Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/4/1996

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat sich in der heutigen Kabinettssitzung mit aktuellen Fragen der Europapolitik, insbesondere mit den Vorbereitungen der Tagung des Europäischen Rates am 13. und 14. Dezember 1996 in Dublin, befaßt. Da der Herr Bundeskanzler zu diesem Thema in der nächsten Woche eine Regierungserklärung abgeben wird, wird heute dazu nicht besonders berichtet. Wir haben also heute die Möglichkeit, die gesamte für die Regierungsbefragung vorgesehene Zeit für Fragen zu anderen Themen zu verwenden, die Sie frei stellen können. Darum treten wir in die freie Befragung ein. Ich bitte um Fragen. - Bitte schön.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die 100 Milliarden DM Bruttoentlastung, die sie im Rahmen der sogenannten großen Einkommensteuerreform medienwirksam angekündigt hat, zu einem Drittel durch Einsparungen bei den Haushalten, zu einem Drittel über den Abbau von Steuervergünstigungen und zum letzten Drittel durch die Anhebung der indirekten Steuern finanziert werden sollen?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wer will für die Bundesregierung antworten? - Herr Minister Bohl.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Kollegin, Sie wissen sicherlich, daß die Bundesregierung eine Kommission unter dem Vorsitz des Bundesfinanzministers eingesetzt hat. Diese Kommission arbeitet derzeit. Wir gehen davon aus, daß der Bericht der Kommission Mitte des Monats vorliegt. Danach sind Beurteilungen und Bewertungen möglich. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihre Zahlen, die Sie sicherlich in der Presse und sonstwo gelesen haben, weder bestätigen noch dementieren.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wollen Sie eine weitere Frage stellen?

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte schön.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Da Sie gerade darauf aufmerksam gemacht haben, daß die Kommission arbeitet, gehe ich davon aus, daß die Kommission auch die notwendigen Datengrundlagen zur Verfügung hat, um im Zusammenhang mit einer neuen Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer das, was die einzelnen Bereiche des Steuervergünstigungs- und Subventionsabbaus betrifft, quantifizieren zu können. Können Sie mir in diesem Zusammenhang erklären, warum die Bundesregierung nicht in der Lage ist, die drei Kleinen Anfragen, in denen die Grünen nach genau diesen Daten gefragt haben, zu beantworten, obwohl das doch im Prinzip genau die Datengrundlage ist, die Sie auch zur Verfügung haben müßten?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Minister.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Alle Daten, die im Bereich der Bundesregierung für die Arbeit der Steuerreformkommission vorhanden sind und die für die Beratungen notwendig sind, sind zur Verfügung gestellt worden. Insofern leidet die Kommission nicht unter Datenmangel. Es ist uns bisher auch noch keine diesbezügliche Beschwerde vorgetragen worden. Was die Beantwortung von drei Kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angeht, kann ich nur sagen, daß dieser Sachverhalt im Ältestenrat des Bundestages in der letzten Woche behandelt wurde. Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, Anfragen einer solchen Form und eines solchen Ausmaßes zu beantworten, die in extremer Weise detailliert sind und die quantitativ einen Umfang haben, der sicherlich Erhebungen über Wochen, um nicht zu sagen über Monate im Bereich nicht nur der Bundesfinanzverwaltung, sondern auch der einzelnen Landesfinanzverwaltungen erfordern würde. Jeder, der sich diese Fragen angeschaut hat und der insbesondere die drei Kleinen Anfragen auch gewogen hat, wird unschwer zu dem Ergebnis kommen, daß so etwas weder sinnvoll noch geboten ist.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Nachfrage? - Bitte schön.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie ist es denn dann bitte möglich, daß Sie sagen, nächste Woche solle von dieser Kommission ein Entwurf, das heißt die Rahmendaten vorgelegt werden, wobei ich davon ausgehe, daß richtig gerechnet wird und daß nicht nur mit irgendwelchen vagen Überlegungen, die Pi mal Daumen grob geschätzt werden, an die Öffentlichkeit gegangen wird? Wie können Sie dann erklären, daß die Fragen, die wir gestellt haben, die sich auf die Bemessungsgrundlage beziehen, über Länder- und über andere Finanzbehörden eventuell erst noch abgerufen werden müssen? Das heißt doch in der Konsequenz, daß Ihr Modell auf sehr, sehr tönernen Füßen steht. Das heißt auch, daß Sie anscheinend nicht in der Lage sind, nächste Woche der Öffentlichkeit ein gut durchgerechnetes Modell mit Hintergrund vorzulegen.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Frau Kollegin, das sehe ich keineswegs so; denn die Überlegungen und Empfehlungen der Steuerreformkommission erfolgen auf solider Grundlage. Sie brauchen keine Sorge zu haben. Es ist eine sehr seriöse Berechnung. Wenn Sie anderer Meinung sein sollten, dann freuen Sie sich doch, daß Sie ein Argument für die nächste Diskussionsrunde haben, indem Sie dies der Regierung vorwerfen können.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das heißt, Sie haben die Daten nicht?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Doch, wir haben sie.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann können Sie sie uns auch zur Verfügung stellen, oder?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Wir haben die Daten, die wir für unsere Arbeit brauchen. Aber wir haben nicht die Absicht, die Fragen, die Sie in der von mir schon klassifizierten Form in den drei Kleinen Anfragen vorgetragen haben, mit einem erheblichen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand zu beantworten.

Christine Scheel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002771, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr seltsam!

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, ich glaube, die Frage ist beantwortet worden, wenn auch nicht ganz zu Ihrem Vergnügen. Als nächster der Kollege Metzger.

Oswald Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich frage die Bundesregierung von einer anderen Warte aus. Haushaltspolitisch ist die Finanzsituation bekannt. Wie stellen Sie sich zu der Aussage, daß im Jahr 1998 der Solidaritätszuschlag nach Auffassung eines Koalitionspartners um zwei Prozentpunkte abgesenkt werden soll, auf der anderen Seite im Rahmen der großen Einkommensteuerreform 30 Milliarden DM Nettoentlastung für die Bevölkerung gegeben werden sollen und etwa 30 Milliarden DM Unterdeckung durch 2 Prozent Mehrwertsteuererhöhung abgedeckt werden sollen, die im Gespräch sind? Im Klartext heißt das ja: Mehrwertsteuererhöhung für die breite Masse der Bevölkerung bei gleichzeitiger Absenkung des Solidaritätszuschlags in Zeiten, in denen der Staat ohnehin keine Finanzmasse hat.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Minister Bohl, bitte.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Metzger, Sie sind ja als sehr sachkundiger Streiter in diesem Hause bekannt und haben sicherlich die Eckpunkte, die bei dieser Diskussion zu beachten sind, zutreffend, wahrscheinlich sogar enumerativ erschöpfend aufgezählt. Es ist in der Tat die politische Leistung, die diese Koalition zu vollbringen hat, unter Beachtung dieser Eckpunkte die richtige Entscheidung zu treffen. Das werden wir nächste Woche tun.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Metzger, wollen Sie eine Nachfrage stellen? - Bitte.

Oswald Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Nachfrage zielt in die Richtung, daß Sie meiner Kollegin soeben gesagt haben, Sie hätten in der nächsten Woche als Ergebnis Ihrer Berechnungen das Zahlenmaterial für die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage; denn Sie müssen ja fiskalisch berechnen können, welche Steuervergünstigungen welche Steuerausfälle bedeuten. Und wenn Sie das Zahlenmaterial haben, dann frage ich Sie jetzt noch einmal deutlich: Warum hat die Regierung bei dieser Aufgabe, wo es um reines Datenmaterial geht, die Chuzpe, nicht auch der Opposition, die genauso wie Sie an Einkommensteuerkonzepten arbeitet, dieses objektive Datenmaterial über die Auswirkungen von bestimmten Steuervergünstigungen auf das Steueraufkommen des Staates zur Verfügung zu stellen? Nichts anderes begehren unsere Kleinen Anfragen.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Metzger, als jemand, der im Steuerrecht natürlich nicht so zu Hause ist wie Sie, kann ich Ihnen nur antworten, daß die Mitglieder der Steuerreformkommission - dies sind nicht nur Politiker, Vertreter der Koalition, sondern auch Sachverständige, also Männer und Frauen, die auf Grund ihres Berufes mit dieser Thematik besonders vertraut sind - das Datenmaterial, das der Reformkommission vorliegt, bisher für völlig ausreichend erachtet haben. Ich gehe davon aus, daß Ihnen im nächsten Jahr im Ausschuß bzw. im Plenum des Bundestages das Material, das der Reformkommission vorgelegen hat, für die politische Diskussion, die über die Empfehlungen der Steuerreformkommission einsetzen wird, selbstverständlich zur Kenntnis gebracht wird. Daran habe ich gar keinen Zweifel. Das versteht sich vernünftigerweise von selbst. Etwas anderes ist die Frage, ob wir die Beantwortung Ihrer sehr detaillierten, umfangreichen Fragen übernehmen müssen, die etwas Zusätzliches, um nicht zu sagen ein Aliud darstellen. Die Prüfung der Bundesregierung ergab, daß dieser Datenaufwand, den Sie begehren, in keinem Verhältnis zu dem steht, was zu veranlassen notwendig wäre.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Metzger, noch eine Frage? - Bitte.

Oswald Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine letzte Nachfrage zu diesem Themenkomplex: Wie verhält es sich dann damit, daß bei der Kreuther Tagung der Steuerreformkommission durch Mitglieder dieser Arbeitsgruppe, die der Koalition angehören, festgestellt wurde, daß die in Rede stehende Kilometerpauschale von 20 Pfennig - also eine Entfernungspauschale, nicht das bisherige Kilometergeld - im Durchschnitt nicht ausreichen würde, um die Kosten für die Nutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels für den Weg zur Arbeit abzudecken, und daß deshalb weitere Nachberechnungen des Finanzministers erforderlich sind? Daraus entnehme ich wiederum, daß Sie sehr wohl eine Fülle von Datenmaterial im BMF berechnen lassen müssen, weil Sie ansonsten diese gesamte Reform nicht durchführen können, die quer durch alle Einkommensgruppen Verlierer und Gewinner aufweisen wird, da es den Steuerzahler nach Einkommensgruppe schlechthin nicht gibt. Ich frage Sie also, wie Sie auf die Idee kommen, uns vorzuhalten, daß wir als Opposition Ihnen zu schwierige Hausaufgaben stellen.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Metzger, rein nach den Denkgesetzen ist Ihre Frage eine Bestätigung meiner Vermutung. Ganz offensichtlich haben Sie weitergehende Fragen gestellt und Daten erbeten, als bisher in der Steuerreformkommission zu diesem Detailpunkt behandelt worden sind. Denn sonst wäre es nicht erklärlich, daß zusätzliches Datenmaterial zum Thema Kilometerpauschale angefordert worden ist. Gerade das macht also deutlich, daß das, was Sie fragen, und das, was bisher an Daten vorgelegen hat, nicht unbedingt absolut deckungsgleich sein muß. Vor diesem Hintergrund bestätigen Sie mit Ihrer Frage das, was ich gesagt habe. Wenn aber die Steuerreformkommission meint, zusätzliches Datenmaterial zu brauchen, dann muß sie es haben. Denn sonst kann sie ihre Arbeit nicht erledigen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich als nächsten Fragesteller den Kollegen Schwanitz auf.

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Bundesjustizminister hat Anfang dieser Woche in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unter seinem Namen einen Artikel veröffentlicht, in dem er die jetzige rechtliche Regelung hinsichtlich der Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone generell kritisierte und gesetzgeberischen Handlungsbedarf anmeldete. Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob diese Meinungsäußerung Gegenstand der Kabinettsberatung war und wie das Kabinett diese Äußerungen inhaltlich beurteilt.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Es ist richtig, daß Herr Kollege Schmidt-Jortzig diesen Artikel, von dem Sie gesprochen haben, im Laufe dieser Woche in der FAZ publiziert hat. Die Bundesregierung hat sich in der heutigen Sitzung nicht damit befaßt. Ich habe aber vorher mit Herrn Kollegen Schmidt-Jortzig über dieses Thema gesprochen. Die Bundesregierung ist sich darin einig - ich werde jetzt mehrere Punkte aufzählen -, daß erstens die rechtliche Wirksamkeit der Enteignungen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949 eine Bedingung der Regierungen der damaligen DDR und der damaligen Sowjetunion für die Wiedervereinigung Deutschlands war und daß dies seinen Niederschlag in den verschiedenen Bestimmungen insbesondere des Einigungsvertrages, des Vermögengesetzes usw. gefunden hat. Zweitens. Diese rechtlichen Regelungen hatten bei der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht Bestand: Im Jahre 1991, aber auch in diesem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht die von mir nur anskizzierten rechtlichen Regelungen als verfassungsgemäß bezeichnet. Drittens. Die Bundesregierung und auch die Regierungskoalition haben sich gerade im Zusammenhang mit dem Entschädigungs- und Lastenausgleichsleistungsgesetz durchaus bemüht, Regelungen zu finden, die auch die Alteigentümer in die Lage versetzen, wieder zu Grund und Boden zu kommen, wie das nach unserer Auffassung von Recht und auf Grund der rechtlichen Möglichkeiten geboten war. Es ist auch wahr, daß die Vorschläge der Regierungskoalition im Bundesrat nicht ungeteilte Zustimmung gefunden haben, sondern zum Teil zurückgewiesen wurde. Vor diesem Hintergrund sind gesetzgeberische Initiativen in diesem Bereich ohne Aussicht auf Erfolg und würden auch nur Hoffnungen wecken, die nicht erfüllt werden können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Schwanitz, eine Nachfrage? - Bitte.

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich begrüße es ausdrücklich, daß die Bundesregierung hier keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht. Ich möchte denRolf Schwanitz noch nachfragen, ob die Bundesregierung Konsequenzen aus der nun offenkundigen Tatsache zieht, daß der Bundesjustizminister in einer für den deutschen Einigungsprozeß fundamentalen Frage, die aus der Gemeinsamen Erklärung, aus dem Einigungsvertrag, aus dem Vermögensgesetz und aus anderem mehr erwächst - die durch die Bundesregierung inhaltlich bestimmt und entscheidend mitgeprägt worden ist und für die der Bundesjustizminister bis zum jetzigen Tage ressortmäßig zuständig ist -, offensichtlich nicht die Auffassung der Bundesregierung vertritt.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Schwanitz, es ist durchaus üblich, daß sich Regierungsmitglieder auch zu politischen Sachverhalten, die nicht in der strengen Federführung ihrer Ressorts liegen, äußern. Daran ist gar nichts zu kritisieren. Das geht in Ordnung, solange die Politik der Bundesregierung oder eine Richtlinienentscheidung des Bundeskanzlers nicht tangiert wird. Ich habe den Artikel des Kollegen Schmidt-Jortzig so verstanden, daß dort die Probleme, die er sieht, skizziert und angerissen wurden. Ich habe Ihnen die Position der Bundesregierung beschrieben und gesagt, daß die Bundesregierung in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf sieht. Wahr ist dennoch, daß wir zum Beispiel wegen der Rehabilitierungsbescheide Rußlands in diesem Jahr prüfen müssen, inwieweit diese Rehabilitierungen dazu führen, daß bei den Vermögensämtern Entscheidungen - und gegebenenfalls in welchem Umfang - notwendig werden. Auf der anderen Seite ist es nicht so, daß dieses Thema nicht relevant und daher völlig unbeachtenswert wäre. Es wird uns sicherlich noch eine Weile begleiten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Frage? - Bitte schön.

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da ich davon ausgehe, daß es sich bei der Meinungsäußerung von Herrn Schmidt-Jortzig vom Montag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nicht um eine private Meinungsäußerung handelte - Herr Bohl, Sie wissen sehr gut, daß bereits im Titel dieses Artikels die Amtsbezeichnung „Bundesjustizminister" dem Namen des Ministers vorangestellt worden ist -, möchte ich Sie fragen, ob ich Sie richtig verstanden habe, daß das Bundeskabinett den Bundesjustizminister in dieser Frage zurechtgewiesen hat.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Nein, ich hatte ausdrücklich gesagt, daß dieses Thema heute in der Kabinettssitzung nicht behandelt worden ist. Auf der anderen Seite habe ich Ihnen mitgeteilt, daß die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf in dieser Frage sieht, mit der Einschränkung, daß vielleicht im einzelnen, zum Beispiel durch die Rehabilitierungsbescheide Rußlands, politische und rechtliche Entscheidungen geboten sind. Aber in der Kernfrage, die Sie hier ansprechen, wird kein Handlungsbedarf gesehen. Vor diesem Hintergrund bestand für solche Erklärungen, wie Sie sie in Ihrer Frage andeuten, keine Veranlassung.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Als nächsten Fragesteller rufe ich den Abgeordneten Jüttemann auf.

Gerhard Jüttemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002693, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die Deutsche Post AG hat in ihrem der Bundesregierung vorgelegten Filialkonzept den Erhalt von 6 000 posteigenen Filialen bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus von 5 000 posteigenen Filialen zugesagt. Gleichzeitig gibt es zur Umwandlung von Postfilialen in Agenturen jedoch die postinterne Anweisung vom 13. September 1996, in der es heißt: Es ist davon auszugehen, daß Filialen mit einer festgestellten aktuellen Kundenbedienzeit von unter 25 Wochenstunden grundsätzlich umzuwandeln sind. Am Montag hat nun der Regulierungsrat der Portoerhöhung unter der Maßgabe zugestimmt, daß posteigene Filialen mit einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von mehr als 5,5 Stunden erhalten werden müssen. Herr Bury hat dazu erklärt, damit seien die von der SPD geforderten wesentlichen Verbesserungen für eine flächendeckende Postversorgung festgeschrieben worden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Jüttemann, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen. Wir kommen in Zeitnot. Stellen Sie doch Ihre Frage; der Hintergrund ist ja einigermaßen deutlich geworden.

Gerhard Jüttemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002693, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Okay. - Ich weiß nur: Die Zahlen der Postfilialen haben sich nicht geändert. Deswegen frage ich die Bundesregierung: Werden durch die neue Bemessungsgrundlage, daß Filialen nur geschlossen werden dürfen, wenn sie eine Grundarbeitszeit von unter 5,5 Wochenstunden aufweisen, tatsächlich über die im Filialkonzept vorgelegten Zahlen Postfilialen erhalten? Wenn ja: Wie viele werden das sein? Wenn nein: Worin besteht dann die angeblich erreichte Verbesserung der flächendeckenden Postversorgung?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Minister Bötsch.

Dr. Wolfgang Bötsch (Minister:in)

Politiker ID: 11000228

Herr Kollege Jüttemann, der Regulierungsrat hat am Montag meine Genehmigung der neuen Tarife gebilligt, und zwar nicht unter einer Maßgabe, sondern er hat dazu einen eigenen Beschluß gefaßt. Zweitens. Im Vorfeld dieses Genehmigungsbeschlusses wurde ein Antrag zum Filialkonzept verabschiedet, der im wesentlichen die von der Post AG vorgelegte Konzeption gebilligt hat. Es ist also keine Vorgabe, die die Bundesregierung gemacht hat, oder ein Filialkonzept der Bundesregierung, sondern die Post AG hat auf Nachfrage erklärt, daß die von Ihnen genannten Zahlen Mindestzahlen sind, die in jedem Fall garantiert werden. Drittens. Bei der Frage der Bemessung mit 5,5 Stunden wurde im Laufe der Diskussion insofern eine Verbesserung erreicht, als bei den 5,5 Stunden nicht nur reine, klassische postalische Leistungen zugrunde gelegt werden, sondern auch die Leistungen, die möglicherweise dadurch entstehen, daß die Post AG in ihren posteigenen Filialen postfremde Produkte anbietet, was ihr jetzt als Aktiengesellschaft möglich ist, wodurch gegebenenfalls die Mindestzahl von 6 000 bzw. 12 000 und 5 000 bzw. 10 000 Filialen nicht unbedingt erreicht wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, haben Sie noch eine Frage dazu? - Wir haben noch zehn Minuten insgesamt; je kürzer Sie fragen, desto mehr Fragen können beantwortet werden.

Gerhard Jüttemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002693, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich werde mich kurz fassen. - Brauchte die Deutsche Post AG die Portoerhöhung, um in Zukunft den Spielraum zu haben, den Großkunden Rabatte anbieten zu können, die der Bürger dann über höhere Preise tragen muß?

Dr. Wolfgang Bötsch (Minister:in)

Politiker ID: 11000228

Der Regulierungsrat hat in seiner Sitzung die Möglichkeit eingeräumt, einen 12prozentigen Rabatt bei entsprechender Kostensenkung, das heißt auch bei Leistungen, die die Kunden im Vorfeld etwa der Einlieferung erbringen, zu gewähren. Der Regulierungsrat war der Auffassung, daß der Post AG die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, noch weitergehende Rabatte - es sind 17 Prozent im Gespräch - zu gewähren. Für den Fall, daß die Post AG einen solchen Antrag einbringt, habe ich zugesagt, diesen bis zur nächsten Sitzung des Regulierungsrates, die am 27. Januar stattfindet, wohlwollend zu prüfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. - Dann rufe ich als nächsten Fragesteller den Abgeordneten Such auf.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich frage die Bundesregierung: Bezüglich des sogenannten RAF-Aussteigerprogrammes gibt es in den Medien widersprüchliche Meinungen über seine Fortsetzung. Ist damit zu rechnen, daß dieses Programm fortgesetzt wird? Und falls Sie sagen „Es wird zu einem späteren Zeitpunkt darüber entschieden", wovon ist dies abhängig? Hat die Gestellung des mutmaßlichen RAF-Terroristen Seidler Einfluß auf diese Entscheidung?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Parlamentarischer Staatssekretär Lintner steht zur Verfügung. Bitte schön.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Such, in der Tat untersucht die Bundesregierung derzeit, ob dieses Programm beibehalten werden soll oder nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die dafür sprechen. Möglicherweise gibt es aber auch Argumente, die dagegen anzuführen sind. Diese werden nun gegeneinander abgewogen. Natürlich spielen dabei die aktuellen Fälle, unter anderem auch der Fall Seidler, eine Rolle; er wird bewertet. Im Lichte dieser ganzen Argumentation wird demnächst entschieden. Ich kann Ihnen jetzt keine zeitliche Perspektive nennen. Es trifft aber nicht zu, was in den Zeitungen zu lesen war, daß darüber schon im Sinne eines Abbruchs entschieden worden sei.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. - Als nächsten Fragesteller rufe ich den Kollegen Gansel auf.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über die hochbezahlte Nebentätigkeit eines hohen hessischen Richters ist bekanntgeworden - was wir eigentlich alle wissen müßten -, daß schon im Jahre 1993 der Petitionsausschuß mit Beschluß eine Petition an die Bundesregierung weitergereicht hat, festzulegen, daß richterliche Nebentätigkeiten nur noch zulässig sein sollen für wissenschaftliche Arbeit und für gesetzlich vorgeschriebene Schiedsrichtertätigkeit, nicht aber für längere Tätigkeiten als Gutachter für ein einziges oder mehrere Wirtschaftsunternehmen und auch nicht in anderen Fällen, die zu Interessenkollisionen führen können. Ich möchte deshalb die Bundesregierung fragen, ob, nachdem einzelne Regierungsmitglieder die Vorgänge in Hessen kommentiert haben, die Bundesregierung nun erwägt, gesetzgeberisch initiativ zu werden, um die Nebentätigkeit von Richtern zu kontrollieren, zu reduzieren, möglicherweise in einem bestimmten Umfang auch zu verbieten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Parlamentarischer Staatssekretär Funke, bitte schön.

Rainer Funke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000624

Herr Kollege Gansel, wir haben uns in der Tat schon 1993 mit diesen Fragen beschäftigt, im übrigen an Hand von Tätigkeiten, die denselben Richter betreffen. Wir haben damals im Petitionsausschuß intensiv darüber diskutiert. Es gab eine ganze Reihe von beachtlichen Gründen, eine Änderung nicht vorzunehmen, zum einen deswegen, weil die Nebentätigkeiten zunächst in den Ländern zu regeln sind. Das gilt im übrigen auch für den Fall dieses Richters in Hessen. Die Bundesregierung hat zuständigkeitshalber nur die obersten Bundesgerichte - ich sage es einmal in Anführungszeichen -, zu betreuen. Die Nebentätigkeitsregelungen der Länder sind unterschiedlich, führen aber dazu, daß übermäßige Nebentätigkeiten von vornherein verboten sind. InParl. Staatssekretär Rainer Funke soweit bestand wenigstens in den letzten Jahren kein Bedarf. Wir werden an Hand der Vorfälle noch einmal überprüfen, ob und inwieweit die Nebentätigkeitsregelungen neu zu fassen sind.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Frage dazu?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Interpretiere ich Sie richtig, wenn ich sage, daß auf Grund der neueren öffentlichen Diskussion, die dem Ruf der Unabhängigkeit der Justiz sicherlich geschadet hat, und im Hinblick auf den seinerzeitigen Beschluß des Petitionsausschusses die Bundesregierung jetzt ernsthaft erwägt, gegebenenfalls die Nebentätigkeitsverordnung zu ändern oder gesetzlich initiativ zu werden? Denn es gibt ja auch bei den obersten Bundesgerichten - nicht zuletzt beim Bundesgerichtshof, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Holzschutzmittelprozeß - durchaus ernsthafte Befürchtungen, daß, wenn jemand gleichzeitig im Gericht und als „Gutachter" oder als Vortragender für bestimmte Unternehmen tätig ist, eine Interessenkollision herbeigeführt wird.

Rainer Funke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000624

Herr Kollege Gansel, das klingt sehr gut, was Sie sagen. ({0}) Aber es gibt eine Reihe von gesetzlichen Festlegungen, zum Beispiel im Betriebsverfassungsgesetz, in dem ausdrücklich steht, daß Arbeitsrichter die Einigungsstellen leiten müssen. ({1}) Sehen Sie, es gibt durchaus Arbeitsrichter, die ihr Taschengeld eher vom Staat bekommen. Das muß man ja auch sehen. Man muß ebenfalls sehen, daß wissenschaftliche Arbeiten, zum Beispiel bei der Bearbeitung von Kommentaren und ähnlichem, durchaus auch von der Regierung gewünscht werden. Im übrigen muß man bedenken, daß auch Richter über Freizeit verfügen und einen Anspruch darauf haben, während ihrer Freizeit Tätigkeiten nachzugehen, die gegebenenfalls bezahlt werden, genauso wie jeder andere, der einen Beruf ausübt, dies tun kann. Wir müssen also an Hand der grundgesetzlich verbürgten Freiheiten abwägen, und wir müssen ebenfalls abwägen: Kann unter Umständen ein Schaden für die Justiz - Sie haben das eben selber erwähnt - entstehen? Zwischen dieser Scylla und Charybdis müssen wir durch und müssen versuchen, eine Lösung zu finden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Als nächsten Fragesteller rufe ich den Kollegen Metzger auf.

