Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/8/1995

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung urn die vereinbarte Debatte zur Strukturreform der ARD und damit im Zusammenhang um die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/396 erweitert. Die Debatte soll unmittelbar im Anschluß an die Befragung der Bundesregierung beginnen. Besteht damit das Einverständnis des Hauses? - Dies ist offensichtlich der Fall. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Themen der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Agrarbericht der Bundesregierung 1995, Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten. Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jochen Borchert. Bitte sehr, Herr Bundesminister.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vergangene Jahr war für viele unserer Landwirte und Familien ein schwieriges Jahr. Dies weist der Agrarbericht 1995 aus, der über das Wirtschaftsjahr 1993/1994 Rechenschaft ablegt. Im früheren Bundesgebiet sind die Gewinne im Wirtschaftsjahr 1993/1994 um durchschnittlich 6 und damit unter das Niveau der fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre gesunken. Die Ursachen dafür waren vor allem preisbedingt geringere Einnahmen bei Milch und Schweinen, aber auch der Abbau des soziostrukturellen Einkommensausgleichs. Insbesondere die Betriebe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mußten auf Grund der niedrigeren Erlöse in der Schweinehaltung überdurchschnittliche Gewinneinbußen verkraften. Generelle Einkommensverbesserungen konnten die Betriebe in Bayern und in den neuen Bundesländern erzielen. In Bayern ist die positive Gewinnentwicklung auf die Aufstockung des soziostrukturellen Einkommensausgleichs mit Landesmitteln zurückzuführen. In den neuen Ländern hat sich die Einkommenssituation insgesamt weiter verbessert. Die Prognosen für das laufende Wirtschaftsjahr 1994/1995 sind günstig. Für die neuen Länder ist mit einer leichten Einkommensverbesserung zu rechnen. In den alten Ländern werden 1994/1995 nach den Prognosen die Gewinne voraussichtlich zwischen 7 und 12 % steigen. Das Gewinniveau der Wirtschaftsjahre 1988/1989 bis 1991/1992 dürfte damit aber noch nicht wieder erreicht werden, und damit bleibt die Einkommenssituation insgesamt schwierig. Trotz der zu erwartenden positiven Einkommensentwicklung steht die deutsche Landwirtschaft weiterhin vor einem schwierigen Anpassungsprozeß. Von agrarpolitischer Seite unterstützen wir die Landwirtschaft bei der Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit allen Kräften, u. a. durch die beabsichtigte Verstärkung der einzelbetrieblichen Investitionsförderung, die wir im Haushaltsjahr 1995 um 100 Millionen DM aufstocken wollen. Immer mehr Landwirte gehen dazu über, weitere Erwerbsquellen innerhalb und außerhalb der Betriebe zu erschließen. Dennoch bleibt die Landwirt-und Forstwirtschaft einschließlich der vor- und nachgelagerten Bereiche im ländlichen Raum nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 1994 gab es in Deutschland rund 578 800 landwirtschaftliche Betriebe. Das allein entspricht einem Rückgang der Zahl der Betriebe um 2,3 % gegenüber dem Vorjahr 1993. Die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Ländern hält weiter an. Die Zahl der Einzelunternehmen ist im Jahre 1994 gegenüber dem Vorjahr um 9,3 % auf 22 505 angestiegen. Was der Agrarbericht aussagt, ist für die Verbraucher nicht weniger wichtig. Das Angebot bleibt: Auch in Zukunft ist der Tisch reichlich mit preiswerten und gesunden Nahrungsmitteln gedeckt. Der Anteil der Ausgaben für Ernährung ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Er ist im vergangenen Jahr auf 15 % der Einkommen zurückgegangen. Meine Damen und Herren, die Agrarpolitik der Bundesregierung wird auch im Jahre 1995 von Kontinuität, Verläßlichkeit und Zukunftssicherung bestimmt. Die Bundesregierung wird sich weiterhin dafür einsetzen, daß der Agrarstandort Deutschland mit einer leistungsfähigen, mark torientierten und umweltverträglichen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft gesichert ist. Vielen Dank.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Danke sehr, Herr Bundesminister. Wir wollen zunächst diesen Komplex behandeln. Dazu hat sich bereits der Kollege Egon Susset gemeldet. Bitte.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, es ist sicher erfreulich, daß für das laufende Wirtschaftsjahr eine Verbesserung der Einkommen zu erwarten ist. Auch ist erfreulich, daß die umfangreichen Mittel, die zum Aufbau der Landwirtschaft in die neuen Länder geflossen sind, dort zu einer Verbesserung der Einkommenslage beigetragen haben. Ich hätte aber gerne eine Antwort auf die Frage, woher es kommt, daß in den neuen Ländern - Gewinne und Fremdlöhne zusammengenommen - das Einkommen einer Arbeitskraft bei den Einzelunternehmen 43 634 DM, bei Personengesellschaften 55 766 DM und bei juristischen Personen - den von der Flächenausstattung her größten Betrieben, die eigentlich an der Spitze liegen müßten - nur 31 478 DM beträgt.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Kollege, ich glaube, die insgesamt positive Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern ist zum einen darauf zurückzuführen, daß hier größere Betriebe wirtschaften, die natürlich über eine optimale Kombination der Faktoren Arbeit und Boden verfügen, zum anderen auf die intensive Förderung, mit der wir den Strukturwandel in den neuen Bundesländern unterstützen, auch auf die Sonderregelung, die wir im Bereich der Förderung innerhalb der Europäischen Union durchgesetzt haben. Zudem beruht der Anstieg darauf, daß sich der Getreidepreis im Rahmen der Agrarreform deutlich vom Interventionspreis wegbewegt hat und sich damit natürlich die Einkommenssituation der Betriebe in den neuen Ländern, die überwiegend als Marktfruchtbetriebe wirtschaften, verbessert hat. Die Unterschiede zwischen Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristischen Personen, auf die Sie hingewiesen haben, spiegeln sehr deutlich die unterschiedliche Produktivität in diesen Betrieben wider. Hier zeigt sich, daß Einzelunternehmen und Personengesellschaften ihren Betrieb sehr konsequent auf den Wettbewerb im europäischen Markt ausgerichtet haben, während es bei juristischen Personen nach wie vor eine sehr breite Spanne unterschiedlicher Entwicklungen und auch Betriebe gibt, die sich nur unzureichend auf die Situation im europäischen Wettbewerb eingestellt haben und von daher teilweise über eine noch schwierige Einkommenssituation verfügen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Kolleginnen und Kollegen, allein zu diesem Themenbereich liegen mir sieben Wortmeldungen vor. Ich bitte also die Kollegen, sich bei ihren Wortmeldungen kurz zu fassen, was dem Herrn Minister auch kurze Antworten ermöglicht, damit wir auch noch den anderen wichtigen Themenbereich aufrufen können. ({0}) - Die Stärke der Teilnahme an einem Tagesordnungspunkt läßt sich, glaube ich, nur in den allerseltensten Fällen mit der Bedeutung dieses Punktes in Einklang bringen, verehrter Herr Kollege Heinrich. Für die nächste Frage rufe ich jetzt den Kollegen Sielaff auf.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Borchert, Sie sprachen und Sie sprechen auch jetzt wieder davon, daß die Gewinne der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe zwischen 7 und 12 % steigen werden. Das hört sich sehr optimistisch und sehr positiv an. Entsprechend waren heute teilweise die Überschriften in den Medien. Sind Sie aber nicht auch der Meinung, daß dieser vermittelte Eindruck über die Situation der Landwirtschaft ein völlig falsches Bild ist? Die Gewinne im landwirtschaftlichen Bereich beinhalten auch die Einkommen. Das heißt, daß es sich nicht um einen reinen Gewinn handelt. Könnten Sie bitte, um diesen falschen Eindruck vom Gewinn der landwirtschaftlichen Betriebe zu korrigieren, erläutern, was der Gewinn in der Landwirtschaft im Unterschied zu dem eines Industrieunternehmens wirklich ist? Können Sie mitteilen, wieviel von diesem Gewinn dem Betrieb als Eigenkapital bleibt und was der einzelne landwirtschaftliche Betrieb davon im vergangenen Jahr vielleicht auf die hohe Kante gelegt hat? Auf diese Weise könnte der falsche Eindruck von der positiven Entwicklung ein bißchen korrigiert werden.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Kollege Sielaff, ich habe mich sowohl gestern in der Bundespressekonferenz wie auch heute in der Darstellung wirklich sehr nachhaltig und sehr nachdrücklich darum bemüht, dies nicht als allgemein positive Entwicklung darzustellen. Vielmehr habe ich bei der Gewinnprognose - Anstieg zwischen 7 und 12 % für 1994/1995 - darauf hingewiesen, daß damit die Einkommen nach wie vor unter den Einkommen von 1988/1989 liegen und daß wir insgesamt eine außerordentlich schwierige Gewinn- und Einkommenssituation haben. Der Gewinn der landwirtschaftlichen Betriebe je Arbeitskraft oder je Betrieb umfaßt den Lohnanspruch der in dem Betrieb arbeitenden Familienoder Fremdarbeitskräfte, er umfaßt den Zinsanspruch des eingesetzten Kapitals und ist damit insgesamt das Einkommen, das sich aus Lohn- und Kapitaleinkommen für den Betrieb ergibt. Hier ist die Situation so, daß der Gewinn allein, bezogen auf die Arbeitskraft, deutlich unter dem gewerblichen Vergleichseinkommen liegt, d. h. nicht einmal ausreicht, um den Lohnanspruch in vergleichbaren anderen Bereichen zu decken, so daß eine Verzinsung des Kapitals im Durchschnitt nicht erfolgt. Die Frage, ob und in welchem Umfang Betriebe Eigenkapital bilden können, ist nicht nur von der Gewinnhöhe abhängig. Insgesamt haben wir auf Grund der schwierigen Einkommenssituation in der Landwirtschaft einen Eigenkapitalverlust. Aber ob Betriebe auch bei ausreichendem Gewinn Eigenkapital bilden und daraus Investitionen leisten können, hängt natürlich immer von dem Verhältnis zwischen Gesamteinkommen und Konsum und der Bereitschaft, zugunsten der Eigenkapitalbildung auf Konsum an der einen oder anderen Stelle zu verzichten, ab. Ich betone noch einmal sehr nachdrücklich: Die Gewinnsituation, die Einkommenssituation ist und bleibt schwierig, Wir haben in den vergangenen Jahren keine positive Eigenkapitalbildung gehabt.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, angesichts der Einkommenssituation der deutschen Landwirtschaft - auch innerhalb der EU -, die im Agrarbericht dargestellt wird, haben Sie eine Offensive für den Agrarstandort Deutschland angekündigt. Ich begrüße sie sehr, speziell die einzelbetriebliche Förderung. Nun gibt es Forderungen aus dem Berufsverband, ein vereinfachtes Agrarkreditprogramm aufzulegen. Wie stehen Sie dazu?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Ich habe immer gesagt, daß wir neben der Verstärkung der investiven Förderung versuchen müssen, die Förderprogramme einfacher zu gestalten. Da kann das Agrarkreditprogramm eine Lösung sein, unter der Voraussetzung, daß wir das Agrarkreditprogramm im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe abwickeln, damit dies von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Ich kann mir vorstellen, daß wir dieses Instrument des Agrarkreditprogramms für Investitionen bis zu einem bestimmten Investitionsum fang weiterentwickeln. Bei höheren Investitionen, brauchen wir, glaube ich, ein differenzierteres Förderinstrumentarium.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Michels.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, die Agrarreform, zwei Jahre alt, beruht ja im wesentlichen auf der Beständigkeit und Berechenbarkeit der Ausgleichszahlungen. Nun hat der bisherige EU-Kommissar Steichen bei einer seiner letzten Veröffentlichungen darauf gedrungen, das Ganze einmal zu durchforsten und eventuell auch Änderungen voranzubringen. Der neue Kommissar Fischler hat bei seinen Veröffentlichungen auf die unbedingte Notwendigkeit der Erweiterung der EU zum Osten hingewiesen. Beide Äußerungen lassen nun in der Landwirtschaft bange Fragen aufkommen. Sind die Ausgleichszahlungen für unsere Landwirte nach Ihrer Einschätzung auch in Zukunft berechenbare Größen, und wie werten Sie die Ausführungen des Kommissars hinsichtlich der Osterweiterung der EU?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Zu den Ausgleichszahlungen: Wir haben bei den Ausgleichszahlungen durch die Beschlüsse des Agrarrats vom Dezember zusätzliche Sicherheit geschaffen, indem wir in den agrarmonetären Regelungen noch einmal verankert haben, daß die Ausgleichszahlungen währungsunabhängig bleiben. Hier in Deutschland besteht also nicht die Gefahr, daß bei einer Aufwertung der D-Mark die Ausgleichszahlungen gesenkt werden. Wir befinden uns jetzt in der dritten Stufe der Agrarreform. Es gibt in Europa keine Bestrebungen, die Ausgleichszahlungen nach der dritten Stufe der Agrarreform abzuschaffen oder grundlegend zu verändern. Hier bleibt es bei unserer Aussage, daß wir nach der Umsetzung der Agrarreform überprüfen müssen, wo die Agrarreform die Ziele erreicht hat -Marktentlastung, Stabilisierung der Preise und damit der Einkommen -, und dort korrigieren, wo die Agrarreform die Ziele nicht erreicht hat, und zwar abhängig von der Bilanz am Ende der Einführungsphase der Agrarreform. Bauern können sich weiterhin auf die Stabilität und Verläßlichkeit der Ausgleichszahlungen im Rahmen der europäischen Agrarreform verlassen. Zu den Aussagen von Herrn Fischler zur Osterweiterung: Wir haben auf einer Tagung in Berlin während der Grünen Woche sehr intensiv über die Fragen der Osterweiterung diskutiert. Der Agrarkommissar Fischler hat darauf hingewiesen, daß wir mit der Agrarpolitik natürlich weiterhin die Osterweiterung unterstützen. Aber dies setzt voraus, daß die Landwirtschaft in den osteuropäischen Ländern in der Phase bis zu einem Beitritt dieser Länder intensiv unterstützt und weiterentwickelt wird, überhaupt erst für den Beitritt zum gemeinsamen europäischen Markt vorbereitet wird und daß sich die beitretenden Länder wie bisher der Politik der Europäischen Union anpassen müssen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Dr. Maleuda.

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Bundesminister, der Agrarbericht 1995 weist erneut einen starken Rückgang der Viehbestände, besonders in den neuen Bundesländern, aus. Dies ist in der Regel mit einem Rückgang des Produktionsaufkommens für die Eigenversorgung und natürlich auch mit der Still1044 Dr. Günther Malenda legung zum Teil neuer Produktionskapazitäten verbunden. Können Sie etwas zum Konzept des Bundesministeriums sagen, wie dieser Art des Strukturwandels Einhalt geboten werden kann?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Sie wissen, Herr Kollege Maleuda, daß die Bedingungen der betrieblichen Förderung, auch der Förderung der Milchviehhaltung, in den neuen Bundesländern im Augenblick noch sehr viel günstiger sind als in den alten Bundesländern. Auch in der Schweinehaltung und dort, wo es darum geht, bestehende Produktionsstätten zu rationalisieren, sie umweltfreundlicher zu gestalten, greift die Förderung. Die Förderbeträge gehen weit über den Rahmen der Förderbeträge der alten Bundesländer hinaus. Deswegen appellieren wir bei jeder Gelegenheit an die Unternehmen in den neuen Ländern, die Chance, Betriebe zu entwickeln, jetzt wahrzunehmen, weil die Förderbedingungen nicht wieder so günstig werden. Wir haben den Versuch unternommen, auf der europäischen Ebene im Bereich der Schweinehaltung - dies ist ja der eigentliche Problembereich der Veredelungswirtschaft in den neuen Ländern - eine weitergehende Förderung durchzusetzen. Dies war nicht erreichbar. Trotzdem sind die Chancen, glaube ich, so günstig, wie sie in Zukunft wahrscheinlich nicht wieder werden. Daß die Betriebe nicht intensiver einsteigen, liegt natürlich auch daran, daß sie bisher ausreichend Fläche zur Verfügung hatten und daß bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften die Flächenausstattung zur vollen Auslastung der Arbeitskapazität ausreicht. Von daher ist der Anreiz, mit hohen Investitionen zusätzlich in die Veredelungswirtschaft einzusteigen, im Augenblick noch nicht so hoch, daß die Betriebe da etwas unternehmen. Aber ich hoffe, daß zunehmend mehr Betriebe bereit sind, in die Veredelungswirtschaft zu investieren.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Hornung.

Siegfried Hornung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000961, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, die Agrarpolitik ist in eine neue Ära eingetreten. Der Agrarbericht sagt uns ganz deutlich, daß hier eine Trendwende abzulesen ist. Davon unabhängig ist die Tatsache, daß das vergangene Jahr natürlich im Bereich der Veredelung aus den bekannten Gründen schwer belastet war. Die Landwirtschaft produziert in Europa jetzt zu Weltmarktpreisen. Dafür gibt es einen Ausgleich. Ich frage Sie: Ist es nicht an der Zeit, jene immer wieder gehörten Aussprüche und besonders das Wort „Subvention" nicht mehr zu verwenden? Sollte nicht vielmehr darauf hingewiesen werden, daß neben der Nahrungsmittelproduktion die Dienstleistungen, etwa die Produktion von Rohstoffen, im Mittelpunkt stehen, daß die Kulturlandschaft gepflegt wird und daß dafür verläßliche Rahmendaten für die Zukunft gegeben sein müssen?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Kollege Hornung, ich kann das bestätigen. Wir haben im Rahmen der Agrarreform über Preissenkungen und Flächenstillegungen die Produktion begrenzt, um ausgeglichene Märkte zu erreichen. Die Ausgleichszahlungen der europäischen Agrarreform, aber auch der Einsatz nationaler Mittel zur Förderung der Landwirtschaft sollen sicherstellen, daß es auch in Zukunft in Deutschland eine flächendeckende Landbewirtschaftung gibt, die neben der Produktionsaufgabe die immer wichtiger werdende Aufgabe erfüllen kann, die Kulturlandschaft zu erhalten und zu pflegen, und das in allen Standorten, in den optimalen Agrarstandorten, aber auch in den weniger günstigen, von der Natur benachteiligten Standorten. Deshalb müssen sich die Bauern - wenn sie diese Leistung erbringen sollen - auch in Zukunft auf diese Förderung verlassen können.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Graf.

Günter Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben ja eingangs ganz kurz die Schweinepest erwähnt. Sie wissen, aus welcher Region ich komme. Wir haben uns persönlich oft gesprochen, haben aber auch schriftlich miteinander verkehrt. Ich frage Sie: Wie stellen sich denn die Zahlen dar, was die Selbstversorgung im Bereich der Schweinehaltung angeht, bezogen auf Tiere und bezogen auf Schweinehalter? Welche Prozentzahlen legen Sie für die Selbstversorgung in der Bundesrepublik Deutschland zugrunde? Wenn die mir vorliegenden Zahlen zutreffend sind, liegen wir in Deutschland im Bereich der Schweinehaltung zwischenzeitlich bei einer Selbstversorgungsquote von 77 %, und Dänemark - das greife ich einfach einmal als Beispiel heraus - liegt bei weit über 400 %. Dieser Prozeß setzt sich fort. Ich frage Sie: Wie kann man vor diesem Hintergrund in diesem Bereich der Veredelung davon sprechen, daß wir auch weiterhin sicherstellen, daß - Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege, ich habe in meinen einleitenden Worten die Schweinepest nicht erwähnt. Trotzdem will ich jetzt gern Ihre Frage zur Schweinepest mit aufgreifen. Der Selbstversorgungsgrad in der Schweinefleischproduktion in Deutschland ist in den letzten Jahren rückläufig. Ich habe auf diesen Prozeß und die Notwendigkeit, ihn umzukehren, bereits vor Ausbruch der Schweinepest hingewiesen. Das heißt, der Rückgang in der Selbstversorgung - die Zahl von 77 % entspricht dem derzeitigen Selbstversorgungsgrad - ist bereits eingetreten, unabhängig von den Auswirkungen der Schweinepest in Niedersachsen und in anderen Regionen. Deshalb lautet meine Forderung, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Schweineproduktion in Deutschland insgesamt gestärkt werden muß. Dies muß auf der Produktionsebene beginnen. Hier ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe so zu gestalten, daß diese im Wettbewerb mithalten können. Deshalb bemühe ich mich darum, Wettbewerbsverzerrungen inBundesminister Jochen Borchert nerhalb Deutschlands abzubauen. Die Gebühren, für die auch die Länder verantwortlich sind, wie die Beiträge zur Tierseuchenkasse, Fleischbeschaugebühren auf Schlachthöfen u. ä., schwanken in einem Umfang, der dazu führt, daß an bestimmten Standorten Schweine nicht zu Wettbewerbsbedingungen produziert werden können. Darüber hinaus müssen wir in Deutschland die Vermarktung besser organisieren. Es ist mehr als bedauerlich, daß in die Lücke, die durch den Rückgang der Schweineproduktion in den neuen Bundesländern entstanden ist, eine zusätzliche Produktion aus Dänemark und den Niederlanden gestoßen ist und daß wir diese Chance nicht in Deutschland selbst wahrgenommen haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mithelfen würden, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Schweinemast in Zukunft wettbewerbsfähiger gestalten. In diesem Zusammenhang müßten wir uns dann sicher über den neuen Gesetzesvorschlag aus Niedersachsen intensiv unterhalten.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, wir Bauern sind eigentlich mit der Darstellung, die im Agrarbericht gegeben wird, so nicht besonders glücklich. ({0}) Ich möchte das aufgreifen, was Herr Sielaff gesagt hat. Eine Gewinndarstellung in Prozenten, wie wir sie jetzt landauf, landab bekommen, ist den eigentlichen Verhältnissen nicht angemessen und wirkt verwirrend. ({1}) Könnte man nicht einmal darüber nachdenken, den Begriff „Gewinn" einmal klar aufzuschlüsseln? Bei der Beantwortung einer Frage von Herrn Sielaff haben Sie eben einen ganz wichtigen Punkt vergessen, nämlich daß aus dem Gewinn auch noch die Investitionen getätigt werden müssen. Insofern, Herr Minister, wäre es notwendig, die Disparität zum außerlandwirtschaftlichen Einkommen noch deutlicher hervorzuheben, so wie es im Landwirtschaftsgesetz verankert ist.

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Kollege Heinrich, wenn man den Agrarbericht liest, stellt man fest, daß dargestellt wird, woraus sich der Gewinn zusammensetzt. Herr Kollege Sielaff hat nach der Entstehungsseite, also danach, woraus sich der Gewinn zusammensetzt, gefragt. In meiner Antwort habe ich, glaube ich, korrekt darauf hingewiesen, daß dabei der Lohnanspruch der Arbeitskräfte, die Verzinsung des Kapitals und die Entlohnung des Produktionsfaktors Boden berücksichtigt werden müssen. Gleichwohl ist die Frage - da stimme ich Ihnen zu -, wofür der Gewinn verwendet wird, wichtig. Aus dem Gewinn müssen der Lebensunterhalt, der Konsum und die Investitionen finanziert werden. Die schwierige Gewinnsituation hat dazu geführt, daß die Eigenkapitalbildung negativ ist und sich die Betriebe stärker verschuldet haben. Ich habe in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, wie groß der Abstand zum gewerblichen Vergleichslohn ist. Das heißt, es geht überhaupt nicht darum, irgend etwas zu beschönigen, sondern darum, die schwierige Situation in aller Offenheit darzustellen. Dazu gehört, daß 1994/95 eine Verbesserung der Einkommenssituation eingetreten ist, daß die Einkommenssituation in der Landwirtschaft aber nach wie vor schwierig ist, daß es nach wie vor einen erheblichen Abstand zum gewerblichen Vergleichslohn gibt und daß damit die Agrarpolitik weiter aufgefordert ist, die Landwirte darin zu unterstützen, ihre Betriebe leistungs- und wettbewerbsfähiger zu machen und weiterzuentwikkeln. Wir werden alle Chancen wahrnehmen müssen, die Landwirte bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Dies ist eine Aufgabe, der sich auch die Landwirte stellen müssen und zum Glück sehr intensiv stellen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Weisheit.

Matthias Weisheit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002458, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, der Bericht weist aus, daß bei 46 % der Vollerwerbsbetriebe die Eigenkapitalbildung zurückgegangen ist. Gibt es räumliche Konzentrationen auf bestimmte alte Bundesländer oder regionale Konzentrationen in bestimmten Bundesländern, aus denen man schließen könnte, daß in der Zukunft eine besondere Gefahr besteht?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Der Rückgang der Eigenkapitalbildung hängt natürlich von der Produktionsrichtung ab. So ist der Einkommensrückgang etwa in den Veredelungsbetrieben und hier vor allen Dingen in den Sauen- und Schweinemastbetrieben mit über 20 % am stärksten. Dies ist eine Folge der katastrophalen Preissituation der vergangenen Jahre. Die jetzige Gewinnverbesserung beruht ja auch zu einem Teil auf dem Anstieg der Schweinepreise. Betriebe mit einem Rückgang des Gewinns von 20 % oder mehr müssen natürlich eine negative Eigenkapitalbildung haben. Positiv ist die Eigenkapitalbildung in einem Teil der Gemischtbetriebe. Auch in ausreichend großen Marktfruchtbetrieben, bei denen sich die Preisveränderung bei Getreide im Rahmen der Agrarreform jetzt positiv auswirkt, ist sie jetzt wieder positiv. Die Einkommenssituation ist - Sie haben nach regionalen Konzentrationen gefragt - dort günstiger, wo die Bundesländer die Möglichkeit einer Unterstützung mit Landesmitteln optimal nutzen, wie das etwa in Bayern der Fall ist.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin Höfken-Deipenbrock.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Zahl der Betriebsaufgaben hat erheblich zugenommen bzw. zeigt eine gleichbleibende Tendenz. Damit ist ein entsprechender Arbeitsplatzabbau verbunden. Es mag aus Sicht der Bundesregierung positiv sein, wenn sich die Transferleistungen auf immer weniger Betriebe verteilen und sich die Einkommen dann entsprechend erhöhen. Meine Frage geht aber dahin: Wie beurteilen Sie diese Entwicklung, wie viele Betriebe werden übrigbleiben, wenn diese Entwicklung so weitergeht, wie viele Arbeitsplätze werden übrigbleiben, und welche Kosten wird diese Entwicklung den Kommunen und der Bundesanstalt für Arbeit verursachen?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Wir haben einen Rückgang der Zahl der Betriebe, der in etwa im Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt. Im Agrarbericht wurde er mit 2,3 % beziffert. Wir haben bereits in früheren Jahren eine höhere Rate erreicht. Der Wechsel vom Vollerwerb zum Nebenerwerb vollzieht sich häufig in der Generationsfolge und natürlich im Rahmen des Generationswechsels bei der Entscheidung der nachfolgenden Generation, ob sie den Nebenerwerbs- oder Vollerwerbsbetrieb weiterführen oder ausschließlich einen außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatz übernehmen will. Die Frage, wie viele Betriebe übrig bleiben, läßt sich seriös nicht beantworten, weil das von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, etwa davon, wie schnell es uns gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft entscheidend zu verbessern, und ob es uns gelingt, das Problem, das der Kollege Graf angesprochen hat, zu lösen, daß wir nicht mehr Marktanteile verlieren, sondern Marktanteile verteidigen und gewinnen. Denn in dem Umfang, in dem wir Marktanteile auf Grund einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit für die Landwirtschaft in Deutschland verteidigen und zurückerobern, können mehr Betriebe und damit auch mehr Arbeitsplätze erhalten werden. Ich hoffe, daß wir mit einer intensiven investiven Förderung der Betriebe und der Bereitschaft der Landwirtschaft und des vor- und nachgelagerten Bereichs, sich dieser Aufgabe zu stellen, erreichen, daß die Zahl der Betriebe, die auch in Zukunft im europäischen Wettbewerb leistungs- und lebensfähig bleiben, möglichst hoch sein wird.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Thalheim.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, der Rückgang der Tierbestände in den neuen Ländern hat teilweise dramatische Formen angenommen. Diese Entwicklung hält weiter an und droht, Neuinvestitionen im Verarbeitungsbereich zu gefährden, in denen viele öffentliche Gelder enthalten sind. Meine Frage: Welche Chancen sehen Sie, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, und was wollen Sie an dieser Stelle konkret tun?

