in der Wirtschaftlichkeitsberechnung ohne jede euphorische Unterstellung auf sehr konservativer Basis vorgelegt, was an neuen Daten verfügbar ist. Dazu kann man feststellen, daß die Risiken für den Bund minimiert worden sind und daß der Versuch der Industrie, Risiken und Kosten in größerem Maße auf den Bund abzuwälzen, durch den Bundesverkehrsminister abgewehrt werden konnte. ({1}) Die Kostenfortschreibung auf 9,8 Milliarden DM, wobei ein Bundesanteil von 6,1 Milliarden DM vorgesehen ist, muß fortgesetzt werden, und das wird sie auch. Ich sage dazu aber auch: Wir haben in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes bis zum Jahr 2003 5,075 Milliarden DM veranschlagt. Wir haMichael von Schmude ben das mit einer durchaus soliden Absicherung im Bundeshaushalt durch die Verpflichtungsermächtigungen getan. Wenn man sich die Gesamtgrößenordnung von 9,8 Milliarden DM einmal vorstellt, meine Damen und Herren von der Opposition - ich greife das auf, was der Kollege Wagner hier gesagt hat -, dann muß man sagen: Das ist weniger als das, was wir für den maroden Steinkohlenbergbau in einem Jahr zum Erhalt von Arbeitsplätzen, von denen jeder weiß, daß sie keine Zukunft haben, auf den Tisch legen. Das ist die Relation. ({2}) Ich sage Ihnen auch: Wenn Sie sich mit der Wirtschaftlichkeitsberechnung kritisch auseinandersetzen, dann stellen Sie fest: Es wird von einer Benzinpreissteigerung bis zum Jahr 2010 - im Vergleich zu 1991- in Höhe von 20 Pfennig bei 15 Prozent Steigerung bzw. von 33 Pfennig bei 25 Prozent Steigerung ausgegangen. Machen Sie, Rot-Grün, doch einmal gemeinsam eine Rechnung auf! Wenn der Benzinpreis nach Ihren Vorstellungen auf 2 DM, 3 DM oder 5 DM ansteigen würde, dann ergäbe das eine Superrendite für den Transrapid. Eine Superrendite! ({3}) Wer von Milliardendefiziten spricht und solche Benzinpreisvorstellungen im Hinterkopf hat, der hat ganz andere Defizite. Das sind nämlich Technologiedefizite. Wer, wie die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, von Kostenverteuerung redet und gleichzeitig alles daransetzt, um den Zeitplan für den Bau der Transrapidstrecke zu verzögern und zu blokkieren, der trägt wissentlich und vorsätzlich dazu bei, daß die Kasten nach oben getrieben werden, so wie das im Bundesrat auch bei anderen Gesetzesblockaden geschieht. ({4}) Da muß man sich schon die Frage nach der politischen Glaubwürdigkeit gefallen lassen. Wie glaubwürdig sind eigentlich die Politiker, die immer wieder fordern: Wir brauchen zukunftssichere neue Arbeitsplätze im High-Tech-Bereich? Denn gleichzeitig werden neue Technologien, unter anderem auch Transrapid, abgelehnt. Wie glaubwürdig sind eigentlich Politiker, die sagen: Genforschung wollen wir in Deutschland nicht haben? Denn Genprodukte, auch Arzneimittel, werden hier konsumiert. Nein, durch Ihre Kampagne gegen den Transrapid haben Sie mit dazu beigetragen, daß der Transrapid heute ein Symbol für den Technologiestandort Deutschland ist. ({5}) So sieht es das Ausland. Deswegen kämpfen wir auch dafür, daß dieses Projekt verwirklicht wird. Das Projekt können wir nicht mit Bedenkenträgern, Bremsern und Blockierern voranbringen. Wenn wir das Projekt Transrapid heute einstampfen würden, dann hätten wir die Zukunft hinter uns und nicht mehr vor uns. Wir werden alles tun, um den Zeitplan einzuhalten, damit die Kosten für dieses Projekt so gering wie möglich gehalten werden. Denn dann wird der Transrapid nicht nur bei uns, sondern auch anderswo erfolgreich sein. ({6})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Albert Schmidt, Bündnis 90/ Die Grünen.