Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997
({0})
- Drucksachen 13/5200, 13/5836, 13/6001 bis
13/6025, 13/6026, 13/6027 Wir setzen die Haushaltsberatungen fort. Es liegen sechs Entschließungsanträge vor. Ein weiterer Entschließungsantrag ist durch die Koalitionsfraktionen angekündigt worden.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über das Haushaltsgesetz sowie über einen Entschließungsantrag namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Hans Georg Wagner, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Freude und Genugtuung stelle ich fest, daß Sie, Herr Finanzminister, wieder gesundet und unter uns sind. Herzlich willkommen! Wir freuen uns, daß Sie wieder hier sind.
({0})
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bleibe nicht bis zum Schluß so freundlich.
({1})
- Das war auch ehrlich gemeint, Herr Minister.
Zunächst einmal habe ich als zeitweise amtierender Vorsitzender des Haushaltsausschusses den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushaltsausschusses, die uns ertragen müssen, herzlich zu danken.
({2})
Was wir uns selbst verordnen, nämlich nächtens, bis morgens um halb vier, zu tagen, ist ja nicht gerade einfach. Auch die Arbeitsintensität leidet darunter, wie wir gestern an einem bestimmten Punkt schmerzlich erfahren haben.
({3})
- Wir haben im Gegensatz zu Ihnen nicht geschlafen. Sie schlafen ja, wenn Sie wach sind. Das ist das Schlimme an der ganzen Geschichte, Herr Kollege Dr. Weng.
({4})
Zumindest erwecken Sie den Eindruck, als ob sie permanent schlafen.
Eines muß ich feststellen: Bedauerlicherweise ist zum erstenmal in der Geschichte des Bundestages der Haushalt des Bundestages selber nicht einvernehmlich verabschiedet worden. Die Kürzungsabsichten der Koalition wurden nicht im Berichterstattergespräch vorgetragen. Deshalb konnte der Haushalt nicht einvernehmlich getragen werden. Ich bedauere das außerordentlich und hoffe sehr, daß wir in der nächsten Beratung wieder zu der allgemeinen Regel zurückkehren, zumindest den Haushalt des Bundestages gemeinsam zu tragen.
({5})
Die Verfahrensweise bei der Haushaltsberatung wird von Jahr zu Jahr hektischer. Die Vorlagen werden am letzten Tag oder sogar in den letzten Minuten oder Sekunden produziert. Die Vorlagen tragen nicht einmal mehr die Überschrift „Arbeitsgruppe Haushalt" der CDU/CSU oder der F.D.P., sondern meistens die Überschrift „Bundesminister der Finanzen". Da weiß man, wo der Antrag eigentlich herkommt. Ich halte das nicht für gut.
({6})
Wenn Sie schon, wie wir ja wissen, die Vorbereitungen für die Koalition treffen, dann sollte man es bitte nicht so offensichtlich machen, daß auf dem Fax nur noch Ihr Absender steht und nicht einmal erkennbar ist, daß die Koalition Antragsteller ist, wie es im Verfahren zum Haushalt eigentlich sein sollte.
({7})
Eine sorgfältigere Aufstellung des Bundeshaushalts erscheint mir jedenfalls dringend notwendig und für die Zukunft unabdingbar; denn angesichts dessen, daß hier über mehr als 400 Milliarden DM entschieden wird, geht es nicht an, daß die Sorgfaltspflicht von Anfang an nicht gewahrt wird.
Ich halte es für verantwortungslos, Herr Minister Waigel, daß man, nachdem der Haushaltsentwurf im Juli beschlossen worden ist, in der Bereinigungssitzung plötzlich feststellt, daß es noch einen Spielraum von 3 Milliarden DM für Einsparungen gibt. Da kann doch irgend etwas nicht stimmen.
({8})
Entweder ist die Vorbereitung nicht so erfolgt, wie sie sein sollte, oder es stimmt irgend etwas in der Haushaltsberatung nicht, oder es ist ein Showgeschäft, bei dem man sagt: Die Koalition hat die Chance, ihren Willen zum Sparen unter Beweis zu stellen, indem versucht wird, in der letzten Sekunde noch etwas herauszuholen. Ich meine, eine sorgfältige Vorbereitung des Bundeshaushalts durch die Bundesregierung wäre das Vernünftigste. Deshalb sollten Sie zu dieser Vernunft zurückkehren.
({9})
Der Haushalt des Jahres 1997 hat drei Überschriften: Schulden, Pleiten, Arbeitslosigkeit. Mit über 2 Billionen DM hat der Haushalt die größten Schulden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, mit fast 30 000 Pleiten im Jahre 1996 liegen Sie absolut an der Spitze aller Bundesregierungen, was die Pleiten anbelangt, und mit einer Arbeitslosigkeit von weit über 4 Millionen Arbeitslosen liegen Sie auch an der Spitze aller Bundesregierungen.
Die drei Überschriften - Schulden, Pleiten, Arbeitslosigkeit - haben fünf Namen. Für die Schulden stehen Kohl, Waigel, Schäuble, Sohns und Gerhardt.
({10})
Für die Pleiten in Deutschland stehen Kohl, Waigel, Schäuble, Sohns und Gerhardt.
({11})
Für die Massenarbeitslosigkeit stehen fünf Namen: Kohl, Waigel, Schäuble, Solms und Gerhardt.
({12})
Das sind diejenigen, die im Zusammenhang mit diesen drei Überschriften genannt werden müssen.
({13})
In allen Neujahrsansprachen des Bundeskanzlers seit 1983 sagt er mit tiefbetrübter Miene: Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Die größte Aufgabe des nächsten Jahres ist die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. - Sehen wir einmal nach 13 Jahren hin, wie das aussieht. Jedes Jahr gibt es 200 000 Menschen mehr, die keine Arbeit haben. Das ist die Bilanz von 13 Jahren Regierung Kohl in der Bundesrepublik Deutschland.
({14})
- Da sagen Sie, Frau Kollegin Albowitz, auch noch „Gott sei Dank". Sie scheinen sich um die Arbeitslosen überhaupt nicht zu bekümmern. Bei der F.D.P. und ihrer Klientel kann ich das verstehen.
({15})
- Sie haben gesagt „Gott sei Dank", als ich davon sprach, daß hohe Arbeitslosigkeit verwerflich ist. Es ist schlimm, mit welchem Zynismus man offenbar mit den Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland umgeht.
({16})
Es ist diese Woche gesagt worden, daß es dringend notwendig sei, eine europaweite Beschäftigungsoffensive einzuleiten. Denn vielleicht kann das Problem der Massenarbeitslosigkeit gemeinsam beseitigt werden und so die Linderung des Schicksals von 18 Millionen Menschen in der Europäischen Union gelingen. Ihre Rezepte haben sich als wirkungslos erwiesen. Sie sind mit Ihrer Politik gescheitert.
({17})
Ihre hilflosen, jammernden Appelle an die Unternehmer bewirken offenbar gar nichts. Sie sind von denen veräppelt oder, wie wir Saarländer sagen, verarscht worden mit Zusagen, die nicht eingehalten werden. Das deutsche Ansehen in aller Welt war stets mit Wirtschaftsführernamen verbunden. Ich erinnere an Herrn Bosch, Herrn Benz, Herrn Siemens und Herrn Dornier, um nur vier beispielhaft zu nennen.
({18})
Sie standen in der ganzen Welt für Innovation und Qualität.
Betrachten wir die Unternehmerpersönlichkeiten, die es heute in Deutschland gibt. Heute steht derjeHans Georg Wagner
nige, der die meisten Arbeitnehmer aus seinem Betrieb hinausgeschmissen hat, an höchster Stelle und genießt höchstes Ansehen. Das ist eine Verkehrung dessen, wie früher Wirtschaftsführer in Deutschland gewirkt haben.
({19})
Günter Ogger hat ein Buch geschrieben: „Nieten in Nadelstreifen". Darin kann man wirklich nachlesen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland im Unternehmerlager Nieten gibt, die nur erfolgreich sind, wenn sie Leute aus den Betrieben hinausschmeißen, statt hier im Lande neue Arbeitsplätze zu schaffen.
({20})
Sie haben im Laufe der Debatte permanent das Stichwort Verlagerung von Investitionen ins Ausland geliefert. Betrachten wir das genau. Es liegt ja der Überblick des Jahres 1995 vor. Wie war es wirklich mit den Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft?
1995 gab einen Kapitalexport in Höhe von fast 48 Milliarden DM und einen Kapitalimport in Höhe von fast 14 Milliarden DM. Die Frage lautet: Wo hat die deutsche Wirtschaft eigentlich investiert? Fast 93 Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen wurden in Ländern wie Amerika, Japan und der Europäischen Union getätigt. In den Ländern, die hier immer als Niedriglohnländer angeführt werden, in die man investieren müsse und werde - China, die mittel- und osteuropäischen Staaten und die Entwicklungsländer -, sind nur 5,2 Prozent der Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft getätigt worden. Das heißt, es ist eine große Lüge, wenn hier behauptet wird, man würde Arbeitsplätze in Länder exportieren, die Niedriglöhne zahlen. Man exportiert vielmehr dorthin, wo schon hohe Löhne gezahlt werden: in die USA, nach Japan und in Staaten der Europäischen Union.