Jochen Borchert (Minister:in)

Politiker ID: 11000233

Herr Kollege Thalheim, man muß bei der Veredelungswirtschaft ein wenig differenzieren. Die Situation ist im Bereich der Milchviehhaltung sehr gut, wo sich der Aufbau der Bestände in den neuen Ländern über die Garantiemengenregelung und die damit möglichen Preise kontinuierlich positiv vollzieht. Ich gehe davon aus, daß die Quote in Kürze ausgeschöpft wird. Schwierig ist die Situation vor allem in der Schweinehaltung und in Teilen der anderen Veredelungsbereiche. Hier haben wir erreicht, daß die Förderbedingungen in den neuen Ländern bei der Umstrukturierung vorhandener Gebäude günstiger sind als in den alten Bundesländern. Wir müssen gemeinsam mit den Bundesländern alle Förderungsmöglichkeiten ausnutzen. Wir werden im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe die Voraussetzung dafür schaffen und Landwirten Mut machen, jetzt in die Veredelungswirtschaft zu investieren. Wir können auf Grund der bestehenden Rahmenbedingungen in Europa eine direkte investive Förderung beim Neubau von Stellen auch in den neuen Bundesländern nicht vornehmen. Wir haben das versucht. Ich bedaure, daß diese Investitionsförderung innerhalb der Europäischen Union nicht durchzusetzen war. Ich sage noch einmal: Die Rahmenbedingungen für Investitionen in die Schweinehaltung sind in den neuen Bundesländern günstiger als in den alten Bundesländern. Wir müssen gemeinsam die Fördermöglichkeiten ausschöpfen und den Bauern Mut machen, hier zu investieren.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Danke, Herr Bundesminister. Ich rufe jetzt das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zu Verfügung. Bitte, Herr Kollege Marschewski, Sie sind der erste Frager.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich begrüße die Möglichkeit, daß Sie mit dem BKA-Gesetz erneut eine wichtige Maßnahme zur Verbrechensbekämpfung geschaffen haben. Das ist eine wichtige Maßnahme, sie ergänzt das Geldwäschegesetz , das Verbrechensbekämpfungsgesetz und das Bundesgrenzschutzgesetz. Ich habe zwei Fragen: Warum haben Sie in diesem BKA-Gesetz dem BKA die Möglichkeit eingeräumt, technische Mittel zur Eigensicherung von Polizeibeamten vorzusehen? Warum haben Sie die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes auf die Bekämpfung internationaler organisierter terroristischer Vereinigungen erweitert?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Marschewski, zu der ersten Frage möchte ich Sie darauf hinweisen, daß es dringend erforderlich war, auch dem Bundeskriminalamt die Möglichkeit zu geben, technische Mittel zur Eigensicherung der Beamten einzusetzen, wenn diese eben im Rahmen der Befugnisse des Bundeskriminalamtes strafverfolgend tätig werden. Damit wird insbesondere den besonderen Gefahren begegnet, denen verdeckte Ermittler im Rahmen von Ermittlungsverfahren gegen die organisierte Kriminalität ausgesetzt sind. Die Polizeigesetze aller Länder - mit Ausnahme von Bremen - sehen übrigens diese Möglichkeit schon jetzt vor. Ich darf auch darauf hinweisen, daß diese Regelung auch in das Polizeirecht gehört und deshalb seinerzeit beim Gesetz über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht in der StPO geregelt wurde. Zur zweiten Frage möchte ich ausführen: Bei der beschränkten Ausdehnung der originären Strafverfolgungskompetenzen im internationalen Terrorismus geht es um Fallkategorien, die sinnvollerweise nur im Bundeskriminalamt durchgeführt werden können. Vielfach hat sich bei den Fallkategorien des § 4 Abs. 1 Nr. 3 und 4 auch die Schwierigkeit ergeben, überhaupt einen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland festzulegen. In diesen Bereichen würde das Bundeskriminalamt zwar regelmäßig nach einer gewissen Zeit mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragt. Bis zu diesem Zeitpunkt entsteht jedoch eine Art polizeiliches „Vakuum", da kein konkreter örtlicher Bezug zu einer Polizeibehörde besteht, obgleich die Vornahme erster Ermittlungshandlungen bereits in diesem Stadium zwingend geboten ist.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in welchen Punkten soll der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf nach Meinung der F.D.P.-Minister im Bundeskabinett geändert werden, und sind Sie bereit, in dem Zusammenhang die Protokollnotiz, die offenbar zu diesem Gesetzentwurf existiert, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Zweite Frage: Hat der Datenschutzbeauftragte Bedenken gegen den Gesetzentwurf geäußert - gegebenenfalls: welche?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schily, zunächst einmal bin ich informiert, daß diese Protokollnotiz ohnehin heute bereits in der Presse veröffentlicht ist. Ich erspare es mir deshalb, sie vorzulesen. Die entsprechenden Dinge betreffen insbesondere die Regelungen des § 7 Abs. 2, der §§ 8 ff. usw. Es handelt sich insgesamt um sechs Punkte, die natürlich auch typischerweise Dinge betreffen, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ohnehin besprochen und dann auch geklärt und geregelt werden müssen. Der Datenschutzbeauftragte hat meines Wissens diesen Dingen zugestimmt. Inwieweit er Bedenken im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal geltend macht, entzieht sich meiner Kenntnis. Das müßten Sie ihn fragen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Schlee.

Dietmar Schlee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002778, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, den Bundesländern wird im vorliegenden Gesetzentwurf die Möglichkeit eröffnet, selbständig die Polizeien von Nachbarstaaten einzuschalten, und zwar bei Gefahr in Verzug und bei Fällen regionaler Bedeutung. Tragen die Bundesländer diese Regelung mit? Gezielt gefragt: Akzeptieren die Bundesländer das, was in § 3 des Gesetzentwurfes formuliert ist?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Schlee, ich gehe davon aus, daß die Bundesländer selbstverständlich diese zusätzliche Kompetenz mittragen. Allerdings vermag ich im Moment nicht vorauszusagen, ob sie sich damit zufrieden geben werden. Möglicherweise denken sie daran, weitergehende Forderungen zu stellen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Graf.

Günter Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, man könnte nach den Worten von Herrn Marschewski und nach Ihren Ausführungen meinen: ' Nun haben wir die innere Sicherheit voll im Griff; die Sicherheit im Lande ist hergestellt. Ich will für meine Fraktion feststellen: ({0}) - Entschuldigung. Ist es so, daß dieses, was Sie gestern im Kabinett beschlossen haben, der dritte oder vierte Entwurf ist, der nun in aller Eile - ohne Beteiligung der Länder im Vorfeld, ohne Beteiligung der Parlamentarier und ganz kurz vor der Hessen-Wahl - verabschiedet werden soll, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, hier werde Sicherheit produziert, wobei das Gegenteil der Fall ist, weil ganz erhebliche rechtsstaatliche Bedenken gegen diesen Entwurf bestehen? ({1})

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Graf, das kann ich nicht bestätigen. Sie wissen selber - Sie sind ja Fachmann -, daß es sich um eine außerordentlich komplizierte Materie handelt, die umfangreiche rechtliche, verfassungsrechtliche, organisatorische und auch Abstimmungsprobleme beinhaltet und aufwirft. Deshalb ist es eigentlich nicht verwunderlich, daß bei der notwendigen Sorgfalt, die man an den Tag legen muß, um ein solches Gesetz zu formulieren, ein entsprechender Zeitbedarf gegeben ist. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit ist nicht nur abgelau1048 Vizepräsident Hans Klein fen, sondern auch schon ein Stück überschritten. Ich beende die Befragung. Ich rufe die Zusatzpunkte 1 und 2 auf: ZP1 Vereinbarte Debatte zur Strukturreform der ARD ZP2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Glotz, Arne Börnsen ({0}), Freimut Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Garantie des Bestandes der ARD - Drucksache 13/396 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuß ({1}) Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Zur vereinbarten Debatte liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Hans Eichel, das Wort. Ministerpräsident Hans Eichel ({2}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich als Ministerpräsident eines der deutschen Länder die Debatte im Deutschen Bundestag, also im Bundesparlament, eröffne, so zeigt das schon die ganze Schieflage dieser Diskussion. Rundfunk ist Ländersache und wird Ländersache bleiben. ({3}) Daß wir heute hier über dieses Thema diskutieren müssen, hängt mit dem verfassungswidrigen Versuch zusammen, das Thema Reform der ARD, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt zum Gegenstand der Bundespolitik zu machen. ({4}) Diesem Versuch werden sich die SPD-regierten Länder - ich hoffe, alle Länder - in Deutschland mit Nachdruck entgegenstellen, notfalls mit einem Gang zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. ({5}) Meine Damen und Herren, wer die Verfassung nicht ernst nimmt, der muß mit allen Konsequenzen rechnen. ({6}) Es ist eine Sache, wenn die Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern und des Freistaates Sachsen Vorschläge zu der Reform der ARD unterbreiten, so untauglich sie auch sein mögen. Es ist eine andere Sache, wenn sich der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union, der zugleich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ist, diese Initiative zu eigen macht und darüber hinaus rundfunkpolitische Forderungen aufstellt, die nicht nur von der Sache her verfassungswidrig sind, sondern auch eine Aufkündigung der föderalen Zuständigkeiten bedeuten. ({7}) Meine Damen und Herren, die Absicht der CDU/ CSU, über das Thesenpapier der Bayerischen und der Sächsischen Staatskanzlei als Vehikel das Gemeinschaftsprogramm der ARD aus den Angeln zu heben, ist nichts anderes als der politisch durchsichtige Versuch, unliebsame Sendungen zu verhindern, ({8}) damit das grundgesetzlich garantierte Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit einzuengen und zugleich die Wettbewerbsbedingungen der Privatanbieter auf Kosten der öffentlich-rechtlichen Anstalten entscheidend zu verbessern. Es kommt im übrigen gar nicht darauf an, daß ich das glaube. Das hat bei Ihnen in dieser Sache nämlich Tradition. Sie haben doch schon einmal versucht, ein Regierungsfernsehen einzurichten. Wenn die ARD vom Bildschirm verschwände, wäre einer der Hauptkonkurrenten des ach so geliebten Kanzlerfernsehens nicht mehr zu sehen. Es gäbe freie Frequenzen, es gäbe einen größeren Werbekuchen, und es gäbe weniger objektive Informationsmöglichkeiten für die Menschen im Lande. ({9}) Diesem Versuch setzen wir ein eindeutiges und klares Nein entgegen. ({10}) Mit den SPD-regierten Ländern und mit den Koalitionsregierungen, denen die Sozialdemokratie angehört, wird dies nicht zu machen sein. ({11}) Es ist eine traurige Pflicht, aber offenbar notwendig, den Bundeskanzler daran zu erinnern, daß wir ein Verfassungsgericht haben, das in dieser Sache eindeutig Recht gesprochen hat. ({12}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk - das Verfassungsgerichtsurteil ist sehr klar -: Beide nationalen Fernsehprogramme, die dritten Fernsehprogramme der ARD sowie die Hörfunkprogramme der ARD gehören zur Grundversorgung dieser Republik mit Information, Kultur, Sport und Unterhaltung. Diese Programmteile sind zusammen die unabdingbare Voraussetzung für die Existenz der privatwirtschaftlich organisierten Rundfunk- und Fernsehprogramme. Ministerpräsident Hans Eichel ({13}) An diesem Aufbau der dualen Rundfunkordnung hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht den geringsten Zweifel gelassen. Ihr Versuch, von dem Sie ja nun teilweise wieder abzurücken scheinen, das ARD-Gemeinschaftsprogramm aufzukündigen, würde also vom Bundesverfassungsgericht sofort kassiert werden, wenn Sie denn überhaupt die Möglichkeit dazu hätten, diesen Versuch zu verwirklichen. Auch von der Sache her ist klar, daß nur zwei öffentlich-rechtliche nationale Vollprogramme eine Qualität sichern, die nicht zur Verödung und Verarmung des Programms führt, die nicht - auf lange Sicht gesehen - eine Anpassung an die Tendenzen in den Privatsendern fördert und damit zu einer weiteren Verflachung des Angebots insgesamt beiträgt. Einmal abgesehen von dieser rechtlichen und qualitativen Würdigung Ihres Vorstoßes frage ich Sie allen Ernstes: Haben Sie denn nichts aus den Klagen der Jugendpsychologen gelernt? Haben Sie das, was zum Sehverhalten von Kindern inzwischen wissenschaftlich erwiesen ist, nicht zur Kenntnis genommen? Wollen Sie einer Entwicklung weiter Vorschub leisten, die zwangsläufig zu einer Brutalisierung und reinen Kommerzialisierung des Programmangebots führen wird? ({14}) „Power Rangers" statt anspruchsvoller Kinderprogramme wie der „Sendung mit der Maus" oder kind-gerechter Information wie bei „Logo" im ZDF: Wollen Sie Informationsprogramme, die sich nur nach dem Marktwert der verkauften Nachrichten, aber nicht nach ihrer Bedeutung messen lassen? Wollen Sie, daß die Pressefreiheit zur Gewerbefreiheit degeneriert? ({15}) Meine Damen und Herren, ich kann und will es mir nicht vorstellen. Sie wollen - deswegen muß das alles ein anderes Ziel haben - die ARD in Geiselhaft nehmen, um die verbleibenden Programme stromlinienförmig nach Ihren Interessen auszurichten, ({16}) unliebsame Kritiker mundtot machen und die Ihnen genehmen Programme auch wirtschaftlich zum Erfolg führen. Zu diesem Verfassungsbruch, meine Damen und Herren, werden wir Ihnen die Hand nicht reichen. ({17}) Dieser Schlag gegen die demokratische Kultur dieses Landes ist mit uns nicht zu machen. Wir haben das bewährte öffentlich-rechtliche System, wie es bis heute im wesentlichen besteht, nicht ohne Grund von den Besatzungsmächten übernommen. Es waren die Erfahrungen eines gleichgeschalteten, zentralistisch organisierten und gelenkten Rundfunks unter dem Faschismus, die zu diesen Lehren geführt haben, Lehren, die Sie 50 Jahre danach offensichtlich vergessen haben. ({18}) Mit uns geht das jedenfalls nicht. Wenn sich Herr Kollege Biedenkopf empört beim Intendanten des Westdeutschen Rundfunks über dessen Vorwurf der Gleichschaltung beschwert, dann kann Herr Nowottny so schief nicht gelegen haben. Das muß ich leider auch sagen. Bei dieser Initiative aus Sachsen und Bayern, die, wie zu lesen war, mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt ist, trifft dieser Vorwurf auch in der Überspitzung den Kern der Sache. Das wird deutlich, wenn man sich Ihre Auslassungen zu den Gebührenerhöhungen ansieht. Wenn sich, verehrter Herr Kollege Stoiber, der Chef der Staatskanzlei zu der Bemerkung versteigt - ich zitiere wörtlich -: „Wer den Sumpf trockenlegen will, der darf nicht die Frösche fragen", ({19}) dann ist doch überdeutlich: Sie wollen mit den Betroffenen gar nicht reden. Es geht nicht um Reform, sondern um Repression. ({20}) Dabei ist der Sprachgebrauch interessant: Wer sind denn hier die Frösche, und was ist hier der Sumpf? ({21}) Die Verweigerung jeglicher Gebührenerhöhung, wie Sie sie androhen, ist reine Erpressung, die vom Bundesverfassungsgericht bereits eindeutig zurückgewiesen wurde. ({22}) Im Urteil vom 22. Februar vergangenen Jahres hat das höchste deutsche Gericht ausgeführt - dieses Urteil scheint niemand von Ihnen gelesen zu haben; und wenn doch, ist es noch schlimmer, daß Sie in dieser Frage eine solche Haltung einnehmen -, daß die Gebühren nicht - auch nicht indirekt - zur politischen Gängelung mißbraucht werden dürfen. Deshalb verpflichtet das Bundesverfassungsgericht die Länder, gesetzlich sicherzustellen, daß der Finanzbedarf der Rundfunkanstalten auf der Grundlage ihrer Bedarfsanmeldung durch ein unabhängiges Gremium überprüft wird. Der so überprüfte Bedarf darf bei der Gebührenfestsetzung nur aus Gründen des Informationszugangs und der Vermögensinteressen des Publikums unterschritten werden. Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich hervorgehoben, daß der enge Zusammenhang von Programmfreiheit und Finanzausstattung es grundsätzlich verbietet, dem Gesetzgeber - und erst recht dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Ministerpräsident Hans Eichel ({23}) Deutschland - bei der Gebührenfestsetzung freie Hand zu lassen. ({24}) Ich zitiere wörtlich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Dagegen darf die Gebührenfestsetzung nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik, namentlich im dualen System, mißbraucht werden. ({25}) Insofern sind alle diese Vorüberlegungen, die ich, wie gesagt, nur als Erpressungsversuch werten kann, bereits hinfällig, weil sie mit dem Verfassungsrecht nicht übereinstimmen. ({26}) Ich verweise auf die Kollegen in einigen Bundesländern, die ebenfalls eine weitere Gebührenerhöhung ausgeschlossen haben. - Übrigens sehr spannend, wenn man sich die Entwicklung der Gebühren für Rundfunk und Fernsehen und etwa der Preise für Abonnements von Tageszeitungen oder anderer Preise in den vergangenen 40 Jahren ansieht. - Ich verweise darauf, daß eine Gebührenerhöhung durchaus nicht einstimmig beschlossen werden muß, daß wir notfalls zu einer Mehrheitsentscheidung kommen können, wenn wir den Staatsvertrag entsprechend ändern. Das Bundesverfassungsgericht hat entsprechende Hinweise gegeben. ({27}) Ich will aber, meine Damen und Herren, gar nicht den Eindruck erwecken, daß die SPD-regierten Länder die Kostenprobleme der ARD und des ZDF nicht sehen. Das Gegenteil ist der Fall. ({28}) Einige meiner Amtskollegen haben - wie auch ich - bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres darauf hingewiesen, daß die ARD langfristig zu selbstfinanzierten und aus eigener Kraft lebensfähigen Anstalten kommen muß. Konstruktive Gespräche darüber sind jederzeit möglich, ja, sie sind von mir und anderen Kollegen bereits vor über einem Jahr angeregt worden. Es war immer klar, daß das Jahr 1995, das Jahr nach der Bundestagswahl, das Jahr dieser Debatte und 1995 oder 1996 auch das Jahr von Entscheidungen werden würde. ({29}) Es besteht also kein Anlaß, mit einem solchen Drohpapier und solchen Drohgebärden die notwendige Diskussion zu erschweren oder gar zu verhindern. ({30}) Die Ministerpräsidenten - ich denke, alle Ministerpräsidenten - werden auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz aus eigener Zuständigkeit über dieses Thema reden. Es werden dazu Gespräche mit den Intendanten und den Aufsichtsgremien der verschiedenen Anstalten geführt. Aber eines ist auch klar: Weder der Bund noch die Länder können einem einzelnen Mitglied in diesem föderalen System vorschreiben, ob es eine eigene Landesrundfunkanstalt unterhält oder nicht. Dies ist die Entscheidung der Gesetzgeber der Länder, und diese Entscheidung kann von keinem anderen Land - und erst recht nicht vom Bund, der, ich wiederhole es, keinerlei Zuständigkeiten in diesem Bereich hat - beanstandet oder gar ausgehebelt werden. ({31}) Angesichts des großen Bekenntnisses - das ich sehr ernst nehme und das uns in vielen Fällen, abseits dieser Frage, verbindet - von Ihnen, Herr Kollege Stoiber, zum Föderalismus wundert es mich, wie sehr hier eines der wirklich markantesten Beispiele des Föderalismus, nämlich das Gemeinschaftsprogramm der ARD, in Frage gestellt wird. Wer „Report" aus München gut findet, der muß auch „Monitor" ertragen; umgekehrt gilt dasselbe. Das ist kulturelle Vielfalt in Deutschland. ({32}) Lassen Sie mich zum Schluß folgendes feststellen: Ihre Initiative, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ist zum Scheitern verurteilt, wenn Sie mit Brachialgewalt versuchen, Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Rundfunk- und Kulturhoheit der Länder einzuschränken. Wir sind zu vernünftigen Diskussionen und auch zu vernünftigen Reformen bereit. Aber wir werden uns von Ihnen weder erpressen noch unter Druck setzen lassen. Die Menschen in diesem Lande haben etwas anderes verdient als die Unterordnung ihrer täglichen Informations-, Unterhaltungs- und Kulturangebote unter den Zwang des Kommerzes. Demokratische Kultur kann nicht allein dem kommerziellen Kalkül überantwortet werden. Demokratie ist ohne Pressefreiheit nicht denkbar, und Pressefreiheit ist mehr als Gewerbefreiheit. ({33}) Lassen Sie mich auch dies noch bemerken: Es gibt immer mehr Menschen im Lande - auch wenn das hier vielleicht nicht alle wahrhaben wollen -, die sich keine Zeitung mehr leisten können, die auf die Informationen über Rundfunk und Fernsehen angewiesen sind und die in der ARD und im ZDF die Garantie dafür sehen, daß sie über die Dinge, die sie interessieren, die ihren Lebensbereich betreffen und die unser Ministerpräsident Hans Eichel ({34}) Gemeinwesen ausmachen, angemessen, objektiv und umfassend informiert werden. ({35}) - Ihre Zwischenrufe und Unruhe an dieser Stelle sprechen übrigens Bände über Ihr Verfassungsverständnis, meine Damen und Herren. ({36}) Diese Gewähr hätten die Menschen nicht mehr, wenn eine der wesentlichen Säulen der Informationsgesellschaft, nämlich die ARD, gesprengt würde. Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist Bestandteil unserer demokratischen Kultur. So wollen es das Grundgesetz und die Rechtsprechung zum Grundgesetz. Die Verfassung steht aber nicht nur auf dem Papier, sondern sie muß gelebt und in allen Äußerungen beachtet werden, insbesondere von denen, die die Verfassungsorgane dieses Landes repräsentieren. ({37}) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({38})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem bayerischen Ministerpräsidenten, Dr. Edmund Stoiber. ({0}) Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({1}) ({2}): Danke schön, Herr Fischer. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr verehrten Herren! Vor eineinhalb Wochen haben der bayerische Ministerpräsident ({3}) und der sächsische Ministerpräsident in sechzehn Thesen eine gemeinsame Position zu einer Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt. Das Echo war allerdings so, als hätten wir frei nach Martin Luther 95 Thesen an das Tor der ARD geschlagen. ({4}) Denn gegen die Reaktionen, die uns entgegenschallten, war die gegen den Reformator geschleuderte Bannbulle eine geradezu ausgewogene Replik. ({5}) Von „Gleichschaltung" über „perverses Denken" bis hin zu „Dolchstoßlegende" wurden so ziemlich alle historisch belasteten Begriffe bemüht, um uns als Ketzer und Frevler am ARD-Heiligtum hinzustellen. Womit haben wir die Ketzerhüte verdient? Was wollen denn Ministerpräsident Biedenkopf und ich zusammen mit dem Bundesvorstand der CDU? ({6}) Wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Reform der ARD und nicht ihre Zerschlagung. ({7}) Wir wollen einen starken, konkurrenzfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ({8}) der im dualen Rundfunksystem die Grundversorgung mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung gewährleistet. ({9}) Wir wollen gleichgewichtige Länderanstalten ({10}) mit flexibler Kooperation und ohne finanzielle Abhängigkeiten, also Anstalten in einer wirtschaftlich vernünftigen Größenordnung, die ohne Finanzausgleich auskommen. ({11}) Wir wollen Rundfunkvielfalt aus der Vielfalt der Länder heraus, und wir wollen den offenen Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Die Situation der ARD - ich weiß nicht, ob alle im Detail die finanzielle Situation der ARD und des ZDF kennen - erfordert eine Diskussion ohne Tabus und erzwingt eine Reform - darüber sind sich im Grunde alle Einsichtigen einig -, wenn die ARD eine Zukunft haben soll. Wenn ich all die Repliken auf unsere Thesen verfolge, auch die radikalsten, die von Gleichschaltung und Zerschlagung reden, stelle ich fest: Sie kommen im letzten Satz zu dem Ergebnis: Ja, aber eine Reform muß natürlich sein; so kann es nicht bleiben. ({12}) Das ist für mich der Kernsatz. Deshalb wäre es höchst reizvoll, den Motiven nachzugehen, die zu den wüsten Angriffen auf uns und unsere Reformvorschläge geführt haben. ({13}) Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({14}) Diese Rundumschläge sind wohl vor allem aus der Angst um liebgewordene Besitzstände und Einflußsphären zu erklären. ({15}) Wenn, meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD neuerdings in billige Drohgebärden verfällt und im Gegenzug zu einer ARD-Reform, Herr Scharping, den ZDF-Staatsvertrag kündigen will, dann verhält sie sich geradezu kindisch, sozusagen nach dem Motto: Trittst du auf mein Spielzeugauto, dann zersteche ich dir deinen Ball. Man müßte auch die Drohung mit der Kündigung des ZDF-Staatsvertrags sozusagen als einen Anschlag auf die Meinungsvielfalt herausstellen, wenn man in Ihrer Diktion reden würde. ({16}) Erfreulicherweise hat zwar Herr Kollege Kurt Beck als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Ministerpräsidenten ({17}) seine Bereitschaft zu sachlichen Gesprächen erklärt. Kurz darauf ist aber vom niedersächsischen Ministerpräsidenten schon wieder zu hören, unter dem Druck der Union werde die SPD keine Reformdiskussion führen. Glaubt Kollege Schröder denn wirklich ernsthaft, die SPD könne dem Druck der ARD-Finanz-und Strukturprobleme mit dem läppischen Hinweis entgehen: Wir haben zwar ein Problem, aber weil ihr von der Union uns darauf hingewiesen habt, weigern wir von der SPD uns, an der Lösung mitzuarbeiten!? Nichts anderes ist es doch. ({18}) Auf dem gleichen Niveau bewegt sich seine Drohung, bei Fortführung der ARD-Diskussion die Werbegrenzen für die privaten Sender in Frage zu stellen. Es gehört zwar nicht hierher, aber ich wäre durchaus interessiert, zu erfahren, ob der Herr Kollege Rau und der Leiter seiner Staatskanzlei den privaten Anstalten in ihrem Land, in Nordrhein-Westfalen, die sie mit so unglaublicher Mühe dorthin geholt haben, größere Schwierigkeiten bereiten würden. Ich möchte wissen, ob der Kollege Rau wirklich bereit ist, den Standortvorteil im Medienbereich, den er sich für NRW erkämpft hat, wirklich in Frage zu stellen. Hier kommt doch die ganze Heuchelei zum Ausdruck, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({19}) Die ARD erhält zur Erfüllung ihres Auftrags jährlich Gebühren in Höhe von 7 Milliarden DM und hat einen Gesamtetat von 9 Milliarden DM. 2,7 Milliarden DM kostet allein das erste Fernsehprogramm. 2,2 Milliarden DM kosten die acht dritten Programme. Ca. 2,5 Milliarden DM sind die Kosten für das Fernsehen des ZDF. Ich will nur darauf aufmerksam machen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es gibt kein anderes Land auf dieser Erde, das einige Fernsehprogramme mit einer solchen Menge Geld - letzten Endes durch Zwangsgebühren - finanziert. Das ist es. ({20}) Die tatsächliche Situation ist: weit über 23 000 fest angestellte Mitarbeiter - die zahllosen freien Mitarbeiter noch gar nicht mitgerechnet - und infolge der privaten Konkurrenz drastisch gesunkene Werbeeinnahmen und Zuschaueranteile. ({21})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Ministerpräsident. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({0}): Nein. ({1}) Jetzt fordern die Intendanten - darum geht es doch - ab 1997 eine kräftige Gebührenerhöhung und zusätzlich Werbezeiten nach 20 Uhr. Sie können doch die Finanzierungsprobleme nicht mit einer Vermehrung der Werbezeiten oder mit einem ständigen Drehen an der Gebührenschraube lösen. Die Rundfunkgebühr muß der Bürger alleine deshalb bezahlen, weil er ein Empfangsgerät bereithält. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen stimmt natürlich Ihr Vergleich nicht, Herr Kollege Eichel, denn ob sich jemand eine Zeitung kauft und welche er sich kauft, ist letztlich seine Entscheidung. ({3}) Aber beim Fernsehen ist es nun etwas anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang jedenfalls festgehalten, daß allein das Bereitstellen des Gerätes die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu dieser Abgabe mit sich bringt. Deswegen ist es natürlich auch eine öffentlich-rechtliche Gestaltungsaufgabe, sich über Rundfunk zu unterhalten. Deswegen sind natürlich der Vorstand einer Partei, auch wenn es im verfassungsrechtlichen Sinne Ländersache ist, und der Vorsitzende einer Partei nicht nur legitimiert, sondern geradezu aufgefordert, zu solchen wichtigen politischen Fragen ihre Meinung zu äußern. ({4})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Ministerpräsident, die Kollegin Nickels würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({0}): Nein. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({1}) Wo sind wir denn überhaupt, wenn einem Parteivorsitzenden in einer wichtigen politischen Frage ein Diskussionsverbot erteilt werden soll? Das ist doch unmöglich, meine Damen, meine Herren. ({2}) Alle müssen erkennen, daß man hier an Schmerzgrenzen stoßen kann. ({3}) Wenn die Rundfunkgebühr einmal von den Bürgern nicht mehr akzeptiert werden sollte, dann ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Existenz ernsthaft bedroht. Es gibt auf Dauer eine Wechselwirkung zwischen Programmakzeptanz und Gebührenentwicklung. Darüber müssen sich alle im klaren sein, die heute so lauthals nach Gebührenerhöhung als Allheilmittel rufen. Heute halten bereits 42 % der Rundfunkteilnehmer die Rundfunkgebühren für zu hoch. 87 % lehnen Gebührenerhöhungen ab. Die grundsätzliche Zustimmung zum ARD-Gemeinschaftsprogramm oder zur Eigenständigkeit kleinerer ARD-Anstalten nimmt sofort rapide ab, wenn die Frage mit dem Thema Gebührenerhöhung verbunden ist. ({4}) Die notwendige Konsequenz aus dieser Feststellung kann aber doch nur sein, daß wir an die Strukturen herangehen müssen, daß wir dort mit effektiven Reformen ansetzen müssen, weil die finanziellen Probleme der ARD zu einem großen Teil strukturbedingt sind. ({5}) Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, aus meiner 15jährigen Mitgliedschaft im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks und als Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates ({6}) weiß ich um die Sparmaßnahmen, die die ARD und das ZDF bis zum Ende der Gebührenperiode eingeleitet oder durchgeführt haben. Ich erkenne dies durchaus an. Allerdings bin ich davon überzeugt, daß hier noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Es geht doch wirklich nicht darum, daß sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu Tode sparen soll. In den Jahren der Konkurrenzlosigkeit aber hat sich bei den Anstalten mit großzügigen Gehaltseinstufungen und einem Wildwuchs von Zulagen ungeheuer viel Fett angesammelt, das jetzt abgespeckt werden muß. ({7}) Daß Reformen auch einschneidender Art bei der ARD notwendig sind, wird nicht einmal mehr von der ARD selbst bestritten. ({8}) Ich erinnere hier nur an das Positionspapier des WDR-Rundfunkrates vom 26. Oktober 1994, ({9}): Hört! Hört!] das nicht nur effizientere Strukturen der ARD anmahnt, sondern auch eine umfassende Strukturreform für unerläßlich hält. ({10})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Ministerpräsident! Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({0}): Nein. ({1}) Ich zitiere aus dem Papier des WDR: Dabei hat die Erhaltung und Stärkung der ARD oberste Priorität vor anderen denkbaren Handlungsoptionen, die dann zu prüfen wären, wenn die ARD sich wider Erwarten als reformunfähig erweisen würde: Konzentration auf WDR-Fernsehen unter Einschluß einer Erweiterung seines Programmprofils, engere Unternehmenskooperationen mit anderen ARD-Anstalten, Austritt aus der ARD. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vorlauf zu diesem Papier des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks basiert auf den Überlegungen der SPD-Leute im Rundfunkrat des WDR, die eine dreifache Position deutlich beschreiben. Sie sagen: Wir wollen erstens eine Stärkung des ARD-Programms. Wir wollen zweitens eine effizientere Gestaltung. Wenn wir diese nicht erreichen, dann werden wir drittens überlegen, aus der ARD auszutreten und ein Vollprogramm für ganz Deutschland einzuführen. Ich sage Ihnen: Das sind Überlegungen, die bereits im Jahre 1993 niedergelegt worden sind. Der Beschluß des Rundfunkrates des WDR, der letzten Endes auch den Austritt aus der ARD als eine Möglichkeit angesehen hat, ist aus dem Herbst des letzten Jahres. Ich frage Sie: Wo waren denn da Ihre massiven Proteste? Wo waren denn Ihre bösartigen Unterstellungen? ({2}) Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({3}) Echte Reformen - es gibt den Druck für eine notwendige Reform - müssen bei den Strukturen ansetzen. Wir wollen deshalb eine Verminderung der Zahl der ARD-Anstalten auf sechs oder sieben etwa gleich große und gleich leistungsfähige Anstalten. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was wir jetzt angestoßen haben, führt bereits beim Vorsitzenden der Rundfunkkommission, beim Kollegen Beck, zu der Aussage: Wir müssen Synergieeffekte erreichen. Wir müssen Intendanzen der kleinen Anstalten zusammenlegen. ({5}) Vielleicht kommen wir auch zu einer Zusammenlegung der einen oder anderen Anstalt. Das ist ein vernünftiger Ansatz. Das unterscheidet sich massiv von dem Wahlkampfgetöse, Herr Kollege Eichel, das Sie hier einbringen. ({6}) Gleichgewichtige Vielfalt gibt es nur bei gleichgewichtigen Partnern. ({7}) Das ist wichtig für das ARD-Gemeinschaftsprogramm, das schließlich die Summe der Beiträge aus den Landesanstalten ist. ({8}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe eines nicht: daß von Ihrer Seite versucht wird, das ARD-Gemeinschaftsprogramm sozusagen zu überhöhen, während die Beiträge dazu plötzlich provinziell sein sollen. Herr Kollege Scharping, ich habe in der gestrigen Ausgabe der „Augsburger Allgemeinen" gelesen, daß Sie gesagt haben, Sie wollten die Diskussion so bestreiten: Falls Herr Stoiber oder Herr Biedenkopf großen Wert darauf legten, eigene Kanäle zu betreiben, ({9}) so gewissermaßen zwischen Heidi und Luis Trenker, Volksmusik und Lederhose, dann sei dagegen gar nichts zu sagen, dann sollten sie das machen. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die dritten Programme - ganz gleich, wer sie ausstrahlt - in dieser Weise qualifiziert, der hat sich als „großartiger" Polemiker, aber nicht als Sachkenner erwiesen. ({11}) Die alten Länder sollten sich durchaus einmal ein Beispiel an den neuen Ländern nehmen. ({12}) Vernünftigerweise wurde dort mit dem Mitteldeutschen Rundfunk eine Dreiländeranstalt gegründet. Mecklenburg-Vorpommern hat sich dem NDR angeschlossen. ({13}) Die neuen Länder haben - Brandenburg ausgenommen - ihre Rundfunkstrukturen verantwortungsbewußt und mit Vernunft für die Zukunft geschaffen. Es ist ein Gebot der Solidarität, ({14}) daß auch in den alten Ländern nicht weiter so getan wird, als sei die Welt von heute noch dieselbe wie vor 30 oder 40 Jahren.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Ministerpräsident, ich unterbreche Sie kurz, denn ich möchte an die Adresse des Kollegen Fischer sagen: Das Wort hat der Ministerpräsident Stoiber. ({0}) Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({1}): Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider bekommt nicht die gesamte Bevölkerung diese Zwischenbemerkungen mit. Das wäre nämlich sehr hilfreich, um zu zeigen, welche qualifizierten Zwischenbemerkungen Sie zu diesem Thema machen. ({2}) Sei's drum, auch die werden wir ertragen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im übrigen hat die ARD selbst schon den Finger auf die Wunde gelegt. Ich erinnere nur an die weitreichenden Vorschläge des früheren ARD-Vorsitzenden, Herrn Kelm vom Hessischen Rundfunk, Herr Eichel, der bereits 1990 eine ARD-Struktur mit höchstens sieben Sendern vorgeschlagen hat. Ebenso hat der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, Udo Reiter, zu Fusionen bei den kleinen Anstalten aufgerufen. SüdwestfunkIntendant Voß hat kürzlich die mangelnden Einflußmöglichkeiten der mittelgroßen Anstalten in der Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({3}) ARD gegenüber den großen im Westen und im Norden deutlich beklagt. Warum greift man das denn nicht auf? Warum wird derjenige, der das in die politische Diskussion einführt, sofort in dieser Art und Weise angegangen? Weil Sie sich im Prinzip der Reform verweigern. ({4}) Sie wollen Gebührenerhöhung und Werbeausdehnung. Meine Damen, meine Herren, erlauben Sie mir, hier den wahren Punkt noch einmal anzusprechen. ({5}) Ich habe Ihnen gesagt: 7 Milliarden DM nimmt die ARD an Fernseh- und Grundgebühren ein. Für das erste Programm gibt sie 2,7 Milliarden DM aus. Daß das erste Programm, das Gemeinschaftsprogramm, die regionale Vielfalt aus den Ländern nicht widerspiegelt, war wohl mit ein Grund dafür, daß acht Rundfunkanstalten dritte Programme zu Vollprogrammen ausgebaut haben, z. B. der NDR, der WDR, der Bayerische Rundfunk. ({6}) Warum denn, meine Damen und Herren? Weil die regionale Vielfalt innerhalb des ARD-Programms, jedenfalls nach dem Auftrag des Rundfunkgesetzes, anscheinend nicht hinreichend dargestellt werden konnte. Das ist doch der Punkt. ({7}) In der Zwischenzeit geben die Rundfunkanstalten bereits 2,2 Milliarden DM für die dritten Programme aus. ({8}) Nun kommt der entscheidende Punkt, auf den Sie in Ihren Zwischenbemerkungen aufmerksam gemacht haben: Die ARD steht unter dem Damoklesschwert des Urteils des Verfassungsgerichts, ({9}) das sich auf die Aufteilung der Fernsehgebühren auswirkt. Wollen Sie die Strukturen beibehalten? 70 % der Fernsehgebühren, fast 4 Milliarden DM, bekommen die ARD-Anstalten, 30 % der Fernsehgebühren bekommt das ZDF. Die große Schwierigkeit liegt nun darin, daß das Verhältnis von 70:30 aus den 60er Jahren stammt. Damals hat das ZDF seinen Haushalt fast zu 50 % aus der Werbung finanziert. In einer Passage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts steht, daß die „Bedarfsnotwendigkeit" entscheidend ist für die Gebührenverteilung. Das bedeutet, Herr Kollege Eichel, daß wir morgen und übermorgen zu einer anderen Aufteilung kommen werden. Es wird nicht bei 70:30 bleiben. Das Verhältnis wird vielleicht 60: 40 sein. Sonst ist das ZDF - auch das ist eine Länderanstalt wie der Hessische Rundfunk - übermorgen oder überübermorgen pleite und kann nicht mehr seinen Auftrag erfüllen. Wenn der ARD morgen oder übermorgen nicht mehr 70 %, sondern nur noch 60 % zur Verfügung stehen, dann fehlen der ARD Beträge von einer halben oder möglicherweise bis zu einer dreiviertel Milliarde DM. ({10}) Wie wollen Sie den Fehlbetrag von einer halben oder einer dreiviertel Milliarde DM ausgleichen? Wollen Sie das durch Gebührenerhöhung ausgleichen, wollen Sie das durch Werbeverlängerung ausgleichen, oder wollen Sie das durch Strukturveränderung ausgleichen? ({11}) Das ist eigentlich der gravierende Punkt. Da gibt es jetzt die Kollegen von Ihnen im WDR-Rundfunkrat, die legen die Priorität, wie auch Herr Plog vom NDR, auf das erste Programm und sagen, das erste Programm hat die höhere Priorität. Deswegen müßten dann bei den dritten Programmen Abstriche gemacht werden. Ich vertrete eine andere Meinung. Ich vertrete die Meinung, daß dann bei den regionalen Programmen eben nicht gespart werden darf, sondern man eher Synergieeffekte beim Gemeinschaftsprogramm anstreben muß. ({12}) Diese Frage hat zutiefst föderalen Charakter. Man kann sie auch anders beurteilen. Das sage ich ganz offen. ({13}) Nur, wer den Föderalismus, wer den regionalen Aspekt in der öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft unter den veränderten finanziellen Rahmenbedingungen wirklich vertreten will, der - das ist meine Auffassung, die Auffassung meiner Regierung - darf letzten Endes niemals bei den dritten Programmen Abstriche machen, zugunsten des Gemeinschaftsprogramms, sondern muß institutionell in den Strukturen des Gemeinschaftsprogramms gleichmäßig Veränderungen vornehmen, ({14}) aber niemals zu Lasten der dritten Programme. ({15}) Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber ({16}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen: Ich bedauere außerordentlich, daß wider besseres Wissens eigentlich nie entscheidende Veränderungen in die Wege geleitet worden sind, obwohl der Reformdruck seit Jahren da ist. Ich freue mich, daß wir durch dieses Thesenpapier, auch durch den Beschluß des CDU-Bundesvorstandes, jetzt eine breite Diskussionsbasis erlangt haben und wir spätestens in diesem Jahr - 1995 - auf der Ebene der Ministerpräsidenten und der Landtage eine vernünftige Struktur anstreben müssen. Denn wir haben ja nicht mehr viel Zeit. Ich sage Ihnen: Wenn Sie sich der Reform verweigern, dann entsteht dadurch letzten Endes ein erheblicher Schaden für das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Deutschland - das ist überhaupt keine Frage -, weil es mit der vorhandenen Struktur nicht mehr zu bezahlen ist. Ich sage Ihnen: Sie haben Ihre Reformfähigkeit verloren. ({17}) Bei allem, was im Grunde genommen von der CDU und der CSU kam, ob es die Reform der Post, die Reform der Bahn, die Reform des Asylrechts oder die Reform des Gesundheitswesens war, haben Sie zunächst immer nur „Nein, nein, nein" gesagt. Sie wollen die alten Strukturen behalten. ({18}) Sie haben die Reformfähigkeit verloren. Sie wollen im Prinzip die Zeichen der Zeit nicht erkennen; damit kommen Sie nicht weiter. In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, betrachte ich diese Debatte als weitere Unterstützung der Diskussion und als Möglichkeit für die weitere Verbreitung der Thesen. Ich freue mich, daß diese Thesen, über dieses Haus hinaus, morgen und übermorgen in noch viel breiteren Kreisen diskutiert werden, weil ich glaube, daß wir dann übermorgen zu einer Lösung kommen werden. Danke schön. ({19})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Abgeordnete Rezzo Schlauch.