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schwer, in dieser Debatte, in der von beiden Seiten vieles zum hundertsten Mal zu hören ist, etwas Neues beizutragen und etwas Neues zu sagen. ({0}) Ich möchte dennoch versuchen, fernab der gewohnten Kontroversen einige neue Gesichtspunkte in die Diskussion einzuführen, die es nach meiner Auffassung verdienen, beachtet zu werden. Ich möchte darüber sprechen, daß das neue Transrapid-Konzept, wie der Minister es heute vorgestellt hat, in mindestens drei zentralen Punkten gegen geltendes EU-Recht und im übrigen auch gegen daraus abgeleitete Grundsätze der Bahnreform verstößt. Ich bitte Sie, sich das einmal in Ruhe und ganz unvoreingenommen anzuhören. ({1}) Erster Punkt. Nach Art. 1 der EG-Richtlinie 440/91 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen muß die „Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen ... gewährleistet" sein. Das heißt, nicht staatliche Vorgaben, seien sie forschungspolitisch, industriepolitisch oder sonstwie motiviert, sondern unternehmerische Vorgaben müssen das entscheidende Kriterium sein. Was wäre Aufgabe einer unabhängigen Geschäftsführung der Bahn AG gewesen in dieser Situation zu sagen? Sie hätte sagen müssen: Wir sind als Unternehmen nicht bereit, die Risiken, die sich mit dem Erlös verbinden, alleine zu übernehmen und auf unsere Bahnkundinnen und -kunden abzuwälzen, die dann beim Kauf ihrer Nahverkehrstickets den Transrapid subventionieren müssen. Ein unabhängiges Unternehmen hätte sagen müssen: Wir sind nicht bereit, unsere Bahn AG in ein neues Schuldenabenteuer zu treiben, nachdem wir sie durch die Bahnreform gerade entschuldet haben. Wir sind nicht bereit, jede Schuldenmark, die bei einem bundeseigenen Unternehmen letztlich zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geht, wieder als künftige Haushaltslöcher zu produzieren. Das wirft die Frage auf: Wo ist hier eigentlich die Unabhängigkeit der Geschäftsführung? Womit hat man die Deutsche Bahn AG katholisch gemacht? Das würde ich gerne einmal wissen. Aufgabe eines unabAlbert Schmidt ({2}) hängigen Unternehmens wäre es gewesen, zu sagen: Wir machen das bessere Konzept. Wir bauen eine ICE-Ausbaustrecke über Uelzen-Stendal. Dort hätte man zu zwei Dritteln auf bestehender bzw. im Bau befindlicher Strecke fahren können; nur die mittleren 100 Kilometer hätten ausgebaut werden müssen. Dort könnten wir ebenfalls 90 Minuten Fahrzeit erreichen, und zwar zu einem Bruchteil der Kosten. Außerdem wäre diese Strecke schneller fertig und hätte eine hervorragende Wirtschaftlichkeitsbilanz. ({3}) Das ist übrigens auch der Inhalt unseres Antrags. Zweitens schreibt die eben zitierte Richtlinie in Art. 1 zwingend die Trennung zwischen dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur einerseits und der Erbringung der Verkehrsleistungen andererseits sowie die Abgeltung der Benutzung von Schienen durch die Eisenbahnunternehmen über die Trassenpreise gegenüber den Infrastrukturbetreibern vor. Und was findet man davon beim Transrapid-Modell? Nichts. Dort ist immer nur von der Bahn AG die Rede. Diese gibt es im Jahr 2005 aber nicht mehr. Es gibt vielmehr bereits ab dem 1. Januar 1999 nur noch eine Holding, unter deren Dach dann die Fahrweg AG, die Fernverkehrs-AG usw. als selbständige Aktiengesellschaften operieren sollen. Das heißt, der Fahrweg müßte, wenn schon, dann konsequenterweise bei der Fahrweg AG angesiedelt werden, und diese müßte dann Trassenpreise von den Betreibern des Transrapid verlangen. Ich möchte Ihnen vorrechnen, um welche Beträge