Oswald Metzger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich habe Fragen an die Bundesregierung in Sachen Lufthansaprivatisierung. Mich interessiert erstens, welche Mittel erlöst werden, wenn das Platzhaltermodell greift, wenn also die Kreditanstalt für Wiederaufbau als bundeseigene Bank die Aktien übernimmt und damit die Restprivatisierung durchführt. Zum zweiten: Wie stellt sich die Bundesregierung dazu, daß Leute, die vom Aktiengeschäft Bescheid wissen, sagen, daß dann, wenn die Lufthansa die Privatisierungsauflagen der EU erfüllen soll, 50,1 Prozent der künftigen Anteilseigner in jedem Fall Deutsche sein müssen, weil sonst die Landerechte verlorengehen? Eine solche Namensaktienausgabe würde dazu führen, daß die Aktien zu geringeren Preisen gehandelt und nur Erlöse erzielt würden, die bis zu 20 Prozent unter dem Marktpreis lägen. Um das gleich als Paket zu schnüren, füge ich eine dritte Frage an: Führt diese Lösung dazu, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbau einen „echten" Preis für die Lufthansaaktien zahlt und daß dann, wenn die KfW im nächsten Jahr tatsächlich endgültig privatisiert wird, die sich wegen der schlechteren Ertragserlöse für Namensaktien ergebenden Verluste von etwa 20 Prozent - bei 3 Milliarden DM wären das 600 Millionen DM - bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau verbleiben?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Darf ich fragen, wer für die Regierung antworten will? - Niemand. ({0}) Dann muß Minister Bohl antworten. ({1})

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Die Regierung kommt nie in Verlegenheit. Es handelt sich um derart detaillierte Fragen - Kollege Metzger ist ja für seinen Kenntnisreichtum bekannt -, daß ich Sie um Nachsicht bitten muß, wenn wir uns erlauben, diese Fragen schriftlich zu beantworten. Es wird Sie einer der Staatssekretäre des Finanzministeriums anrufen. Ich kann nur sagen, daß wir die mit dem Platzhaltermodell zusammenhängenden Fragen sorgsam prüfen, weil wir sehr wohl die Auswirkungen im Blick auf Maastricht bedenken. Das Platzhaltermodell kostet, wie Sie sehr viel besser als ich wissen, zusätzlich Geld. Das muß alles abgewogen und bedacht werden. Dieser Entscheidungsprozeß ist nach meiner Kenntnis noch nicht ganz abgeschlossen. Aber soweit wir Sie informieren können, wird das heute nachmittag telefonisch geschehen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Meine verehrten Kollegen, damit ist die Zeit, die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehen ist, abgelaufen. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde ({0}) - Drucksachen 13/6355, 13/6377 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Wir beginnen nach der Beantwortung der Dringlichen Fragen mit der Beantwortung der Fragen 36 und 37. Die Fragen 38 und 39 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Anschließend kommen wir zur Frage 56 aus dem Bereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe also zunächst die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten Beck auf: Inwieweit treffen aktuelle Pressemeldungen zu ({1}), wonach sich der Staatsminister im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer im Frühjahr 1996 unter Mitwirkung des Privatagenten Werner Mauss um die Freilassung dreier in Kolumbien entführter argentinischer Mitarbeiter der argentinischen Stahlfirma Techint bemüht habe, welche intensive Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen Mannesmann Demag unterhält, und daß Staatsminister Bernd Schmidbauer Techint zu diesem Zweck die Zahlung von 3,5 Millionen US-Dollar Lösegeld einschließlich einer Provision für Werner Mauss vorgeschlagen habe, und in Verfolgung welcher außenpolitischen Anliegen der Bundesrepublik Deutschland sah sich Staatsminister Bernd Schmidbauer zu dieser Initiative veranlaßt? Bitte schön, Herr Staatsminister Schmidbauer.

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Herr Kollege Beck, die in Ihrer Frage liegende Behauptung, ich hätte die Zahlung eines Lösegelds vorgeschlagen, trifft nicht zu. Richtig ist, daß ich im Frühjahr 1996 von argentinischen Regierungsstellen über die Entführung von drei Ingenieuren der argentinischen Firma Techint in Kolumbien informiert wurde. In anschließenden Gesprächen mit argentinischen Regierungsstellen und der betroffenen Firma habe ich nach Lösungen zur Freilassung der Ingenieure gesucht. Dabei spielte auch die schwere Krankheit eines der Entführten eine Rolle. Anschließend haben zwischen Techint und Herrn Mauss bilaterale Gespräche stattgefunden. Nach meiner Kenntnis wurde Herr Mauss dabei gebeten, eine Freilassung der Ingenieure auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Die Bemühungen konnten im Juni 1996 erfolgreich abgeschlossen werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Beck? - Bitte schön.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Können Sie uns erklären, wie argentinische Unternehmen überhaupt auf die Idee kommen, sich in einem solchen Fall an die Bundesregierung bzw. an das Bundeskanzleramt zu wenden, um in dieser Frage zu vermitteln?

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Ich gehe davon aus, daß Geschäftsverbindungen der Firma zu anderen Firmen, die von Geiselnahmen betroffen sind, der Grund dafür sind, daß sich ein Land wie Argentinien, mit dem wir hervorragende Kontakte haben, mit der Bitte um Hilfe an uns gewandt hat.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte schön.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In welchem Ausmaß haben Sie sich an der Vermittlung in dieser Geiselaffäre beteiligt, und ab wann war der Bundeskanzler über Ihre Tätigkeiten informiert?

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Zum letzten Teil Ihrer Frage: Der Bundeskanzler ist über diese Dinge nicht informiert worden. Er kannte die Gespräche, die im Hinblick auf die Problematik von Geiseln geführt wurden. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage des Kollegen Gansel, bitte schön.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, der „Spiegel" zitiert in seiner letzten Ausgabe das Schreiben der argentinischen Firma, das bei der Festnahme von Herrn Mauss in Kolumbien beschlagnahmt worden sein soll. Darin heißt es, daß ein Gesamtpaket mit einem Volumen von 3,5 Millionen US- Dollar ausgemacht worden sei. Ich zitiere: Es enthält folgendes: I. Die Freilassung der drei Männer, II. die Kosten für Atlanta, - das ist der Deckname von Mauss und III. die Friedensvereinbarung. Dieser Vorschlag, der dem Botschafter Keller Sarmiento von Herrn Schmidbauer unterbreitet und von Atlanta in Punkt 1 Ihres Schreibens vom 14. Mai 1996 bestätigt wurde, wurde grundsätzlich von Techint akzeptiert. Ist dieser Sachverhalt in allen drei Punkten zutreffend, oder ist er falsch dargestellt?

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Der Sachverhalt ist hinsichtlich der Position, die mich betrifft, nicht zutreffend. Ich habe eben gesagt, daß die Behauptung über Vorschläge zur Zahlung eines Lösegeldes und die Vorschläge, die dort gemacht wurden, nicht zutreffen. Ich habe ausgeführt: Richtig ist, daß argentinische Regierungsstellen Gespräche mit mir geführt haben, daß die Firma dabei war und die Gesamtsituation diskutiert wurde. Ich war aber weder bei der Festlegung der Lösegeldhöhe - wie käme ich auch dazu? - noch bei anderen einzelnen Punkten eingeschaltet. Diese sind ohne mein Mittun in bilateralen Gesprächen behandelt worden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Such, Sie haben die nächste Zusatzfrage.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, waren die besonderen Beziehungen zwischen dem deutschen Staatsminister des Kanzleramtes, also Ihnen, und der kolumbianischen Guerilla in Kolumbien so bekannt, daß sich die Verantwortlichen nicht eines deutschen, sondern eines argentinischen Unternehmens selber auf der Suche nach einem Vermittler für die Geldübergabe im kolumbianischen Urwald nach Bonn bemühten?

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Ich kann Ihnen dazu keine Antwort geben. Ich habe sehr präzise gesagt, was in diesem Zusammenhang zu sagen war. Das entspricht nicht dem, was irgendwo behauptet wurde. Richtig ist vielmehr das, was ich eben in der Antwort auf die Frage 1 des Kollegen Beck ausgeführt habe.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Bachmaier, bitte.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben eben erwähnt, daß der Bundeskanzler über die Befreiungsaktionen unterrichtet war. Könnten Sie uns sagen, wie konkret der Bundeskanzler über welche Aktionen und inwieweit er über die Einschaltung des Agenten Mauss informiert war?

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Herr Kollege Bachmaier, diese Fragen kommen alle wieder. Ich bin gern bereit, darauf zu antworten, bitte aber um entsprechende Nachsicht, nach Beantwortung der konkret gestellten Fragen nicht noch einmal antworten zu müssen. Ich sagte, daß der Bundeskanzler nur im allgemeinen über die Frage der Geiseln und die Bemühungen der Bundesregierung informiert war, solche Geiselnahmen zu beenden und dafür zu sorgen, daß Staatsbürger nach Hause zurückkehren können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, wenn ich das recht verstehe, hat sich die Firma Techint nicht etwa an Herrn Mauss gewandt, obwohl seine Tätigkeit im Zusammenhang mit Geiselbefreiungen bekannt war und auch der Grund dafür war. Weshalb ging Techint den Weg über Sie?

Not found (Gast)

Herr Kollege Lippelt, ich habe ausgeführt, daß es nicht die Firma Techint war, sondern daß es Regierungsstellen waren, die uns - auf Grund unserer Erfahrung mit den Befreiungen - gebeten haben, zu helfen, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Ich gehe auch davon aus, daß Herr Mauss mit der Firma Techint Kontakte hatte.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Catenhusen, hatten Sie sich gemeldet? - Bitte schön.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wie können Sie uns erklären, daß es in einem in den Unterlagen von Herrn Mauss beschlagnahmten Schreiben der Firma Techint vom 31. Mai - das ist wichtig für unseren Zusammenhang - auch heißt, daß es dort um eine Friedensvereinbarung ging? Da heißt es wörtlich: Dieser Vorschlag, der dem Botschafter Keller Sarmiento von Herrn Schmidbauer unterbreitet und von Atlanta in Punkt 1 Ihres Schreibens vom 14. Mai 1996 bestätigt wurde, wurde grundsätzlich von Techint akzeptiert. Könnten Sie uns diesen Zusammenhang erklären und auch sagen, wann dieser Vorschlag von Ihnen in welchem Zusammenhang unterbreitet worden ist?

Not found (Gast)

Ich kenne keinen solchen Vorschlag, was die Firma Techint oder was irgendwelche anderen Zitate anlangt. In einem anderen Zusammenhang sind Sondierungsgespräche im Hinblick auf Friedensgespräche geführt worden. Das hat bei diesen Gesprächen mit der Firma Techint und den argentinischen Regierungsstellen keine Rolle gespielt. Ich habe diesen Brief nicht geschrieben.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 2 des Abgeordneten Beck auf: Inwieweit treffen aktuelle Pressemeldungen ({0}) zu, wonach sich der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, auf Initiative des Privatagenten Werner Mauss am 29. Mai und Anfang Juni 1996 mit einem Beauftragten des kolumbianischen Präsidenten getroffen und dabei ein inoffizielles schriftliches Angebot an die kolumbianischen Drogenhändler entworfen habe, worin diesen u. a. garantiert wird, bei Selbstgestellung nicht an die USA ausgeliefert zu werden und Teile ihres Vermögens zur Gründung einer neuen persönlichen und beruflichen Existenz im Ausland behalten zu dürfen, und inwiefern trifft es weiter zu, daß trotz klarer Ablehnung dieser Initiative durch den kolumbianischen Präsidenten Staatsminister Bernd Schmidbauer seinen Vorschlag weiterverfolgt und dafür auch die Unterstützung der Bundesregierung zugesagt habe, und zwar dem ehemaligen kolumbianischen Botschafter Villamil Chaux zufolge mit der Begründung, „damit die USA am Friedensprozeß mitwirken, statt diesen zu stören"?

Not found (Gast)

Es ist richtig, daß ich mich am 29. Mai und am 14. Juni 1996 mit Beauftragten des kolumbianischen Präsidenten getroffen habe. Unzutreffend ist aber, daß ich bei diesen Gesprächen „ein inoffizielles schriftliches Angebot an die kolumbianischen Drogenhändler" mit dem in der Frage beschriebenen Inhalt entworfen habe. Gegenstand der Gespräche war vielmehr die Erörterung der Lage in Kolumbien. Daß dabei auch die Drogenproblematik zur Sprache kam, ist angesichts der Situation in Kolumbien nicht zu vermeiden. Nach meiner Erinnerung wurden von einzelnen Gesprächsteilnehmern auch Vorstellungen dazu entwikkelt, mit welchen Ansätzen der Drogenkriminalität in Kolumbien Einhalt geboten werden könnte. Zu irStaatsminister Bernd Schmidbauer gendwelchen Absprachen oder konkreten Angeboten von meiner Seite ist es nicht gekommen. Insgesamt handelte es sich um Sondierungsgespräche über die Vorstellungen der Beteiligten, die als Grundlage für spätere Friedensgespräche dienen sollten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Beck, bitte sehr.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Trifft es zu, daß die in der kolumbianischen Zeitung „El Espectador" näher beschriebenen Treffen zum Teil im Bundeskanzleramt stattfanden, wer nahm an diesen Treffen außer Ihnen, Herr Staatsminister, noch teil, und wußte der Bundeskanzler von diesen Treffen in seinem Hause?

Not found (Gast)

Das letztere habe ich bereits vorhin beantwortet. Ich glaube nicht, daß der Bundeskanzler über jedes Gespräch, das im Bundeskanzleramt geführt wird, von uns informiert wird. Er wird insgesamt informiert. Das hat auch sehr gut funktioniert. ({0}) - Ich sage Ihnen: Es haben andere Gespräche von viel größerer Bedeutung stattgefunden, über die wir uns austauschen müssen, als dieses Gespräch, zu dem ich Ihnen bereits bei meiner Antwort auf die vorige Frage ausgeführt habe, daß es Beauftragte des kolumbianischen Präsidenten waren. Meiner Erinnerung nach waren am 29. Mai neben mir Herr Mauss und mit Sicherheit eine Dolmetscherin dabei. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie haben noch eine zweite Frage. Bitte schön.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wer hat die Kosten dieses Treffens, insbesondere die Reisekosten der verschiedenen Teilnehmer, übernommen, ({0}) und besteht ein Zusammenhang zwischen dieser recht außergewöhnlichen Initiative und der Vermittlertätigkeit des Herrn Mauss einerseits und verschiedenen Exportaufträgen für Siemens und weitere deutsche Firmen andererseits?

Not found (Gast)

Über letzteres kann ich Ihnen gar nichts sagen. Über die Reisekosten kann ich ebenfalls nichts sagen. Ich kann nur ausschließen, daß das Bundeskanzleramt die Reisekosten erstattet hat. Das gilt für alle Teilnehmer.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich möchte die weiteren Zusatzfragesteller bitten, zu prüfen, ob ihre Zusatzfrage vielleicht besser bei der Dringlichen Frage 3 gestellt wird. Wir werden es gleich feststellen. Herr Kollege Gansel, Sie sind der nächste. Bitte, Herr Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben eben das Treffen mit Herrn Mauss und einem kolumbianischen Beauftragten im Kanzleramt am 29. Mai bestätigt. Erstens. Macht es Sie nicht nachdenklich oder müssen Sie nicht Schlüsse daraus ziehen, daß das Schreiben von Techint vom 31. Mai datiert, also nur zwei Tage danach erstellt wurde, und daß Herr Mauss sich darin auf eine Friedensinitiative von Ihrer Seite beruft, obwohl es nach Ihren Angaben noch gar keine solchen Gespräche im Kanzleramt über Friedensinitiativen gegeben haben soll? Das ist ja ein erstaunlich prophetischer Brief. Zweitens. Trifft es zu, daß die Dolmetscherin, von der Sie gesprochen haben, Frau Mauss gewesen ist, und, wenn ja, warum sagen Sie uns das dann nicht?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die zweite Frage, die Sie stellen, gehört zu der Dringlichen Frage 3. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege Gansel, das ist exakt der Punkt, zu dem der Kollege Schily seine Frage gestellt hat. Darum können wir das jetzt weglassen. ({1}) Herr Staatsminister, bitte schön.

Not found (Gast)

Herr Kollege Gansel, ich habe ausgeführt, daß es verschiedene Sondierungsgespräche gegeben hat. Dies waren nicht die einzigen Sondierungsgespräche, die in diesem Zusammenhang geführt wurden. Dabei ging es nicht um Friedensverhandlungen, sondern um die Möglichkeit, Friedensverhandlungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Gang zu bringen. Insofern sehe ich keinen Widerspruch. Im übrigen habe ich auch auf den zweiten Termin am 14.. Juni hingewiesen. Dolmetscher waren nicht nötig - Frau Mauss war im übrigen dabei -, denn der Beauftragte des Präsidenten spricht Deutsch. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Voigt, Ihre Frage, bitte schön.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wie können Sie erklären und aus der Geschäftsverteilung im Bundeskabinett heraus rechtfertigen, daß bei einem Gespräch zur Vorbereitung von Friedensgesprächen, einer genuin außenpolitischen Aufgabe in bezug auf Kolumbien, der Agent Mauss Karsten D. Voigt ({0}) dabei war, aber ein Vertreter des Auswärtigen Amtes von Ihnen nicht erwähnt wird, und wie ist die Federführung des Bundesaußenministers, der angeblich für die Außenpolitik federführend zuständig sein soll, in Ihren weiteren Gespräche gewährleistet worden?

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Herr Voigt, das ist eine Frage, die mehrfach auftaucht. ({0}) Ich bin gerne bereit, dazu Stellung zu nehmen. Ich habe gesagt, daß es viele verschiedene Sondierungsgespräche gegeben hat. Dies finde ich überhaupt nicht dazu angetan, hier entsprechende Reaktionen mir gegenüber vorzubringen. Ich sage in allem Ernst, daß es viele solcher Sondierungsgespräche gegeben hat und daß auch das Auswärtige Amt über die Vorbereitungen, die zu Friedengesprächen führen sollten bis hin zu dem Gespräch im Oktober, bei dem zum erstenmal wirklich sondiert wurde, und zwar unter dem Dach der Bischofskonferenz, und über solche Sondierungsgespräche informiert wurde. Es ist nicht üblich, daß sich bei allen Gesprächen, die eine bestimmte Richtung und Bedeutung haben, die anderen Ressorts einstellen und daran teilhaben.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die nächste Zusatzfrage hat der Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidbauer, bei dem Gespräch, bei dem Herr Mauss zugegen war, ist Herr Mauss den übrigen Gesprächspartnern als Herr Mauss vorgestellt worden, und haben Sie Ihre Gesprächspartner über die Aufgaben und Aktivitäten des Herrn Mauss informiert?

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Das entzieht sich meiner Kenntnis, Herr Kollege Schily. Er ist nicht unter dem Namen Mauss aufgetreten, da er aber Beziehungen zu den verschiedenen Gesprächspartnern hatte, nehme ich an, daß sie über die Person Mauss Kenntnis hatten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die nächste Zusatzfrage hat der Kollege Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, inwieweit trifft die Meldung der Zeitung „El Espectador" vom 1. Dezember 1996 zu, wonach Bundeskanzler Kohl per Brief vom 18. Mai 1996 an den kolumbianischen Präsidenten Samper Sie als seinen Beauftragten für die Organisation eines Friedensdialoges benannt hat, und inwieweit hat der Bundeskanzler von Ihren nachfolgenden Aktivitäten Kenntnis erhalten bzw. darauf Einfluß genommen?

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Der Bundeskanzler war über die Sondierungsgespräche, die zu Friedensgesprächen hinführen sollten, informiert. Von dem Brief, den Sie zitieren, ist mir nichts bekannt. Ich habe „El Espectador" vom 1. Dezember daraufhin auch nicht gelesen. Sie sagen es, aber mir ist dieser Brief nicht bekannt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe den Kollegen Verheugen auf.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, haben Sie den kolumbianischen Innenminister, der Ihr Gast bei einem der Gespräche war, über die Sie berichten und bei denen Herr Möllner alias Mauss oder Mauss alias Möllner zugegen war, darüber unterrichtet, daß der Agent Mauss mit Ihrem Wissen und möglicherweise sogar in Ihrem Auftrag noch andere Aktivitäten in Kolumbien unternehmen sollte als die bei dieser Gelegenheit besprochenen?

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Ich habe die humanitäre Seite in diesen Gesprächen vermieden und die Notwendigkeit, diese Fragen zu lösen, nicht erläutert, Herr Kollege Verheugen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wie viele Gespräche hat es zwischen Ihnen und Herrn Mauss oder zwischen Ihnen und Dritten unter Beteiligung von Herrn Mauss in den Monaten April, Mai und Juni 1996 gegeben?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, ich bezweifle, ob selbst bei großzügiger Auslegung ein Sachzusammenhang da ist. Es kommen noch viele Fragen dieser Art. Herr Staatsminister Schmidbauer, ich stelle Ihnen die Beantwortung dieser Frage anheim. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Personell hängen alle Fragen zusammen.

Not found (Gast)

Ich nehme an, daß es etwa sechs Gespräche waren, Herr Kollege.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Lippelt auf, bitte schön.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, Sie haben soeben betont, daß bei dieser Gelegenheit die humanitären Tätigkeiten des Herrn Mauss nicht zur Sprache gekommen sind. Wie steht es mit dem Hintergrund seiner wirtschaftsvermittelnden Tätigkeiten, oder waren diese den koDr. Helmut Lippelt lumbianischen Gesprächspartnern ohnehin bekannt, weil sie von den Schmiergeldern, mit denen er nebenbei hantierte, wußten?

Not found (Gast)

Herr Kollege Lippelt, diese Frage kann ich nicht beantworten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe den Kollegen Bachmaier auf.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie sprachen gerade davon, daß sich Herr Mauss an ungefähr sechs Gesprächen beteiligte. Würden Sie uns sagen, um welche Gespräche mit wem und unter wessen Teilnahme es sich konkret gehandelt hat? War an diesen Gesprächen auch Frau Mauss beteiligt?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Bachmaier, ich muß Ihnen sagen: Wenn Sie die Frage 2 durchlesen, ({0}) dann ist diese Ausweitung eigentlich nicht mehr mit einer Zusatzfrage gedeckt. Das muß ich Ihnen wirklich sagen. ({1})

Not found (Gast)

. Herr Kollege Bachmaier, ich kann Ihnen jetzt aus der Hand diese sehr komplizierte Frage nicht beantworten. Ich bin aber gern bereit, eine Aufstellung zu machen und sie Ihnen zu geben. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Hofmann, die nächste Zusatzfrage.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, haben Sie bei Ihrem Treffen mit dem kolumbianischen Innenminister die Möglichkeit genutzt, darauf hinzuweisen, daß ein möglicher Freikauf gegen kolumbianisches Recht verstoßen könnte, und haben Sie ihn dabei darauf aufmerksam gemacht, daß man im Rahmen der humanitären Fragen vielleicht eine Möglichkeit hat, um aus dieser Sache herauszukommen? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir haben bei diesem Gespräch auch die Geiseln in Kolumbien angesprochen. Wir waren mit keinem konkreten Fall beschäftigt. Bei dem ersten Fall, den wir gelöst haben, haben wir die kolumbianische Regierung auf dieses Problem hingewiesen. Es versteht sich von ganz allein, daß bei humanitären Maßnahmen wie der Geiselbefreiung, die wir eingeleitet haben, auf Grund der Erfahrungen, die wir bei entsprechenden Befreiungen gemacht haben, Dritte nicht verständigt werden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Wir kommen zur Dringlichen Frage 3 des Abgeordneten Otto Schily: Kann die Bundesregierung die Darstellung über die Aktivitäten des Privatagenten Werner Mauss in dem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel", Ausgabe vom 2. Dezember 1996, Nr. 49/1996 auf S. 159f. unter der Überschrift „Überall Deutschland" bestätigen, wonach u. a. dem Ehepaar Mauss schriftlich von der deutschen Botschaft in Bogota bestätigt worden sei, es befinde sich „in offizieller Mission" in Kolumbien, wonach ihm von der deutschen Botschaft in Bogota Pässe mit falschen Identitäten ausgestellt worden seien und wonach der Staatsminister im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer, zu einem Gespräch mit dem kolumbianischen Staatspräsidenten Ernesto Samper Ida Mauss, die Ehefrau des Privatagenten Werner Mauss, als Dolmetscherin hinzugezogen hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schily, es trifft zu, daß dem Ehepaar Mauss im Rahmen der humanitären Bemühungen der Bundesregierung in der deutschen Botschaft in Bogota zwei Pässe und konsularische Schutzbriefe ausgestellt worden sind. Darin wird dem Ehepaar bestätigt, daß es sich in offizieller Mission in Kolumbien aufhält. Schließlich trifft es auch zu, daß Frau Mauss bei einem Gespräch zwischen dem kolumbianischen Staatspräsidenten Ernesto Samper und mir zeitweise als Dolmetscherin tätig war.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage. Otto Schily ({0}): Herr Kollege Mauss - ({1}) Das war eine schöne Freudsche Fehlleistung. Eine solche Verwechslung kann einem schon unterlaufen. Herr Kollege Schmidbauer, auf Grund welcher Zuständigkeit und auf welcher Rechtsgrundlage haben Sie diese Maßnahmen, von denen Sie gerade berichtet haben - Aufenthalt in offizieller Mission und Erteilung von Pässen -, getroffen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, diese habe nicht ich getroffen, sondern dies hat das Auswärtige Amt als Weisung an die Botschaft gegeben. Ich stehe aber im Hinblick auf die Maßnahmen, die notwendig waren, hinter einer solchen Entscheidung.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zweite Zusatzfrage.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte nur darauf hinweisen, daß ich nach der rechtlichen Grundlage des Handelns gefragt habe. Vielleicht ist Herr Schmidbauer so liebenswürdig, im Rahmen der ersten Zusatzfrage auch diese Frage zu beantworten.

Not found (Gast)

Herr Kollege Schily, wir sind davon ausgegangen, daß es bei der Befreiung der Geisel in Kolumbien zu einer erhöhten Gefährdung kommt. Es wurde dann entschieden und die Weisung vom Auswärtigen Amt an die Botschaft gegeben, daß man entsprechend verfahren solle.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Dann kommen wir zur Zusatzfrage des Kollegen Gansel. ({0}) - Nein, Sie haben zwei Fragen gestellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die erste Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet worden ist. Das ist nicht mein Problem. Ich habe die Antworten nicht zu bewerten. In der Fragestunde ist es nun einmal so. Es tut mir leid. Herr Kollege Gansel, bitte.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da der Kollege Schily danach gefragt hat, ob es zutrifft, daß Privatagent Werner Mauss seit 1984 mit Unterstützung der Bundesregierung wie ein BND-Mitarbeiter behandelt worden ist, möchte ich fragen, ob es zutrifft, was der „Spiegel" vor einiger Zeit berichtet hat, daß Herr Mauss auch bei seinem Aufenthalt in Genf im Oktober 1987 mit Zustimmung der Bundesregierung mit mehreren falschen Pässen ausgerüstet war und ob Herr Mauss die Pässe nach diesem Einsatz wieder zurückgegeben hat.