Rezzo Schlauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002777, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, wenn Sie nach dem Treffen in Windhagen im Reformergewande daherkommen, dann nimmt Ihnen das, glaube ich, keiner mehr ab, ({0}) und zwar deshalb, weil jemand, der in seinen Thesen die ARD explizit zerschlagen will und heute von Reformen redet, Reformen als Durchgangsstadium zum Plattmachen der ARD versteht. Deshalb glaubt Ihnen die Mär von der Reform niemand. ({1}) In diesem Februar ist es 34 Jahre her, daß das Bundesverfassungsgericht das vom damaligen Bundeskanzler Adenauer geplante „Deutschland-Fernsehen" für verfassungswidrig erklärt und dieses als Regierungssender konzipierte Fernsehprogramm von der Bildfläche genommen hat. „Fernsehstaatsstreich" nannte damals kein Geringerer als Theodor Eschenburg den Adenauerschen Anschlag auf die Rundfunkfreiheit und die damit verbundene Absicht, unabhängigen, kritischen, pluralen Journalismus gleichzuschalten. Mit einem Fernsehstaatsstreich in zweiter, ungleich dreisterer Auflage haben uns in den vergangenen Tagen die Herren Bundeskanzler Kohl, Ministerpräsidenten Stoiber und Biedenkopf und im Hintergrund - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - Bertelsmann, Kirch und Co. konfrontiert. ({2}) Als ob Sie von den insgesamt sieben Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem, die alle unisono Rundfunkfreiheit, Staats- und Parteienferne, Finanzierungssicherheit und Entwicklungsmöglichkeit im dualen System garantieren, nie etwas gehört haben, haben Sie, Herr Bundeskanzler, eine auf Sie gemünzte Satire als Aufhänger genommen, in einem medienpolitischen und föderalen Amoklauf ein über Jahrzehnte gewachsenes verfassungsrechtlich abgesichertes Rundfunksystem in Frage zu stellen. In Kontrast zu Ihrer sprichwörtlichen Elefantenhaut, die Ihnen, Herr Bundeskanzler, sonst zuerkannt wird, fällt auf, daß Sie sich bar jeglicher Contenance und Souveränität bei Ihrer Attacke auf verfassungsrechtlich verankerte Grundfesten die Blöße geben, Ihre Interessen, Ihre höchstpersönlichen Befindlichkeiten mit dem Fortbestand der ARD zu verquicken. ({3}) Wir alle, auch Sie, wissen: Bei der Frage, wie und in welchem Umfang die ARD und das öffentlichrechtliche System fortbestehen, hat nach unserer Verfassungslage der Bundeskanzler nichts, aber auch gar nichts mitzubestimmen und schon dreimal nicht aus persönlicher Betroffenheit heraus. ({4}) Herr Ministerpräsident Eichel, heute haben Sie es nicht gesagt, aber ich habe es irgendwo gesehen: Ich finde es natürlich albern und für die Diskussion auch wenig hilfreich, wenn wie auf der hessischen Kirmes nach dem Motto verfahren wird: Haust du mir, dann hau ich dir auf den Kopf; greifst du mir in die ARD, dann kündige ich dir das ZDF auf. Dazu ist das Thema Erhaltung, Förderung und Stärkung des öffentlichen Rundfunks und der Rundfunkfreiheit viel zu ernst. Wir können froh sein, daß die verfassungsrechtlichen Bestandsgarantien so klipp und klar auf dem Tisch liegen. Wir GRÜNEN werden politisch und, wenn es sein muß, auch rechtlich dafür kämpfen, daß bei uns, Herr Kohl, keine italienischen Verhältnisse Einzug halten. ({5}) Berlusconi, den Sie ja auch ganz schnell in die Runde Ihrer Männerfreunde aufgenommen haben, ist, wie wir inzwischen wissen, nicht vom Himmel gefallen. ({6}) Auf der Grundlage eindeutig mafiotischer Strukturen konnte sich Berlusconi, der Logenamigo des mit Haftbefehl gesuchten Ministerpräsidenten Craxi, mit tatkräftiger Unterstützung der Regierungen über Jahre hinweg ein Medienimperium zusammenkaufen, um dann die Regierung selbst zu übernehmen. Wir müssen verhindern, daß, anstatt eines Berlusconis in der ersten, ein Kirch aus der zweiten Reihe sein Medienmonopol aufbaut und mit seinem Medienimperium die Fäden zieht. ({7}) Wir schlagen vor - wir werden dies in den nächsten Tagen besprechen -, daß sich dieser Bundestag auf die Einrichtung einer Enquete-Kommission zu Fragen der zukünftigen Gestaltung der elektronischen Medienlandschaft in Deutschland verständigt. ({8}) Es ist schon atemberaubend, Herr Ministerpräsident Stoiber, wie Sie mit der einen Hand zigtausend Unterschriften, die sozial engagierte Landfrauen in Bayern gegen die Gewalt- und Pornokanäle gesammelt haben, annehmen und sie mit der anderen Hand in den Papierkorb werfen, ({9}) und mit Ihrem Thesenpapier zusammen mit Biedenkopf das Terrain für genau diese Kanäle, für die Privaten, planieren. ({10}) Es ist völlig wurscht, ob da täglich Gewaltorgien über den Schirm flimmern, ob da der Journalismus zum Reality-TV verkommt, ob da Geiselnehmer vor laufenden Kameras ihre Bedingungen stellen. „Money makes the world go round" , das ist das Prinzip der Privaten. Nicht Anti-Gewaltkommissionen, Herr Stoiber, und Medienkommissionen, die die CDU allerorten scheinheilig einsetzen, bestimmen, was läuft. Bei den Privaten wird gesendet, was bei den Zuschauern den schnellen Kick erzeugt und bei den Privaten die Kassen klingeln läßt. Dorthin fließt die Werbung. Dorthin fließt auch die Gunst des Kanzlers, der in diesen heimeligen Studios die rechten Höflinge für seine Befragungen findet. ({11}) Die Melodie, die Sie, Herr Stoiber, im Duett gesungen haben, war schon vorgesungen. Ich zitiere: Zum 1. 1. 1996 wird das nationale Programm der ARD eingestellt. Die Programmaufgaben der ARD werden von den Landesrundfunkanstalten im Rahmen der dritten Programme wahrgenommen. Das ist Originalton „Verband der privaten Fernsehbetreiber" , 1992, den Sie in Ihre Thesen nahtlos haben einfließen lassen. ({12}) Herr Stoiber, es ist wohlfeil, immer von den Bürgern, von den Anstalten, am besten von allen anderen den notwendigen Sparkurs, die dringende Innovation einzufordern, selber aber in den eigenen Läden - Ländern, Bund, Kommunen -, wo Sie die Verantwortung haben, an Innovationen nichts, aber auch gar nichts hinzubekommen. ({13}) Die ARD wird in der laufenden Gebührenperiode 3 Milliarden DM einsparen. Zeigen Sie uns einmal einen öffentlichen Haushalt, für den Sie die Verantwortung tragen, in dem Sie im Vergleich ähnlich viel eingespart haben! Wir vertrauen mehr auf die Reformfähigkeit in den Anstalten. Dazu brauchen wir kein verfassungswidriges Hineinregieren in die Sendeanstalten, nicht vom ZDF-Rundfunkrat Stoiber, nicht von Biedenkopf und nicht vom Bundeskanzler, so sehr Sie sich alle wie zu Adenauers Zeiten auch das schöne alte schwarze Regierungsfernsehen wünschen. Danke schön. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Gerhardt.