es sich hier handelt. Bei 51 Zugpaaren täglich und einem Trassenpreis von etwa 20 DM pro Kilometer, wie er heute beim ICE ohne weiteres üblich ist, geht es im Betriebszeitraum der ersten 20 Jahre um mehr als 4 Milliarden DM, die durch den Verzicht auf jegliche Trassenpreise als EU-rechtswidrige Subventionen an den Transrapid gehen sollen. Eine solche Politik wird nicht aufgehen. Von jedem Nahverkehrszug in Deutschland wird verlangt, daß der entsprechende Trassenpreis gezahlt wird, und zwar auch auf längst abgeschriebenen Strecken. Beim Transrapid auf der Neubaustrecke soll dies nicht verlangt werden. Das wird nicht durchgehen; das ist eine eklatante Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bei der Entgeltberechnung, wie er zum Beispiel auch in der EG-Richtlinie 95/19 zwingend vorgeschrieben ist. Ich freue mich schon darauf, wenn das erste nichtstaatliche Eisenbahnunternehmen vor den Europäischen Gerichtshof gehen und sagen wird: Wir müssen einen Trassenpreis zahlen; dort drüben fährt der Transrapid, und für ihn wird in den ersten 20 Jahren 0 DM gezahlt. Dann wird das Ganze wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Drittens. Die EU-Richtlinien werden auch in bezug auf den diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur verletzt, wie er in der EG-Richtlinie 91/440 festgelegt ist. Hier haben wir den haarsträubendsten Widerspruch, Herr Kollege Friedrich. ({4}) Auf den Schienenstrecken parallel zum Transrapid im Korridor Hamburg-Berlin - das ist geltendes EU-Recht ({5}) sollen nach der Fertigstellung des Transrapid, wie wir gehört haben, nur noch Interregios fahren. Aber hier haben der Verkehrsminister und der Bahnchef ihre eigene Bahnreform nicht verstanden. Das steht nicht im Belieben des Verkehrsministers oder von wem auch immer, sondern wenn irgend jemand, sei es die dänische Staatsbahn, sei es die Robin Wood Railway GmbH, sei es ein sonstiges neues Eisenbahnunternehmen, auf dieser Strecke geleaste ICTs, also Neigetechnikzüge, in 100 Minuten zu einem niedrigeren Preis fahren lassen will, dann wird das niemand verhindern können.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das heißt, dann werden Sie die Fahrgastprognosen in den Orkus werfen dürfen.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluß. Die Deutsche Bahn AG hat sich zum Erfüllungsgehilfen einer verantwortungslosen Politik gemacht. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit wird hier mit Füßen getreten. Eine Strecke, die vom ersten Tag an keine Erlöse erbringt, sondern nur Kosten verursacht, muß man eigentlich stillegen. Wir sind gegen Stilllegungen. Deswegen: Bauen wir das Ding erst gar nicht; dann können wir uns nachher die Stillegungsdiskussion ersparen! ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Renate Blank, CDU/CSU-Fraktion.

Renate Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000194, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung zu Ihnen, Kollege Schmidt: Wenn die Deutsche Bahn AG eine Entscheidung trifft, die Ihnen in den Kram paßt, dann ist sie unabhängig, und wenn sie eine Entscheidung trifft, die Ihnen nicht paßt, dann ist sie von irgendwelchen Meinungen oder sonstigen Dingen abhängig. ({0}) Heute morgen hat sich der Herr Minister im Verkehrsausschuß wirklich große Mühe gegeben, Ihnen den Sachverhalt klarzumachen, ({1}) und heute nachmittag stellt sich heraus, daß Sie es immer noch nicht kapiert haben. Aber wahrscheinlich wird es so kommen, daß der Transrapid schon längst erfolgreich in Betrieb ist und Bündnis 90/Die Grünen im Verbund mit der SPD