Not found (Gast)

Da dies bereits Dringliche Frage 4 betrifft, darf ich vielleicht die Frage 4 beantworten.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Nein. Es gibt noch zu viele Zusatzfragen zur Dringlichen Frage 3.

Not found (Gast)

Ich will das separat beantworten. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Sie waren schon eine Frage weiter. Okay. Dann ist jetzt Kollege Such dran.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, inwieweit treffen die Berichte der „Frankfurter Rundschau" vom 28. November und vom 3. Dezember 1996 sowie des „Focus" vom 2. Dezember 1996 zu, wonach der ehemalige BND- Oberst Philipp Mauss einen Paß besorgt, mit seiner Identität versehen und dessen Verlängerung 1993 veranlaßt habe, weswegen der BND im gleichen Jahr disziplinar ermittelt habe, ohne jedoch den Paß von Mauss einzuziehen, und inwieweit hat Philipp, dessen Sicherheitsunternehmen der BND 1991 mit der Betreuung des Ehepaars Schalck-Golodkowski schon einmal beauftragt hatte, wiederum mit Wissen und Willen des BND gehandelt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Such, ich kann Ihnen auf diese Frage hier keine Antwort geben. Ich will Ihnen aber sagen, daß es - ohne daß ich die Presse jetzt selber kontrollieren kann, ob es richtig zitiert ist - einen solchen Vorgang gegeben hat, der aufgeklärt ist und der dem entsprechenden Gremium ausführlich berichtet wird. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Beck, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Schmidbauer, wie verträgt sich die offizielle Mission des Herrn Mauss mit der Politik der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption weltweit angesichts der Tatsache, daß Presseberichten zufolge Herr Mauss im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen im Rahmen des U-Bahn-Projektes und des Einwohnermeldeamt-Projektes der Firma Siemens in Kolumbien stehen soll? ({0})

Not found (Gast)

Sie stellen mir Fragen, die ich so eigentlich nicht beantworten kann. Herr Mauss ist mit unserem Wissen in humanitären Aktionen unterwegs gewesen. Er hat die entsprechenden Unterstützungen bekommen. Das ist der Teil, der mich betrifft. Dies waren humanitäre Aktionen. Über andere Aktivitäten sind wir offiziell nicht in Kenntnis gesetzt worden. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Scholz, ich war mir nicht sicher: War das eine Wortmeldung? - Dann wären jetzt Sie dran.

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich darf an die Frage anschließen, die Herr Schily gestellt hat. Herr Schily hat nach Rechtsgrundlagen gefragt. Teilen Sie mit mir die Auffassung, daß es zu den vornehmsten und primären Rechtspflichten eines Staates gehört, seine Bürger auch vor internationaler organisierter Kriminalität zu schützen, daß man hier im Notfall auch Nothilfe leisten muß und daß dies eine unmittelbare rechtsstaatliche Rechtsgrundlage wie Rechtspflicht unseres Gemeinwesens ist?

Not found (Gast)

Wenn Sie das sagen, Herr Kollege Scholz, dann bin ich davon überzeugt. Aber ich will noch weiter gehen und sagen, daß über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine Prüfung entsprechender Verhaltensweisen stattfinden kann, die in einem konkreten Fall zu entsprechenden Ergebnissen gekommen ist. Aber das muß ich dem Rechtsanwalt Schily nicht sagen. Es ist eigentlich auch nicht mein Metier, diese Dinge zu prüfen. Ich gehe davon aus, daß Sie vollständig recht haben. ({0}) - Wir haben das geprüft, Herr Kollege Schily.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Verheugen.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann möchte ich sehr konkret fragen, Herr Kollege Schmidbauer: War die Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand oder eine Nothilfe die Rechtsgrundlage der Weisung des Auswärtigen Amtes an die Botschaft in Bogota, dem Ehepaar Mauss echte Pässe mit falscher Identität auszustellen, Privatpersonen wohlgemerkt?

Not found (Gast)

Ich habe vorhin die Situation in Kolumbien erwähnt und habe sie heute auch im Auswärtigen Ausschuß ausführlich erläutert: Maßstäbe, die man an westliche Länder oder auch an Länder in anderen Erdteilen anlegt, sind hier nicht angebracht. Vielmehr sehen wir deutlich, welche dramatische Zuspitzung die innenpolitische Situation in Kolumbien erfahren hat. Wir sehen die enorme Gefährdung all derer, die in solchen Hilfeleistungen von allen Seiten unterwegs sind. Es war die Beurteilung auch des Auswärtigen Amtes, daß in diesem Fall diese Maßnahme gerechtfertigt ist. So wurde verfahren.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Riedl.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem aus den Reihen der SPD Fragen vor allen Dingen nach der Legitimität und Legalität Ihres Handelns gestellt werden, darf ich Sie fragen, ob einer Ihrer Vorgänger im Amt, Herr Staatsminister Wischnewski, in ähnlich heiklen und schwierigen Missionen im Prinzip auf den gleichen Rechtsgrundlagen wie Sie tätig war - ich will ganz deutlich unterstreichen: auch entsprechend erfolgreich tätig war. Und sind Sie mit mir nicht der Auffassung, daß bei dem Thema Rettung von Menschen, die sich in Geiselhaft befinden, die Art und Weise, wie wir dieses Thema behandeln, der schwierigen Problematik eigentlich nicht gerecht wird? ({0})

Not found (Gast)

Es ist bei der Betrachtung der Vergangenheit immer relativ leicht, solche Kriterien heranzuziehen. Ob die Entscheidungen unter den damaligen Umständen, ob Menschen in Lebensgefahr waren, vor dem Hintergrund ethischer Normen, die heute heranzuziehen sind, anders getroffen worden wären, mag ich nicht entscheiden. Bei uns stand in allen Fällen die unmittelbare Bedrohung des Lebens der Geiseln im Vordergrund. Wir haben bei einer Geiselbefreiung Tote gehabt, wir haben bei Entführungen Tote gehabt - auch von westlichen Ausländern. Unter diesen Umständen schien uns und scheint mir auch noch heute diese Maßnahme als sehr gerechtfertigt. Ich will betonen: Es ist in einem anderen Fall gelungen, Geiseln zu befreien, Geiseln, die mehrere Monate in Erdlöchern verbracht haben, Frauen und Schwerkranke; der Fall eines krebskranken Ingenieurs ist mir sehr genau in Erinnerung. In der Abwägung führte das zu solchen Maßnahmen, daß wir Schutzpapiere und falsche Pässe ausgestellt haben. Ich will einen Punkt nennen, der mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Es war das Argument des Herrn Kollegen Duve im Auswärtigen Ausschuß, nämlich die Überprüfung der Unterstützung bestimmter Organisationen durch Häufung solcher Vorgänge. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, bei dem ich ihm vollständig zustimme. Aber nach heutiger Abwägung hat sich diese Frage damals so nicht gestellt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Olderog.

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie schätzen Sie die Fähigkeit der kolumbianischen Regierung ein, im Fall, daß eine Geisel verschleppt worden ist, mit den Mitteln der Polizei und der Sicherheitsorgane das Notwendige zum Schutz und zur Befreiung der Geisel zu unternehmen? Wie schätzen Sie überhaupt die Sicherheitslage in Kolumbien ein? Ist es richtig, daß die Regierung über weite Teile des Landes die Kontrolle verloren hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Olderog, die Hälfte des Landes wird von Guerilla-Einheiten kontrolliert. Die Verschärfung der Lage ist deutlich sichtbar. Die kolumbianische Regierung hat bei den insgesamt weit über tausend Geiseln, die sich dort aufhalten - kriminelle Vereinigungen entführen pro Jahr etwa 400 Geiseln, mit einer Dunkelziffer, die das Zehnfache ausmacht -, keine Chance, diese Geiseln zu befreien. Es gibt ein aktuelles Beispiel, daß 60 Soldaten von der Guerilla entführt wurden. Es gibt einen Kalender des Schreckens der letzten Monate in Kolumbien, durch unsere Sicherheitsbehörden miterstellt, bei denen die Opfer, die Toten und die Schwerverletzten, in den letzten Monaten minuziös zu sehen sind. Vor dem Hintergrund dieser Situation ist es völlig ausgeschlossen, daß eine entsprechende Hilfe nicht unkonventionelle Wege geht. Aus diesem Grund sind wir in wenigen Fällen diese Wege gegangen, die bis zum letzten Versuch auch erfolgreich waren, wobei Herr Mauss in einem Fall unter Einsatz seines Lebens geholfen hat. Das ist alles sehr leichtfertig gesagt, und es ist leicht, den Stab zu brechen. Aber bei genauer Kenntnis dieser Dinge ist die Bewertung etwas anders, als sie hier vorschnell gemacht wurde.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, diese Argumente gehen uns allen gewiß sehr nahe. Nur: Wenn Herr Mauss - wie ich lese - seinen Einfluß bei der Guerilla offensichtlich dem Umstande verdankt, daß er für deutsche Industriefirmen, damit diese ihre Aufträge in dem Gebiet durchführen können, zur Pazifizierung große Gelder ausgibt und überbringt, glauben Sie dann nicht auch, daß wir ein Teil des Problems sind - er zumindest - und daß damit geradezu die Guerilla, die anschließend tötet, finanziert wird? ({0})

Not found (Gast)

Herr Lippelt, ich glaube nicht, daß dies eine Betrachtungsweise ist, die alles umfaßt. Es gibt in der Tat viele Firmen - in Kolumbien sechs; ich habe dies heute aufgeführt -, die sich um den Schutz von ausländischen Mitarbeitern großer Konzerne kümmern. Wir kennen alle die Umstände, mit denen wir es in Kolumbien zu tun haben. Ich will das nicht bewerten, weil ich davon keine Kenntnis habe. Ich will Ihnen aber sagen, daß Herr Mauss nach meiner Erinnerung - aus den Zahlen, die wir in den Unterlagen haben - schon 15 oder 20 Jahre in Kolumbien gearbeitet hat, unter den gleichen Bedingungen, wie es auch andere Firmen getan haben. Es wäre weltfremd, anzunehmen, daß es dabei nicht auch um Geschäfte ging, die von anderen Firmen in gleicher Weise gemacht werden. Ich kann nur feststellen, daß die Sicherheit dieser Leute nicht immer gewährleistet ist. Ich kann nur von den Fällen ausgehen, die ich sehr genau kenne. In einem Fall eines großen deutschen Konzerns hat es bei einer Entführung Todesfälle sowohl eines westlichen Ausländers als auch eines Kolumbianers gegeben; auch Schwerverletzte wurden zurückgelassen. Ich kann Ihnen aber auch sagen, daß es bei der Bekämpfung dieser Vorgänge mit der gleichen Brutalität viele Tote auf der anderen Seite gegeben hat. Ich kann dies im Augenblick nicht abstufen. Gesprächspartner von mir, die vor einigen Monaten hier waren und mich über die Situation informiert haben, zählen heute zu den Opfern. Ich glaube also, daß hier eine umfassende Bewertung stattfinden muß. Das haben vorhin im Ausschuß auch einige getan. Ich kann mich dem vorbehaltlos anschließen. Ich glaube auch nicht, daß es die reine Lehre bei Entscheidungen gibt, bei denen es um Menschenleben geht. Ich würde in jedem Fall, wenn es darum geht, Menschenleben zu schützen, zu retten, auf solche Methoden zurückgreifen. Es gibt auch dort Grenzen. Herr Lippelt, Sie wissen, daß es viele solcher Fälle gegeben hat, über die in der Öffentlichkeit nie diskutiert wurde. Diese Fälle wurden gelöst, sei es im asiatischen Bereich, sei es im Nahen und Mittleren Osten oder in Afrika. Es ist nie die Frage gestellt worden: Wer kümmert sich eigentlich darum? Ist er dafür zuständig? Immer kommen die Ehepartner, die Kinder, die Firmen und andere zu uns und bitten uns zu helfen. Ich erinnere mich sehr genau an den Fall eines todkranken Deutschen im Ausland, der nur unter schwierigsten Umständen und nach langwierigen Verhandlungen befreit werden konnte. Ich erwarte dafür keinen Dank. Ich erwarte aber, daß man diese Umstände nachher so beurteilt und nicht zu einer wertneutralen, theoretischen Beurteilung kommt. ({0}) Ich weiß mich mit Ihnen hier einig. Ich sage das nur deshalb einmal, weil Fragen, die hinterher gestellt werden, sich wesentlich leichter stellen lassen und die Beantwortung äußerst schwierig wird, wenn man nach Rechtsgrundlagen und den Verfahren fragt, die vielleicht völkerrechtlich anzuwenden wären. Ich erinnere mich sehr konkret an den Fall, wo die Söhne dieses Mannes kamen und baten: Tun Sie alles! Wir haben das getan, auch unter Inkaufnahme von Angriffen, die sich am Ende entsprechend in der Presse niedergeschlagen haben. Das ist nicht der einzige Fall. Als eine Geiselnahme mit vielen Geiseln unblutig gelöst wurde, hat wieder irgend jemand das Haar in der Suppe gesucht. ({1}) Ich erinnere mich genau an die Ausführungen zum Nahen und Mittleren Osten im Sommer. Da waren alle voll des Lobes. Heute wird der Stab gebrochen. Ich muß diese Aufgabe nicht immer übernehmen. Ich habe mit dem Kollegen Wischnewski ein hervorragendes Verhältnis, gerade in diesen Dingen. Wir haben uns über Probleme, die es bis in die letzten Jahre gegeben hat, ausgetauscht. Wir haben Leute aus dem Nahen und Mittleren Osten herausgeholt, wo Herr Wischnewski geholfen hat und wo ich ihm geholfen habe. In beiden Fällen wurde jede Möglichkeit ausgeschöpft, auch wenn Deckpapiere benutzt werden mußten, um bestimmte Maßnahmen umzusetzen. Es kümmert sich keiner um die Schicksale dieser Menschen, wenn es positiv ausgeht. Am Ende findet immer einer das Negative heraus. Es mag sein, daß Fehler gemacht werden. Ich will zum Schluß noch sagen: Ich habe den fürchterlichen Fall eines jungen Mannes aus Nordrhein-Westfalen erlebt, von dem wir bis heute nicht sicher wissen, ob er tot ist. Wir gehen aber davon aus, daß er tot ist. Wir wurden zu spät eingeschaltet. Wir haben zu spät gemerkt, wie das Problem eigentlich hätte gelöst werden können. Wir haben es bei den Gesprächspartnern nicht mit den vornehmsten Leuten dieser Welt zu tun, sondern teilweise mit den größten Verbrechern. Das bitte ich bei all den Fragen, die Sie stellen, in einer subtilen Form zu beachten. - Verzeihen Sie mir, Herr Lippelt, ich wollte es nicht auf Sie münzen. Ich habe es nur gesagt, weil diese Fragen auch von Ihnen gestellt wurden.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frau Titze-Stecher, bitte.

Uta Titze-Stecher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben soeben gesagt: Es kümmert sich keiner um solche Schicksale, und wir haben es mit großen Verbrechern zu tun. Ihnen ist sicher bekannt, daß jeder zehnte Entführungsfall der Guerilla inzwischen von Kommissären betreut wird. Es geht um sehr viel Geld. Ober die humanitäre Aufgabe bei der Befreiung von Deutschen besteht hier garantiert kein Dissens. Meinen Sie nicht, daß das Vorgehen, nämlich die Einschaltung eines Detektivs Mauss, der Zielsetzung entgegenläuft, vor allem dann, wenn kolumbianische Behörden selbst sagen, daß Deutschland damit die Entführungsindustrie begünstigt und fördert?

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Frau Kollegin Titze-Stecher, ich bin sehr dankbar für diese Frage. Bei der Vielzahl der Entführungen und der Verhandlungen, bei denen sich nach meiner Kenntnis etwa sieben Institutionen um die Freilassung bemühen, und bei 800 Millionen an Lösegeld und Schutzgeldern, die bezahlt wurden, mag es diese Frage geben. Ich sagte vorhin, daß dies eine der wichtigsten Abwägungen ist. Aber ich will Ihnen jetzt sagen, was ich eigentlich gar nicht sagen wollte: Es gab Fälle, die gelöst wurden, ohne daß Lösegeld in irgendeiner Weise gezahlt wurde. Wichtig ist - ich habe es vorhin im Auswärtigen Ausschuß auch gesagt -: Die Behauptung, daß wir mit drei, vier, fünf oder sechs Fällen diese Industrie anheizen, ist abwegig. Es ist alles zu tun, um dies zu verhindern. Im übrigen ist bei allen anderen Fällen, die wir jetzt hier nicht diskutieren, genau der Weg gegangen worden, daß es keine Nachahmer gibt. Ich muß den Herrn Kollegen Duve zitieren, der recht hat: Wir müssen bei der Lösung versuchen, zu verhindern, daß es bei entsprechendem Entgegenkommen Nachahmer gibt. Wir haben keine Nachahmer im Nahen und im Mittleren Osten. Wir haben uns auch keinesfalls irgendeiner Erpressung ausgeliefert. Es wurde nichts gegeben, und es gab keine Nachahmer. In ähnlicher Weise sehe ich das auch in Kolumbien. Es gab bislang keine Nachahmer. Ich sehe inzwischen in einigen Fällen etwas deutlicher, wie es zu diesen Dingen in Kolumbien gekommen ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Gansel, bitte, zu Frage drei.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Ihre bewegenden Worte wird sicherlich jeder nachempfinden können, da viele von uns Gespräche mit Familienangehörigen von Geiseln geführt haben und zu helfen versucht haben. Sie werden verstehen, daß auch in anderen Situationen eine innere Bewegung eine Rolle spielt, so bei denen, die sich mit den vier Mykonos-Mordopfern noch am Tage vor dem Mordanschlag getroffen haben. Das gehört leider zur Realität unserer politischen Arbeit. Aber unsere Fragen beziehen sich ja nicht auf die humanitären Bemühungen, sondern auf die Einschaltung der spezifischen Figur Werner Mauss und auf das - wie es uns scheint - dreiste Unternehmen, unter Einschaltung von Mauss Friedensgespräche in Kolumbien zu initiieren. In diesem Zusammenhang möchte ich, bezugnehmend auf die Antworten, fragen, ob Ihnen denn das Minenfeld nicht bewußt gewesen ist, auf dem Sie und die Bundesregierung sich bewegen, wenn schon im Oktober - und es gibt sogar frühere Zitate - kolumbianische Politiker wie der Gouverneur Alvaro Uribe Vélez öffentlich erklären - ich zitiere aus „Focus": Die Bundesregierung in Bonn finanziert die Guerilla. Und er fordert deutsche Firmen auf, über ihren Pakt mit den Subversiven die Wahrheit zu sagen. Ist nicht genau das der gefährliche Untergrund gewesen, auf dem Sie versucht haben, eine außenpolitische Initiative zu starten, die nun gescheitert ist?

Not found (Gast)

Herr Gansel, ich widerspreche Ihnen ganz entschieden, daß dies gescheitert ist. ({0}) Die Sondierungsgespräche waren sehr erfolgreich. Die ersten Bemühungen, daß es zur Bildung dieses runden Tisches kommt, sind so angelaufen, daß dessen Bildung fest auf Anfang Dezember terminiert war. Ich widerspreche Ihnen ganz entschieden. Ich sehe diese „Verminung" komplett, auch innerhalb Kolumbiens. Ich habe darüber in einem sehr ausführlichen Gespräch mit dem Präsidenten gesprochen - nicht nur über die Rolle der Guerilla, sondern auch über die Rolle der anderen Partner, die diese in diesem Land spielen. Es konnte nur der Versuch gemacht werden, daß es zur Bildung eines runden Tisches kommt, an dem sich die Beteiligten treffen, und daß gleichzeitig eine Art Waffenstillstand als Ergebnis dieser Vorsondierungen auf die Tagesordnung kam. Kein geringerer als Ortega, der sich sicherlich als ehemaliger Präsident Nicaraguas sehr genau auskennt und mit dem ich hier in Bonn ein langes Gespräch geführt habe, bestätigt, daß diese Chance besteht und noch weiter besteht. Auch ich sehe das so. Wenn es andere gibt, die sich hier einschalten und sich bemühen, und dies auch nur zu einem Teil erfolgreich ist, dann haben wir ein Stück Menschlichkeit in diesem Land gewonnen, so daß nicht jeden Tag zig Soldaten und Paramilitärs umkommen und Mitglieder der Guerilla und andere umgebracht werden. Zum Gouverneur will ich hier öffentlich überhaupt nichts sagen. Er hat sich erstens korrigiert. Er ist zweitens im Verfahren beteiligt, das jetzt in Medellin abläuft. Ich will zu ihm öffentlich keine Stellungnahme abgeben. Daß wir uns aber auch über diese Angelegenheit Gedanken machen - möglicherweise auch einmal in einem Gremium -, dagegen habe ich überhaupt nichts.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Beucher.

Friedhelm Julius Beucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, teilen Sie die Einschätzung des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Hermann Lutz, vom heutigen Tage zu diesen Bemühungen um die Geiselbefreiung in Kolumbien, der den Einsatz von dubiosen Leuten für legitim hält, jedoch darauf hinweist, daß, wenn so etwas durch Indiskretionen oder ungeschicktes Verhalten auffliegt, im Interesse des Rechtsstaates, um Schaden von ihm fernzuhalten, alles auf den Tisch gelegt werden muß und daß dann nur schonungslose Offenheit hilft, um nicht in den Verdacht der Kungelei zu geraten?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich bin sehr zufrieden gewesen, als ich heute morgen diese Stellungnahme gelesen habe. Ich bin Herrn Lutz sehr dankbar, daß er dies anspricht und daß auch er - so wie wir - die Möglichkeit sieht, so zu verfahren. Ich bin auch dem restlichen Text, der dort abgedruckt ist, nachgegangen. Ich kann Ihnen zusichern, daß wir genau das machen. Ich habe in der Fragestunde des Deutschen Bundestages zum erstenmal und damit praktisch vor der Öffentlichkeit in aller Offenheit gesagt, welche Maßnahmen wir für Herrn Mauss auf unkonventionelle Weise getroffen haben. Unter normalen Umständen hätte ich mich zurückgehalten und hätte auf Gremien, in denen Vertraulichkeit und Geheimhaltung gegeben gewesen wäre, verwiesen. Ich habe hier sehr offen von den Maßnahmen der Bundesregierung im Hinblick auf Deckpapiere gesprochen. Ich stehe dazu. Das ist genau das, was Herr Lutz meinte. Genau das wird auch im Laufe des Verfahrens passieren. ({0}) - Herr Kollege Such, ich nehme an, daß der Kollege Lutz sich sehr genau auf diesem Gebiet auskennt und sicher ein Kenner der Materie ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Jetzt, bitte, Frau Dietert-Scheuer.

Amke Dietert-Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002640, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch einmal zu der Rolle von Herrn Mauss. In der gestrigen Fernsehsendung „Frontal" hat es dazu interessante Informationen gegeben, und zwar, daß nach der Einschaltung von Herrn Mauss die Lösegeldforderungen von zunächst 400 000 auf 1,5 Millionen Dollar kletterten und nach der Einschaltung des Kanzleramtes noch einmal auf 1,8 Millionen Dollar. Haben Sie für die Erhöhung der Lösegeldforderungen Erklärungen, und halten Sie den Verdacht für begründet, daß Herr Mauss da auch persönliche Bereicherung betrieben hat?

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Nach den Kenntnissen, die ich habe, halte ich diesen Verdacht für völlig unbegründet. Nach meiner persönlichen Kenntnis gab es Lösegeldforderungen von einigen hunderttausend D-Mark bis zu 6 Millionen DM, ohne daß Herr Mauss eingeschaltet war. Ich habe heute im Auswärtigen Ausschuß über das Verfahren des Einschaltens gesprochen. Ich halte diesen Verdacht für nicht begründet; wir haben jedenfalls keine Erkenntnisse. Es gibt allerdings einiges in diesem Fall aufzuklären, zumal heute in der Presse Kolumbiens berichtet wird, daß zur Auffindung von Frau Schoene kirchliche Vertreter eingebunden waren, die bei ihrer Befreiung mitgeholfen haben. Ich kenne auch Herrn Schoene nicht; ich habe mit ihm nicht eine Diskussion gehabt. Die Diskussionen des Herrn Schoene haben auf unsere Entscheidungen keinen Einfluß gehabt. Ich muß hinzufügen: Ob Lösegeld geflossen ist oder nicht, weiß ich nicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Ich rufe die Dringliche Frage 4 des Kollegen Otto Schily auf: Trifft es zu, daß der Privatagent Werner Mauss seit 1984 mit Unterstützung der Bundesregierung als „Befreiungsagent" tätig gewesen ist, der nach außen im eigenen Auftrag gehandelt hat, jedoch von der Bundesregierung wie ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes behandelt wurde ({0})?

Not found (Gast)

Nein. Richtig ist, daß Herr Mauss im Rahmen seiner Bemühungen zur Lösung humanitärer Fragen nicht in einem Amts- und Dienstverhältnis zur Bundesregierung stand. Seine Bemühungen wurden aber von der Bundesregierung positiv begleitet. Dazu habe ich schon einige Ausführungen im Rahmen der Zusatzfragen gemacht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage?

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidbauer, man kann Ihren Aussagen entnehmen, daß es eine Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Herrn Mauss gegeben hat und daß Sie das auch unter dem Gesichtspunkt des übergesetzlichen Notstandes - oder wie der Kollege Scholz gesagt hat: der Nothilfe - rechtfertigen wollen. Wie müssen wir Ihre Zusammenarbeit auch in bezug auf die Beurteilung rechtlicher Fragen einordnen? Sie verweisen immer auf die PKK. Soweit ich weiß, handelt es sich um eine Kommission, die die Geheimdienste kontrollieren soll. Ist der Bereich, in dem Sie mit oder in Kooperation mit Herrn Mauss tätig geworden sind, den Geheimdiensten zuzuordnen? Für deren Tätigkeiten haben wir rechtliche Grundlagen. Wir haben mit Vorbedacht geregelt, daß wir Geheimdienste nicht in einen rechtsfreien Raum stellen oder ihnen die Generalklausel übergesetzlicher Notstand zubilligen wollen. Wie ordnen Sie nach Ihrem Verständnis eine solche Aktivität rechtlich ein?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schily, es gibt auf Ihre Frage nach der Unterstützung des Privatagenten Mauss seit 1984 durch die Bundesregierung sicherlich vielfältige Antworten. Es gab sicherlich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Einbindung von Herrn Mauss in Operationen der Sicherheitsbehörden. Dies ist in den vergangenen Jahren nicht mehr der Fall gewesen; dies trifft schon auf die Hilfe von Herrn Mauss bei der Befreiung von Cordes und Schmidt nicht mehr zu. Aber es gab in dieser Angelegenheit die Mitwirkung von Herrn Mauss. Gleiches gilt für seine Mitwirkung zur Lösung der angesprochenen humanitären Fragen. Herr Kollege Schily, Sie kennen den Bundesnachrichtendienst und die gesetzliche Grundlage sehr genau. Da Herr Mauss, wie ich Ihnen eben gesagt habe, kein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes ist, stellen sich diese Fragen aus meiner Sicht nicht. Im Gegenteil: Herr Mauss stand - das hat der Pressesprecher in den letzten Tagen gebetsmühlenartig wiederholt - in keinem Dienst- oder Amtsverhältnis. Vielmehr wurde Herr Mauss gebeten, in diesen Fragen zu helfen. Die Bundesregierung hat ihm in unkonventioneller Weise Hilfe bei der Durchführung dieser Aufgaben gegeben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily?