Dr. Wolfgang Gerhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002659, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem letzten Beitrag muß der unbefangene Zuschauer den Eindruck ha1058 ben, als seien hier Kräfte am Werk, die den Staat aus den Angeln heben wollten. ({0}) Um diesen Sachverhalt geht es nun wirklich nicht. Ich will das auch für meine Fraktion ganz nüchtern erklären. ({1}) Wir haben öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Diese haben einen Verfassungsauftrag, der mit Grundversorgung umschrieben ist. Es geht um Zuständigkeiten der Länder, die wir nicht tangieren wollen, die wir sehen. Deshalb geht es einfach um die Frage, ob wir öffentlich-rechtliche Anstalten, auch mit Reformbedarf, jedenfalls in den gewachsenen Strukturen, wie wir sie in ARD und ZDF haben, wollen und brauchen, ja oder nein. Für die F.D.P. heißt es: Wir brauchen sie. Wir wollen sie. ({2}) Sie haben eine Funktion auch weit über ihre Tätigkeit für den Aufbau unserer Demokratie und der Sicherung von Information in unserem Land hinaus übernommen, die zur Stabilität geführt hat. Sie haben eine wichtige Rolle gespielt. Sie sollen sie auch weiterspielen. Das ist auch ihre eigentliche Leistung gewesen, die mit der einen oder anderen Kritik und dem Ärger über journalistische Beiträge nicht beiseite geschoben werden kann. Ich sage das für die Freien Demokraten. Für uns wird es auch in Zukunft aus grundlegenden Überzeugungen diese öffentlich-rechtliche Struktur geben müssen. ({3}) Wenn wir diese Diskussion führen, dann lassen wir uns als Freie Demokraten nicht von zwei Ministerpräsidenten auf eine falsche Spur setzen, die durchaus das Mißverständnis geliefert haben, als könnte man diese Organisation durch komplette Zerschlagung verändern. Das kann nicht unser Ziel sein. Ich erwidere dem Ministerpräsidenten Eichel, der sich zum Verteidiger der Rundfunk- und Pressefreiheit gemacht hat: Sprechen Sie mit Ihrem saarländischen Kollegen darüber, welches Pressegesetz er gemacht hat! Wir nehmen das so nicht entgegen. ({4}) Wir nehmen es so nicht entgegen, daß man sich hier zum Verteidiger einer Meinungsfreiheit aufschwingt und in den eigenen Reihen eine Persönlichkeit hat, die das Wort „Schweinejournalismus" geprägt und ein Pressegesetz verabschiedet hat, das dem, was hier vorgetragen worden ist, ins Gesicht schlägt. ({5}) Im übrigen wäre etwas mehr Ehrlichkeit in dieser Debatte gut. Wir kennen alle aus unserer jeweiligen politischen regionalen Heimat Länderanstalten der ARD. Ich bezweifle, daß der Bayerische Rundfunk in der Zuwendung durch die Bayerische Staatsregierung und das Milieu, das sich herausgebildet hat, in einer anderen Situation ist als der Westdeutsche Rundfunk in seiner regionalen Ansiedlung und seinem Milieu, das langjährige sozialdemokratische Landesregierungen herausgebildet haben. Noch besser kenne ich das aus der leidvollen Erfahrung in meinem Heimatland Hessen. Jede langjährige Herrschaft einer Partei bildet auch in den Rundfunkanstalten ein Milieu heraus. ({6}) Das ist die Wirklichkeit, der Sachverhalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ich benenne das deshalb so eindeutig, weil sich im Grunde die ganze Diskussion vor dem Hintergrund von Entwicklungen vollzieht, daß viele politische Kräfte ihre Reviere in der Medienlandschaft abgesteckt haben. Es ist schon ein Stück Vergangenheit, daß sie sich Einfluß verschafft haben und ({7}) daß wir uns hier nicht nach dem Motto gegenüberstehen: Das eine sind die ganz Reinen, die nie einen Versuch gemacht haben, die nie mißliche Berichterstattung haben wollten, das andere sind die Schwarzen, die das alles zerschlagen wollen. So ist die gesellschaftliche Wirklichkeit in Deutschland nicht. ({8}) Wenn wir als F.D.P. ARD und ZDF als öffentlich-rechtliche Institutionen erhalten wollen, dann sind wir aber auch, glaube ich, frei genug zu sagen: Reformbedarf gibt es, und eine Verschlankung und eine Überprüfung der Ausgaben muß es geben; denn wir sind als Politiker nicht ausschließlich dazu da, Gebührenerhöhungsforderungen an andere weiterzureichen. Jeder Landtagsabgeordnete in Deutschland ist nicht nur dazu da, die Hand zu heben, um Staatsverträge abzusegnen, die mit Gebührenerhöhungen verbunden sind, wenn er vorher nicht die geringste Information über eigene Anstrengungen und eigene Sparmaßnahmen dieser öffentlich-rechtlichen Systeme hat. ({9}) Es hat eben nicht die Notwendigkeit gegeben, alles für öffentlich-rechtlich zu erklären, was gemacht worden ist. Es war nicht notwendig, den Markt für Private derart zuzumachen, wie das mit vielen Hörfunkprogrammen in Deutschland geschehen ist. Das ist auch ein Ausdruck mangelnder Souveränität der Öffentlich-Rechtlichen gewesen. Es war nicht notwendig, alles in den Rundfunkanstalten bis zum letzten Beschäftigungsverhältnis selber zu machen, ohne je über private Vergabe nachzudenken. Es war auch nicht notwendig, diese Gehaltsstruktur, diese Einkommensstruktur, diese Vertragsstruktur in den Rundfunkanstalten zu machen. Mir hat sich nie erschlossen, weshalb der Intendant eines Rundfunks tatsächlich ein deutlich höheres Einkommen hat als der Ministerpräsident des diesbezüglichen Landes. Da sind Verantwortungsdimensionen und Einkommensdimensionen nicht mehr in Ordnung. ({10}) Es ist kein Angriff auf die Rundfunkfreiheit, wenn man das ausspricht, wenn man bei einer Entwicklungsgarantie auch sagt, daß man am Schluß der Gebührenperiode erwartet, daß Rationalisierungspotentiale auszuschöpfen sind. Wir empfehlen im übrigen dringend mehr Staatsferne. Ich sage dem hessischen Ministerpräsidenten: Herr Ministerpräsident, mit uns hätten Sie das hessische Rundfunkgesetz - mit weniger politischen Repräsentanten in den Gremien - ändern können. ({11}) - Wir hätten dem Gremium ein Selbstberufungsrecht und Ergänzungen vorgegeben. ({12}) - Herr Fischer, wir sind die in Hessen gewesen, die auf Rundfunkzeiten verzichtet haben. Sie haben dies nur in der Pressemeldung genannt. Sie sind einer der unglaubwürdigsten Repräsentanten in dieser Diskussion. ({13}) Wir wollen feststellen, daß wir eine gute Mischung in Deutschland haben. Uns kommt es auf Strukturreformen mit dem Ziel betriebswirtschaftlicher Ergebnisse an. Es wird deshalb nicht alles heiliggesprochen werden können, was es im öffentlich-rechtlichen Bereich gibt, um aus religiösen Gründen Veränderungssperren zu errichten. Die F.D.P. sieht eine Grenze dort, wo wir über betriebswirtschaftliche Einsparungswünsche - andere als in den Rundfunkanstalten - in die Nähe von direkter Einflußnahme auf Programm und Gestaltung kommen. Dazu müssen wir aber in unserer Wächterfunktion - auch nicht aus den Reihen der Sozialdemokraten, die im Saarland ein schlechtes Beispiel gegeben haben - nicht aufgefordert werden. ({14}) Wir werden uns gegen jeden solchen Versuch wehren. Unser Interesse gilt der Frage, wie am Ende Sparpotentiale zustande kommen, die uns Politiker legitimieren, dem Verbraucher zu sagen, warum Gebührenerhöhungen gebraucht werden. Aber wir sind nicht nur Sendboten ohne eigene Anstrengungen aus dem öffentlich-rechtlichen System. Wir wollen, daß es seine Funktion weiter erfüllt. Wir möchten aber größere Kraftanstrengungen im öffentlichen System selbst. Die F.D.P. wird - aber ganz eindeutig - jedem Versuch, gleich von welcher Seite, entgegentreten, über Einsparwünsche, über strukturelle Veränderungen, politische Einflußnahme zu ermöglichen. ({15}) Dafür sind wir da. Das ist unsere Funktion. Es gibt die F.D.P. als Hüter der Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. ({16}) Wir kommen diesem Verfassungsauftrag nach. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat der Abgeordnete Zwerenz.

Gerhard Zwerenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002833, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Zwischenruf „Stasi" können Sie sich sparen. Ich habe mit der Stasi nichts zu tun. Meine Opfer-Akte der Stasi ist über dreieinhalb Jahrzehnte lang. Ich habe hier das Vergnügen, mit den meisten meiner Vorredner über einige Stellen einer Meinung zu sein. Das brauche ich dann jetzt gar nicht mehr zu sagen. Fast jeder hat irgend etwas Richtiges gesagt; über das Unrichtige würde ich schweigen. Worum geht es eigentlich? Es geht darum, daß Sie aus einer Situation, die gewiß reformbedürftig ist, nun den üblichen großen Koalitionsstreit machen. Es mißfällt mir äußerst, daß dies jetzt eine Sache zwischen CDU, CSU und SPD ist. Wir sind schließlich auch noch da! ({0}) - Wir wissen ja, daß Ihnen das nicht paßt. Aber uns bekommen Sie mit dem bißchen Puste, das Sie noch haben, noch lange nicht weg. ({1}) Worum geht es? Nachdem „Monitor" ein Telefonat der Männerfreunde Kohl und Jelzin so leichtfüßig parodiert hatte, als sei der Krieg in Tschetschenien ein Saunaabend, bekam unser Bundeskanzler einen Wutausbruch, wie man in einer bestimmten Zeitschrift nachlesen kann. Er beschloß, den WDR abzu1060 treiben, die ARD aufzulösen, das ZDF zu privilegieren und den großen Riesen - ich nehme an, sich selbst - zum heimlichen großen Intendanten zu machen. ({2}) Das wäre dann also die große Intendanz des Nachfolgefernsehens. Wie soll dieses Fernsehen denn aussehen? Ich stelle mir vor - auch wir sind Satiriker und Parodisten -: Da ist der große Herr Friedrich Bohl Chefredakteur, Herr Kinkel ist außenpolitischer Korrespondent, Ernst Jünger ist Wetterapostel, und Alfred Dregger ist für das Wort am Sonntag zuständig. ({3}) Gemäß der neuen Kohl-Sendeordnung sind Satiren ein halbes Jahr vor Ausstrahlung zur Genehmigung beim Wahrheitskollegium vorzulegen. Dies besteht bekanntlich aus den Herren Biedenkopf und Stoiber, und es kommt noch ein gewisser Herr Eggert hinzu. ({4}) - Sie können zwischenrufen, wie Sie wollen. Ich weiß, daß Sie das jahrzehntelang geübt haben. Sie sind noch immer so schlecht, wie Sie schon vor 30 Jahren gewesen sind. ({5}) Natürlich müssen einige Satiren nicht vorher eingereicht werden. Das sind die großen Satiren gegen die PDS. Diese können sofort abgenudelt werden. Dafür gibt es auch Sponsorengelder, in jeder Höhe. Sie liegen jederzeit bereit und sind anzapfbar. - Das ist die neue Sendeordnung. Des Kanzlers Plan, das Erste Programm zu zerschlagen, wird inzwischen dementiert. Dann gibt es ein Dementi des Dementis. So geht das weiter. Das ist die Dementitis. Des Kanzlers Plan, das Erste Programm zu zerschlagen, richtet sich direkt und unverhüllt gegen den verbliebenen Rest eines Informationspluralismus dieser Bonner Republik. Das ähnelt fatalerweise den Versuchen des Kanzlerfreundes Jelzin in Moskau, die dortigen Sender unter Regierungskuratel zu stellen. Im Konflikt um die Zukunft der ARD dürfen sich, meinen wir, meine ich mit einer jahrzehntelangen Erfahrung in den Medien der Bundesrepublik, Sozialdemokraten, GRÜNE und Liberale kein Schwanken und kein Ausweichen leisten. Es geht darum, das Erstgeburtsrecht des Fernsehens in Deutschland - das Erste Fernsehen, die ARD, hat ein Erstgeburtsrecht in diesem Lande - gegen die Willkür von Biedenkopf, Stoiber und Kohl zu verteidigen. Das, was wir hier an Reden gehört haben, war nichts anderes als rhetorische Willkür gegen das ARD-Programm. Ein bundesdeutsches Fernsehen ohne ARD wäre eine publizistische Selbstverstümmelung. Wir sollten uns dies nicht leisten. Gemäß dem Gebot des Grundgesetzes, wonach eine Zensur nicht stattfindet - mir ist nicht bekannt, daß im Grundgesetz bestimmte Medien von diesem Gebot ausgenommen wären -, müssen die Freiheit von Information und Kreativität auch in der Unterhaltung gewährleistet sein. Auch in der Unterhaltung gibt es Information und Kreativität. Auch hier muß Freiheit von Zensur gewährleistet sein. Wir schlagen deswegen eine Indexierung der Funk- und Fernsehgebühren an die allgemeine Preisentwicklung vor. Damit sind die Streitigkeiten um Erhöhungen der Gebühren endgültig passé. Wir fordern eine Pflicht zur Offenlegung des Besitzes, der Treuhand- und der Nutzungsverhältnisse sowohl bei Printmedien als auch bei elektronischen Medien. Die Kultusminister der Länder haben nicht nur die Pflicht, dafür zu sorgen, daß eine Alphabetisierung in Wort und Schrift stattfindet, sondern auch die Pflicht, dafür zu sorgen, daß eine Alphabetisierung in Bildern, d. h. eine Aneignung der Sprache der Bilder, stattfindet. Diese Alphabetisierung der Bildsprache sollte in den Schulen und auch in den Hochschulen erfolgen. Dazu gibt es Ansätze. Diese Ansätze sind nicht weit genug geführt worden. Es gibt keine Ästhetik, es gibt keine Ethik dieser Bildersprache. Diese Alphabetisierung ist als ein Bestandteil der zweiten Aufklärung, die notwendig ist, durchaus angebracht, um nämlich mit dem Verständnis der medialen Bildsprache irrationale Auswirkungen zu vermeiden und auch eine gewisse Immunisierung zu erreichen. Erst die Kenntnis der tiefen Dimension dieser Bildersprache verhindert die inhumanen Folgen solcher Filmprodukte und auch der damit verbundenen Werbeprodukte. Da Kultur Ländersache ist, spielen wir, wie wir heute bemerkt haben, hier eine Art Länderkammer. Ich nehme an, daß der Bundeskanzler anschließend auch noch sprechen will. Er hat sich damit ja die Legitimität geschaffen. Dies akzeptieren wir durchaus. ({6}) Wir haben verstanden, daß es Ihnen um Macht geht, und Medienmacht ist Macht. Dies haben wir, dies hat die Linke dieses Hauses sehr lange Zeit arg vernachlässigt. Ich glaube, daß es von einiger Bedeutung ist, daß der Bundeskanzler auch einen bestimmten Paradigmenwechsel vorgenommen hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als er sich in den öffentlichen Medien als ein Tucholsky-Fan gegeben hat. Ich habe mich damals ein wenig gewundert. In der Zwischenzeit wundere ich mich nicht mehr. Er ist mehr ein Ernst-Jünger-Jünger geworden, und dies paßt auch mehr zu dieser Machtstruktur, auch zur Machtstruktur in den Medien. Es ist außerdem so, daß in der Zwischenzeit bekanntgemacht worden ist, daß von einem Mann wie Tucholsky auch solche Sätze übriggeblieben sind wie „Soldaten sind Mörder". Das Zitieren dieses SatGerhard Zwerenz zes ist zu unserer Freude vom Bundesverfassungsgericht für nicht strafbar erklärt worden. ({7}) Übrigens hat 1932 das Reichsgericht denselben Spruch gefällt und Ossietzky und Tucholsky zweimal freigesprochen. Sie wollen doch nicht hinter das Reichsgericht der Weimarer Republik zurückgehen, meine Herren? Ich plädiere dafür, daß diese publizistische Machtsicherung durch eine demokratische pluralistische Gegenmachtsicherung aufgehoben wird. Diese ARD muß gewiß reformiert werden; dies sagen wir seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten. ({8}) - Das haben wir von Anfang an gesagt. Meine Herren, mir können Sie doch nichts erzählen. Ich war bereits ein Autor fürs Fernsehen, als Ihre Seite versucht hat, das Adenauer-Fernsehen zu installieren. Schon damals war ich dabei und habe fürs Fernsehen geschrieben. Mich brauchen Sie nicht zu belehren. Was ich weiß und was ich gelernt habe, ist, daß wir unbedingt pluralistische Strukturen beibehalten, ja neuerdings erst wieder durchsetzen müssen; denn wenn jemand dieses Fernsehen in die Hand bekommt, ist dies ein großes Übel für den weiteren Gang dieser Demokratie und dieser Pluralität. Wir brauchen mehr Pluralität in den Medien, insbesondere im Fernsehen. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Glotz.

Prof. Dr. Peter Glotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000692, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Italien herrscht - Herr Kollege Schlauch hat vorhin darauf hingewiesen - der Berlusconismus. In Deutschland hat der größte Filmhändler, Kirch, 55 000 Programmstunden und 15 000 Filme - die größten Major-Companies in den Vereinigten Staaten haben 12 000 Filme -, er ist gleichzeitig an drei Fernsehanstalten beteiligt und hat einen großen Einfluß auf einen der größten Printmedienkonzerne. Statt in dieser Situation auf neue Konzentrationsregelungen zu sinnen, damit demokratisches Gleichgewicht gewahrt wird, greifen zwei Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler die ARD an. Wenn ich das sehe, kann ich nur sagen: Herr Kohl, Sie haben alle Proportionen verloren. ({0}) Lieber Herr Ministerpräsident Stoiber, daß es bei der ARD und bei den Rundfunkanstalten Reformnotwendigkeiten gibt, ist uns, die wir schon seit langer Zeit miteinander über dieses Thema diskutieren, sicherlich bekannt. Wenn Sie über eine Reform hätten diskutieren wollen, dann hätten Sie in diese Diskussion nicht die Kritik beispielsweise an einer Rundfunkanstalt, dem WDR, hineinmischen dürfen. Das war in sich völlig inkonsequent. ({1}) Die Sendung, die Sie da kritisiert haben, Herr Bundeskanzler, war eine ärgerliche Bemerkung zu Herrn Fritzenkötter beim Spaghettiessen wert. Das wäre richtig gewesen. Aber ein Bundeskanzler - auch wenn er den Hut des Parteivorsitzenden dabei aufsetzt -, der sich öffentlich gegen eine Rundfunkanstalt äußert und damit an der Demontage einer Anstalt mitwirkt, die seit 40 Jahren in dieser Demokratie mitarbeitet und in der 4 000 Menschen arbeiten, gerät außer Rand und Band. Das ist die Situation, meine Damen und Herren! ({2}) Schauen Sie, wir reden über das Verfassungsgericht. Dieses hat im dritten Leitsatz des Gebührenurteils wörtlich gesagt: Die Gebühr darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik eingesetzt werden. ({3}) Es hat weiter gesagt: Wir brauchen eine vorsichtige, eine neukonzipierte Kommission, die über Gebührenerhöhungen entscheidet. Und schließlich sagt es: Kein politischer Druck! - Aber bevor die Kommission überhaupt entschieden hat, kommt der Kanzler und sagt: Eine weitere Erhöhung der Rundfunkgebühren kommt nicht in Frage. - Das ist eine Einmischung, die Ihnen schlicht nicht zusteht, Herr Kohl! ({4}) Das heißt ausdrücklich, Herr Ministerpräsident: Es ist möglich, über Reform zu diskutieren. Aber Reform mit der Abrißbirne und mit der Planierraupe, das macht keinen Sinn. ({5}) Und damit bin ich bei der mangelnden Unterscheidungsfähigkeit auch von Leuten, die sich schon lange mit Medien beschäftigen, wie Edmund Stoiber. Warum unterscheiden Sie denn nicht zwischen Rationalisierung, Herr Ministerpräsident, Programmeinschränkung, Zerschlagung und Einstellung ganzer Rundfunkanstalten? Also, Rationalisierung würde heißen: Das gleiche, was jetzt an Programm geliefert wird, kann man auch billiger liefern. - Das kann man, und darüber muß man diskutieren. Schon bei Programmeinschränkung würde die Palette gegenüber dem Kunden, dem Zuschauer, verringert. Aber auch über Einschränkungen einzelner Programme kann man selbstverständlich diskutieren. Die ARD hat ihr Satellitenprogramm kürzlich mit dem ZDF zusammengelegt. Solche Maßnahmen sind sicher auch im Hörfunkbereich da und dort denkbar. Aber jetzt ganze Rundfunkanstalten, deren Programme ja doch auch Ausdruck eines Bundeslandes sind, der geistige Ausdruck dessen, was in dem jeweiligen Bundesland stattfindet, einfach wegzuräumen und das in einem Atemzug zu diskutieren, das ist nicht logisch. Wer bayerische Interessen vertritt, lieber Herr Stoiber, müßte auch saarländische oder bremische Interessen verstehen können. ({6}) Die Zerstörung der Stimme eines Landes aus rein rechnerischen Gründen ist für mich nicht Föderalismus, sondern das ist für mich Kameralistik, Herr Stoiber. ({7}) Also, die „Abtreibung" kleiner Rundfunkanstalten ist für mich antiföderalistisch. Ich halte das für falsch. Und ich sage gerade Ihnen als jemandem, der, wie Sie so nett sagten, 15 Jahre im bayerischen Rundfunkrat war: Es geht nicht nur um Pluralismus zwischen den Anstalten, gleich großen, sondern es geht auch um Pluralismus in den Anstalten selbst, einschließlich des Bayerischen Rundfunks. ({8}) - Aller Rundfunkanstalten. Ich füge hinzu, daß das Verfassungsgericht den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht nur eine Bestandsgarantie, sondern auch eine Entwicklungsgarantie gegeben hat. Jetzt stehen wir vor einer völlig neuen technischen Entwicklung: dem digitalen Fernsehen. ({9}) - Lieber Herr Scholz, weil Sie „Sehr richtig!" dazwischenrufen: Deswegen ist es illegitim, den Versuch zu machen, diese neue technische Entwicklung nur den Privaten vorzubehalten, die Offentlich-Rechtlichen aber völlig davon auszuschließen. Das darf man nicht machen. ({10}) Sie, meine Damen und Herren, reden ständig von Deregulierung, von Wettbewerb, von der Zulassung neuer Wettbewerber. Aber Sie wollen alte Rundfunkanstalten von dieser modernen Technik ausschließen. Das ist illegitim und nur eine Begünstigung bestimmter Unternehmer, von denen Sie sich Unterstützung erhoffen. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren. ({11}) Meine Schlußbemerkung ist sehr grundsätzlicher Natur. Ich bin der Überzeugung - Sie müssen sie nicht teilen, aber ich weiß, daß viele sie teilen, Herr Scholz -, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeinsam mit der Müller-Armackschen Idee der Sozialen Marktwirtschaft, gemeinsam mit der Konstruktion der Einheitsgewerkschaften und der Tarifautonomie die tragenden Säulen dieser zweiten Republik waren und noch immer sind. ({12}) Das war über viele Jahrzehnte die gemeinsame Auffassung der demokratischen Parteien und der Repräsentanten dieser demokratischen Parteien. Daß ausgerechnet der Bundeskanzler jetzt an diesem Konsens herummurkst, ist schandbar und schädlich. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat der Abgeordnete Rupert Scholz.

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schon ein eigentümliches Verfassungsverständnis, das hier zelebriert wird: Da wird der Bundeskanzler kritisiert, weil er als Bundesvorsitzender der Union - selbstverständlich in dieser Funktion - zu zentralen Fragen unseres Medienrechts und unserer Medienpolitik Stellung nimmt. Da bekommen wir auf der anderen Seite eine Resolution der SPD auf den Tisch. Da soll der Deutsche Bundestag die Länder auffordern - das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn man das verfassungsrechtlich bewertet -, Konzentrationskontrolle einzuleiten. ({0}) Das geht den Bundestag überhaupt nichts an, meine Damen und Herren! Das ist Länderkompetenz! ({1}) Die SPD geht weiter: Sie droht an, daß der Bundestag im anderen Fall kartellrechtliche Maßnahmen nach Art. 74 Nr. 16 des Grundgesetzes prüfen wird. Das ist gar nicht Zuständigkeit des Bundestages. ({2}) Das ist Ländersache. Aber man kann über das Verfassungsbewußtsein der Opposition vielfältig reflektieren. Herr Eichel, Sie haben gesagt: „Monitor" muß man ertragen. Ich gebe zu: Es fällt manchmal schwer - Ihnen wahrscheinlich weniger. Aber ich hätte unter verfassungsrechtlichen Aspekten auch etwas erwartet - diese abscheulichen Zynismen in jener Sendung, die wir alle vor Augen haben, die Herr Schlauch eben noch einmal hochgejubelt hat -: ({3}) Auch ein Bundeskanzler, auch die Medien haben das Persönlichkeitsrecht unserer Verfassung zu achten. Auch das ist Verfassung! ({4}) Unsere Verfassung ist bei der Rundfunkfreiheit sehr klar: Sie garantiert in der Tat den staatsfreien Funk, sie garantiert das duale System, sie garantiert die Programmfreiheit, sie garantiert die Grundversorgung, aber sie garantiert auch den Wettbewerb. Das sind die Grundpfeiler, wie sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 GG zum Ausdruck gebracht hat. Niemand darf in der Tat in die Programmfreiheit eingreifen. Richtig ist auch, Herr Glotz, daß eine Bestands-und Entwicklungsgarantie für die öffentlichen Rundfunkanstalten gegeben ist. Das ist richtig. Sie haben eben mit Recht ebenfalls darauf hingewiesen, daß wir im Zuge der Digitalisierung vor grundlegend neuen Entwicklungen stehen. Wohlgemerkt, um das klarzustellen: Wir sind nicht der Meinung, daß die öffentlichen Rundfunkanstalten hier auszuschließen sind - keineswegs. Aber sie müssen sich diesen neuen Herausforderungen stellen. Sie müssen sich ihnen auch mit der Maßgabe dessen stellen, was Finanzierung heißt: 7 Milliarden DM - Herr Stoiber hat darauf hingewiesen - beträgt das Gebührenaufkommen. ({5}) 7 Milliarden DM - das ist ein Betrag, den der Bürger wirklich einmal realisieren muß. ({6}) Da schreibt zwar Ihr Herr Klimmt heute in der „Frankfurter Rundschau" vom „Lamento". Aber 23,80 DM im Monat sind eine Menge Geld, ({7}) vor allem wenn ich dieses Geld als Bürger ohne Rücksicht darauf zahlen muß, ({8}) inwieweit ich die Leistungen des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens überhaupt in Anspruch nehme. ({9}) Das Bundesverfassungsgericht ist hier natürlich unvollkommen zitiert worden, ({10}) wie das Ihrem Scheinverfassungsverständnis entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Gebührenpolitik in den von Ihnen nicht mehr verlesenen Leitsätzen, Herr Glotz, sehr ausführlich Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und die Berücksichtigung der Interessen der Gebührenzahler gefordert. ({11}) Das sind die entscheidenden Maßstäbe. Für nichts anderes setzen wir uns hier ein. ({12}) Meine Damen und Herren, es geht nicht mehr so weiter, ({13}) daß wir das System eines ausgewogenen Wettbewerbs zwischen öffentlichen und privaten Rundfunkanstalten über die Selbstkommerzialisierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zunehmend unterlaufen. Die Ausdehnung der Werbung, die Ausdehnung des Sponsoring - das geht nicht mehr. Machen Sie das dem Bürger einmal klar: Er zahlt seine Gebühr, und zu Sendungen, die eindeutig zur Grundversorgung gehören, bekommt er mitgeteilt, sie seien ihm von der Brauerei XY bzw. der Wetterbericht sei ihm von der Brauerei Z serviert worden. Vielleicht kommen wir eines Tages allerdings dahin - das räume ich Ihnen ein -, daß „Monitor" von einer Schnapsbrennerei gesponsort wird. Das würde manche Dinge verständlicher machen. ({14}) Es ist von entscheidender Bedeutung, meine Damen und Herren, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich in der Grundversorgung auf das konzentrieren, was Gebührenfinanzierung heißt. Damit muß auch das Gebührensystem reformiert werden und damit müssen auch die Verteilungsmaßstäbe reformiert werden. Herr Stoiber hat mit Recht darauf hingewiesen: Nur 30 % für das ZDF. Herr Stolte beklagt das mit Recht, und er ruft nach der Öffnung der Grenzen: Werbung nach 20 Uhr. Das ist nicht der richtige Weg. Aber Herr Stolte ist unbestreitbar in einer Notlage, weil er nicht mehr aus diesem Dilemma herauskommt. 7 Milliarden DM müssen gerechter verteilt werden. Das ist unsere Auffassung. Meine Damen und Herren, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen sich den Reformen stellen. Herr Glotz, das ist auch Ihre Meinung. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin möchte ich eine Äußerung von Ihnen zitieren, dem Medienpolitiker der SPD, Peter Glotz, im Branchendienst „text intern" am 29. Dezember 1993: Frage: Noch ein Wort zu ARD zu ZDF. Hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Ihren Augen noch eine Zukunft? Antwort Peter Glotz: Unter den jetzigen Gegebenheiten sicher nicht. ({15}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat überhaupt nur dann eine Zukunft, wenn sich die Manager von ihrer selbstbewußten Arroganz verabschieden, ihre Anstalten rationalisieren und Lean management betreiben. ({16}) Das ZDF versucht das, indem allein im Etat für 1994 einige Millionen DM gestrichen werden sollen. Bei der ARD gibt es zwar einzelne Anstalten, die dasselbe tun; andere aber gründen jetzt noch weitere Hörfunkprogramme, ohne andere zu streichen. Das halte ich für verwegen und für fragwürdig. In ihrer heutigen Konstruktion gebe ich der ARD eine schlechte Prognose, wenn sie ihre Politik nicht verändert. Meine Damen und Herren, das sind Töne, lieber Herr Glotz, die nicht von uns sind und die wir niemals so sprechen würden, weil wir zu dem dualen System unserer Rundfunkverfassung stehen. ({17})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Scholz, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glotz?

