Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst möchte ich folgendes mitteilen. Ich wurde darüber unterrichtet, daß die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. beantragen, den Tagesordnungspunkt 11, Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform, von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist das so beschlossen.
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- Hat sich dazu jemand gemeldet? Das habe ich übersehen. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Gruppe der PDS stimmt diesem Antrag ebenfalls zu, hält es aber für erforderlich, dazu einige Bemerkungen zum Abstimmungsverhalten zu machen.
Bereits am Mittwoch war im federführenden Finanzausschuß klar, daß der Gesetzesantrag der Koalition in seiner vorliegenden Form weder beratungs- noch entscheidungsreif war. Man hätte also die Entscheidung, diesen Punkt in dieser Woche nicht zu behandeln, bereits am Mittwoch von der Sache her treffen können.
Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sollte heute beschlossen werden, obwohl die Schaffung der dafür notwendigen Voraussetzungen mittels Änderung des Grundgesetzes, wodurch eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer ermöglicht werden sollte, nach dem Willen der Koalition auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verlegt werden sollte. Ein solches Vorgehen ist weder in der Sache noch aus verfassungsrechtlichen Gründen nachzuvollziehen; es ist befremdend.
Nach dem Willen der Regierungskoalition sollte heute über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in einem Umfang von etwa 5 Milliarden DM pro Jahr entschieden werden, obwohl die dafür notwendigen Rahmenbedingungen nicht in vollem Umfange geschaffen worden sind. Nach wie vor steht im Raum, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nur der Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer überhaupt ist; denn die Koalition hält an
ihrem Willen fest - in der Koalitionsvereinbarung verankert -, wonach dieser Einstieg in den Ausstieg mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer beginnen soll. Die Stimmen aus den Unternehmensverbänden, die gerade in der letzten Woche im „Handelsblatt" abgedruckt waren, zeigen ebenfalls in diese Richtung.
Nun zur Situation der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland. Wohl wissend - ich möchte das noch einmal ausdrücklich betonen -, daß es sich bei der Gewerbekapitalsteuer um eine Substanzsteuer handelt, die auch dann zu zahlen ist, wenn die Unternehmen keine Gewinne machen, und wohl wissend, daß diese Situation in Ostdeutschland erhebliche Probleme aufwirft, wurde von der Koalition am 12. Dezember 1996 formal die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in Ostdeutschland besprochen und entschieden.
Das hat dazu geführt, daß in den Ländern Brandenburg, Sachsen und Berlin die Finanzministerinnen bzw. Finanzminister derzeitig daran arbeiten, die Gewerbekapitalsteuer 1997 noch einzuführen. Das ist eine völlig absurde Situation
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in Anbetracht der außerordentlich prekären Lage der ostdeutschen gewerblichen Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittelständischen Betriebe.
Ich will damit sagen, daß die Koalition mit diesem Beschluß vom 12. Dezember 1996 selbst die Grundlagen gelegt hat, daß Landesregierungen in Ostdeutschland ein solches Verhalten an den Tag legen können. Deshalb stimmen wir der Absetzung zu, möchten aber eindeutig sagen, daß dieses Verhalten der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition nicht kommunalfreundlich und zugleich ein Schlag ins Gesicht der ostdeutschen Kommunen ist.
Es ist dringend geboten, den ostdeutschen Kommunen für die ihnen vorenthaltenen Einnahmen aus der Gewerbekapitalsteuer - 500 Millionen DM jährlich, seit 1991 insgesamt 2,1 Milliarden DM - endlich einen vernünftigen Ausgleich zu zahlen. Wir erwarten, daß der Bundesfinanzminister in der nächsten Woche einen konkreten, kontrollfähigen Nachweis
Dr. Uwe Jens Rössel
erbringt, wie die ostdeutschen Kommunen für diese Einnahmeausfälle entschädigt werden können.
Ich bedanke mich.
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Herr Kollege Poß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Heuen! Auch die SPD stimmt der Absetzung dieses Tagesordnungspunktes am heutigen Tage zu. Bei der Gelegenheit darf aber nicht verschwiegen werden, daß die Koalition - das zeigt ja wohl der Verlauf der von ihr gestern intern geführten Debatte - mit ihren Gewerbesteuerplänen schon in den eigenen Reihen aufgelaufen ist.
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Es sollte hier auch festgehalten werden, daß das Vorgehen, das Sie gewählt haben, skandalös zu nennen ist.
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Es wird hier ein Gesetz zur Beschlußfassung vorgelegt, das offensichtlich verfassungswidrig ist. In diesem Gesetz soll eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer festgelegt werden, obwohl eine verfassungsrechtliche Ermächtigung dazu im Grundgesetz nicht vorhanden ist. Wohin bringen Sie dieses Parlament eigentlich,
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daß es sich als Verfassungsorgan nicht einmal an das verfassungsgemäße Verfahren hält? Von daher verbinde ich diese Wortmeldung mit dem Appell an Sie: Sorgen Sie für ein verfassungsgemäßes Verfahren und versuchen Sie nicht, so trickreich, wie Sie das derzeit tun, die Verfassung zu unterlaufen! Überlegen Sie sich bitte bis zur Beratung in der kommenden Woche, ob Sie nicht erst die verfassungsmäßigen Grundlagen schaffen wollen, ehe Sie hier einfachgesetzliche Änderungen herbeiführen wollen! Stellen Sie den Konsens, den wir hier einfordern, mit den Kommunen und auch mit den Ländern her!
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Frau Kollegin Scheel.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, daß in dieser Sache eine Verfassungsänderung zwingend geboten ist. Wir alle wissen auch, daß nach der Verfassungsrechtsprechung ganz klar und deutlich ist, daß Grundgesetzänderungen in Kraft getreten sein müssen, bevor der Bundespräsident darauf basierende Bundesgesetze nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ausfertigen kann. Das ist in diesem Hause bekannt.
Wenn man - fraktionsübergreifend von CDU/CSU und F.D.P. bis zu den Grünen - die Gewerbekapitalsteuer abschaffen will, dann muß die Grundgesetzänderung vorgenommen werden. Das heißt: Der entsprechende Gesetzentwurf zur Grundgesetzänderung muß erst im Plenum eine Zweidrittelmehrheit finden, bevor man über den Gesetzentwurf, der heute auf der Tagesordnung steht, überhaupt verhandeln kann.
Aus diesem Grund sind wir natürlich auch der Auflassung, daß dieser Tagesordnungspunkt heute abgesetzt werden kann. Ich befürchte jedoch, daß durch die Verlagerung auf die nächste Woche genau der gleiche Sachverhalt wieder auftreten wird, da die Koalition das politische Spiel aufgemacht hat, die Grundgesetzänderung nicht zuerst in das Parlament einzubringen, sondern zuerst im Bundesrat diskutieren zu lassen. Das ist genau der Punkt, an dem ich sage: Hier wird das Parlament in gewisser Weise brüskiert; denn hier wird ein politisches Spiel auf Kosten der Kommunen betrieben, um die gesamte Situation letztendlich hinauszuzögern.
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Punkt 2: Situation in den neuen Bundesländern. Es ist seit Wochen bekannt, daß dieses Gesetz erst zum 1. Januar 1998 in Kraft treten soll. Das bedeutet selbstverständlich, daß die neuen Bundesländer auf Grund der Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer bereits im Jahre 1996 Einnahmeausfälle hatten, aber auch im Jahre 1997 Einnahmeausfälle erwarten, die sich unter dem Strich auf ungefähr 430 Millionen DM saldieren. Es ist selbstverständlich auch klar, daß die Kommunen in den neuen Bundesländern das gleiche Recht haben müssen wie die Kommunen in den alten Bundesländern. Das heißt, hier muß zumindest finanztechnisch eine Lösung gefunden werden, um nicht zu einem weiteren Ungleichgewicht, das wir im letzten Jahr bereits hatten, zu kommen.
Das heißt, für das Jahr 1997, auch wenn es, Herr Minister Waigel, verdammt weh tut - die Haushaltslage ist uns bekannt - ({1})
- Auch uns ist die Haushaltslage bekannt. Aber es ist nicht unser Problem - ({2})
- Moment, mein Satz ist noch nicht zu Ende! ({3})
Es ist nicht unsere Schuld, daß diese Grundgesetzänderung und die Kompensation für die Kommunen durch die Beteiligung an der Umsatzsteuer heute wieder von der Tagesordnung abgesetzt werden soll.
Wir haben hier bereits vor zwei Jahren eine Vorlage eingebracht, wie diese Kompensation zugunsten der Kommunen erfolgen kann. Sie als Koalition
können wirklich nicht hergehen und sagen, die Grünen hätten irgend etwas blockiert.
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Wir haben uns sehr früh dazu bekannt, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen und die Vorlagen, die die kommunalen Spitzenverbände hinsichtlich der Beteiligung an der Umsatzsteuer in Form von 2,3 Prozentpunkten ausgearbeitet haben, zu akzeptieren. Wir haben gesagt: Dies ist eine solide Grundlage für die Zukunft der Kommunen. Dies unterstützen wir. Das wissen Sie sehr gut.
Deswegen sage ich hier ganz klar: Es liegt nicht in unserer Verantwortung, daß sich die ostdeutschen Kommunen im Jahr 1997 in dieser fatalen Situation befinden. Wir haben diesen Reformvorschlag gemacht. Wir hätten ihn bereits 1996 beschließen und 1997 in Kraft treten lassen wollen, so daß nämlich auch die westdeutschen Kommunen auf Grund dieser neuen Vorlage eine stabilere Finanzsituation gehabt hätten, als sie sie im Jahre 1997 auf Grund des Rückgangs der Gewerbekapitalsteuer haben.
Das alles wissen Sie sehr wohl. Es liegt nicht an uns, daß hier nichts passiert. Ich kann nur hoffen, daß wir trotz dieses großkoalitionären Getues im Zusammenhang mit der Steuerreform - dazu gehört auch die Unternehmensteuerreform genauso wie die Situation der Kommunen - zu einer Lösung kommen, indem wir in diesem Haus parteiübergreifend daran festhalten, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird und daß die Kommunen endlich zu dem Geld kommen, das sie verdient haben.
Vielen Dank.
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Herr Kollege Thiele.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Scheel, wenn Sie sagen, der Haushalt sei nicht Ihr Problem, dann muß ich Ihnen sagen, daß man das in der Form nicht sehen kann. Die Probleme unseres Landes betreffen uns alle. Sie betreffen uns alle in diesem Bundestag, und sie betreffen die Bevölkerung. Die hohe Zahl der Arbeitslosen muß uns alle beschäftigen. Insofern kann man nicht sagen: Ein Bundesproblem, das es auch auf anderen Ebenen gibt, ist ausschließlich Sache einzelner Parteien und nicht aller. Wer vom Wähler für das deutsche Volk in den Bundestag gewählt wurde, muß sich schon dieser Gesamtverantwortung stellen.
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Frau Scheel, bei Erklärungen zur Geschäftsordnung sind keine Zwischenfragen möglich.
Ich möchte aus der Beratung im Finanzausschuß einen Umstand etwas ausführen, der bislang nicht bekannt ist. Wir hatten in dieser Woche im Finanzausschuß, aus meiner Sicht erstmalig übereinstimmend, über alle Parteien hinweg, die Einsicht und die Absicht, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen. Jede Partei, jede Fraktion hat erklärt, daß die Gewerbekapitalsteuer eine unsinnige Steuer ist. An dieser Stelle - das ist im Bericht nachzulesen - haben wir eine Chance, daß jetzt endlich die Einsicht Platz greift, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird, weil es nicht sein kann, daß wir die schwache Eigenkapitalbasis der Betriebe und Arbeitsplätze insbesondere in den neuen Bundesländern kritisieren und auf der anderen Seite genau diese Arbeitsplätze zusätzlich besteuern wollen. Das heißt, wir fördern Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern, nehmen über Steuern diese Förderung gleich wieder weg und gefährden dadurch Arbeitsplätze. Das kann nicht richtig sein.
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Insofern sind wir, auch wenn es heute durch die Absetzung etwas anders erscheinen mag, in der Sache weitergekommen, weil übereinstimmend erklärt wurde: Die Gewerbekapitalsteuer ist ein Fossil und muß weg.
Bedenken werden derzeit insbesondere unter rechtsförmlichen Gesichtspunkten geltend gemacht. Über rechtsförmliche Gesichtspunkte kann man trefflich streiten, Herr Poß, das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen.
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Man kann auch darüber streiten, warum sich Dinge in unserem Land nicht ändern lassen. Aber die Bevölkerung in unserem Land erwartet von uns, daß wir nicht sagen, warum gewisse Dinge nicht gehen, sondern daß wir endlich zu Potte kommen und sagen, warum Dinge gehen und warum allgemein als unsinnig erkannte Tatbestände jetzt endlich geändert werden müssen und die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden muß. Da sind wir alle in einer Pflicht und in einer Verantwortung. Ich hoffe, daß man bei dieser Frage in der nächsten Woche hier im Deutschen Bundestag überparteilich zu einem Ergebnis kommt.
Die ostdeutschen Kommunen benötigen natürlich Geld, und wir wollten ihnen schon viel früher Geld geben. Wir wollten ihnen Geld geben, damit nicht die Betriebe in den neuen Ländern zahlen müssen, um den Kommunen das Geld zu verschaffen. Deshalb haben wir seit mehr als zwei Jahren den Versuch unternommen, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, um die Betriebe nicht zu belasten und den Kommunen dieses Geld zur Verfügung zu stellen.
Daß dies bislang leider nicht Gesetz werden konnte,
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liegt - das ist der Öffentlichkeit klar - nicht an der Koalition. Denn unsere Bemühungen zur Änderung dieses Zustandes sind Ihnen bekannt. Wir haben das im Jahressteuergesetz 1996 schon versucht, wir haben es danach noch einmal versucht,
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und wir werden es weiter versuchen und an diesem Punkt nicht lockerlassen, weil wir es für absurd halten, hier eine Zusatzsteuer auf jeden Arbeitsplatz in Deutschland bestehen zu lassen, was auch international überhaupt nicht mehr in die Welt paßt.
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Deshalb finden wir es bedauerlich, daß der Punkt abgesetzt wird. Wenn der Punkt aber abgesetzt wird, damit in der nächsten Woche endlich die Einigung darüber erreicht wird, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird, dann hat diese Absetzung der Debatte doch noch einen Sinn.
Herzlichen Dank.
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Herr Kollege Hörster.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Hohen Hause, konform mit der Geschäftsordnung, wenn ich die zurückliegenden Debattenbeiträge betrachte, erklären, warum ich dem Absetzungsantrag zustimme. Ich stimme nicht deswegen zu, Herr Kollege Poß, weil ich es für verfassungsrechtlich bedenklich hielte, heute dieses Gesetz zu verabschieden. Denn dieses Gesetz ist hinsichtlich des Inkrafttretens an eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes gekoppelt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß Sie immer unterstellt haben, daß eine vorhergehende Änderung des Grundgesetzes der Regierungskoalition Tür und Tor öffnen würde, eine Regelung durchzusetzen, die Sie nicht mögen, haben wir zunächst einmal die einfachgesetzliche Regelung auf den Weg gebracht, damit Sie wissen, wie das dann in der konkreten Umsetzung aussehen soll, damit Sie sich mit der Sache befassen und das Ganze dann in Kraft treten kann, wenn das Grundgesetz geändert ist. Insoweit ist das Verfahren vernünftig, und es ist auch verfassungskonform. Ihre entsprechende Kritik geht insoweit ins Leere.
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Die Absetzung der Behandlung dieses Gesetzentwurfes heute hat den Grund - deswegen halte ich das auch für vernünftig -, daß Gespräche ins Haus stehen, von denen wir alle wissen und die am Montag beginnen werden. Deswegen sollte man, wenn alle darüber einig sind, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft und die Gewerbeertragsteuer gesenkt werden soll, auch die Chance solcher Gespräche nutzen, um eine möglichst breite Basis für eine solche Entscheidung herbeizuführen. Vielleicht kommt am Montag auch in dieser Richtung etwas dabei heraus. Deswegen stimme ich der Absetzung dieses Tagesordnungspunktes zu.
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Nachdem die Erklärungen zu dem beschlossenen Absetzungsverfahren erfolgt sind, rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 12a bis 12d auf:
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0})
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1994
- Drucksachen 13/146, 13/714, 13/707, 13/3955 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Siegfried Hornung
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1995
- Drucksachen 13/3208, 13/6874 -
Berichterstattung: Abgeordneter Wilhelm Dietzel
c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1996
- Ergebnisse der Waldschadenserhebung -- Drucksache 13/6300 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2})
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sechster Immissionsschutzbericht der Bundesregierung
- Drucksache 13/4825 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({3})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Zu dem Waldzustandsbericht 1996 liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., der Fraktion der SPD sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Wir verfahren entsprechend.
Als erster ergreift der Kollege Wilhelm Dietzel das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Das Jahr 1648; der Dreißigjährige Krieg ist zu Ende. Ein Wolfenbütteler Oberforstbedienter, aufgefordert, sich über den Zustand der Wälder im Harz ein Bild zu machen - dies nicht zuletzt wegen des enormen Holzhungers des dortigen Erzbergbaus -, berichtet, er habe in diesen Häuen keinen einzigen Oberbaum gefunden, der stark genug gewesen wäre, um einen Kommunionförster daran aufzuhängen.
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Herr Kollege Dietzel, warten Sie einmal einen Augenblick. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen bitten, daß sie dem Redner Gelegenheit geben, zum Tagesordnungspunkt vorzutragen. - Bitte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um eines klarzustellen: Es geht natürlich heute morgen nicht um den Strafvollzug im Mittelalter. Ich sage das, damit kein Mißverständnis in dieser Beziehung entsteht. Ich wollte mit dem Zitat einmal klarmachen, daß wir uns über den Wald, dieses Kulturgut der Deutschen, nicht erst unterhalten, seit es die neuen Waldschäden gibt, sondern daß der Wald schon seit mehreren hundert Jahren Diskussionsgegenstand ist.
Heute können wir Meldungen lesen, die in eine andere Richtung weisen, wie zum Beispiel die in der „Bild"-Zeitung vom 17. November 1996: Die schönste Nachricht des Jahres - der deutsche Wald wird wieder gesund. Dazu kann ich sagen: Wie schön.
Es gibt auch andere Berichte über dieses Thema, zum Beispiel die Studie des Europäischen Forstinstituts, das einen enormen Zuwachs des Waldes hier in Europa festgestellt hat. Man könnte ja nun meinen, wir gehen nicht rosaroten, sondern grünen Zeiten entgegen. Dies führt aber auf der anderen Seite dazu, daß sofort Baumpsychologen auf den Plan gerufen werden, die bekanntgeben, daß sich der Wald zu Tode wächst, daß die Bäume unter dem Streß kurz vor ihrem Ableben üppig wachsen.
Wenn wir diese extrem unterschiedlichen Meinungen in der Diskussion einmal zur Kenntnis nehmen, dann habe ich das Gefühl, daß es ein Schwarzweißdenken in unserer Gesellschaft gibt, nicht nur in der politischen Diskussion, sondern auch bei dieser Problematik. Hervorzuheben ist natürlich, daß sich die Kassandrarufe der 80er Jahre über das Sterben des Waldes nicht bewahrheitet haben.
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Ich glaube, wir stimmen darin überein, daß wir froh sein können, daß es so gekommen ist.
Wir brauchen natürlich eine lebendige Auseinandersetzung mit diesem Stück Natur. Denn der deutsche Wald ist mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen. Das Waldsterben löst Ängste aus. Ein ganzes Volk diskutiert über diese Problematik. Ich glaube, es ist gut, daß dieses Thema auch in der Bevölkerung diskutiert wird.
Die grundsätzliche Frage stellt sich natürlich: Wie krank ist der Wald denn nun? Vielleicht folgende Aussage vorweg: Der Wald stirbt zwar nicht, aber er ist alles andere als gesund. Wenn ich den Waldzustandsbericht 1996 zur Kenntnis nehme und an Hand der Berichte der Jahre davor vergleiche, wie die Entwicklung verlaufen ist, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß die Zahl der deutlich geschädigten Bäume - das sind Bäume mit mehr als 25 Prozent Blatt- oder Nadelverlust - 1996 durchschnittlich um zwei Prozentpunkte auf 20 Prozent zurückgegangen ist, daß es 1994 noch 25 Prozent waren und 1995 22 Prozent. Es ist also durchaus eine erfreuliche Entwicklung festzustellen. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch hier einsehen, daß die Besserung möglicherweise darauf zurückzuführen ist, daß wir 1994/95 viel Regen im Frühjahr hatten und 1996 der Sommer kühl und kalt war. Dies darf nicht dazu führen, daß wir in dem Bestreben nachlassen, unseren Wald wieder fit zu machen. Das heißt, die Maßnahmen der Luftreinhaltung müssen fortgeführt werden. Auch ein verantwortungsvoller Umgang mit Energie und Rohstoffen ist unverzichtbar.
Meine Damen und Herren, das Ausmaß des Waldsterbens ist regional sehr unterschiedlich. Einen Schwerpunkt der Diskussion bilden unter den alten Bundesländern sicherlich die süddeutschen Länder. Dort ist der Anteil der geschädigten Bäume nur wenig zurückgegangen. In den norddeutschen Ländern, wo der Anteil an geschädigten Bäumen relativ gering war, stellen wir einen Stillstand des Rückpan, ges fest und müssen zur Kenntnis nehmen, daß in
Schleswig-Holstein sogar eine deutliche Zunahme von 20 auf 27 Prozent zu verzeichnen ist.
In den neuen Bundesländern ist die Entwicklung günstig: Der Anteil der geschädigten Bäume sank von ursprünglich 38 Prozent im Jahre 1991 auf derzeit 16 Prozent. Wir können feststellen, daß diese Entwicklung parallel zum Rückgang der dortigen Emissionen verläuft und damit auch parallel zum Abbau der Schwerindustrie.