({21})
Ich will einmal die vom Statistischen Bundesamt zusammengestellten Investitionen nennen: Die 25,56 Milliarden DM, die im Ausland investiert worden sind, sind meistens Übernahmen von Firmen. Die Firma Hoechst AG hat in den Vereinigten Staaten für 10 Milliarden DM Kaufpreis die Firma Marion Merell übernommen. Das ist also keine Investition, sondern die Übernahme eines Betriebes. ITT Finanzen wurde in Amerika für 3,6 Milliarden DM von der Deutschen Bank übernommen. Die Fresenius AG engagierte sich in den USA mit 3,3 Milliarden DM und die Robert Bosch GmbH ebenfalls in den USA mit 2,4 Milliarden DM, die Dresdner Bank und BASF engagierten sich mit jeweils ungefähr 2 Milliarden DM in England, die Deutsche Telekom Mobilfunk engagierte sich mit 0,82 Milliarden DM in Indonesien, die Bayer AG mit 0,8 Milliarden DM in den USA und die Gehe AG mit 0,58 Milliarden DM in England. Das ergibt die Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft.
Arbeitsplätze wurden nirgendwo geschaffen. Im Gegenteil: In der metallverarbeitenden Industrie, in der Deutschland investiert hat, sind in den betroffenen Ländern USA, Japan und Europäische Union von 18,8 Millionen Arbeitsplätzen nur noch 14,8 Millionen Arbeitsplätze übrig. Die deutsche Wirtschaft hat also nicht nur bei uns, sondern auch im Ausland 4 Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Das ist die Realität.
({22})
Ein Stichwort in diesen Tagen war wohl auch die Frage des Beschlusses der SPD vom vergangenen Montag hinsichtlich der Ausbildungsplatzumlage, übrigens keine sozialistische Erfindung. Erinnern Sie sich einmal: Als ein Herr Friderichs noch Bundeswirtschaftsminister war, gab es eine solche Umlage bereits. Das Bundesverfassungsgericht hat damals festgestellt, daß eigentlich ein Überangebot von 12,5 Prozent an Ausbildungsplätzen normal und richtig wäre. Bei einem geringeren Überangebot müßte man eine Umlage kassieren.
({23})
Was haben Sie denn eigentlich gegen die Hunderttausenden von Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeistern, die jedes Jahr redlich ausbilden und denen wir durch diese Umlage finanziell helfen wollen? Was haben Sie gegen den Mittelstand, den Sie doch immer auf Ihre Fahnen geschrieben haben?
({24})
Ich sage als Sozialdemokrat den Hunderttausenden von Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeistern der mittelständigen Wirtschaft danke, die treu und brav ihre Ausbildungsverpflichtungen erfüllen, anders als die Schmarotzer, die die Arbeitnehmer nachher, wenn sie fertig ausgebildet sind, übernehmen und nicht selber ausbilden.
({25})
Sie, meine Damen und Herren, machen sich zum Verteidiger dieser Schmarotzer, wie ich sie nenne, die anderen die Ausbildungsplatzkosten aufbürden und selbst nichts tun.
Sie zocken zugunsten von Millionären Millionen von Menschen ab. Das ist eine Politik, die wir nicht mitmachen können.
({26})
Ihre Politik - das umschreibt auch den Haushalt 1997 - ist nichts anderes als staatliche Reichtumspflege. So nenne ich Ihre Politik.
({27})
Nun noch zu einem Stichwort, das hier immer wieder genannt worden ist. Wenn es um den Abbau von
Subventionen geht, fällt Ihnen nichts anderes als die deutsche Steinkohle ein. Dazu muß ich auch als einer, der aus einem betroffenen Land kommt, einmal ein Wort sagen: Wer der Importkohle das Wort redet, wie viele von Ihnen das tun, der soll auch öffentlich zugeben, daß er für Kinderarbeit ist.
({28})
- Ja, Sie sind zu dumm, um das zu wissen. - In Kolumbien wird die Kohle durch Kinderarbeit gefördert.
({29})
Das ist nun einmal nachgewiesen. Ich begrüße, daß sich der Bundespräsident in Nepal gegen Kinderarbeit ausgesprochen hat. Sie, die „christlichen" Politiker, sind für Kinderarbeit im Kohlebereich. Das sind Sie mit Ihrer Steinkohlepolitik; lassen Sie sich das gesagt sein.
({30})
Die weltweite Nachfrage nach Steinkohle ist im Steigen begriffen. Es wäre pure Dummheit, wenn man diese Energie bei uns aufgeben würde. Man hat überhaupt keinen Ersatz an sicherer Energie. Deshalb ist derjenige, der gegen die Steinkohle in Deutschland so polemisiert, wie Sie das schon seit Jahren tun, auch gegen die Technologie, die in diesem Bereich entwickelt worden ist und die weltweit Spitze ist. Wer gegen Kraftwerks-, Bergwerks- und Umwelttechnologien aus Deutschland ist, der ist christlicher Demokrat. Daß dies so ist und daß Sie so technikfeindlich sind, tut mir furchtbar leid.
({31})
Auch das Unwesen, das Sie im Forschungshaushalt treiben, führt dazu, daß viele wichtige Forschungsvorhaben nicht realisiert werden können, und ist eindeutig gegen die künftige Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Wer so technologiefeindlich wie Sie ist, der muß sich fragen lassen, wie er denn die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland überhaupt gestalten will.
({32})
Wir haben in diesen Tagen - so meine ich jedenfalls, und es ist auch in der Presse so dargestellt worden - klare Alternativen entwickelt. Wir haben sie in den Debatten aufgezeigt; hier wird sichtbar, daß dies eine andere Wirtschaftspolitik bedeutet. Wir wollen weg vom Abzocken der Millionen und der Hilfe für die Millionäre
({33})
hin zum Umgekehrten: Millionäre abzocken und Millionen helfen. Das ist eine vernünftige Wirtschaftspolitik.
({34})
Sie, Herr Pfarrer Hinze, können sich zu Wort melden, wenn Sie etwas sagen wollen. Ich bin gerne bereit, darauf zu antworten. Mich freut immer, daß ein evangelischer Pfarrer diese berühmte Rolle hier spielt. Dazu muß ich Ihnen allerdings einmal sagen, daß ich als evangelischer Christ manchmal kräftige Schamgefühle habe, daß Sie sich evangelischer Pfarrer nennen dürfen.
({35})
Wir haben die wichtigsten politischen Aufgaben dieser Tage öffentlich mitgeteilt bekommen. In einer Umfrage von Emnid haben sich 86 Prozent der Befragten für den Faktor Arbeit als wichtigsten Gegenstand der Politik ausgesprochen. Deshalb unsere Forderung, eine Beschäftigungsoffensive einzuleiten. Mit diesem Haushalt ist das natürlich nicht gelungen. Wir bedauern es außerordentlich.
An zweiter Stelle herrscht bei 66 Prozent der Bevölkerung die Sorge um die Renten vor: Auch da haben Sie erheblich zur Verunsicherung beigetragen, indem aus Ihren Reihen die Besteuerung von Renten angesprochen wird. Da passiert ein ungeheuerlicher Skandal.
({36})
Bei den Steuern sind 63 Prozent der Menschen in Deutschland der Auffassung, daß sie ungerecht sind. Deshalb erneut das Angebot an Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Steuerreform bereits im Jahre 1998 und nicht erst 1999 durchzuführen. 61 Prozent haben die soziale Frage an die Spitze gestellt; auch in diesem Bereich sind Sie führend im Abbau von sozialen Leistungen.
Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß wir auch in dritter Lesung diesem Haushalt und diesem Haushaltsgesetz nicht zustimmen können.
({37})
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Waigel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstmals seit über sieben Jahren als Bundesfinanzminister
({0})
) konnte ich nicht die ganze Zeit an einer Lesung des Bundeshaushaltes teilnehmen.
({1})
- „Sehr bedauerlich", heißt es von links. Ich begrüße, daß Sie das auch bedauert haben.
Johann Wolfgang von Goethe hat einmal den Zusammenhang zwischen Finanzen und Krankheit folgendermaßen beschrieben:
Was nützet mir der Erde Geld,
kein kranker Mensch genießt die Welt.
Insofern freue ich mich natürlich, daß ich jetzt wieder eine solche Debatte genießen darf.
({2})
Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre Genesungswünsche von allen Seiten. Herr Kollege Wagner, Sie sehen, es hat genutzt.
Im Gegensatz zu einzelnen Presseberichten hätte ich es vorgezogen, an der Debatte teilzunehmen. Auf die 100prozentige Lohnfortzahlung verzichte ich gerne - von der Presse wurde mir etwas anderes unterstellt.
({3})
- Hören Sie mir mal eine Sekunde zu! ({4})
- Entschuldigung, ich habe den Abgeordneten hinter Ihnen gemeint. - Vielleicht sind wir dann der gleichen Meinung, Sie wissen es ja noch gar nicht.
Ich habe - wie wohl die meisten Politiker - noch nie danach gefragt, wie viele Urlaubstage mir zustehen.
({5})
Ich weiß ganz sicher: In jedem Jahr als Bundesfinanzminister habe ich weit weniger als 30 Tage Urlaub genommen. Ich war immer dafür, auch die Minister in die Kürzung der Lohnfortzahlung einzubeziehen.