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Herr Glotz, ich habe Sie zitiert. Damit ist alles gesagt. Sie haben doch hier zusätzliche Minuten von mir bekommen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich räume gern ein, daß man - das ist wahrscheinlich in der Natur der Sache eingeschlossen - über Medien auch emotional streitet. Aber emotionaler Streit dieser Art muß im Ergebnis sachlich sein und auf Sachlichkeit zurückgeführt werden. Entscheidend ist: Wir brauchen eine Reform unserer rundfunkrechtlichen Strukturen. Wir brauchen eine Reform, die wieder wettbewerbsfähige Einheiten schafft. Wir brauchen dies auch im Licht des Föderalismus. Es geht nicht an, daß eine Anstalt - der WDR - 21 % des Gebührenaufkommens empfängt. Eine Anstalt in einem Bundesland unter 16 hat 21 %! Das ist unausgewogen. ({1}) Wer sich zum Föderalismus bekennt, muß sich auch zur Ausgewogenheit bekennen, muß sich zu einem ausgewogenen Wettbewerb bekennen, muß sich zur Vielfalt bekennen. In diesem Sinn begrüßen wir die Thesen der Ministerpräsidenten Biedenkopf und Stoiber. Sie haben einen wichtigen, einen entscheidenden Anstoß zu der Debatte gegeben. Wir laden Sie ein, an dieser Debatte sachlich teilzunehmen. Warum soll das übrigens nicht auch einmal im Deutschen Bundestag geschehen, allerdings nicht mit solchen verfassungswidrigen Vorschlägen, wie Sie sie gemacht haben, sondern verfassungsmäßig. Der Deutsche Bundestag hat ebenfalls das Recht, hierzu zu sprechen, und nicht zuletzt der Bundeskanzler Helmut Kohl. Vielen Dank. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat der Abgeordnete Fischer ({0}). ({1})

Joseph Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000552, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir hier heute erleben, ist die Fortsetzung einer Art unglaublicher Heuchelei und ein Schmierenstück seitens der Union, angeführt von ihrem Vorsitzenden und Bundeskanzler, Helmut Kohl. ({0}) Sie kommen, Herr Stoiber, im Gewande eines Reformators hierher. In Wirklichkeit betreiben Sie doch nur Ihre parteipolitischen Interessen mit der Abrißbirne gegen mißliebige Journalisten und mißliebige Rundfunkanstalten. ({1}) Joseph Fischer ({2}) Wir müssen doch, Herr Stoiber, überhaupt nicht über die Frage notwendiger Reformen reden ({3}) - nein, die blockieren überhaupt niemanden -, sondern die entscheidende Frage ist: Sie verbinden notwendige Reformen schlicht und einfach damit, daß Sie eine grundsätzliche Veränderung der Rundfunklandschaft wollen. Sie wollen erstens ein Stoiber-getreues Regionalfernsehen oder ein Biedenkopf-getreues oder ein Kanzler-Fernsehen, und zum zweiten wollen Sie - hier sind Sie im Grunde genommen nichts anderes als derjenige, der den Auftrag der Privaten umgesetzt hat; so wortwörtlich in Ihrem Papier - die Landschaft auf Grund des nächsten technologischen Sprungs bei den televisionären Medien für die privaten Unternehmen planieren. Dies sollten Sie auch so offen sagen. ({4}) Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt, meine Damen und Herren. Da hört die Freundlichkeit auf, Herr Bundeskanzler. Da können Sie sich auch nicht in die Rolle des Landesvorsitzenden zurückziehen. ({5}) - Entschuldigung! Ich wollte Sie gerade mit Herrn Stoiber auf eine Stufe stellen. Sie sind selbstverständlich der Bundesvorsitzende! Entschuldigung! Ich bitte ergebenst um Entschuldigung für diese Majestätsbeleidigung. Man muß sich hier ganz neue Formen angewöhnen. Da hört die Freundlichkeit auf. Sie sind vorhin, als es um die Männerfreundschaft Berlusconi ging, auf die der Kollege Schlauch hingewiesen hat, Herr Bundeskanzler, relativ ausgeflippt. Ich möchte Ihnen eines sagen: Was hier in den letzten Wochen abgelaufen ist und was die eigentliche Intention dessen ist, was auch Sie ganz persönlich betreiben, läuft darauf hinaus, daß Sie erkannt haben, welche Bedeutung Medienmacht in der modernen Politik hat. Ich sage Ihnen: Gerade in Italien kann man sehen - und wir wollen solche italienischen Verhältnisse nicht -, ({6}) wie es ist, Herr Bundeskanzler, wenn in einer Situation der Krise, der Institutionenkrise plötzlich demokratisch nicht kontrollierte und nicht mehr kontrollierbare Medienmacht dazu eingesetzt wird, politische Macht zu produzieren. Dies ist - das behaupte ich und werfe es Ihnen vor - die eigentliche Intention: dieses unangenehme ARD-Fernsehen flächendeckend wegzubekommen. Das ist der eigentliche Grund, der hinter allem steckt. ({7}) Sie wollen hier eine Form von Kanzlerfernsehen über den privaten Sektor und über die Dritten Programme durchsetzen. Das ist Ihre eigentliche Intention. ({8}) Das Sie dies als Bundeskanzler betreiben, Herr Dr. Kohl - das behaupte ich -, geht direkt gegen die Verfassung, auch wenn Sie sich hier als Bundesvorsitzender der Union entsprechend darstellen. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben sich den WDR als Feindbild ausgesucht. Sie selbst haben sich hingestellt und hier eine offene Feinderklärung produziert. Ich frage Sie: Ist das mit unserer Verfassung vereinbar? Genauso frage ich Sie, wenn Sie sich hier hinstellen. Daß sich ausgerechnet die Union zum Anwalt und zur Anwältin der Menschen macht, daß die Gebühren nicht steigen, während sie gleichzeitig Steuererhöhungs- und Gebührenerhöhungsweltmeister ist, meine Damen und Herren, zeigt doch, daß dies nur ein Vorwand ist. ({9}) Wir wollen - und dafür werden wir kämpfen, und ich bin sicher, in diesem Land gibt es dafür eine große Mehrheit - ein klares Nein zu jedem Versuch, hier italienische Verhältnisse einzuführen. Wir wollen einen klaren Ansatz zur Entflechtung der privaten Medienmacht. Ich möchte endlich auch die Sozialdemokraten dazu aufrufen, die Möglichkeiten der Landesrundfunkgesetze endlich entschieden zu nutzen. Es kann doch nicht sein, daß Herr Kirch über Familienbeziehungen, über entsprechende Briefkastenfirmen und ähnliches informelle Macht in einem Ausmaß konzentriert, wie es die Landesmediengesetze nicht zulassen. Da muß doch endlich Einhalt geboten werden, meine Damen und Herren. ({10}) Wir fordern eine klare Bestandsgarantie für ein flächendeckendes erstes Programm - das darf nicht Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten werden, meine Damen und Herren - und damit eine klare Absage für die Pläne von Stoiber, Kohl und Biedenkopf. ({11}) Darüber hinaus werden wir verfassungsrechtlich überprüfen lassen - das werden wir tun, Herr Bundeskanzler -, was die Bundesregierung überhaupt in den Aufsichts- und Verwaltungsgremien von ZDF und Deutschlandradio zu suchen hat und inwieweit dies mit den Verfassungsgrundsätzen der Rundfunkfreiheit vereinbar ist. ({12}) Ein letztes: Bei allem Reformbedarf dürfen wir die finanzielle Erdrosselung der öffentlich-rechtlichen Sender nicht zulassen. Sie stellen sich hierhin und beklagen in durchsichtiger Absicht immer wieder Joseph Fischer ({13}) diese 7 Milliarden DM. Das ist doch eine Rechnungseinheit, die seit der Ära Waigel/Kohl niemanden mehr aufregt, meine Damen und Herren. Schauen Sie sich doch einmal genau an, welche 7-MilliardenDM-Defizite, die zu decken sind, Sie fast täglich neu produzieren! ({14}) Sie kommen mit diesen 7 Milliarden DM an, fügen aber nicht hinzu - gerade Sie als Verfassungsrechtler, Herr Scholz -, daß das Bundesverfassungsgericht ohne Wenn und Aber klar gesagt hat, daß es für eine ausreichende Grundversorgung ein gebührenfinanziertes Fernsehen geben muß, weil dies ein elementarer Grundsatz unserer Verfassung und unserer Verfassungswirklichkeit ist. Deswegen zum Schluß, Herr Bundeskanzler: ({15}) Wir fordern Sie auf, nicht nur in Interviews, nicht nur draußen in irgendwelchen Parteigremien, sondern in Ihrer Verantwortung als Bundeskanzler hier vor dem Deutschen Bundestag zu Ihren Absichten, Ihren Plänen und Ihren Angriffen klar Stellung zu beziehen. Kneifen Sie nicht länger! ({16})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Stadler.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hegt in der derzeitigen medienpolitischen Situation bestimmte Erwartungen an die Bundesländer. Unsere Eckpunkte lauten: Staats- und Parteienferne der Rundfunkanstalten, Erhalt des Gemeinschaftsprogramms der ARD bei gleichzeitiger Strukturreform, Ausnutzung des Spielraums für Einsparungen statt Gebührenerhöhungen, Sicherung von Meinungsvielfalt und Wettbewerb durch Antikonzentrationsregelungen bei den Privatsendern und schließlich Zurückdrängen des Parteieneinflusses auf die Rundfunkräte und sonstigen Kontrollgremien. ({0}) Bei der Durchführung dieser Vorhaben, Herr Fischer, geht es allerdings beileibe nicht um italienische Verhältnisse. Es geht vielmehr um zentrale Fragen unserer freiheitlichen Verfassung. Daran, wie diese Fragen gelöst werden, wird man ermessen können, ob die Parteien, und zwar alle, in der Lage sind, eigenen Einfluß zugunsten von Meinungsvielfalt und Pressefreiheit zurückzunehmen. Kurz gesagt: Es geht um die Frage von Machtverzicht. Vor allem aber steht die Leistungsfähigkeit des Föderalismus auf dem Prüfstand: Der Föderalismus ist aus gutem Grunde ein maßgebliches Strukturprinzip des Grundgesetzes. Aber, der Föderalismus führt auch zu komplizierten Entscheidungswegen, vor allem wenn Übereinstimmung aller Bundesländer bei der Ausgestaltung von Staatsverträgen angestrebt wird. Wir fordern daher die Länder zu einer einvernehmlichen Strukturreform der ARD auf, um die Effektivität des föderalen Systems in diesem Bereich unter Beweis zu stellen. Als Bundestagsfraktion können wir sie dabei nur mit Erwartungen konfrontieren. Erstens. Wir sind gegen Parteiensender jeder Art. ({1}) Die F.D.P. tritt strikt für das Gebot der Staatsferne und damit der Parteienferne aller Rundfunksender ein. Die Diskussion in den vergangenen Tagen ist bisweilen in einer Form geführt worden, durch die sich den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck aufgedrängt hat, den großen Parteien gehe es vorwiegend um die Wahrung ihrer eigenen politischen Einflußnahme auf die Fernsehanstalten. ({2}) Die durchaus notwendigen Reformen dürfen aber nichts mit Disziplinierung mißliebiger Journalisten zu tun haben. ({3}) Dies wäre ein Angriff auf die Pressefreiheit. Jeder weiß, daß es zu den großen Traditionen des Liberalismus gehört, sich jeglichen offenen oder verdeckten Angriffen auf die Pressefreiheit zu widersetzen. ({4}) Sie, Herr Ministerpräsident Stoiber, wären als Reformer etwas glaubwürdiger, wenn es nicht eine bayerische Vorgeschichte gäbe, die natürlich analog auf den WDR genauso zutrifft. Bei der CSU ist es ja gerade sprichwörtlich geworden, Einfluß auf den Bayerischen Rundfunk über die Personalpolitik und über den Rundfunkrat zu nehmen. Deshalb ist es leicht nachvollziehbar, daß Sie das Dritte Programm zu einem Vollprogramm ausgebaut haben, nun das Loblied dieses Dritten Programms singen und das Erste Programm hintanstellen wollen. Das muß man hier unter Bayern einander durchaus einmal sagen dürfen. ({5}) Zweitens. Die F.D.P. bekennt sich eindeutig zum dualen System. Im öffentlich-rechtlichen Bereich streben wir weder die Privatisierung des ZDF noch die Abschaffung der ARD an. Das heißt im Klartext: Wir wollen auch, daß es weiterhin das Erste Fernsehprogramm in der bisherigen oder einer ähnlichen Form gibt. Der bekannte Passauer Medienrechtler Professor Bethge hat bei einem Symposion am 13. Januar 1995 in München sogar die Auffassung vertreten, die föderative Ordnung des Grundgesetzes gebiete es geradezu, ein bundesweites öffentlich-rechtliches Vollprogramm anzubieten, das nach Art der jetzigen ARD von den Rundfunkanstalten der Länder gemeinsam zu gestalten sei. Ein Angebot lediglich aus dem eher zentralistisch ausgestalteten ZDF in Verbindung mit den regionalorientierten Dritten Programmen würde nach Meinung Bethges den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerade nicht entsprechen. Das heißt, wir sind bei dem zentralen Punkt Ihrer Argumentation: Gerade aus Gründen des Föderalismus ist es erforderlich, daß es das Vollprogramm der ARD weiter gibt, weil sich eben darin die unser Land auszeichnende Vielfalt am besten widerspiegelt. ({6}) Ob man sich dieser Auffassung aus verfassungsrechtlichen Gründen anschließen mag, kann der Diskussion unter Staatsrechtlern vorbehalten bleiben. Wir wollen das aber aus politischen Gründen weiterhin so haben. Drittens. Allerdings erwarten wir eine strukturelle Reform der ARD; wir erwarten äußerst sparsames Wirtschaften: Einsparungen haben Vorrang vor einem erneuten Drehen an der Gebührenschraube. Wir erwarten von den gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten ein Finanzgebaren, das Gebührenerhöhungen - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - überflüssig macht. ({7}) Viertens. Die Strukturreform der ARD ist eine Aufgabe der Bundesländer. Es muß aber gewährleistet sein, daß diese Strukturreform ausschließlich auf größere betriebswirtschaftliche Effizienz abzielt und daß es nicht um verdeckte Einflußnahme auf Programm und Personen geht. ({8}) Gegen Eingriffe in die Pressefreiheit haben wir uns im Saarland zur Wehr gesetzt, und wir würden das auch in diesem Falle tun. ({9}) Wie die Strukturreform im Detail aussieht, ist Sache der Länderparlamente; dazu machen wir als Bundestagsfraktion bewußt keine Vorschläge. Fünftens. Meine Damen und Herren, die Gesetzgeber in den Bundesländern haben zudem zwei weitere wichtige legislatorische Aufgaben noch nicht gelöst: a) Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das Prinzip der Staatsferne auch bei der Gebührenfestsetzung zu verwirklichen, ist bisher nirgends realisiert worden. b) Im Bereich der privaten Rundfunk- und Fernsehsender gibt es bisher keine überzeugenden Modelle, wie Meinungsvielfalt und Wettbewerb durch Konzentrationsbeschränkungen praktikabel gesichert werden können. ({10}) Sechstens. Es ist schließlich eine zentrale Aufgabe zur Sicherung der Staats- und Parteienferne der Rundfunkanstalten ungelöst: Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien muß dringend geändert werden. Der dominierende Einfluß von Landesregierungen, Landesparlamenten und damit Parteien muß zurückgedrängt werden. ({11}) Wir haben dazu in unserem Bundestagswahlprogramm konkrete Vorschläge vorgelegt, u. a. die Beteiligung auch derer, auf die es ankommt: der Gebührenzahler. ({12}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wir hoffen, daß die Parteien, daß wir Parteien stark genug sind, auf eigenen Einfluß im Rundfunkbereich zu verzichten. Wir hoffen, daß die föderale Grundordnung effizient genug ist, die schwierigen Strukturprobleme zu bewältigen. Vielen Dank. ({13})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rudolf Scharping.

Rudolf Scharping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002769, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist das Wort „Zynismus" gefallen. Ich frage mich, ob der Bundeskanzler eine gewisse Zeit nur deswegen hier verbringt, um dem Gespräch mit dem russischen Menschenrechtler Kowaljow zu entgehen. ({0}) Ich finde es jedenfalls hochbeachtlich, sich im Zusammenhang mit einem Beitrag von „Monitor" aufzuregen und dann gleichzeitig im Bundestag die Gelegenheit zu nutzen, hier zu sitzen und einen Vorwand zu schaffen, um dem Gespräch mit Herrn Kowaljow auszuweichen, anstatt hier einmal etwas zu den eigenen Vorstellungen zu sagen. Das finde ich hochbeachtlich. ({1}) Es ist mir doch völlig gleichgültig, ob der Bundeskanzler als CDU-Vorsitzender oder als Bundeskanzler redet. Jeder weiß, daß er seit Jahren eine ausgeprägte Apathie gegen jede Form von Transparenz und Kritik hat.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Scharping, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäuble?

Rudolf Scharping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002769, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich halte es jetzt mit Herrn Scholz. ({0}) - Das ist doch völlig klar. Sie können doch nicht mit Ihren Rednern Maßstäbe setzen und dann so tun, als müßten wir uns anders verhalten. Ich denke gar nicht daran. ({1}) Selbst wenn man sich mit dem CDU-Bundesvorsitzenden auseinandersetzt, bleibt eine Frage: Wie will der Vorsitzende einer Partei, die sich christlich nennt, eigentlich vertreten, daß die kulturelle Vielfalt und anständige, kinderfördernde, medienpädagogisch aufgebaute Sendungen dem Kommerz unterworfen werden? Wo außer bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es das denn im dualen System? ({2}) Wo soll denn Ihre sogenannte Verschlankung stattfinden? Auch ich gucke ja schon Programme privater Anbieter an. Und dennoch, so glaube ich, sind viele Menschen in diesem Land außerordentlich froh, daß sie einmal eine kulturell wertvolle, eine informierende, eine aufklärende Sendung sehen können, ({3}) ohne daß sie dauernd durch Werbung unterbrochen wird und ohne daß danach Sex und Crime gesendet werden. Auch das hat etwas mit der kulturellen Basis eines Landes zu tun. ({4}) Ich will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Es ist ja schon sehr bezeichnend, welche Worte in dieser Debatte verwendet werden. ({5}) Da sagen hier manche, es gehe um Meinungsvielfalt. ({6}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört den gesellschaftlichen Gruppen. Als ich damals als Ministerpräsident darüber verhandelt habe, ob man einmal neue Entwicklungen stärken und beispielsweise dem Gedanken des Umweltschutzes Rechnung tragen könnte, indem man den Umweltverbänden einen Sitz in diesen Gremien anbietet, ob man beispielsweise die Situation von Frauen dadurch besser darstellbar macht, indem man Frauenverbände stärker in die Gremien der Rundfunkanstalten holt, da war es doch die Union, die auf der Ebene der Ministerpräsidenten alle diese Entwicklungen zu blockieren versucht hat. ({7}) Es ist die reine Heuchelei, wenn Sie sich hier hinstellen und von Vielfalt reden, die Sie an anderer Stelle genau verhindert haben. Es wird davon gesprochen, das Erste Programm sei zu teuer, es solle schlanker werden und die dritten Programme müßten dann einen anderen Stellenwert bekommen. Dann frage ich einmal die Ministerpräsidenten wie den Kollege Stoiber: Was bieten Sie dem Gemeinschaftsprogramm, in dem der Bayerische Rundfunk feste Plätze hat, eigentlich an? ({8}) Wie können Sie hier eigentlich behaupten, es gebe dort keine Chance, der WDR sei zu stark, weil er 21 % der Gebühren bekomme? Nun gut, in diesem Land leben auch 18 Millionen Menschen. ({9}) Der WDR bekommt genau den Anteil der Gebühren, der ihm nach der Zahl der Fernsehgeräte im Land Nordrhein-Westfalen zusteht, nicht mehr und nicht weniger. ({10}) Hier wird eine Vernebelungsdebatte geführt. Das sage ich auch mit Blick auf Sie, Herr Kollege Stoiber. Daß sich ein bayerischer Ministerpräsident über Meinungsvielfalt Gedanken macht, ist angesichts der Zustände im Bayerischen Rundfunk eine hochbeachtliche Leistung. ({11}) Ich muß Ihnen das auch deshalb so deutlich sagen, weil Bayern das einzige Land in Deutschland gewesen ist, in dem die Bürger durch Volksbegehren dafür sorgen mußten, daß die Rundfunkfreiheit gesichert bleiben konnte. ({12}) Wenn dann hier einige sagen: „Gleichgewichtige Vielfalt setzt gleichgewichtige Partner voraus", dann muß ich, meine Damen und Herren, sagen - ich habe schon verstanden; da beginnt die Politik -: Es ärgert Sie massiv, daß an bestimmten Plätzen Korrespondenten sind. Auch das Folgende wissen wir alle von uns selber: Natürlich erliegen wir alle hier und da der Versuchung, Einfluß auf Personalentscheidungen zu nehmen. So heuchlerisch sollte niemand argumentieren. Aber mit welcher Ungeniertheit aus manchen Landesregierungen und der Bundesregierung in laufende Sendungen hineintelefoniert wird - nicht nur bei Privaten -, ({13}) das verdient doch auch Erwähnung. ({14}) Ich sage in aller Deutlichkeit: Reden Sie angesichts Ihrer Praxis hier doch nicht von Vielfalt. Ihnen sind alle Leute ein Dorn im Auge, die für das sorgen, was Demokratie unabdingbar braucht, nämlich Durchschaubarkeit von Interessen, Durchschaubarkeit von Machtstrukturen, Durchschaubarkeit von Entscheidungen. Wenn man sich seelisch und emotional so fühlt, als stünde man praktisch vor Krönungsfeierlichkeiten, dann empfindet man es auch als Majestätsbeleidigung, wenn ein Politiker - ganz egal, welche Funktion, Kanzler oder Parteivorsitzender, er nun ausüben mag - einmal kritisch gewürdigt wird. Die langweiligen Geschichten, wie sie damals mit dem Regierungsfernsehen à la Konrad Adenauer versucht und wie sie jetzt geschaffen worden sind, habe ich persönlich satt. Ich glaube, auch viele Leute haben kein besonders großes Interesse daran, sich diese Langweilersendungen weiter anzuschauen, die nach dem Motto funktionieren: Stellen Sie mir doch bitte einmal zu folgender Antwort die passende Frage. ({15}) Ich will Ihnen auch in aller Deutlichkeit sagen: Bei der Frage der Pluralität geht es nicht darum, zwischen verschiedenen Anstalten Pluralität herzustellen. Es geht darum, in den Anstalten selbst Pluralität zu beweisen. ({16}) Gegen diesen Grundsatz haben Sie - das sage ich aus den Kenntnissen meiner früheren Tätigkeit - verstoßen. Immer dann, wenn es darum ging, eine bessere Repräsentanz gesellschaftlicher Gruppen zu ermöglichen, ist doch sorgfältig und fröhlich gerechnet worden. Ich will Ihnen auch etwas im Zusammenhang mit dem ZDF sagen. Jawohl, die Länder haben damals - als ich als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Ministerpräsidenten Staatsverträge auszuhandeln hatte -, um überhaupt einen Staatsvertrag zustande zu bekommen, akzeptiert, daß man an manchen Stellen nicht so weit gegangen ist, wie es eigentlich geboten gewesen wäre. Aber erklären Sie mir doch bitte einmal: Welches Verständnis haben die Bundesregierung und der Bundeskanzler von der Verfassung und von den durch die Verfassung garantierten Grundsätzen, wenn man auf der einen Seite den Versuch macht - damit sich die Mehrheit der Länder in den Gremien des ZDF nur ja nicht widerspiegeln kann -, auch dem Bund im Verwaltungsrat des ZDF zu belassen - die Frage ist schon richtig gestellt -, und auf der anderen Seite nach der Methode verfährt, die Ihrer Medienpolitik doch schon seit Jahren zugrunde liegt: die Öffentlich-Rechtlichen prügeln, damit sie ein Stück zurückgehen und im übrigen parteipolitisch gefügiger werden und durch ihr Zurückgehen den Raum für ein schlicht an kommerziellen Erwägungen orientiertes Fernsehen schaffen. Das ist Ihre Strategie, die Sie seit Jahren verfolgen. ({17}) Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Damit ist Schluß. Sie werden niemanden auf der Länderseite - soweit sie von Sozialdemokraten beeinflußt oder bestimmt wird - finden, der die Hand dazu reicht, im Rahmen einer Pseudo-Strukturreform - eine wirkliche Strukturreform müßte aus den Anstalten und dürfte nicht von der Politik kommen - unter dem Motto „Schlanke ARD" am Ende dieses für die Informationsvielfalt und die Grundlagen der demokratischen Willensbildung unverzichtbare Programm auf Null zu bringen. Wir haben an den Sendern genug, die dieses jetzt schon regierungsfromm und regierungsfreundlich tun. Wir sind der Auffassung: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich in mehr als 40 Jahren außerordentlich bewährt. Er ist für die demokratische, die kulturelle Substanz und Vielfalt dieses Landes unverzichtbar. Er darf unter dem Stichwort „Schlankheit" nicht ruiniert werden. Auch da sage ich - in völligem Einvernehmen übrigens mit dem Kollegen Fischer oder dem Kollegen Glotz -: Die Leute, die hier davon reden, es müsse gespart werden, die Gebühren dürften nicht erhöht werden, der Staat müsse schlanker werden, erwerben erst in dem Augenblick Glaubwürdigkeit, in dem sie in ihrem eigenen Verantwortungsbereich das tun, was sie von anderen verlangen. Ihre ganze Debatte ist völlig unglaubwürdig und vordergründig. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte Ihnen zur Information noch folgendes mitteilen. Von den Geschäftsführern ist, als die Debatte über dieses Thema auf den Mittwoch gelegt wurde, darum gebeten worden ({0}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer das ist dem Inhalt der Debatte wohl auch angemessen -, daß der Bundeskanzler an dieser Debatte teilnimmt. Er hat sich insofern entsprechend diesem Wunsch verhalten. ({1}) Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wilhelm.

Hans Otto Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, daß der Oppositionsführer in Kenntnis der Tatsache, daß seine eigene Fraktion die Anwesenheit des Kanzlers zu dieser Frage gewünscht hat, ihm heute unterstellt, daß er nur deswegen hierbleibe - man beachte die Wortwahl, die bei ihm bekanntermaßen nicht zufällig ist -, um sich vor dem Gespräch mit dem russischen Menschenrechtler Kowaljow zu drücken. ({0}) Das, was damit zum Ausdruck kommt, ist eine Infamie, ({1}) und zwar eine kalkulierte Infamie. Nehmen Sie mir ab, ich weiß, wovon ich spreche. ({2})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Abgeordneter Wilhelm, ich habe den Sachverhalt klargestellt. Aber ich glaube, daß auch „Infamie" kein parlamentarisch akzeptabler Ausdruck ist. ({0})

Hans Otto Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Obwohl die Opposition auf das gemachte Gesprächsangebot über schwierige strukturelle Fragen unseres Rundfunks substantiell bisher bedauerlicherweise wenig eingegangen ist, will ich, weil ich mich darüber geärgert habe, Herr Glotz, ein ganz persönliches Wort an Sie richten. Dieser Diskussion vorausgegangen und in Ihre Reaktion eingebunden war die Stellungnahme des Kanzlers zu einer als Satire getarnten Unverschämtheit einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. ({0}) Sie haben, Herr Dr. Glotz, darauf hingewiesen, daß weniger diese sogenannte Satire als die Spaghetti und die Tomatensoße des Herrn Fritzenkötter die Reaktion des Bundeskanzlers hätte auslösen müssen. Das empört mich. ({1}) Wissen Sie, warum es mich empört? Weil wir gerade in diesem Haus und in allen Fraktionen mehr darauf achten sollten, daß die Staatsferne oder Staatsfreiheit des Rundfunks umgekehrt bedingt, daß sich auch Redakteure bewußt sind, daß das nicht ihr Eigentum ist, das ihnen zugeordnet wurde. ({2}) Auch die Beiträge, die üblicherweise - es ist bedauerlicherweise kein Einzelfall - als Satire getarnt werden, um Art. 5 des Grundgesetzes in Anspruch zu nehmen, müssen sich an den durch das Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen orientieren; denn danach hat auch Satire, die Kunst ist, ihre Grenzen in der Würde des Menschen. In diesem konkreten Fall wurde sie verletzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily? ({0})

Hans Otto Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Wilhelm, soll die letzte Äußerung, die Sie gemacht haben, bedeuten, daß Sie meinen, daß im privaten Fernsehen größere Spielräume für die Meinungsfreiheit bestehen, und ist deshalb die Empörung darüber, was an Gewaltverherrlichung und an Gewaltdarstellung im privaten Fernsehen stattfindet, auf ihrer Seite nicht so groß?