Ich muß auch darauf hinweisen, daß die Entwicklung hinsichtlich der Baumarten unterschiedlich ist. Während wir bei Fichten und bei Kiefern die niedrigsten Werte der letzten fünf Jahre feststellen konnten, ist bei den Buchen keine Besserung eingetreten. Auch die Werte für die deutsche Eiche haben sich in erheblichem Maß verschlechtert.
Deshalb die Forderung an die Politik, daß Luftreinhaltung nicht nur in Deutschland, sondern im Zusammenwirken mit allen europäischen Ländern betrieben werden muß; denn diese Luftreinhaltung geht sicherlich alle Menschen an, die sich mit dem Problem Wald in Europa beschäftigen.
Ich denke, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland auch große Erfolge bei der Luftreinhaltung haben. Von 1989 bis 1994 sanken die Emissionen von Schwefeldioxid um 52 Prozent, von Stickstoffoxid und Ammoniak um 24 Prozent. Ich denke, daß dies zumindest in dem Bereich eine gute Entwicklung ist. Es reicht aber nicht aus, und wir müssen uns Gedanken darüber machen müssen, wie das weiterentwikkelt werden kann.
Die Verkehrspolitik der Bundesregierung hat sicher einen guten Beitrag dazu geleistet, die verkehrsbedingten Emissionen zu verringern. Ich darf einige Punkte aufführen. Eingeführt wurden der Katalysator, die steuerliche Förderung schadstoffarmer Pkw von 1985 bis 1992, strenge Abgasnormen für neu zugelassene Pkw seit 1993, Ozongesetz seit Juli 1995, seit Oktober 1996 EU-weit schwefelarmer Dieselkraftstoff. Der Bund zahlt beim öffentlichen Personennahverkehr der Kommunen zu. Moderne Verkehrsleitsysteme sollen dazu dienen, den Verkehr zu verringern.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Punkt aus den Anträgen der Grünen und der SPD herausnehmen. Ich bin von Beruf Bauer. Daher liegt mir die Diskussion über die Landwirtschaft natürlich nahe. Als Ziel wird genannt, daß die Umstellung auf alternativen Landbau den deutschen Wald möglicherweise retten könnte. Lassen Sie mich einige Anmerkungen dazu machen.
Wenn es stimmt, daß die Ammoniakemission aus der Landwirtschaft zu 88 Prozent aus der Tierhaltung kommt, dann ist es meiner Meinung nach völlig gleich, ob das Ammoniak aus einer extensiven oder aus einer intensiven Tierhaltung kommt.
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Das möchte ich Ihnen gleich noch an einigen Beispielen zeigen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat eine Düngeverordnung erlassen. Man kann ihr in dem einen oder anderen Punkt sicher kritisch gegenüberstehen. Aber es wurde erreicht, daß Mißbrauch in diesen Bereichen ausgeschlossen wird und daß auch bei der Tierhaltung eine Obergrenze gezogen wird, so daß der Besatz pro Hektar nicht maßlos überzogen werden kann.
Ich glaube auch, daß die Verantwortung der Bauern in erheblichem Maße gestiegen ist. Die Ausbildung ist in erheblichem Maße verändert worden. Ich denke an meine Ausbildung; ich habe 1973 die Meisterprüfung bestanden. Dort galt: Viel hilft viel. Heute wird im Bereich integrierter Pflanzenbau ausgebildet. Die Ansichten dazu sind ganz anders.
Eine neue Agrarpolitik innerhalb der Europäischen Union hat dazu geführt, daß hier in erheblichem Maße Zurückhaltung geübt wurde. Der Einsatz von Stickstoff in der Landwirtschaft ging um 28 Prozent zurück, nämlich von 2,2 Millionen auf 1,6 Millionen Tonnen. Die eingesetzte Menge an Wirkstoffen beim Pflanzenschutz ging von 63 000 Tonnen auf 25 000 Tonnen pro Jahr zurück. Das ist ein Minus von 60 Prozent.
Dann noch ein Wort zum Ammoniak, das in der Diskussion natürlich eine besondere Rolle spielt. Im Osten mußten wir zugegebenermaßen feststellen, daß im Bereich einer Großmastanlage mit 175 000 Mastplätzen in bis zu 4 Kilometern Entfernung Schäden in den Wäldern vorhanden waren. Auf der anderen Seite haben wir in den alten Bundesländern in Vechta und Cloppenburg zwar die höchste Viehstärke und mit 20 bis 60 Kilogramm je Hektar auch die größte Ammoniakemission, allerdings mit 3 Prozent die geringsten Waldschäden. Auch dies sollten wir in der Diskussion nicht außen vor lassen.
In unserer Entschließung fordern wir die Bundesregierung auf, das Aktionsprogramm fortzuführen, die konsequente Politik der Luftreinhaltung weiterzuführen und dabei flankierende forstliche Maßnahmen - wie Kalkung und Magnesiumdüngung - in Zukunft nicht auszulassen. Wir müssen im Rahmen der Forschung allerdings versuchen, das Zusammenwirken der Einzelursachen zu ergründen.
Was wir brauchen, ist ein Bündnis für den Wald. Wir müssen auch fordern, daß der Naturschützer den Nutzer akzeptiert. Auf der anderen Seite dürfen Forstleute eine Ausweisung von Schutzgebieten nicht als Verlust ihres beruflichen Selbstverständnisses begreifen. Kampfansagen an den jeweils Andersdenkenden müssen unterbleiben.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als nächster spricht der Kollege Ernst Bahr.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Dietzel, Ihre BemüErnst Bahr
hungen, die Politik der Bundesregierung schönzureden, sind ehrenwert und verständlich.
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Aber, Herr Dietzel, sie ist leider nicht so. Der Waldzustandsbericht sagt aus, daß der Wald mehr geschädigt ist, als Sie das hier zum Ausdruck gebracht haben. - Dabei sagt der Waldzustandsbericht ja noch nicht alles. - Der Zustand des Waldes hat sich weiter verschlechtert. Auch das Gesundschlagen - vor allem marode und kranke Bäume fallen der Axt zum Opfer - kann die Statistik nicht verbessern.
Die relative Verbesserung bei den Fichten- und Kiefernbeständen, von der Sie gesprochen haben, ist mehr auf die günstige Witterung zurückzuführen, also mehr auf eine glückliche Fügung, als auf politische Maßnahmen. Da die „Baumpsychologen" zu bemühen ist fehl am Platze; denn es ist eine Tatsache, daß hierauf die Witterung einen entscheidenden Einfluß genommen hat. Ich gehe nicht so weit, zu sagen, daß die „Psychologie des Baumes" herangezogen werden muß.
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- Das ist richtig. Aber, Herr Heinrich, es geht mit dem Wald nur runter. Wenn wir das hätten, was hier angedeutet worden ist, nämlich daß sich die Verschlechterung verlangsamt, dann wären wir schon froh. Aber das ist leider nicht festzustellen.
In mindestens zwei Punkten sagt der amtliche Waldzustandsbericht auch nur die halbe Wahrheit: Erstens. Die schwer geschädigten, zum Teil schon abgestorbenen und herausgeschlagenen Bäume erscheinen nicht mehr in der Statistik. Sie müssen künftig mit erfaßt werden. Zweitens. Die Versauerung der Waldböden schreitet infolge der Stickstoffüberlastung der Luft rapide fort. Sie schadet dem Wurzelwerk der Bäume, hemmt den Nachwuchs von Jungpflanzen und gefährdet damit die Stabilität der Wälder.
Der Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, ihr Parteifreund Wolfgang von Geldern, hat die Bundesregierung noch im letzten November aufgefordert, verstärkt Anstrengungen in der Verkehrs-, Energie- und Agrarpolitik zu unternehmen. „Wir brauchen erneuerbare Energien", hat von Geldern wörtlich gefordert.
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Was unternimmt die Bundesregierung? Minister Rexrodt reformiert das Energierecht in einer Weise, daß umweltfreundliche, erneuerbare Energieformen künftig kaum noch eine Chance in unserem Land haben werden. Die Regierungskoalition benennt die Zunahme des Straßenverkehrs und den damit verbundenen wachsenden Ausstoß an Luftschadstoffen als eine wesentliche Ursache für den schlechten Zustand unserer Wälder. Gleichwohl hat sie über das bisher erreichte Maß hinaus keine konkreten Maßnahmen zur Luftreinhaltung anzubieten. Wo bleibt das Dreiliterauto? Was unternimmt die Bundesregierung, um den Straßengüterverkehr einzuschränken? Sie investiert gerade Milliardensummen in ein Transrapid-Projekt, das aus wirtschaftlichen Gründen zum Scheitern verurteilt ist, anstatt diese Gelder weitaus sinnvoller in eine Modernisierung und einen Ausbau der umweltfreundlichen Bahn zu investieren.
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Tatsächlich kürzt sie die Mittel für die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft und plant, die Anzahl der Institute, der Forschungsstandorte und der Wissenschaftler zu reduzieren. Ihrer eigenen Forderung nach einer Stärkung der deutschen Forstwirtschaft und einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des einheimischen Holzes wird die Bundesregierung ebenfalls nicht gerecht.
Auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion zum Thema „Wettbewerbsbedingungen für den Einsatz von Holz als Baumaterial" hat die Bundesregierung erklärt, daß Holz hinsichtlich der Kriterien Energieeinsparung, Wärmeschutz, Hygiene und Gesundheit, Nutzungssicherheit und Schallschutz ein idealer Baustoff ist. Auch die Brandschutzrisiken werden mittlerweile günstiger bewertet. Um so unverständlicher ist es, daß sie keinerlei Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Holz unterstützt. Auch die versicherungstechnisch nachteilige Einstufung von Holz gegenüber anderen Baustoffen wird von der Bundesregierung nicht beseitigt.
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Unsere Initiative zur Kennzeichnung von Holz aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft greift die Bundesregierung weiterhin nicht auf. Hier hofft sie wieder einmal auf die freiwilligen Initiativen der Wirtschaft - wahrscheinlich vergeblich. Notwendig ist ein einheitliches Gütesiegel mit wirksamen Vergabekriterien. So erhält der Verbraucher die Sicherheit, nachhaltig erzeugte Holzprodukte zu erwerben.
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- Dann wollen wir das auch anpacken, Herr Heinrich.
Eine ökonomische Holzwirtschaft ist langfristig Voraussetzung für eine ökologische Waldbewirtschaftung.
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Die Auftragseingänge der deutschen Holzbauwirtschaft sind aber wieder rückläufig. Das ist Ergebnis Ihrer Politik.
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Die soziale Marktwirtschaft ist in vielen Bereichen aus guten Gründen reguliert. Aus marktideologischen Gründen in der Holzwirtschaft nichts zu tun ist der Verzicht auf eine aktive Politik zum Schutz der
Wälder. Allein die Wettbewerbsfähigkeit von Holz zu fordern genügt nicht. Vielmehr gilt es, konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, wie dies praktisch geschehen soll. Eine Regierung hat den Auftrag zum Handeln und nicht zum Abwarten. Was dieser Regierung wirklich fehlt, ist der politische Wille und politisches Durchsetzungsvermögen, gerade gegenüber mächtigen Lobbygruppen und Verbänden.
In der Wissenschaft besteht weitgehend Einigkeit über die Ursachen des Waldsterbens. Die Übersauerung der Böden muß verringert werden, weil sie das Wachstum der Bäume ernsthaft gefährdet. Die Industrie, der Straßenverkehr und in einigen Bereichen auch die Landwirtschaft sind die wesentlichen Verursacher der Probleme unserer Wälder.
Um die ökologische Funktion der Wälder dauerhaft zu sichern, ist ein umfassendes Programm zur Bekämpfung des Waldsterbens, zur nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes und zur Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Wirtschaftszweig notwendig. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat die SPD- Bundestagsfraktion in ihrem Antrag „Bekämpfung des Waldsterbens" eine Reihe konkreter Vorschläge dazu unterbreitet.
Kernpunkte unseres Konzeptes zum Schutz der Wälder sind: die Reduzierung des Straßengüterverkehrs, eine erhebliche Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Ersatz der Kilometerpauschale durch eine Entfernungspauschale, der Einstieg in eine ökologische Steuerreform, weitere Ansätze zur Energieeinsparung und die Umstellung auf abfallarme Produktion in allen Bereichen.
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Wir brauchen ein Programm zur Förderung erneuerbarer Energien, vor allem der Solar- und Windenergie. Notwendig ist eine Waldbewirtschaftung nach ökologischen Grundsätzen. Hierzu gehören: der Bodenschutz, die Baumartenwahl und die Vermehrung von Laub- und Mischwald, die Verbesserung des Waldgefüges, die Erhaltung alter, abgestorbener Bäume, der Aufbau eines Netzes von Waldschutzgebieten und der ökologisch verträgliche Einsatz der Forsttechnik.
Wir wollen standortgerechte, naturnahe Waldbestände durch Naturverjüngung. Dazu sind die Schalenwildbestände den jeweiligen Standorten anzupassen. Die Waldschadensstatistik muß verbessert und um Daten zum Zustand der Böden ergänzt werden.
({9})
Die Bundesregierung wird aufgefordert, auch über die abgestorbenen Bäume und Waldflächen zu berichten sowie die Schadensklasse 5 einzuführen.
({10})
Die ökonomischen Auswirkungen der Waldschäden müssen künftig Eingang in die Waldzustandsbewertung finden. Der Forstwirtschaft muß eine ökonomisch tragfähige Perspektive gegeben werden, ohne
die eine nachhaltige Waldbewirtschaftung nicht möglich ist. Die energetische und industrielle Verwertung von Holz ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Auch unsere Landwirtschaft muß in einigen Bereichen umweltverträglicher werden. Die Reduzierung des Düngemitteleinsatzes und die Einschränkung klimaschädlicher sowie die Artenvielfalt zerstörender Pflanzenschutzmittel sind dringend notwendige Maßnahmen in diesem Bereich.
({11})
Die Fördermittel für die Landwirtschaft müssen verstärkt an Umweltschutzkriterien und Naturschutzerfordernisse sowie an die artgerechte und flächenangepaßte Tierhaltung gekoppelt werden. Umweltschonende Produktionsverfahren, zum Beispiel den ökologischen Landbau und seine Marktchancen, muß man verstärkt fördern. Diese Ziele muß die Bundesregierung bei den anstehenden Verhandlungen zur WTO-Reform vertreten.
Die Bundesregierung muß endlich die längst überfällige Reform des Bundesnatur- und des Bodenschutzgesetzes vorlegen. Darin muß die Verpflichtung zu einer naturverträglichen Land- und Forstwirtschaft enthalten sein.
Ich hoffe, daß diese Maßnahmen umgehend umgesetzt werden. Wir erklären dazu unsere Bereitschaft zur Mitarbeit und Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
({12})
Als nächste spricht in der Debatte die Kollegin Steffi Lemke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! „Unser Wald auf dem Weg zur Besserung" - so die freudige Schlagzeile des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Waldschadensbericht 1996. Die Bundesregierung macht es sich jedoch zu einfach, wenn sie erklärt: „Die anfänglichen pessimistischen Prognosen vom raschen und flächenhaften Sterben unserer Wälder sind nicht eingetroffen. " Ich frage mich, wo Sie leben, daß Sie angesichts der Tatsachen, daß flächenhaftes Absterben „nur" in einzelnen Waldgebieten aufgetreten ist und weit über die Hälfte des Waldes nach wie vor krank ist, zwanghaft versuchen, Optimismus zu verbreiten.
Angesichts der Tatsache, daß die Hauptbaumarten Buche und Eiche unverändert in einem hundsmiserablen Zustand ohne Anzeichen der Besserung sind, müßten Sie doch hier Alarm schlagen. Statt dessen versuchen Sie, die leichten statistischen Verbesserungen des Waldzustandes als Erfolg Ihrer verfehlten Luftreinhaltepolitik zu verkaufen.
Eine Abnahme der Schäden kann nur für einzelne Baumarten - und das auch nur regional - beobachtet werden. Der Zustand der Eichen ist nach wie vor am
schlimmsten. Nur 18 Prozent sind im bundesdeutschen Durchschnitt gesund, in Thüringen ist es keine einzige mehr.
Der Hauptgrund für den leichten Rückgang deutlich geschädigter Bäume um 2 Prozent liegt in der feucht-kühlen Witterung des Sommers 1996, die dem Wald zusätzlichen Trockenstreß und eine hohe Ozonbelastung ersparte. Zwar wurden auf massiven Druck der Umweltbewegung in den vergangenen Jahren erhebliche Emissionsminderungen bei Schwefeldioxid erreicht - das ist tatsächlich ein Erfolg, den ich hier nicht unter den Tisch kehren möchte -, für eine Gesundung des Ökosystems Wald ist das Emissionsniveau jedoch nach wie vor insgesamt viel zu hoch.
Aber Minister Rüttgers geht in seinem grenzenlosen Zukunftsoptimismus bereits einen Schritt weiter. Der Waldschadensbericht ist nach Meinung des Bundesforschungsministeriums nicht mehr aussagekräftig genug. Deshalb müsse geprüft werden, inwieweit er noch „den Anspruch an eine den Tatsachen entsprechende, nützliche, aussagekräftige und ... auch politisch zu rechtfertigende Information der Öffentlichkeit erfüllt." Was heißt, bitte schön, „politisch zu rechtfertigende Information"? Sollen die um den Wald besorgten Bürgerinnen und Bürger künftig nur noch erfahren, was der Bundesregierung „nützlich" ist? Diese Orwellsche Informationspolitik erinnert mich fatal an DDR-Zeiten. Das letzte, was dem Wald nützen könnte, ist ein Gesundrechnen per Neudeklination der Schadstoffklassen. Meine Fraktion erwartet, daß die Bundesregierung dieses Vorhaben aus dem Forschungsministerium einstampft. Schade um das Papier, auf dem es geschrieben wurde.
Richtig ist, daß der Waldschadensbericht allein nicht aussagekräftig genug ist. Deshalb fordern wir, daß die Bundesregierung endlich den vielfach versprochenen und immer wieder verschleppten Bodenzustandsbericht vorlegt.
Das Umweltbundesamt hat im Rahmen der UN- Konvention über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigungen kritische Belastungswerte von Stickstoff und säurebildenden Substanzen berechnet. Hieraus wird deutlich, daß auf nahezu 90 Prozent der Fläche Deutschlands sowohl die Stickstoff- als auch die Säureeinträge die von den Ökosystemen verkraftbare Belastung zum Teil bis zum Dreifachen übersteigen.
In den Waldböden tickt eine Zeitbombe. Die Schadstoffanreicherung im Boden stellt langfristig auch die Hauptgefährdung unserer Waldbestände dar. Die Bäume verlieren durch das entstehende Nährstoffungleichgewicht an Vitalität und Widerstandskraft, werden anfälliger gegenüber Witterungseinflüssen und natürlich auch noch anfälliger gegenüber Schadstoffeinflüssen. Durch die zu hohen Stickstoffeinträge werden insbesondere an stickstoffarme Standorte angepaßte Pflanzenarten, unter denen sich bereits besonders viele Rote-Liste-Arten befinden, verdrängt. Inzwischen ist durch die Grundwasserversauerung teilweise sogar die Trinkwassergewinnung in Waldgebieten gefährdet.
An Stelle des Vorsorgeprinzips setzt die Bundesregierung jedoch auf Symptombekämpfung. Ihre Antwort auf versauerte Waldböden lautet im Kern immer noch: Kalkung. Seit 1984 wurden rund 2,1 Millionen Hektar, das sind rund 20 Prozent der Waldfläche Deutschlands, gekalkt.
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Die öffentlichen Haushalte ließen sich dies bisher rund 240 Millionen DM kosten. Die Kalkung kann zwar kurzfristig die Bodenversauerung kompensieren. Aber diese rein bodenchemische Betrachtung greift zu kurz und wirkt sich auf das komplexe Ökosystem Boden letztendlich sogar kontraproduktiv aus.
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CDU und F.D.P. schreiben in ihrem Entschließungsantrag, daß die Erfolge der Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung inzwischen allseits anerkannt sind.
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Diese Einschätzung wird offensichtlich nicht allseits geteilt. So beklagt das Deutsche Kinderhilfswerk in dieser Woche in einer Pressemitteilung unter Berufung auf eine neue Umweltstudie der Uni Göttingen einen drastischen Anstieg der Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindern. So ist die Zahl der Asthmaerkrankungen in den letzten 30 Jahren auf das Vierfache gestiegen, und die Häufigkeit von Heuschnupfen und Neurodermitis hat sich im gleichen Zeitraum von 5 auf 27 Prozent erhöht. Ich frage die Bundesregierung, ob sie diese Entwicklung auch zu den Erfolgen ihrer Luftreinhaltepolitik zählt.
In einer gemeinsamen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, des Deutschen Forstvereins, des Deutschen Forstwirtschaftsrates und der Stiftung Wald in Not werden von der Bundesregierung eine CO2-Steuer und eine konsequentere Politik zur Reinhaltung der Luft eingefordert. Diese Gruppierungen sind im Kern nun nicht unbedingt dem grünennahen Spektrum zuzurechnen, aber selbst dort wird diese Forderung inzwischen in aller Deutlichkeit erhoben.
Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich eine Energiesteuer zu realisieren, um eine wirksame Minimierung der Schadstoffemissionen einzuleiten. Leiten Sie endlich Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung von der Straße auf Schiene, Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV ein. Herr Dietzel, Sie brauchen da nicht mehr zu überlegen, Sie müssen in diesen Bereichen handeln.
({3})
Darüber hinaus muß schnellstens eine Sommersmogverordnung umgesetzt werden, deren Grenzwerte
nicht bloße Makulatur sind, damit unseren Kindern und dem Wald nicht die Luft ausgeht.