({6})
- Warten Sie doch! Die SPD sollte das Bezügefortzahlungsgesetz passieren lassen. Dann tritt ein, daß wir genauso behandelt werden wie jeder Arbeitnehmer. Das halte ich für richtig.
({7})
Politiker müssen genauso gestellt werden wie die Arbeitnehmer. Nichts anderes haben wir hier gefordert, und für nichts anderes werden wir eintreten.
Ich möchte mich nun vor allen Dingen bei denen bedanken, die die Hauptlast der Beratungen in den letzten Tagen und Wochen getragen haben: beim amtierenden Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Kurt Rossmanith, und bei Ihnen, Herr Wagner,
die Sie gemeinsam viel Arbeit haben leisten müssen. Wir hoffen alle, daß das nächste Mal unser Kollege Wieczorek diese Arbeit - wie immer vorzüglich - wieder leisten kann.
({8})
Wir alle haben uns gefreut, daß er einmal vorbeikommen konnte und daß wir sahen, daß er auf dem Weg der Besserung ist.
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß und bei den Mitarbeitern des Ausschusses, die eine unglaubliche Arbeitsleistung erbringen.
Ich bedanke mich auch bei den Mitarbeitern des Finanzministeriums. Sie stehen der Koalitionsarbeitsgruppe für Formulierungshilfen zur Verfügung, aber selbstverständlich auch Ihnen von der Opposition. Diese Dienstleistung muß nur abgerufen werden. Es ist die dienende Funktion eines Ministeriums, den Abgeordneten im Haushaltsausschuß zur Verfügung zu stehen, wenn es darum geht, Formulierungshilfe zu leisten.
({9})
Am 30. Oktober habe ich in der damals von der Opposition am Weltspartag angezettelten Bundestagsdebatte allen Propheten, die eine Nichteinhaltung der Haushaltseckwerte vorhersagten, erwidert: Das Gegenteil werden wir beweisen. - Genauso ist es.
Herr Wagner, jetzt muß ich schon - trotz des Lobes, das ich Ihnen vorhin für Ihre Arbeit gezollt habe - ein paar Bemerkungen zu Ihrer Rede machen: Sie haben Reminiszenzen an große Unternehmerpersönlichkeiten vor 100 Jahren dargebracht. Meinen Sie eigentlich, daß die Welt der Arbeitnehmer heute so sein sollte, wie die Welt der Arbeitnehmer damals war? Glauben Sie, daß man heute Unternehmenspolitik unter den Umständen betreiben kann, wie man es vor 50 oder vor 100 Jahren getan hat?
({10})
Es genügt doch nicht, uns auf der einen Seite vorzuhalten, wir würden in den Kategorien des letzten Jahrhunderts verharren, wir seien unsozial, wenn Sie auf der anderen Seite eine Welt vor 100 Jahren glorifizieren, die mit unserer sozialen Welt von heute nichts zu tun hat.
({11})
Es war doch geradezu abenteuerlich, was Sie über die Importkohle und die Kohleförderung gesagt haben.
({12})
So etwas Dümmliches habe ich wirklich seit Jahren im Deutschen Bundestag nicht mehr gehört.
({13})
Von Ihnen als einem sachkundigen Mann aus dem
Haushaltsausschuß hier zu hören, wer für ImportBundesminister Dr. Theodor Waigel
kohle sei, sei für Kinderarbeit in Kolumbien, ist eine Unverfrorenheit, für die Sie sich entschuldigen sollten. Eine bodenlose Unverfrorenheit!
({14})
Wir beziehen Importkohle zum Beispiel aus Australien. Herrscht dort Kinderarbeit? Wird dort die Kohle mit Hilfe von Kindern gefördert? Das zu behaupten ist geradezu dümmlich.
Lieber Herr Wagner, man kann in diesem Hause jemanden gern mögen oder weniger gern mögen. Aber so mit dem Kollegen Hintze umzugehen,
({15})
indem Sie ihm unverschämterweise unterstellen, daß er seines Berufes nicht würdig sei, steht Ihnen nicht zu. Entschuldigen Sie sich in aller Form für die Gemeinheit, die Sie hier einem Kollegen gegenüber entgegengebracht haben!
({16})
Die Haushaltseckwerte
({17})
sind sogar noch verbessert worden. Der Bundeshaushalt 1997 setzt mit seinem deutlichen Ausgabenrückgang ein Zeichen für die Rückführung der Staatsquote auf das vor der Wiedervereinigung erreichte Niveau. Dazu kommt: Die in Art. 115 des Grundgesetzes gesetzte Obergrenze für die Neuverschuldung wird klar eingehalten. Die Zahlen belegen: Deutschland wird sich für die Währungsunion qualifizieren.
Die Beratungen im Finanzplanungsrat haben gezeigt: Die Länder und die Kommunen werden ihre Defizite ebenfalls zurückführen. Wir werden 1997 ein Defizit von etwa 2,5 Prozent des BIP erreichen. Der Sachverständigenrat hat im übrigen darauf hingewiesen, daß das Ziel sehr wohl erreicht werden könne und daß in seiner Prognose - der des Sachverständigenrats - noch nicht alle Haushaltsentscheidungen berücksichtigt seien.
Der Vorwurf der Opposition, wir hätten mehr für die Bundesanstalt für Arbeit ansetzen müssen, geht ins Leere. Sie wissen ganz genau: Die geplanten Sparmaßnahmen erbringen 5,5 Milliarden DM. Das ist genau die Differenz zwischen dem Ansatz im Haushalt der Bundesanstalt und dem Ansatz im Bundeshaushalt.
Es gibt allerdings ein Haushaltsrisiko, und zwar die SPD-Blockadepolitik im Bundesrat.
({18})
Nachdem Sie schon in den letzten Jahren Einsparungen in Milliardenhöhe blockiert haben, geht es für den Bundeshaushalt 1997 um 6 Milliarden DM. Ich hoffe, daß sich die SPD-Mehrheit im Bundesrat auf die eigentliche Rolle dieses Verfassungsorgans besinnt und eigene Länderinteressen wirklich wahrnimmt.
Der Haushalt 1997 ist konjunkturgerecht und fördert das Wachstum. Bundeskanzler Kohl hat zu Recht auf die herausragende Rolle der erreichten Preisstabilität für niedrige Zinsen, Wachstum, neue Arbeitsplätze und vor allem für die soziale Gerechtigkeit hingewiesen. Preisstabilität sei nicht alles, behauptet dagegen Ministerpräsident Lafontaine. Der Haushalt 1997 führe im übrigen zu einer konjunkturschädlichen Parallelpolitik.
Aus der Mitte der 70er Jahre ist mir noch die ökonomische Ansicht eines führenden SPD-Politikers in Erinnerung: Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Arbeitslosigkeit.
({19})
Anschließend wurden die Staatsausgaben erhöht und sogenannte Konjunktur- und Beschäftigungsprogramme aufgelegt. Was war der Erfolg? - Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Wirkung dieser verfehlten Politik mußten wir mühsam beseitigen.
({20})
Ministerpräsident Lafontaine zitiert als Beweis eine Studie des Internationalen Währungsfonds: Konsolidierung sei nur bei Wachstum möglich, also jetzt nicht. Das, meine Damen und Herren, ist schon faktisch falsch. Wir haben ja wieder Wachstum - schon in diesem Jahr höher, als wir zunächst erwartet hatten. Ich weiß auch nicht, welche Studie des IWF Herr Lafontaine anspricht. In einer Studie vom Juli 1996 steht jedenfalls, daß Konsolidierung expansiv, also wachstumsanregend, wirke. Es heißt also nicht: Konsolidierung oder Wachstum. Die richtige Formel lautet: Konsolidierung bringt Wachstum. Ohne Konsolidierung findet dauerhaftes, inflationsfreies Wachstum nicht statt.
({21})
In dieser Studie steht aber noch etwas anderes: Jede Konsolidierung, die sich nicht mit den Problemen der Sozialsysteme auseinandersetzt, ist zum Scheitern verurteilt.
Ihr falscher Ansatz führt übrigens auch in der Europadiskussion in die Irre. Wer einen europäischen Stabilitätspakt für weniger wichtig als einen europäischen Beschäftigungspakt hält, geht einen ganz gefährlichen Weg.
({22})
Der europäische Stabilitätspakt sichert die Stabilität des Euro. Nur eine stabile Währungsunion schafft Wachstum und Beschäftigung in Deutschland und Europa. Dazu gehören auch die Maastricht-Kriterien. Sie sind klar festgelegt und stehen nicht zur Disposition.
Wachstum und Beschäftigung können auch nicht durch eine gezielte Wechselkurspolitik erreicht werden, wie es da und dort gefordert wird. Wechselkurse werden letztlich durch die Märkte auf der Basis von wirtschaftlichen Fundamentaldaten bestimmt, Für
günstige Fundamentaldaten sorgt insbesondere eine glaubwürdige und stabilitätsorientierte Geld-, Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Wir stehen zu der Finanzpolitik, wie die Bundesregierung und die Koalition sie konzipieren, und wir stehen zur Geld- und Währungspolitik, wie die Bundesbank sie konzipiert. Wenn eines von beidem im Inland oder im Ausland angegriffen wird, kann dies unsere Zustimmung nicht finden. Wir weisen auch die Kritik im Inland und im Ausland an der Deutschen Bundesbank zurück. Wir stehen zu dieser Politik.