immer noch gegen diesen innovativen Verkehrsträger ihre Bedenken äußern werden. ({2}) - In der Opposition; danke für den Hinweis. Wer sich wie die Opposition heute und in den vergangenen Debatten der Einführung neuer Technologien verweigert, hat kein Recht, über fehlende Arbeitsplätze zu klagen; denn man kann davon ausgehen, daß der Transrapid in der Bauphase - das wurde schon gesagt - 18 000 Arbeitsplätze schafft und sichert ({3}) und in der Zeit danach einen Arbeitsmarkteffekt von 4000 Arbeitsplätzen hat. Reden Sie bitte nicht mehr von den fehlenden Arbeitsplätzen! Hier werden welche geschaffen. ({4}) Sind Sie sich eigentlich der Verantwortung für Deutschland bewußt? Sie zeigen sich nur als Bedenkenträger. Mut haben Sie nicht. Das spüren auch die Bürger im Lande. ({5}) Jobs entstehen, wie uns die Erfahrung lehrt, nicht durch Diskussionen und Blockaden, sondern nur durch Mut und innovative Entscheidungen. ({6}) Deshalb ist die Verwirklichung des Transrapids, gerade angesichts der jüngsten Diskussion um den Standort Deutschland, technologie-, industrie- und arbeitsmarktpolitisch existentiell notwendig. ({7}) Meine Damen und Herren, das neue Finanzierungs- und Managementkonzept ist eine solide Basis. Es zeigt das weitreichende, im Zusammenhang mit Verkehrsinvestitionen bisher nie dagewesene Enga- gement der Privatwirtschaft ({8}) und ist deshalb nicht minder innovativ als die Technik des neuen Systems. Es schadet auch überhaupt nicht, daß die Baubranche nicht mehr beteiligt ist. Die Deutsche Bahn wird in das Konzept stärker eingebunden und steht mehr in der Verantwortung. ({9}) Sie hat allerdings auch die Möglichkeit, die Chancen für die Gestaltung des Verkehrssystems des 21. Jahrhunderts zu nutzen. Außerdem stellt die Bahn sicher, daß der Transrapid optimal mit dem Fern- und Nahverkehrssystem verknüpft wird. ({10}) Kollege Wagner, ich glaube, wir müssen Ihnen noch einmal Nachhilfeunterricht erteilen, was Vernetzung und Verlagerung von Verkehr ist. ({11}) Kommen Sie doch einmal in den Verkehrsausschuß! Ich glaube, dann lernen Sie das. Meine Damen und Herren von der SPD, im übrigen erinnere ich mich: Vor 20 Jahren - das war Anfang der 70er Jahre - war die SPD noch Feuer und Flamme für den Transrapid. ({12}) Jetzt kommen Sie mit der unqualifiziertesten Aussage überhaupt: daß Sie das System noch wollen, aber die Strecke nicht. Wo sind wir denn? Diese Ausrede erkennt draußen jeder Bürger. Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. ({13}) Sie sollten auch daran denken, daß die zirka 2 Milliarden DM an Steuergeldern, die für die Forschung ausgegeben wurden, nicht umsonst investiert wurden. Aber die Grünen greifen beim Thema Finanzen nur die Projekte auf, die sie verhindern wollen. ({14}) Sonst spielt für sie Geld absolut keine Rolle. ({15}) Sie zitieren hier den Rechnungshof. Die Anmerkungen des Rechnungshofes werden natürlich sehr genau geprüft und zur Kenntnis genommen. ({16}) Aber wir haben die Verantwortung für die politische Entscheidung, und wir haben die demokratische Entscheidung getroffen. Wir übernehmen die Verantwortung für dieses System. Ich wiederhole es an dieser Stelle zum soundsovielten Male ({17}) - Kollege Schmidt, wenn Sie aufpassen, dann lernen Sie vielleicht noch etwas -: ({18}) Gott sei Dank haben die Entscheidungsträger 1835 beim Bau der ersten Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth ({19}) zukunftsweisender gedacht, obwohl es auch damals eine große Anzahl von Bedenkenträgern und mutlosen Menschen wie die Opposition heute gab. ({20}) Haben Sie doch alle Mut! Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung für die Zukunft in unserem Land und überlegen Sie Ihre Entscheidung! ({21})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhold Hiller, SPD-Fraktion.