Hans Otto Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Schlußfolgerungen, die Sie gezogen haben, sind falsch. Das habe ich weder gesagt noch angedeutet. In privaten und in öffentlich-rechtlichen Anstalten haben diese Beiträge immer an staatsvertraglichen Gegebenheiten und an der Verfassung ihre Grenzen. Hans-Otto Wilhelm ({0}) Die Kunst ist nicht völlig frei. Sie hat Ihre Schranken in unserer Verfassung, sowohl für Private als auch für Nichtprivate, und zwar in der Würde des Menschen. ({1}) Ich glaube, daß sich Verletzungsabsichten, die ich wiederholt feststelle, nicht an diesem Verfassungskriterium orientieren. Im übrigen füge ich hinzu: Ich habe andere private Vorstellungen von Satire. Das hat für mich etwas mit Geist, Eleganz und Andeutung zu tun. Das war grobschlächtig und Kloakenjournalismus. ({2}) Meine Damen und Herren, darüber soll sich jeder aufregen. Auch der Bundeskanzler soll sich aufregen dürfen. ({3}) - Lieber Herr Fischer, gelegentlich mögen Ihre Zwischenrufe geistreich sein; ich höre sie selten. Sie haben nach dieser Rede allerdings offenbart, daß Sie von Medienpolitik nicht die geringste Ahnung haben. ({4}) Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - und darum geht es; Stoiber und Biedenkopf haben Vorschläge vorgelegt - ist zu teuer, bürokratisch und überorganisisert. Die Kleinen müssen von den Größeren ausgehalten werden. Der Programmumfang der Öffentlich-Rechtlichen hat sich deutlich vermehrt, von ursprünglich zwei geplanten Vollprogrammen sind fünf weitere im Orbit dazukommen, drei weitere werden folgen. Wir haben über 50 Rundfunkprogramme. Das System wird teurer, die Werbung geht zurück. Es ist nicht mehr finanzierbar. Ich teile, wenn auch nicht in dem Umfang, das Fazit des Kollegen Glotz im „Manager Magazin": „Wenn sich die ARD-Anstalten nicht reformieren, sind sie pleite." Der medienpolitische Sprecher, wenn er es denn ist, sagt: Sie sind pleite. Ich frage Sie: Haben Sie einen konstruktiven Beitrag von diesen innovativen Menschen gehört, wie sie denn, wenn sie pleite sind, diese Pleite abwenden wollen? ({5}) Das ist doch Verweigerung von Nachdenken. Auf was sind denn die Pulverschwaden, die Sie wegen der Vorschläge Stoibers abgeschossen haben, zurückzuführen? Sicher, immer dann, wenn man etwas konkretisiert, macht man sich angreifbar. Wenn Sie das wie Rudolf Scharping machen - sowohl als auch, entweder oder, ein bißchen lean management -, werden Sie die Welt nicht verändern. ({6}) Wenn er einmal dankenswerterweise konkret wird, reden ihm seine Genossen nachher alles wieder weg. Das ist doch die Situation in dieser Partei. Wir wissen nicht, welche Vorschläge Sie konkret machen, um das drohende Desaster 1996, das Herr Glotz beschrieben hat, abzuwenden. Sie verletzen Ihre Pflicht, wenn Sie das nur konstatieren und nichts anderes machen, als Einschränkung der Medienfreiheit zu schreien und zu behaupten, wir wollten die Leute disziplinieren. Wir wollen Leute disziplinieren? Entschuldigung, wer hat denn im Saarland das Pressegesetz gemacht, die Leute eingeschüchtert und den Knebel angelegt? ({7}) Das waren doch nicht wir, das war doch Ihr Troikist, der Herr Lafontaine. Auch wenn wir uns einmal aufregen, wie das jetzt gerechtfertigterweise Herr Kohl getan hat, hat von uns noch niemand von „Schweinejournalismus" gesprochen. Ist das nicht auch von Ihnen? ({8}) Das war doch auch Oskar Lafontaine. Sie wollen uns klarmachen und beibringen, wie man mit Pressefreiheit umgeht. Ihren Nachhilfeunterricht haben wir nicht nötig. ({9}) Machen wir einen Versuch: Wir setzen voraus, daß die Diagnose stimmt, und nehmen die Rauchschwaden, die Sie aufgebaut haben, weg. Herr Stoiber hat darauf hingewiesen, Sie sind aber in der Diskussion bedauerlicherweise nicht darauf eingegangen. Machen wir also gemeinsam den intellektuellen Versuch, nachzuvollziehen, was Sie wirklich in diesen Fragen - ({10}) - Ich weiß schon, wenn Sie das hören, werden Sie aufgeregt. Da müßten Sie ja was bringen, meine Damen und Herren. Herr Beck schreibt: „Die ARD ist ein Patient." Eine Diagnose. Herr Beck müßte jetzt erklären: Hat er die Grippe, oder liegt der Patient bereits auf der Intensivstation? ({11}) Aber immerhin: Der medienpolitische Sprecher der Ministerpräsidentenkonferenz diagnostiziert die ARD als Patient. Er sagt: 1996 ist sie kaputt. Herr Beck sagt: Sie ist ein Patient. Dann kommt der Herr Klimmt sehr geheimnisvoll und sagt - sinngemäß -, es gäbe ganz andere Wege der allgemeinen Sparsamkeit, die noch viel weiter führten. Wußten Sie das, Herr Stoiber? Herr Klimmt will noch weiter gehen als Sie. Er hat nur nicht gesagt, wohin er gehen will, meine Damen und Herren. ({12}) Hans-Otto Wilhelm ({13}) Verheugen sagt, man müsse ein paar Rundfunkprogramme abbauen. Rudolf Scharping, der sich immer am unverbindlichsten ausdrückt, sagt: Wenn ARD und ZDF überleben wollen, müssen sie im Jahre 2000 deutlich weniger Mitarbeiter haben. Immerhin, auch er ist der Meinung, sie müßten weniger Mitarbeiter haben. Sagen Sie doch einmal, wo. Sie wollen Ihre Strukturen, diese Netzwerke aus dem WDR, die Herr Klimmt hervorragend bedient und wo Sie Einfluß haben, nicht zerstören. Das ist der wahre Grund für Ihre Aufregung, die Sie heute zelebrieren. ({14}) Es gilt also, sich nicht nur zu beschimpfen, sondern sich an innovativen Wettbewerben zu beteiligen. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, daß Biedenkopf und Stoiber mit ihrem Vorschlag den Anspruch erheben, in allen Fragen recht haben zu wollen. Sie wollen, so verstehe ich das, einen Diskussionsprozeß auslösen. ({15}) Dann beteiligen Sie sich doch an diesem Diskussionsprozeß, wenn Sie schon diese Diagnosen stellen. Alles andere ist Verweigerung. Dann, meine Damen und Herren, zieht die Karawane weiter. Verlassen Sie sich darauf. Nur, Sie sind dann nicht beteiligt. Das wäre für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an sich schlimm. ({16}) Vieles ist auch völlig falsch. Vielleicht sollten Rudolf Scharpings Zuarbeiter ihm mehr Aufklärung zuteil werden lassen. Auch solche Auffassungen, wie z. B. von Herrn Eichel in seiner Rede geäußert, sind in der Sache einfach falsch. ({17}) Gestatten Sie mir nur eine polemische Bemerkung - ich mache das selten -: ({18}) Jetzt verstehe ich auch, warum so viele Leute aus Hessen Sie nicht wählen, Herr Eichel, nämlich wegen der Substanz Ihrer Reden. Wenn der Kollege Scharping u. a. im Zusammenhang mit den Rundfunkgebühren sagt, die Politik habe bei der Festlegung der Rundfunkgebühren nichts verloren, dann versteht er nichts davon. Auch nach dem neuesten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist es völlig zweifelsfrei, daß die Rundfunkanstalten sie nicht festlegen; Leitsatz Nr. 1. In Erläuterungen zu diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Zuständigkeit der Landtage beschrieben worden. Es geht allerdings noch weiter, indem es sagt: „und sogar Übertragung auf Gremien". Alle Vertreter der Länder will ich einmal fragen: Was machen Sie denn eigentlich mit dem Vorschlag des Bundesverfassungsgerichtes, daß beispielsweise die Einmütigkeit der Landtage abgeschafft werden könnte und Quoren eingeführt werden? Ich sehe diesen Vorschlag in der Nähe der Verfassungswidrigkeit, und zwar dann, wenn bestimmte Länder nicht zustimmen. ({19}) - Jawohl, wenn drei bis vier Länder nicht zustimmen, soll trotzdem eine Gebührenerhöhung erfolgen. Diese subtilen Fragen sollen in einem Staatsvertrag mit klaren Bedingungen für dieses Gremium geregelt werden? Ich wage bei dieser Gefechtslage und der Komplexität dieser Fragen die Prophezeiung: Wir werden sobald nicht zu einer Regelung kommen, die in vollem Umfang den Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Unabhängig von dieser Frage - deswegen ist der Zuruf „Drohung" doch völlig falsch - wird es vermutlich allein aus praktischen Gründen Ende 1996 nicht zu einer Gebührenerhöhung kommen. Allein aus diesem Grund kann ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur raten, ihre Sparmöglichkeiten auszuschöpfen, die es in Hülle und Fülle gibt. Meine Damen und Herren, die 180 Millionen DM des Finanzausgleichs machen bei diesem Volumen möglicherweise nicht die berühmte Suppe fett. Aber es gibt riesige Einsparpotentiale in nicht genutzten Kapazitäten, wie z. B. Studios. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sämtliche Parteibuchkarrieren müßte man als erstes beenden! -

Dr. Helmut Kohl (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001165

Das sagt er! Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich doch an, was Sie im deutschen Rundfunk an Abteilungsleitern installiert haben! - Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Da erschrecken jetzt aber viele in Hessen!) - Herr Fischer, dann betrachten Sie doch einmal Ihre subtile Karriere. ({0}) - Das war ein Zwischenruf, der Ihre tiefe Kenntnis zu diesem Thema offenbart hat. Vielen Dank. ({1}) Es gibt eine Vielzahl ungenutzter Studiokapazitäten. Es muß mehr Zusammenarbeit geben. Es muß die Frage des Aspekts Einhalt, Vielfalt besprochen werden. Das hat doch mit Ihren vordergründigen Vorwürfen, wir wollten irgend etwas zerstören, überhaupt nichts zu tun. Wir sind uneingeschränkt - es ist ja müßig, das zu wiederholen - für das duale System. ({2}) Hans-Otto Wilhelm ({3}) Nur, das duale System kann, da wir in eine digitale Zukunft hineingehen, doch nicht einfach nur einfallslos, wie von Ihnen offenbar beabsichtigt, fortgeschrieben werden. ({4}) Wir müssen schon einmal ein bißchen mehr investieren als die Parole „Weiter so, SPD". Mit dieser Haltung würden wir unserer Verantwortung nicht gerecht werden. Ich lade zum Gespräch ein. ({5}) Die Rundfunkanstalten haben auf Bitten und auf Anregungen bisher nur sehr zurückhaltend reagiert. Ich teile die Meinung, die Herr Stoiber und Herr Biedenkopf zum Ausdruck gebracht haben: Wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht reformwilliger sind, um den dualen Rundfunk schlanker und meinetwegen schlagkräftiger zu machen, dann müssen wir uns überlegen, staatsvertragliche Zugehörigkeiten zu überprüfen und über die Rundfunkgebühren zu sprechen. Denn - auch das ist ein Mißverständnis von Herrn Eichel - natürlich haben die Landtage das Recht, darüber zu befinden, und zwar unter drei Kriterien. Das erste ist das Kriterium der Zugänglichkeit zu Programmen. „More of the same", das ist Ihr Ansatz. Die Rundfunkanstalten können nicht beliebig gleiche Programme vervielfachen und sagen, das sei Grundversorgung. Der Grundversorgungsaspekt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist weit überschritten, und es darf so nicht weitergehen. Das ist der Punkt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Hans Otto Wilhelm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das zweite ist die Frage der Wirtschaftlichkeit. Das dritte ist die Frage der Belastungsfähigkeit des Bürgers. ({0}) In diesen drei Fällen - Herr Eichel, da hat Ihre Staatskanzlei Sie falsch unterrichtet - können die Länder nach wie vor Gebührenerhöhungen verweigern. Wenn die Bereitschaft, konstruktiv und meinetwegen gemeinsam über Veränderungen zu reden, nicht besteht, dann müssen wir in der Tat zu solchen Folgerungen kommen. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Nur eine Bemerkung zu dem Vorredner. Sie waren sehr empört über die Bemerkung von Rudolf Scharping, daß der Herr Bundeskanzler bei uns ist und nicht bei dem Menschenrechtler Kowaljow. Da er sich bis morgen abend in Bonn aufhält, bin ich überzeugt, daß der Bundeskanzler nach dem Beifall aus seiner Fraktion für diese Empörung eine Möglichkeit finden wird, Herrn Kowaljow bis morgen abend zu sehen. ({0}) Ich finde es richtig, Herr Bundeskanzler, daß Sie bei diesem sehr ernsten Thema heute die ganze Zeit dabei waren, wenn wir auch nicht immer dem Ernst des Themas angemessen diskutiert und debattiert haben. ({1}) Gestern hat Norbert Blüm in einer heiteren, aber zuweilen auch ernsten und sehr ernstgemeinten Rede Ernst-Dieter Lueg verabschiedet. Er hat ein heißes Ilerz für die Geschichte des „Berichts aus Bonn" gezeigt, für die Bedeutung der „Tagesthemen", für die Bedeutung der Sendung „Heute", für all das, was konstitutiv und nicht nur konstitutiv durch das Verfassungsgerichtsurteil, sondern für das Empfinden der Menschen zu unserem Land und zu unserer Geschichte gehört. ({2}) Wer die ARD angreift, greift auch dieses an. Dann wäre es eine 1-leuchelei, wenn man liebevoll jemanden verabschiedet und drei, vier Tage vorher - nicht der Parteivorsitzende der Union, sondern der Kanzleramtschef, Herr Bohl - von „Fälscherwerkstatt" des WDR spricht. ({3}) Zum WDR gehört auch Ernst-Dieter Lueg. „Fälscherwerkstatt" wird das Wort des Monats. Der Februar ist relativ kurz, da hat er Glück gehabt. Aber vielleicht wird es auch das Wort des Jahres. Untersuchen wir das doch einmal genauer. Was meint denn Herr Bohl mit „Fälscherwerkstatt"? Er meint damit das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit den ungeheuren und sehr schwierig gewordenen Anstrengungen, Kulturprogramme und Informationsprogramme zu machen, den Abend für die Bürger auch wirklich informativ zu gestalten ({4}) bei all dem Unsinn, der von der Konkurrenz kommt, bei all dem, was die Konkurrenz diesen Anstalten zugefügt hat, und bei all dem, was die privaten Unternehmer an öffentlichen Investitionen durch die öffentlich finanzierte Verkabelung haben nutzen können. Was haben sie denn alles einstecken können, damit ihre Programme, als das Private kam, gesehen werden können? Das sind öffentlich geleistete Investitionen, die die Privaten jetzt nutzen. ({5}) - Wir können uns gern einmal die Gewinn- und Verlustrechnung der Post anschauen. Dann werden wir sehen, was die Privaten an Bonitäten in ihren Bilanzen durch diese Verkabelung bekommen haben. Aber das, lieber Herr Scholz, ist heute nicht mein Thema. ({6}) Herr Ministerpräsident Stoiber, Sie haben hier zum Schluß auch noch leidenschaftlich für die ARD gekämpft. Vor genau 20 Jahren haben Franz Josef Strauß und die nach meiner Überzeugung verantwortungslosen Chefs des Bayerischen Rundfunks den hochangesehenen unabhängigen Journalisten Heinz Burghart verdrängt, um Platz für Franz Schönhuber zu machen, damals Liebling der Staats- und Medienmächtigen des Freistaates Bayern. Ich bin Heinz Burghart sehr dankbar, daß er als einer der allerersten parteilosen Journalisten Deutschlands seine Medienbiographie veröffentlicht und uns einmal dargestellt hat, wie denn eigentlich bayerische Landesregierungen in einen Sender hineinregierten. Er hat seinem Buch den Titel „Medienknechte" gegeben. Es ist ein sehr, sehr bitteres Buch. Deswegen, Herr Bundeskanzler, sprechen wir heute über ein ernstes Thema, das die Vergangenheit unseres Landes, die Vergangenheit einer Partei und auch die Zukunft unseres Landes anbelangt. Arnulf Baring hat es in seinem wichtigen Buch über die Adenauer-Demokratie sehr gut erklärt: Adenauer konnte kein wirkliches Verhältnis zum freien und unabhängigen Journalismus finden, das seinerzeit gefordert war. Manche Älteren unter uns würden zu der Diskussion, die Sie angeregt haben, sagen: Nun will der Lenz uns grüßen. Damals gab es den Herrn Lenz, Staatssekretär und später Abgeordneter Ihrer Partei, der massiv versucht hat, kein öffentlich-rechtliches, sondern ein staatlich gelenktes System aufzubauen. Gott sei Dank ist ihm das untersagt worden. Man muß daran erinnern: Es gibt eine Tradition der inneren politischen Unsicherheit der Union im Umgang mit freiem Journalismus. ({7}) Der Mann, der das Wort „Fälscherwerkstatt" benutzt hat, ist nicht Parteivorsitzender, sondern Chef des Bundeskanzleramtes. Herr Kohl, ich spreche jetzt von Herrn Bohl. So redet einer, der im Bundespresseamt mehr Journalisten beschäftigt als manche Zeitung und mancher Sender. ({8}) So redet jemand, dessen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations der Bundesregierung genannt, 40 % der letzten Gebührenerhöhung ausmachen. Ich will das für die Bürger noch einmal genau sagen: 40 der letzten Gebührenerhöhung, gegen die hier ein so populistischer Angriff gefahren wird, entsprechen allein den Kosten des Bundespresseamtes, nämlich 300 Millionen DM im Jahr. ({9}) Das, was hier bezüglich der Gebührenerhöhung gesagt wird, ist doch reine Heuchelei. Wie können Sie mit einem so kostbaren Gut unseres Landes und der Geschichte unseres Landes, zu dem auch viele von Ihnen beigetragen haben, das viele von Ihnen auch für wertvoll halten angesichts des Gewaltfernsehens, so umgehen, indem Sie ein so billiges Argument wie die mögliche Erhöhung von 1 oder 2 DM bringen? Das können Sie doch nicht tun, wenn Sie wissen, wie sich die Privaten pausenlos in diesen Markt der Köpfe, der Meinungen und der Politik hineingearbeitet haben! Herr Bundeskanzler, Sie sind am 17. Juni des vergangenen Jahres nicht hier gewesen. Warum waren Sie nicht hier? Sie sind mit einer von Sat 1 bezahlten Maschine nach Chicago geflogen. Public Relations mit einem Sender haben Sie gemacht, anstatt hier im Bundestag zu sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS -

Dr. Helmut Kohl (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001165

Das ist doch gar nicht wahr! Das ist doch gelogen!) - Nein, das ist nicht gelogen, das ist die Wahrheit. Da redet einer von „Fälscherwerkstatt", dessen Partei mit dafür gesorgt hat, daß die Kultur der demokratischen Öffentlichkeit in Deutschland dabei ist, sich noch einmal dramatisch zu verändern. Wir brauchen - da stimme ich Ihnen zu - eine sehr ernste Mediendebatte über das, was aus unserem Land in den nächsten Jahren wird. ({0}) - Ich blase mich gar nicht auf. Ich habe das richtig gesagt. Sie fühlen sich getroffen, Herr Gerhardt. Wir brauchen eine wirklich ernste Debatte über die Zukunft der Medienkultur, auch über die Zukunft des Journalismus und die Zukunft der großen Medienkonzerne. Ich begrüße die Dialogfähigkeit der derzeitigen Generation etwa der Bertelsmann-Spitze, von der protestantischen Ethik der Gründerfamilie geprägt. Aber wohin sind wir in diesem Land gekommen, wenn wir feststellen müssen, daß sich die dritte Generation einer anderen Familie - ich spreche von den Springer-Enkeln ({1}) - seien Sie mal leise, hören Sie mir jetzt bitte zu; das können Sie auch - in einer Konkurrenzzeitung zu Wort melden mußte, um über den Verrat an Prinzipien in einem Haus zu klagen, das noch immer den Namen ihres Großvaters trägt, ({2}) aber von dem die Öffentlichkeit bis heute nicht weiß, ob der CSU-Spezi und Medienhändler Kirch es nicht längst kontrolliert? Ich jedenfalls bin fest überzeugt, daß er es längst kontrolliert. ({3}) Bei jedem Hausbesitz, bei jedem Krämer müssen die Eigentums- und Besitzverhältnisse auf den Tisch. Kirch hat sich das Haus Springer und SAT 1 unter den Nagel gerissen - und wir sollen es möglichst gar nicht genau wissen. Die Kommerzialisierung des Art. 5 unseres Grundgesetzes hat eine Öffentlichkeitsindustrie geschaffen, hinter deren Kulissen es so geheimnisvoll zugeht wie in Fälscherwerkstätten, bevor sie auffliegen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Herr Bundeskanzler. ({0}) Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler ({1}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf alle Unwahrheiten zu antworten, die hier, und zwar zum Teil sehr bewußt, in die Debatte eingeführt worden sind. Ich will vielmehr kurz einige Bemerkungen zur Sache machen. Aber zuvor: Herr Duve, Sie sollten nicht immer wieder die Lüge verbreiten, SAT 1 habe den Flug zur Fußballweltmeisterschaft in die Vereinigten Staaten bezahlt. ({2}) Sie wissen so gut wie ich - das ist in der Zwischenzeit auch längst gerichtlich geklärt -, daß das gelogen ist. Das stand in allen Zeitungen, ({3}) und Sie wissen das. ({4}) Und, Herr Duve: Da Sie ja nicht irgend jemand sind, sondern ein Zeitungsleser, der intensiv liest, weiß ich ganz genau, daß Sie es wissen. Ich finde, das, was Sie hier betreiben, ist ein unmöglicher Stil. ({5}) - Die Bezahlung erfolgte genauso wie bei allen Auslandsflügen, die ein Bundeskanzler macht. ({6}) Was das Sportstudio von SAT 1 bezahlt hat, waren die Kosten für einige frühere Fußballnationalspieler und Leute aus dem praktischen Fußballbetrieb. Das wissen Sie genau, das ist damals veröffentlicht worden. Sie wollen hier bewußt, weil diese Sitzung vom Fernsehen übertragen wird, die Unwahrheit unter die Leute bringen. Darum geht es! ({7}) Zweitens. Herr Abgeordneter Scharping, mein Kollege Wilhelm hat Ihnen schon das Notwendige zu anderen Punkten gesagt. Aber eines finde ich in der Tat unglaublich: daß Sie sich in dieser Debatte so verhalten, obwohl Sie doch sehr genau wußten - wie übrigens vor ein paar Tagen auch -, daß es eine Absprache zwischen den Fraktionsgeschäftsführern gab, wonach ich in der heutigen Debatte anwesend bin. Wie soll denn ein solches Parlament funktionieren, wenn man nicht Absprachen über den Ablauf einer Debatte treffen kann? Das war Ihr Wunsch, das war mein Wunsch, das war der Wunsch der Koalition. Sie wußten so gut wie ich - und auch Sie wissen es, Herr Duve -, daß ich heute noch zu Gesprächen nach Washington reise. Und wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, ich hätte für ein solches Gespräch doch heute oder morgen Zeit, dann wissen Sie wiederum, daß Sie hier wider besseres Wissen in einer besonders schäbigen Weise agitieren. ({8}) - Herr Abgeordneter Scharping, ich würde Ihnen raten, jetzt einmal zuzuhören. Mit Geschrei bringt man Argumente nicht weg. ({9}) Drittens. Herr Abgeordneter Scharping, Sie waren als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz einige Jahre Vorsitzender der Rundfunkkommission der Ministerpräsidenten und hatten in dieser Zeit im ZDF eine wichtige Funktion übernommen. Also wissen Sie so gut wie ich, daß das, was Sie heute hier zur Vorgeschichte des ZDF angedeutet haben, einfach nicht stimmt. Sie wissen so gut wie ich: Daß das ZDF heute diese Struktur hat, entspricht dem Willen der damaligen Vertragsabschließenden, der damaligen Bundesländer, dem Willen etwa des damaligen Ministerpräsidenten von Hessen, nach dem ich jetzt besonders viel Sehnsucht empfinde. ({10}) - Georg-August Zinn, damit es jeder hier weiß; an den habe ich heute gedacht; das muß ich Ihnen schon sagen. ({11}) Das war damals ein einstimmiger Beschluß von Bund und Ländern. Warum erheben Sie jetzt den Vorwurf, daß die Struktur heute so ist, wie sie ist? Ich habe sie damals nicht gefertigt, Sie auch nicht, keiner der hier im Saal Befindlichen. Aber ich frage Sie, wenn Sie dies als jugendlicher Streiter schon so erfaßt haben: Warum haben Sie nicht während der Zeit der Koalition unter Willy Brandt und Helmut Schmidt Veränderungen beim ZDF eingeklagt? Warum waren Sie damals selbstverständlich bereit, den einen Vertreter des Bundes - es ist ein einziger! - im Verwaltungsrat zu ertragen? ({12}) Wissen Sie, es ist ganz billige Heuchelei und Opportunismus, was Sie hier betreiben. ({13}) Jetzt aber zu dem Punkt, der uns hier eigentlich beschäftigt; ({14}) ich habe nämlich nicht die Absicht, auf das Feldgeschrei, man kann zum Teil auch sagen: auf das Gebrüll, Herr Abgeordneter, wenn man es lang genug ertragen hat, einzugehen. ({15}) Ich will zum Thema zurückkommen, und das heißt: Worum geht es eigentlich in dieser Debatte? In dieser Debatte geht es darum, daß sich im Rahmen der Veränderungen der Strukturen unseres Landes, auch der dramatischen Veränderungen in der Medienlandschaft auf Grund der technologischen Entwicklung, auch die Frage nach dem öffentlich-rechtlichen System stellt. ({16}) Das ist nun wirklich kein Argument, das ich erfunden habe, sondern, lieber Herr Glotz, Sie selbst haben es überzeugend formuliert - ich sage es noch einmal -: ({17}) Wenn sich die ARD-Anstalten nicht bis 1996 reformieren, sind sie pleite. Wir wollen nicht, daß die ARD pleite geht. ({18}) - Sie bringen doch in dieser Debatte hier nichts als Gebrüll in den Saal! Ihr Beitrag war nur Lautstärke, aber an Inhalt gab es nahezu nichts. ({19}) Wir haben in unserer Diskussion festgestellt, daß nahezu alle, die mit dem Thema befaßt sind und die sich - bei durchaus unterschiedlichen Nuancen - seriös um das Thema bemühen, ({20}) jetzt zu der Auffassung gekommen sind, daß im Sinne Ihres Zitats, Herr Kollege, die Debatte eröffnet werden muß, damit 1995/96 etwas passiert, um eine Pleite abzuwehren und um dem ZDF Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. ({21}) - Natürlich, im Zusammenhang mit der Verteilung der Gebühren; das wissen Sie doch. ({22}) - Es geht Ihnen hier doch nicht um eine Debatte, sondern es geht Ihnen in der vorderen Bank darum, sich so zu benehmen, wie Sie sich benehmen. Darum geht es Ihnen. ({23}) Der Rundfunkrat des WDR hat im letzten Jahr den Beschluß gefaßt: Die Reform muß her! Ich sage es einmal in dieser Formulierung. Ministerpräsident Beck, der jetzige Vorsitzende der Rundfunkkommission, verlangt das gleiche. Der Vorsitzende der ARD, Intendant Scharf in München, hat in diesen Tagen wiederum das gleiche gefordert. Jetzt kommen zwei Ministerpräsidenten, die nach der Verfassung dazu berufen sind und denen Sie Verfassungswidrigkeit oder sonst etwas nicht unterschieben können, und folgen ihrer verfassungsgemäßen Pflicht, für dieses duale System Vorschläge zu machen. Meine Damen und Herren, es hat niemand von Ihnen erwartet, daß Sie zu all diesen Vorschlägen ja und Amen sagen. Aber das ist doch eine Diskussionsgrundlage. ({24}) Aber von Ihrer Seite gibt es überhaupt keinen Diskussionsvorschlag - keinen einzigen! ({25}) Jetzt haben die Ministerpräsidenten Stoiber und Biedenkopf diese Vorschläge auf den Tisch gelegt. Ich sehe mit großem Interesse, wie Herr Beck und anBundeskanzler Dr. Helmut Kohl dere dem folgen. Jetzt schlage ich ganz einfach vor: Lassen wir das Feldgeschrei weg, und jeder legt seine Vorschläge auf den Tisch! Ich erwarte, Herr Vorsitzender der SPD, daß Sie außer allgemeinen Tönen jetzt ganz konkret sagen: Was will die Sozialdemokratische Partei Deutschlands? ({26}) Wir haben unsere Meinung gesagt. Ich erwarte von den anderen Entsprechendes; ich erwarte es jetzt vor allem von den Ministerpräsidenten. ({27}) Des weiteren schlage ich vor, ({28}) daß wir die Debatte heute nicht endgültig beenden, sondern daß wir in ein paar Monaten darauf zurückkommen. Denn, meine Damen und Herren, auch wenn die Frage der Rundfunkhoheit nach der Verfassung keine Frage des Bundestages und der Bundesregierung ist, gilt: Wir sind Bürger dieses Landes, und wir diskutieren über vieles in diesem Haus, ohne im Detail die Frage zu stellen: Ist das nun in allen Punkten Gegenstand unserer Kompetenz oder nicht? Die Fragestunde des Parlaments gibt jede Woche Beispiele dafür. Meine Damen und Herren, dann, Herr Duve, bin ich sehr gespannt - und dann werde ich auch mehr Redezeit als jetzt in Anspruch nehmen -, was Sie dann vorschlagen - Ihr Nachbar, Herr Glotz, und Sie; andere haben überhaupt nichts dazu beigetragen -; dann bin ich gespannt, wie Sie die ARD in eine neue, veränderte Zukunft bringen wollen. Zu diesen allgemeinen Reden und dem Vorrechnen, was das Bundespresseamt an Aufwendungen hat: ({29}) Meine Damen und Herren, Sie werden doch nicht die Behauptung aufstellen wollen, daß das Mittel sind, die der Bundesregierung in dem von Ihnen beschriebenen Sinn zur Verfügung stehen. ({30}) Wir können bei der Etatberatung in der Generalaussprache gern über dieses Thema miteinander reden. ({31}) Dann werden Sie sich sehr wundern. Ich kann nur sagen: Die, die vor mir Bundeskanzler waren, haben völlig andere Möglichkeiten auf diesem Feld im Bundespresseamt gehabt; von denen kann ich nicht einmal träumen. Wir können dann die Zahlen vergleichen. Dann werden Sie entdecken, wie sehr das in sich zusammenfällt. Also, mein Vorschlag ist: Sie haben jetzt genug Populismus in die Öffentlichkeit gebracht. ({32}) Sie haben genug versucht, Nebelkerzen zu werfen, um vom Thema abzulenken. Wir - ich als Vorsitzender der CDU Deutschlands und meine politischen Freunde in der CDU/CSU - erwarten, daß Sie jetzt endlich eigene Vorschläge machen und nicht nur andere beschimpfen, sondern nachdenken und etwas produzieren. ({33})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/396 und den Entschließungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/404 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisung ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 13/385 Bevor ich den ersten Geschäftsbereich aufrufe, möchte ich einen bedauerlichen Druckfehler korrigieren. Im Verzeichnis der Fragenden auf der Seite 1 der Drucksache 13/385 ist bei dem Kollegen Dr. Erich Riedl ({0}) irrtümlich eine falsche Fraktion angegeben. Der Kollege Riedl gehört, wie wir alle wissen, nach wie vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an. Ich bitte Sie, insbesondere natürlich den Kollegen Riedl, für dieses Versehen um Verständnis. Es ist gebeten worden, in der Fragestunde den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes vorzuziehen. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Bernd Schmidbauer bereit. Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Joachim Hörster auf: War Konrad Porzner in seiner Eigenschaft als BND-Präsident der richtige Ansprechpartner für die Prüfung eines Spionageverdachts gegen Karl Wienand? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