({23})
Meine Damen und Herren, Fordern ist leicht. Sie fordern Mehrausgaben. Über einzelne Punkte könnte man reden: bei der Bildung, bei der Forschung. Wir haben selbst trotz größter Knappheit hier Prioritäten gesetzt und dafür an anderer Stelle Mittel eingespart. Wir haben seit 1982 die familienpolitischen Leistungen mehr als verdoppelt. Mehrausgaben fordern, bei Einsparungen aber bremsen und blockieren, das macht die unseriöse Doppelstrategie der Opposition komplett.
({24})
Eine höhere Verschuldung - das wissen wir alle - ist ausgeschlossen. Die Zinslasten im Bundeshaushalt sind hoch und müssen begrenzt werden.
Ich habe alle Sonderbelastungen für den Bundeshaushalt seit 1991 zusammenstellen lassen. Sie ergeben sich aus der Wiedervereinigung Deutschlands, der gewachsenen weltpolitischen Verantwortung Deutschlands und aus finanzpolitischen Entscheidungen für den Standort Deutschland. An Schulden haben wir 520 Milliarden DM übernommen. Die Haushaltsbelastungen - Zinsen und Tilgung dieser Schulden, Nettotransfer für die neuen Länder, Zahlungen für die Bahnreform, Kohlepfennig etc. - betrugen rund 710 Milliarden DM. Dazu kommen Hilfen und Bürgschaften für die GUS und für die mittel- und osteuropäischen Staaten in Höhe von 160 Milliarden DM. Allein die vom Bund übernommenen Sonderlasten sind damit doppelt so hoch wie die Nettokreditaufnahme des Bundes von 1991 bis 1997.
Das beweist deutlich, daß wir mit einem vernünftigen policy mix, mit einer Mischung aus Einsparungen, vertretbarer Verschuldung und notwendiger Steuererhöhung die Probleme gelöst haben,
({25})
daß aber an erster Stelle dauerhafte Einsparungen standen, um die Finanzkennziffern zu erreichen, über die wir heute verfügen und die weiter verbessert werden müssen.
({26})
Die Substanz unseres Sozialstaates bleibt voll erhalten; darauf haben die Redner der Koalition in dieser Woche schon hingewiesen. Gerade um diese Substanz zu erhalten, muß der Sozialstaat umgebaut werden. Die Eigenverantwortung kann und muß gestärkt werden. Im Spannungsfeld zweier einander zugeordneter Prinzipien, Solidarität und Subsidiarität, muß der Eigenverantwortung, muß dem einzelnen, muß der kleineren Gemeinschaft künftig eine stärkere Rolle zugewiesen werden. Anders ist Solidarität auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Das resultiert aus der katholischen Soziallehre und aus der protestantischen Ethik und ist notwendig, um das Gemeinwohl auf Dauer finanzieren und gewährleisten zu können.
({27})
Wer den Menschen wie Sie, Herr Wagner, vorgaukelt,
({28})
hier müsse sich nichts ändern, solange es noch ein paar Reiche gebe, denen man das fehlende Geld abknöpfen könne, der betrügt die Menschen in unserem Land.
({29})
So wie Sie hier geredet haben, genauso wird Politik im Saarland betrieben. Dann kommt man zum Bund, bittet um einen Scheck - es sind mehr als 2 Milliarden DM pro Jahr - und beschimpft anschließend diejenigen, die dem Saarland die Finanzierung von 40 Prozent seines Haushalts überhaupt erst ermöglichen. Das ist schon eine Unverfrorenheit.
({30})
Warum eigentlich, Herr Wagner, stellen Sie Ihre Rezepte nicht Ihrem Ministerpräsidenten und Ihrer Finanzministerin zur Verfügung? Sprechen Sie doch einmal mit denen! Es wäre sicher von Vorteil, wenn Sie Ihre ökonomischen Kenntnisse in diesem Zusammenhang einbringen könnten.
({31}) Uns würde das viel Geld ersparen.
Meine Damen und Herren, der Sozialneid, den Sie, Herr Wagner, geschürt haben, schafft nicht einen einzigen neuen Arbeitsplatz, sondern vernichtet weitere Hunderttausende.
({32})
Wir werden den Konsolidierungsweg auch nach 1997 weiter beschreiten. Der Finanzplan reicht bis in das Jahr 2000, unsere mittelfristige Perspektivplanung bis in das Jahr 2005. Der Anstieg der Bundesausgaben liegt bis zum Jahr 2000 durchschnittlich bei unter 1 Prozent pro Jahr, bei einem jährlichen Wachstum von im Schnitt 4 Prozent. Allein das senkt Jahr für Jahr die Staatsquote.
({33})
- Sie, Herr Diller, haben bisher keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie die Staatsquote sinken soll. Nur wenn die Staatsquote sinkt, können Neuverschuldung und Steuern und Abgaben sinken. Sie haben bisher nichts dazu beigetragen. Folglich sind Sie gar nicht in der Lage, die finanzpolitischen Kennziffern
zu verändern. Sie legen nämlich immer nur drauf und senken nicht ab.
({34})
Jedes Prozent weniger Staatsquote bedeutet Minderausgaben für den öffentlichen Gesamthaushalt in Höhe von 35 bis 40 Milliarden DM. Dafür wird in den nächsten Jahren noch viel Arbeit zu leisten sein. Sie ist aber notwendig, wenn wir im 21. Jahrhundert vor den großen Herausforderungen bestehen wollen.
Das Jahressteuergesetz 1997 - damit auch die Einnahmen der Länder - liegt nun in der Hand des Vermittlungsausschusses. Die Vermögensteuer kann ab Januar nicht mehr erhoben werden.
({35})
Fakt ist: Mit dem Wegfall der Vermögensteuer gibt es kein Steuergeschenk für die Reichen. Wer dieses Argument benutzt, hat weder das Jahressteuergesetz 1997 noch die Analysen von OECD, IWF und Europäischer Union gelesen. Für den Wegfall der privaten Vermögensteuer wird die Erbschaftsteuer erhöht. Substanzsteuern sind Arbeitsplatz- und Eigenkapitalvernichtungssteuern.
Die verschiedentlich von Herrn Scharping bemühte OECD-Statistik läßt übrigens keinesfalls den Schluß zu, die deutsche Vermögensteuer sei im internationalen Vergleich zu niedrig. Die von der OECD verwendete Bezeichnung „taxes on property '' umfaßt alle Steuern auf Vermögensbesitz und Vermögensverkehr: neben der Vermögensteuer auf das private und betriebliche Vermögen im deutschen Sinne alle Grund-, Gewerbekapital-, Grunderwerb-, Börsenumsatz-, Wechsel-, Gesellschaft-, Kapital-, Erbschaft- und Schenkungsteuern im weitesten Sinne. Die OECD-Statistik weist aus: Eine Vermögensteuer im deutschen Sinne wird in den meisten Ländern nicht erhoben.
Folgten wir jetzt der SPD, müßten wir die verwaltungs- und kostenintensive Vermögensteuer unmittelbar in den neuen Bundesländern einführen.
Mit dem von der SPD noch nicht aufgelösten Junktim, sich bei einem vollständigen Wegfall der Vermögensteuer der Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zu versagen, schaden Sie dem Standort Deutschland.
({36})
Dann nämlich muß die Gewerbekapitalsteuer am 1. Januar nächsten Jahres in den neuen Ländern eingeführt werden - mit allen negativen Konsequenzen für den Aufholprozeß der Wirtschaft.
({37})
Meine Damen und Herren, man stelle sich einmal vor: Dies würde die Unternehmen in den neuen Bundesländern 400 bis 500 Millionen DM kosten, und gerade die größeren Betriebe haben natürlich noch große Wettbewerbs- und Strukturprobleme. Einerseits über die BvS und über Programme zu versuchen, die Betriebe wettbewerbsfähig und am Markt zu halten - das tun wir -, ihnen andererseits aber im gleichen Zuge etwas wegzunehmen in der Hoffnung,
der Bund werde das auf andere Art und Weise wieder ausgleichen, ist volks- und betriebswirtschaftlich Unfug. Es ist höchste Zeit, daß Sie auch im Interesse der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern von dieser falschen Politik Abschied nehmen.
({38})
Die Arbeit an der Steuerreform kommt zügig voran.
({39})
- Auf jeden Fall werden wir früher als Sie die Eckwerte eines solchen Konzepts vorlegen. Dann bin ich gespannt,
({40})
ob Ihren Worten auch Taten folgen und ob Sie dazu in der Lage sind. Bisher haben Sie immer nur große Sprüche geklopft; aber wenn es darauf ankam, war nichts dahinter. Wer nicht einmal in der Lage ist, die Gewerbekapitalsteuer für den Osten zu verhindern, von dem ist steuerpolitisch in den nächsten Jahren doch nichts zu erwarten.