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, daß dies keine Antwort war. Aber ich frage noch etwas anderes, um dieser Sache nachzugehen. Herr Kollege Schmidbauer, haben Sie eigentlich die Fragen überprüft, ob Herr Mauss gegen nationale Strafvorschriften verstoßen hat, wenn er seine Aktivitäten in fremden Ländern entfaltet hat, ob sich die Bundesregierung möglicherweise dem Vorwurf der Beihilfe zu Straftaten gegen fremdes Recht aussetzt, wenn sie ihn unterstützt, und ob bei solchen Aktivitäten die Souveränität eines Landes, ({0}) - der Kollege Olderog duldet vielleicht, daß ich diese Frage stellen darf -, das in eigener Verantwortung entscheidet, mit welchen rechtlichen, polizeilichen und sonstigen Mitteln es gegen Kriminalität vorgeht, verletzt wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Schily, nach meiner Antwort vorhin, in der ich gesagt habe, daß wir mit der kolumbianischen Regierung im Hinblick auf Geiselnahmen in Kontakt waren, können Sie davon ausgehen, daß wir diesen Weg gegangen wären, wenn wir ihn hätten beschreiten können. Dann hätten wir die Kolumbianer gebeten, die Geisel jeweils dort abzuholen, wo sie sich befindet. Dies ist aber unmöglich. Deshalb werden solche Menschen auch verwendet - manchmal denke ich: sogar mißbraucht -, um bei Dingen zu helfen, bei denen andere Hilfe völlig unmöglich ist. Wenn in einem Land, in dem die Situation hinsichtlich der Souveränität so ist, wie sie ist, versucht wird, Menschen ohne Kenntnis der dortigen Regierung zu befreien - das habe ich vorhin ausgeführt -, will ich nicht sagen, daß wir das billigend in Kauf nehmen, aber mein Rechtsverständnis gerät dadurch nicht ins Wanken. Aber ich sehe, daß wir uns in einer Grauzone bewegen, was nur dadurch zu rechtfertigen ist, daß Menschen aus der Not befreit werden und zu ihren Familien und dorthin, wo sie herkommen, zurückkehren können, statt in diesen Ländern bleiben zu müssen. Das ist ein Abwägungsprozeß, in dem wir uns befinden und ständig befunden haben. Es gibt auch Bemühungen, die mit Herrn Mauss überhaupt nichts zu tun haben, bei denen wir vor derselben Frage stehen, ohne Kenntnis des entsprechenden Landes deutsche Staatsbürger auszufliegen oder auf anderem Wege aus dem Land zu holen. Das entspricht sicher nicht den jeweiligen Gepflogenheiten dieser Länder, die nicht ohne Grund Grenzkontrollen durchführen, um zu sehen, wer ein- und ausreist. Aber dies war und ist nicht die Frage. Ich will nicht mehr dazu sagen, weil ich nicht ausschließen kann, daß wir auch in Zukunft solche Fälle haben werden. Jegliche Maßnahme, die dann notwendig wird, wäre zum Scheitern verurteilt, wenn sie bekannt wäre. Mir ist es sowieso ein Greuel, wenn ich daran denke, daß zwei Westeuropäer als Geiseln noch dort sind, bei denen die Bemühungen erst angelaufen sind und bei denen es Riesenschwierigkeiten bei der Befreiung gibt.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Damit es keine Unruhe gibt, lese ich vor, wer sich zu dieser Frage 4 noch alles gemeldet hat: Voigt, Such, Beck, Buntenbach, Hofmann, Hirsch, Bachmaier, Olderog, Riedl, Scholz. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß sich diejenigen, die nach der Liste etwas später an der Reihe sind, noch einmal hinsetzen. ({0}) Herr Kollege Voigt.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, nachdem Sie das Problem der Grauzone erwähnt haben: Wenn man sich in Grauzonen bewegt, sind besondere Prinzipientreue, Charakterfestigkeit und rechtsstaatliches Bewußtsein erforderlich, um nicht desorientiert zu werden. Sie sind nun nach Karsten D. Voigt ({0}) Herrn Ministerpräsident Albrecht von Niedersachsen und Herrn Kinkel als Chef des Bundesnachrichtendienstes der Dritte, der mit Herrn Mauss Erfahrungen gesammelt hat. Sind Sie auf Grund Ihrer Erfahrung mit ihm der Meinung, daß entsprechende Aktionen auf der Grundlage der eben genannten Kriterien von ihm auch in Zukunft besonders hilfreich durchgeführt werden können? Wollen Sie die Zusammenarbeit fortsetzen, oder schließen Sie eine solche Zusammenarbeit in Zukunft aus?

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Jetzt kommt wieder der Abwägungsprozeß um die Spitzfindigkeiten in einer solchen Frage, wie Sie sie hier stellen. Ich weiß, daß frühere Bundesregierungen für die Bemühungen solcher Menschen, die für außergewöhnlich schwere Fälle von Geiselnahme Lösungen hatten, dankbar waren. Ich weiß, daß auch Ihre Fraktion in einen solchen Fall mit Herrn Mauss eingebunden war. Die Frage der „Unanständigkeit" stellt sich erst hinterher. Als die Verfahren gelaufen sind, haben sich diejenigen, die Entscheidungsträger waren, diese Entscheidung sicherlich nicht leichtgemacht. Es war erfolgreich, und es war im Rahmen des Möglichen, dies zu tun. Zu Herrn Mauss sage ich Ihnen: Er befindet sich auch als Deutscher in einer schwierigen Situation. Er sitzt im Hochsicherheitstrakt in Medellin. Im übrigen bin ich erstaunt, daß es auch Journalisten gibt, die dies nicht mit geheucheltem Bedauern sehen, sondern die ein Stück weit die Sorge auch um diesen Staatsbürger mittragen. Ich bin gespannt, welche Lösungen es gibt, hier zu helfen, wenn man sich die entsprechenden Punkte in der Zukunft einmal genau ansieht. In einem bin ich mir ganz sicher: Herr Mauss wird eine solche Tätigkeit nicht mehr ausführen. Er wäre auch nicht mehr in der Lage dazu, weil er enttarnt worden ist; damit besteht diese Möglichkeit gar nicht mehr. Ich wünsche ihm übrigens, daß er dies mit den damit verbundenen Risiken nach seiner Entlassung - jeder weiß, wie hoch die Strafen sein können: beliebig hoch - nicht mehr tun muß. Insofern will ich Ihre Frage dahin gehend beantworten, daß er mit Sicherheit nicht mehr die Chance hat zu helfen - wem auch immer.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage steht im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit von BND und Mauss. Offenbar ist es so, daß die Sicherheitsbehörden schon seit einigen Jahren jegliche Zusammenarbeit, Kooperation mit Mauss ausschließen. Halten Sie es in diesem Fall für angemessen, daß Sie ein sogenanntes Gesprächsverhältnis zu Herrn Mauss haben und weiter mit ihm zusammenarbeiten, was so weit geht, daß Sie sich Zeugenaussagen und Zeitungsberichten zufolge sogar duzen lassen und er Ihnen zum Geburtstag eine Krawatte schenkt? ({0}) Ist das in diesem Fall - Sie haben die Hintergründe und die humanitäre Arbeit, die Sie mit ihm erledigen, geschildert - angemessen?

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Herr Kollege Such, wir haben ein Frageniveau erreicht, auf das ich mich nicht begebe. ({0}) Ich sage Ihnen auch: In Deutschland muß Herr Mauss sehr einsam gewesen sein, wenn nur ich sein Gesprächspartner war ({1}) auch in der Vergangenheit. Insofern will ich zu dieser Frage keine weiteren Ausführungen machen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vor dem Hintergrund der in der Grundfrage von Ihnen nicht bestrittenen langjährigen Tätigkeit von Herrn Mauss in Kooperation mit der Bundesregierung - in welcher Form auch immer das im einzelnen gewesen sein mag - und Ihrer Antwort auf meine Nachfrage zur vorigen Frage frage ich Sie nach den Kriterien, die Sie bei solchen Fällen an Ihre Kooperationspartner anlegen, angesichts der Korruptionsvorwürfe, die gegen Herrn Mauss im Zusammenhang mit seiner Arbeit für Siemens erhoben wurden. Ich möchte wissen, seit wann Ihnen diese Vorwürfe bekannt sind und wann und in welcher Form Sie diesen Vorwürfen nachgegangen sind oder nachgehen wollen.

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Herr Kollege Beck, ich sage ebenso wie bei meiner Antwort auf die Frage Ihres Vorredners: Ich weigere mich schlichtweg, Ihnen Auskunft über Dinge zu geben, für die ich weder verantwortlich bin noch Verantwortung tragen muß. Im übrigen bezweifle ich, daß sie richtig sind. Zu den Anforderungen: Ich habe vorhin breit ausgeführt, welche Notwendigkeiten bei Abwägungsprozessen bestehen, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten. Wenn ich mich da an so starre Regelungen, wie Sie sie mir vorgeben wollen, gehalten hätte, wenn ich mit dieser Frage so umgegangen wäre, dann wäre noch keiner herausgeholt worden; davon bin ich überzeugt. ({0}) Ich habe Ihnen Beispiele genannt, Herr Beck, mit wem wir alles geredet haben, wenn es um die Freilassung von Menschen gegangen ist. Das geht nicht mit dem Hausmeister der Teheraner Universität, es geht aber mit den Verantwortlichen. Ich sage Ihnen: Am Ende werden wir in dieser Frage bestätigt bekommen, daß wir richtig gehandelt haben - auch im Hinblick auf sehr aktuelle Diskussionen. ({1}) - Die Kriterien sind die Menschen, die als Geiseln genommen worden sind oder zum Tode verurteilt wurden. Das ist für mich ein Kriterium. Alles andere ist Theorie. ({2})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Buntenbach.

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Ich wünsche Ihnen nicht, daß Sie in diese Situation kommen, Herr Kollege.

Annelie Buntenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Schmidbauer, ich glaube, ich habe das Wort. Herr Staatsminister, ich möchte mich mit Ihnen jetzt nicht darüber auseinandersetzen, ob wir eventuell zu dem Schluß kommen, daß sich Geheimdienste im rechtsfreien Raum bewegen ({0}) oder ob es Kriterien gibt, nach denen man Fragen stellen kann, die auch beantwortet werden können. Statt dessen möchte ich mich auf den Anfang der Auseinandersetzung um die Dringliche Frage 4 des Kollegen Schily beziehen. Da haben Sie gesagt, daß die Aktivitäten des Herrn Mauss von der Bundesregierung positiv begleitet werden bzw. worden sind. Nun ist ein solcher Begriff ja ausgesprochen weit gefaßt. Ich wüßte gern von Ihnen etwas genauer, was „positive Begleitung" präzise heißt, wie weit das geht. Ich möchte das gem in bezug auf einen Punkt geklärt haben, nämlich ob es zutrifft, daß die Bundesregierung schon 1987 die kolumbianische Regierung gebeten hat, die dortigen Aktivitäten des Herrn Mauss nicht zu enttarnen, und daß dafür Hilfen des Bundeskriminalamtes beim Aufbau einer polizeilichen Sondereinsatztruppe zugesagt worden sind.

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Frau Kollegin, diese Frage kann vom Innenministerium beantwortet werden. Wenn Sie, Herr Präsident, es gestatten, kann Kollege Lintner zu dieser Frage etwas sagen. Das ist nicht mein Ressort. Ich weiß es nicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte schön.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, Sie nehmen damit praktisch Ihre Frage 56 vorweg. Deshalb darf ich mich auch auf den Antworttext beziehen, der mir zur Verfügung steht. Er lautet: Die in der zitierten AFP- Meldung veröffentlichte Behauptung, das BKA habe 1987 verhindert, daß die Aktivitäten des Privatagenten Mauss an die Öffentlichkeit gelangen, indem es der kolumbianischen Regierung die Finanzierung einer Sonderpolizeitruppe angeboten habe, wenn sie das Bekanntwerden der Machenschaften Mauss' vermeide - so wörtlich -, trifft nicht zu.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das ist jetzt ein bißchen durcheinandergeraten, weil nun die Frage 56 schon beantwortet worden ist. Ich hätte das eigentlich stoppen müssen. Ich muß nachher die Frage 56 noch einmal aufrufen, weil ja Zusatzfragen gestellt werden können. Der nächste Fragesteller auf meiner Liste ist der Kollege Frank Hofmann.

Frank Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002682, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, auch ich knüpfe an Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Schily an, in der Sie von der „positiven Begleitung" gesprochen haben und davon, daß es eine Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und Herrn Mauss seit 1984 gegeben habe, in die auch Institutionen der Sicherheitsbehörden eingebunden gewesen seien. Auch das Bundeskriminalamt ist eine Sicherheitsbehörde. Ich frage Sie: War auch das Bundeskriminalamt eingebunden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe auf die Dringliche Frage 4 geantwortet, in der Herr Kollege Schily auf die Jahre 1984 folgende abstellt. Ich habe ausgeführt, daß es Vorgänge gab, bei denen es ebenfalls eine „positive Begleitung" der Bundesregierung gegeben hat. Ich meine Entführungsfälle und anderes. Ich kenne nun das Datum nicht. Aber im Zusammenhang mit einer der Fragen, die noch aufgerufen werden, wird klar ausgeführt, wann die offizielle Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden beendet wurde. Das war meines Erachtens, Herr Kollege Lintner, in bezug auf das Bundeskriminalamt Jahr 1979, und in bezug auf den BND war das Anfang der 80er Jahre. Mit dem BfV gab es keine solche Zusammenarbeit. Ich bin gern bereit, Ihnen die konkreten Daten gleich im Anschluß zu nennen; ich muß sie mir nur heraussuchen. ({0}) - Ja, solche, bei denen sich das Verhältnis auf den Wunsch gründete, im Rahmen bestimmter Bemühungen zu helfen. Es gibt aber auch - darauf habe ich ständig hingewiesen - eine Begleitung, bei der Herrn Mauss bestimmte Hilfen gegeben wurden. Ich will das nicht im einzelnen ausführen; ich habe auf einen exemplarischen Fall, den von Cordes und Schmidt, hingewiesen, bei dem Herr Mauss im Auftrag von Firmen zwei Geiseln befreit hat und bei dem die Bundesregierung - sprich: Sicherheitsapparate - helfend zur Seite gestanden hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmidbauer, die Frage, die Ihnen gestellt worden war, zielte nicht so sehr darauf ab, ob die Tätigkeit des Herrn Mauss und seiner Frau dem Bundesnachrichtendienst zugerechnet werden kann. Er hat ja viele, auch private, Auftraggeber gehabt. Vielmehr zielte die Frage eigentlich darauf ab, ob Ihre Tätigkeit dem Bundesnachrichtendienst zugerechnet werden kann, weil Sie ja zu einem Teil die Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst ausüben und darum immer der Eindruck entsteht: Was Sie tun, tut der BND. Darum ist ja die Frage von Bedeutung: In welcher Eigenschaft haben Sie denn gehandelt?

Not found (Gast)

Als Staatsminister im Bundeskanzleramt. Aber ich kann die Hüte nicht trennen. Denn wir hatten bei diesen Entführungsfällen auch den Bundesnachrichtendienst eingeschaltet. Nur, die hilfreiche Begleitung hatte nichts mit den Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes zu tun.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Bachmaier, danach Kollege Olderog.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben vorhin gesagt, daß Sie Herrn Mauss in diesen Fällen, mit denen er in Kolumbien beschäftigt war und in die Sie eingeschaltet waren, in „unkonventioneller Weise" unterstützt haben. Können Sie uns konkret und bezogen auf die Einzelfälle sagen, wie diese unkonventionelle Unterstützung ausgesehen hat? Ich würde hier gerne Fakten erfahren.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe das, was normalerweise nicht öffentlich gesagt wird, sehr präzise beschrieben. Ich habe Ihnen die Details verschiedener Fälle sehr konkret geschildert und mehrere Hinweise darauf gegeben, ({0}) zum Beispiel zu den Schreiben, den Pässen und ähnliches. ({1})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Olderog.

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Sie die Geisel, Frau Schoene, nicht ihrem ungewissen Schicksal überlassen konnten und weil Sie als Bundesregierung verpflichtet sind, alles zum Schutz des deutschen Staatsangehörigen zu tun, möchte ich Sie fragen: Können Sie einmal schildern, vor welchen konkreten Alternativen Sie gestanden haben, wie diese einzelnen Möglichkeiten zu charakterisieren sind, insbesondere wie ihre Erfolgsaussichten zu bewerten sind, und weshalb Sie sich letztlich entschieden haben, die eigenverantwortliche Aktion von Herrn Mauss zu unterstützen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Olderog, wir hatten mehrere Bilder von der Situation der Frau Schoene. Zu einem bestimmten Zeitpunkt rissen alle Verbindungen ab. Wir waren nur darüber in Kenntnis, daß sie sich offensichtlich in einer schwierigen Situation befunden hat. Der vorhin schon erwähnte Gouverneur hat diese Haft beschrieben; ich kann das nicht nachvollziehen. Zu diesem Zeitpunkt haben sich Herr Schoene und andere an Herrn Mauss mit der Bitte um Hilfe gewandt. Wir haben zu diesem Zeitpunkt die Situation noch nicht so eingeschätzt, daß eine Hilfestellung unmittelbar notwendig war. Wir hatten auf ein entsprechendes Lebenszeichen gewartet. Das Umfeld, von dem ich vorhin gesprochen habe, meinte, dieses Indiz als positives Lebenszeichen bewerten zu können. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns entschieden, sehr kurzfristig entsprechende Hilfestellungen zu geben. Diese hatten leider nicht den Erfolg der vergangenen Missionen. Ein Erfolg war zwar der, daß Frau Schoene, die ihre Helfer nicht gekannt hat, frei war; aber wir stehen jetzt vor dieser Problematik. Die Umstände ihrer Haft waren uns in etwa bekannt. Wir mußten abwägen, daß sie 90 Tage in einem Erdloch verbracht hat. Allerdings sind wir von der Tatsache ausgegangen, daß sich Frau Schoene in der Gewalt anderer befindet und sie wohl auch innerhalb der Gruppierungen „verschoben" wurde. Wir konnten also nicht davon ausgehen, daß sie eine Chance hatte, befreit zu werden. Im Gegenteil, wir hatten die Vermutung, daß es zu großen Komplikationen hätte kommen können, wenn wir nicht den Weg über Herrn Mauss gewählt hätten. Ich habe vorhin erwähnt, daß neueste Meldungen, die ich bislang nicht kannte, davon ausgehen, daß auch ein Vertreter der Kirche, der hier hilfreich war, zusammen mit Herrn Mauss Frau Schoene zu befreien, in einer schwierigen Situation ist.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Riedl, danach Herr Kollege Scholz.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, mich hat eine Ihrer Feststellungen doch sehr bedrückt - vor allen Dingen angesichts der Tatsache, daß es auch in Zukunft Entführungen deutscher Staatsbürger überall auf der Welt geben wird -: Herr Mauss wird eine solche Tätigkeit künftig offensichtlich nicht mehr ausführen. Wenn es stimmt, was ich höre - daß er in etwa 80 Fällen erfolgreich bei der Befreiung von Geiseln tätig war -, macht mich das Dr. Erich Riedl ({0}) sehr, sehr nachdenklich. Ich sage es einmal so: Ich möchte nicht das nächste Entführungsopfer sein, wenn es eine solche Hilfe nicht mehr gibt. Ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, bei der kolumbianischen Regierung alles zu versuchen, damit es zu einer Lösung dieses Falles kommt, die einschließt, daß durch die Tätigkeit der Bundesregierung deutsche Entführungsopfer auch in Zukunft erfolgreich befreit werden können?

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Herr Kollege Riedl, das wird jede Bundesregierung machen müssen. Ich werde aber zu dem Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr die Verantwortung trage, sehr genau beobachten, ob alle Abwägungskriterien von denen, die diese Fragen gestellt haben, auch angewandt werden oder - ich sage das sehr ironisch - ob man sich nicht entschließt, unkonventionell und schnell zu helfen, um bei entsprechendem Erfolg ein Stück weit eine für einen selber positive Reaktion der Befreiten zu erleben. Ich habe auch schon anderes erlebt. Manchmal weiß ich nicht, ob es bei einer solchen Reaktion nicht besser gewesen wäre, nichts zu tun. Bei all den Fällen, die wir hatten - ich treffe mich noch mit vielen dieser Menschen, sogar sehr regelmäßig -, war für mich das Wichtigste, daß es gelungen ist, den Menschen zu helfen und sie aus Kerkerhaft zu befreien. Drei Jahre, drei Monate, drei Tage angekettet zu sein war einer der Fälle. Mehrere Jahre in der Todeszelle zu sitzen war ein anderer Fall. Das kann wohl nur der beurteilen, der dieses Schicksal erlitten hat. Jeder, dem in Zukunft in ähnlichen Fällen geholfen werden muß, wird über alle theoretischen Betrachtungen, die man anstellt, „hocherfreut" sein. ({0}) Ich trage das gern. Die entsprechenden Unterlagen können eingesehen werden. Jemand hat die Frage gestellt: Wer beauftragt da eigentlich? Ich weiß mich da einig mit dem Kollegen Hirsch. Wenn eine andere Regierung die Bitte ausgesprochen hatte, in solchen Fällen zu helfen, haben wir uns dieser Bitte nicht verschlossen. Auch da zeigt die Vergangenheit: Wenn es Erfolge gegeben hat, war alles wunderschön. Die Bemühungen, Menschen, die zehn Jahre in Geiselhaft sitzen, zu befreien, sind nicht immer von Erfolg gekrönt. In einem der Fälle waren es zehn Jahre. Um diesen Fall bemühten sich, glaube ich, alle - jeder an seiner Stelle. „Dilettantisch", „Westentaschen-Kissinger" und ähnliches - wie ich gestern noch in „Frontal" gehört habe - mögen aus redaktioneller Sicht ein wunderschöner Gag sein; das betrifft mich aber nicht. Ich wünsche mir, daß diejenigen nicht in eine solche Situation kommen und sich fragen müssen: Vielleicht gibt es da irgendwo einen, der sich intensiv um mich kümmert. Ich wollte immer vermitteln, daß Leute, die im Ausland in Schwierigkeiten waren, sicher sein konnten, daß wir uns um sie kümmern. Das ist übrigens gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt geschehen. Ich höre da immer etwas von „Nebenaußenpolitik". Einen größeren Schwachsinn bei solchen Fragen kann es überhaupt nicht geben. ({1}) Das war eine gemeinsame Bemühung aller Leute. Da ging es nicht darum, irgend jemanden zu umgehen, Herrn Kinkel zu umgehen. Herr Kinkel erklärt mir in all diesen Fällen, daß er uns in solchen Fragen unterstützt hat. Ich halte das für völlig normal. Aber von außen wird konstruiert, daß da etwas divergiert. Es mag sein, daß in dem einen oder anderen Fall eine andere Ansicht über die Maßnahmen, die zu treffen sind, besteht. Die Einigkeit hat überwogen. Ich weiß mich mit dem Außenminister einig, daß er diese Fälle voll abdeckt und auch politisch mitverantwortet.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Scholz. Danach der Kollege Kemper, danach der Kollege Gansel.

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben uns in der Beantwortung der bisherigen Fragen die Probleme sehr anschaulich gemacht, denen die Bundesregierung, nicht nur Sie persönlich - ich stelle ausdrücklich fest: die Regierung insgesamt -, gegenübersteht, wenn es um die Rettung von Menschenleben, um die Rettung von Geiseln geht. Sie haben deutlich gemacht, daß es immer wieder schwierige Fragen zur Güterabwägung im einzelnen zu entscheiden gibt. ({0}) - Ich muß meine Frage schon begründen. Sie bezieht sich ein bißchen auf das, was Sie gesagt haben, Herr Schily. Sie wissen, auch beim letzten Mal habe ich mit einer Nachfrage versucht, Ihnen zu helfen. Immer wieder tauchen die Begriffe „informell", „unkonventionell" auf. ({1}) Was ist darunter im einzelnen zu verstehen? Meine Frage ist folgende: Teilen Sie mit mir die Einschätzung - auf dem genannten Hintergrund -, Herr Staatsminister, daß in diesen Bereichen, in denen es letztlich um individuelle humanitäre Interventionen geht, Außenpolitik und Innenpolitik - Innenpolitik im Sinne von Kriminalitätsbekämpfung - vielfältig ineinandergreifen müssen, ohne daß man unsere staatsinternen Kompetenzgrenzen und Maßstäbe zugrunde legen kann, und daß man sich in solchen Fällen operativ auch informeller - wie Sie sagen: unkonventioneller - Mittel zu bedienen hat? Teilen Sie die Einschätzung, daß dies eine notwendige Verpflichtung ist, die erfüllt werden muß? ({2})

Not found (Gast)

Ich teile dies in Gänze und bin auch sehr dankbar für die Unterstützung, die Sie durch Ihre Zwischenfrage mir im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit gewährt haben. Aber ich bin der Meinung, darin steckt noch viel mehr. Es gibt Auswirkungen, die positiv auf die Bundesrepublik Deutschland und auf unsere innere Sicherheit ausstrahlen. Ich will das jetzt nicht im einzelnen darlegen; aber jeder hier im Saal weiß, was ich meine, wenn ich davon rede, daß wir bei entsprechenden humanitären Aktivitäten zugleich Zusicherungen bekommen haben, daß auf unserem Boden und in Europa in Zukunft keine extremistischen Aktivitäten dieser Art mehr stattfinden. Das war eines der Ergebnisse, das unmittelbar Auswirkungen hat. Umgekehrt haben wir bei entsprechenden Fehlschlägen die Antworten sofort auf unserem Boden. Ich verweise hier auf das, was in letzter Zeit bei unseren Nachbarn passiert ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist das Land, in dem Organisationen, extremistischer und terroristischer Art am stärksten in der Welt vertreten sind. Es gibt keine Organisation, die nicht auf unserem Boden ist. Es gibt Tausende von Extremisten, die hier ihre Arbeit tun, jedoch bisher zum Vorteil aller in diesem Land die Gastrolle respektieren. Aber wehe, es passiert in diesen Ländern etwas und man muß im humanitären Bereich aktiv werden: Ohne entsprechende Sensibilität hätte dies Auswirkungen. Ich kann das an zwei Beispielen der letzten Monate sehr detailliert belegen. Mir hat der Führer einer solchen Organisation diese Dinge erläutert und mich darauf hingewiesen, daß es immer - übrigens mit Erfolg - zu diesem Dialog kommen muß, auch wenn es um humanitäre Fragen geht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wer die menschliche und politische Seite der Geiselnahme ehrlich betrachten will, muß bereit sein, zwischen Geiselnahmen im Nahen Osten, die sehr andere Zielsetzungen und Motivationen haben, und der gewerbsmäßigen Geiselnahme in Kolumbien differenzieren, die eine Finanzierung der Narko-Guerilla in dem Umfange darstellt, den Sie geschildert haben. Das heißt, in Kolumbien geht es um den Abkauf von Geiseln, und der Ausdruck „Geiselbefreiung", Herr Staatsminister, verschiebt bei allem Elend, das dahintersteckt, die Nuancen etwas. Das ist politisch schon von Bedeutung. Deshalb frage ich Sie, um zu dem Kern der Auseinandersetzung wieder zurückzukommen, nämlich der Einschaltung des gewerbsmäßigen Vermittlers bei Geiselfreikauf, Mauss, von dem die kolumbianischen Behörden, die ja von all dem noch viel mehr betroffen sind als die deutschen, sagen, daß er die Guerilla dadurch finanziert - ({0}) - Darf ich meine Frage zu Ende bringen? Neben dem Komplex der politischen Friedensinitiative, den wir zu bewerten haben, ist folgende Frage zu stellen: Nachdem Sie gesagt haben, daß Sie Frau und Herrn Schoene persönlich nicht gesprochen haben, und Herr Schoene im Fernsehen mehrfach erklärt hat - ich habe es selbst gehört -, daß Herr Mauss sich als Vermittler aufgedrängt habe und daß danach der Preis für den Freikauf seiner Frau gestiegen sei, möchte ich wissen, welche Information Sie für Ihre Erklärung hier im Plenum haben, Herr Mauss sei von der Familie Schoene eingeschaltet worden, auf welche Quelle Sie sich bei diesem Widerspruch zwischen Ihrer Darstellung und der Darstellung von Herrn Schoene im Fernsehen stützen, der sich ja erst einmal darüber freut, daß seine Frau wieder zu Hause ist, und von dem man normalerweise erwarten würde, daß er Dankbarkeit zeigt. In dieser Situation zeigt er aber Verbitterung über die Rolle von Mauss.