Reinhold Hiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000901, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte da anknüpfen, wo der Kollege Schmidt aufgehört hat. In dem Ergebnisbericht von Interplan Consult und SimonKucher heißt es auf Seite 3-33 - das sind die Annahmen und Voraussetzungen für ihr Konzept -: Anpassung des ... Bahnangebotes ... - Einstellung des IC-Verkehrs zwischen Berlin und Hamburg, - Reduktion des IR-Angebotes zwischen Hamburg und Schwerin von 12 auf 2 Fahrtenpaare/ Tag, - Einstellung des IR-Verkehrs zwischen ... Wittenberge und Berlin ({0}) Jetzt wird mir klar, warum die Deutsche Bahn mit ins Boot soll. Es soll verhindert werden, daß sich der Transrapid der Konkurrenz einer modernen Bahn stellen muß, ({1}) einer modernen Bahn, die wir alle mit der Bahnreform gewollt haben, die keiner staatlichen Bevormundung unterliegt. ({2}) Diese Grundsätze der Bahnreform werden mit dem Transrapid aufgegeben, ({3}) auch wenn der Minister heute morgen im Ausschuß von mehr Konkurrenz sprach. Die Annahmen dieses Konzeptes zeigen, daß der Transrapid diese Konkurrenz überhaupt nicht verträgt. ({4}) Diesen Weg werden wir nicht mitgehen. Herr Kollege Kuhn, Sie kommen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Folgen für die Verkehrserschließung des Landes werden katastrophal sein. Halte- und Umsteigepunkte werden ihre Bedeutung verlieren. Es wird nicht lange dauern, dann werden Sie anfangen, über Streckenstillegungen und das Schließen von Bahnhöfen zu jammern. ({5}) Der Transrapid kann nur die Metropolen schnell miteinander verbinden, leistet aber keinerlei Beiträge zur Verkehrserschließung eines bevölkerungsarmen Landes. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Wenn ich mir das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1 angucke, dann ist nichts mehr da von den Versprechungen Ihres Vorgängers, Herr Minister, des Herrn Krause. Er hat gesagt, die Strecke von Lübeck nach Stralsund solle zweispurig und elektrifiziert laufen. Schauen Sie sich die Pläne an: Das ist nicht mehr der Fall. Das sind Peanuts im Vergleich zu den Milliardenausgaben, die Sie mit dem Transrapid realisieren wollen. Meine Damen und Herren, Sie verabschieden sich für ein Prestigeprojekt von Ihren eigenen Versprechungen. Da die Zeit knapp ist, möchte ich Ihnen sagen, daß die ursprünglichen Planungen für die wirtschaftliche Erschließung von Mecklenburg-Vorpommern, auch für den gesamten Ostseebereich, und die VerbinReinhold Hiller ({6}) dung mit den Ostseehäfen eine größere Bedeutung hätten als dieses Projekt. ({7}) Das nützt in diesem Zusammenhang überhaupt nichts. In Schleswig-Holstein und insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern sind sich alle dieser Situation sehr deutlich bewußt; übrigens auch in der Wirtschaft, wie ich in Gesprächen höre. Ich will jetzt gar nicht die Argumente wiederholen, daß man schnell mal von Berlin aus nach Hamburg auf die Reeperbahn fährt und umgekehrt zu Theaterbesuchen nach Berlin. Diese Dinge haben wir hier schon lange und häufig erörtert. Ich möchte Ihnen ganz zum Schluß noch folgendes sagen: Sie haben erklärt, hiermit werden Arbeitsplätze geschaffen. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir in eine moderne Bahn investieren, werden wir mehr Arbeitsplätze schaffen als Sie, die Sie noch nicht einmal in der Lage sind, über die Entsenderichtlinie und das Schlechtwettergeld für vernünftige Arbeitsbedingungen auf dem Bau zu sorgen. ({8}) Da muß ich Ihnen sagen: Bringen Sie erst einmal das in Ordnung, bevor Sie hier von Luxusprojekten sprechen. Auf den Baustellen glaubt Ihnen dies niemand mehr. Da sind Verbitterung und Wut im Moment besonders groß. Auch dem Transrapid erweisen Sie mit dieser Strecke einen Bärendienst. ({9}) Diese Strecke werden Sie weltweit nicht veräußern können, weil die Entwicklung viel zu lange dauert und weil Sie die technologischen Erfolge viel zu spät zur Geltung bringen können. Deshalb sollten Sie uns folgen und eine kürzere Referenzstrecke verwirklichen. Das würde Arbeitsplätze für den Export sichern. ({10}) Genauso erweisen Sie der Bahnreform einen Bärendienst. Sie führen den Dirigismus in eine politikunabhängige Eisenbahn wieder ein. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie selber mit uns zusammen mit der Bahnreform verwirklichen wollen. Auch den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, erweisen Sie einen Bärendienst. ({11}) Die Verkehrserschließung, die Verknüpfung von Orten in der Fläche zu den Metropolen Berlin und Hamburg wird durch dieses Projekt ausgedünnt werden. Auch dafür werden Sie vor Ort die Verantwortung übernehmen müssen. Herzlichen Dank. ({12})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Werner Kuhn, CDU/CSU.

Werner Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Rednerliste der heutigen Aktuellen Stunde anschaut, könnte man fast denken, der repräsentative Querschnitt der Transrapid-Gegner habe sich auf das Gebiet des Saarlandes und von Schleswig-Holstein zurückgezogen; denn mehr habe ich hier bis jetzt noch nicht gesehen. Und immer wieder die gleichen Argumente. ({0}) - Zu den Brandenburgern komme ich nachher noch. Wir sind dabei, Hochgeschwindigkeitstechnologie in Deutschland zwischen zwei Ballungsgebieten in Anwendung zu bringen, damit wir endlich nachweisen können, daß diese Technologie, der Transrapid 07, so wie er jetzt in Lathen fährt, unter Praxisbedingungen einsatzbereit ist und bei 10 bis 12 Millionen Fahrgästen im Jahr auch wirtschaftlich arbeitet. Wir haben hier ja nicht die erste Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Dies findet ja fast vierteljährlich statt, ({1}) und immer werden neue Argumente vorgebracht. Erst war der Transrapid der Umweltverwüster. ({2}) Den müsse man unbedingt stoppen. Welch ein Energieverbrauch, welch ein Schall! Man sprach von Staubstürmen über den Gemeinden. Welch ein Knall, wenn der Transrapid die Schallgrenze durchbricht! Dies führte zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Rechtsanwälte in Hamburg, die die Gemeinden abklapperten und ihnen diese Schauermärchen erzählten, damit sie Klagen einreichten. So etwas ist unverantwortlich, wenn wir über die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes Deutschland sprechen. ({3}) Das nächste Argument - Herr Schmidt, da sind die Grünen ja federführend gewesen; mittlerweile sind Sie die großen Wirtschaftsfachleute - lautete folgendermaßen: Wenn wir alles durchrechnen, besteht null Chance. Jetzt sollen die Verantwortlichen doch erst einmal zeigen, ob die Fahrgastprognosen usw. stimmen. ({4}) - Das können wir heute nachweisen. Frau Ferner, Sie haben hier von Interplan exakte Unterlagen bekommen. ({5}) Bei einem Negativszenario wird von 11,7 Millionen und bei einem positiven von fast 15 Millionen Fahrgästen im Jahr ausgegangen. Wir haben 3,5 Milliarden Personenkilometer, die sich entsprechend refinanzieren. Das sind doch ganz einfache Rechenaufgaben. ({6}) Der