({41})
Mit unserer mittelfristigen Konzeption der Finanz- und Steuerpolitik, dem Jahressteuergesetz 1997, dem Bundeshaushalt 1997 und dem Finanzplan verfolgen wir die richtige Strategie. Wir bestätigen das Vertrauen der Märkte in die stabilitätsorientierte deutsche Finanzpolitik. Wir schaffen die Grundlage für die Meisterung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angesichts der zunehmenden Integration und Globalisierung der Weltwirtschaft. Wir sichern den Standort Deutschland, stärken unsere Wirtschaft in der immer härter werdenden internationalen Konkurrenz. Wir sichern die langfristigen Grundlagen unseres Sozialstaates, schaffen Spielräume für eine staatliche Zukunftspolitik. Unsere Politik bringt Impulse für den Aufschwung. Sie stellt die Weichen für Investitionen, Wachstum, steigende Einkommen und vor allem für zukunftssichere Arbeitsplätze.
Dazu kommen günstige ökonomische Daten: niedrige Zinsen, eine stabile D-Mark, moderate Lohnabschlüsse, anhaltende Preisstabilität mit einer Inflationsrate von 1,5 Prozent, eine positive Entwicklung des Welthandels und der Weltkonjunktur, aufwärts zeigende Konjunkturindikatoren und eine steigende Produktion.
Seit dem 2. Quartal 1996 liegen wir wieder auf Wachstumskurs. Die Investitionsbedingungen sind gut. Jetzt müssen die Unternehmer und die Gewerkschaften dafür sorgen, daß neue Arbeitsplätze entstehen.
({42})
Meine Damen und Herren, in wenigen Jahren geht das Jahrhundert zu Ende. Die Jahrtausendwende liegt vor uns. Eine solche Zeitenwende bringt Gelegenheit, zurückzuschauen und vorwärts zu blicken. Nach der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts - zwei
Weltkriegen, der Teilung unseres Vaterlandes, einer Weltwirtschaftskrise und zwei Währungsreformen - steht die zweite Hälfte im Zeichen des Aufbaus. Wir haben zunächst den Westteil unseres Landes erfolgreich aufbauen können. Nach der Vereinigung sind wir jetzt in den neuen Ländern dabei, dies mit dem Einsatz aller verfügbaren Kräfte zu tun. Mit unserer Finanzpolitik sind wir auf dem richtigen Weg.
In Deutschland sichern wir die Arbeitsplätze auch nach der Jahrtausendwende. Wir schaffen die Basis für eine leistungsfähige Wirtschaft und eine gestaltende Politik.
In Europa vollenden wir den Binnenmarkt mit einer dauerhaft stabilen Währungsunion. So entsteht ein großer dynamischer Wirtschaftsraum, der Wachstum und Wohlstand für alle Länder bringt. Wir sichern mit unseren Partnern in der G 7 und im Internationalen Währungsfonds die störungsfreie Entwicklung der Weltwirtschaft.
({43})
Wir fördern inflationsfreies Wachstum sowie durch Konsolidierung und Strukturreformen ein ausreichendes Kapitalangebot zu günstigen Konditionen. Damit werden wir unserer Verantwortung in Deutschland, in Europa und weltweit gerecht.
Ich danke Ihnen.
({44})
Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß es Ihnen besser geht, Herr Waigel. Wir haben das gerade an der Lautstärke und an der Chuzpe Ihrer Rede gemerkt.
({0})
Man merkt Ihrer Rede auch an, daß Sie diese Woche nicht hier waren, sondern Goethe gelesen haben.
Kommen wir zur Haushaltspolitik dieser Koalition. Ein Haushalt ist mindestens Handwerk; eigentlich müßte es Kunst sein. Dies hier ist aber ein Ergebnis von Einfallslosigkeit und Ignoranz. Die „FAZ", die nun wirklich keine grünennahe Zeitung ist, muß inzwischen schon titeln, daß die Haushälter „mit ihrem Haushälterlatein am Ende" sind, daß es keine „planvolle Detailarbeit" mehr gibt, sondern eher lustlose und oberflächliche Erbsenzählerei.
Die Koalition bringt gerade einmal eine Einsparung von einer halben Milliarde DM gegenüber dem Regierungsentwurf zustande. Das hat auch damit zu tun, daß die Koalitionshaushälter schon lange wußten, daß das dicke Ende zur Bereinigungssitzung noch kommen würde und daß dann planlose, kurzfristige und hektische Verschiebungen von Milliardenblöcken nach den Vorgaben des Bundesfinanzministers durchgezogen würden.
({1})
- Wir hatten die Faxspur schon; danke, Herr Kollege Wagner. - Von wegen Stunde des Parlamentes. Dem kann ich nicht zustimmen. Das Parlament hat wenig mitzureden, wenn die Milliardenverschiebungen aus dem BMF herübergefaxt werden.
({2})
Generell ist anzumerken, daß im Haushalt 1997 nach unserem Empfinden die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit in Frage gestellt werden. Dies ist im einzelnen nachzuvollziehen, wenn man zum Beispiel beobachtet, wie mit den Verpflichtungsermächtigungen umgegangen wird. Sie verschieben die Schulden im Prinzip auf kommende Jahre und Generationen. Sie tun zumindest so, als ob es später einmal bezahlt werden würde. Aber dies ist höchst zweifelhaft, wenn man weiß, daß Sie Ihre mittelfristige Finanzplanung jedes Jahr massiv verändern und anpassen müssen. So hat es damals mit den Fünfjahresplänen im Osten auch angefangen.
Bei der Nettoneuverschuldung wird gemogelt. Es wird davon ausgegangen, daß man über überplanmäßige Ausgaben, die Ende nächsten Jahres auf uns zukommen werden, nachholen kann, was man jetzt klammheimlich unterlassen hat. Man hat den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit bewußt zu niedrig angesetzt. Man hat die Arbeitslosenhilfe zu niedrig angesetzt. Man hat ziemlich unseriöse Einnahmeerhöhungen, zum Beispiel bei der Post, veranschlagt.
Man hat sich auf globale Minderausgaben verständigt. Das bedeutet, daß man gar nicht mehr weiß, an welcher Stelle das Ministerium einspart. Es bekommt vielmehr nur eine Gesamtsumme, die es, egal wo, einzusparen hat, ob es nun beim Radiergummi eines Beamten oder eben auch - das ist leider öfter der Fall - in dem bißchen beweglichen Finanzspielraum jedes Ministeriums ist. Das bedeutet, daß wir auf das bißchen Politik, das nicht gesetzlich gebunden ist, keinen Einfluß mehr haben. Ich kann daher die Worte „Stunde des Parlamentes" beim Haushaltsaufstellungsverfahren nicht mehr hören.
({3})
Dazu haben wir auch gestern ganz aktuell einige spannende, mysteriöse Sätze von Herrn Huber gehört, der sich darauf verständigte, daß bei der Grunderwerbsteuer noch Änderungen möglich wären. Man kann nur davon ausgehen, daß sie noch weiter als nur von 2 auf 3 Prozent erhöht werden soll.
Hier frage ich mich natürlich, wo die F.D.P., diese Steuersenkungspartei, ist. Irgendwie haben Sie die Grunderwerbsteuer übersehen. Aber das macht nichts. Es ist ja nur eine „kleine" Steuer. Sie reden ja immer nur von großen Steuersenkungen. Die kleinen Steuererhöhungen sind nicht so wichtig.
({4})
Bei all dem, was wir hier besprechen, vermisse ich eine mittelfristige Planung, eine gewisse mittelfristige Konsolidierung. In Ihren Vorschlägen gibt es keine Kohärenz. Auf der einen Seite wird von der F.D.P. propagiert, daß die Zuschüsse für den Steinkohlebergbau gesenkt werden müssen. Auf der anderen Seite werden Sie im Jahre 1997 in die Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen eingreifen. Das heißt, daß Sie den Kumpels in NRW sagen: Wir werden euch die Zuschüsse streichen, ihr könnt nicht mehr produzieren, aber umschulen können wir euch auch nicht, weil die Zuschüsse für Umschulungsmaßnahmen in NRW, die es 1996 noch gab, um ein Drittel gekürzt sind. Das heißt, daß 1997 nur noch 60 Prozent der Umschulungsmaßnahmen, die es 1996 in NRW gab, zur Verfügung stehen werden. So kann man keinen Branchenumbruch vornehmen, so kann man kein Gebiet strukturell anpassen. Darin haben wir inzwischen Erfahrung gesammelt.
Noch keine Generation, noch kein Jahrhundert hat so schamlos auf Kosten der nachfolgenden Generation gelebt. Man erlebt bei diesem Haushalt immer wieder - ich habe gerade ein Beispiel genannt -, daß überhaupt nicht darüber nachgedacht wird, was nach 1997 kommt. Alle sind nur emsig bemüht, durch 1997 hindurchzutauchen - Theo Waigel, unser Tieftaucher, vorneweg -, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen.
Das Problem dabei ist, daß allen suggeriert wird, 1998 könne man finanziell nach Luft schnappen. Aber das wird nicht so sein. Waigel muß 1998 absaufen. Er kommt gar nicht wieder nach oben, weil der Konsolidierungskurs automatisch fortgesetzt werden muß, oder gerade Sie von der F.D.P. haben Ihre ganzen Reden umsonst gehalten.
({5})
Wir sind natürlich auch der Meinung, daß an der Konsolidierung kein Weg vorbeiführt. Das muß klipp und klar gesagt werden. Die Frage ist nur, wie man es macht. Ich habe gerade von der mittelfristigen Finanzplanung gesprochen und nicht von irgendwelchen hektischen Verschiebungen, die vorgenommen werden, weil Maastricht wie ein Damoklesschwert über dem Haupte schwebt, und die keiner mehr nachvollziehen kann. Man muß sich langfristige Gedanken machen. Wir hatten zum Beispiel vor einem Jahr in dieses Haus den Vorschlag eines sich selbst finanzierenden Ausbildungsfonds für Studierende - BAFF - eingebracht, bei dem der Bund mittelfristig aus der Finanzierung aussteigen würde, aber in einer erträglichen Weise. Solche Vorschläge werden wir auch weiter vortragen.