({4})
Das Wort erhält der Kollege Heinrich.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bahr, es wäre schon reizvoll, auf Ihre Aussagen wenigstens zum Teil einzugehen. Ich möchte drei Dinge ansprechen.
Sie haben gesagt, von seiten der Bundesregierung sollte ein Bericht über abgestorbene Bäume erstellt werden, der auch Bestandteil des Waldzustandsberichts wird. Wenn Sie das tatsächlich ernst gemeint haben sollten, dann lösen Sie natürlich ein erhebliches Maß an zusätzlicher Bürokratie aus, dann lösen Sie eine notwendige Differenzierung aus, die selbstverständlich dem unterschiedlichen Schadbild der Bäume gerecht werden muß, warum jetzt ein Baum abgegangen ist, warum ein Baum gefällt worden ist: ob der Käferbefall überwiegend schuld war, ob es eine Kombination von Käferbefall und anderen Kalamitäten war oder ob es tatsächlich eine notwendige Fällung war, weil der Baum eben reif war und in der normalen Nutzung gefällt worden ist. Ich bitte Sie: Entlasten Sie die Forstbehörden und entlasten Sie die Leute vor Ort von solchen unnötigen Geschichten! Das bringt uns überhaupt nicht weiter.
Zweitens. Sie haben den Transrapid angesprochen. Ich sage Ihnen: Der Transrapid steht von der Energiebilanz her nicht schlechter da als der ICE; er steht sogar eher besser da. Deshalb ist er eine vernünftige Entwicklung für die Zukunft.
({0})
Drittens. Sie wollen die Alternativlandwirtschaft verstärkt fördern mit dem Ziel, dem Wald etwas Gutes zu tun. Ich weiß nicht, wem Sie etwas Gutes tun, indem Sie in eine zusätzliche Förderung einsteigen. Ich befürchte, sie wird das Gegenteil bewirken; denn wer heute in einen sensiblen Markt wie den der Alternativproduktion mit zusätzlicher Förderung eingreift, der macht den Markt kaputt
({1})
und entzieht denjenigen, die heute schon in der Alternativproduktion sind, die Grundlage dafür, weiter wirtschaften zu können.
({2})
Mit einer verstärkten Förderung kann man hier nichts Vernünftiges bewegen. Ich glaube, diejenigen, die Chancen in diesem Bereich sehen, haben sie schon genutzt und werden sie in der Zukunft verstärkt nutzen, wenn Chancen am Markt vorhanden
sind, aber nicht, wenn die Bundesregierung oder die Opposition dies gerade will.
({3})
Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Lemke, der Waldzustandsbericht erinnert Sie an DDR-Zeiten, weil er geschönt sei.
({4})
Ich muß sagen: Das ist, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit.
({5})
Wir in der Bundesrepublik sind übrigens weltweit die einzigen, die einen Waldzustandsbericht vorlegen. Nirgends wird dermaßen intensiv der Zustand des Waldes von seiten der Regierung, von seiten der Forschung und von seiten des Parlaments begleitet und dokumentiert wie in Deutschland. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich bei all denjenigen, die dazu beitragen, daß wir einen Waldzustandsbericht vorgelegt bekommen, daß wir wissen, wie es um unseren Wald steht, und nicht den Vorwurf machen, die Situation sei geschönt.
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Meine Damen und Herren, ich habe nur eine begrenzte Redezeit. Es ist daher immer schwierig, wenn man auf Ausführungen vorangegangener Redner eingeht,
({7})
auch noch den eigenen Redebeitrag zu absolvieren.
Als ganz wichtig erscheint mir, daß wir uns auf Grund der Erfolge bei der Reinhaltung der Luft, die wir zweifellos haben, nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Vielmehr müssen wir die Überlegenheit des nachwachsenden Rohstoffes Holz insbesondere wegen seiner klimarelevanten CO2-Neutralität noch mehr nutzen und die Rahmenbedingungen für die Holzverwendung verbessern.
({8})
Dazu gehört auch, daß der Wald aus eigentumsrechtlicher Sicht ausreichend geschützt und gewürdigt wird. Daher sollte meiner Meinung nach noch einmal geprüft werden, ob nicht ein entsprechender Auftrag an die Länder, wie er auch im geltenden Bundesnaturschutzrecht enthalten ist, notwendig wäre. Dabei sollten Vorschriften über die Enteignung sowie über Entschädigung bei Enteignungen und Enteignungen gleichkommenden Maßnahmen im neuen Bundesnaturschutzgesetz verankert werden. Eine Entschädigungsregelung ist neben einer Ausgleichsregelung erforderlich.
Ich glaube, das ist eine der zentralen Fragen, die sich auf den Zustand des Waldes in der Zukunft ausUlrich Heinrich
wirkt. Denn wer versorgt unsere Wälder? Wir wissen doch, wie es in den neuen Bundesländern ausgesehen hat und noch heute aussieht. Der Eigentümer Staat hatte kein Interesse an der Pflege des Waldes. Entsprechend sehen die Wälder dort aus ({9})
ganz im Unterschied zu Wäldern in privatem Besitz. Den Privatbesitz der Wälder möchte ich auch in Zukunft erhalten.
({10})
Deshalb müssen Enteignungs- und Entschädigungsregelungen entsprechend verankert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Klima ist natürlich ein wichtiger Punkt. Wir haben uns selber das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2005 eine CO2-Reduzierung um 25 Prozent zu erreichen. Das können wir natürlich allein national nicht leisten. Dieses Ziel ist zwar eine nationale Vorgabe, aber es ist notwendig, daß wir weltweit eine spürbare Reduzierung des CO2-Ausstoßes bekommen; denn wir wissen natürlich, daß die Luftschadstoffe nicht an den Grenzen haltmachen.
Es ist auch eine Frage von zusätzlichen Aufforstungen, meine Damen und Herren. Wir dürfen nicht wie das Kaninchen entsetzt auf die Schlange gucken und feststellen: Der Wald stirbt. Wir müssen vielmehr aktiv werden und neue Waldflächen ausweisen. Weil wir wissen, wie wertvoll dies für unser Klima ist, sollten wir das tun. Ich möchte hier ganz besonders die Unternehmen herausstellen, die sich in diesem Bereich bereits engagieren, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, indem sie Berechnungen darüber anstellen, welchen CO2-Ausstoß sie selber haben, und ein entsprechendes Äquivalent an Neuaufforstungsflächen, wo auch immer auf dieser Welt, schaffen.
Ich halte diese Maßnahme für sehr verantwortungsvoll und für sehr gut. Das bewirkt auch ein Umdenken in unserer Gesellschaft, das wir dringend brauchen. Wir sollten nämlich nicht nur an den Staat appellieren, sondern auch selber etwas tun. Wir selber sollten uns die Frage stellen: Was hast du getan, um für das, was du an Umweltbelastungen tagtäglich verursacht, Wiedergutmachung zu leisten?
Meine Damen und Herren, das Thema Wald ist ein wichtiges Thema. Ihm gebührt deshalb ein entsprechender Stellenwert in unserer parlamentarischen Arbeit und in unserer politischen Verantwortung. Deshalb möchte ich uns alle aufrufen, inzwischen Gemeingut gewordene naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht auf den Kopf zu stellen und das Schadensbild des Waldes nicht nach dem üblichen Oppositions-Regierungs-Schema zu erötern. Wir sollten in dieser Frage vielmehr gemeinsam handeln. Handlungsbedarf ist da; das ist gar keine Frage.
Diese Regierung hat im Bereich des Steuerpakets einige geeignete Maßnahmen vorgeschlagen. Ich erinnere nur an die Entfernungspauschale, die wir einführen wollen. Ich erinnere an die Besteuerung der
fossilen Energieträger. Wir sind, um eine Genehmigung dafür zu bekommen, daß wir eine dritte Mehrwertsteuerstufe einführen dürfen, in Brüssel vorstellig geworden. Das sind notwendige Maßnahmen, die bereits auf den Weg gebracht worden sind und die auch unserem Wald helfen.
Zum Schluß möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir auch in der Frage der Umlegung der KfzSteuer auf die Mineralölsteuer einen richtigen und guten Weg beschreiten. Ich bitte die Opposition, insbesondere die SPD, im Bundesrat dafür zu sorgen, daß wir das auch umsetzen können. Bisher haben wir im Bundesrat nur Störfeuer bekommen. Machen Sie bitte Ihren Einfluß geltend, damit wir diese wichtigen Maßnahmen zugunsten unseres Waldes durchsetzen können.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Bahr.
Herr Kollege Heinrich, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände sagt unter anderem: Es ist unverantwortlich, angesichts der in den Hochlagen der Mittelgebirge nach wie vor flächenhaft absterbenden Wälder von einer Gesundung des Waldes zu reden. An anderer Stelle wird gesagt, daß keineswegs eine Verbesserung der Gesundung des Waldes zu verzeichnen ist.
Angesichts dieser Tatsache ist, denke ich, alles Notwendige zu tun, um herauszufinden, woran der Wald erkrankt ist. Daraus leite ich ab, daß man auch eine Analyse der Ursachen für das Absterben der Bäume oder der Waldflächen vornehmen muß. Man sollte dies auch in die Statistik aufnehmen, um klar und deutlich zu sagen: Das ist das Grundmaterial, an dem die Forschung arbeitet. Die Öffentlichkeit soll sehen, daß Entsprechendes geschieht.
({0})
Eine Bürokratie, die in diesem Falle notwendig wäre, müßte meiner Ansicht nach nicht sehr umfänglich sein; denn die Förster sind überwiegend Fachleute, die sehr wohl einen großen Teil der Arbeit leisten können. Es würde aber zweckdienlich sein, wenn hier etwas Verwaltungsarbeit geleistet würde.
Der Transrapid wird von mir nicht als grundsätzlich schlechte Technologie angesehen.
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Ich akzeptiere sehr wohl, daß der Transrapid eine moderne, energiesparende Technologie sein kann.
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Ich kritisiere aber, daß ein Projekt dieser Art umgesetzt wird. Ich habe gesagt, daß die Mittel, die für dieses Projekt ausgegeben werden sollen, an anderer Stelle besser eingesetzt werden könnten, um SofortErnst Bahr
maßnahmen zur Verringerung der Waldbelastung herbeizuführen.
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Die Arbeitsgemeinschaft, die ich schon erwähnt habe, hat gesagt, daß zusätzlich zu einer konsequenten Politik der Wiedergesundung des Waldes die Absatzchancen für Holz zu verbessern seien. Das gilt nicht nur für den Wald, sondern auch für die Landwirtschaft. Wenn wir die Förderung an Naturschutz- und Umweltschutzkriterien binden - Förderung wird gegeben, das wissen Sie; manche nennen das auch Subvention -, dann wird dem Wald und auch dem Marktwirtschaftssystem, das wir haben, geholfen.
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Möchten Sie antworten, Herr Heinrich? - Bitte.
Ich möchte mich nicht wiederholen, aber auf folgendes hinweisen: Wenn Sie dem Transrapid schon attestieren, daß er energiebilanzmäßig eine vernünftige Technologie ist, dann müssen wir die Technologie auch einsetzen dürfen.
({0})
Sie können nicht bei den Investitionen sagen: Nein, jetzt bitte nicht. Wir müssen der Technologie vielmehr weltweit zum Durchbruch verhelfen. Es hilft nichts, wenn ich die Erkenntnis habe, aber nicht bereit bin, den notwendigen zweiten Schritt zu tun, nämlich umzusetzen, was von der Energiebilanz her positiv wäre.
Herr Kollege Bahr, die Analyse, die Sie einfordern, erfolgt sowieso. Analyse, Begleitung und Forschung, all das wird überhaupt nicht vernachlässigt. Im Gegenteil: Wir haben einen breit angelegten Plan. Sie sehen es auch im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, was wir in Richtung Forschung zusätzlich haben wollen, was wir heute schon tun und was wir fortsetzen wollen. Deshalb geht es gar nicht darum, angeblich vor irgend etwas die Augen zu verschließen. Vielmehr geht es darum, daß Sie nicht uns draußen im Wald - ich sage: uns; ich bin auch Waldbesitzer - die Arbeit aufbürden, jeweils zu entscheiden - die Entscheidung fällt nach Ihrer Vorstellung derjenige, der die Säge in der Hand hat -, ob das nun ein Baum ist, der durch Käferbefall, durch eine andere Einwirkung oder durch allgemeines Waldsterben beschädigt wurde. Das zu analysieren, können Sie uns nicht aufbürden. Das ist nicht machbar. Das gibt Fehlentscheidungen bei der Analyse.
Was der Verband der deutschen Waldbesitzer oder andere Vereinigungen sagen, ist das eine. Es ist ja auch richtig, was sie sagen. Wir haben aber im Waldzustandsbericht der Bundesregierung die Dokumentation, die auf wissenschaftlichen Grundlagen basiert. Das ist die Zuarbeit für unser Parlament; wir brauchen sie. Das andere ist auch ein Ton im Gesamtorchester. Aber die Grundlage und die Basis
dessen, von dem wir ausgehen müssen, ist das, was wir heute diskutieren.
({1})
Das Wort nimmt Herr Dr. Maleuda.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsgruppe der PDS nimmt zur Kenntnis, daß sich der Zustand des deutschen Waldes, der immerhin 29,2 Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik umfaßt, verbessert hat. Es werden vor allem zwei Gründe genannt: der Rückgang der Belastung mit Immissionen und die günstige Witterung in den letzten Jahren.
Herr Dietzel hat in seinem Beitrag auf eine Reihe von Ursachen hingewiesen, die zu einer Zustandsverbesserung geführt haben.
({0})
Der Ehrlichkeit halber möchte ich allerdings auch sagen: Der Immissionsrückgang im Osten ist vor allem das Ergebnis des Plattmachens der Industrie. Die Schlote sind stillgelegt.
({1})
Unter diesem Gesichtspunkt, Herr Hornung, ist sicher zu sagen, daß diese Politik dem deutschen Wald gut bekommen ist. Den Arbeitskräften aber, die auf Beschäftigung gesetzt haben, ist letzten Endes die Arbeitslosigkeit zugeschrieben worden.
({2})
Was die Anstrengungen der Regierung zur Reduktion der Immissionen tatsächlich wert ist, sagt der Waldzustand in den süddeutschen Ländern aus. Dort liegt der Anteil nicht geschädigter Bäume um 11 Prozentpunkte unter den Werten in Ostdeutschland, während die Werte bei den Schadstufen 2 bis 4 umgekehrt 12 Prozentpunkte darüber liegen.
Die im Waldzustandsbericht zum Ausdruck kommende Politik der Bundesregierung ist auf die Verhinderung von Schäden an Bäumen gerichtet. Dieser Ansatz ist unseres Erachtens zu eng gefaßt. Der Wald als Ganzes in seinem Zustand und seiner Nutzung als Teil der Kulturlandschaft, als Freizeit- und Erholungsraum, als Klima- und Wasserhaushaltsregulator muß Gegenstand einer integrierten Politik sein. Dieser Herangehensweise wird im Bundeswaldgesetz und in den Waldgesetzen der Länder zum Teil Rechnung getragen.
Über die Ergebnisse bei der Umsetzung dieser Gesetze sagt der Waldzustandsbericht jedoch kaum etwas aus. Wir fordern deshalb die Weiterentwicklung des Waldzustandsberichtes zu einem Waldbericht. Sein Ziel muß es sein, über die Ergebnisse beim Übergang zu einer naturnahen Waldwirtschaft zu berichten.
Das schließt unseres Erachtens den Aufbau eines Untersuchungssystems über den Waldboden und nicht nur allein eine Kronenbeobachtung ein
({3})
- aber es ist doch nicht vorgelegt; das ist doch die Einseitigkeit bei der derzeitigen Beurteilung -, die Ausarbeitung von Entwicklungskonzepten für die Kulturlandschaft in den verschiedenen Regionen, die auch die Aufforstung bisheriger stillgelegter Flächen einschließt, Vorstellungen über den zukünftigen Waldaufbau und die Art der Waldnutzung, zum Beispiel den Übergang von Monokulturen zu Mischwäldern, die Verbindung von Waldwirtschaft und Umweltschutz, die Weiterentwicklung der Forstverwaltungen und schließlich auch die Förderung des Holzeinsatzes in der Volkswirtschaft. Wir greifen damit die Überlegungen des Naturschutzbundes auf, der mit seiner Broschüre „Forstwirtschaft in Deutschland" eine fundierte Argumentationshilfe für die forstpolitische Diskussion geliefert hat. Wir werden bei der Beratung der Drucksachen in den Ausschüssen sicherlich darauf zurückkommen.
Meine Damen und Herren, wenn wir analysieren, wie hoch der Anteil von Staats- und Gemeindewald in den einzelnen Bundesländern ist, dann fällt auf, daß er in den alten Bundesländern erheblich höher als in den neuen ist. Dieser Anteil beträgt in Hessen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz 73 bis 75 Prozent. Dieses Ergebnis wird in keinem neuen Bundesland erreicht.
Herr Kollege Heinrich, Sie haben in berechtigter Weise auf die Vorteile bei der Nutzung und Bewirtschaftung des Waldes aus privater Sicht hingewiesen. Unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Situation und der Tatsache, daß wir in Ostdeutschland einen recht geringen Anteil von Gemeindewald haben - er liegt beispielsweise in Sachsen bei etwa 35 Prozent -, sind wir aber der Auffassung, daß die jetzt zum Verkauf anstehenden etwa 670 000 Hektar Wald unbedingt der kommunalen Bewirtschaftung angeboten werden sollten, weil letztlich unter diesem Gesichtspunkt auch eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung möglich wäre und wir bei Verkauf oder Übertragung dieser 670 000 Hektar in etwa einen Gleichstand mit dem prozentualen Anteil des Gemeindewaldes in den alten Bundesländern erreicht hätten.
({4})
Wir sind also für die Übertragung dieses Anteils an die Kommunen.
Meine Damen und Herren, der Wald ist einer der größten Naturreichtümer der Bundesrepublik. Wir erwarten, daß der künftige Waldbericht auch ein Bericht über die Verbesserung aller Waldfunktionen für die ganze Gesellschaft sein wird.
Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort erhält jetzt Herr Staatssekretär Wolfgang Gröbl.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich brauche die Zahlen aus der Statistik hier nicht wiederholen. Sie sind heute mehrfach angesprochen worden.
Kein Mensch behauptet, Herr Bahr, daß der Wald in unserem Land gesund ist. Aber können wir uns denn nicht miteinander darüber freuen, daß die langfristige Statistik ausweist, daß die Schäden geringer geworden sind? Oder trauern Sie darum?
({0})
- Ich weiß schon, Sie beißen lieber ins Mikrophon, als daß Sie lachen.
({1})
Wir sollten aber froh und dankbar sein, wenn wir ein positives Ergebnis einer Statistik zur Kenntnis nehmen können.
Bei Ihnen, Frau Lemke, hat man ein bißchen den Eindruck, daß Sie traurig darüber sind, daß die Voraussagen Ihrer geistigen Väter, Mütter und Großmütter, der Wald werde innerhalb kürzester Zeit in Deutschland vom Erdboden verschwinden, nicht eingetroffen sind.
Nein, wir haben eine vernünftige Politik gemacht.
({2})
Es muß Ihnen doch, wenn Sie Ihre Vorwürfe formulieren, zu denken geben, daß wir seit 1983 - das Datum muß Ihnen doch etwas sagen - das Programm „Rettet den Wald", seit 1984 die statistische Erfassung und seit 1991, Herr Bahr, in den neuen Bundesländern eine auch statistisch deutlich meßbare Verbesserung der Luftsituation haben.
({3})
- Das hängt doch nicht damit zusammen, daß Industrie plattgemacht wurde. Das hängt damit zusammen, daß Dreckschleudern abgeschaltet wurden, diese miserablen Kraftwerke mit einem schlechten Wirkungsgrad, mit veralteter Technik und ohne jede Filteranlage. Darin liegen doch die Gründe. Daß all das möglich war, geht auf diese Bundesregierung zurück.
({4})
Freuen Sie sich also ein bißchen mit uns. Bevor wir neue statistische Größen einführen, Herr Bahr, gehen wir doch einmal miteinander in den Wald.
({5})
- Gehen wir doch einmal miteinander dorthin, damit Sie auch darüber noch Informationen bekommen, worüber hier geredet wird.
({6})
Ich halte es auch für wichtig festzuhalten, daß trotz aller Verbesserungen in der Schadstoffsituation der Wald als ein bekannt träges Ökosystem nicht sofort auf jede Veränderung der Luftschadstoffe reagiert, sondern eine Entwicklung über Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte zu berücksichtigen ist. Erst vor diesem Hintergrund kann - wie ich meine: zu Recht - von einem Gesundungsprozeß gesprochen werden.
Der Kollege Klinkert wird über die Veränderung der Luftbelastung sprechen und über die Maßnahmen, die zur Verringerung eingeleitet worden sind.
({7})
Nur ist auch das ja nicht vom Himmel gefallen. Das geht auf eine Leistung der Politik, eine gewaltige und milliardenschwere Anstrengung unserer Wirtschaft und auf das Mittun und die Aktivität der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zurück. Auch das sollten wir einmal dankbar und positiv zur Kenntnis nehmen.
({8})
Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, Herr Bahr ({9})
- Herr Heinrich hat gesagt, die Richtung stimme, und er hat recht -, aber sie wachsen schneller. Wir haben dadurch eine höhere Holzproduktion als in früheren Jahrzehnten. Das ist vom Europäischen Forstinstitut festgestellt, das ist bei einer Holzaufkommensprognose dargelegt worden. Das ist ebenfalls erfreulich.