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Herr Kollege Hörster, der BND ist für die Spionageabwehr nur zuständig, soweit sich die Spionage gegen ihn selbst richtet. Im übrigen ist die Spionageabwehr eine Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Für die Prüfung eines Spionagever1078 dachts gegen Herrn Wienand wäre also der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz der richtige Ansprechpartner gewesen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hörster?

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zusätzliche Frage des Kollegen Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, konnte oder mußte der ehemalige Bundesjustizminister Vogel die wirkliche Zuständigkeit kennen? Warum hat er diese zuständige Stelle nicht gefragt?

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Herr Kollege, warum er diese Stelle nicht gefragt hat, kann ich Ihnen nicht beantworten. Die Zuständigkeiten sind aber allgemein bekannt. Ich kann nicht unterstellen, daß gerade Herr Vogel als ehemaliger Justizminister keine entsprechende Kenntnis gehabt hat. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt offensichtlich keine weiteren Fragen zur Frage 72. Jetzt hat der Kollege Hörster darum gebeten, daß seine Frage 16 im Anschluß hieran beantwortet wird. Das kann ich zulassen. Wir kommen daher zwischenzeitlich zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Hörster auf: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, daß Ministerpräsident Johannes Rau das Bundesamt für Verfassungsschutz über den Spionageverdacht gegen Karl Wienand informiert hat? Bitte, Herr Staatssekretär:

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Präsidentin, die Antwort lautet ganz kurz wie folgt: Herr Ministerpräsident Rau hat das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht über den Spionageverdacht gegen Karl Wienand informiert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist mit Ministerpräsident Rau Kontakt aufgenommen worden, um den Hintergrund der Nichtinformati on des Bundesamtes für Verfassungsschutz aufzuklären? ({0})

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Von uns nicht.

Joachim Hörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000932, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers zurück. Ich rufe die Frage 73 des Kollegen Erwin Marschewski auf: Wann und wie hat Präsident Konrad Porzner die Bundesregierung erstmals darüber unterrichtet, daß es einen Spionageverdacht gegen Karl Wienand gibt?

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Herr Kollege Marschewski, die Bundesregierung wurde erstmals mit schriftlichem Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom 28. Mai 1993 über einen Spionageverdacht unterrichtet, der sich gegen eine zunächst unbekannte Person mit dem Decknamen Streit richtete. Diesem Bericht lag die Befragung eines Informanten am 24. Mai 1993 zugrunde. Daß es sich dabei um einen Spionageverdacht gegen Herrn Wienand handelte, wurde erst im Verlauf der weiteren Ermittlungen der zuständigen Staatsschutzbehörden bekannt.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Zusatzfrage. Herr Staatsminister, hat Präsident Porzner das Bundeskanzleramt nicht schon 1992 darüber unterrichtet, daß er den Hinweis vom damaligen Parteivorsitzenden Dr. Vogel hatte, daß ein Spionageverdacht gegen Wienand begründet sein könnte?

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Nein, Herr Kollege Marschewski. 1992 wurde das Bundeskanzleramt von diesem Vorgang nicht unterrichtet.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine weitere Zusatzfrage. Wäre Herr Porzner nicht verpflichtet gewesen, das Bundeskanzleramt entsprechend zu informieren?

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Herr Kollege Marschewski, wir haben eine Stellungnahme des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, auf die ich bei der nächsten Frage eingehen werde und wozu wir auch exakte Ausführungen in der zuständigen Kommission machen wollen. Ich darf aber, damit es keine Mißverständnisse gibt, zitieren, was Herr Porzner dem Bundeskanzleramt mitgeteilt hat; daraus ergibt sich auch die Beantwortung Ihrer Frage: Herr Dr. Vogel sagte mir nicht, daß er mich auf Wunsch Willy Brandts frage. Er ging in keiner Weise auf die Hintergründe der Gerüchte ein. Von einem Gespräch Brandt/Falin ist nicht die Rede gewesen. Über die Existenz eines Vermerks Willy Brandts habe ich erst aus der Presse erfahren. Herr Dr. Vogel hat mir in seiner Frage keinerlei Information übermittelt, sondern nur von Bonner Gerüchten gesprochen. Ich sah deshalb keine Veranlassung, das Bundeskanzleramt oder das Bundesamt für Verfassungsschutz zu unterrichten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 74 des Kollegen Marschewski auf: Wie hat sich BND-Präsident Konrad Porzner zu der Frage geäußert, ob der SPD-Politiker Dr. Hans-Jochen Vogel ihn mit dem Vermerk Willy Brandts zu dessen Gespräch mit dem früheren sowjetischen Botschafter Falin konkret befaßt hat, und hat Präsident Konrad Porzner den Vermerk gesehen? ({0})

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Herr Kollege Marschewski, Herr Porzner hat am 25. Januar 1995 erklärt, daß er weder vom Inhalt noch von der Existenz des Vermerks von Willy Brandt Kenntnis hatte. In den vorangegangenen Erklärungen des Herrn Porzner vom Januar und Februar 1994 wurde auf den Vermerk von Willy Brandt nicht ausdrücklich Bezug genommen. Ich habe Ihnen eben die Erklärung des Präsidenten Porzner in diesem Zusammenhang zitiert. Ich will darauf hinweisen, daß es diesen Vermerk zum Zeitpunkt der Befragung des Herrn Porzner durch Herrn Vogel nicht gegeben hat; der Vermerk wurde erst später angelegt. Wenn wir jetzt die Sache diskutieren, kann es daher nur um den Inhalt des Vermerks gehen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage?

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich habe auch hierzu eine Zusatzfrage. Ist der BND-Präsident Herr Porzner von Herrn Vogel darüber informiert worden, daß Herr Vogel diese Fragen im Auftrag von Altbundeskanzler Willy Brandt an ihn übermittelt hat?

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Herr Kollege, das Gespräch Falin/Brandt fand Ende März, am 30. oder 31. März, statt. ({0}) Das Gespräch zwischen Herrn Vogel und Herrn Porzner fand wenige Tage später statt, meiner Erinnerung nach am 2. April. Ich kann Ihnen ausführen, daß nach der dienstlichen Erklärung von Herrn Präsident Porzner Herr Dr. Vogel nicht sagte, daß er auf Wunsch Willy Brandts frage. Nach dieser Erklärung hat Herr Vogel im Laufe des Gesprächs lediglich von Bonner Gerüchten - ich habe dies eben zitiert - über eine angebliche Tätigkeit Karl Wienands für einen östlichen Nachrichtendienst gesprochen.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Teilen Sie damit vielleicht die Befürchtung, daß der Wunsch Willy Brandts eben nicht durch Herrn Vogel erfüllt worden ist?

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Ich kann meine Meinung dazu nicht äußern, mich aber auf das heutige Gespräch mit Herrn Porzner beziehen. Herr Porzner hat mir noch einmal bestätigt, daß bei dem Gespräch zwischen ihm und Herm Vogel zu diesem Zeitpunkt, Anfang April, in keinster Weise auf den Inhalt des Vermerks eingegangen wurde, sondern von Bonner Gerüchten die Rede war.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Alle Fragen sind beantwortet. Herr Kollege Gansel hat gefragt, warum dieser Geschäftsbereich vorgezogen wurde. Die Begründung ist: Herr Schmidbauer sollte mit nach Washington fliegen und hatte deswegen darum gebeten - das war den Fraktionen auch mitgeteilt worden -, diese Fragen heute vorzuziehen. Ich hätte auf Grund des sachlichen Zusammenhangs auch Ihre Fragen zum Wirtschaftsbereich, die Fragen 37 und 38, der Fairneß wegen gerne vorgezogen. Es ist allerdings so, daß niemand vom Ministerium da ist, um die Fragen heute zu beantworten; die Beantwortung der Fragen ist für morgen vorgesehen. Deswegen bitte ich Sie um Entschuldigung. Ich kann mich bemühen, noch jemanden zu finden. ({0}) - Jetzt höre ich aber - so kommen wir doch noch zu einem guten Ende -, daß der Parlamentarische Staatssekretär nun doch eingetroffen ist. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Ich rufe jetzt also die Frage 37 des Kollegen Gansel auf: Aus welchen Gründen haben die Telemit Elektronik Gmbl I oder ihre Tochterunternehmen während des irakisch-iranischen Krieges Genehmigungen für die Ausfuhr von Riistungsgiitern in den Irak und in den Iran erhalten, und welchen Umfang hatten die Lieferungen?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Frau Präsidentin, wenn ich mir den Hinweis gestatten darf: Ich war schon von Beginn der Fragestunde an hier, um gegebenenfalls Fragen beantworten zu können. Zu Frage 37 des Kollegen Norbert Gansel: Herr Kollege Gansel, die erteilten Ausfuhrgenehmigungen wurden auf der Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung sowie der rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung vom 28. April 1982 erteilt. Gemäß Ziffer 11 dieser Grundsätze werden Genehmigungen für sonstige Rüstungsgüter ausgestellt, wenn dem keine Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts entgegenstehen. Dies wurde in jedem Einzelfall geprüft. Angaben zum Umfang der Lieferungen zählen zu den zu schützenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Unternehmens. Diese dürfen von der Bundesregierung nach den Vorschriften des § 203 StGB und des § 30 Verwaltungsverfahrensgesetz nicht unbefugt weitergegeben werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da es sich hier nicht um den Normalfall der Ausfuhr von Kriegswaffen oder Rüstungsgütern handelt, sondern da es sich in diesem Fall darum handelt, daß während des iranisch-irakischen Krieges entgegen allen öffentlichen Beteuerungen der Bundesregierung sowohl an den Kriegspartner Iran wie auch an den Irak Rüstungsgüter geliefert worden sind, frage ich Sie: Auf welche Passage der rüstungsexportpolitischen Grundsätze, des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes begründen Sie den Export von Rüstungsgütern an Kriegsgegner während des iranisch-irakischen Krieges, und warum hat die Bundesregierung diese Exportgenehmigung in der Vergangenheit geheimgehalten?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Gansel, ich glaube, es ist wichtig, noch einmal festzuhalten, daß die Firma Telemit keine Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen erhalten hat. Sie hat übrigens auch keine entsprechenden Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beantragt. Die Firma hat seit 1973 eine Reihe von Ausfuhrgenehmigungen für sonstige Rüstungsgüter erhalten. Diese bezogen sich vor allem auf Produkte aus dem Bereich der Nachrichtentechnik, insbesondere auf Funkgeräte und Verschlüsselungsgeräte. Ich will darauf hinweisen, daß wir sehr wohl - dem Geist der rüstungsexportpolitischen Grundsätze folgend - jeweils situationsbezogen geprüft haben und daß insbesondere auch die Genehmigung solcher Lieferungen zunehmend restriktiver erfolgt ist. Seit 1987 sind dem Irak und seit 1988 dem Iran dann auch keine Genehmigungen mehr erteilt worden. Ich glaube, das macht deutlich, daß sich die Bundesregierung hier sehr bewußt im Rahmen der eingangs zitierten Vorschriften und Regelungen bewegt hat und ihr Genehmigungsverhalten situationsbezogen angepaßt hat.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann die Bundesregierung der Öffentlichkeit und dem Parlament erklären, warum ausgerechnet eine Firma, die in den vergangenen Fragestunden den Bundestag im Zusammenhang mit von der Bundesregierung bestrittenen Kontakten zum Bundesnachrichtendienst und im Zusammenhang mit Wahlkampfspenden an die F.D.P. beschäftigte, Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an zwei Staaten, die miteinander im Krieg lagen, erhalten hat, und zwar entgegen - das betone ich noch einmal - allen Beteuerungen der Bundesregierung, sie würde im irakisch-iranischen Krieg strikte Neutralität wahren?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Gansel, eigentlich wäre es erforderlich, Ihre Frage zunächst dahin gehend zu korrigieren, daß der von Ihnen jetzt wieder vorgebrachte Zusammenhang u. a. mit Spenden an politische Parteien hier schon hinreichend ausgeräumt worden ist. Es bestehen keine Zusammenhänge. Ich will noch einmal sagen: Es sind sonstige Rüstungsgüter auf Grund von Genehmigungen exportiert worden. Es wurde immer darauf geachtet, daß keine Waffen mit zerstörerischen Wirkungen exportiert worden sind. Ich habe Ihnen hier dargetan, was Gegenstand der Genehmigungen war, und ich bitte noch einmal, zur Kenntnis zu nehmen, daß das Genehmigungsverhalten im Laufe der Zeit entsprechend angepaßt worden ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Neumann ({0}).

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, seit wann ist unser früherer Bundestagskollege Professor Dr. Manfred Abelein Gesellschafter der Telemit Elektronik GmbH, und hängt diese Tatsache mit der Genehmigung des Exports von Rüstungsgütern in den Irak und den Iran zusammen?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Neumann, ich habe keine aktuelle Kenntnis über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises der Firma Telemit. Ich glaube auch nicht - selbst wenn ich Kenntnis hätte und wenn der von Ihnen vorgetragene Zusammenhang zutreffend wäre -, daß das irgendeinen Einfluß auf das Kontrollgebaren der Bundesregierung hätte, im Gegenteil: Es gelten die eingangs zitierten Grundlagen Außenwirtschaftsgesetz, Außenwirtschaftsverordnung und rüstungsexportpolitische Grundsätze. Sie sind immer Leitlinie des Handelns der Bundesregierung gewesen. Keine Rücksicht auf etwaige Zusammensetzungen von Gesellschafterversammlungen!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage der Kollegin Ganseforth.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, die Praxis, daß dieser Firma genehmigt worden ist, „sonstige Rüstungsgüter" an zwei kriegsführende Parteien zu liefern, war Ihrer Ansicht nach Rechtens und könnte heute genauso wieder passieren? Habe ich Sie da richtig verstanden?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Ich habe deutlich gemacht, daß zum jeweiligen Zeitpunkt pflichtgemäß geprüft wurde und diese Genehmigungen zum jeweiligen Zeitpunkt rechtmäßig waren. Aber damit habe ich nicht gesagt, daß heute wieder so entschieden werden würde. Im Gegenteil, seit 1988 sind keine Genehmigungen mehr erteilt worden. Daraus dürfen Sie schließen, daß auch heute keine Genehmigungen erteilt würden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich schließe diesen Geschäftsbereich, weil ansonsten die Fragen der Kollegen, die sich entsprechend der Tagesordnung auf die heutige Beantwortung ihrer Fragen vorbereitet haben, nicht beantwortet werden können. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Für die Frage 1 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolfgang Gröbl bereit. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Johannes Singer auf: Was hat die Bundesregierung unternommen, um die von der EG-Kommission beschlossenen Einfuhrerschwerungen für marokkanische Tomaten zu verhindern?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege Singer, die Bundesregierung hat sich während ihrer Präsidentschaft nachdrücklich dafür eingesetzt, mit Marokko eine Sonderregelung zu treffen, die die von Ihnen zitierten Einfuhrerschwerungen verhindert. Nach intensiven Verhandlungen hat die Kommission mit dem Königreich Marokko rechtzeitig eine Vereinbarung ausgehandelt, gemäß der die bisher gewährte Vergünstigung für die Einfuhr von Tomaten mit Ursprung in Marokko in die Europäische Union beibehalten wird. Die in Form eines Briefwechsels abgeschlossene Vereinbarung ist nach Billigung durch den Rat der Europäischen Union und die Regierung des Königreichs Marokko am 1. Januar 1995 in Kraft getreten, so daß eine Einfuhrerschwerung nicht eingetreten ist. Die Bundesregierung begrüßt diese Regelung, da damit die traditionellen Handelsströme aufrechterhalten werden können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Heißt das, daß wir hier in Deutschland marokkanische Tomaten zu gleichen Bedingungen erwerben können wie Tomaten, die in der Europäischen Union ihren Ursprung haben?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Sie können sie zu anderen Zeiten erwerben; denn die marokkanischen Tomaten werden in den Monaten November, Dezember, Januar, Februar, März eingeführt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine weitere Nachfrage zu den marokkanischen Tomaten. - Dann rufe ich Frage 3 des Abgeordneten Singer auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach den schweren Benachteiligungen der marokkanischen Fischindustrie durch die Europäische Union ({0}) der zweite wichtige Exportzweig der marokkanischen Wirtschaft empfindlich getroffen wird, und liegt es nicht nahe, daß solche wirtschaftlichen Benachteiligungen die Bemühungen der marokkanischen Regierung, ihr Land vom Einfluß islamischer Fundamentalisten und vom Rauschgiftanbau freizuhalten, konterkarieren?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Frau Präsidentin, die Antwort wird ein kleines bißchen länger, da der Sachverhalt sehr kompliziert ist. Die Europäische Union hat mit Marokko ein vierjähriges Fischereiabkommen mit einer regulären Laufzeit bis zum 30. April 1996 abgeschlossen. Nach dem Abkommen räumt Marokko den Fischern der Europäischen Union umfangreiche Fangmöglich1082 keiten in marokkanischen Gewässern gegen finanziellen Ausgleich in Höhe von 102,1 Millionen ECU pro Jahr ein. Die im Abkommen eingeräumten Fangmöglichkeiten werden überwiegend von spanischen und portugiesischen Fischern genutzt. Nachdem das Abkommen zwei Jahre angewandt worden ist, hat Marokko im Rahmen einer im Abkommen vorgesehenen Halbzeitüberprüfung gefordert, die von Marokko eingeräumten Fangmöglichkeiten erheblich zu reduzieren, da das Abkommen zum Nachteil Marokkos ungleichgewichtig sei. Die Europäische Union hat sich im Herbst letzten Jahres bereit erklärt, mit Marokko über einen neuen Vertrag zu verhandeln und die Laufzeit des alten Abkommens um ein Jahr zu verkürzen, es also zum 30. April 1995 aufzuheben. Die Bundesregierung geht davon aus, daß das neu auszuhandelnde Abkommen die beiderseitigen Interessen in angemessener Weise berücksichtigen wird. Marokko hatte sich wiederholt beklagt, daß Fischer aus der Europäischen Union die Bestimmungen über die Fischerei in marokkanischen Gewässern nicht einhalten. Die Einhaltung der Fischereivorschriften kann jedoch nur von den marokkanischen Instanzen unmittelbar kontrolliert werden, da nur Marokko souveräne Rechte in diesen Gewässern zustehen. Die Gemeinschaft kann nur einen allgemeinen rechtlichen Rahmen für die Einhaltung der Vertragsbestimmungen setzen. So hat die Gemeinschaft die Verordnung Nr. 3317/94 vom 22. Dezember 1994 - Amtsblatt Nr. L 350/13 vom 31. Dezember 1994 - zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen über die Genehmigung der Fischerei in den Gewässern eines Drittlandes im Rahmen eines Fischereiabkommens erlassen. In dieser Verordnung wird auch der Entzug der Fangerlaubnis bei Verstößen geregelt. Außerdem werden die Mitgliedstaaten in dieser Verordnung aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu erlassen, um die Wirksamkeit der Regelung zu gewährleisten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß marokkanische Regierungsvertreter immer dann, wenn sie sich beschwerdeführend wegen der Verletzung des Fischereiabkommens an die entsprechenden Stellen der Kommission in Brüssel wenden, in Brüssel grundsätzlich auf Vertreter der Nationen stoßen, gegen deren Fehlverhalten sie sich wenden? Um das vielleicht einmal zu verdeutlichen: Wenn spanische Fischer bei der Befischung der Küstengewässer in Marokko die Quoten nicht einhalten oder in großem Umfang Jungfische wegfischen und sich marokkanische Politiker in Brüssel beschwerdeführend - ob das nun Europapolitiker oder Regierungsvertreter sind - an die Vertreter der Kommission wenden, stoßen sie dann grundsätzlich auf spanische Kommissare oder Beamte.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Das Königreich Marokko hat sich in einer Note an Deutschland als den Präsidenten gewandt. Die Staatsangehörigkeit des Adressaten war also nicht mit der der betroffenen Fischer identisch. Deutschland hat daraufhin eine Note an Spanien mit der Bitte um Klärung der Vorwürfe gerichtet. Diese Vorwürfe sind dann in einer Sitzung der Gruppe für externe Fischereipolitik zur Sprache gekommen. Dieses klärende Gespräch hat auch dazu geführt, daß die Europäische Union verhandlungsbereit ist und das Ziel verfolgt, ein neues Fischereiabkommen mit Marokko zu schließen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die zweite Zusatzfrage des Kollegen Singer.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich räume ein, daß derjenige, der sich beschweren muß, derjenige ist, der in seinem Zuständigkeitsbereich am ehesten solche Vertragsverletzungen von seiten eines Staates der Union beobachten kann. Mir geht es einfach nur darum, zu erfahren, ob Marokko mit der Unterstützung Deutschlands rechnen kann, wenn bestimmte Mitgliedstaaten der Union Vertragsverletzungen begehen, und ob Verletzungen von Abkommen, die mit außereuropäischen Staaten geschlossen worden sind, an deren Wohlergehen wir im einzelnen aus den Gründen, die ich in der Anfrage dargestellt habe, eigentlich sehr interessiert sein sollten, nicht anders abgestellt werden können.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Deutschland tritt innerhalb und außerhalb der Europäischen Union dafür ein, daß geschlossene Vereinbarungen korrekt eingehalten werden. Das trifft natürlich auch in diesem Fall zu.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Frage des Kollegen Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß mögliche Vertragsverletzungen durch spanische Fischer in den Hoheitsgewässern von Marokko pas- siert sind und daß Marokko dann die Möglichkeit hat, durch eigene hoheitliche Maßnahmen, sprich: Aufbringen der Fischereiboote, dort entschieden und scharf einzugreifen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

In der Tat, Herr Kollege, Sie gehen recht in dieser Annahme. Ich habe das in meiner ersten Antwort erwähnt. Ich möchte dazu ergänzend sagen: Es ist ein umfangreiches Recht, das den Fischern der Europäischen Union zugestanden wurde. Insgesamt handelt es sich um etwa 700 spanische und 100 portugiesische Schiffe. Die Kontrollmöglichkeiten der Marokkaner sind verhältnismäßig bescheiden. Auch deshalb gibt es ein Unbehagen auf marokkanischer Seite und die Bereitschaft, über ein solches Fischereiabkommen neu zu verhandeln.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Bei den Fragen 4 und 5 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Paul Laufs bereit. Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Dr. Hermann Pohler auf: In welchem Umfang wird der Bundesminister für Post und Telekommunikation noch vor der allgemeinen Liberalisierung zum 1. Januar 1998 Ausnahmegenehmigungen für private Netz- und Diensteanbieter im Wettbewerb mit der Deutschen Telekom AG erteilen?