Wir haben schon über unser Ökosteuerkonzept hier zu sprechen und Ihnen nahezubringen versucht, was man damit alles erreichen könnte, zum Beispiel mehr Arbeitsplätze. Aber das leuchtet Ihnen ja immer alles nicht ein.
Ich habe mich sehr geärgert, daß wir zum Beispiel diese globalen Minderausgaben dann am Tag der
Bereinigungssitzung noch einmal für fast ausnahmslos jedes Haus auf den Tisch bekommen haben. Das ist wirklich ein haushälterisches Armutszeugnis. Aber ich kann natürlich die Koalitionshaushälter auch verstehen. Bei diesem Wirtschaftsminister Rexrodt, der so unzuverlässige Eckdaten prognostiziert, müssen sie Theo Waigel natürlich eine Chance geben; deswegen mußten sie auch 3 Milliarden DM Pufferzone einbauen, die aber nicht ausreichen wird, weil Sie Ihre Zuschüsse im Sozialbereich einfach zu niedrig darunter gemogelt haben. Wenn Sie Pech haben, landen Sie bei einer Nettoneuverschuldung von zirka 62 bis 63 Milliarden DM, und dann haben Sie das Ziel wieder verfehlt. So sieht es aus.
({6})
Wir haben im Laufe dieser Woche darzustellen versucht, daß wir ein ganzes Antragspaket erarbeitet haben, in dem wir unsere Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen, mit dem wir unsere politischen Vorschläge sogar zum Teil finanzieren könnten und mit dem wir bei der Nettoneuverschuldung trotzdem auf solide 55 Milliarden DM kommen, weil wir zum Beispiel auch den Ansatz für die Bundesanstalt für Arbeit und für Arbeitslosenhilfe in vollem Umfang eingesetzt und seriös gegenfinanziert haben. Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, wir hätten keine Vorschläge oder keine Konzeption, ist das zum Beispiel ein sehr tiefgreifender konzeptioneller Vorschlag.
Weiterhin möchte ich beim Thema Konsolidierung auf folgendes hinweisen: Wir haben eine Reihe der Änderungs- und Kürzungsvorschläge der Koalition mitgetragen; meines Erachtens in einem Volumen von fast 2,5 Milliarden DM. Das heißt, daß also der Vorwurf an die Opposition, wir betrieben keine Konsolidierungspolitik, völlig haltlos ist. Das ist eindeutig.
({7})
1997 ist das entscheidende Jahr für die Qualifikation zum Start der Währungsunion. Der Finanzminister beharrt auf der strikten Einhaltung der Kriterien. Das wird allmählich ein Eigentor. Der Musterknabe Theo Waigel beschimpft die anderen in Europa - wie hat er die Italiener vor einem Jahr noch heruntergemacht -, aber selber muß er mogeln, damit er seinen Haushalt klarziehen kann.
({8})
Das erinnert etwas an den Ruf „Haltet den Dieb!", Herr Waigel.
Geben Sie doch einfach zu, daß Sie mogeln müssen! Ganz Europa mogelt inzwischen bei dieser Währungsunion. Die Franzosen bedienen sich bei den Pensionsrückstellungen der France Télécom, die Spanier, Portugiesen und Belgier verscherbeln ihr Gold, ihre Grundstücke und ihre Staatsfirmen - siehe Waigelwisch vom letzten Jahr; 3 Miliarden DM „Sonstiges" -, in Österreich wird inzwischen gesagt, der Haushalt sei nach dem Grundsatz aufgestellt, nach dem Stichtag zur Währungsunion komme die
Sintflut, und die Deutschen haben neben ihrer stillen Zukunftsverschuldung durch die Pensionslasten - seit Minister Kanthers Versorgungsbericht wissen wir ja, was auf uns zukommt - dann auch noch diesen unsoliden Haushalt 1997, bei dem das dicke Ende erst noch kommt.
So wird das Vertrauen in die europäische Währungsunion natürlich nicht hergestellt, weder in der Bevölkerung noch bei den Bankern, noch in der Wirtschaft. Ich weiß nicht, wie Sie das verantworten wollen.
({9})
Graf Lambsdorff hatte für den Haushalt des Jahres 1996 ein Haushaltssicherungsgesetz verlangt. Danach hat die F.D.P. ihn schnell weggeschlossen, damit er es nicht noch einmal sagen konnte. Aber ich frage mich natürlich, ob nicht für den Haushalt 1997 ein solches Haushaltssicherungsgesetz nicht noch viel wichtiger gewesen wäre; denn dieser ist noch unsolider als der letzte Haushalt.
({10})
Kommen wir noch zu einigen dieser Mogelpackungen, die uns hier untergeschoben und als seriöse Finanzpolitik dargestellt werden, zum Beispiel die Kreditermächtigungen. Nach § 18 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung gelten solche Kreditermächtigungen bis zum Ende des nächsten Haushaltsjahres noch fort. Das heißt, man durchbricht das Jährlichkeitsprinzip und unterläuft damit im Prinzip auch den Sparzwang, und zwar so, daß der Finanzminister Möglichkeiten hat, die Verschuldung noch einmal zu ändern. Ich finde, daß man dieser Vorgehensweise auf jeden Fall etwas entgegenhalten muß. Wir haben dazu auf Grund der dankenswerten Initative meines Kollegen Metzger einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht.
({11})
- Das haben auch schon andere gesagt, Herr Diller.
({12})
Eine weitere Mogelpackung sind die Privatisierungsvorhaben. Schon im Haushaltsplan für das Jahr 1996 hatte Herr Waigel 9 Milliarden DM Privatisierungserlöse eingestellt. Wir haben damals über diesen berühmt-berüchtigten Waigelwisch gesprochen und festgestellt, daß ein Teil dieser Vorhaben im Jahr 1996 nicht realisierbar sein würde. Jetzt werden sie für 1997 wieder aufs Podest gehoben.
Ich erinnere mich an Kollegen Weng von der F.D.P., der hier vollmundig erklärte, „der Haushaltsvollzug im kommenden Jahr braucht Ihre ganze Kraft, Herr Minister Waigel; mit der Durchführung der geplanten Privatisierung sind Sie persönlich im Wort. Hierbei haben Sie uns an Ihrer Seite" . Ich nehme an, er meinte den Vollzug des Wortbruches bei der Privatisierung.
({13})
Kollege Wengs Ausführungen zur Rückführung des Solidarzuschlages erspare ich mir und Ihnen. Aber eines ist natürlich in den letzten Wochen klargeworden, meine Damen und Herren von der Koalition: Der Weg von der CSU zur F.D.P. ist viel weiter, als ich das je gedacht habe. Wenn ich mir vor Augen führe, daß die CSU in ihrer Verantwortung als Volkspartei in Bayern weiß, daß sie für den kleinen Mann mit sorgen muß - und das meiner Beobachtung nach in Bayern auch erfolgreich tut -,
({14})
dann frage ich mich natürlich, wie Sie von der CSU mit der F.D.P. klarkommen, deren Klientel sich persönlich kennt.
({15})
Vor dem Hintergrund kann ich mir vorstellen, welche Schwierigkeiten Sie in der Koalition haben, was den Haushalt 1997 betrifft.
Ich habe, wie gesagt, die mysteriösen Worte des Finanzministers Huber erwähnt. Ich denke, bei der Debatte über die Grunderwerbsteuer werden wir sehen, daß es wieder eine Kollision zwischen der F.D.P. und der CSU gibt.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Klima der Bereinigungssitzung sagen; das ist ja teilweise auch kolportiert worden. Zum einen möchte ich vor allen Dingen den Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses danken, daß sie diese unchristlichen Beratungszeiten tapfer, souverän und ohne pampig zu werden mit uns durchgehalten haben.
({16})
Zum anderen muß ich dem Kollegen Kurt Rossmanith durchaus sagen: Er hat die Rolle des Vorsitzenden sehr gut gemacht, besser jedenfalls, als ich es je gedacht habe. Er ist in seinem Amte sehr gewachsen.
({17})
Aber in der Bereinigungssitzung hat er sich dann so verhalten, daß ich dieses Lob wieder zurücknehmen muß. Als nämlich beantragt wurde, man möge zwei Tage für die Bereinigungssitzung ansetzen, einen für Personal-, einen für Sachtitel, war es leider nicht möglich, gemäß normaler parlamentarischer Gepflogenheit vorzugehen. Ich finde, das geht leider auch auf die Kappe des amtierenden Vorsitzenden.
({18})
Ich habe das Gefühl, die Koalition hat sich davon versprochen, sie könne es wie beim letztenmal, als wir ja die Bereinigungssitzung verlassen haben, wieder so durchpeitschen. Aber darüber haben Sie sich natürlich getäuscht. Ihnen mußte eigentlich klar sein,
daß die Opposition nicht nur eine Vielzahl von Fragen, sondern auch eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen einbringen würde, wenn Sie uns einen solch unsoliden Haushalt vorlegen.