Minister hat es doch vorhin gesagt: Wir bleiben bei 27 Pfennig pro Kilometer. Wenn Sie das hochrechnen, haben Sie auf der Erlösseite im Schnitt Mittel in Höhe von 1 Milliarde DM zur Verfügung. ({7}) Wir haben Investitionen in Höhe von 10 Milliarden DM. Auch die Investitionen sind ja hervorragend durchkalkuliert. Wir sind 1993 mit Investitionen in Höhe von 5,6 Milliarden DM ins Rennen gegangen. Jetzt haben wir Investitionssteigerungen von 500 Millionen DM, also nicht einmal 10 Prozent mehr. Wir haben Schwerin an die Strecke mitangeschlossen, was, Herr Hiller, ganz wichtig ist. Schwerin kommt sonst nie zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke. Mecklenburg-Vorpommern käme sonst nach wie vor - wie seit Bismarcks Zeiten - 50 Jahre zu spät. Das wollen wir durchbrechen. ({8}) In Perleberg, in einem strukturschwachen Gebiet, wird die Instandsetzung und die Servicestation für den Transrapid gebaut. Das sind ab 2 005 4000 Arbeitsplätze. Ich kämpfe hier für jeden Arbeitsplatz. Sie stellen das immer als Aufgabe der Opposition hin und führen an jedem Donnerstag einer Plenarwoche neue Arbeitsmarktprognosen an. Nichts davon setzen Sie um. ({9}) Sie setzen auf Bimmelbahn, und die PDS hat noch ihre Pioniereisenbahn in der Wuhlheide im Kopf. ({10}) Deshalb kann ich natürlich Ihre Vorbehalte diesbezüglich immer sehr gut verstehen. Ich kann Ihnen nur sagen: ({11}) Wir befinden uns hinsichtlich der Planung sehr gut im Zeitplan. Das Raumordnungsverfahren ist abgeschlossen; wir gehen in Richtung Planfeststellungsverfahren. Wenn ich die Linie, Frau Ferner, eindeutig bestimmt habe, dann kann ich auch über das Investitionsvolumen insgesamt eine Aussage treffen und sagen: Das sind 298,5 Kilometer. Soundso viel Stützen und soundso viel Magnetzubehör benötige ich dafür. Dann kann ich einen Preis festsetzen. Daß die Baufirmen natürlich in gewisser Weise befangen waren, ist uns klar. Wenn ich sage, der Fuchs möge bitte den Hühnerstall in Ordnung bringen, ({12}) so ist die Versuchung natürlich sehr groß, daß er die eine oder andere Henne, Herr Fischer, dabei totbeißt. Deshalb breche ich jetzt nicht in Tränen aus, daß sich die Baufirmen zurückgezogen haben. Wir wollen hier vielmehr einen guten Wettbewerb, der auf europäischer und internationaler Ebene stattfindet, und dann erzielen wir auch die Preise. Genauso knallhart, wie unser Minister verhandelt hat ({13}) - das sind Tatsachen -, wird das Projekt des Transrapid weitergeführt. Ich kann nur sagen: Wenn wir bei 12 Millionen Fahrgästen die Erlösseite entsprechend stabilisiert haben, dann wird 1998 die erste Stütze für die Magnetbahn, für die Führungsschiene in MecklenburgVorpommern, gebaut. Vielen Dank. ({14})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Konrad Kunick, SPD-Fraktion.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fragt sich nur, was die Bundesverkehrsminister seit 1989 ({0}) - damals war „Old Schwurhand" Zimmermann dran und eröffnete in Hamburg den Verkehrskongreß; da wurde der Transrapid von der Industrie auf dem Thyssen-Stand als betriebsfertig vorgestellt - über acht Jahre daran gehindert hat, das Projekt weiter zu bringen, als es derzeit ist; denn jetzt wird es auf Seite 4 einer CDU-Bundesbroschüre, silbern glänzend, „angeschoben" . Da ist doch etwas gewesen. Meine Fraktion war jüngst in Lathen. Wir haben uns die Technik mal wieder angeschaut, sind die Runde gefahren, waren von dem, was wir gesehen haben, durchaus begeistert - vom Vortrag nicht, zumal man hinterher einiges gehört hat. Ich vermute, daß die Herren im