Trotzdem möchte ich auch ganz klar sagen: Das Problem der neuartigen Waldschäden kann trotz dieser Erscheinung nicht ad acta gelegt werden. Darüber sind wir uns im klaren. Vermehrter Zuwachs läßt nicht den Rückschluß auf eine angeblich wiedererlangte Vitalität der Wälder zu. Wachstum ist nicht identisch mit Stabilität. Eine Entwarnung im Bereich der neuartigen Waldschäden ist nicht angebracht.
({10})
Zur weiteren Stabilisierung unserer Wälder, aber auch aus anderen Umweltschutzgründen muß die konsequente Luftreinhaltepolitik in Deutschland fortgeführt werden.
({11})
Hier gibt es in Europa und im internationalen Bereich viel Handlungsbedarf. Neben der Luftreinhaltung sind die flankierenden forstlichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wälder wichtig; natürlich auch die Bodenschutzkalkung, Frau Lemke, auch die Stabilisierung vor- und unterbaugeschädigter Wälder und die Wiederaufforstung. Dies alles wird von uns, von Bund und Ländern, mit Förderprogrammen begleitet.
Es ist darauf hingewiesen worden: Der Lebensnerv der Forstwirtschaft ist der Holzabsatz. Dabei bin ich auch für Ihre Unterstützung dankbar. Aber wer hat denn damals kontraproduktiv gearbeitet? Das waren doch Ihre geistigen Ahnen.
({12})
- Wenn auch ahnungslos, so doch mit geistigen Ahnen versehen.
„Baum ab - nein danke" war einmal ein Wahlspruch. Vielleicht sind auch Sie mit solchen Transparenten bei irgendwelchen Demonstrationen dabeigewesen.
({13}) Das ist ein völlig kontraproduktiver Satz,
({14})
was die Erhaltung und die Bewirtschaftung unserer Wälder angeht.
({15})
Richtig ist, daß wir aus unseren Wäldern viel mehr Holz entnehmen könnten, als wir es im Augenblick tun.
({16})
Statt 40 Millionen Festmeter könnten wir in deutschen Wäldern leicht 55, 56 oder 57 Millionen Festmeter jährlich einschlagen. Unser Problem ist, daß wir noch zuwenig Möglichkeiten der Holzverwendung und des Holzabsatzes haben. Hier haben wir eine gemeinsame Verantwortung in den Kommunen, in den Ländern und beim Bund; denn die öffentliche Hand sollte sich ihrer Vorbildfunktion sehr wohl bewußt sein.
({17})
Ein anderes Thema ist natürlich auch wichtig, das zur Zeit national und international heiß diskutiert wird: die Kennzeichnung und Zertifizierung der Betriebe. Wir können mit Fug und Recht sagen, in Deutschland betreiben wir seit etwa 200 Jahren nachhaltige Forstwirtschaft. Deshalb erheben wir den Anspruch, daß forstliche Betriebe, die sich an die deutschen Waldgesetze halten und von der Forstbehörde kontrolliert werden, nicht eigene aufwendige Verfahren durchlaufen müssen, um ein Kennzeichen oder ein Zertifikat zu erhalten. Vielmehr ist es recht und billig, diesen Betrieben den Begriff „nachhaltige Forstwirtschaft" von Amts wegen zuzubilligen. Das sind wir den Betrieben schuldig, die sich seit Jahrzehnten - in diesem Fall sogar seit Jahrhunderten - an die Regeln halten.
Nun noch ein Wort zu der Statistik, meine Damen und Herren. DPr Wert einer Statistik hängt auch damit zusammen, ob die einzelnen Erfassungen vergleichbar sind. Wenn wir ständig neue Parameter einführen - vor und zurück -, dann leidet natürlich die Vergleichbarkeit der Statistik. Wir ergänzen die jetzige Statistik durch eine Bodenzustandserhebung. Sie wird demnächst vorgelegt.
({18})
- Entschuldigung, das ist eine zusätzliche und eigenständige Erhebung. Diese Bodenzustandserhebung kann gar nicht in dem Rhythmus der jährlichen Waldzustandsstatistik erfolgen. Erstens ist es sehr aufwendig. Wir haben für diese erste Waldbodenzustandserhebung etwa vier Jahre benötigt. Zum zweiten ist die Veränderung im Boden sehr langsam und damit statistisch erst wieder im Abstand von mehreren Jahren erkennbar. Deshalb macht es Sinn, wenn wir diese Waldbodenstatistik oder -erfassung im Zeitraum von mehreren Jahren wiederholen; also mindestens fünf Jahre, besser wohl zehn Jahre Abstand sollten schon sein. Dann wird das Ganze aussagekräftig.
Wir sehen, es gibt überhaupt keinen Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil: Wir sollten auch diese Statistik und die heutige Diskussion zum Anlaß nehmen, unsere Bemühungen zur Förderung des deutschen Waldes, zur Förderung der Forstwirtschaft zu verstärken. Auch sollten wir sie zum Anlaß nehmen, nicht in parteipolitisches Gezänk zu verfallen, sondern miteinander - vielleicht nach einer Waldbesichtigung oder einem Waldspaziergang - über weitere Möglichkeiten nachzudenken. Dazu möchte ich alle die, die interessiert sind, auffordern, so daß es dem deutschen Wald und damit der deutschen Bevölkerung weiterhin so gut geht wie jetzt.
({19})
So, nach der dreimaligen Aufforderung zum Spaziergang in den Wald verbleiben wir erst noch einmal hier. Es folgt eine Kurzintervention von Herrn Maleuda.
Herr Staatssekretär, auch ich würde gern in den Wald mitgehen.
({0})
Herr Staatssekretär Gröbl, Sie haben die Aussage in unserem Beitrag bestätigt, daß die Ergebnisverbesserung, insbesondere im Osten Deutschlands, auf die Abschaltung der Dreckschleudern zurückzuführen ist. Wir stimmen darin überein, daß hier gravierende Veränderungen notwendig waren. Aber das, was als kritischer Punkt ansteht, ist, warum nicht in einem entsprechenden Anteil eine qualitative Umrüstung zum Erhalt sowohl der industriemäßigen Basis als auch der Arbeitsplätze erfolgt ist; denn Sie wissen, daß es nicht in jedem Fall um Dreckschleudern ging, sondern ein Teil dieser Einrichtungen war mit West-Know-how spitzenmäßig ausgerüstet. Bei einer
konkreten Beurteilung, glaube ich, muß man auch diese Ursachen in Betracht ziehen.
({1})
Jetzt erhält Frau Kollegin Liesel Hartenstein das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige der Redner der Koalition, einschließlich des Herrn Staatssekretärs, sind Meister im Verniedlichen, wie ich feststellen muß. Dagegen ist sogar der Waldschadensbericht der Bundesregierung noch ein Muster an Sachlichkeit.
Herr Gröbl, wenn man tatsächlich alle schwer geschädigten und abgestorbenen Bäume, die seit 1980 oder meinetwegen seit 1983 aus unseren Wäldern herausgeschlagen worden sind, aufgelistet hätte, dann sähe diese Bilanz heute ganz anders aus, als Sie sie darstellen. Im übrigen brauchen wir gar nicht auf die neuen Länder abzuheben. Bleiben wir doch in den alten Ländern. Bleiben wir in Bayern und Baden-Württemberg. Auch ich lade Sie zu einem Waldspaziergang ein. Ich kann Ihnen nämlich im Schwarzwald zeigen, wo die kahlen Flächen tatsächlich liegen. Gehen wir miteinander an den Schliffkopf und an den Kniebis. Dann werden Sie sehen, wie es dort aussieht.
Es gibt immer wieder Versuche, das Ausmaß und die Dramatik des Waldsterbens herunterzuspielen. Eine Topnachricht im letzten Herbst war: Der Wald wächst und gedeiht. Von Finnland bis nach Portugal wachsen die Bäume schneller. Der Holzzuwachs sei sogar höher denn je; das fanden die Experten des Europäischen Forstinstituts heraus. Auf eine scheinbar so frohe Nachricht stürzen sich natürlich all jene begierig, die das Waldsterben schon immer als ein bloßes Hirngespinst von Umweltschützern dargestellt haben. Ein bißchen haben Sie sich auf diese Ebene begeben, Herr Gröbl.
({0})
Herr Heinrich, tatsächlich haben die Experten mit ihrem Befund ja recht. Nur ist dieses Faktum erstens nicht neu, sondern längst bekannt. Zweitens entkräftet es in gar keiner Weise die traurige Tatsache des fortschreitenden Waldsterbens. Drittens - das ist in meinen Augen das Entscheidende - sind die erstaunlichen Zuwachsraten in bestimmten Gebieten in Wahrheit gerade kein Hoffnungszeichen, sondern im Gegenteil eine entlarvende Bestätigung für die massive Überlastung des Naturhaushalts, die wir Tag für Tag weiter verschlimmern.
Die Überanreicherung mit Stickstoff und die erhöhte CO2-Konzentration führen zwar zu einem forcierten Pflanzenwachstum, aber nur so lange, solange genügend Wasser und Nährstoffe vorhanden sind, Aber genau das wird durch die Aufheizung der
Atmosphäre immer fragwürdiger. Da die Bundesregierung für den Klimaschutz fast nichts tut,
({1})
wird der Wald weiter dahinsiechen, bis zum möglichen plötzlichen Zusammenbruch. Bitte nachzulesen in dem Bericht der Enquetekommission zum Schutz der Erdatmosphäre.
Wie enorm hoch die Stickstoffmengen übrigens sind, die auf die Bäume niedergehen, belegt auch der Sechste Immissionsschutzbericht der Bundesregierung, der heute mit aufgerufen ist. Herr Hornung, danach liegen die Stickstoffmengen zwei- bis fünfmal höher, als dies der Wald überhaupt verkraften kann.
({2})
Wir kennen die Folgen: eine zunehmende, hochgefährliche Versauerung der Waldböden und Gewässer, die es heute schon fraglich macht, ob auf diesen Böden noch einmal ein Wald wachsen kann. Wir kennen auch die Quellen, aus denen der Giftcocktail kommt. Zum Beispiel ist es im Fall der NOx-Emissionen zu 70 Prozent der motorisierte Straßenverkehr. Der Rest stammt aus Industrie, Landwirtschaft und Haushalten.
Wir sind der Meinung, daß diese Gefahren noch abgewehrt werden könnten, wenn diese Regierung nur endlich entschlossene Maßnahmen ergreifen würde. Aber das tut sie nicht. Was man in dem Waldzustandsbericht über Maßnahmen gegen sogenannte neuartige Waldschäden findet, ist absolut unzureichend, um nicht zu sagen: kläglich. Ich kann Ihnen diese Feststellung nicht ersparen. In, sage und schreibe, 20 Spiegelstrichen betet die Bundesregierung all das noch einmal herunter, was zur Luftreinhaltung geschehen ist: vom Erlaß der TA-Luft über die Kleinfeuerungsanlagen-Verordnung und die Einführung des bleifreien Benzins
({3})
bis zum glorreichen sogenannten Ozongesetz, von dem wir heute wissen, das es grausam mißlungen ist, und zur Wunderwaffe Telematik. Sogar der Bundesverkehrswegeplan von 1992 wird in diesem Bericht als Maßnahme gegen das Waldsterben in Anspruch genommen, da er - so wörtlich - eine stärkere ökologische Orientierung in der Verkehrspolitik eingeleitet habe. Man kann feststellen, daß dies eine geradezu abenteuerliche Behauptung ist,
({4})
wenn man an den Boom im Autobahnbau denkt und
wenn man weiß, daß es der Bundesverkehrsminister
noch nicht einmal fertigbringt, die dringend notwendigen Frachtterminals in der Bundesrepublik zügig zu erstellen.
({5})
Was soll das alles? Keine dieser aufgelisteten Maßnahmen ist für sich genommen falsch. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Aber alle sind in ihrem Charakter - mit Ausnahme der Verordnung über Großfeuerungsanlagen - höchst marginal; sie stoßen überhaupt nicht zur Quelle des Übels vor. Auch wenn Sie noch weitere 20 Spiegelstriche dieser Art anfügen, wird der Wald dadurch nicht gesünder. Das kann ich Ihnen voraussagen.
Waldschäden sind Systemschäden. Das ist nun einmal so. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei. Sie sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Überlastung der Atmosphäre und einer ausbeuterischen Übernutzung der Naturressourcen.
Jack London hat einmal gesagt: „Wenn die Geduld der Natur erschöpft ist, antwortet sie mit Katastrophen." Diese Situation ist da, und Sie wissen es. Das „Weiter so" funktioniert nicht mehr. Aber mangels politischen Mutes versuchen Sie immer noch, sich durchzuwursteln. Das kann nicht länger gutgehen.
Ich möchte einen früheren Kollegen, Erhard Eppler, zitieren, der soeben seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. Er sagte vor kurzem: „Wir leben in einer Zeit, in der zwar viele wissen, was sie tun, aber wenige tun, was sie wissen." Exakt das trifft auf die Waldpolitik der Bundesregierung zu.
Frau Hartenstein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?
Ja, bitte, Herr Heinrich.
Frau Kollegin, Sie haben gerade richtigerweise gesagt, daß Waldschäden Systemschäden sind. Sie haben die lange Liste von Maßnahmen angeführt, die die Bundesregierung im Waldzustandsbericht dargestellt hat und die zur Schadensminderung und zur Bekämpfung der Ursachen des Waldsterbens führen soll. Könnten Sie nicht dem zustimmen, daß die Maßnahmen - dies zeigt die Tatsache, daß die Schadenshöhe abnehmend ist - gewirkt haben und daß wir, weil es Systemschäden sind, natürlich nicht von heute auf morgen wieder einen gesunden Wald erhalten, sondern daß wir in dieser Richtung weitergehen und weitere Spiegelstriche hinzufügen müssen, um eine Verbesserung zu erreichen?
Herr Kollege Heinrich, ich habe ausdrücklich gesagt, daß alle diese Maßnahmen für sich genommen nicht falsch sind. Sie sind richtig. Sie sind aber marginal. Das heißt, sie
sind kosmetischer Art. Sie stoßen überhaupt nicht zum Grundproblem vor.
({0})
Ich habe nichts dagegen, einige sinnvolle Maßnahmen hinzuzufügen.
Ich war aber gerade an dem Punkt meiner Rede angelangt, an dem ich sagen wollte, wo der Hase im Pfeffer liegt, das heißt, wo man anfangen müßte, nämlich bei einem wirklichen Umbau, einer wirklichen Strukturveränderung unserer der Natur gegenüber rücksichtslosen und ausbeuterischen Wirtschaftsweise. Ich nehme das jetzt vorweg und sage Ihnen in Stichworten: Wir brauchen einen ökologischen Umbau des Produktions- und Konsumverhaltens. Denn sonst kommen wir nicht voran und helfen auch dem Wald nicht.
({1})
Was not tut, sind Strukturveränderungen in der Energiepolitik, Verkehrspolitik, Landwirtschaftspolitik und Industriepolitik. Wir brauchen den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Das war übrigens der große Imperativ von Rio, dem auch Herr Bundeskanzler Kohl zugestimmt hat. Ziehen Sie doch endlich daraus Konsequenzen.
({2})
Alles, was Sie für den Klimaschutz tun könnten und sollten, käme auch dem Wald zugute: Energieeinsparungen, eine massive Förderung regenerativer Energien, eine ökologische Steuerreform mit Einführung einer europaweiten Energiesteuer usw. Nehmen Sie - ich bitte Sie dringend darum - doppelt soviel Geld für den Schienenausbau wie für den Straßenausbau in die Hand! Setzen Sie endlich für Pkws das Fünf-Liter-Konzept durch! Machen Sie auf EU- Ebene einen Anlauf zur Besteuerung des Flugbenzins! Der Wald würde es Ihnen danken.
({3})
- Ich spare mir jetzt das Beispiel, das ich bringen wollte. Es tut mir leid, aber die Zeit wird nicht ausreichen.
({4})
- Sie können es gerne hören: Ist es nicht grotesk, Herr Hornung, daß VW wegen des Fernfahrerstreiks in Spanien erwägt, Flugzeuge zum Herantransportieren der Zulieferteile einzusetzen, um die Produktion in Wolfsburg nicht stoppen zu müssen? Offenbar rechnet sich das alles heute. Solange der Transport über Tausende von Kilometern - auch mit dem Flugzeug - buchstäblich spottbillig bleibt, so lange lohnt sich in unserer heutigen Zeit offensichtlich auch die Auslagerung von Arbeitsplätzen. Das ist eine Nebenbemerkung. Es ist aber nicht der unwichtigste Nebeneffekt der Tatsache, daß wir bisher keine Strukturveränderung angegangen sind.
({5})
- Darüber sprechen wir später weiter. Das können wir hier im Plenum nicht tun.
Meine Damen und Herren, warum machen wir nicht endlich die Gegenrechnung auf, nämlich darüber, welche externen Kosten durch Schäden an Natur und Umwelt - auch am Wald - allein durch Schadstoffemissionen aus dem Straßen- und Luftverkehr entstehen? Das geht nämlich nach vorliegenden Schätzungen in die Milliarden. Diese Milliarden - das muß ich hinzufügen - müssen von der Allgemeinheit aufgebracht werden. Das heißt, sie werden sozialisiert - ein unerträglicher Zustand, der so nicht fortdauern kann.
Die Wälder sind nach den Weltmeeren die größten Kohlenstoffspeicher der Erde. Sie stabilisieren das globale Klima. Sie sind Hüter der genetischen Vielfalt. Das gilt - hören Sie bitte zu - auch für unsere gemäßigten Breiten und nicht nur für die tropischen Regenwälder. Drei Viertel der gefährdeten Säugetierarten sind in unseren Wäldern, in den gemäßigten Breiten, zu Hause.
Dennoch haben wir eine betrübliche Bilanz vorliegen. Man muß sich wirklich fragen: Wie kommen wir denn dazu, von den ärmeren Ländern zum Beispiel des Südens einen besseren Schutz ihrer Wälder zu fordern, wenn wir selbst unfähig sind, unsere eigenen Wälder zu erhalten, obwohl wir im Gegensatz zu den Drittländern, die dies nicht haben, das Knowhow und die finanziellen Mittel dafür hätten?
Ich muß zum Schluß kommen. An der Arroganz des Nordens gegenüber dem Süden ist schon auf der Rio-Konferenz das Zustandekommen einer internationalen Waldkonvention gescheitert. Diese Konvention ist heute nötiger denn je; denn jede Sekunde gehen weit über 5 000 Quadratmeter Wald verloren. Die Bundesregierung tut sich sehr viel auf ihre Vorreiterrolle im Umweltschutz zugute. Am Beispiel Waldpolitik könnte sie diese Vorreiterrolle einmal beweisen. Sie könnte und sollte Bündnispartner für eine neue Waldpolitik suchen. Sie könnte ein Sofortprogramm zum Stopp der Kahlschläge und der Waldvernichtung in Nord und Süd aufstellen. Sie könnte große weltweite Aufforstungsprogramme in die Wege leiten und unterstützen. Sie könnte ein gezieltes Ausbauprogramm für die regenerativen Energien, insbesondere für die Solarenergie, durchführen und für den entsprechenden Technologietransfer sorgen. Sie könnte schnellstens eine neue Waldkonvention vorbereiten.
({6})
Aber - das soll meine letzte Bemerkung sein - wenn die Bundesregierung dies wirklich will, Herr Heinrich, und wenn sie dabei Erfolg haben will, dann muß sie in allererster Linie ihre Hausaufgaben im eigenen Land machen. Sonst wird unsere Position auf internationalen Konferenzen immer schwieriger. So gesehen ist die ernsthafte Bekämpfung des Waldsterbens auch ein Prüfstein für unsere internationale politische Glaubwürdigkeit. Die Bundesregierung ist am Zuge.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
({7})
Als letzter Redner in dieser Debatte der Staatssekretär Ulrich Klinkert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß der Wald insgesamt gesünder geworden ist - Kollege Gröbl hat uns dies eindrucksvoll dargestellt, und es ist auch von niemandem ernsthaft bestritten worden -, ist ein positives Resultat dessen, was der heute ebenfalls zur Diskussion vorliegende Immissionsschutzbericht der Bundesregierung in nüchternen Zahlen zum Ausdruck bringt: In Deutschland ist die Luft sauberer geworden.
Der Immissionsschutzbericht der Bundesregierung, der zum sechstenmal vorgelegt wird, beinhaltet diesmal den Zeitraum von 1991 bis 1995, also die ersten Jahre nach der politischen und ökologischen Wiedervereinigung Deutschlands. Da im Immissionsschutzbericht auch ein Blick auf die Zeit vor dem Fall der Mauer geworfen wird, macht er deutlich, daß bis 1989 auch bei den Emissionen eine gegensätzliche Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands stattgefunden hat. Fast alle Emissionen von Luftschadstoffen in der alten Bundesrepublik gingen bereits im Zeitraum von 1970 bis 1989 zurück, während sie in der früheren DDR entweder auf hohem Niveau stagnierten oder sogar noch deutlich zunahmen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einige wenige Zahlenbeispiele bringen. Kaum einer wird vielleicht wissen, daß beim CO2 die Emissionen in der alten Bundesrepublik bereits von 1970 bis 1989 von 742 Millionen Tonnen auf 692 Millionen Tonnen, also um rund 10 Prozent, zurückgegangen sind, während die CO2-Emissionen in der früheren DDR von rund 300 Millionen Tonnen auf rund 350 Millionen Tonnen angestiegen sind. Wir hatten 1989 ein spezifisches Verhältnis des CO2-Ausstoßes von 1 : 2.
Noch dramatischer war die Entwicklung bei den Emissionen von Staub und 502. Bei Staub gingen die Emissionen im Westen von 1,3 Millionen Tonnen auf 0,4 Millionen Tonnen zurück, während sie in der früheren DDR bei 2 Millionen Tonnen stagnierten. Das Verhältnis des Staubausstoßes in Deutschland West zu dem in Deutschland Ost betrug 1 zu 18, und bei SO2 betrug das Verhältnis sogar 1 zu 21. Auch hier
hatten wir im Westen einen deutlichen Rückgang, während in der früheren DDR der SO2-Ausstoß sogar noch angestiegen ist.