Not found (Gast)

Herr Kollege Gansel, das ist der Punkt, von dem ich sagte, daß wir das aufklären. Ich habe mit Herrn Schoene nicht gesprochen. Ich kann Herrn Schoene bitten - das werde ich auch tun -, mir seine Äußerungen zu erläutern. Ich habe die Äußerung seiner Frau im Kopf, die sagte, sie sei dankbar, daß dies jemand gemacht habe, den sie nicht kannte. Das ist das eine. Ich kann dazu nichts sagen. Ich habe das auch nicht ausgewertet. Aber das ist ein ganz einfaches Verfahren. Es gibt andere Gesprächspartner aus diesem Umfeld, die mir das glatte Gegenteil von dem sagen, was über die Medien gekommen ist. Aber das läßt sich leicht aufklären. Ich habe ein Interesse daran, das aufzuklären. Ich theoretisiere, Herr Gansel, aber wer über das Hochtreiben von Lösegeld spricht - es ist kein Lösegeld bezahlt worden -, der muß sich gewaltig irren - theoretisch. Ich will Ihnen auch in der Frage der Gewerbsmäßigkeit nicht recht geben. Kolumbien ist ein Musterbeispiel einer solchen „Industrie der Geiselnahme". Es gibt 44 westliche Geiseln, die aber nicht das Hauptkontingent und die Hauptbilanz dieses Gewerbes sind. Es gibt viele andere Länder der Erde, bei denen wir das genauso feststellen. In diesen Ländern erfolgt nicht nur die politische Geiselnahme, sondern natürlich auch eine Geiselnahme, die nur dadurch beendet werden kann, daß Geld fließt. Ich erlebe das und sehe, was an Forderungen kommt. Es wird immer Geldforderungen geben, wenn es darum geht, Geiseln zu befreien. Sie brauchen viel Geld in gewissen Teilen der Erde, um die dortigen Strukturen und operativen Maßnahmen zu bezahlen. Es ist nicht nur eine Gesetzmäßigkeit in Kolumbien. Ziel muß es sein, daß es nicht mehr zu solchen Geiselnahmen kommt. Wir müssen alles dafür tun. Ich habe eingangs gesagt - das ist für mich eine wichtige Bewertung -, daß wir alle Maßnahmen unterstützen, damit es nicht zu solchen Vorfällen kommen kann und eine solche „Industrie" ausgehungert wird. Deshalb kann es manches Mal auch gut sein, sich - das habe ich mitgenommen - mit anderen Ländern abzustimmen, einen Abwägungsprozeß zu machen und zu sagen: Hier kann kein Geld fließen. Man muß primär auf lösegeldfreie Befreiungsmethoden setzen. Dafür gibt es aber nur einen ganz schmalen Grat. Die Menschen dort werden sich einen Teufel darum scheren, wenn Sie sagen: Ich will diese „Industrie" abbauen. In einem Punkt haben Sie jedoch recht - und das ist auch meine Überlegung -: Wir müssen alles tun, um Geiselnahmen zu verhindern, und deshalb sind Gespräche am runden Tisch vonnöten. Herr Gansel, ich will dazu sagen, daß in meiner Erklärung, als diese Gespräche stattgefunden haben - nicht mit Herrn Mauss -, die erste Frage war: Wie kommt es eigentlich, daß ich mit jemandem rede, von dem ich annehmen muß, daß sich in seinem Gewahrsam europäische Geiseln befinden? Der Fall ist gelöst. Aber in Zukunft sind Round-table-Gespräche, bei denen die Guerilla sagt, an diesem Ort wäre unsere Sicherheit garantiert, da würden wir es gern machen, natürlich zu führen. Ob der Versuch dann gut ist und ob da der größte Kenner am Werk ist - es gibt mit Sicherheit Hunderte von Außenpolitikern im deutschen Parlament, die es besser machen -, bleibt offen. Aber alle sollten sich bemühen, ihre Gesprächskontakte zu nutzen, damit die Partner an einen Tisch kommen. Das war mein einziges Bemühen, das ich bis heute nicht aufgegeben habe; denn ich kenne Stimmen von allen Seiten, die sagen: Das ist die einzige Lösungsmöglichkeit, die wir haben: Vernunft mitzubringen an einen runden Tisch - mit Waffenstillstand. Die Skala der Morde, der Schwerverletzten kann ich mir morgen vom Bundeskriminalamt wieder vorlegen lassen, das bekanntermaßen Beamte in Kolumbien hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe die Dringliche Frage 5 des Kollegen Günter Verheugen auf: Hat die Bundesregierung nach der Inhaftierung des Privatagenten Werner Mauss zu ihm Verbindung aufgenommen, und welche Informationen hat sie in den letzten Tagen unmittelbar und von Dritten über seine Aktivitäten erhalten?

Not found (Gast)

Wie jeder deutsche Staatsbürger hat auch Werner Mauss Anspruch auf konsularische Betreuung. Die Botschaft in Bogota hat diese konsularische Betreuung übernommen. Der Konsularbeamte der Botschaft hat am 18. November 1996 gemeinsam mit dem Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Medellin das Ehepaar Mauss in der Dienststelle der für die Entführung zuständigen Einheit GAULA in Medellin aufgesucht. - Ich denke, daß der Honorarkonsul alles tut, um eine entsprechende Betreuung zu realisieren. Ich möchte ihm an dieser Stelle danken. Ich weiß, unter welchen erschwerten Bedingungen diese Hilfe nur möglich ist. An der ersten Anhörung durch den Staatsanwalt konnte der Vertrauensanwalt des Ehepaares Mauss teilnehmen, nicht hingegen der Konsularbeamte und der Honorarkonsul. Vom 24. bis 26. November haben sich zwei aus Deutschland eingereiste Rechtsanwälte von Herrn Mauss in Bogota und Medellin aufgehalten. Die Botschaft hat den Anwälten bei der Durchreise in Bogota assistiert. Die konsularische Betreuung von Herrn Mauss wird fortgesetzt. Aus Presseberichten von heute geht hervor, daß diese Vorwürfe auf Erpressung, Entführung und Besitz gefälschter Ausweispapiere lauten. Von offizieller kolumbianischer Seite ist die Botschaft hierüber bisher nicht informiert worden. Ich möchte Ihnen noch sagen, daß es für den berufenen Rechtsanwalt mehrere Tage nicht möglich war, Herrn Mauss zu besuchen, weil nach unserer Kenntnis zum einen an drei Tagen gestreikt wurde und zum anderen der zuständige Staatsanwalt in Urlaub - oder wo auch immer - war. Dies waren insgesamt fünf Tage in der 10-Tages-Frist, die nicht genutzt werden konnten. Die Bundesregierung bemüht sich über das Auswärtige Amt um die entsprechende Betreuung und die Hilfestellung für Herrn Mauss und seine Frau.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Verheugen.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, meine Zusatzfrage bezieht sich auf die offiziellen Kontakte zwischen der Bundesregierung und der kolumbianischen Regierung. Mich interessiert, ob eigentlich die kolumbianische Regierung Auskünfte von der Bundesregierung verlangt hat. Das wäre naheliegend. Immerhin handelt es sich um den Mann, der der kolumbianischen Regierung von Ihnen als der hilfreiche Mensch für den Friedensdialog angeboten worden ist. Dieser wird plötzlich als jemand festgenommen, der auf kolumbianischem Territorium gegen die Gesetze dieses Landes verstoßen hat. Hat die kolumbianische Regierung um Aufklärung dieses Zusammenhangs gebeten?

Not found (Gast)

Die kolumbianische Regierung hat Fragen an das Auswärtige Amt gestellt, die beantwortet werden. Es handelt sich um normale Fragen, die eigentlich nicht zu diesem Komplex gehören. Der Präsident Kolumbiens hat sich über die bilateralen Beziehungen geäußert, die sehr gut seien und mit diesem juristischen Verfahren nichts zu tun hätten. Sie können davon ausgehen, daß ich bei der nächsten Möglichkeit, die ich habe, versuchen werde, zu klären, a) welche Vorwürfe erhoben werden und b) wie die Sicht der Verantwortlichen ist. Ich kann nicht von der Regierung Kolumbiens irgend etwas in Erfahrung bringen. Aber ich kann Gesprächspartner nutzen, die ich dort kenne und die mir dazu sicher Ausführungen machen werden. Sie können aber auch davon ausgehen, daß ein gegenseitiger offizieller Austausch über die Botschaft in Bogota und das Auswärtige Amt stattfinden wird.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zweite Zusatzfrage.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß noch einmal nachfragen: Verstehe ich Ihre Antwort richtig, daß Sie der Regierung Kolumbiens - jedenfalls bisher - die Auskünfte, die Sie uns heute in dieser Fragestunde gegeben haben, noch nicht gegeben haben?

Not found (Gast)

Ich kann es im Einzelfall nicht überprüfen, aber die Fragen, die von seiten der kolumbianischen Regierung gestellt wurden, werden noch oder sind bereits beantwortet. ({0}) - Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß es nicht. Aber sie werden mit Sicherheit beantwortet werden. Es wird auch von unserer Seite Nachfragebedarf gerade im Hinblick auf die Anklagepunkte geben, die ich vorhin erwähnt habe.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, inwieweit waren der Bundeskanzler und die kolumbianische Regierung insbesondere darüber informiert, daß auf Ihre Vermittlung und Einladung sowie auf Vermittlung und Einladung von Herrn Mauss drei führende ELN-Guerilleros, Manuel Perez sowie Comandante Nicolas und Comandante Antonia Garcia, die zu den meistgesuchten Straftätern Kolumbiens gehören, zu Vorträgen und Diskussionen mit Politikern nach Deutschland und Frankreich reisten? - So der „Spiegel" vom 3. Dezember 1996. - Hält die Bundesregierung die Initiative zu einer solchen Reise für mit kolumbianischen Gesetzen vereinbar sowie für mit den auswärtigen Beziehungen zu Kolumbien verträglich?

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Such, ich habe den Eindruck, daß sich diese Zusatzfrage eher auf die Dringlichkeitsfrage 6 bezieht.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie bezieht sich auf die zuletzt gestellte Frage nach den Beziehungen zu Kolumbien.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Nein, Sie haben Ihre Frage mit den Worten eingeleitet: Inwieweit war der Bundeskanzler informiert. - - Diese Frage entspricht der Dringlichkeitsfrage 6. Deshalb bitte ich Sie, damit einverstanden zu sein, wenn wir Ihre Zusatzfrage dorthin schieben. Einverstanden?

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Einverstanden. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Bitte, Herr Kollege Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte noch einmal bezüglich der letzten Antwort des Staatsministers nachfragen: Ihre Vorgespräche und Ihre Friedensinitative waren mit der kolumbianischen Regierung abgestimmt. Die kolumbianische Regierung war auch darüber informiert, daß Sie dabei Herrn Mauss - wenn auch unter fremdem Namen - einsetzten. Die kolumbianische Regierung war aber nicht darüber informiert, daß Herr Mauss gleichzeitig in einer humanitären Angelegenheit im Rahmen eines Geiselfreikaufs tätig war. Ist das so richtig?

Not found (Gast)

Wenn Sie es so formulieren, ist es so richtig. Ich muß dazu aber ausführen, daß der erste Teil Ihrer Frage sehr pauschal gestellt wurde. Ich habe davon gesprochen, daß Sondierungsgespräche geführt worden sind und daß bei diesen Vorsondierungen jeder seine Rolle hatte.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen zur Dringlichkeitsfrage 5. Dann rufe ich Dringlichkeitsfrage 6 des Kollegen Günter Verheugen auf: Trifft es zu, daß Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl über die Kontakte zwischen dem Staatsminister im Bundeskanzleramt Bernd Schmidbauer und dem Privatagenten Werner Mauss ({0}) informiert war?

Not found (Gast)

Herr Kollege Verheugen, der Bundeskanzler wurde in allgemeiner Form über die Bemühungen von mir unterrichtet, dringende humanitäre Problemfälle in Kolumbien zu lösen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, bitte.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Frage bezieht sich nicht so sehr auf humanitäre Aspekte. Die Frage bezieht sich auf den - außenpolitisch jedenfalls - viel wichtigeren Komplex, der in dieser Fragestunde noch keine große Rolle gespielt hat, nämlich auf Ihre Bemühungen, einen Friedensdialog in Kolumbien in Gang zu setzen, was man nur begrüßen kann und was sicher auch jeder hier im Hause unterstützt. Die Frage ist, inwieweit der Bundeskanzler davon unterrichtet war und ob Sie es für vertretbar halten, den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in eine Situation zu bringen, daß er einem befreundeten Land einen Menschen wie Herrn Mauss als Vermittler in einer für dieses Land existentiellen Frage anbietet, und gleichzeitig zu verschweigen, daß dieser Mann auf dem Territorium dieses Landes tätig ist und die Gesetze dieses Landes verletzt?

Not found (Gast)

Herr Verheugen, das ist die Frage, die Sie stellen, aber die entspricht nicht der Wirklichkeit. ({0}) - Ich will es gerade ausführen. Der Bundeskanzler ist über die Bemühungen informiert worden, Sondierungsgespräche im Hinblick auf Friedensverhandlungen zu führen. Er ist gut informiert gewesen im Hinblick auf das, was dann auch stattgefunden hat. Auch Bischof Lehmann hat dazu etwas gesagt, daß es den Beginn solcher Gespräche gegeben hat. Sie unterstellen, daß Herr Mauss Mitglied dieses Runden Tisches werden sollte oder daß Herr Mauss eine Aufgabe in der Bundesrepublik Deutschland für die Gespräche am Runden Tisch hatte. Das ist falsch. Herr Mauss hat eine ganz bestimmte Aufgabe gehabt, nämlich Kontakte für die anderen Partner zu suchen und zu finden, die daran teilnehmen mußten. Das ist auch gelungen. Es ist natürlich falsch, diese Situation so darzustellen, wie Sie es tun, und mir damit zu unterstellen, daß wir etwas tun, was in diesem Zusammenhang von niemandem mitgetragen werden konnte.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Noch eine Zusatzfrage.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wäre demnach mein Eindruck falsch, Herr Staatsminister, daß die kolumbianische Regierung den Eindruck gewinnen mußte, der von Ihnen eingesetzte Privatagent Mauss sei Ihr Vertrauens- und Mittelsmann, um den von Ihnen gewollten Friedensdialog in Gang zu bringen?

Not found (Gast)

Sie haben sich bei der Wortwahl wieder so verhalten, daß ich die vorherigen Ausführungen wiederholen müßte. Herr Mauss ist von uns in diesem Zusammenhang nicht eingeschaltet worden, sondern er ist eingeschaltet worden von Betroffenen, von Firmen oder von wem auch immer. Darüber habe ich ausführlich berichtet. Er hat - übrigens ohne Einschaltung - zur Vermittlung von Kontakten zur Guerilla-Seite beigetragen, ohne mit ihnen zu fraternisieren. Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen, weil das dazu führen würde, daß entsprechende Spekulationen in Medellin stattfänden. Für diesen Punkt bitte ich einfach nur um Verständnis. Ich muß auch davon ausgehen - das hilft auch -, daß die kolumbianische Seite sehr wohl wußte, welche Möglichkeiten Herr Mauss in diesem Zusammenhang hatte.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Such, da ich Sie eben auf die Dringlichkeitsfrage 6 verwiesen habe: Wollen Sie jetzt Ihre Zusatzfrage stellen?

Not found (Gast)

Ich habe die Frage noch im Ohr, aber würden Sie sie wiederholen?

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, inwieweit waren der Bundeskanzler und die kolumbianische Regierung insbesondere darüber informiert, daß auf Vermittlung und Einladung durch Sie und Herrn Mauss drei führende ELN-Guerilleros, Comandante Nicolas und Comandante Antonio Garcia, die zu den meistgesuchten Straftätern Kolumbiens gehören, zu Vorträgen und Diskussionen mit Politikern nach Deutschland und Frankreich reisten - „Spiegel" vom 3. Dezember 1996 -, und hält die Bundesregierung die Initiative zu einer solchen Reise für mit kolumbianischen Gesetzen vereinbar sowie für verträglich mit den auswärtigen Beziehungen zu Kolumbien?

Not found (Gast)

Herr Kollege Such, das ist eine sehr breit angelegte Frage, über die der Bundeskanzler nicht informiert werden mußte, weil diese Zusammenkünfte und Gespräche nach meiner Kenntnis - zumindest bei mir - nicht stattgefunden haben. Ich schließe nicht aus, daß es in Frankreich oder in Bonn war. Aber ich schließe aus, daß der Hinweis auf die drei von Ihnen zitierten meistgesuchten Guerilleros richtig ist, sie seien zu Gesprächen hier gewesen. Ich schließe nicht aus, daß es Gespräche mit Vertretern der Guerilla gegeben hat. Aber ich glaube nicht, daß man in jedem einzelnen Fall dieser Gespräche irgend jemandem Rechenschaft ablegen muß. Vielmehr ist das die freie Entscheidung jedes einzelnen, im übrigen auch anderer Fraktionen. Ich möchte das nur einmal sagen. Ob die bei Ihnen aufschlagen, weiß ich nicht, aber es gibt viele und vielfältige Gespräche, in denen wir mit vielen Gruppen reden. Ich beziehe mich da auch auf ein Mitglied der SPD-Fraktion, das ich sehr schätze und mit dem in dem Zusammenhang Gespräche geführt wurden. Aber die Konstellation, die Sie mir hier schildern, kann ich nicht feststellen. Im übrigen würde ich jeden informieren, wenn solche Gespräche stattfänden und von erheblichem Wert wären, was den Gesprächsinhalt anlangt. Ich habe hier keine Probleme. Die Verwicklungen gibt es nicht, weil es in dieser Konstellation solche Gespräche nicht gegeben hat.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Frage, Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidbauer, warum eignete sich Herr Mauss nach Ihrer Einschätzung besonders gut für diesen von Ihnen gewünschten oder zu befördernden Friedensdialog? Lag es daran, daß er von der Rebellenseite als guter Vermittler von Einkünften angesehen wurde? Was war seine besondere Eignung?

Not found (Gast)

Das ist eine Frage, die Sie besser an Herrn Mauss selber richten. ({0}) Ich weiß nur, daß Herr Mauss von der Idee beseelt war, zu einer Dialogbereitschaft zu kommen. Unsere Überlegung hatte einen anderen Ansatz, nämlich zu versuchen, über einen gegebenen Rahmen zu vermitteln, um den runden Tisch fortzuführen, der zweimal an anderer Stelle gescheitert war. Eins ist unstrittig, daß nämlich Herr Mauss gute, persönliche Kontakte hatte - nicht zu den Guerillas, aber zum Umfeld - und diese Kontakte genutzt hat. Ich las in einem Magazin, daß es teilweise missionarischer Eifer war. Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen auch die Frage nicht beantworten, was ihn besonders prädestiniert. Herr Mauss wäre nicht an den Gesprächen am runden Tisch dabeigewesen, sondern es wären die offiziellen Vertreter der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gesellschaft Kolumbiens gewesen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wann haben Sie als Staatsminister im Bundeskanzleramt, der ja nur auf Weisung Außenpolitik betreiben kann, Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundeskanzler: Wer sagt Ihnen das?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- den Außenminister der Bundesrepublik von Ihrer beabsichtigten, im Planungsstadium befindlichen bzw. darüber hinaus bestehenden Friedensinitiative informiert? Wann haben Sie den Bundesaußenminister, der als seinerzeitiger Chef des Bundesnachrichtendienstes schon einschlägige Erfahrungen mit Herrn Mauss gemacht hat, darüber informiert, daß Sie Herrn Mauss dabei als Vermittler einschalteten? ({0}) Also: Wann hat der Bundesaußenminister Informationen über die Friedensinitiative erhalten und wann über die Rolle von Mauss?

Not found (Gast)

Ich weiß nicht, wann Herr Außenminister Kinkel Informationen erhalten hat. Ich habe Ihnen heute im Auswärtigen Ausschuß auf genau diese Frage erläutert, daß ich einen Staatsminister, der sich sehr für die Problematik Kolumbiens interessiert, über die Sondierungsgespräche informiert, und auch darauf aufmerksam gemacht habe, daß es einen Zeitpunkt geben kann, in dem andere mit eingeschaltet werden. ({0}) Auch Herr Kollege Schäfer weiß, daß er mit mir jederzeit über solche Themen reden kann. ({1}) - Glauben Sie doch nicht, daß die Zusammenarbeit nur formalisiert besteht. Wenn wir mit dem Herrn Staatssekretär Hartmann reden, dann heißt das: Mit dem Auswärtigen Amt ist geredet worden. Wenn wir mit dem Politischen Direktor reden, dann heißt das: Das Auswärtige Amt ist darüber informiert worden. Herr Gansel, als Jurist wissen Sie das ganz genau. ({2}) Ich bin nicht bereit, minuziös zu jedem Zeitpunkt zu sagen, wer wann wo informiert worden ist. Das ist auch nicht unsere Arbeit. Unsere Arbeit besteht nicht im Aufstellen von Computerlisten, wer wann wo wen informiert hat. Es gibt viele Gespräche am Rande. Es gibt das zentrale Gespräch, in dem man sich über diese Dinge unterhält. Ich hörte immer, der Kollege Such ist Spezialist. Sie kommen auch langsam zu diesem Spezialistentum. Sie machen sich die Vorstellung, daß wir immer Aktenvermerke anlegen müssen, wenn es um innere Willensbildung in der Bundesregierung geht. Sie fragen mich: Wer hat Sie beauftragt? Sie fragen nach Weisungen für die Außenpolitik. Das stellt sich doch nicht als theoretische Frage. Vielmehr sagt der Bundeskanzler irgendwann: Ich bitte darum, daß diese und jene Aufgaben erfüllt werden. - Dann bedeutet das für mich Weisung; ich könnte Ihnen Beispiele nennen. Das bedeutet für mich: Die Arbeit muß getan werden. Dann wird sie auch getan. ({3}) - Jawohl, es ist so. Genau die gilt. ({4})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Da es im Bereich des Plenums das eine oder andere fragende Achselzucken über Zusammenhänge zu konkret gestellten Fragen gab: Bei round about 20 Fragen, die hier insgesamt zur Beantwortung anstehen, ist es mir nahezu unmöglich, jeweils genauestens festzulegen, ob diese Frage zu jener paßt. Es paßt zum Komplex; wir sollten uns die Sache nicht schwerer machen, als sie ist. ({0}) Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich beziehe mich jetzt ausdrücklich auf die Reihe Ihrer Antworten mit Ausnahme der letzten und der vorletzten. Verstehe ich Ihre Antworten richtig, daß Herr Mauss zwar beim Vortisch zur Einrichtung des Haupttisches nützlich war und dabei war, daß aber die Information über den Haupttisch, die der Start für die Friedenspolitik war, an den Kanzler gegeben wurde, ohne daß die Personen des Vortisches dem Kanzler vorgetragen werden mußten, und verstehe ich es recht, daß hinter alledem das Bestreben steht, den Kanzler zwar in den Friedensprozeß einzubeziehen, ihn aber aus der Kenntnis des ganzen vorherigen dubiosen Geschäfts schön herauszuhalten?

Not found (Gast)

Sie verstehen das falsch. Sie verstehen nichts richtig. Sie verstehen das mit Ihren Unterstellungen alles falsch, und zwar bewußt. ({0}) - Ich bitte Sie! Ich bin genauso Kollege wie Sie. ({1}) Wenn mich jemand fragt, ob er etwas richtig versteht, dann kann ich antworten, daß er es falsch versteht. ({2}) - Ich habe auch sachlich gesagt, daß der Herr Kollege es falsch versteht. Aber ich nehme das alles zurück; ich streiche das alles. ({3})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Darf ich um ein bißchen mehr Ruhe bitten!

Not found (Gast)

Herr Kollege Lippelt, ich will Ihnen darauf antworten: Vortisch und Haupttisch sind nicht das Thema. Das Thema ist die Reihenfolge und das Vorgehen. Hier spielte Herr Mauss überhaupt keine Rolle. Die Frage war: Wie kann dieser runde Tisch vorbereitet werden? Wie kann es dazu kommen, daß über die kirchliche Seite der Rahmen gegeben wird? Welche Vorgespräche sind nötig? Für mich war das wichtigste, im Gespräch mit dem Präsidenten Übereinstimmung dazu zu bekommen, welche Schritte notwendig werden, um zu dem Ziel zu gelangen. Ich habe mit ihm auch darüber gesprochen, wie wir alle beteiligten Gruppierungen an den Tisch bekommen. Da hatte jeder seine Rolle. Diese Bemühungen waren nicht so weit gediehen. Man kann sich auch übernehmen, wenn man will. Ich will mich nicht übernehmen. Herr Lippelt, ich habe vorhin ausgeführt, daß wir Chancen für einen entsprechenden Dialog nutzen müssen. Ich will niemanden ausgrenzen. Es kann nicht die Aufgabe einzelner sein, zu bestimmen, wer am Ende dabei ist. Das wird primär unter den Kolumbianern selber passieren müssen, und zwar mit den Moderatoren der Kirche. Das war die Vorstellung, die wir hatten und heute noch haben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Bachmaier, bitte.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, nachdem der Herr Mauss nach Ihren Schilderungen seine Aufgabe so bravourös erledigt hat: Wie erklären Sie sich dann, daß er akkurat zu Beginn dieser Sondierungsgespräche über einen Friedensprozeß in Medellin von kolumbianischen Strafverfolgungsorganen verhaftet worden ist und schwerster Straftaten beschuldigt wird? Das verträgt sich schwer.