Bundesverkehrsministerium das Projekt in voller Verantwortung über die Jahre so zögerlich angefaßt haben; denn eine Industrie, die noch nicht einmal das Problem der Risse in den Stützen gelöst hat, hat kein fertiges Projekt. Eine Industrie, die noch nicht einmal die Frage des Begegnens zweier Züge gelöst hat, hat kein fertiges Projekt. Dann kommt Ihr Gerede vom Ende der RadSchiene-Technik und von der Bimmelbahn, der angeblich andere anhängen. Meine Damen und Herren, dieses Projekt hat einen geradezu tragischen Fehler: Es ist zu spät in Gang gesetzt worden, nach dem ICE, ({1}) aber weitaus zu früh vor dem Ende der Rad-SchieneTechnik. Es liegt da in der Mitte herum, und die RadSchiene-Technik ist weiter ausbaufähig; das Ende ist nicht absehbar. ({2}) Sie sagen nun - wahrscheinlich ist es auch die einzige Lösung -: Wir nehmen es jetzt, installieren es irgendwo bei der Bahn, und dann kann es endlich einmal in wirkliche Gebrauchsfähigkeit überführt werden. Warum sonst brauchen Sie in Perleberg wieder eine Versuchsstrecke? Nach dem, was die Industrie erzählt hatte, müßte sie das so hinklotzen können. Es müßte alles funktionieren. Sie beantworten noch nicht einmal die Frage, was eigentlich passiert, wenn ein Transrapid-Wagen stehen bleibt und es einen Brand gibt. ({3}) - Nun regen Sie sich mal nicht auf! Wir sind in der Tat der Auffassung, daß diese Technik mit einem übersehbaren finanziellen Einsatz endlich serienreif gemacht werden muß. Aber sie ist nicht weit genug, um eine ICE-Trasse von Hamburg nach Berlin zu ersetzen und das Ganze im Test zu machen. Eine Strecke von 50 bis 60 Kilometern von Berlin zum Flughafen im südlichen Brandenburg hätte völlig ausgereicht, um der Industrie die nötigen Aufgaben zu stellen, die sie schon hätte bewältigen können. Darum geht es, meine Damen und Herren. ({4}) Sie haben den anderen Weg gewählt. Ich sehe schon, daß wir letztendlich dieses Projekt zu Ende bringen müssen, weil Sie sich inzwischen abmelden. Es wird statt einer ICE-Trasse von Hamburg nach Berlin den Transrapid von Hamburg nach Berlin geben. Über die Schwächen und Fehler, die in den kommenden Jahren industriell auftauchen, werden wir noch viel zu reden haben. Jene Bauindustrie, die mit den Rissen nicht klarkommt, hat schon Gründe gehabt, warum sie sich abgemeldet hat. Jene Industrie, die jetzt überlegt, ob sie nicht lieber mit Stahl bauen soll, hat dafür schon ihre Gründe. Im Moment laden Sie hohe Risiken auf den Bund, weil Sie nicht garantieren können, in wenigen Jahren tatsächlich Betrieb auf einer solchen Strecke zu haben. Sie setzen ein Luftding hin. Sie wollen damit die Bundestagswahl gegen uns bestreiten. Uns halten Sie keine Technikfeindlichkeit vor, uns nicht! ({5}) Ich war Vorsitzender der Länderverkehrsministerkonferenz, als Herr Verkehrsminister Zimmermann das angeblich fertige Produkt bei Thyssen in Empfang nahm. Wir haben gesagt: Liebe Leute, das ist nur zu verantworten, wenn es in die Verantwortung der Bahn kommt. ({6}) Damals wollte das Bundesverkehrsministerium damit noch die Eisenbahn und das Flugzeug bekriegen und volle Konkurrenz aufbauen. Die Bahn sagte: Das Ding brauchen wir nicht, wir haben die Rad-SchieneTechnik; die Rad-Schiene-Technik ist so entwickelt, daß wir damit noch lange weitermachen können. Das war die Ausgangslage. ({7}) - Ich bin für den Transrapid, natürlich. ({8}) Aber ich bin nicht dafür, daß Sie die Milliarden rausschmeißen, weil Sie eine Riesenstrecke planen. ({9})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 15. Mai 1997, 8 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.