Ich habe gestern morgen bei meiner Rede zum Einzelplan des Wirtschaftsministeriums ausgeführt, daß zu meiner großen Erheiterung beigetragen hat, wie sich die F.D.P. die Zukunft der Arbeitslosen in diesem Land vorstellt - die Arbeitslosenzahlen werden Sie natürlich nicht halbieren; das ist ein völlig vages und falsches Versprechen -, nämlich daß alle in diesem Lande zu Aktienbesitzern, zu Rentiers werden. Ich habe mich an ganz alte Zeiten erinnert, als man uns versuchte nahezubringen, daß Lenin einmal ausführte, daß im Kapitalismus alle Staaten zu Rentiersstaaten würden. Ich habe mich maßlos erheitert; denn damals habe ich den Leuten auch nicht geglaubt.
Danke schön.
({19})
Als nächsten Redner rufe ich Hermann Otto Solms auf.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten drei Tage haben gezeigt, daß der Haushalt 1997 eben mehr ist als die Summe von Einnahmen und Ausgaben. Er ist eine grundsätzliche Weichenstellung für die Finanzpolitik und die Gesellschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und für unsere zukünftigen Generationen. Im Vorfeld der Haushaltsaufstellung hat es ja Auseinandersetzungen gegeben, weil es darum ging, diese grundsätzliche Weichenstellung zu klären.
Schließlich ging es um die Fragen: Bleibt Deutschland das Land mit den höchsten Steuern und Abgaben, das Land mit den unflexibelsten Tarifen und der kürzesten Arbeitszeit,
({0})
das Land mit den dichtesten Regeln, dem langsamsten Amtsschimmel, das Land mit den ältesten Studenten und den jüngsten Rentnern? Wird zur Haushaltsdeckung die Steuerlast erhöht, die Flucht in höhere Schulden gesucht, die hohe Arbeitslosigkeit tatenlos hingenommen, die Beitrittsberechtigung zur Währungsunion aufs Spiel gesetzt? Oder gelingt es, die Haushalte zu konsolidieren, die Chancen auf neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu erhöhen, das Bildungssystem zu reformieren,
({1})
das Tarifkartell zu lockern, unsere Chancen im globalen Wettbewerb um Investitionen durch Senkung der Steuer- und Abgabenlast zu steigern? Dies waren die Fragen, um die es ging.
Wir - die F.D.P., die Koalition insgesamt - wollen gemeinsam den richtigen Weg gehen, den Weg, der den Arbeitslosen wieder Hoffnung gibt und der Bundesrepublik Deutschland die Chance bietet, am Euro teilzunehmen.
({2})
Das ist der einzig gangbare Weg, der Weg nämlich, die Angebotsbedingungen für Investitionen und Arbeit zu verbessern, damit die Arbeitsplätze in Deutschland wettbewerbsfähig werden. Das ist es, worauf die Arbeitslosen warten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es um die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Opposition. Ist die Opposition bereit, diesen einzig richtigen Weg mitzugehen, oder kann sie sich nicht aufraffen, den Mut dazu nicht fassen, ihre alten Tabugrenzen nicht überspringen? Bis jetzt hieß es: Mit uns nicht! Nicht so, das ist ungerecht, das ist unsozial, das kann man so nicht machen.
Meine Damen und Herren, nur durch die Umverteilung versicherungsfremder Leistungen aus den Versicherungssystemen auf den Haushalt haben Sie nichts gewonnen. Umverteilung nützt nichts.
({3})
Wir brauchen Leistungsstärkung, Abgabensenkung, Entlastung. Darum geht es. Und wir brauchen natürlich auch Senkung der Ausgaben des Staates.
Sie haben beim Haushalt 1996 7 Milliarden DM durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat nicht zur Absenkung gebracht.
({4})
Im Haushalt 1997 sind es 12 Milliarden DM. Viele Einsparungen wären in dieser Weise nicht nötig gewesen, wenn der vernünftige Weg gangbar gewesen wäre.
Gewerbekapitalsteuern abschaffen? - Nein! Solizuschlag abschaffen? - Nein! Kohlesubvention abbauen? - Nein! Lohnzusatzkosten verringern? - Nein! Ladenschluß verändern? - Nein! Öffnungsklauseln im Tarifrecht? - Nein! Deregulierung? - Nein!
({5})
Ich muß es leider wiederholen: Es gibt keine positive Antwort der Opposition zu diesen Fragen.
({6})
Sind denn die Einsparungsmaßnahmen, die wir getroffen haben, unsozial, meine Damen und Herren? Ist es denn unzumutbar, daß einem Sozialhilfeempfänger, der ein Arbeitsangebot ablehnt, die Sozialhilfe gesenkt wird? Und es geht ja nur um die Absenkung des Regelsatzes des Vaters, ansonsten bleibt die Sozialhilfe für die gesamte Familie erhalten.
Oder ist es unzumutbar, bei 31 Urlaubstagen einen Urlaubstag für eine Woche Krankheit zu opfern? Haben Sie übrigens die Information von SKW Trostberg,
einem großen Chemiebetrieb, gelesen? Dort hat man die gesetzliche Neuregelung zur Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt, und innerhalb von vier Wochen ist der durchschnittliche Krankenstand von 5 auf 3 Prozent gefallen. Sie sehen, daß dies wirkt, ohne daß die Arbeitnehmer Einkommensverluste hinnehmen mußten, denn sie konnten das durch Urlaub ausgleichen.
Ist es denn unzumutbar, bei Kuren 25 DM pro Tag als Eigenbeitrag zu leisten, wo man nicht zu Hause ist und sich auch zu Hause nicht ernähren muß?
Meine Damen und Herren, ist es denn unzumutbar, die Kuren von vier Wochen abzusenken und auf drei Wochen zu begrenzen?
Das Interessante ist ja, daß die Sozialdemokratische Partei, übrigens auch die Grünen, da, wo sie in der Regierung stehen, zwar Bonn kritisieren, aber dort das gleiche tun, nur - leider - meistens an der falschen Stelle.
Ich will einige Beispiele aufzählen. In SchleswigHolstein kürzte Heide Simonis bei besonderen sozialen Maßnahmen für Kinder, Mütter, Problemfamilien und ältere Bürger die Mittel um 1,2 Millionen DM. Drastische Einschnitte gibt es in Schleswig-Holstein bei der Wohnungsfürsorge, bei den Schwangerenberatungsstellen ebenso wie beim Landesblindengeld.
({7})
In Niedersachsen kürzt Gerhard Schröder die Gelder für die Suchtbekämpfung und streicht das Programm zur Förderung jugendlicher Arbeitsloser.
({8})
In Nordrhein-Westfalen reduziert Johannes Rau die Posten Gesundheitshilfe und Suchtbekämpfung um 6,7 Millionen.
Im Saarland kürzt Oskar Lafontaine den Sozialetat um ganze 13,6 Prozent und streicht 2,9 Milliarden DM.
In Hessen will Hans Eichel 15 Millionen DM für studentische Essenszuschüsse im Staatssäckel behalten, und in Brandenburg schließlich kürzt Manfred Stolpe den Sozialetat um ein Drittel und kappt die Zuschüsse für Kindertagesstätten um 38 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, etwas weniger Doppelzüngigkeit und etwas mehr Ehrlichkeit wären in einer solchen Debatte schon angezeigt;
({9})
denn wir haben alle die gleiche Verantwortung, und da, wo Sie in der Verantwortung stehen, haben Sie die gleichen Probleme und müssen sie lösen. Allerdings gehört dazu auch ein wenig Sachverstand.
Ich habe den Eindruck, daß bei der SPD seit Karl Schiller und Helmut Schmidt der ökonomische Sachverstand völlig verlorengegangen ist.
({10})
Das will ich am Beispiel der steuerlichen Behandlung der Ersparnisbildung deutlich machen. Im ersten Semester Volkswirtschaftslehre lernt man, daß die Investitionen volkswirtschaftlich gleich der Ersparnisbildung sind. Das heißt, je mehr Ersparnis gebildet wird, desto mehr Kapital steht für Investitionen zur Verfügung.
In der Bundesrepublik Deutschland leisten wir uns den Luxus, daß wir die Ersparnisbildung gleich fünfmal besteuern: erstens bei der Einkommenserzielung durch eine besonders hohe Lohn- und Einkommensteuer - höher als in irgendeinem anderen Land -, zweitens bei den Kapitalerträgen der Ersparnisse, bei der Zinsbesteuerung. Auch hier haben wir international die höchste Besteuerung. Was ist die Folge? Das Kapital flieht ins Ausland, und die Arbeit wird exportiert. Wir brauchen deshalb eine Lohn- und Einkommensteuerreform, um wieder wettbewerbsneutrale Verhältnisse zu schaffen.
({11})
Das Ergebnis der Vermögensbildung, nämlich das Sparvermögen, wird doppelt besteuert: Zum einen - drittens - wird es beim Unternehmen besteuert; das ist die betriebliche Vermögensteuer. Zum anderen - viertens - muß der Anteilseigner seine Anteile am Betrieb versteuern. Fünftens schließlich wird das Sparvermögen bei der Erbschaftsteuer versteuert.