Not found (Gast)

Herr Kollege Bachmaier, ich kann Ihnen das nicht beantworten. Aber der entsprechende Prozeß und die Staatsanwaltschaft in Medellin werden Auskunft geben können, was sie ihm vorwerfen. Ich übersehe heute nicht, was ihm vorgeworfen wird. Ich kann mir aber vorstellen, daß die Situation so sein wird, daß wir in den nächsten Wochen Erfahrungen über die Vorwürfe sammeln, die ihm gemacht werden. Einer der Vorwürfe ist, falsche Pässe benutzt zu haben, um nur ein Beispiel zu nennen. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Olderog, Sie standen auf der Liste. - Sie verzichten. Dann gibt es keine Zusatzfrage mehr zu Frage 6. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich rufe zum gleichen Komplex die Frage 36 des Abgeordneten Manfred Such auf: Welche Auskunft kann die Bundesregierung geben über aktuell etwa bestehende dienstliche Kontakte von Sicherheitsbehörden des Bundes sowie - ihrer Kenntnis nach - der Bundesländer zu dem in Kolumbien kürzlich festgenommenen Privatagenten Werner Mauss ({0}) und insbesondere über die Herkunft der bei Werner Mauss aufgefundenen diversen Personalausweisdokumente sowie deren etwaige Gestellung durch die genannten Behörden, und welche Auskunft kann die Bundesregierung ferner über die derzeit gegen Werner Mauss in Deutschland und im Ausland ({1}) vorliegenden Haft- bzw. Vorführungsbefehle sowie zu der Frage erteilen, ob sie derentwegen um eine Auslieferung von Werner Mauss ersuchen wird?

Not found (Gast)

Herr Präsident, zuerst noch ein Wort an Herrn Kollegen Lippelt. Es war keine Schärfe von meiner Seite, als ich sagte, ich verstehe das nicht. Ich bitte Sie, das nicht so zu bewerten. Bei den Auseinandersetzungen, die wir noch nicht hatten, ist es wohl angemessen, daß ich Ihnen dies noch einmal sage. Die Antwort auf Frage 36 ist: Es gibt keine aktuell bestehenden Absprachen der Sicherheitsbehörden des Bundes mit Herrn Mauss über eine Zusammenarbeit. Herr Mauss hat sich lediglich in den letzten Jahren bis in die jüngste Vergangenheit hinein schriftlich und telefonisch an die Sicherheitsbehörden des Bundes gewandt, um Hinweise zu geben oder Bitten zu äußern. Über eventuell bestehende dienstliche Kontakte von Herrn Mauss zu den Sicherheitsbehörden der Bundesländer können nur die jeweiligen Länder Auskunft erteilen. Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, auch unkonventionelle Hilfsmaßnahmen für deutsche Staatsbürger, die im Ausland in Gefahrensituationen für Leib und Leben geraten sind, zu unterstützen, wenn das betroffene Land durch innere Konflikte gehindert ist, selbst wirksame Hilfe zu leisten. In diesem Zusammenhang ist sowohl das bei Herrn Mauss aufgefundene Schreiben der deutschen Botschaft vom 14. November 1996 als auch ein Teil der Personaldokumente zu sehen. Zu weiteren Einzelheiten kann die Bundesregierung in der Öffentlichkeit keine Auskunft erteilen. Das verbietet zum einen die Wahrscheinlichkeit, daß die Beschreitung ähnlicher Wege auch in Zukunft notwendig sein und nicht ohne die Gewährleistung der notwendigen Vertraulichkeit möglich sein wird. Darüber hinaus hat die Bundesregierung Rücksicht zu nehmen auf die Tatsache, daß Herr und Frau Mauss sich zur Zeit im Ausland in einem strafrechtlichen Verfahren gegen Vorwürfe zu verantworten haben. Die Bundesregierung ist aber bereit, in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages unter den Voraussetzungen, die eine Wahrung der notwendigen Vertraulichkeit gewährleisten, umfassend über ihre Erkenntnisse zu berichten, was heute zum Beispiel bereits im Auswärtigen Ausschuß geschehen ist. Zum letzten Teil Ihrer Frage: Haft- bzw. Vorführungsbefehle deutscher Strafverfolgungsbehörden liegen nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Herrn Werner Mauss nicht vor.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Eine Zusatzfrage? - Bitte.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich beziehe mich auf die Haftbefehle. Sie haben gesagt, solche Haft- oder Vorführungsbefehle liegen aus dem Bereich der Bundesrepublik nicht vor. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung allerdings die Meldung der „taz" vom 2. Dezember 1996 zu, derzufolge Spanien von Kolumbien die Auslieferung des Mauss beantragt habe, weil dieser verdächtigt werde, 1978 an der Ermordung des spanischen Politikers Antonio Cubillo beteiligt gewesen zu sein?

Not found (Gast)

Herr Such, ich bitte Sie, auf Menschen Rücksicht zu nehmen, über die Sie reden und die Sie in Mordverdacht bringen wollen, nur weil es irgendwo in der Zeitung gestanden hat. Ich kann das überhaupt nicht bestätigen. Ich halte es für eine absolute Falschmeldung. ({0}) Ich mache darauf aufmerksam. Wir sprechen hier über deutsche Staatsbürger und äußern Verdächtigungen. Ich kann dazu nur sagen: Wir sind der Sache nachgegangen. Wir haben bisher keinen einzigen Hinweis erhalten.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zweite Zusatzfrage.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, Sie haben hier immer wieder Ihre Friedensbemühungen beschworen und von runden Tischen gesprochen. Auf wessen Vorschlag kamen diese Friedensgespräche eigentlich zustande, und in welchem Zusammenhang wurden dabei die kolumbianischen Drogenbosse erwähnt, denen Sie angeblich freies Geleit zugesagt haben? Welche Antwort hat der Bundesnachrichtendienst Herrn Mauss auf sein Schreiben vom 5. November 1996 gegeben, in dem er schrieb, auf eine derartige Friedensinitiative hinwirken und Unterstützung geben zu wollen?

Not found (Gast)

Ich weiß über das Antwortschreiben des BND an Herrn Mauss nicht Bescheid. Ich bitte Sie, die Frage an den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes zu richten. Ich gehe davon aus, daß es dazu keiner Beantwortung bedarf. Was ich vorhin sagte, gilt auch hier: Drogenbaronen freies Geleit zu geben ist für viele vielleicht eine spektakuläre Geschichte. Meinen Vorstellungen entspricht das überhaupt nicht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage, Herr Kollege Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, in der Presse ist erwähnt worden, daß der Madrider Resident des BND, Herr Fischer-Hollweg, Aktivitäten im Zusammenhang mit den Befreiungsaktionen von Herrn Mauss unternommen habe. Können Sie uns erklären, welche Funktion und welche Aufgaben Herr Fischer-Hollweg bei einzelnen sogenannten Befreiungsaktionen des Herrn Mauss gehabt hat und was er dabei getan hat?

Not found (Gast)

Herr Bachmaier, Ihre Fragestellung zielt in die gleiche Richtung wie das, was Herr Kollege Hirsch vorhin gefragt hat. Dies ist eine Frage, die ich in der PKK beantworte und nur dort. Denn bei Ihrer Frage geht es um nachrichtendienstliche Arbeit.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich rufe jetzt die Frage 37 des Kollegen Manfred Such auf: Welche Auskunft kann die Bundesregierung geben über die seit 1987 insbesondere durch das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt bzw. dessen Mitarbeiter unterhaltenen dienstlichen oder persönlichen Kontakte zu dem Privatagenten Werner Mauss, über dessen mit Wissen oder Billigung der Bundesregierung unternommene Missionen, vor allem im Ausland, sowie über die ihm jeweils gewährten Unterstützungsleistungen und - ggf. zur Weiterleitung bestimmten - geldwerten Vorteile, und welche Auskunft kann die Bundesregierung ferner über die Erwägungen und Zeitpunkte erteilen, wo ihr nachgeordnete Behörden, wie etwa das Bundeskriminalamt, eine Zusammenarbeit mit Werner Mauss definitiv ausgeschlossen haben, sowie über die Gründe, warum eine solche Position innerhalb der Bundesregierung offenbar durch den Inhaber der Richtlinienkompetenz nicht vereinheitlicht worden ist?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat in mehreren Fällen die Aktivitäten von Herrn Mauss zur Lösung humanitärer Fragen positiv begleitet. In diesem Rahmen hat es auch im Kanzleramt Gespräche mit Herrn Mauss gegeben sowie Kontakte von Mitarbeitern der Botschaft in Bogota zu Herrn Mauss. In einem Fall wurde Herr Mauss vom BND bei der Lösung humanitärer Fragen in Kolumbien unterstützt. Im Fall der Entführung von Herrn Cordes und Herrn Schmidt wurde Herr Mauss von den betroffenen Firmen beauftragt und hielt Verbindung mit dem von der Bundesregierung gebildeten Krisenstab. Ein Auftragsverhältnis zwischen ihm und den Stellen der Bundesregierung bestand nicht. Finanzielle Zuwendungen hat Herr Mauss von der Bundesregierung nicht erhalten. Wie bereits erwähnt, hat es darüber hinaus noch verschiedene Kontakte von Herrn Mauss zu den Sicherheitsbehörden des Bundes gegeben, bei denen Herr Mauss Hinweise gegeben oder Bitten geäußert hatte. Die Bundesregierung kann auf Fragen nach den Fällen, in denen Herr Mauss im Interesse deutscher Behörden zur Aufdeckung sicherheitsrelevanter Sachverhalte oder zur humanitären Hilfe für Opfer von Gewalthandlungen tätig war, nicht öffentlich Auskunft erteilen. Ich betone nochmals: Das verbietet sowohl die Wahrscheinlichkeit, daß die Beschreitung ähnlicher Wege auch in Zukunft notwendig und nicht ohne die Gewährleistung der erforderlichen Vertraulichkeit möglich sein wird, als auch die Rücksichtnahme auf die Tatsache, daß sich Herr und Frau Mauss zur Zeit im Ausland in einem strafrechtlichen Verfahren gegen Vorwürfe zu verantworten haben. Die Bundesregierung ist aber bereit, dort, wo dies möglich ist, entsprechende Erkenntnisse weiterzugeben, was heute morgen auch gemacht wurde. Sicherheitsbehörden des Bundes haben Herrn Mauss nach 1982 keine Aufträge mehr erteilt. Dies beruhte im wesentlichen auf der Überlegung, daß weitere Auftragsverhältnisse nicht zu weiterführenden Erkenntnissen führen werden. Ich habe vorhin jemandem versprochen, zwei Zahlen zu nennen - diese tauchen jetzt in dieser Antwort auf, die mir vorhin nicht vorlag -: Bundeskriminalamt seit 1979, der BND nach 1982, das BfV zu keiner Zeit.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zusatzfrage.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, wie bewertet die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit mit Mauss dessen Einschätzung durch den Polizeichef von Medellin, wonach Mauss erstens die Guerilla mit Geld und erstklassigem technischen Gerät ausgerüstet und stark gemacht habe; zweitens kolumbianische Geschäftsleute besteche, damit sie mit bestimmten ausländischen Firmen Verträge abschlössen, für die er sich wiederum Provisionen abhole; drittens herumhorche, wer reich sei, und diese Namen dann zwecks Entführung an die ELN gebe, von wo aus Mauss die Entführten gegen Provision wieder befreie; und viertens das gesamte erpreßte Vermögen im Ausland für die ELN anlege und verwalte? ({0}) [CDU/CSU]: Vier Zusatzfragen! Das gibt es doch nicht!) - Das ist eine Frage, wie Sie erkennen, wenn Sie richtig zuhören würden. ({1})

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir haben dazu keine Erkenntnisse.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Darf ich dazu einmal etwas sagen, Herr Kollege? - Ich habe mit solchen Fragen Schwierigkeiten, Herr Kollege Such, weil Sie damit einem Menschen, der hier dazu nichts sagen kann und der sich in einer - wie immer zu beurteilenden - schwierigen Lage befindet, Straftaten unterstellen, was für das weitere Verfahren von Bedeutung sein kann. Ich finde, daß wir solche Fragen nicht zulassen können, da wir gegenüber Mauss, über den die ganze Zeit geredet wird, eine Verantwortung haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Frage nicht stellen würden.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe mich auf die Einschätzung des Polizeichefs von Medellin gestützt. Sie ist so geäußert und veröffentlicht worden. Ich frage die Bundesregierung, ob sie diese Einschätzung teilt, bzw. wie sie dazu steht.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Verzeihen Sie, was soll die Bundesregierung auf der Basis dessen, was ich gerade ausgeführt habe, antworten? Die Bundesregierung ist doch nicht der Staatsanwalt, der diese Angelegenheit zu beurteilen hat. ({0}) Deshalb bitte ich Sie, diese Frage zurückzuziehen. Die Frage kann nicht beantwortet werden.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann stelle ich eine andere Frage.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das wäre mir lieber. ({0})

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Welche finanziellen Leistungen oder geldwerten Vorteile sind Herrn Schmidbauer persönlich im Zusammenhang mit den Entführungen in Kolumbien sowie den mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zugeflossen? Inwieweit trifft es nach Kenntnis insbesondere der Bundesregierung zu, daß in den Entführungsfällen Techint und Schoene Teilzahlungen für einen gewissen Bernd bei der Bemessung des Gesamtlösegeldes veranschlagt und verbucht worden sind?

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben; mir ist das nicht bekannt. Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Frage präzisieren würden. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Frage ist beantwortet worden. Ich habe keine Möglichkeit, der Bundesregierung vorzuschreiben, wie sie Fragen beantwortet, sondern nur, daß sie antwortet. Im übrigen weise ich darauf hin, daß die Zeit für die Fragestunde abgelaufen ist. Sie ist hiermit beendet. Die Fragen, die nicht zur Behandlung gekommen sind, werden nach den üblichen Regeln schriftlich beantwortet. Ich höre, daß von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Antrag zur Geschäftsordnung gestellt werden soll. - Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Werner Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002108, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aufgeworfenen Fragen und die zum Teil fragwürdigen Antworten des Herrn Staatsministers Schmidbauer, die weitere Nachfragen und eine ganze Reihe von Zusatzfragen ausgelöst haben, zeigen ({0}) - ich bin die ganze Zeit hier gewesen, lieber Herr Kollege; Sie müssen einmal zur Seite schauen -, daß das heikle Problemfeld der geheimen Aktivitäten des Privatagenten Werner Mauss nicht hinlänglich aufgeklärt worden ist. Es ist eine Stelle erreicht, an der es nicht mehr nur um das Stellen von Fragen geht, sondern an der die Fragesteller auch eine politische Stellungnahme abzugeben wünschen. Ich beantrage deswegen, die Verantwortung der Bundesregierung im Zusammenhang mit der geheimen Tätigkeit des Privatagenten Werner Mauss in einer Aktuellen Stunde zu behandeln.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zur Antwort der Bundesregierung auf die Dringlichen Fragen 1 bis 6 und auf die Fragen 36 und 37, die wir bisher behandelt haben, eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht der Nummer 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aussprache muß unmittelbar im Anschluß an die Fragestunde durchgeführt werden. Die ursprünglich für heute vorgesehene Aktuelle Stunde verschiebt sich dadurch auf morgen. Ich rufe daher auf: Aktuelle Stunde Verantwortung der Bundesregierung im Zusammenhang mit der geheimen Tätigkeit des Privatagenten Werner Mauss Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Helmut Lippelt, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich damit beginnen, daß ich mich bei der SPD bedanke. Wir hatten gemeinsam die Idee, zu diesem Thema etwas zu sagen, nachdem der Herr Staatsminister hier so deutlich und so ausführlich seine Sicht der Dinge erklären konnte, daß eine andere Sicht fast schon nicht mehr möglich schien. ({0}) Ich bin sehr dankbar, daß ich als Niedersachse beginnen kann. Denn in dem Moment, als ich den Namen Mauss hörte, ging bei mir mehr als ein Licht auf. Ich habe heute im Auswärtigen Ausschuß gefragt: Hat es wenigstens im Kanzleramt den Versuch gegeben, sich ein Persönlichkeitsprofil von Herrn Mauss zu besorgen und sich vielleicht die Analyse des damaligen niedersächsischen Untersuchungsausschusses zu Mauss zu Gemüte zu führen, bevor man sich auf hohe Politik einließ? Herr Staatsminister, ich habe hier mehrfach von Ihnen gehört: „Wir hatten keinen anderen." Ich verkenne überhaupt nicht die Notwendigkeit, vergeiselte Staatsangehörige herauszuholen. Ich gebe auch zu, daß dazu selbst unkonventionellste Mittel nötig sind. Darauf haben Sie immer wieder hingewiesen. Sie haben uns damit auch gehörig beeindruckt und fast zur Rührung gebracht. Aber die politische Frage lautet: Bevor ich mich auf jemanden einlasse, muß ich wissen, auf wen ich mich einlasse. ({1}) Deshalb zumindest soviel: Man muß sich doch einmal klarmachen, was es bedeutet, wenn jemand ein Loch in ein Gefängnis bomben läßt, um einen Agent provocateur an die dort einsitzenden Terroristen heranzubringen - was ihm dann zwar nicht gelang, was aber seine Absicht war -, und mit einem solchen Plan einen niedersächsischen Ministerpräsidenten so beeindruckt, daß dieser sich gewissermaßen als derjenige sieht, der von Niedersachsen aus das Terroristenproblem „knackt". Ich sehe hier ähnliche Züge. Es war nötig, jemanden einzuschalten, um Leute herauszuholen. Aber ich merke natürlich an der Art und Weise, in der Sie heute im Auswärtigen Ausschuß den großen Friedensplan, über den wir hier wenig gesprochen haben, in den Vordergrund gestellt haben, daß ohne Prüfung der Mittel und Werkzeuge der Diplomatie aus der Perspektive des Nachrichtendienstes gewissermaßen der Versuch großer Politik gemacht wird. Dieser Versuch scheitert furchtbar. Er scheitert auch im Hinblick darauf - deshalb muß man über die Verhältnisse in Kolumbien sprechen, auf die Sie sich immer bezogen haben -, wie dort rechtsstaatliche Verhältnisse wiederhergestellt werden. Die kolumbianische Regierung hat vor sehr schwierigen Fragen gestanden. Sie hat sich zu etwas entschieden, was wir nicht zu kritisieren haben, nämlich keine Lösegeldzahlung zuzulassen. Das ist hart gegen alle Betroffenen. Ich würde an ihrer Stelle trotzdem unkonventionell versuchen, Leute herauszubekommen. ({2}) Aber Sie müssen doch auf der anderen Seite sehen, warum sie das tut: Sie hat es deshalb getan, weil das gesamte Problem der Finanzierung des Terrorismus an diesem Punkte hängt. Herr Staatsminister, wenn Sie jetzt schon Fragen seitens der Regierung Kolumbiens bekommen haben - wir wissen ja nicht, welche Fragen Ihnen gestellt worden sind -, dann finde ich: Sie sind der kolumbianischen Regierung nicht nur Antworten, sondern auch eine Entschuldigung schuldig. Denn so, wie wir nicht wollen, daß in ganz anderen, viel schlimmeren Zusammenhängen die iranische Regierung hier in Deutschland Politik macht, so kann die Regierung eines anderen Landes nicht zulassen, daß wir über unsere Geheimdienste in ihrem Lande eine Politik machen, die gegen die erklärten Grundsätze dieses Landes zur Terrorismusbekämpfung verstößt. Vielleicht dies noch: Ich würde schon gerne wissen, wie die amerikanische Reaktion in Ihrem Gespräch mit Holbrooke war. Denn es ist doch ganz klar: Es gibt zwei Linien in der Bekämpfung des Terrorismusproblems. Die Verhaftung von Mauss hat natürlich damit zu tun, daß jemand, der eine andere Linie vertrat, ihn verhaften ließ. Damit sind Sie aber in eine innenpolitische Auseinandersetzung in einem anderen Land geraten. Das müssen wir in jeder Weise kritisieren, weil wir es nicht zulassen können. ({3})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Zeit.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Ich glaube, es reicht auch. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Otto Hauser, CDU/CSU.