({0})
Wenn es gelungen ist, die Werte in der früheren DDR in der Zwischenzeit an das Niveau des Westens anzugleichen, dann ist auch das Ausdruck der Angleichung der Lebensverhältnisse, die in erster Linie auf Investitionen in Milliardengrößenordnungen in Umweltschutzmaßnahmen zurückzuführen ist.
({1})
Herr Maleuda, es ist einfach nicht wahr, wenn Sie behaupten, daß dies ausschließlich auf die Schließung und auf den Zusammenbruch von Industriebetrieben zurückzuführen ist.
({2})
Natürlich mußten die schlimmsten Giftschleudern geschlossen werden. Oder wollen Sie vielleicht weiterhin vertreten, daß Umwelt und Menschen weiter vergiftet werden?
({3})
Manch bedauerliche Betriebsschließung erfolgte nicht aus ökologischen Gründen, sondern weil die Planwirtschaft der DDR eben keine konkurrenzfähigen Betriebe hinterlassen hatte.
Sie dürfen nicht vergessen, daß wir seit 1991 in den neuen Bundesländern ein deutliches Wirtschaftswachstum haben, das zwischen 2 und 10 Prozent pro Jahr liegt.
({4})
Es liegt im Durchschnitt über dem Wachstum der alten Bundesländer. Allerdings gibt es sehr große regionale Unterschiede. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach, warum ausgerechnet im rot-grün regierten Sachsen-Anhalt - die Regierung wird ja von der PDS toleriert - im vergangenen Jahr überhaupt kein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen war
({5})
und daß dieses Land zusammen mit dem Saarland und mit Rheinland-Pfalz das rote Schlußlicht beim Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik Deutschland bildet.
({6})
Ich sagte, daß die Umrüstung der Wirtschaft, die Verbesserung der ökologischen Situation und die Verbesserung der Emissions- und Immissionssituation in den neuen Bundesländern vor allem auf Investitionen zurückzuführen sind.
({7})
Diese Investitionen sind in verschiedensten Bereichen getätigt worden. Beispielsweise wurden nahezu
alle Heizungen in den neuen Bundesländern auf umParl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
weltfreundliche Energieträger umgestellt, und es findet ein gigantisches Nachrüstungs- und Umrüstungsprogramm im Kraftwerksbau statt. Die Kraftwerke in Jänschwalde und in Boxberg zum Beispiel wurden mit einem Aufwand von rund 6 Milliarden DM nachgerüstet. Das Neubauprogramm für die Kraftwerke Lippendorf, Schwarze Pumpe und Boxberg hat eine Größenordnung von rund 15 Milliarden DM. Im Herbst dieses Jahres wird das erste Neubaukraftwerk in Schwarze Pumpe, das größte und modernste seiner Art auf der Welt, in Betrieb gehen. Es wird 98 Prozent weniger Staub und in ähnlichen Größenordnungen weniger Stickoxide und SO2 ausstoßen als seine Vorgänger. Ich glaube, auch das ist ein Ergebnis von erfolgreicher Umweltschutzpolitik.
({8})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ganseforth?
Ja, sehr gerne.
Herr Staatssekretär, an sich sprechen wir ja heute über den Wald. Sie haben aber so viel über Emissionen gesprochen, daß ich Sie fragen möchte: Ist Ihnen bekannt, daß auf Grund der Tatsachen, die Sie eben genannt haben, die CO2Emissionen in den neuen Bundesländern wieder zunehmen?
Frau Ganseforth, ein Blick in die Tagesordnung der heutigen Sitzung des Bundestages würde Ihnen zeigen, daß wir auch über den Immissionsschutzbericht der Bundesregierung sprechen. Insofern glaube ich schon, daß ich auch einiges zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Emissionsentwicklung sagen kann und sagen muß.
Ich stelle fest, daß CO2-Reduktionen in den neuen Bundesländern in überdurchschnittlichem Maße stattgefunden haben. Wenn Sie nun anführen, daß es in den letzten Wochen vielleicht eine Schwankung um ganz wenige Prozentpunkte gegeben hat, dann sage ich dazu: Das bewegt sich im Bereich einer normalen statistischen Abweichung. Wir sollten lieber anerkennen, daß die CO2-Emissionen in den neuen Bundesländern um zirka 50 Prozent zurückgegangen sind. Dies ist eine deutliche Leistung.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, interessant ist auch die Entwicklung bei den Schwermetallemissionen. Ähnlich wie bei den vorhin genannten anderen Schadstoffen gingen die Schwermetallemissionen in den alten Bundesländern bereits im Zeitraum bis 1990 deutlich zurück, während sie in der früheren DDR weiter anstiegen bzw. gleich hoch blieben.
In den neuen Bundesländern ist seit 1990 ein sehr deutlicher Rückgang der Schwermetallemissionen zu verzeichnen. Bei Arsen liegt er bei 84 Prozent, bei Blei bei 93 Prozent, bei Cadmium bei 82 Prozent. Für Kupfer und Quecksilber gelten ähnliche Größenordnungen. Damit ist auch auf diesem Gebiet ein dem der alten Bundesländer vergleichbares Niveau erreicht worden.
Ein erhebliches Reduktionspotential besteht aber trotz aller Erfolge im Verkehrsbereich; darauf hat bereits der Kollege Dietzel hingewiesen. Trotzdem möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß die NOxEmissionen im Verkehrsbereich auf 64 Prozent, die Kohlenmonoxidemissionen auf 53 Prozent und die Kohlenwasserstoffemissionen sogar auf 39 Prozent abgesenkt werden konnten - und das, obwohl das Verkehrsaufkommen insgesamt gestiegen ist.
Herr Kollege Bahr, wer sich gegen die Zunahme des Straßenverkehrs ausspricht - dort treffen wir uns ja -, der sollte sich nicht gegen moderne Technologien wie den Transrapid aussprechen.
({1})
Ich glaube, wir brauchen diese modernen Technologien: zum einen, um die Verkehrsprobleme in Deutschland zu lösen, zum anderen aber auch, um eine zukunftsfähige Technologie entwickeln und möglicherweise auch exportieren zu können.
({2})
Wie gesagt: Weitere Maßnahmen werden notwendig sein. Ich hoffe, daß die emissionsbezogene KfzSteuer sehr schnell eingeführt werden kann. Die Bundesregierung wird sich auch auf EU-Ebene weiter bemühen, ökologische Regelungen, zum Beispiel hinsichtlich der Kraftstoffqualität, durchzusetzen.
Lassen Sie mich nun zu einigen Luftkonzentrationswerten, also zum Immissionsschutz kommen. Vor allem die SO2-Belastungen sind sowohl in den alten wie in den neuen Bundesländern deutlich zurückgegangen. In den alten Bundesländern werden heute Durchschnittswerte von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft eingehalten - der Grenzwert der TA-Luft liegt bei 140 Mikrogramm pro Kubikmeter -, während in den neuen Bundesländern zum Teil noch Jahresdurchschnittswerte von 50 bis 100 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen werden.
Aber wenn man bedenkt, daß zum Beispiel Leipzig 1985 noch ein Jahresmittel von 350 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft hatte und heute bei weniger als 50 Mikrogramm angekommen ist, dann, glaube ich, ist auch das als deutlicher Erfolg anzusehen.
In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir bitte noch ein Wort zur internationalen Zusammenarbeit. Da Luftverunreinigungen an Grenzen nicht haltmachen, ist eine enge Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn im ureigensten Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Gerade mit unseren östlichen Nachbarn hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren erfreulicherweise deutlich verstärkt. Ich möchte dies am Beispiel der Tschechischen Republik erklären.
Seit 1992 wurden allein aus dem Haushalt des Bundesumweltministeriums 50 Millionen DM für Luftreinhaltemaßnahmen zur Verfügung gestellt.
Herr Klinkert, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ein Schlußsatz, verehrte Frau Präsidentin. Wenn wir unseren Nachbarländern helfen, zum Beispiel der Tschechischen Republik, was sich auch auf die Waldqualität des Erzgebirges auswirken wird, wenn wir mit unserer Luftreinhaltepolitik weiter konsequent fortfahren, wird, glaube ich, der Indikator Wald uns auch in den kommenden Jahren zeigen, daß die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung erfolgreich ist; wir werden dann gesündere Wälder und eine gesündere Umwelt vorweisen können.
Herzlichen Dank.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Waldzustandsbericht 1994, Drucksache 13/3955. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/714 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Waldzustandsbericht 1994, Drucksache 13/3955. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/707 abzulehnen.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und einzelnen Abgeordneten der SPD und der PDS bei Enthaltung von Abgeordneten der SPD angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1994, Drucksachen 13/146 und 13/ 3955.
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist auch diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Waldzustandsbericht 1995, Drucksachen 13/3208 und 13/6874. - Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 13/6300 und 13/4825 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/6961, der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6974 und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6975 sollen an dieselben Ausschüsse überwiesen werden wie der Waldzustandsbericht 1996. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Klaus Lohmann ({0}), Friedhelm Julius Beucher, Dagmar Freitag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Sportförderung und Sportsicherung - Drucksachen 13/3566, 13/5329 Dazu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir entsprechend.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sportförderung eignet sich nicht zur parteipolitischen Auseinandersetzung und Profilierung. Man kann der gegenwärtigen Situation in der Sportförderung, vor allem der Länder und Kommunen, auch nicht mit einfachen Antworten gerecht werden. Ich sage dies zu Beginn, weil ich erwarte, daß diese Feststellung aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage über alle Parteigrenzen hinweg geteilt wird. Wichtig ist auf jeden Fall, daß wir uns für den Sport und die sportliche Betätigung der Bevölkerung tatkräftig einsetzen.
Minister Kanther hat in seiner Rede vor dem Sportausschuß dieses Hohen Hauses Ende letzten Jahres darauf hingewiesen, daß der Haushaltsansatz für die Sportförderung des Bundes im Jahre 1997 ein gutes Ergebnis für den Sport darstellt. Dies ist angesichts der bekanntermaßen gegenwärtig sehr engen finanziellen Rahmenbedingungen wirklich nicht selbstverständlich. Ich möchte Ihnen als Mitgliedern der entsprechenden Gremien des Deutschen Bundestages für dieses Ergebnis öffentlich ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen.
Der Sport wird diese breite Unterstützung auch künftig benötigen. Denn er ist auf allen Ebenen dauerhaft auf öffentliche Förderung angewiesen. Der Sport, das heißt vor allem auch die Vereine und Verbände, verdienen diese Hilfe, weil sie sich dadurch in besonderer Weise für das gesamte Gemeinwesen unverzichtbare Verdienste erwerben.
Gerade für die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen und für die Sporttreibenden ist es auch eine gute und wichtige Nachricht, an dieser Stelle feststellen zu können, daß nach dem gegenwärtigen Stand der Steuerreform die Steuervergünstigungen für den Sport unverändert erhalten bleiben. Das ist ein echter Erfolg angesichts der notwendigen breiten Spareingriffe. Eine Ausweitung der Förderung, wie sie da und dort gefordert wird, ist dagegen nicht finanzierbar.
({0})
Die Sportförderung als Ausgleichsfonds der Sozialhilfe abzuqualifizieren, wie dies im Vorwort der Großen Anfrage geschieht, ist jedoch ein, wie ich finde, schlimmer polemischer und auch inhaltlich falscher Mißgriff der Fragesteller.
({1})
Ich hoffe, daß die heutige Debatte trotzdem in sachlicher Art und Weise geführt wird. Dies dient dem Anliegen des Sports nämlich am meisten.
In Bund, Ländern und Kommunen bedarf es des größten Einsatzes, um das Niveau der öffentlichen Sportförderung zu sichern. So ist es für den Sport beispielsweise geradezu lebenswichtig, daß sein Anteil am Ertrag öffentlicher Lotterien nicht weiter geschmälert wird. Hier ist auch die Opposition echt gefordert; denn alle Länder müssen davon überzeugt werden, die Einnahmen des Sports aus der „Glücksspirale" nicht durch weitere Destinatare, die aus anderen Lotterien bereits ein Mehrfaches beziehen, zu schmälern.
({2})
Nicht nur in der Großen Anfrage, sondern auch in sportpolitischen Diskussionen ertönt immer wieder der Ruf nach dem Gesetzgeber: Aufnahme des Sports als Staatszielbestimmung in die Verfassung, Regelung der Sportförderung in den Kommunalverfassungen als Pflichtaufgabe der Kommunen oder Verabschiedung eines Sportfördergesetzes sind hier die Stichworte.
({3})
Aber: Mit einem Federstrich des Gesetzgebers kann die Finanzierung der Sportförderung leider nicht gesichert werden. Sie wissen das; denn mit einem Staatsziel Sportförderung erhält der Sport noch keinerlei zusätzliche Mittel. Ich warne deshalb vor reinem Populismus auf diesem Feld. Es würden nur Hoffnungen geweckt, die hinterher nicht erfüllbar sind.
({4})
Aus der Antwort der Bundesregierung ist auch ersichtlich, in welchem Maße die wichtige Sozial- und Kulturarbeit der Sportorganisationen vom Bund gefördert wird. Die Kompetenzen zur Sportförderung werden, wie gewohnt, von uns voll ausgeschöpft. Doch so weit, wie in der Großen Anfrage gefordert, nämlich den Breitensport mit einzubeziehen, kann die Bundesförderung nicht gehen. Eine zurückgehende Sportförderung von Ländern und Kommunen kann durch den Bund nicht ausgeglichen werden. Dafür ist der Bund von der Verfassung her - in bezug auf die Einnahmeseite - nicht ausgestattet worden.
Eine Aussprache über die Sportförderung und Sportsicherung muß natürlich auch - ich wiederhole das - ein neuerliches Bekenntnis zur verfassungsmäßig verbürgten Autonomie des Sports enthalten. Staatliche Sportförderung ist deshalb immer nur subsidiär. Gefragt sind also weiterhin Selbsthilfe und Eigeninitiative der am Sport Beteiligten.
Die Verantwortlichen im Sport müssen sich im übrigen darauf einstellen, daß die staatliche Hilfe ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Im Rahmen dessen können sich die Sportvereine und -verbände mit ihren Sportlerinnen und Sportlern sowie den dort ehrenamtlich Tätigen aber darauf verlassen, daß der für Sport zuständige Minister und die gesamte Bundesregierung immer ein fairer, verläßlicher und unterstützungsfreudiger Partner bleiben werden.
({5})
Das Wort erhält jetzt der Kollege Klaus Lohmann.
Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, für den traurigen Unterton in Ihrer Rede haben wir Verständnis nach der 0 : 1-Niederlage von Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach.
({0})
- Es war ein guter Versprecher. Sie wissen, als Westdeutscher versucht man, dies für sich positiv zu gestalten.
({1})
- Als Mitglied des VfL Bochum trete ich für Borussia Dortmund und Schalke 04 ein. Nicht der Bessere soll gewinnen, sondern diese beiden, klar.
({2})
- Die Debatte wird breiter geführt.
Meine Damen und Herren, im Sport ist es ähnlich wie heute morgen bei der Absetzung des Tagesordnungspunktes 1. Mit Recht haben viele Abgeordnete gefragt: Wo bleibt die Kompensation bei dem Wegfall
Klaus Lohmann ({3})
der Steuern für die Kommunen? Ich denke, der Hintergrund unserer Anfrage zur Sportförderung und Sportsicherung ist ähnlich.
Die Frage: Welches ist die Antwort in bezug auf die Kompensation, die die Kommunen brauchen, besonders diejenigen, die Haushaltssicherungskonzepte fahren? Wir haben den Eindruck, als wenn die Antwort dieser Regierung lautet: Völlige Aufgabe städtischer Einrichtungen wie Sporthallen, Bäder, Parkanlagen und dergleichen mehr. Denn dies sind die Vorgaben, die den Kommunen gegeben werden. Ich glaube, die katastrophalen Folgen kennen wir.
Zunächst aber möchte ich sagen, daß wir mit Spannung verfolgen, wie in dieser Regierung die sportpolitische Kompetenz verteilt ist. Zum zweitenmal in dieser Legislaturperiode haben wir erlebt, daß sich der Sport beim Bundeskanzler über die Behandlung durch das Innenministerium beschwerte. Der Kanzler stellt auch prompt jedesmal seinen Sportminister in den Regen.
Wenn man es mit den Belangen der 25 Millionen Mitglieder in den über 8 000 Sportvereinen nur annähernd ernst meint, dann ist das erlebte Schauspiel nur halb so lustig. Das Eingreifen des Kanzlers ist diesmal begründet durch das engstirnige und unbelehrbare Verhalten des Innenministers in der Frage einer Sicherung der sportbezogenen Interessen auf europäischer Ebene.
({4})
In Brüssel werden Positionen vorbereitet, die dem organisierten Sport den Boden unter den Füßen wegschlagen könnten, beifällig bei der Koalition, als der Sportminister im Ausschuß vortrug, daß er es nicht für sinnvoll und richtig hält, den Sport in die Maastrichter Verträge aufzunehmen, wenn auch eventuell nur mit einer Protokollnotiz.
Inzwischen, nachdem die Intervention durch den Deutschen Sportbund von Herrn von Richthofen vorgetragen wurde, hat sich dies geändert. Der Kanzler hat erklärt, daß es hier einen Kurswechsel gibt und der Sport dort aufgenommen werden soll. In einer Situation also, in der die Finanzen des Sports durch politische Entscheidungen auf allen föderalen Ebenen bedroht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, zu wissen, wo diese Bundesregierung steht und wer das Sagen hat.
Wir fragen uns, ob die Antwort auf unsere Große Anfrage zur Sportförderung und Sportsicherung im Kabinett überhaupt gelesen oder ob sie schlichtweg abgelegt wurde. Große Anfragen sollen nach der Geschäftsordnung die Vorlage für Grundsatzdebatten über die politische Orientierung in einzelnen Sachfragen liefern. Ihre Antwort ist teilweise ausgesprochen dürftig ausgefallen.
({5})
Zur zentralen Frage, ob der Sport sinnvoll durch eine Staatszielbestimmung in den Länderverfassungen und im Grundgesetz abgesichert werden kann, bringt sie gerade einmal vier Sätze auf das Papier. In
sechs Bundesländern - dies sind nicht nur SPD-geführte - ist der Sport bereits Bestandteil der Staatszielbestimmungen. Das hält diese Bundesregierung für Unsinn.
Hier tut sich ein gewaltiger Unterschied in der Bedeutung der Sportorganisationen auf. Die Bundesregierung setzt sich mit ihrer unbegründeten Position in Widerspruch zu dem, was sich in der Debatte einzelner Länder als Trend abzeichnet - und dies bei einer Thematik, die in Zeiten knapper Kassen mehr denn je das Zusammenstehen der Politik für gemeinsame Ziele notwendig macht.
Wie wichtig ist die Sportförderung für unser Land und für die Menschen und nicht nur für die Mitglieder von Sportvereinen? Dies beweist ein trauriger Artikel aus dem „Spiegel" in dieser Woche, der betitelt war: „Der ganz normale Wahnsinn". In einer großen Stadt hat sich ein junger Mensch vor einen Zug geworfen, weil er das Leben nicht mehr ertragen konnte. Man mag es kaum glauben: Der Redakteur kommt in seiner Motivsuche zu dem Ergebnis - ich zitiere aus dem „Spiegel" Nr. 8 von diesem Montag -:
Unter dem Sparzwang der vergangenen Jahre fielen auch die letzten Refugien. In Mircos Gegend gibt es keinen Basketballkorb, auf dem Rasen darf nicht gekickt werden, und ein kleines Schwimmbad soll geschlossen werden.
Dies darf natürlich nicht als Versuch einer Antwort auf die Schuldfrage gedeutet werden, - um das ganz klar zu sagen. Die Verwaltungen, die Einsparungen umgesetzt haben, tragen keine direkte Schuld an dem Tod dieses jungen Menschen. Aber eines zeigt dieser Artikel: Er verdeutlicht die wichtigen Funktionen des Sports.
({6})
Dort, wo der Sport fehlt, wird der Freizeitgestaltung ein wertvoller Bestandteil entzogen. Der Schaden, der dann aus dieser Reduzierung von Freizeit entsteht, ist bei weitem teurer als die bisher finanzierte Sportförderung.
({7})
Diesen Sachzusammenhang bezeichnen wir als sogenannte Reparaturkosten. Zu reparieren sind nicht nur Sachschäden, sondern auch Haltungsschäden und motorische Störungen sowie ein steigender Konsum von Drogen und, soweit dies überhaupt noch möglich ist, zerstörte Lebensperspektiven.
Wir sind aufgefordert, alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um die Sportförderung auch in Zukunft zu sichern. Von diesem Bemühen scheint die Koalition jedoch weiter entfernt zu sein als je zuvor. Die angekündigten weiteren Kürzungen im Sozialbereich werden schließlich wie in der Vergangenheit doch wieder von den Kommunen aufgefangen werden müssen. Genau das werfen wir der Bundesregierung vor. Sie unternimmt wenig, und wenn sie doch etwas unternimmt, dann ist es oft widersprüchlich.
Klaus Lohmann ({8})
Durch die gescheiterte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erleben wir gegenwärtig die größte Massenarbeitslosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt, daß sich die Bundesregierung über die ihr zuwachsende Verantwortung für die sich dramatisch verschlechternde Finanzsituation der Kommunen nicht bewußt ist. Was sie als Antwort formuliert, ist Schlichtweg erbärmlich. Wer den Zusammenhang zwischen Massenarbeitslosigkeit und der finanziellen Situation der Kommunen als abwegig bezeichnet, der dokumentiert gleichzeitig seine Hilflosigkeit.