Prof. Dr. Paul Laufs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001293

Frau Präsidentin, gestatten Sie bitte, daß ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Pohler wegen ihres Sachinhalts zusammenfassend beantworte, wenn der Herr Kollege damit einverstanden ist. (Dr. Hermann Pohler ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich auch Frage 7 des Abgeordneten Dr. Hermann Pohler auf: Wird der Bundesminister für Post und Telekommunikation seine früheren Verfügungen über die Behandlung von Ausnahmen vom Telefondienst- und Netzmonopol des Bundes auch nach Inkrafttreten des Postneuordnungsgesetzes am 1. Januar 1995 weiterhin anwenden?

Prof. Dr. Paul Laufs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001293

Herr Kollege Pohler, die Frage von Ausnahmegenehmigungen für private Netz- und Diensteanbieter muß in dem Zusammenhang mit dem zu erarbeitenden künftigen Regulierungsrahmen für den Telekommunikationsmarkt in Deutschland gestellt werden. Diesen Regulierungsrahmen werden wir nach sorgfältiger Auswertung des kürzlich von der EU-Kommission vorgelegten Grünbuchs zur Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze, hier insbesondere des zweiten Teils, der einer fundierten Erörterung der Regulierung der Netzinfrastruktur gewidmet ist, erarbeiten. Die Kommission hat um Stellungnahmen zum Grünbuch bis Mitte März dieses Jahres gebeten. In diesem Zusammenhang werden wir voraussichtlich in der zweiten Märzhälfte die Eckpunkte des künftigen nationalen Regulierungsrahmens zur Kommentierung veröffentlichen können. Auf dieser Grundlage und in Abstimmung mit dem noch neu zu konstituierenden Regulierungsrat kann dann die Voraussetzung geschaffen werden, für einzelne Projekte begrenzten Umfangs und mit noch näher zu definierenden Randbedingungen Verleihungen an private Anbieter für die Zeit vor 1998 auszusprechen. Dazu ist vorgesehen, Rechtsverordnungen über die beabsichtigte Öffnung von Märkten für Telekommunikation und Dienstleistungen gemäß § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen mit Beteiligung des Regulierungsrates bzw. des Bundesrates zu erlassen. Ungeachtet dessen wird der Bundesminister für Post und Telekommunikation seine früheren Verfügungen zu Ausnahmen vom Telefondienst- und Netzmonopol auch nach dem 1. Januar 1995 grundsätzlich so lange anwenden, bis für die betroffenen Sachverhalte Rechtsverordnungen nach § 2 des Fernmeldeanlagengesetzes erlassen sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Dr. Pohler zu einer Zusatzfrage.

Dr. Hermann Pohler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001731, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wann werden erste Ausnahmegenehmigungen für innovative Anwendungen im Bereich der Monopole erteilt werden können?

Prof. Dr. Paul Laufs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001293

Herr Kollege Pohler, ich bestätige Ihnen, daß Anträge zu innovativen Anwendungen vorliegen, die gegenwärtig auf der Grundlage früherer Verfügungen geprüft werden. Eine Ausnahmegenehmigung kann dann erteilt werden, wenn diese Prüfung positiv abgeschlossen ist. Es ist allerdings vorgesehen, den Regulierungsrat vor einer entsprechenden Verleihung zu hören. Auch in diesem Zusammenhang wäre es sehr begrüßenswert, wenn der Regulierungsrat seine Arbeit bald aufnehmen könnte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Pohler.

Dr. Hermann Pohler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001731, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär. Wie ist der Zeitplan für den Erlaß von Verordnungen, die nach § 2 FAG möglich sind?

Prof. Dr. Paul Laufs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001293

Herr Kol1084 Parl. Staatssekretär Paul Laufs lege Pohler, angesichts der zum 1. Januar 1998 anstehenden Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts ist die Öffnung eines Teilbereichs nur dann sinnvoll, wenn sie schon deutlich vor 1998 erfolgt. Wir sind deshalb dabei, Entwürfe zu Rechtsverordnungen nach § 2 FAG zu erarbeiten. Ich rechne damit, daß die Rechtsverordnungen für Anwendungen in der zweiten Jahreshälfte 1995 verfügbar sein werden, immer vorausgesetzt, daß der Regulierungsrat bzw. der Bundesrat diesen Rechtsverordnungen zustimmen wird. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage der Kollegin Fuchs.

Anke Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Frage des Regulierungsrats, des geordneten Wegs der Liberalisierung und des geordneten Hineinwachsens in den Wettbewerb so sorgfältig von Ihnen geprüft und durchgesetzt wird, daß nicht unbedingt vor dem 1. Januar 1998 weitere Lizenzen erteilt werden müssen, wenn sich herausstellt, daß das in geordneter Weise zu früh wäre?

Prof. Dr. Paul Laufs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001293

Frau Kollegin Fuchs, wir sind darüber völlig im Konsens, daß wir geordnete Zugänge zu diesem sehr wichtigen, weltweit außerordentlich stark wachsenden Markt realisieren wollen. Es ist auch selbstverständlich, daß wir ohne Änderung der gesetzlichen Grundlagen der Monopole, die der Deutschen Telekom AG verliehen worden sind, keine Verleihungen im Kernbereich vornehmen können. Es gibt allerdings Randbereiche der Monopole, in denen man auch aus volkswirtschaftlichen Gründen durchaus Liberalisierungen vor 1998 vornehmen und auch entsprechende Lizenzierungsverfahren eröffnen kann. Dies geschieht in Abstimmung und unter Mitwirkung des Regulierungsrates, der hoffentlich in den nächsten Wochen konstituiert werden und seine Arbeit aufnehmen kann.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen zu diesem Geschäftsbereich. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zur Verfügung. Die Frage 16 wurde bereits beantwortet. Wir kommen jetzt zu den Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Reiner Krziskewitz: Wie beurteilt die Bundesregierung in Betrachtung der Regierungspolitik Kasachstans die Lage der deutschen Minderheit in Kasachstan? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um einem eventuellen Vertreibungsdruck in Kasachstan entgegenzuwirken?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die kasachische Regierung bringt bei allen Gelegenheiten ihr großes Interesse zum Ausdruck, daß die Angehörigen der deutschen Minderheit im Lande bleiben. Sie teilt mit der Bundesregierung die Sorge über die massenhafte Aussiedlung der Deutschen aus der Republik Kasachstan. Der Weggang der Deutschen wird als ein herber Verlust beklagt, der dem kasachischen Staat äußerst komplizierte Probleme verursacht, die nachhaltig die Entwicklung in Staat und Gesellschaft beeinflussen. Von einem durch die offizielle Regierungspolitik der Republik Kasachstan ausgelösten, planmäßigen und gezielten Vertreibungsdruck kann deshalb nach wie vor nicht die Rede sein. Gleichwohl wird vor allem im Süden Kasachstans, wo der kasachische Bevölkerungsanteil überwiegt, der wachsende Nationalismus und die daraus resultierende Intoleranz auch von der deutschen Minderheit zunehmend als Bedrohung empfunden. Ein gravierender Hinderungsgrund für das Verbleiben in Kaschstan ist zudem der Zwang, die kasachische Sprache erlernen zu müssen, was von einem Großteil der Deutschen abgelehnt wird. Die instabile wirtschaftliche Lage des Landes, die in den ersten Jahren nur ein sekundärer Grund für die Aussiedlung gewesen ist, gewinnt angesichts der eingetretenen Entwicklung nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft eine immer größere Bedeutung für die Entscheidung der Deutschen zu gehen oder zu bleiben. Neben dem allgemeinen Gefühl der Verunsicherung und dem Bestreben, die auseinandergerissenen Familien wieder zusammenzuführen, ist eine sich dramatisch verschlechternde Wirtschaftslage die Hauptursache für den anhaltenden Aussiedlungstrend. Von ihren Folgen sind nicht nur die Deutschen, sondern alle Bürger Kasachstans in gleicher Weise betroffen. Solange keine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Republik Kasachstan erfolgt, wird sich auch die allgemeine Lage der deutschen Minderheit nicht verbessern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Reiner Krziskewitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Reiner Krziskewitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Ansicht, daß damit, daß von den Staatsangehörigen Kasachstans das Beherrschen der kasachischen Sprache als Grundlage beispielsweise für eine Anstellung im öffentlichen Dienst oder für eine Arbeit in einem Staatsbetrieb angesehen wird, die kasachische Regierung selbst eine Ursache für diese Situation und einen entsprechenden Vertreibungsdruck erzeugt hat? Ich darf nachfragen: Gibt es Gespräche zwischen der Bundesregierung und der kasachischen Regierung, die darauf hingewiesen haben?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß solche Gespräche ständig stattfinden. Die kasachische Regierung ist zu diesem Zusammenhang und zu dieser Gefahr natürlich auch von unserer Seite angesprochen worden. Aber sie sieht sich angesichts der politischen Mehrheiten im Lande zu einem anderen Verhalten nicht in der Lage. Auf die Wirkung habe ich bereits in meiner Antwort hingewiesen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Gloser: Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Abschiebung des Kurden Ibrahim Karahan in die Türkei Anfang Januar angesichts des von den Innenministern der Länder vereinbarten Abschiebestopps bis zum 28. Februar 1995?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Gloser, nach Art. 83 des Grundgesetzes werden die ausländerrechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet von den Bundesländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Vorgenommene Abschiebungen sind daher nicht von der Bundesregierung, sondern von den zuständigen Behörden des betreffenden Landes rechtlich zu verantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es besteht der Wunsch nach zwei Zusatzfragen. Kollegin Ganseforth, bitte.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, wie die Bundesregierung gedenkt, auf den Bericht von Amnesty International in bezug auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, insbesondere gegenüber Kurden, auch im westlichen Teil des Landes, aber besonders im östlichen Teil des Landes, die da stattfinden, zu reagieren. Damit will ich nicht verschweigen, daß Amnesty International auch die PKK kritisiert. Ich sage dies, damit mir nicht vorgeworfen wird, ich würde nicht ausgewogen argumentieren.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, wir kennen die Existenz dieses Berichts im Moment auch nur aus Zeitungsmeldungen. Wir kennen den genauen Inhalt nicht. Aber es ist schon immer Übung in der Bundesregierung gewesen, solche Berichte sorgfältig zu studieren, um daraus, wenn entsprechende Erkenntnisse enthalten sind, auch Schlüsse für die eigene Position zu ziehen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Hanewinckel.

Christel Hanewinckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, uns ist natürlich klar, daß für die entsprechende Abschiebung die jeweiligen Länder zuständig sind. Aber: Gelten nicht allgemein die Tatsache und speziell auch das Wissen der Bundesregierung und der Länder darum - deshalb die Frage -, daß drohende Haft und Folter, die ja nun in der Türkei - leider, aber bekanntlich - gegen abgeschobene Asylbewerber immer wieder auftreten und weswegen ja auch ein Abschiebestopp eingeführt worden ist, als Abschiebehindernis?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, wir haben uns heute ausführlich mit dieser Thematik im Innenausschuß beschäftigt. Ich müßte jetzt schon einige Zeit in Anspruch nehmen, um darauf nun umfassend antworten zu können. Ich will versuchen, es ganz kurz zu machen. Bei denjenigen, die in der Türkei gemäß den dort vorhandenen Sicherheitsgesetzen von der Justiz behandelt werden, liegt in der Regel entweder ein Asylgrund vor, oder sie unterliegen einem Abschiebehinderungsgrund. Dies kann im Einzelfall nach der geltenden Gesetzeslage überprüft werden. Das wird im übrigen auch gemacht, so daß auch unter dem Gesichtspunkt, den Sie jetzt anführen, ein allgemeiner Abschiebestopp nicht erforderlich ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen jetzt zur Frage 11 der Kollegin Hanewinckel: Muß bei den vom Abschiebestopp für Kurden ausgenommenen Straftätern nicht unterschieden werden zwischen kriminellen und solchen Asylbewerbern, die nach der Ablehnung aus Angst vor Abschiebung einen zweiten Antrag unter falschem Namen stellen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Soweit die für den Erlaß genereller Abschiebestopps zuständigen Landesbehörden von einer solchen Maßnahme Straftäter ausnehmen, ist ihnen bundesrechtlich nicht vorgegeben, nach Straftätergruppen zu differenzieren. Im übrigen ist es sachgerecht, Ausländer, die durch Angaben falscher Personalien einen weiteren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet erreichen, nicht gegenüber sonstigen Kriminellen zu begünstigen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Hanewinckel: Ist die Bundesregierung bereit daran mitzuarbeiten, daß der Kurde Ibrahim Karahan, der nach der Abschiebung Anfang Januar direkt bei seiner Ankunft in Istanbul verhaftet wurde und sich jetzt im Gewahrsam der Militärpolizei befindet, mittels einer Ruckholaktion zurück in die Bundesrepublik Deutschland kommen kann?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Diese Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesregierung liegen bisher keine Erkenntnisse vor, die die Frage nach einer etwaigen Rückkehraktion aufwerfen. Soweit bisher bekannt, hat die Flughafenpolizei in Istanbul bei der Personenüberprüfung bei der Einreise festgestellt, daß Herr Karahan wegen Dienstflucht zur Festnahme ausgeschrieben war, und hat ihn deshalb der Wehrkreisverwaltung in Istanbul überstellt. Noch nicht geklärt ist, ob Herr Karahan sogleich eingezogen oder zunächst auf freien Fuß gesetzt wurde, um sich türkische Personalpapiere zu besorgen.

Christel Hanewinckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jetzt möchte ich eine Zusatzfrage stellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ja, bitte.

Christel Hanewinckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir die Gründe nennen, weshalb die Bundesregierung bisher nicht bereit war, an einem Hearing teilzunehmen bzw. daran mitzuarbeiten, daß eines zustande kommt, an einem Hearing, das sich aus Fachleuten des Auswärtigen Amtes, des UNHCR und von Menschenrechtsorganisationen zusammensetzt, um einmal vorurteilsfrei zu überprüfen, wie die Situation in der Türkei tatsächlich ist, und dann zu einer gemeinsamen Handlungsweise zu kommen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, unsere Position wurde schon bisher vorurteilsfrei bestimmt. Im übrigen sind Sie nicht ganz auf dem laufenden; denn heute vormittag hat der Innenausschuß beschlossen, ein derartiges Hearing durchzuführen. Die Bundesregierung hat dazu weder negativ noch positiv Stellung genommen. Sie wird sich selbstverständlich auch an diesem Hearing, wenn erwünscht, beteiligen.

Christel Hanewinckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe keine Zusatzfrage, sondern möchte nur die Mitteilung machen, daß Sie recht haben. Ich bin in der Tat nicht auf dem laufenden, weil ich einem anderen Ausschuß angehöre. Vielen Dank für diese Auskunft.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Bitte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereiches. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kurt Faltlhauser bereit. Für die Fragen 25, 26 und 27 wurde schriftliche Beantwortung beantragt. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir haben gerade noch Zeit, die Frage 28 des Kollegen Helmut Lippelt zu beantworten: Warum erwägt der Bundesminister der Finanzen nicht, dem französischen Beispiel zu folgen und mit einer Teilkonversion von z. B. 3 % in das Programm ECO-Conversion einzusteigen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Herr Kollege Lippelt, wir haben Ihre Frage diesbezüglich schon einmal beantwortet, und zwar auf Drucksache 13/213 die Frage 42. Es geht dabei um eine Beteiligung am Öko-Fonds Polen. Die Bundesregierung hat diese Beteiligung wiederholt eingehend geprüft und im Ergebnis abgelehnt. Die Entscheidung beruht auf der Feststellung, angesichts der angespannten Haushaltslage und der starken Belastung durch die Gesamtregelung der polnischen Altschulden - Sie wissen, Deutschland ist mit Abstand größter Gläubiger - keinen weiteren finanziellen Beitrag im Rahmen der Umschuldungsabsprache des Pariser Clubs im April 1991 zu leisten. Selbst eine geringere Beteiligung kommt nicht in Betracht. Es stehen nämlich bereits ausreichende Mittel aus einer anderen Erlaßmaßnahme zugunsten Polens für eine Verwendung in Umweltschutzprojekten zur Verfügung. Die damit finanzierte Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit kann diese Gelder auch, Herr Kollege, für Umweltprojekte in Polen einsetzen. Ich weise darauf hin: Auch das haben wir in der Frage 42 bereits mitgeteilt. Das BMF hat wiederholt über das Auswärtige Amt, das für die Stiftungsplanung auf deutscher Seite zuständig ist, angeregt, die Kontakte zwischen Stiftung und Öko-Fonds zu vertiefen. Von den Verantwortlichen des Öko-Fonds ist diese Anregung bisher nicht aufgegriffen worden. Deshalb fährt das Bundesfinanzministerium in seinen Bemühungen fort, auf Einzelfallbasis Projekte des Öko-Fonds durch Stiftungsmittel fördern zu lassen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Nachfrage des Kollegen Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, da es mir nicht um einzelne Projekte, sondern um das Verhalten der Bundesregierung geht: Stimmen Sie mir darin zu, daß die Bezugnahme auf den Jumbo-Kredit und die daraus geschaffene deutsche Stiftung insofern etwas irreführend ist, als der Jumbo-Kredit in der Zeit Schmidt an Gierek schlechthin als verlorenes Geld galt, da er unter anderen politischen Bedingungen in eine zentral verwaltete Wirtschaft hineingepumpt wurde, die ihn, wie damals zu Recht gesagt wurde, vergeudet hat? Meinen Sie nicht, daß sich für Sie unter diesen Voraussetzungen hinsichtlich des Jumbo-Kredits, den Sie nicht ganz gestrichen, sondern aus dem Sie sogar noch einen Fonds zurückbehalten haben, für eine Behandlung in der Frage der ECO-Conversion, wie die Franzosen, die Finnen, die Schweizer und die Amerikaner sie vorgenommen haben, ganz neue Überlegungen stellen müßten?

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Herr Kollege Lippelt, da Sie hier internationale Vergleiche angeführt und auf andere Länder hingewiesen haben, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Bundesrepublik Deutschland in außergewöhnlich großem Umfang Kredite an Polen gewährt hat. Es waren zunächst insgesamt 9,1 Milliarden DM. Davon haben wir bereits 4,5 Milliarden DM erlassen. Die Rückzahlung des Restes ist gestundet und prolongiert bis zum Jahre 2009. Damit müssen Sie einmal die Zahlen der von Ihnen genannten Länder vergleichen. Das als allgemeine Bemerkung vorweg. Die Mittel, die an die Stiftung gehen, kommen nicht nur aus dem Jumbo-Kredit, sondern auch aus dem KfW-Kredit von 1975. Das sind immerhin 1,3 Milliarden DM. Die Zloty-Gegenwerte fließen der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit zu. Wenn ausdrücklich klar ist, daß diese Stiftung auch Umweltprojekte fördern kann, dann frage ich mich, wieso wir zusätzlich irgendwelche Mittel geben sollten.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich eine zweite Frage stellen, Frau Präsidentin?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wenn es nicht wieder eine ist, in der drei andere Fragen enthalten sind, gern.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da der Staatssekretär mir eben nur eine Antwort gegeben hat, darf ich noch folgendes fragen. Warum hat die Bundesregierung seinerzeit bei der Vereinbarung, die im Pariser Club von allen beteiligten Gläubigerländern getroffen wurde, nicht auf diesen speziellen Umstand hingewiesen und deshalb für die Bundesrepublik von vornherein eine Ausnahme beantragt?

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Da ich bei den Verhandlungen des Pariser Clubs nicht dabei war, kann ich nicht sagen, was die Bundesregierung vor Ort gesagt und wie sie sich eingelassen hat. Aber ich glaube, das vorliegende Ergebnis ist angemessen. Die bisherigen Tätigkeiten der Bundesregierung in dieser Frage und die Stellungnahmen, die jeweils über das Auswärtige Amt vorgetragen werden, sind meiner Ansicht nach angemessen und richtig.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen damit zur Frage 29 des Abgeordneten Krause ({0}): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, urn den schienenfahrzeugproduzierenden Bereich der Waggonbau Dessau GmbH als Kernproduktion zu erhalten?

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Herr Kollege Krause, die Position der Waggonbau Dessau GmbH hat sich in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den anderen Standorten der Deutschen Waggonbau AG tatsächlich deutlich verschlechtert. Der Standort Dessau hat der Unternehmensgruppe im Jahre 1994 einen erheblichen Teil an Liquidität entzogen, nämlich 110 Millionen DM. Für 1995 erwartet man 90 Millionen DM. Würde an der Waggonbauproduktion am Standort Dessau festgehalten, würde in hohem Maße die Existenz der gesamten DWA gefährdet werden. Es ist daher zum Überleben des Gesamtkonzerns unerläßlich, den Standort auf andere Produkte umzustellen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage?

Wolfgang Krause (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte darum, erst noch meine zweite Frage zu beantworten. Dann frage ich im Zusammenhang nach.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich auch die Frage 30 des Abgeordneten Krause ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung unter dem Aspekt, daß in Dessau in den vergangenen vierJahren bereits alle ehemaligen Großbetriebe in ihren Produktionsvolumen und Beschäftigungszahlen auf ein nicht mehr zu vertretendes Maß zurückgegangen sind, eine besondere Förderungswürdigkeit besonders unter dem Aspekt, daß bei der Waggonbau Dessau GmbH neue, innovative Schienenfahrzeuge entwickelt wurden?

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Der in Dessau als Prototyp geplante Schienenbus wurde in Zusammenarbeit mit und unter Federführung des Instituts für Schienenfahrzeuge in Berlin konzipiert. Die dort gefertigten Straßenbahnen sind eine Lizenzproduktion. Die vom DWA-Vorstand eingesetzte Arbeitsgruppe zur Standortentwicklung in Dessau arbeitet derzeit an einer Verfeinerung der Maßnahmen des Standortkonzepts für Dessau. Die Bundesregierung wird sich mit der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - einer der drei Nachfolgegesellschaften der Treuhandanstalt -, dem Land Sachsen-Anhalt, der IG Metall und der Deutschen Waggonbau AG darüber verständigen, welche bestehenden Instrumente zur Förderung des neuen Standortkonzepts für Dessau eingesetzt werden können.

Wolfgang Krause (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß man das, was Sie in der Antwort auf meine erste Frage gesagt haben, bei der Belegschaft in dieser Region so nicht überbringen kann? Ein Verständnis dafür ist nicht mehr vorhanden. Diese Region - das habe ich in meiner zweiten Frage angesprochen - ist in hohem Maße gebeutelt. Hier geht es um den einzigen von acht Großbetrieben, der überhaupt noch produktionsfähig ist. Er kann das Konzept, das von der Deutschen Waggonbau AG vorgelegt wurde, diese Aufsplittung in zwölf Teil-GmbHs, so nicht akzeptieren.

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Herr Kollege, ich habe großes Verständnis für Ihre Sorgen als örtlicher Abgeordneter. Als solcher sieht man vor Ort, wie sich die Probleme entwickelt haben. Die Diskussion über diesen Standort - sie ist öffentlich ausgetragen worden - ist nicht neu. Es geht hier nicht um das Verständnis der Bundesregierung, sondern es geht um die tatsächlichen Möglichkeiten, wie man im Rahmen eines betriebswirtschaftlich erträglichen Konzepts vorankommen kann. Sie wissen, daß der Vorstand der DWA am 3. Januar 1995 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines alternativen Standortkonzepts für Dessau eingesetzt hat und dabei vorgesehen ist, eine Reihe von selbständigen Unternehmenseinheiten - wie Sie gerade angedeutet haben - mit zwei Schwerpunkten auszugründen. Nach ersten Abschätzungen können dadurch ca. 400 Arbeitsplätze in Dessau erhalten werden. Daß das noch nicht das Ende der Konzeptionsarbeit ist, ist auch klar. Ich weise hier noch auf die alternativen Geschäftsfelder hin, die dort vorgestellt wurden: erstens Produktion von Komponenten - ich will darauf nicht im Detail eingehen -; zweitens Produktion von Fremdprodukten - Beispiele: Fertighausbau, Türen-, Fenster-, Fassadenfertigung, Umweltanlagen, Containerfertigung -; drittens Verwaltungs- und Dienstleistungsaktivitäten. Lassen Sie mich eine bewertende Bemerkung dazu machen: Das Entscheidende bei all diesen schwierigen Fragen, die für einen Politiker regional, vor Ort sehr schwer durchzustehen sind - das sehe ich wohl -, ist, daß man ein dauerhaftes betriebswirtschaftliches Konzept mit Produkten zustande bringt, die am Markt tatsächlich Abnahme finden. Wenn hier vor Ort ein Umstrukturierungsprozeß geplant wird - unter Einbeziehung aller Beteiligten -, dann muß man dies vor Ort auch im Detail weiter so laufen lassen, auch wenn ich, wie gesagt, Ihre Besorgnis verstehe. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nun hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD noch den Wunsch nach einer Zusatzfrage.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, daß das Konzept, das die Bundesregierung derzeit erarbeitet, den Bau von Schienenfahrzeugen nicht mehr vorsieht, obwohl gerade nach Schienenfahrzeugen, die dort jetzt gebaut werden, eine erhebliche Nachfrage besteht? Um es deutlich zu sagen: Die Bundesregierung unterstellt mit diesem Konzept, daß der Bau von Schienenfahrzeugen in Dessau nicht mehr stattfinden soll. Damit wird auch die Produktion von Güterfahrzeugen abgeschlossen, die dort ebenfalls sehr innovativ war. Das bedeutet natürlich, daß das Konzept, das die Bundesregierung vorzulegen beabsichtigt, für diese Gegend überhaupt nicht mehr relevant ist; denn Komponentenproduktion dieser Art finden Sie in Sachsen-Anhalt inzwischen an vielen Stellen.

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Herr Kollege, die Bundesregierung legt überhaupt kein Konzept vor. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, hier ein betriebswirtschaftliches Konzept vorzulegen. ({0}) Ich habe gesagt, welche Institutionen sich hier um eine entsprechende Konzeption bemühen, daß da eine Arbeitsgruppe vorgesehen ist. Auf Grund der Kenntnisse, die ich zu diesem Vorgang habe - ich bitte um Verständnis dafür -, kann ich nicht sagen, ob neben den zusätzlichen Aspekten, die man hier eingebracht hat, den anderen Fertigungsbereichen, den anderen Feldern betriebswirtschaftlicher Tätigkeit, auch noch Teile des Schienenfahrzeugbaus übrigbleiben. Das müßte man klären und Ihnen schriftlich mitteilen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Küster, Sie haben leider keine Zusatzfrage mehr. Nur der ursprüngliche Fragesteller hat zwei Zusatzfragen, andere Kollegen haben jeweils nur eine. Aber es gibt noch eine Nachfrage der Kollegin Lemke.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auf welche Untersuchungen stützt sich die Annahme der Bundesregierung bzw. der Treuhandanstalt, daß die Schienenfahrzeugproduktion am Standort Dessau - sprich: der Schienenbus, ein innovatives Produkt, wie inzwischen auch die DB bestätigt hat - nicht rentabel sein wird?

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000517

Da sich die Bundesregierung mit diesen betriebswirtschaftlichen Fragen nicht befaßt hat, sondern die entsprechenden von mir vorgetragenen Institutionen damit beauftragt sind, will ich keine Stellungnahme dazu abgeben. ({0}) - Ich meine, daß Sie die Nachfolgeorganisation der Treuhand durchaus entsprechend fragen können. Wenn Sie diese Frage über mich einreichen, bitte schön.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Herr Staatssekretär. Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Bei den anderen Fragen zu diesem Geschäftsbereich ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind wir am Ende der ausgemachten Zeit. Ich bedanke mich bei Ihnen für die ausführlichen Antworten. Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 9. Februar 1995, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.