Otto Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000835, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Lippelt, Sie sagen zu Recht: Es reicht auch. In der Tat: heute morgen im Auswärtigen Ausschuß zwei Stunden, gerade in der Fragestunde nochmals zwei Stunden. Was wollen Sie eigentlich? Sie sind doch überhaupt nicht ernsthaft an irgendeiner Aufklärung interessiert. ({0}) Es geht Ihnen hier zunächst einmal um eine Show. Obendrein haben Sie den Journalisten versprochen, daß Sie eine kleine Medienshow veranstalten. Jetzt müssen Sie dem gerecht werden. ({1}) Sie sind doch gar nicht an einer Aufklärung interessiert. Ansonsten wären Sie doch einmal hergegangen und hätten, insbesondere an die Adresse des Herrn Staatsministers Schmidbauer, gesagt, was in der Zusammenarbeit tatsächlich geschehen ist. Sie wären auf die Jahre 1995 und 1996, damit auf die Fälle Leo Ruttnik, Dressel, Brigitte Schoene und die drei argentinischen Ingenieure zu sprechen gekommen. Allein in diesen Jahren war es möglich, acht Menschen aus einer irrsinnigen Geiselhaft zu befreien. Ich bitte Sie, dieses zunächst einmal zu würdigen. Nein, das tun Sie nicht. Ihnen gefällt nur der Name Mauss nicht. ({2}) Nur weil Ihnen dieser Name nicht gefällt, machen Sie hieraus eine Show. Ich muß Ihnen noch eines sagen: Es ist doch ein Unding, daß Sie aus einer solchen Sache heraus dazu beitragen, daß ein gut funktionierendes außenpolitisches Verhältnis mit Kolumbien beschädigt wird. Diese Verantwortung tragen Sie. ({3}) Es gibt nämlich in Kolumbien Kräfte - auch dies haben wir heute morgen im Auswärtigen Ausschuß besprochen -, die versuchen, diese Gewaltspirale zu durchbrechen, die versuchen, die Justiz zu reformieren, die versuchen, der Korruption entschieden entgegenzutreten. Auch diese treffen Sie mit Ihren Attacken. ({4}) Staatspräsident Samper hat bei Antritt seines Amtes klar gesagt, daß er den runden Tisch möchte, daß Otto Hauser ({5}) er in Friedensverhandlungen eintreten möchte. Wenn uns Deutsche eine fremde Nation fragt, ob wir an solchen Friedensverhandlungen teilhaben wollen ({6}) - es gibt einen Brief, Herr Kollege Duve, in dem uns der Staatspräsident von Kolumbien bittet, daran teilzuhaben; Sie wissen das -, dann ist das doch keine Beschädigung deutscher Außenpolitik. Es gereicht uns doch eher zur Ehre, daß wir aufgerufen werden, dort mitzuhelfen. Wenn es obendrein noch möglich ist, bei solchen Friedensverhandlungen deutsche Geiseln freizubekommen, dann respektiere ich dies und bedanke mich ausdrücklich bei der Bundesregierung, daß sie das hinbekommen hat. Sie haben dies auch früher nie kritisiert. Als es der Kollege Schmidbauer im Zusammenhang mit dem Nahen und Mittleren Osten vor wenigen Monaten geschafft hat, daß humanitäre Aktionen erfolgreich gelöst werden konnten, haben Sie ihm Beifall gezollt. Heute aber machen Sie, nur weil angeblich ein Mauss beteiligt ist, eine Haßtirade daraus. Sie sollten sich eines merken: Bei dieser Sache nehmen wir Schaden; denn wenn wir ein solches Trara um diese Geschichte machen, sind wir künftig nicht mehr fähig - egal, wo auf der Welt -, humanitäre Aktionen in unserem Sinne befriedigend zu lösen. Das, was Sie heute veranstalten, fällt leider auf Sie zurück und beschädigt leider unser Ansehen im Verhältnis zu Kolumbien. ({7})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Günter Verheugen, SPD-Fraktion.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es hier nicht mit einer Frage, sondern mit zwei Fragen zu tun. Beide sind ungewöhnlich schwierig und bedürfen einer sehr gründlichen Abwägung. Die eine Frage ist: Welche Rolle kann und soll die Bundesrepublik Deutschland bei den Bemühungen spielen, den seit 40 Jahren währenden schrecklichen Bürgerkrieg in Kolumbien zu beenden? Die zweite Frage ist: Was kann eine deutsche Regierung tun, wenn deutsche Staatsbürger oder auch Staatsbürger anderer Staaten in einem Land, in dem Zustände herrschen wie in Kolumbien, zur Finanzierung des Bürgerkrieges als Geiseln genommen werden und freigekauft werden müssen? Das sind die zwei Fragen, über die wir heute diskutiert haben. In bezug auf beide Fälle möchte ich sagen, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung entschieden hat: Sie tut etwas. Die Frage, die uns bewegt, ist: Wie hat sie es getan, ({0}) und hat sie die Operation nicht in einer Art und Weise angelegt, die zum Scheitern führen mußte? Denn die Operation ist ja gescheitert. Wenn derjenige, der einen runden Tisch zustande bringen will, in dem Land, um das es geht, unter dem Vorwurf schwerster Verbrechen festgenommen wird, darf man nicht erwarten, daß dieses Land noch bereit sein wird, mit der Bundesrepublik Deutschland zusammen einen Friedensdialog zu organisieren. Das ist kaum vorstellbar. Ich will gar nicht die Frage untersuchen, von wem die Initiative ausging, sondern will zunächst feststellen, daß nach dem, was der Staatsminister in der Fragestunde gesagt hat, ganz offensichtlich eine außenpolitische Entscheidung innerhalb der Bundesregierung nicht getroffen worden ist. Er hat ja ganz offengelassen, ob der Außenminister überhaupt jemals informiert wurde, ob er überhaupt über das Bescheid wußte, was da lief. Es ist aber eine außenpolitische Frage von zentraler Bedeutung - zunächst einmal für das befreundete Land Kolumbien, aber ganz sicher auch für uns -, ob wir eine solche Vermittlungsaufgabe auf uns nehmen können oder nicht. Der Staatsminister hat sich eines Privatagenten bedient, den er hier als einen Philanthropen dargestellt hat. Auch das ist sehr schwierig. Tatsache ist natürlich - ich will das gar nicht bewerten -, daß es der Beruf von Herrn Mauss ist, in solchen Fällen als Vermittler tätig zu werden, um einen Freikauf zu erreichen. Es geht nicht um eine Befreiung - hier ist immer der Ausdruck Geiselbefreiung gefallen -, es geht um ein schlichtes Freikaufen. ({1}) Es geht um ein Verhandeln mit Schwerstkriminellen, die einen Bürgerkrieg dadurch finanzieren, daß sie unschuldige Menschen in Geiselhaft nehmen. Das ist der Punkt. Sie haben sich für beide Zwecke desselben Mannes bedient. Der eine Zweck war, einen sogenannten runden Tisch zustande zu bringen. Das ist auf sehr intensive Weise geschehen. Sie haben allein von sechs Begegnungen mit ihm selbst gesprochen. Es hat intensive Kontakte zwischen Herrn Mauss und den kolumbianischen Behörden gegeben. Sie haben in ihm jedenfalls denjenigen gesehen, der diese Sache für die Bundesregierung vorbereiten soll. Gleichzeitig haben Sie zugelassen, daß diese Person in diesem Staat in einer Art und Weise tätig wird, die - jedenfalls in der Sicht dieses Staates - seine existentiellen Interessen verletzt. Ich mag hier nicht darüber rechten - weil das eine Frage ist, die am Ende nur jeder für sich selber beantworten kann -, wer recht hat, die Bundesregierung oder die kolumbianische Regierung. Die eine Regierung sagt: Wir dürfen eine Entführungsindustrie nicht auch noch dadurch aufwachsen lassen, daß wir bereit sind, die Entführten freizukaufen. Das ist eine Haltung, die beispielsweise - wie wir alle wissen - der Staat Israel in solchen Fällen einnimmt, eine Haltung, die auch frühere BundesreGünter Verheugen gierungen eingenommen haben und die besagt: Es wird nicht freigekauft; wir lassen die Erpressung eines Staates nicht zu, so hart das im Einzelfall sein mag. ({2}) Einige von uns haben ja den schrecklichsten Fall dieser Art noch gut in Erinnerung, der sich in unserem eigenen Land abspielte und bei dem die Bundesregierung gesagt hat: Wir lassen uns nicht von Terroristen erpressen. Ich betone: Ich will es nicht bewerten und will hier nicht rechten. Ich will nur die Tatsache feststellen, daß die Bundesregierung ein völlig ungeeignetes Instrument gewählt hat, indem sie dieselbe zwielichtige - das muß man nun schon sagen - Person benutzt hat, um unterschiedliche Ziele zu verfolgen. Sie hat damit das Erreichen beider Ziele extrem gefährdet, und das Ergebnis ist genauso, wie es leider zu erwarten war: Weder besteht jetzt noch die Chance, daß die Bundesrepublik Deutschland einen ernsthaften Beitrag zu dem notwendigen Friedensdialog leisten kann, noch besteht die ernsthafte Chance, daß in Zukunft bei solchen Fällen in der unkonventionellen Weise geholfen werden kann, die die jetzige Bundesregierung für die richtige hält. Das bewerte ich im Augenblick nicht. Das ist der Vorwurf, der hier zu erheben ist. Hier ist unprofessionell gehandelt worden; hier sind innerhalb der Bundesregierung die geltenden Regeln außer Kraft gesetzt worden, indem eine außenpolitische Entscheidung nicht außenpolitisch getroffen worden ist, sondern auf einer ganz anderen, mir noch nicht erklärbaren Ebene. Und es ist Schaden für ein befreundetes Land eingetreten, das bis heute auf die Antwort der Bundesregierung wartet, wie es dazu kommen konnte und warum sie sich so verhalten hat. Schließlich ist Schaden auch für unser eigenes Land eingetreten. Das ist für mich jedenfalls das klare und eindeutige Ergebnis dieser zwei Stunden gewesen. ({3})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Hirsch, F.D.P.-Fraktion.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte versuchen, das Thema ohne jede Emotion zu behandeln - was nicht einfach ist -, und zweierlei auseinanderhalten: Was ist durchaus zu akzeptieren und zu unterstützen, und wo sind Fragen berechtigt? Es ist ganz zweifellos so, daß Kolumbien ein hochkompliziertes Land ist. Die staatlichen Funktionen sind beeinträchtigt. Die Kriminalität ist außerordentlich hoch. Die Verbindungen zwischen Rauschgift und Waffenhandel gerade in diesem Land sind uns allen gut bekannt. Der Staatspräsident, der hier mehrfach erwähnt worden ist, sieht sich einem Impeachment gegenüber, ist also auch in seinem eigenen Land nicht unumstritten. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Zweifellos richtig ist auch - das muß ich für meine Fraktion ausdrücklich betonen -, daß natürlich alles, auch Unkonventionelles, getan werden sollte, was irgend denkbar ist, um dann, wenn deutsche Staatsangehörige Opfer einer Straftat geworden sind und sich in Gefahr befinden, ein solches Opfer der Kriminalität zu retten, zu schützen. Alles, was in diesem Zusammenhang getan wird, verdient keinen Tadel, sondern Unterstützung. ({0}) Ich will auch nicht über Herrn Mauss reden, an den viele eigene Erinnerungen ganz unterschiedlicher Art haben - nicht nur, weil er sich hier nicht äußern kann, sondern auch deswegen, weil es nicht nur um Herrn Mauss und seine Frau geht. Es geht vielmehr darum, daß über Herrn Mauss in diesem Land Geldmittel in erheblicher Höhe bewegt worden sind. Ich nehme an, er hat insoweit private Auftraggeber, und wünsche sehr, daß sich jeder, der zusammen mit Herrn Mauss tätig wird, genau vergewissert, wer die anderen sind, wo Mittel herkommen, wo Mittel hinfließen. Wenn man einen Schutzbrief ausstellt, dann muß man sich über den, den man schützt, auch einigermaßen informieren, obwohl ich akzeptiere, daß die Auswahl geeigneter Persönlichkeiten für Verhandlungen dort sicherlich begrenzt ist. Nun kommt das Problematische: Ich habe vorhin gefragt - auch im Auswärtigen Ausschuß -, in welcher Eigenschaft der Staatsminister tätig geworden ist. Der Staatsminister ist - um es klar zu sagen - der Parlamentarische Staatssekretär beim Kanzleramtsminister mit dem Titel Staatsminister. Das heißt, das, was er politisch tut, wird natürlich dem Kanzleramtsminister zugerechnet. Diese Frage nach der politischen Verantwortlichkeit muß gestellt und beantwortet werden. Darum ist es von großem Interesse, ob das, was außenpolitisch geschieht, wirklich in diesen Verantwortungsbereich fällt, und wer die Verantwortung übernimmt. Denn es ist ja merkwürdig, daß Herr Mauss einen Schutzbrief bekommt - es wird so dargestellt, als seien Geiselnahme und Friedensgespräche zwei Seiten derselben Medaille -, aber nach Beginn dieser Operation verhaftet und dort unter Anklage gestellt wird. Also muß dort doch irgend etwas schiefgelaufen sein. Ist denn der Versuch, in einem uns relativ fern liegenden Land innenpolitisch auszugleichen, Teil der deutschen außenpolitischen Konzeption gegenüber Ländern im nördlichen Teil Südamerikas? Ist das ein Beitrag zur Rauschgiftbekämpfung? Ist das Teil der außenpolitischen Konzeption gegenüber diesem Land, und mit welchen Mitteln soll sie durchgeführt werden? Ich muß sagen: Mir fehlt eine klare Verzahnung - es gibt sicher Fragen, die noch gestellt werden müssen - mit der erklärten deutschen Außenpolitik, die Nutzen bringen soll. Die andere Frage, die sich stellt, betrifft das Problem - dies hat hier keine Rolle gespielt - der VerbinDr. Burkhard Hirsch dung zum Bundesnachrichtendienst. Als Parlamentarischer Staatssekretär sind Sie beteiligt an der Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst. Dies führt ja in der Öffentlichkeit immer wieder dazu, daß Ihre Tätigkeit automatisch dem BND zugerechnet wird. Ich habe hier nicht gehört, daß dies Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes sei. Die Aufgaben des BND sind gesetzlich geregelt. Er ist kein operativer Dienst, der wie andere „aggressive" Dienste, auch befreundeter Nationen, innenpolitische Einflüsse ausübt. Seine gesetzliche Aufgabe ist vielmehr, Informationen zu sammeln, die für die Sicherheit der Bundesrepublik von Interesse sind. Darum muß man sehr sorgfältig darauf achten, daß Tätigkeiten, die Sie ausüben und die mit operativen Überlegungen innerhalb der Innenpolitik eines anderen Landes im Zusammenhang stehen - zum Beispiel Friedensausgleich -, nicht dem Bundesnachrichtendienst mit Erfolg und Mißerfolg zugerechnet werden, weil sie dadurch, wie ich fürchte, die Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes auch im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabe zumindest beeinträchtigen können. Es ist ganz sicher, daß man - wie Herr Westerwelle sagt - für die Aufgabe, die Sie wahrnehmen wollten, Grenzgänger braucht. Aber man muß doch erwarten, daß man nicht sozusagen zufällig dadurch, daß man von einem Funktionsträger eines anderen Staates angesprochen wird, die Strukturen - das heißt: nicht nur formale Zuständigkeiten, sondern die politische Verantwortung gegenüber dem Parlament - verwirrt und durcheinanderbringt. ({1}) Die Gefahr sehe ich. Herr Kollege Schmidbauer, das ist ein Punkt, bei dem ich meine, daß Sie Ihre Aktionen in diesem Bereich sehr sorgfältig daraufhin prüfen müssen, ob sie nicht dazu beitragen, Verantwortlichkeiten zu vermischen, was für uns alle von höchster Problematik wäre. ({2})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke, PDS.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke nicht, daß die zwei Fragestunden, in denen wir von Herrn Schmidbauer Antworten bekommen haben, irgend etwas Neues, Erhellendes gebracht haben. Ich bin aber auch der Meinung, daß die vorliegenden Recherchen der Medien - ich konnte natürlich nicht im Auswärtigen Ausschuß sein, da ich heute morgen im Innenausschuß war - wirklich ausreichen, um schon zu Schlußfolgerungen zu kommen. Mir ging es ähnlich wie dem Kollegen Lippelt. Als ich den Namen Mauss hörte, fiel mir die lange Chronik seiner Skandale ein. Herr Schmidbauer, der Versuch, Herrn Mauss hier als großen Menschenrechtler oder Menschenbefreier darzustellen, entspricht jedenfalls nicht der Geschichte dieses Mannes. Der Kollege Lippelt hat schon an den Skandal des „Celler Loch" erinnert. Ich möchte auch an die „Operation Neuland" erinnern, als sich Herr Mauss mit Hilfe des niedersächsischen Verfassungsschutzes über die autonome Szene Salzgitters Zugang zum sogenannten ominösen RAF-Umfeld verschaffte. Ich erinnere daran, daß Herr Maus - von der Industrie finanziert und vom damaligen BND-Chef Klaus Kinkel koordiniert - außerrechtlich RAF-Mitglieder verfolgte. Ich erinnere an Uwe Barschel. In dem Fall des Juwelierhändlers René Düe trieb Werner Mauss es tatsächlich zu weit. In Niedersachsen wurde ein Untersuchungsausschuß eingerichtet. Dieser gab die Empfehlung, Geheimdienste sollten tunlichst die Finger von Mauss lassen. Ich denke, daß dieser Schnickschnack die Bundesregierung bisher nicht interessiert hat. Das haben wir durch den neuen Skandal nachvollziehen können. ({0}) In der heutigen Fragestunde wurde ganz eindeutig klar, daß nicht nur das Bundeskanzleramt, sondern auch der BND von dem Tun des Herrn Mauss weiß. Nach Auskunft der „Frankfurter Rundschau" und des „Focus" hat Mauss angeblich mindestens sechs gefälschte, aber gültige Bundespässe; mindestens zwei sind von ehemaligen BND-Offizieren. Diese Pässe sind verlängert worden. Einer dieser Offiziere ist BND-Oberst a. D. Joachim Philipp, der schon eine andere faktisch unangreifbare Person der deutschen Zeitgeschichte betreut hat - Sie werden es kaum glauben -: den Chef des KoKoImperiums, Alexander Schalck-Golodkowski. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Von den toten Kollegen haben die beiden ExBNDler diese Ausweisdokumente angeblich gestohlen. Aber sie müssen - wie Sie in dieser Fragestunde bereits gesagt haben - staatliche Helfer und politische Rückendeckung gehabt haben. Wir wollen Genaueres wissen. Es muß Aufklärung geben. Wer hat diesen Diebstahl zu welchem Zweck veranlaßt? Wer hat die Fälschung der gestohlenen Pässe durchgeführt? Wer hat die Ausweise verlängert? Wer hat dies bezahlt? Diese Fragen sind meines Erachtens heute nicht beantwortet worden. Es ist ganz offenkundig, daß dies kein Fall für die PKK ist. Heute ist hier auch von Herrn Schmidbauer wieder deutlich gemacht worden, daß Mauss nicht als Agent des BND tätig ist. Von daher weiß ich gar nicht, warum wieder die Aufklärungsarbeit hinter den verschlossenen Türen der PKK stattfinden soll, die meiner Meinung nach eine Nebelmaschine ist. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was Mauss mit Wissen der Bundesregierung tatsächlich in Kolumbien getan hat. Mauss stand, wie gesagt, in keinem arbeits- oder dienstrechtlichen VerUlla Jelpke hältnis. Nur dies hätte eine Behandlung in der PKK gerechtfertigt. Das macht die Sache aber nicht besser, sondern schlimmer. Wir haben es hier mit dem Aufbau einer extralegalen Geheimdienststruktur zu tun. Herr Mauss sollte außerhalb der rechtlichen Grenzen und der, wenn auch schlappen, parlamentarischen Kontrolle arbeiten. So sollte er seinen „unkonventionellen" - das heißt nichts anderes als: rechtswidrigen - Machenschaften nachgehen. Es kann nicht angehen, daß die parlamentarische Aufklärung über den Privatagenten der Bundesregierung, der bewußt aus der Geheimdienststruktur herausgehalten worden ist, nunmehr nachträglich in der PKK erfolgt. Es ist noch vieles offen, und es muß noch einiges untersucht werden. Vielleicht ist es sogar gerechtfertigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen, um wirklich Licht hineinzubekommen. Ich möchte jedenfalls feststellen: Bei jeder Schweinerei war Herr Mauss bisher dabei. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Professor Rupert Scholz.