({9})
Lassen Sie mich hier sagen: Insbesondere die Situation der Kommunen in den neuen Bundesländern - hier gab es einen Versuch auch des Deutschen Sportbundes, den wir unterstützt haben, den Goldenen Plan Ost aufzulegen - zeigt, daß gerade in diesem Bereich größte Schwierigkeiten vorhanden sind. Wenn man sich die Situation in Berlin und anderen großen Städten vor Augen führt, dann ist klar erkennbar, welch riesige Reparaturstaus dazu geführt haben, daß viele Sportanlagen nicht zu benutzen sind und damit die jungen Menschen, die schon wegen der Arbeitslosigkeit kaum mehr einen Zukunftsgedanken haben, im Grunde auch in der Freizeit nicht die Möglichkeiten haben, die wir ihnen geben sollten. Von daher müssen Anstrengungen unternommen werden, daß die Sportförderung in den Kommunen im Wettstreit mit den anderen freiwilligen Aufgaben gewinnen kann.
Die Frage ist: Welches Standing hat der Sport? Dem Sport muß klar sein, daß er ein positives Image in den Köpfen der Stadt- und Gemeinderäte braucht. Sportorganisationen, die bei Großveranstaltungen Millionengewinne erzielen, die mitfinanzierenden Städte aber auf den Defiziten sitzen lassen, brauchen sich nicht zu wundern, wenn in diesen Gemeinderäten die Sportförderung ins Zwielicht gerät.
Der Sport braucht einen horizontalen Finanzausgleich. Auch dies war wohl bei der letzten Gesprächsrunde beim Bundeskanzler ein Punkt. Dies ist eine Sache, die von den Leuten des Deutschen Sportbundes seit langem vorgetragen wird. Hier geht es darum - wir haben das schon lange Zeit gefordert -, daß die reichen Sportarten, also die telegenen mit teilweise dreistelligen Millionenumsätzen, sich ihrer Verantwortung für den Breitensport und seiner Förderung bewußt sind. Es wird nicht funktionieren, die kommerziellen Interessen im Sport von den Organisationen mit hohen Gewinnen abdecken zu lassen und gleichzeitig das Allgemeinwohl und dessen finanzielle Sicherung auf die öffentliche Hand abzuschieben. Im System Sport ist viel eigenes Geld vorhanden, welches bislang einseitig verteilt und daher für die Grundsicherung des Sports nicht eingesetzt werden kann.
Eigentlich sollten in diesen Tagen der Sport und die Wirtschaft erneut beim Kanzler zusammentreffen, um verabredungsgemäß Bilanz über die Arbeit seit dem letzten runden Tisch zu ziehen. Dies geschieht nicht; denn die Ergebnisse sind traurig: Es ist nichts dabei herausgekommen.
Herr Riegert, Sie haben gefordert, daß der einzige Sozialdemokrat, der in diesem Bereich tätig ist, Herr Edzard Reuter, zurücktritt.
Herr Kollege, Ihre Redezeit!
Ich denke, besser ist, daß der Initiator mit seiner Regierung zurücktritt.
({0})
Was diese Regierung in diesem Bereich geleistet hat, ist traurig.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Matthias Berninger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem letzten Punkt bin ich natürlich der gleichen Ansicht: Es wäre eine gute Sache, wenn der Kanzler und die Regierung zurückträten.
({0})
Das passiert wahrscheinlich nicht. Deswegen müssen wir uns heute über die Frage unterhalten, wie diese Bundesregierung gemeinsam mit den Länderregierungen und den Kommunen einer Entwicklung entgegentritt, die - das zeigen alle Untersuchungen - uns zunehmend besorgen sollte, nämlich einer Entwicklung, die die Bedingungen für Breitensport in dieser Republik verschlechtert.
Was mich an der Antwort auf die Große Anfrage besonders stört, ist die Tatsache, daß die Bundesregierung versucht, sich jeder Verantwortung zu entziehen. Eben wurde vom Herrn Staatssekretär gesagt, man habe erreicht, daß die Steuervergünstigung für Leute, die im Sportbereich aktiv sind, erhalten bleibt. Er hat das als großen Erfolg gefeiert.
Nicht erwähnt wurde aber zum Beispiel, daß im Rahmen des letzten Sparpakets nach den Vorschlägen der Bundesregierung gerade bei einem sehr wichtigen Punkt, nämlich bei der gesundheitlichen Vorbeugung, massiv gekürzt wurde. Den Krankenkassen ist es nun nicht mehr möglich, in Zusammenarbeit mit Vereinen diese Vorsorge zu organisieren.
({1})
Das bedeutet ganz konkret Einnahmeverluste. Darüber hat die Bundesregierung nichts gesagt. Ich glaube, daß das ein ganz wichtiger Punkt ist, weil sich sehr viele Vereine in den letzten Jahren auf diese guten neuen Maßnahmen eingerichtet hatten; jetzt stehen sie ganz dumm da.
Das eigentlich Schlimme ist, daß man bei Gesundheitsvorsorge spart. Dieses Sparen ist völlig ineffizient und wird die Kosten nur auf später verlagern. Das kann man erkennen, wenn Leute nach Rückenschulen und ähnlichem fragen. Aber nein: Hier hat die Bundesregierung natürlich überhaupt keine Verantwortung.
({2})
Der zweite wichtige Punkt: die Finanzausstattung der Kommunen. Auch hier weigert sich die Bundesregierung, anzuerkennen, daß es Folge auch ihrer Politik ist, daß die Kommunen insgesamt finanziell wahnsinnig schlecht ausgestattet sind.
({3})
Wenn man im Bereich des Breitensports Erfolge erzielen will, muß man sich zugestehen, daß die Belastung, die Bund und Länder - ich komme gleich auch zu den Ländern - den Kommunen aufbürden - ({4})
- Ich komme gleich auch zu Nordrhein-Westfalen. Vielleicht kommen wir erst einmal zu den Belastungen, die von hier auf die Kommunen kommen. Das sind sehr große Belastungen, die die Schwierigkeit nach sich ziehen, daß man im Bereich Jugend, aber auch im Bereich Sport nicht mehr genug Spielräume zum Investieren hat.
Was aber nicht geht - das ist das Problem dieser sportpolitischen Debatte -, ist, daß man sagt: Der Bund trägt die Verantwortung allein. Natürlich muß man auch auf die Ebene der Länder kommen.
Ich habe diese Woche im „Handelsblatt" eine Nachricht gelesen, die mir große Sorgen macht. Wenn das Land Brandenburg bereit ist, 241 Millionen DM in einen sogenannten Lausitzring zu investieren, also in eine Formel-1-Rennstrecke - in Klammern: es wird wahrscheinlich niemand damit rechnen, daß da jemals ein Formel-1-Rennen stattfindet -, gleichzeitig aber in den neuen Ländern massiv geklagt wird, daß die Sportstätten in einer wahnsinnig maroden Situation sind - wir alle haben sie gesehen; wir alle sind uns darüber einig, daß das so ist -, dann ist das eine falsche Prioritätensetzung auf Länderebene.
Ein weiterer Punkt. Wir alle kennen das Untersuchungsergebnis, daß es heute Kinder gibt, die nicht mehr in der Lage sind, rückwärts zu laufen. Das ist ein Ergebnis, das eigentlich allen große Sorge bereiten müßte. Natürlich haben hier die Vereine eine
wichtige Funktion, weil sie für Kinder Sportangebote vorhalten. Aber auch die Länder haben eine wichtige Funktion. Da muß ich sagen: Mich wundert, daß das nicht auch in Ihrem Entschließungsantrag erwähnt wurde.
Es ist völlig klar, daß es eigentlich nötig wäre, in den Bereichen Kindergarten und Grundschule in den Sport für die Heranwachsenden zu investieren. Statt dessen kann man in einigen Ländern beobachten, daß Sportstunden gestrichen werden - länder- und parteiübergreifend. Ich finde, dagegen sollte sich der Bundestag geschlossen wehren, weil das eine völlig falsche Prioritätensetzung der Politik ist.
({5})
Auch in den Kommunen gibt es Probleme. Mitunter weigern sich die Verantwortlichen dort, Prioritäten richtig zu setzen. Ich habe in den neuen Ländern eine Menge wunderschöner Hochhäuser gesehen, direkt daneben marode Sporthallen.
Natürlich haben wir als Bund mit den Investitionsfördermitteln den Kommunen Möglichkeiten gegeben, im Bereich „Jugend und Sport" zu investieren. Einige haben davon Gebrauch gemacht. Die, die es nicht gemacht haben, müßte man aber daraufhin offen ansprechen. Denen muß man sagen: Wenn ihr nicht in den Breitensport investiert, dann könnt ihr gegenüber dem Bund, auch gegenüber der Landesregierung keine Forderungen stellen.
Das alles gehört dazu, weil meiner Meinung nach alle drei Ebenen dafür verantwortlich sind, daß der Breitensport im Moment in einer eher schwierigen Situation ist.
Insgesamt vermisse ich in der Diskussion die Frage: Wie kann man die Sportförderung effizienter ausgestalten? Ich glaube, daß die momentane Form, wie Vereine in den Kommunen gefördert werden, im großen und ganzen - es gibt einige Ausnahmen - falsch ist. Ich finde, daß man von den Kommunen die Prioritätensetzung verlangen kann, Vereine besonders dann zu fördern, wenn sie in Jugendarbeit investieren, Vereine besonders dann zu fördern, wenn sie Sparten für Mädchensport öffnen, was oft nicht der Fall ist, Vereine besonders dann zu fördern, wenn sie neue Entwicklungen aufnehmen. Da gibt es bisher viel zuwenig Aktivität auf kommunaler Ebene. Ich wünschte mir mehr.
Bisher gibt es innerhalb des Sports große Besitzstandswahrungen.
({6})
- Herr Kollege, ich kenne mich sehr wohl aus. Sie wissen, daß es andere Beispiele gibt. Sie wissen aber auch, daß es in den Kommunen sehr große Beharrungskräfte gibt.
({7})
- Kollege Krüger, das war überhaupt kein Unsinn. Es
gibt sehr große Beharrungskräfte in den Kommunen.
Sie sagen: Wir haben bisher Sportmittel und Hallenbelegungen soundso verteilt. Wir wollen daran nichts ändern.
Das muß man deshalb offen ansprechen, weil in der Regel in den Vereinen nicht die ersten Mannschaften hinten runterfallen, sondern Maßnahmen wie Jazz, Turnen und ähnliches, was besonders in den Wintermonaten massiv der Fall ist. Das ist ein Problem, das auch Sie eigentlich kennen müßten. Insofern ist das überhaupt kein Schwachsinn.
({8})
- Das ist keine Diskussion der 70er Jahre, sondern die Realität der 90er.
Es war diese Woche ein Trauerspiel in der Debatte im Ausschuß: Nicht nur, daß über das Ehrenamt nicht mehr geredet wird, es wurde auch von der Bundesregierung kein umfassendes Konzept vorgelegt.
({9})
Sie, Herr Lintner, haben im Grunde erklärt, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, weiteres zu machen, daß man sich mit dem zufriedengeben soll, was heute finanziell im Bereich der Steuervergünstigungen möglich ist.
Ich erwarte, daß es uns gelingt, in dieser Legislaturperiode eine ausführliche Debatte über das Ehrenamt hinzukriegen. SPD, Grüne und PDS haben gemeinsam eine Anhörung gefordert, die jetzt zum Glück auch stattfindet. Die Haltung, die in dieser Debatte vor allem von der Union vertreten wurde, nämlich wir wüßten schon alles über das Ehrenamt und bräuchten keine Anhörung, müßte eigentlich
Herr Kollege Berninger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
- ja, selbstverständlich; ich führe den Satz noch zu Ende - zur Folge haben, daß endlich ein Konzept auf den Tisch kommt. Wenn Sie schon alles wissen, dann legen Sie doch endlich etwas vor. Aber das passiert zur Zeit nicht.
Bitte.
Herr Kollege Berninger, sollte Ihnen entgangen sein, daß dieses Haus am Tag des Ehrenamts, am 5. Dezember 1996, auf Grund einer Anfrage der Koalition eine große und, wie ich meine, sehr gute Debatte über den Wert des Ehrenamts in unserer Gesellschaft geführt hat? Ich frage Sie deshalb, ob Ihnen der 5. Dezember entgangen ist; denn Sie haben gerade behauptet, dieses Parlament habe in dieser Legislaturperiode nicht über das Ehrenamt diskutieren wollen.
Nein, Herr Kollege, der 5. Dezember ist mir schon deshalb nicht entgangen, weil einen Tag später Nikolaus war. Ich war bei dieser Debatte anwesend. Ich
weiß, daß wir darüber geredet haben. Ich weiß, daß sich das gesamte Haus darüber einig war, daß man das Ehrenamt fördern soll. Wir alle sind uns einig darüber, daß man hier mehr tun müßte. Leider Gottes hört man von den Vereinen und den ehrenamtlich Tätigen - richtigerweise -, daß wir nur Sonntagsreden darüber halten, aber nicht handeln.
Was ich verlange, ist, daß neben den Sonntagsreden ein umfassendes Konzept der Bundesregierung zur Förderung des Ehrenamts, von mir aus auf Basis der Sonntagsreden, vorgelegt wird. Das passiert nicht. Was ich ebenfalls verlange, ist, daß man eine Anhörung mit Experten außerhalb dieses Hauses als eine Selbstverständlichkeit ansieht und dem im Ausschuß zustimmt. Auch das haben Sie nicht gemacht. Zum Glück brauchten wir nur ein Viertel der Stimmen. Mich ärgert, daß Sie an dieser Stelle nicht die entsprechenden Schwerpunkte setzen wollen, sondern lieber Sonntagsreden halten.
Vielen Dank.
({0})
Bitte schön, Sie haben das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Darstellung des Kollegen Berninger nicht unwidersprochen lassen. Die Unionsfraktion hat deshalb gegen die Anhörung gestimmt, weil wir klargemacht haben, daß die Union etwa 60 Organisationen in sechs Anhörungen zum Thema Ehrenamt angehört hat. Wir haben auf die Schwierigkeit hingewiesen, daß man angesichts der Fülle von bis zu 12 Millionen Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft nicht alle Probleme in einer Anhörung behandeln kann. Unser Angebot an die Opposition war, eine Woche zu vertagen und Schwerpunktthemen zu dieser Anhörung herauszusuchen. Das wollte ich klarstellen.
({0})
Herr Kollege Berninger, Sie können darauf antworten, wenn Sie möchten.
Wenn Ihre Anhörung mehr als einfach nur Gewissensberuhigung sein soll, dann hoffe ich, daß wir die Ergebnisse dieser Anhörung - vieles davon haben wir mitbekommen - in praktische Politik umsetzen. Sicherlich ist richtig, daß man im Rahmen einer Anhörung - Familienausschuß, Sportausschuß und wer immer sich noch berufen fühlt, ebenfalls Experten anzuhören - nicht alle Probleme lösen kann. Aber diesem Argument folgend, würde dieses Parlament überhaupt keine Anhörungen mehr machen.
Wichtig ist, daß die Bundesregierung endlich mit einem Konzept auf den Tisch kommt. Fangen Sie nicht an, sich selber zu lobhudeln, Sie hätten wunderbare Anhörungen gemacht. Setzen Sie sich mit
Ihren Ministerien in Verbindung, und machen Sie endlich umfassendes Konzept zum Thema Ehrenamt! Das ist das, was wir von Ihnen erwarten. Sie stellen nämlich die Bundesregierung. Sie haben eine Menge wunderbarer Sonntagsreden gehalten, nur leider folgen die Taten nicht. Es hat nicht nur etwas mit Finanzproblemen zu tun, zum Beispiel das Thema Freiwilligengesetz auf den Tisch zu bringen. Es ist auch eine Frage, wie man das Ehrenamt regelt und Leute, die im Job stehen, beruflich absichert. Es geht nicht immer nur um das Steuerrecht. Es passiert nichts. Sie haben keinen Mut, etwas zu machen. Ich denke, Sie sollten das ändern.
({0})
Nun gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Olaf Feldmann.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man inhaltlich keine konstruktiven Vorschläge mehr zu bringen hat,
({0})
dann fordert man den Rücktritt des Bundeskanzlers.
({1})
Die Sportwelt bebt! Wir sind alle sehr erstaunt über dieses einfache Konzept.
Lieber Herr Kollege Lohmann, das ist doch genauso falsch wie der Vorwurf, durch die Sozialgesetzgebung habe der Bund zur Verringerung der Sportförderung durch die Länder und Kommunen beigetragen.
({2})
So einfach ist das nicht.
Ich bin seit fast 25 Jahren Stadtrat in Baden-Baden.
({3})
Ich weiß, wovon ich rede. Das ist ein Thema auch bei uns im Gemeinderat. Manchmal kann man die Dinge vor Ort viel besser auseinanderhalten, als es die Opposition in Bonn tut.
Natürlich belasten die notwendigen Kürzungen - das sind notwendige Kürzungen, das wollen Sie doch gar nicht bestreiten - auch die Kommunen.
({4})
Die SPD, Herr Catenhusen, übersieht total die Entlastungen, die zum Beispiel durch die Pflegeversicherung und durch die Reform des Sozialhilfegesetzes geschaffen wurden. Da sind bei den Kommunen Entlastungen drin. Völlig richtig ist aber zum Beispiel, daß die Länder - auch die SPD-regierten Länder - diese Entlastungen nicht voll an die Kommunen weitergeben. Da müssen Sie sich an die eigene Nase fassen.
Es ist reine Stimmungsmache, Herr Kollege Lohmann, die Reduzierung der Sportförderung durch die Länder und Kommunen ursächlich mit den notwendigen Sparmaßnahmen der Bundesregierung zu verknüpfen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Haushaltsansatz - Sie wissen das; Sie haben das im Sportausschuß doch noch gelobt - ist trotz angespannter Finanzlage und im Gegensatz zu den anderen Etats praktisch noch nicht gekürzt worden. Das haben Sie doch extra anerkannt.
Darüber hinaus - das sollte einmal deutlich gesagt werden - ist den Gemeinden durch die Konversion einiges zugeflossen. Es hat erhebliche Preisnachlässe bei der Übernahme von Sportanlagen gegeben. Kommunen und Sport sind dadurch stark gestärkt worden. Milliarden sind vom Bund auf die Kommunen übertragen worden. Das müßte doch einmal anerkannt werden.
({5})
- Sie können nicht alles haben. Sie können nicht Riesengrundstücke haben und dann sagen, Sie wollten sie nicht einmal sauberhalten. So einfach ist diese Welt doch nicht gestrickt!
Den Sport zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen ist schlicht kontraproduktiv.
({6})
Wir Liberalen gestehen den Kommunen die Kompetenz zu, selbst zu entscheiden, welche Aufgaben sie in ihrem Bereich für vordringlich halten und wofür sie die Mittel einsetzen. Was notwendig für den Sport ist, das können die kommunalen Entscheidungsträger vor Ort viel besser entscheiden, als es aus der Bonner Sicht und aus der heilen Welt der Opposition heraus möglich ist.
({7})
- Das ist doch völlig richtig, daß Uli Irmer geklatscht hat.
Die F.D.P. steht nachdrücklich hinter dem Subsidiaritätsprinzip des Grundgesetzes. Wir wollen, daß der Sport weiterhin autonom bleibt.
({8})
- Herr Kollege Krüger, das war allerdings kein sehr konstruktiver Beitrag, den Sie eben geleistet haben.
Über konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen können wir reden, nicht aber über ein Abweichen vom Subsidiaritätsprinzip.
({9})
Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports stimmen wir überein, daß die knappen öffentlichen Mittel nicht zu einer existentiellen Beeinträchtigung des Breitensports führen dürfen. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich nicht nur die öffentliche Hand dieser gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Sportes verpflichtet fühlte. Es ist eben nicht, wie Sie in Ihrer Großen Anfrage unterstellen, liebe Kollegen von der Opposition, die alleinige Aufgabe des Staates oder gar des Bundes, diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu bewältigen. Wir wollen keinen Staatssport.
({10})
Sport ist nicht eine allein staatliche Angelegenheit. Deswegen ist die F.D.P. auch gegen ein Staatsziel Sport im Grundgesetz. Vielmehr wollen wir es bei der Autonomie des Sportes belassen; das ist ein liberaler Ansatz.
({11})
Wir müssen Wege finden, auch im Breitensport ein stärkeres Engagement der Wirtschaft zu ermöglichen; denn der Sport ist auch ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor.
({12})
- Lieber Herr Kollege, ich möchte Sie nicht daran hindern, den Saal zu verlassen.
Was Sie, Herr Kollege Berninger, zum Ehrenamt gesagt haben, war doch purer Populismus. Wir alle wollen das Ehrenamt stärken. Aber Sie wissen doch genauso wie wir - Sie haben dazu auch keinen konstruktiven Vorschlag gemacht -, daß im Augenblick keine weiteren finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen.
({13})
- Aber Herr Catenhusen, in vielen Ländern sind Sie an der Regierung und reden mit, und im Bundesrat blockieren Sie alles. Sie haben doch keine konstruktiven Vorschläge.
({14})
Man kann sich doch nicht einfach nur verhindernd hinstellen und sagen, der Bundeskanzler solle zurücktreten. Dann würde doch alles nur noch schlimmer, nichts besser.
({15})
Wir haben die Debatte zum Ehrenamt hier gehabt; Herr Kollege Riegert hat völlig zu Recht darauf hingewiesen.
({16})
- Herr Fischer, hören Sie auch einmal zu!
Richtig ist, lieber Herr Berninger, daß wir neue Wege suchen müssen, um die ehrenamtliche Tätigkeit attraktiver zu machen.
({17})
Die F.D.P. unterstützt Maßnahmen zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit.