Prof. Dr. Rupert Scholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002063, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man einmal versucht, diese Aktuelle Stunde und auch die vorangegangene Fragestunde auf einen Nenner zu bringen, so sind zwei Eindrücke für mich dominierend. Das eine ist: Bei dem Versuch, gegen den Staatsminister vorzugehen, hat die Opposition gekreißt und nicht einmal eine Maus geboren. ({0}) Das zweite, und das ist allerdings nicht scherzhaft: Wenn man all das zusammenfaßt, was Sie hier gesagt haben, müßte man genau genommen zu dem Ergebnis kommen, eine Geiselbefreiung sei mißlungen. Das wäre dann in der Tat ein Kritikpunkt. Sie gehen hier in einer Weise an Realitäten vorbei, die in der Fragestunde intensiv deutlich geworden sind: daß man mitunter auch andere Wege gehen muß. ({1}) - Ganz offensichtlich nicht. Man kann nicht ein Land wie Kolumbien - das ist heute auch bereits im Auswärtigen Ausschuß sehr deutlich geworden - in jeder Beziehung an klassischen außenpolitischen Standards messen und in dem Zusammenhang von Souveränität reden. Hier mischt sich international organisierte Kriminalität auf der einen Seite mit dem desolaten Zustand eines Staates, dem man in vielfältiger Hinsicht mit Mitleid und Hilfsbereitschaft begegnen muß. Wenn man diese Zusammenhänge sieht, dann erkennt man auch, daß Tatbestände und Probleme, wie sie hier zusammengetroffen sind, auch operational zusammenzuführen sind, weil plötzlich eine vielleicht kleine Hoffnung, irgendwo Friedensgespräche zustande zu bringen, in der Tat mit einem Akt brutaler Kriminalität verbunden ist. Da kann man nicht differenzieren und fragen, ob man sich solcher und solcher Instrumente bedienen kann. ({2}) - Herr Verheugen, da muß man nicht trennen, sondern da hat man nach den Grundsätzen der Menschenwürde und des Schutzauftrages, den unser Staat für seine Bürger hat, und auch nach den Grundsätzen eines gewissen Maßes an Effektivität zu handeln. ({3}) Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch an Herrn Hirsch wenden: Ich glaube, daß auch Ihre Frage und Ihre kritischen Einwände nicht berechtigt sind. Gestatten Sie mir einmal, das zu karikieren: Da wir leider Gottes, wie die Erfahrung zeigt, mit solchen Problemen immer wieder konfrontiert worden sind, bei denen es um den Schutz unserer Staatsangehörigen geht, müßten Sie sozusagen ein Geiselbefreiungsreferat innerhalb der Bundesregierung einrichten. ({4}) Ich frage einmal weiter: Wie war denn das mit Mogadischu? Auch da mußte natürlich ad hoc gehandelt werden, und kein Mensch hat es beanstandet. Kein Mensch hat es in Zweifel gezogen, obwohl man sich auch auf den Standpunkt hätte stellen können, es sei zweifelhaft gewesen, ob der BGS ({5}) mit der GSG 9 wirklich das zuständige Organ gewesen ist, das für einen solchen Einsatz im Ausland vorgesehen ist. ({6}) - Hier ist eine Intervention vorgenommen worden. Herr Verheugen, Sie wissen das ganz genau. Wenn Sie von außenpolitischer Souveränität anderer Staaten sprechen, müssen Sie sich genau überlegen, wie das aussieht. ({7}) - Sie sprechen von der Souveränität eines Staates, lieber Herr Hirsch, von dem Sie ganz genau wissen - ich will das gar nicht weiter thematisieren -, wie wenig unsere Vorstellungen passen. ({8}) - Sie können hier soviel herumschreien, wie Sie wollen. Dadurch bekommen Sie auch nicht mehr Aktualität in Ihre sogenannte Aktuelle Stunde. ({9}) Sie müssen sich eines vor Augen führen, Sie müssen eines lernen und begreifen: Es geht zunächst darum, Menschen, unsere Menschen, zu schützen. Wer hier so etwas zerredet, der macht sich an solchen Menschen schuldig. Er macht sich schuldig am Nächsten, den es hoffentlich niemals treffen möge. ({10}) Das ist das Problem. Sie haben in äußerst fragwürdiger Manier vorgeführt, daß Sie nicht in der Lage sind, solche Verantwortung solidarisch mit der Regierung, die natürlich das schwerste Geschäft in solchen Fragen hat, mitzutragen. ({11}) Das ist traurig, und so bleibt es bei der kreißenden Maus. Das ist alles, was Sie vorgebracht haben. ({12})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir sollten diese schwierige Thematik in dem Stil behandeln, wie es die Kollegen Verheugen und Hirsch vorbildlich getan haben. ({0}) Ich glaube, ich sollte vorweg sagen: Daß der Kollege Schmidbauer sein humanitäres Engagement in den Vordergrund stellt, respektiere ich. Selbstverständlich ist jedes humanitäre Engagement zu begrüßen und unterstützenswert. Ich stimme ihm auch zu, wenn er sagt - ({1}) - Haben Sie doch ein bißchen Geduld! ({2}) - Hören Sie doch zu! Es ist doch viel sinnvoller, wenn wir Argumente austauschen, als wenn Sie einfach dazwischenreden. Dazu ist die Thematik viel zu ernst. Ich stimme dem Kollegen Schmidbauer - ({3}) - Ich unterhalte mich jetzt mit Herrn Schmidbauer. Das ist besser. Mit Ihnen kann man ja nicht reden, weil Sie nicht zuhören wollen. Ich stimme Herrn Kollegen Schmidbauer zu, wenn er sagt: Wenn sich ein Mensch in einer Notlage befindet, wird er auf den Erfolg schauen. Wenn er um sein Leben fürchtet, wird er selbstverständlich hoffen, daß ihm jemand, mit welchen Mitteln auch immer, zu Hilfe kommt. Damit hat Herr Schmidbauer völlig recht. Die Frage ist nur die: Wie kann sich ein Land in seiner Verantwortung in einer solchen Situation bewegen? Ich bin der Meinung, das kann mitunter mit unkonventionellen Mitteln geschehen. ({4}) - Herr Riedl, Ihnen möchte ich solch schwierige Fragen nicht anvertrauen, das sage ich Ihnen ganz offen. Die Frage, die sich innerstaatlich und im internationalen Rechtsverkehr stellt, lautet: Wie halten wir es mit dem Gewaltmonopol des Staates? ({5}) - Ja, in Kolumbien. Sie sagen nämlich: Es gibt offenbar Staaten minderen Rechts, in denen Sie sich ein Interventionsrecht anmaßen. ({6}) - Zwischenfragen, Herr Olderog, gibt es in der Aktuellen Stunde nicht. Das zumindest sollten Sie wissen. Wie verhalten wir uns in der Frage des Gewaltmonpols? Herr Schmidbauer, es ist völlig unklar geblieben, wo Sie sich in diesen Beziehungen ansiedeln. Sie sind nicht Bestandteil des Geheimdienstes. Was ist Ihre Funktion? Ist das eine Funktion sui generis, wie die Juristen sagen, eigener Art? Beaufsichtigen Sie sich selbst? Sind Sie sozusagen ein Gebilde, das agiert und sich selber beaufsichtigt? Ich will gar nicht in Frage stellen, daß Sie möglicherweise auch mit einem Herrn Mauss - ({7}) - Nein, nein, Herr Westerwelle. Sie kontrollieren hier überhaupt nichts. Sie sitzen nur dabei und schweigen. ({8}) Sie möchten es jetzt in der PKK ansiedeln. Dort ist es aber nicht anzusiedeln, denn es ist keine Geheimdienstaktivität. Sie schauen auf den Erfolg. Das können Sie tun, und das tun Sie auch mit Recht. Ich nehme jetzt sehr bewußt einen hypothetischen Fall, bei dem ich mich gar nicht auf Herrn Mauss beziehe, denn wir müssen selbstverständlich die UnOtto Schily schuldsvermutung auch für Herrn Mauss respektieren. ({9}) - Ich tue das. Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie unterstützen jemanden - nicht den Auftrag - und sagen, es können „unkonventionelle Mittel" - in einigen Gesetzen heißt es „nachrichtendienstliche Mittel" - eingesetzt werden, und diese Person erweist sich nun als Krimineller, er bringt bei diesem Auftrag jemanden um. Das Ganze entgleist in einer Weise, daß Sie sagen: Das habe ich nicht gewollt. Um solche Konstellationen zu verhindern, haben wir in der Verfassung den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Deshalb brauchen wir auch dann, wenn eine Regierung tätig wird, eine rechtliche Grundlage. Sonst gerät Ihnen möglicherweise alles aus dem Gleis. Sonst sind Sie wie ein Lottospieler darauf angewiesen, ob Sie Erfolg haben oder nicht. Das ist die entscheidende Frage. Herr Kollege Schmidbauer, Sie haben selbst von einer Grauzone gesprochen, die die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten durcheinanderbringt. Wir zeichnen uns als Staat dadurch aus, daß wir klare Verantwortungen zuschreiben, daß wir ein Gesetz haben, das selbst dem BND klar die Grenzen zeigt, bis wohin er gehen kann. Aber wo sind eigentlich Ihre Grenzen? Setzen Sie die selber? Haben Sie nur den „übergesetzlichen Notstand" im Kopf? Adolf Arndt hat einmal gesagt - das muß man immer im Kopf haben -: „In vielen Fällen ist der übergesetzliche Notstand nur ein Tarnwort für Verfassungsbruch." Man muß auf der Hut sein, wenn man sich so eine Generalklausel mit „Nothilfe" oder „übergesetzlichem Notstand" zusammenbastelt. So kann man nicht verfahren. Sie kommen dann in Verlegenheit. Wie gesagt, respektiere ich die Unschuldsvermutung für Herrn Mauss, aber man kann ja in den Nachrichten lesen, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben werden. ({10}) Nun befinden Sie sich möglicherweise in einem Gespräch mit einer Regierung, die nach den Auskünften, die Sie uns heute gegeben haben, de facto sagen muß, daß die Bundesregierung möglicherweise im Verdacht steht, für eine nach bolivianischem Recht strafbare Handlung, ({11}) - ja, nach kolumbianischem Recht strafbare Handlung - Beihilfe geleistet zu haben. In welche sehr fatale Lage kämen Sie dann?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Schily, Sie müssen leider zum Schluß kommen.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir müssen die Fragen, die sich hier stellen, sehr sorgfältig durchdenken. Dazu eignet sich keine Polemik, sondern dazu eignet sich eine sachliche Auseinandersetzung, zu der ich hoffentlich auch einen Beitrag geleistet habe. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Manfred Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Scholz, ich muß zunächst einmal auf das eingehen, was Sie im Zusammenhang mit der GSG 9 und deren Einsatz in Mogadischu gesagt haben. Sie wollen doch wohl nicht wirklich die GSG 9 mit Herrn Mauss vergleichen, der zumindest eine schillernde, wenn nicht zwielichtige Persönlichkeit ist. ({0}) Man weiß nicht, welche Strafverfahren auf ihn noch zugekommen wären, wenn er nicht durch Geheimdienste entsprechend unterstützt worden wäre. Dieser Vergleich verbietet sich. Es verbietet sich auch zu sagen, daß für solche Aktionen jedes Mittel recht sei nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel". Wir leben hier nicht in Kolumbien. Wenn wir in Kolumbien tätig werden, haben wir uns nach unseren rechtsstaatlichen Prinzipien, nach unserer Rechtsordnung zu richten und nicht nach dem, was in einem Staat vorgeht, von dem wir sagen: Er befindet sich am Rande eines Rechtsstaates oder ist noch nicht einmal ein Rechtsstaat. ({1}) Das ist ein sehr merkwürdiges Rechtsverständnis, was Sie hier in diesem Zusammenhang geäußert haben. Mich hat in der Fragestunde die Bemerkung des GdP-Vorsitzenden Lutz sehr nachdenklich gemacht. Diese Bemerkung, wenn er sie so gemacht hat, wie er zitiert worden ist, ging genau in die gleiche oder in eine ähnliche Richtung. Er sagt, daß sich die Polizei bei solchen schwierigen Aktionen auch einmal solcher zwielichtiger Persönlichkeiten bedienen dürfe, um es dann anschließend zu heilen und zu sagen: Wenn man die Karten auf den Tisch legt, dann ist das alles wieder in Ordnung. Ich denke, daß das ein sehr merkwürdiges Polizeiverständnis ist. Man muß, gerade wenn hohe Polizeiführer eine solche Meinung vertreten, darauf achten, daß solches Verhalten nicht in der deutschen Polizei Platz greift. Man muß aber befürchten, daß solche Machenschaften bereits innerhalb der Polizei vorkommen. Zu Herrn Schmidbauer. Ich bezweifle, daß Sie, wenn Sie - das tun Sie nicht - zugeben würden, daß Herr Mauss eine zwielichtige und schillernde Person ist, bereit wären, dann auch wirklich die Karten auf den Tisch zu legen. Aus anderen Erfahrungen - etwa im Plutonium-Untersuchungsausschuß - heraus kann ich nicht bestätigen, daß Sie jemals bereit waren, wirklich alle Akten auf den Tisch zu legen. Selbst Akten, die in der Geheimschutzstelle lagen, waren dann noch entsprechend geschwärzt, so daß man auch unter Geheimhaltungspflicht nicht nachvollziehen konnte, was eigentlich abgelaufen ist. Ich habe erhebliche Bedenken, daß Sie das tun werden. Wir werden die PKK-Sitzung sicherlich noch abwarten müssen, um dann weiter zu entscheiden und - ich möchte da meiner Kollegin Jelpke zustimmen - zu überlegen, was weiter angesagt ist und ob wir nicht doch einen Untersuchungsausschuß in dieser Sache brauchen. Ich stelle fest, daß wir uns wiederholt mit Herrn Schmidbauer und dem beschäftigen müssen, was unter seiner Regie immer wieder abläuft bzw. was ihm vorgeworfen wird, siehe Plutonium- und jetzt wieder den Mauss-Fall. Ich denke, man könnte seine politischen Aktivitäten besser und nützlicher einsetzen, als sich immer wieder mit Vorwürfen gegen Herrn Schmidbauer bzw. mit dem, was Sie in Geheimdienstkreisen, jetzt in Ihrem privaten Geheimdienst mit Herrn Mauss, so alles treiben. Auch möchte ich den falschen Eindruck nicht stehen lassen, daß sich meine Fraktion eventuell nicht für humanitäre Einsätze aussprechen würde. Natürlich wären wir für einen humanitären Einsatz, wenn es darum geht, Geiseln zu befreien. Aber das bekommt doch einen schalen Beigeschmack, wenn man weiß, daß es dem Hauptakteur, nämlich Herrn Mauss, offenbar gar nicht darum geht, humanitär zu wirken. Dem geht es augenscheinlich nur darum, Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften. ({2}) - Wenn entsprechende Lösegeldforderungen, Herr Westerwelle, immer wieder erhöht werden und ganz klar von Provisionen für Herrn Mauss gesprochen wird, liegt doch auf der Hand, wo seine Motivation liegt. Herr Schmidbauer gibt vor, in Friedensverhandlungen in Kolumbien einschreiten zu wollen. Da, denke ich, wären zunächst einmal andere Maßnahmen angesagt, zum Beispiel die Unterbindung deutscher Waffenexporte nach Kolumbien oder die Überprüfung der Ausstattungshilfe der Bundesregierung an die kolumbianischen Geheimdienste. Da leisten wir erhebliche Hilfe. Es wäre ein Beitrag auch zur Friedensbildung dort, wenn man etwa die Waffenlieferungen und diese Unterstützung zurückfahren würde. Ein Letztes. Indirekt unterstützt die Bundesregierung auch Schmiergeldzahlungen, wenn sie es immer noch zuläßt, daß man in Deutschland solche Zahlungen von der Steuer absetzen kann, und wenn Sie sich beharrlich weigern, dem, so wie es bereits internationaler Standard ist, einen Riegel vorzuschieben. Wenn Sie in Friedensbemühungen in Kolumbien einsteigen sollten, dann sollten Sie zumindest diese drei Punkte im Auge haben. Gerade der Bereich Schmiergeldzahlungen trägt zum Unfrieden in Kolumbien bei. Ich danke Ihnen. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Erich Riedl.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich muß man der Opposition für die Fragestunde und für die Aktuelle Stunde dankbar sein, weil sie, Herr Kollege Schily, zwei in einer westlichen Demokratie offensichtlich sehr funktionierende Instrumente der parlamentarischen Kontrolle sind. Ich glaube nicht, daß es allzu viele Länder gibt, bei denen im Plenum der Vollversammlung des Parlaments so kontrovers und offen ein so heikles Thema behandelt wird. Das ist das erste Positive, das ich hier einmal feststellen möchte. ({0}) So sind alle Klagen und Fragen nach der Gesetzgebung und nach den Gremien heute eigentlich in recht eindrucksvoller Weise beantwortet. Zweitens. Ich mache an der Stelle, wo ich zu reden habe, immer den Versuch, zusammenzufassen. In den letzten Tagen war in den Sonntagsblättern überall vom Rücktritt des Koordinator-Staatsministers Schmidbauer zu lesen, und es ist darüber geredet worden. ({1}) Ich habe das Wort Rücktritt heute nicht mehr gehört. Es konnte gar nicht fallen, weil die Antworten der Bundesregierung auch auf deutliche Zusatzfragen eigentlich Anlaß zu der Feststellung, die ich jetzt machen möchte, gegeben haben. Ich habe mich gewundert, daß bisher von niemandem angesprochen wurde, daß man angesichts der geglückten Befreiung von Frau Schoene der Bundesregierung und dem Koordinator sowie allen, die beteiligt waren, einmal ein herzliches Dankeschön für diese humanitäre Leistung aussprechen sollte. ({2}) Ich glaube, daß es der Opposition nicht gelungen ist, der Bundesregierung derartig gravierende Vorwürfe zu machen - Vorwürfe kann man immer machen, auch in einer so heiklen Geschichte -, wie sie bislang in der Öffentlichkeit von der Opposition erhoben worden sind. Ich will einmal ganz kurz zusammenfassen. Erstens. Es ist, glaube ich, heute im Deutschen Bundestag klar geworden, daß Kolumbien kein Paradies ist. Es ist auch nicht die Schweiz, Holland oder Deutschland, ({3}) wo leider Gottes auch Entführungen teilweise mit tragischem Ende, wie jetzt in Frankfurt, vorkommen. Vielmehr ist Kolumbien, Herr Kollege Hirsch hat das ja sehr deutlich gesagt, ein Land, in dem alles passieren kann von Rauschgift, Geldwäsche, Guerilla, Mord, Gewaltverbrechen. Dann werden Deutsche in diesem Land Dr. Erich Riedl ({4}) entführt, und es ist gelungen, diese Geiseln freizubekommen. Das ist doch eigentlich das Schöne an dieser Sache, um das Wort Schoene auch einmal im Zusammenhang mit der Entführung zu bringen. Zweitens. Die Figur Mauss. Ich möchte das Geschäft nicht machen, das er zu machen hat. Es gibt wahrscheinlich auch nicht viele, die das angesichts dieses hohen Lebensrisikos tun. Ich möchte auch nicht wie er jetzt in dem Hochsicherheitsgefängnis in Kolumbien sitzen, mitten unter Rauschgift- und Drogensüchtigen. Aber Mauss hat ganz offensichtlich - das muß man bei seiner Tätigkeit feststellen - mit einem Höchstmaß an persönlichem Risiko dazu beigetragen, daß die Geiseln befreit worden sind, wie die Bundesregierung und wir alle wollten. Herr Kollege Such, Sie sind ja Polizeibeamter. Deswegen wäre ich mit der Feststellung „zwielichtige Figur" sehr vorsichtig, bis das geklärt ist. ({5}) Die Unschuldsvermutung - da hat Herr Rechtsanwalt Schily recht - gilt für jeden, auch für Herrn Mauss. Drittens. Diese Fragestunde und die Aktuelle Stunde haben ergeben, daß Rechtsverstöße deutscher Stellen und Behörden nicht stattgefunden haben. ({6}) - Dann beweisen Sie es, Sie haben ja noch Zeit. Das haben die Fragestunde und die Aktuelle Stunde ganz deutlich ergeben. Viertens. Die letzten zwei Stunden haben ergeben, daß es eine Überschreitung der Kompetenzen des Koordinators ebenfalls nicht gegeben hat. ({7}) Ich stelle ausdrücklich fest, daß die enge Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzleramt, den Sicherheitsbehörden und dem Auswärtigen Amt funktioniert hat. ({8}) Fünftens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt ja, den Blick in die Zukunft zu richten. Wir alle müssen schauen, daß im Zusammenhang mit diesen unglaublich schwierigen Ländern, wo morgen früh wieder Entführungen stattfinden können, die Funktionsfähigkeit des deutschen Regierungsapparates durch Diskussionen, wie sie hier teilweise stattgefunden haben, nicht beeinträchtigt wird. Ich sagte heute schon in einer Zwischenfrage: Ich möchte in Kolumbien nicht der nächste Entführte sein, wenn die Dinge so offengehalten werden, wie das jetzt der Fall ist. ({9}) - Herr Kollege Schily, ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Schmidbauer hat, glaube ich, ein gesundheitliches Problem und mußte deswegen den Raum verlassen.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte zum Schluß den Appell, der aus dem Plenum heute ganz deutlich hervorgeht, an die Bundesregierung richten und sie bitten, alles zu tun, vielleicht in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die in Lateinamerika wohl den meisten Einfluß von uns allen haben, daß es wieder zu einigermaßen normalisierten Beziehungen mit Kolumbien kommt und daß die Geschichte, über die wir heute sehr ausführlich geredet haben, auf Dauer nicht weitere Menschenleben gefährden wird. Vielen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Freimut Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, Herr Kollege Riedl, es ist nicht gelungen, die Vorwürfe zu entkräften. Wir werden noch weitere Fragen zu diesem ganzen Vorgang stellen. Ich möchte mich auf das Land Kolumbien konzentrieren. Was wäre wohl passiert, wenn diejenigen kolumbianischen Richter und Staatsanwälte, die wir 1993 nach Bonn eingeladen hatten, heute zugehört hätten? Damals haben wir sehr intensiv über die Dramen der Entstaatlichung und der Zerstörung des Rechtswesens durch Guerilla, die sich aus Geiselnahmen und aus Rauschgift finanziert, gesprochen. Was hätten sie gesagt, wenn sie gehört hätten, wie heute hier über ihr Land und über ihre ständigen Bemühungen, einen Zivilstaat herzustellen, geredet worden ist, auch in Zwischenrufen, ({0}) als sei es sozusagen eine komische Chaoswiese, auf der man tätig werden muß! Kollege Riedl, daß Tragische bei jeder Entführung ist doch, daß der, der damit befaßt wird, zum einen den Auftrag hat, das Leben der Geiseln zu retten, ({1}) und zum zweiten, wenn er staatlich agiert, den Auftrag, künftige Wiederholungen zu verhindern. Denn jede erfolgreiche Auslösung ist bereits eine Verlokkung zur Wiederholung. Daraus ist in einem schwachen Staat wie Kolumbien eine Auslösungsindustrie geworden. Jede finanziell erfolgreiche Auslösung lockt die Täter zur nächsten Entführung. Das ist die tragische Lage, in die jeder gestellt ist, der mit Entführungen zu tun hat. Deshalb ist der Vergleich mit Wischnewski in diesem Punkt in bezug auf Mogadischu völlig falsch. Denn genau diese Frage haben sich damals viele Menschen in diesem Staat gestellt. Es ist entschieden worden: Wir gehen auf keine der Forderungen der Geiselnehmer ein, weil sie den Kernbestand dieser Sache verletzen würden. ({2}) Das ist der wirkliche Unterschied. ({3}) Ich komme zu Kolumbien zurück. In Kolumbien gibt es ein engagiertes Rechtspersonal, das auf Unterstützung von außen hofft, das hofft, daß es gelingt, diese Geiselnehmerindustrie der Leute, die sich nach wie vor Guerilla nennen, die aber Killergruppen sind und mit der Drogenmafia zusammenarbeiten, zu zerschlagen, indem man den Prozeß der Geiselnahmen durchbricht. Das ist der einzige Grund, warum die kolumbianische Regierung gesagt hat: Wir verbieten die finanzielle Auslösung. Da gerät der deutsche Staat natürlich - das hat Herr Schmidbauer völlig richtig dargestellt - in eine Zwickmühle, wenn deutsche Staatsbürger betroffen sind. Aber Herr Verheugen hat wirklich richtig gesagt: Das eine ist etwas völlig anderes als das andere. Man soll bitte nicht glauben, das könne man mit einer Friedensoffensive kombinieren. Auch mich hat man einmal gefragt, ob ich für Kolumbien dazu bereit wäre, nachdem wir es mit Guatemala versucht haben. Einige von uns kennen die Lage. Wer sind denn mögliche Verhandlungspartner? Wie sieht das aus? Der Herr Mauss hat überhaupt nichts dazu beigetragen, auch nur eine Analyse vorzulegen, wer die „verhandlungsfähige" andere Seite sein soll. Warum sage ich das mit solchem Ernst? Ich sage das deswegen, weil wir die Entstaatlichungssituation in vielen anderen Ländern - ich will keine einzelnen Namen nennen -, in vielen postkommunistischen Staaten haben. Die Neigung, Geiselnahme zur Industrie zu machen, die Hoffnung, an den Reichtum der anderen Länder zu kommen, indem man aus genau den reichen Ländern jemanden nimmt, wird immer größer. Da stellt sich auch die Frage, was die Firmen eigentlich von dem Staat denken, in dem sie dort tätig sind, die glauben, dann komme der Heimatstaat und tue genau dies, was zur Fortsetzung des Problems führen würde. Wir haben wirklich dieses Problem. Ich muß sagen: Ich habe nicht den Eindruck, daß sich die Bundesregierung ernsthaft mit der Frage befaßt hat, wie ihr Handeln auf Wiederholungstäter wirkt, was man als Industriestaat, als parlamentarische Demokratie, aber auch als Bündnispartner von Frankreich, von Italien, von den Vereinigten Staaten, von England tun muß, um dieses durchaus globalen Terrorproblems beim Zerfall von Staaten Herr zu werden. Die Vermischung zwischen der Frage der Befreiung einer einzelnen Geisel und der vermuteten Chance, unter sehr vielen verschiedenen Partnern zu vermitteln, ist absolut unzulässig. Am schlimmsten war in dieser Hinsicht Professor Scholz. Wenn ich höre, daß hier ein Juraprofessor so etwas verkündet, muß ich sagen, er hat überhaupt nicht begriffen, wovon wir hier reden, was Zivilstaat künftig sein kann und im nächsten Jahrhundert sein muß. Dabei könnten wir auch Kolumbien helfen. Wir haben seinerzeit eine große Anhörung durchgeführt, einen ganzen Tag lang - hier ist das Protokoll -, und uns mit Juristen Kolumbiens befaßt. Alle, die Menschenrechtler und die Juristen, haben uns Margemacht: Hilfe ja, aber immer nur solche, die den Wiederholungstäter abschreckt. ({4})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Kollege Olderog.

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob das, was über Kolumbien gesagt wurde, nicht ein weites Stück von der Realität entfernt ist. Wir sind ja als Mitglieder der PKK einmal in Kolumbien gewesen. Ich kenne kaum ein Land, das in so entsetzlicher Weise bedroht und beherrscht ist von Anarchie, Terror und Geiselnahme, von Guerilla, Drogenkartellen, Mafia und Räuberbanden. Längst hat doch die Regierung ihre Herrschaft über weite Teile des Landes verloren. Sie sind außer Kontrolle geraten. ({0}) Da gelten die Gesetze des Dschungels. Da, wo die Geiseln untergebracht sind, wohin sie verschleppt wurden, gibt es keine Regierungsgewalt mehr. Da ist längst die Staatsgewalt beendet. Da herrschen leider die Gesetze des Dschungels. Deswegen ist es gradezu absurd, mit Rechtssätzen des Verwaltungs- und Staatsrechts zu kommen. Das hat mit der Wirklichkeit überhaupt nichts mehr zu tun. ({1}) Meine Damen und Herren, wir haben ja in den letzten Tagen - Gott sei Dank heute nicht mehr - immer wieder die Forderung nach dem Rücktritt von Schmidbauer gehört. Ich kann nur sagen: Daß in jenem Land, in dem ein Menschenleben für viele überhaupt nichts mehr zählt, in dem jährlich mehr als 20 000 Menschen ermordet werden, in dem im letzten Jahr 1 200 Menschen entführt und verschleppt wurden, Brigitte Schoene von Herrn Mauss befreit werden konnte, ist ein Grund für große Erleichterung und Dankbarkeit; ({2}) dies um so mehr, als ich erfahren habe, daß die kolumbianische Regierung zwar angesprochen worden ist, sich aber außerstande gesehen hat, irgend etwas zu unternehmen. ({3}) Inzwischen wissen wir ja auch, meine Damen und Herren, daß Herr Mauss allein in den Jahren 1995 und 1996 nicht nur eine Person, sondern insgesamt acht, vermutlich aber weit mehr Personen aus der Geiselhaft irgendwo im Urwald befreit hat. Die Fälle Schoene, Rutnig, Dressel und der drei argentinischen Ingenieure sind nur die bekanntesten. Es gibt eine weit größere Zahl. Mauss war es, der über gute Kontakte in alle Teile des Landes und zu vielen Gruppierungen des Landes verfügte. ({4}) Mit seiner Hilfe Brigitte Schoene zu befreien, das hatte eben die besten Chancen, das hatte bessere Chancen, als andere Wege zu beschreiten. ({5}) Ich frage Sie einmal ganz konkret: Was hätte denn Herr Schmidbauer, was hätte die Bundesregierung in der konkreten Situation tun sollen? Hätte sie sagen sollen: „Geisel, bleib dort mal! Wir haben leider nicht die rechtsstaatlichen Instrumente und müssen deswegen darauf verzichten, dir zu helfen?" Nein, sie mußte in dieser Situation, sozusagen in einem übergesetzlichen Notstand, die Chance nutzen und den Zipfel packen, den es gab, um dieser Geisel zu helfen. ({6}) Oder glauben Sie, daß Controll Risk oder die anderen Befreiungsunternehmen, die es dort auch noch gibt, die erwiesenermaßen oft Mißerfolge gehabt haben, dies hätten besser bewerkstelligen können? Ich glaube, so wie die Regierung gehandelt hat, waren das alles keine Fehlentscheidungen, sondern es war in dieser extremen Situation ein mutiges und verantwortungsbewußtes Verhalten. Lassen Sie mich zur Person Mauss sagen: Wir wollen ihn weiß Gott nicht zu einer idealen Figur hochstilisieren. Nach Aussage der Medien soll er einerseits eine fast legendäre Figur sein, andererseits eine höchst schillernde und umstrittene Person. ({7}) Schon jetzt ist aber klar - das haben wir heute gehört -, daß viele Behauptungen nur auf Gerüchten und Spekulationen beruhen. Falsch sind zum Beispiel die Behauptungen über deutsche Haft- und Vorführbefehle. Herr Such, ich finde es schlimm, daß Sie als Polizeibeamter, der weiß, wie man mit solchen Dingen umgeht, das hier noch einmal nachträglich in die Welt setzen, obwohl das schon widerlegt ist. ({8}) Ziemlich sicher ist - ich sage das einmal vorsichtig -, daß Herr Mauss seit Mitte der 70er Jahre in einer Reihe von spektakulären Fällen hat helfen können, in denen sich Polizei und Sicherheitsdienste leider vergeblich bemühten. ({9}) Manche meinen, Herr Schmidbauer habe sich zu eng mit Herrn Mauss eingelassen. Bei den Vorgängen in Kolumbien aber ging es - das muß man immer wieder sagen - für die Geiseln letztlich um Leben und Tod. In einer so extremen Situation kann es keine Rücksichtnahme auf - ich nenne das einmal so; vielleicht ist es nicht ganz angemessen - protokollarische Ästhetik geben. ({10}) - Manche sagen, ein Staatsminister dürfe sich mit einer so schillernden Figur nicht zusammensetzen. Ich sage nur: Der Erfolg zeigt, daß das der richtige Weg gewesen ist. ({11}) - Die Geisel ist befreit worden. Das haben Sie völlig vergessen. Das ist für mich die entscheidende Sache. ({12}) Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß. Die Regierung hat der Opposition angeboten, in den zuständigen Gremien über weitere Details zusätzlich Auskunft zu geben. Mögen Sie - vielleicht sogar zu Recht - diesen oder jenen Begleitumstand kritisch würdigen. Ich räume ein, daß man über dieses oder jenes sprechen kann. ({13}) Im Kern werden auch Sie nicht umhin kommen, zu erkennen: Die Befreiungsaktion war ein voller Erfolg, die Unterstützung der Bundesregierung geboten. Rücktrittsforderungen an Herrn Schmidbauer sind abwegig. Soweit sie erhoben werden, weisen wir sie entschieden zurück. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat der Kollege Norbert Gansel das Wort.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ein geheimer Vermittler bei einer vertraulichen Friedensinitiative verhaftet und enttarnt wird, wenn von den Behörden des Staates, auf dessen Bitten und in dessen Interesse er tätig gewesen sein soll, gegen denselben und gegen unsere Bundesregierung schwerste Vorwürfe erhoben werden und wenn der Ehemann der freigekauften Geisel auch noch öffentlich erklärt, der sogenannte geheime Vermittler habe sich selber aufgedrängt ({0}) und die Freilassung erschwert sowie den Preis hochgetrieben, dann steht man vor einem Scherbenhaufen. Man muß sich fragen: Was ist da passiert? Wer trägt die Verantwortung? Was können wir daraus lernen? Die Antwort der Regierungskoalition besteht darin, daß sie es als einen Erfolg feiert, wenn in diesem Zusammenhang im Parlament keine Rücktrittsforderungen gegen ein Regierungsmitglied erhoben werden. Ich glaube, damit werden wir der Dimension dieser Sache und auch der beginnenden Diskussion, Herr Schmidbauer, nicht gerecht. Sie haben sicherlich manchen Erfolg gehabt. Viele haben dabei geholfen. In der letzten Zeit habe ich im Vergleich zwischen Herrn Wischnewski und Herrn Schmidbauer aber eher den Eindruck, daß dies der Unterschied zwischen „trouble-shooter" und „trouble-maker" ist. ({1}) Aus der Zusammenarbeit mit Hans-Jürgen Wischnewski weiß ich, daß er peinlichst darauf Wert gelegt hat, daß bei allem, was er tat, zwischen ihn und das Auswärtige Amt kein Blatt Papier paßte. So eng war die Zusammenarbeit - nicht nur als er in der Regierung, sondern auch als er in der Opposition war. Ich weiß aus Gesprächen, wie erleichtert Hans-Jürgen Wischnewski damals war, weil die somalische Regierung die Zustimmung zu dem Einsatz des BGS im Rahmen der Befreiungsaktion von Mogadischu gegeben hatte. Ich erinnere mich, wie wir im Plenum gesessen haben, der somalische Botschafter auf die Tribüne kam und wir ihn gefeiert haben, weil dies eine Aktion war, die in Zusammenarbeit aller Kräfte in der Bundesrepublik - in engster Zusammenarbeit zwischen Kanzleramt, Außenministerium sowie Innenministerium - und mit dem betroffenen Land Somalia durchgeführt wurde. Das ist ein großer Unterschied zu der jetzigen Situation. Deshalb sage ich: Selbst wenn die ganze Aktion erfolgreich verlaufen wäre, müßten wir uns hier die Fragen stellen: Warum wurde ausgerechnet Herr Mauss einbezogen? Wer macht eigentlich die Außenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland? Nach dem, was wir in der Fragestunde gehört haben, bleibt festzustellen - aus dem Auswärtigen Ausschuß kann ich nicht zitieren -, daß es eine rechtzeitige umfassende Information des Auswärtigen Amtes nicht gegeben hat. ({2}) Man hat vielmehr nur mal so miteinander geredet. Ich stelle fest, daß es keinen erkennbaren Auftrag und keine enge Abstimmung in der Durchführung mit der kolumbianischen Regierung gegeben hat; denn sonst wären die Reaktionen in Kolumbien überhaupt nicht denkbar. Ich stelle fest, daß es keine offizielle Information unseres engsten Verbündeten, der USA, gegeben hat, die in Kolumbien besondere Sicherheitsinteressen gerade im Umgang mit der Narco-Guerilla, zu der Herr Mauss vermitteln soll, haben. Wenn gesagt worden ist, die USA seien informiert, muß man feststellen, daß dies nicht auf der Ebene der Auswärtigen Ämter, sondern allenfalls in einer informellen Grauzone geschehen ist. Ich stelle unter Berücksichtigung dessen, was geschehen ist, fest: Sie waren gewarnt, Herr Schmidbauer. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 28. September 1996. Überschrift: „Kolumbien beschuldigt deutsche Regierung und Firmen: Pakt mit der Guerilla; Lösegeldzahlungen aus der Bundesrepublik sollen die Rebellen hochgepäppelt haben." In diesem Artikel sind Zitate von einem Gouverneur aus Kolumbien, von einem General aus Kolumbien und von einem ehemaligen, sehr angesehenen konservativen Außenminister aus Kolumbien enthalten. Wenn Sie sich in dieses Minenfeld ohne Absicherung ausgerechnet mit Herrn Mauss begeben, dann darf man sich doch nicht wundern über die Reaktion der kolumbianischen Behörden, über das öffentliche Echo, über den Ansehensverlust der Bundesrepublik Deutschland in bezug auf unsere Handlungsfähigkeit in ähnlichen Situationen und über das, was sich als Folge daraus ergeben kann, wie Deutschland mit dem Freikaufen von Geiseln umgeht. Deshalb sage ich - auch um Ihnen gerecht zu werden; ich nehme Ihnen Ihren guten Willen ja ab -: Natürlich ist es immer die erste Reaktion, mit allen Mitteln zu versuchen zu helfen, wenn jemand als Geisel genommen wird. Aber das ist auch die einfachste Reaktion. Die schwierigste Reaktion ist, zu bedenken, welche Folgen sich ergeben können. Wir haben uns damals im Falle Mogadischu in der Bundesrepublik gegen die Erpressung entschieden. Ich will nicht sagen, daß diese Entscheidung in jeder Situation richtig ist. Aber Freimut Duve hat die Dimension aufgezeigt, die sich für die internationale und für unsere Politik ergibt. Ganz zum Schluß will ich sagen: Was mir Sorge macht, Herr Schmidbauer, ist das Milieu, in dem sich diese Aktion vollzogen hat. Dazu gehört nicht nur der Koordinator für die Nachrichtendienste, der aber in dieser Funktion gar nicht tätig gewesen ist, denn sonst hätte er die PKK darüber informieren müssen; dazu gehört auch Herr Mauss mit seinen dubiosen Verbindungen; dazu gehört der ehemalige Oberst und BND-Mitarbeiter Philipps, der den Paß besorgte; dazu gehört ein anderer, in der Plutonium-Affäre schon aufgefallener Mitarbeiter des BND, der in Südamerika tätig ist; dazu gehören die undeutlichen Verbindungen zu den USA; dazu gehört das Übergehen des kolumbianischen Außenministers. Auf diese Weise vollzieht sich Außenpolitik in einem grauen, fast nachrichten- und geheimdienstlichen Bereich, der zu Recht Nebenaußenpolitik genannt werden muß. Dies ist eine Außenpolitik, die uns nicht ansteht. Wir halten an der Kultur der Zurückhaltung der Bundesrepublik Deutschland in der Außenpolitik - mit allen Pflichten, die wir haben - fest. Wir wollen keine Aufdringlichkeit und Wichtigtuerei in Bereichen, wo unsere Kräfte zu helfen beschränkt sind und wo das Ergebnis zum Teil aus Dilettantismus nur so negativ und enttäuschend ausfallen konnte wie in dem Fall, den wir heute diskutieren müssen und der noch nicht abgeschlossen ist. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Aktuelle Stunde ist damit zu Ende. Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5. Dezember 1996, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist damit geschlossen.