({18})
Es ist uns gelungen - das müssen Sie doch anerkennen -, eine Kürzung der Übungsleiterpauschale im Rahmen der Gesundheitsreform zu vermeiden. Außerdem wollen wir nach wie vor alle Möglichkeiten der steuerlichen Gleichstellung von Organisations- und Übungsleitern überprüfen.
Ich möchte auch etwas Positives zur Großen Anfrage sagen. Ich finde es richtig, daß Sie großen Wert auf die Kultur- und Sozialarbeit der Sportorganisationen gelegt haben.
({19})
Die Verbände und Vereine verdienen Lob für diese Arbeit.
({20})
Bei diesem Lob für die Sportverbände und Sportorganisationen sollte eigentlich auch die Opposition Matschen können.
({21})
- Ich bedanke mich ausdrücklich in Namen des Sports.
Der Bund hat diese integrative Arbeit der Sportvereine stark unterstützt. Das gilt sowohl für die Jugendarbeit als auch für die Integration von Ausländern und die Gleichstellung von Frauen.
Deutschland - da habe ich von der Opposition auch kein Lob gehört - gehört im Bereich des Leistungssports der Behinderten zu den führenden Nationen. Dies zeigen die hervorragenden Ergebnisse, die wir gerade in der letzten Zeit bei internationalen Leistungsvergleichen gesehen haben.
Die F.D.P. begrüßt, daß sich die finanzielle Förderung des Behindertensports durch die Bundesregierung seit 1989 erheblich erhöht hat. Das sollte anerkannt werden, und dafür verdient die Regierung Lob.
({22})
Abschließend stelle ich fest, daß insgesamt keine Gefahren für die materiellen Grundlagen des Sports gegeben sind. Der Bund kann angesichts der schwierigen Finanzlage keine Wunder in Sachen Sportförderung vollbringen. Mit Kompetenzverlagerungen oder gar mit neuen Staatszielbestimmungen ist doch absolut kein Staat zu machen; damit ist niemandem gedient. Das ist doch reine Augenwischerei. Nur durch Zusammenarbeit aller Beteiligten kann der Sport seiner bedeutenden integrativen gesellschaftlichen Aufgabe weiter gerecht werden.
Es tut mir leid, aber wir müssen den Antrag der SPD ablehnen.
Danke.
({23})
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ähnliche Debatte wie heute hatten wir letztmalig im Mai 1994. Da kann man einmal sehen, welche Rolle der Sport bei Debatten im Deutschen Bundestag spielt.
({0})
Es ging damals um die Große Anfrage der SPD zum „Goldenen Plan Ost". Was aus dieser vom DSB initiierten und beschlossenen neuen sportpolitischen Offensive zur Verbesserung der Sportstättensituation in den neuen Bundesländern geworden ist, ist ja bekannt. Weil die vorgeschlagene Mischfinanzierung von Bund, Ländern und Kommunen mit dem Argument der Verletzung verfassungsmäßig gegebener Kompetenz auf Bundesebene verweigert wurde, ist er gescheitert. Ich habe auch keine Hoffnung mehr, daß da noch irgend etwas zu machen ist.
Die Folgen zeigen sich heute im Praxisalltag des Sports. Da die Sportförderung keine staatliche Pflichtaufgabe ist, konnten die Probleme durch Mittel aus staatlichen Investitions- und Transferleistungen nicht aufgefangen werden.
Auf einem völlig anderen Blatt steht, daß im Hinblick auf die neuen Bundesländer die Leistungssportförderung des Bundes sowie auch seine finanziellen Zuwendungen für den Aufbau einer völlig neuen Vereins- und Sportstruktur natürlich Anerkennung verdienen. Mit einer Vielzahl von Medaillen und guten Plazierungen der Sportler und Sportlerinnen aus den neuen Ländern bei internationalen Wettkampfhöhepunkten in vielen Sportarten fanden diese Aufwendungen meiner Meinung nach auch ihre Rechtfertigung. Das gilt ebenso, wenn wir den Entwicklungsstand des Vereinsniveaus im Breitensport betrachten.
Nur haben sich die Rahmenbedingungen des Sports, sowohl für den Leistungs- als auch für den Breitensport, in den letzten Jahren gravierend verändert. Will man auch zukünftig international erfolgreich bleiben, muß das „Förderkonzept 2000" des DSB in die Praxis umgesetzt werden.
({1})
Frau Kollegin, würden Sie bitte einen Augenblick unterbrechen. Ich möchte die beiden Herren Geschäftsführer der SPD und der CDU/CSU bitten, uns nicht den Rücken zuzuwenden - um nicht andere Körperteile zu nennen.
Dazu bedarf es aber in Zeiten angespannter Lage der öffentlichen Haushalte auf allen staatlichen Ebenen neuer Finanzierungskonzepte, und zwar solcher, die nicht durch Streitigkeiten über Kompetenzhoheiten blockiert werden sollten.
Nicht nachvollziehbar ist für mich die Tatsache, daß ausgerechnet solche Politiker, die täglich die Wirkungsmechanismen von Marktgesetzen erklären, der Illusion verfallen, daß privatwirtschaftliche Geldquellen für die Umsetzung eines solchen Sportförderprogramms in ausreichendem Maße erschlossen werden könnten.
({0})
Wir warten immer noch auf diesbezügliche praxiswirksame Maßnahmen, die ja irgendwie in einer Kommission am runden Tisch erarbeitet werden sollten. Es kommt nichts, da es sich für diese Unternehmen nicht rechnet, in den Nachwuchssport zu investieren, weil sie ihn nicht vermarkten können.
Die Erfahrung, wo das hinführt, hat Großbritannien hinter sich. Um international wieder erfolgreich zu werden - denn England war einmal das Mutterland des modernen Amateursports, war international sehr erfolgreich, liegt heute aber in einigen Bereichen hinter Portugal zurück -, wird in England nun wieder ein völlig neues staatliches - ich betone: staatliches! - Förderprogramm ins Leben gerufen. Ich glaube, keiner von der Koalition hier wird England vorwerfen wollen, daß es analog zur DDR staatlich zentrierte Aufgaben wahrnehmen und den Sport in seiner Autonomie beschränken will.
Grundlage einer erfolgreichen Leistungssportentwicklung ist ein hohes Niveau des Breitensports. Hier sind wir uns, glaube ich, alle einig. Aber gerade dieses Vorhaben stößt durch Aufgabenverlagerung des Bundes auf die kommunale Ebene zukünftig immer mehr an seine Grenzen. Die bisher positive Entwicklung der Mitgliederzahlen der Sportvereine in den neuen Bundesländern ist mit den vorhandenen Sportanlagen nicht fortsetzbar. Ich kenne bei mir in der Nähe eine Stadt, in der es einen einzigen Fußballplatz für 21 Mannschaften gibt; zum Training sind vier Mannschaften gleichzeitig auf dem Platz. Nirgendwo gibt es eine Ausweichmöglichkeit.
In vielen Kommunen und Landkreisen fallen Fördermittel für den Sport in schmerzhaften Größenordnungen weg. So erhielt die Sportförderung in meinem Heimatkreis 1993 noch 1,3 Millionen DM. In
diesem Haushaltsjahr sind es ganze 150 000 DM. Das sind wirklich Größenordnungen, bei denen man nicht mehr sagen kann, das sei einfach so nebenbei zu klären. Das geschieht vor allen Dingen auch in einer Region, in der es eine Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent mit einem sehr hohen Jugendanteil gibt.
Das Ernst-Abbe-Stadion in Jena zum Beispiel muß entsprechend den Forderungen der Sicherheitsbestimmungen für Fußball-Ligamannschaften saniert werden. Kostenpunkt sind 6 Millionen DM. Diese Summe kann die Kommune ohne Landes- und Bundesmittel allein überhaupt nicht aufbringen. Es ist auch eine private Initiative ergriffen worden, es sind Spendenkonten eingerichtet worden. Daraufhin sind 54 000 DM eingegangen, und zwar vorrangig von Kleinunternehmen und von Kleinspendern. Denn spendenfreudige große private Wirtschaftsunternehmen sind weit und breit nicht in Sicht und werden auch zukünftig nicht da sein.
Der international erfolgreiche Sportclub Jena - das war übrigens mein Heimatclub, der sich in TUS Jena umbenannt hat - ist seit einem Jahr nicht mehr als Olympiastützpunkt und auch nicht mehr als Bundesleistungszentrum förderungswürdig. Man hat den politischen Willen, diesen Klub durch Landesmittel zu fördern.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich kann diesem Verein nur Erfolg wünschen; denn es gibt dort hoffnungsvolle Nachwuchssportler, und er wird auch vom Breitensport genutzt.
Die Zahl der Städte und Kommunen, die durch die Einführung und Erhöhung der Nutzungsgebühren und durch die Privatisierung von Schwimmbädern und Freizeitsportstätten
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
- ich bin beim letzten Satz, Herr Präsident - ihre kommunalen Haushalte entlasten müssen, steigt ständig an. Sie wollen das nicht, Herr Berninger, aber sie müssen es, weil sie die Pflichtaufgaben erfüllen müssen. Darin liegt nämlich die Priorität. Andere Beispiele ließen sich nennen.
Deshalb sage ich: Bitte geben Sie dem Antrag, der uns von der SPD vorliegt - er erscheint mir weitreichender als der von den Grünen, aber sie sind inhaltlich gleich -, Ihre Zustimmung.
({0})
Ich gebe dem Abgeordneten Rolf Rau das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der Kollegen der SPD-Fraktion fällt, um es sportlich zu sagen, in die
Halbzeit der Sommerspiele von Atlanta und der Winterspiele von Nagano.
Für die hervorragenden Leistungen, die deutsche Sportler 1996 erreicht haben, kann man allen Verantwortungsträgern und nicht zuletzt den Sportlern hohe Anerkennung zollen und herzlich Dank sagen.
({0})
Denen, die sich jetzt vorbereiten, sollten wir optimale Bedingungen zur Vorbereitung und gesundheitliche Fitneß wünschen.
Mit Freude kann ich feststellen, daß der größte Teil der Medaillen von Athleten aus den neuen Bundesländern errungen wurde.
({1})
Das zeigt deutlich: Die Sportförderung und die Sportsicherung auf den jeweiligen Leistungsebenen sind auf einem guten Wege.
Aber wie immer nach sportlichen Höhepunkten gibt es einen Generationswechsel. Insofern ist es wichtig, daß die neuen Entwicklungen auf soliden Fundamenten stehen, daß die Leistungszentren, die Olympiastützpunkte, die Sportgymnasien und die Vereine, die Forschung und Entwicklung, die ärztliche Betreuung und die Wissenschaft insgesamt Schritt halten.
Das alles kostet Geld und Engagement, nicht nur den Bund, sondern auch - und das in übergroßem Maße - Länder und Kommunen. Ich muß feststellen, daß in den neuen Ländern die Dichte und auch die Qualität der Sporteinrichtungen noch zu wünschen übriglassen. Der „Goldene Plan Ost" des DSB deckt deshalb Mängel und Schwächen auf und macht deutlich, welchen Nachholbedarf es hier gibt. Dabei darf man nicht nur in Richtung Sport schauen.
Trotz großer Bemühungen und auch sichtbarer Fortschritte wird es noch eine geraume Zeit dauern, bis ein mit den alten Ländern vergleichbarer Zustand erreicht wird. Dem Standard und der Qualität in den alten Ländern sind die Sportstätten für den Spitzensport in den neuen Bundesländern am weitesten angeglichen.
({2})
- Herr Krüger, jetzt kommt's.
Nicht umsonst haben wir deshalb das Investitionsförderungsgesetz für die neuen Länder auf den Weg gebracht. Herr Berninger hat das schon vorhin sehr gut dargestellt. Damit wird ermöglicht, daß von den über 10 Jahre laufenden Verfügungen 6,6 Milliarden DM pro Jahr für den Aufbau in seiner Gänze zur Verfügung stehen. Der Sport insgesamt sollte dabei dringend beteiligt werden. Das wird, so meine ich, den Vereinen und dem Breitensport allgemein, aber natürlich auch der Spitze besonders helfen.
Dieses Erfordernis gelangt jedoch offensichtlich nicht immer an die Ohren der Ministerpräsidenten der neuen Länder, obwohl ich einräumen muß, daß die föderale Struktur offenläßt, wo ein Land SchwerRolf Rau
punkte setzt. Man darf aber niemals vergessen, daß gerade im sportlichen Bereich eine wesentliche Anzahl von Bürgern ihre Freizeit gestalten können, sich für den täglichen Arbeitsprozeß fit halten oder durch Spitzenleistungen hervortreten. Die Orientierung der Kinder und Jugendlichen zur sportlichen Betätigung ist dabei Schwerpunkt.
Der Freistaat Sachsen gehört zu den Ländern, die besonders dieses Anliegen ihrer Bürger ernst nehmen. Sachsen hat im vergangenen Jahr rund 16 DM pro Kopf für den Sport ausgegeben.
({3})
Damit nimmt der Freistaat in der Riege der Bundesländer immerhin den dritten Platz ein. Trotz knapper Kassen werden die Sachsen in diesem Jahr 62 Millionen DM für den Sport ausgeben.
Es wäre interessant, zu wissen, wie viele Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz - Herr Krüger, das interessiert mich genauso wie Sie - bisher für Sporteinrichtungen in den neuen Ländern zur Verfügung gestellt worden sind.
Aus Bonner Sicht konnte der Haushalt weitestgehend stabil gehalten werden. Trotz aller Sparzwänge haben wir die Projektförderungen für Sporteinrichtungen, die zugesagt wurden, auch gewährleistet.
Ich sehe einen wichtigen Beitrag darin, daß das Institut für angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig wie auch das Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Sportgeräte in Berlin durch Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaften die gesamte Sportwissenschaft intensiv begleiten. Sportler und Trainer nehmen die Leistungen dieser Einrichtungen immer besser in Anspruch, zumal ohne deren sportwissenschaftliche Dienstleistungen die angestrebten Spitzenleistungen gar nicht mehr denkbar sind.
({4})
Daß in diesem Bericht die Stabilisierung gelungen ist, halte ich für eine hervorragende Sache. Ich möchte ausdrücklich unseren Haushältern, aber auch den Sportpolitikern und Herrn Kanther dazu persönlich Dank sagen.
Daß speziell das Doping-Kontroll-Labor in Kreischa - und das gehört zum Thema, Herr Kollege - bei Dresden die erforderliche Akkreditierung durch das Olympische Komitee wiedererlangt hat und damit die Kölner gut ergänzen und in der Welt wieder von sich Reden machen kann, halte ich gerade im Zusammenhang mit unserem sportlichen Willen „Keine Macht den Drogen" für ein hervorragendes Ergebnis.
({5})
Sehr geehrte Kollegen der SPD, Sie heben in Ihrer Anfrage immer wieder die Bedeutung des Bundes hervor. Ich darf Sie auf einen anderen Aspekt hinweisen. In zahlreichen ostdeutschen Kommunen - ich konnte im Rahmen des Sportberichts bereits darüber informieren - sind eine Reihe Sportstätten durch privatwirtschaftliche Investoren oder durch die Initiative der Kommunen entstanden. Das reicht zwar noch nicht aus, aber es sind gute Anfänge. So stehen die ersten Turnhallen, Tennishallen, aber auch Mehrzweckhallen, wo Schulsport- und Freizeitsport betrieben werden kann, zur Verfügung.
Das zeigt letztendlich, daß man sich nicht nur auf den Staat verläßt, sondern auch alle Möglichkeiten, die es von privatwirtschaftlicher Seite gibt, ausschöpfen muß. Mit Fördermitteln ist es gewiß leichter, Sporteinrichtungen zu bauen und zu entwicklen. Bei bestimmten Projekten bleiben sie auch erforderlich. Aber daß man auch anderweitige Lösungen sucht und findet, sollte dabei nicht unerwähnt bleiben.
Deshalb nutze ich hier die Gelegenheit, Sie zu informieren, daß seit wenigen Tagen in Leipzig ein Förderkreis „Sportforum 2000" etabliert ist. Als Mitinitiator dieses Gremiums von engagierten Bürgern der Leipziger Region wollen wir alle Ressourcen auch aus dem privatwirtschaftlichen Bereich mobilisieren, um Leipzig mit einem entsprechenden Stadion zum 100. Geburtstag des deutschen Fußballs bundesfit zu machen.
({6})
Die Stadt arbeitet seit 18 Monaten offensiv an den Vorbereitungsunterlagen. Wir wollen Leipzig damit letztendlich auch als Austragungsort für die Fußballweltmeisterschaften im Jahre 2006 ins Rampenlicht rücken, sofern Deutschland die Austragung der WM bekommt.
Ich will dabei eines nicht verschweigen: Die Gespräche des Bundeskanzlers im Interesse des Sportes mit der Wirtschaft haben dafür ein gutes Signal gesetzt.
Ich hoffe, daß das, was wir uns vorgenommen haben, realistisch ist, auch wenn der Weg noch weit und steinig ist.
Vielen Dank.
({7})
Herr Kollege Krüger, mäßigen Sie sich bitte.
Ich gebe dem Abgeordneten Bernd Scheelen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rau, besonders erhellend war der Beitrag zum Thema Sportförderung in den Kommunen nicht.
({0})
Sie haben sich mehr mit Sponsoring beschäftigt, was
wichtig ist. Aber es geht heute nicht um die Frage:
Wie wird der Sport durch die Wirtschaft gefördert?,
sondern um die Frage: Wie wird der Sport durch den Staat und durch die drei staatlichen Ebenen gefördert?
Ehe ich zum Thema komme, möchte ich noch kurz auf den Kollegen Berninger eingehen. Sie haben gesagt, Herr Kollege Berninger, die Sportförderung in den Kommunen liefe falsch. Ich darf zumindest für die hier anwesenden SPD-Mitglieder,
({1})
die Vorsitzende von Sportausschüssen in ihren Kommunen sind - das sind hier einige -, feststellen, daß in den Kommunen schon alles optimal läuft; denn wir orientieren uns durchaus an den Kriterien der Kinder- und Jugendförderung. Das trifft für die Kollegin Dagmar Freitag zu, die in Iserlohn Vorsitzende ist, der Kollege Klaus Lohmann ist Vorsitzender in Witten, und ich habe die Ehre, in der Stadt Krefeld Vorsitzender des Sportausschusses zu sein.
Zum Thema der Behandlung der Großen Anfrage und der Anwort der Bundesregierung habe ich überlegt: Wie könnte man die Antwort der Bundesregierung überschreiben, wenn man einen Titel suchte? Dann fiel mir Winston Churchill ein, von dem im Allgemeingut mittlerweile drei Dinge bekannt sind.
({2})
- Einen Moment, warten Sie ab, Herr Kollege Feldmann. - Sie kennen das Victory-Zeichen. Das meinte ich nicht. Aber es wäre schön, wenn man das als Überschrift über die Antwort schreiben könnte: Victory, Sieg für den Sport! Das wäre schön. Dann wären wir alle zufrieden und könnten jetzt nach Hause gehen. Das meine ich nicht.
Sie könnten eventuell auch an den Ausspruch von Winston Churchill denken,
({3})
daß man nur der Statistik glauben sollte, die man selbst gefälscht hat. Dieser Satz träfe schon eher auf die Antwort der Bundesregierung zu.
({4})
Jetzt kommen wir aber zu seinem Ausspruch, den Sie auch kennen: no sports. Ich ergänze: no money for sports, also kein Geld für Sport. Das wäre eine Überschrift für das, was Sie als Antwort auf die Große Anfrage der SPD abgeliefert haben.
Im 8. Sportbericht, den Sie im Jahre 1995 vorgelegt haben, haben Sie zu Recht das hohe Lied des Sports gesungen. Sie haben darauf verwiesen, daß der Sport für unsere Demokratie, für die Gesundheit, für Identifikation, für soziale Integration, für soziales Verhalten, für Anerkennung des Leistungsprinzips und auch als Instrument der Lebenshilfe wichtig ist.
({5})
- Da sind wir uns alle einig; das kann man gut unterstreichen. Nur stellen wir fest: Das sind Bekenntnisse. Sie sind aber nicht bereit, mehr als bisher dafür zu tun.
({6})
- Zu der Frage komme ich gleich. Die interessante Frage ist: Woher sollen es die Kommunen nehmen? Sie fragen nur, woher der Bund es nehmen soll.
({7})
Sie sind mit der Verteilung der Lasten, so wie sie sich im Moment darstellt, hochzufrieden, weil von den Gesamtausgaben für den Sport nur drei Prozent auf den Bund entfallen.
Herr Kollege Scheelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Uelhoff?
Bitte.
Herr Kollege Scheelen, ist Ihnen entgangen, daß in den letzten Jahren bei den Haushaltsberatungen die Ansätze für den Sport von allen Fraktionen des Bundestages ausschließlich einvernehmlich im Haushaltsausschuß beschlossen worden sind und daß gerade in der Sportpolitik immer eine große Gemeinsamkeit im Rahmen der bescheidenen Zuständigkeiten des Bundes vorhanden war?
({0})
Herr Kollege Uelhoff, das ist mir natürlich nicht entgangen. Diese Tatsache spricht sich bis zu den Kommunen herum. Man spricht in den Kommunen schon von der sogenannten Sportfraktion. Darum geht es aber überhaupt nicht.
({0})
Es geht um die Frage, ob der Bund bereit ist, über das hinaus, was er jetzt leistet, mehr zu tun.
({1})
Das ist Gegenstand der Großen Anfrage; darum sitzen wir heute hier und diskutieren.
Sie haben in diesem 8. Sportbericht eine imposante Aufzählung über die Bedeutung des Sports gebracht. Aber ich sage noch einmal: Sie sind als Bund nicht bereit, mehr zu tun. Ganz im Gegenteil: Sie belasten diejenigen, die 97 Prozent der Ausgaben tragen, nämlich die Länder und insbesondere die Kommunen.
({2})
Dies ist die Folge - darüber haben wir gestern diskutiert - Ihrer außergewöhnlich angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Das ist der eigentliche Kernpunkt.
Ihre Politik, die Sie seit 14 Jahren betreiben, führt zu einer immens hohen Arbeitslosigkeit. Die Lasten der Arbeitslosigkeit wälzen Sie durch Kürzungen der entsprechenden Leistungen auf die Kommunen ab: durch Leistungskürzungen bei der Arbeitsförderung, durch Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosenunterstützung. Diese Menschen fallen aus den Förderprogrammen heraus und fallen den Kommunen als Sozialhilfeempfänger zur Last.
({3})
Sie sagen in der Antwort auf die Große Anfrage, daß der Vorwurf, der Bund verlagere die Kosten der Arbeitslosigkeit auf die Sozialhilfe - Sie haben das gerade wiederholt, Herr Kollege Feldmann; ich bitte um Nachsicht, daß ich nicht im Sportausschuß, sondern im Finanzausschuß tätig bin -,
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nicht zutrifft. Der entsprechende Satz in der Antwort lautet, dieser Vorwurf sei total verfehlt. Ich sage ganz deutlich, daß dies eine sehr kühne Behauptung ist.
Ich habe Ihnen dazu ein kleines Zitat mitgebracht. Ich hoffe, ich habe die Erlaubnis des Präsidenten, dies kurz zu verlesen. In einer Zeitungsmeldung aus meiner Heimatkommune Krefeld, am wunderschönen linken Niederrhein gelegen
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- nein, das ist nicht von unserer Presse, sondern von der anderen Presse - einer Meldung der „Westdeutschen Zeitung" vom 24. Dezember 1996, steht unter der Überschrift „Städte werden alleine gelassen" - da beklagt sich ein Krefelder Kommunalpolitiker -: „Die hohe Arbeitslosigkeit führe zu immer höheren Sozialhilfeausgaben, die von den Städten und Gemeinden getragen werden müßten". In diesem Zusammenhang schreibt er an den Bundeskanzler und mahnt eine kommunalfreundlichere Bundespolitik an. Es handelt sich um den Vorsitzenden der CDU- Ratsfraktion in Krefeld, den Kollegen Fabel. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
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- Er hat aber an den Bundeskanzler geschrieben, und ich habe Ihnen das verlesen, was er geschrieben hat. Sie müssen das so zur Kenntnis nehmen; Sie können ihn ja einmal anrufen.
Ich sage Ihnen noch ein anderes Zitat vom selben Kollegen. Er sagt, daß die Zahl der Sozialhilfeempfänger, bezogen auf Krefeld - Sie können die Zahl bundesweit hochrechnen -, von 1980 bis 1995 von 9 072 auf 14 876 gestiegen ist und daß das den kommunalen Haushalt mit 183 Millionen DM im Jahr belastet. Das macht knapp 15 Prozent des Verwaltungshaushaltes aus.
Sich dann hinzustellen und zu sagen, diese Behauptung sei doch wirklich etwas verfehlt, ist schon wirklich kühn.
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- Ja, „kühn" ist schon sehr moderat ausgedrückt. - Einen Moment bitte, Zettelwirtschaften sind ein Problem. Die Rede sollte eigentlich heute morgen geschrieben werden.
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- Die sollte dann aber bis 13 Uhr über die Bühne gehen. Dann kommt sie noch in die Nachrichten von morgen hinein. Noch hat er Zeit.
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- Herr Kollege Irmer, ich bemühe mich ja. Ich glaube nicht, daß Sie mir vorwerfen können, daß ich mich nicht bemühe, die Rede auch wirklich frei zu halten. Ich habe hier nur Stichworte, keine vorformulierte Rede. Deswegen werden die Saaldiener gleich von mir auch nichts für das Protokoll bekommen. Das müssen die Protokollanten alles selber machen.
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- Ich bitte die Damen und Herren Protokollführer um Nachsicht.
Ich komme zum zweiten Bereich. Sie verweisen auf das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz und das Arbeitsförderungs-Reformgesetz und behaupten, es seien alles nur Wohltaten, was Sie für die Langzeitarbeitslosen beschlossen hätten, und daß hiervon keinerlei negative Auswirkungen für die Kommunen zu erwarten seien. Der Städtetag hat Ihnen bescheinigt, daß allein durch das AFRG, das ArbeitsförderungsReformgesetz, eine Mehrbelastung in Höhe von 2 Milliarden DM auf die Kommunen zukommt.
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Ich frage Sie: Wo sollen die Kommunen das denn noch hernehmen?
Wenn vor 14 Tagen in Dortmund etwa 7 000 oder 8 000 Behinderte mit ihren Lehrern auf die Straße gingen und gegen dieses Gesetz protestierten, weil hier hinsichtlich der Integration Behinderter aus einer Soll-Bestimmung eine Kann-Bestimmung geworden ist - das heißt mit anderen Worten, daß die Arbeitsämter, weil sie die Mittel dafür gar nicht mehr haben, natürlich dann dort den Rotstift ansetzen werden -, dann kann ich nur fragen: Liegt das daran, daß Sie hier eine solche tolle Politik machen und die Menschen das nicht verstehen, oder liegt das vielleicht daran, daß Sie eine Politik machen, die die Menschen sehr gut verstehen, die deswegen auf die
Straße gehen und protestieren oder sogar als CDU-
Kollege an den Bundeskanzler einen Brief schreiben?
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Ich komme jetzt zur Frage der Pflichtaufgabe. Sie sagen, eine Pflichtaufgabe sei nicht nötig, weil insbesondere Gemeinden schon sehr viel freiwillig tun. Das ist völlig richtig. Die Kommunen leisten Sportförderung in Höhe von 5,5 Milliarden DM. Die Frage ist aber: Wie lange denn noch? In den Kommunen sind die Pflichtaufgaben insbesondere im Sozialbereich vorrangig zu bedienen. Ich habe sie gerade genannt. Hiervon kann sich keine Kommune freisprechen. Die Ausgaben müssen gemacht werden. Wenn aber eingespart werden muß - den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals; das wissen wir alle -, dann wird in den freiwilligen Bereichen eingespart. Das sind im wesentlichen Kultur und Sport.
Ich darf hier einmal meinen Kollegen Pützhofen zitieren, der der CDU/CSU-Fraktion angehört. Er hat am 13. September 1996 eine Rede gehalten und hat hier das rheinische Gerundium eingeführt. Er hat gesagt: Die Kommunen sind „am kaputt am gehen". Ich weiß nicht, ob sich der ein oder andere von Ihnen daran erinnert. Er hat völlig recht. Die Gemeinden sind „am kaputt am gehen". Das kann man nicht oft genug unterstreichen.
Jetzt kommen Sie daher und sagen: Ihre Politik führt nicht dazu, daß die Kommunen weiter belastet werden. Deswegen würden Sie dem Sport tatsächlich helfen, wenn Sie ihn zur Pflichtaufgabe machten, weil dann der Druck in den Kommunen, in diesem Bereich einzusparen, nicht mehr so hoch ist.
Ein gewisser finanzieller Druck in den Kommunen, den Ländern und im Bund ist oft hilfreich. Er ist insbesondere dann hilfreich, wenn man aus einer Situation des Überflusses heraus handeln kann. Diese Zeiten aber sind lange vorbei. Die Kommunen - ich sage das jetzt einmal aus Krefelder Sicht - haben insbesondere im Sportbereich alle Rationalisierungsreserven ausgeschöpft. Die Sporthallen und -plätze sind an die Vereine übertragen worden - eine gute Lösung, die Geld spart und motiviert. Irgendwann aber ist alles übertragen. Dann muß trotzdem weiter eingespart werden. Dann sind die Kommunen wirklich am Ende und erwarten Hilfe auch seitens des Bundes.
Ihre Redezeit!
Ja, meine Redezeit ist zu Ende; ich komme auch zum Schluß.
Ich darf begrüßen, daß der Parlamentarische Staatssekretär vorhin angedeutet hat, daß das Thema der Besteuerung der Übungsleiterpauschalen vom Tisch ist. Vielen Dank. Sie haben sich damit der Meinung von Rudolf Scharping angeschlossen; das finde ich ganz besonders gut.
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Er hatte sofort, nachdem der Vorschlag von Ihnen auf dem Tisch lag, gesagt: Das ist mit der SPD nicht zu machen. Um für Montag ein entsprechendes Klima zu bereiten, darf ich ausdrücklich begrüßen, daß das Thema vom Tisch ist. Im Interesse des Sports war das eine richtige Entscheidung.
Aber tun Sie mehr für den Sport, damit er nicht in Zukunft an Krücken gehen muß!
Vielen Dank.
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Ich gebe das
Wort dem Abgeordneten Klaus Riegert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohmann, Ihre Rede hat mich schon betroffen gemacht,
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weil ich Sie eigentlich so nicht eingeschätzt habe. Ich halte es für eine schlimme Entgleisung, daß Sie den Suizid eines jungen Menschen zu einer abstrusen parteipolitischen Interpretationskette zusammenführen.
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- Aber Ihre weitere Kette des Zitats war in meinen Augen parteipolitisch unterlegt. - Wir sollten uns in der Tat auch über immaterielle Gründe von solchem Tun unterhalten, aber nicht am Schluß noch die Bundesregierung unterschwellig für so etwas verantwortlich machen.
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Sehr geehrte Damen und Herren, der Bundesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien ist für die umfassende Beantwortung der Großen Anfrage der SPD zu Sportförderung und Sportsicherung besonders zu danken, vor allem deshalb, weil die Anfrage den falschen Adressaten hat. Sie hätte an die Landesregierungen und den Deutschen Städtetag gerichtet sein müssen. Dort liegen im wesentlichen die Zuständigkeiten für die Inhalte der Fragen.
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Dennoch: Die ausführliche Stellungnahme der Bundesregierung hilft der SPD vielleicht auf dem Weg der Orientierung, ihr Verhältnis zum Sport zu prüfen und zu klären. Nicht für alles sollte der Staat verantwortlich gemacht werden, und nicht alles sollte der Staat regeln.
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Dieses Staatsverständnis hat schon oft in die Irre geführt.
Unser föderales System regelt die Zuständigkeiten. Der Bund ist für die Fragen des Spitzensports, die Länder sind für die Aufgaben des Breiten-, Freizeit- und Schulsports zuständig. In seiner Zuständigkeit für den Spitzensport hat der Bund diesem trotz angespannter Haushaltslage auch 1997 die Mittel zur Verfügung gestellt, um deutschen Sportlerinnen und Sportlern gleiche Chancen für ein erfolgreiches Abschneiden im Vergleich mit den Sportlern anderer Länder zu geben.
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Es ist deshalb bezeichnend, daß der SPD hierzu keine Fragen eingefallen sind. Der Spitzensport sieht sich bei dieser Bundesregierung gut aufgehoben. Der Vorwurf der SPD, die Sozialgesetzgebung des Bundes sei für eine Reduzierung der Sportförderung von Ländern und Kommunen verantwortlich, ist geradezu absurd. Die Bundesregierung hat diesen Vorwurf begründet und entschieden zurückgewiesen.
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Wer sich weigert, sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung des Mißbrauchs sozialer Leistungen mitzutragen, der sollte nicht unbegründet über mangelnde Finanzkraft der Länder und Kommunen klagen. Wer im Bundesrat wichtige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung blockiert, der entzieht Ländern und Kommunen beträchtliche Gelder. Allein durch eine Zustimmung des Bundesrates zum Asylbewerberleistungsgesetz würde den Ländern und den Kommunen rund 1 Milliarde DM jährlich mehr zur Verfügung stehen.
Herr Kollege Scheelen, lassen Sie mich auch das noch einflechten: Wenn Sie sich statt an Polemik an Zahlen, Daten und Fakten hielten, dann würden Sie in die Staatskanzlei in Düsseldorf gehen, um diese Beschwerde vorzubringen. Die Sozialausgabensteigerung von 1990 bis 1993 kennen Sie; sie ist in der Tat enorm. Der Anteil des Bundes ist allerdings von 18,8 Prozent auf 20,8 Prozent, also um 2 Prozentpunkte, gestiegen.
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Der Anteil der Länder ist von 10,2 Prozent auf 9,7 Prozent, also um 0,5 Prozentpunkte, gefallen.
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Und in der Tat: Der Anteil der Kommunen ist von 8 Prozent auf 8,5 Prozent angewachsen. Es sollten schnellstens verstärkte Maßnahmen getroffen werden, um die mißbräuchliche Inanspruchnahme sozialer Leistungen zu verhindern. Kommunen und Länder könnten sich dadurch Milliardenbeträge ersparen.
Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht nicht um die rechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen, sondern um die mißbräuchliche derselben.
Lassen Sie mich zu den Entschließungsanträgen der SPD und der Grünen, die an die zuständigen
Ausschüsse überwiesen und dort beraten werden sollen, heute nur soviel sagen: Die durchgängige Botschaft beider Anträge lautet: Staat, Staat und nochmals Staat. Er soll für alles verantwortlich sein, auch - so grotesk es klingen mag - für den Erhalt sonstiger Freiflächen in den Kommunen. Dies soll die Bundesregierung unter anderem durch einen eigens dafür einzurichtenden „fairen runden Tisch" prüfen lassen. Dieser soll auch über Angebote sportlich-spielerischer Betätigung, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, befinden. Ich sage: Dies können doch keine Prüfungsaufträge an eine Bundesregierung sein
Der Präsident des Deutschen Sportbundes hat übrigens vor zwei Tagen die Initiative des Bundeskanzlers zum runden Tisch ausdrücklich gelobt. Ein solcher runder Tisch mache Sinn und gebe dem Sport einen Schub nach vorn.
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Hinsichtlich der im Entschließungsantrag erhobenen Forderung zur Stärkung der Ehrenamtlichkeit im Sport, zur Aufnahme der Sportmedizin in die Approbationsordnung, zur Sicherung der Belange des Sports in Europa und zur ergänzenden sozialwissenschaftlichen Forschung durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft sage ich: Da laufen Sie der Zeit schlichtweg hinterher.
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Wir sind schon wesentlich weiter. Wir werden die Opposition bei der Beratung in den Ausschüssen umfassend aufklären.
Die SPD fordert in ihrem Entschließungsantrag eine Vermarktungsabgabe. Dazu meine ich: Nicht der Staat ist gefragt, sondern die Solidarität des Sports ist gefordert. Beispiel: Fußball-Bundesliga. Dort findet Vermarktung statt, und öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen werden gegen geringe Entgelte genutzt. Zudem übernehmen die Kommunen und Länder in der Regel den Sanierungsaufwand für diese Sportstätten. Hier sollten die Kommunen und Länder nicht zögern, die Entgelte an den gestiegenen Gewinnen und Umsätzen zu orientieren.
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Sollten die Nutzer dieser Einrichtungen in Zukunft Pay-TV einführen und damit Steuerzahler und Sportfreunde von den Veranstaltungen ausschließen oder noch mehr zur Kasse bitten, haben die Kommunen und Länder Gelegenheit, hier einen Riegel vorzuschieben.
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Ich bin gespannt, wie sich Stadt- und Landesparlamente verhalten werden. Es wäre unverantwortlich, vom Breitensport für die Nutzung von Sportstätten Gebühren zu verlangen und gleichzeitig Vereine mit über 100 Millionen DM Umsatz so zu behandeln, als wären sie gemeinnützig.
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Spertförderung und Sportsicherung stehen in unserem Lande auf einem breiten, soliden Fundament. Bund, Länder und Kommunen fördern nach dem Subsidiaritätsprinzip den Sport mit über 7 Milliarden DM jährlich. Das sind Investitionen, die den Menschen durch den Bau und die Unterhaltung von Sportsiatten, durch die Qualifizierung und Ausbildung im Bereich des Sports, durch die Förderung internationaler Begegnungen und des Jugendaustausches und durch die Förderung der Sportwissenschaften usw. usw. direkt zugute kommen. Den Hauptanteil dieser Leistungen tragen dabei - es ist richtig, was Sie dazu ausführen - mit rund 5,5 Milliarden DM die Kommunen; 1,2 Milliarden DM entfallen auf die Länder und 340 Millionen DM auf d Bund. Dieser Zahlenvergleich zeigt, daß Sportförderung und Sportsicherung in erster Linie Sache der Länder und Kommunen sind.
Der Sportförderung und der Sportsicherung dienen des weiteren das Vereinsförderungsgesetz, die Anerkennung der Sportvereine als gemeinnützige Körperschaften.- die steuerfreie Übungsleiterpauschale, die dank unserer Aktivitäten nicht in das Streichprogramm aufgenommen wurde,
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und die Tatsache, daß über 2,5 Millionen ehrenamtlich tätige Mitarbeiter sich für den Sport freiwillig und unentgeltlich einsetzen.
Herr Kollege Berninger, Ihre Reden halte ich für sehr gefährlich. Sie erwecken nämlich immer den Eindruck, als sei die Politik für das Ehrenamt zuständig. Dem entgegne ich: Wir können die Stärkung des Ehrenamts nicht mit Haushaltstiteln und nicht mit Gesetzen oder Verordnungen hinbekommen. Ich rate Ihnen, in unserem Entschließungsantrag nachzulesen, welche verschiedenen Adressaten es gibt.
Was ich genannt habe, gehört zur Sportförderung und Sportsicherung im breitesten Sinne und zeigt, auf welch sicherem und solidem Fundament der Sport in Deutschland steht. Dafür gebührt allen Beteiligten unser Dank.
Über 26 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich in über 85 000 Sportvereinen des Deutschen Sportbundes organisiert, um Sport zu treiben, und dies mit steigender Tendenz.
Den Sportvereinen kommt im Bereich der Gesundheit, des Sozialen, der Bildung und der Freizeit eine besondere Bedeutung zu. Es ist unverkennbar, welch wichtige soziale Hilfe die Vereine bei der Integration verschiedener weltanschaulicher, politischer, religiöser und ethnischer Gruppen leisten.
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Dies erreichen wir nicht durch immer neue staatliche Reglementierungen und behördliche Regelungen, wie es die SPD immer wieder fordert, sondern durch die freie, eigenverantwortliche Mitarbeit und Mitgestaltung seitens unserer Bürgerinnen und Bürger.
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Den Sportvereinen stehen Sporteinrichtungen hoher Qualität für die Vielfalt des Sportes zur Verfügung. Allein in den alten Bundesländern sind dies über 52 000 Sportplätze, über 26 000 Sporthallen, rund 3 700 Hallenbäder und 2 400 Freibäder. Dies sind Zeichen aktiver Sportförderung und Sportsicherung. Ein solch dichtes Netz vielfältiger und qualitativ guter Sporteinrichtungen gibt es in keinem unserer Nachbarländer.
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Richtig ist, daß bei knapper werdenden Mitteln ein im Laufe der Jahrzehnte gewachsenes Anspruchsdenken nicht mehr im bisherigen Umfang befriedigt werden kann. Darauf müssen wir uns auch in anderen Lebensbereichen einstellen. Gefragt sind nicht Klagen und Forderungen; vielmehr sollte dies als Chance zum Umdenken ergriffen und genutzt werden. Mehr Eigeninitiative, stärkere Eigenverantwortung und höhere Innovationsfähigkeit sind erforderlich. Dies bedeutet nicht den Rückzug öffentlicher Förderung, aber Qualität und Standard der jetzigen Sporteinrichtungen sind nur durch Beteiligung der Nutzer zu sichern.
Herr Riegert, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich dachte, ich habe
15 Minuten.
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Herr Präsident, gestatten Sie mir noch zwei kurze Anmerkungen. Ich hätte gern noch über den Schulsport, über den Sportunterricht, über die Qualität des Sportunterrichts und über die Verantwortung der Eltern gesprochen. Es wäre auch sehr reizvoll gewesen, das Beispiel Sachsen an Hand des Saarlandes gegenzuprüfen. Im Saarland werden pro Kopf der Bevölkerung 6 DM und in Niedersachsen 6,50 DM pro Jahr gegenüber 22 DM in Sachsen und 24 DM in Baden-Württemberg pro Jahr für die Sportförderung ausgegeben. Da sitzt die SPD im Glashaus und sollte nicht mit Steinen werfen, mit denen sie die eigenen Leute trifft.
Die Länder haben auch Einsparpotentiale und - möglichkeiten. Wir brauchen keine 16 Lottogesellschaften mit 16 Direktoren und aufwendigen Verwaltungsapparaten.
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Wir brauchen keine 16 Rechenzentren und 16 Ersatzrechenzentren. Wir brauchen dafür keine
16 Marketingkonzepte. Wir brauchen weniger Versorgung von Personen und weniger Spielwiesen für Länderminister, weniger Aufwand, weniger Verwaltung - dafür aber mehr Geld für den Sport aus diesen Einrichtungen.
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Es bleibt festzustellen: Der Sport ist in unserem Lande weder materiell noch ideell gefährdet. Der Staat hat gute Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen. Vereinzelte Klagen täuschen
darüber nicht hinweg. Unsere Bürgerinnen und Bürger sind die besten Garanten für eine sinnvolle und anspruchsvolle Sportförderung und Sportsicherung in unserem Lande. Ihr Verlangen nach sportlicher Betätigung wird der Staat wie bisher in vollem Umfang nach dem Prinzip der Subsidiarität fördern und unterstützen. Dabei werden die Eigenverantwortung und die Eigeninitiative der Sporttreibenden in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.
Danke schön.
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Ich schließe damit die Aussprache.
Es ist beantragt worden, die Entschließungsanträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf den Drucksachen 13/6964 und 13/6987 zur federführenden Beratung an den Sportausschuß zu überweisen, zur Mitberatung an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, an den Ausschuß für Gesundheit und an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. - Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. Februar 1997, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.