Es gibt also eine dreimalige Besteuerung des Vermögens und eine zweifache Besteuerung der Erträge des Vermögens. Das ist nun wirklich zuviel. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, die Steuerreform durchzuführen - darüber werden wir ja noch ins Gespräch kommen - und die Vermögensteuer fallenzulassen.
Das Interessante ist, Frau Matthäus-Maier, daß Ihr Parteivorsitzender, Lafontaine, am Mittwoch erklärt hat, auch er habe nun verstanden, daß das mit der Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer so einfach nicht sei. Warum? Wenn Sie die betriebliche Vermögensteuer abschaffen, schaffen Sie einen Vorteil für Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften. Die Mehrzahl der Gesellschaften in Deutschland sind nun einmal Personengesellschaften. Deshalb dürfen wir das auf keinen Fall machen.
({12})
Da man die betriebliche Vermögensteuer bei Personengesellschaften schlecht von der privaten trennen kann - das ist dann immer manipulierbar -, ist die Abschaffung der Vermögensteuer erforderlich. Das wissen Sie.
Daß dadurch nun die besonders Reichen begünstigt würden, ist ebenfalls nur ein Fehlargument, weil die Erbschaftsteuer, die natürlich dieselben Vermögen trifft, entsprechend erhöht wird.
Die Gewerbekapitalsteuer muß ebenso wegfallen. Sonst muß sie in den neuen Bundesländern eingeführt werden. Stolpe und Höppner sind persönlich verantwortlich dafür, wenn das geschieht. Sie könDr. Hermann Otto Solms
nen dazu beitragen, daß die Gewerbekapitalsteuer ebenfalls abgeschafft wird.
({13})
Das werden wir in der Öffentlichkeit immer wieder anmahnen: Die Substanzsteuern müssen weg, damit in Deutschland mehr investiert wird. Investitionen sind nun einmal die Voraussetzung für Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, was man von den Grünen zur Steuerpolitik hört, ist nun wirklich abenteuerlich. Da geht es durcheinander wie Kraut und Rüben. Oswald Metzger, der haushaltspolitische Sprecher, darf in der Haushaltsdebatte Solotänze aufführen. Aber das, was er sagt, hat mit der Programmatierung und den Vorstellungen der Grünen so gut wie nichts zu tun. Er sagt: „Höhere Steuern auf keinen Fall! " Seine Kollegin Scheel sagt sogar, Steuersenkungen seien notwendig. Mutig, mutig! Nur sitzt sie in der falschen Fraktion.
Was sagt Joschka Fischer? Er plädiert für steuerliche Umverteilung. Damit aber ist noch niemand entlastet.
Jürgen Trittin: Es besteht kein Anlaß, Unternehmensteuern zurückzunehmen. Ganz im Gegenteil, er will die Steuern auf breiter Front erhöhen.
Ludgar Volmer wörtlich: „In Konkurrenz zum Sparpaket sagen wir: Statt Sparen mehr Geld ranschaffen! "
Kerstin Müller darf natürlich nicht fehlen: Sie will die Erbschaftsteuer verdreifachen, die Vermögensteuer erhöhen und zusätzlich eine Ökosteuer einführen.
Das sind die Aussagen der Grünen. Da kann ich mit Graf Lambsdorff nur sagen: Eintracht in Vielfalt ist das nicht; Zwietracht in Einfalt könnte man da schon eher sagen.
({14})
Sie haben jetzt Ihren Parteitag, deswegen dürfen wir heute früher Schluß machen. Klären Sie Ihre Positionen auf dem Parteitag, damit davon wenigstens eine klare Botschaft an die Wähler ausgeht! Dieses Durcheinander hilft nicht weiter.
Herr Scharping hat am Mittwoch die Kühnheit besessen, auf die Verfilzung von Partei- und Staatsämtern hinzuweisen. Ich glaube, das war der falsche Augenblick, weil wir gerade in der Zeitung lesen, was sich das Parteimitglied Henrichs in Hessen als oberster hessischer Richter geleistet hat. Aber was noch toller ist: Er hat eine ganze Reihe von Nebenjobs gehabt. Er war zum Schluß auch im Solde der IG Metall, ein Zeichen der Unabhängigkeit. 1,3 Millionen DM, die er dafür bekommen hat, sind nun auch nicht gerade ein Pappenstiel. Interessant ist auch, daß der Verteidiger von Recht und Ordnung, der Justizminister von Plottnitz, das alles auch noch genehmigt hat.
({15})
Da sieht man, wo es mit den Grünen und ihren Ansätzen hingekommen ist. In dem Moment, in dem Sie
mit der Macht verquickt waren, haben Sie die Moral fallenlassen.
({16})
Meine Damen und Herren, es ist schon erschütternd. Wir in Gießen - ich komme aus Mittelhessen -, haben leider die zusätzliche Last zu tragen, einen grünen Regierungspräsidenten zu haben, der nun alles tut, daß die Arbeitsplätze auch dort noch vertrieben werden.
Interessant ist, einmal die unterschiedlichen Positionen in den Nachbarländern Rheinland-Pfalz und Hessen zu beachten. Es sind, wie Sie wissen, unterschiedliche Koalitionen.
Rheinland-Pfalz steht für Senkung der Abgabenlast. Hier bekennt sich auch Ministerpräsident Beck ausdrücklich zum Verzicht auf die Gewerbekapitalsteuer - hört, hört, Herr Scharping, Ihr Nachfolger - ({17})
- Moment! Sie haben ein Angebot gemacht, das man nicht annehmen kann. Das kennen Sie aus dem Film „Der Pate".
({18})
Wir müssen die Vermögen- und die Gewerbekapitalsteuer abschaffen.
({19})
Herr Beck steht für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und für die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer.
In Hessen dagegen - darauf wollte ich kommen, Herr Scharping - wird jegliche steuerliche Entlastung der Unternehmen über den Bundesrat blokkiert und die Steuerreform zu einer Neiddiskussion genutzt.
In Rheinland-Pfalz wurde die Zustimmung im Bundesrat zur Erweiterung der Ladenöffnungszeiten fest vereinbart, in Hessen dagegen wurde jede noch so kleine Flexibilisierung über den Bundesrat blockiert.
In Rheinland-Pfalz steht man für Abbau von Bürokratie, Kosten, Modernisierung der Verwaltung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Abschaffung der Bezirksregierungen ist vereinbart. Hessen steht dagegen dafür, die Verwaltung zu intensivieren, die Bearbeitungszeiten zu verlängern und die Genehmigungszeiten nach hinten zu schieben.
Ich will nur ein kleines praktisches Beispiel - ich habe mittlerweile eine ganze Sammlung solcher Beispiele; sie könnte man stundenlang vorlesen - vortragen. So verlangt zum Beispiel die Umweltbehörde, daß ein kleiner Betrieb den Schornstein erhöht. Die Untere Naturschutzbehörde verlangt Unterlassung dieser Erhöhung wegen Beeinträchtigung des Vogelflugs. Die Untere Denkmalschutzbehörde will eine Veränderungssperre, weil das Ganze einem Industriedenkmal ähnlich sei.
Das Unternehmen - es ist bei Kassel angesiedelt - geht mit seiner Dependance nach Westthüringen; Gott sei Dank nach Westthüringen und nicht einige hundert Kilometer weiter.
({20})
Dies zeigt beispielhaft, wie die unterschiedlichen Positionen sind.
Allein in diesem Jahr unter anderem im Bundesrat: Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz - Rheinland-Pfalz dafür, Hessen dagegen. Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung emissionsrechtlicher Genehmigungsverfahren - Rheinland-Pfalz will Verzicht auf den Vermittlungsausschuß, Hessen ist dagegen. Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - Rheinland-Pfalz dafür, Hessen dagegen. Da kann man nur fragen: Quo vadis, SPD? Sie haben die Alternativen. Ich habe sie nur aufgezeigt. Sie müssen entscheiden, nicht wir.
({21})
Ich will abschließend sagen: Der Haushalt ist solide.
({22})
Der Haushalt führt zu Ausgabensenkungen von 2,5 Prozent. Der Haushalt ist auch sozial. Die Ausgaben für Soziales werden sogar erhöht. Das sind die schlichten Fakten. Ich kann Ihnen auch die Zahlen vorlesen, wenn Sie wollen. Die Einsparungen im Sozialen insgesamt, volkswirtschaftlich gesehen, betragen nur 0,4 Prozent der Sozialquote. In allen anderen westeuropäischen Ländern sind die Einsparungen höher.
Das heißt, wir werden unserer Verantwortung gerecht. Wir stellen die Weichen für die Zukunft richtig. Wir geben den Jungen, unseren Kindern und Enkeln, wieder Hoffnung, daß sie ihr Leben aus eigener Arbeit gestalten und finanzieren können. Wir glauben, daß wir damit unserer Verantwortung gerecht werden.
Vielen Dank.
({23})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Christa Luft.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister hat in der gewohnten Tonart eine Rede vorgetragen. Das zeigt, er ist auf dem Wege der Genesung. Ich wünsche ihm dabei gute Fortschritte.
Sein Haushalt 1997 aber leidet an einem chronischen Infekt. Dieser Haushalt wird im nächsten Jahr garantiert kraftlos zusammenklappen.
({0})
Diese Aussicht ist nicht einmal für eine Oppositionspartei Anlaß zu Schadenfreude und Häme. Denn die Menschen, die ohnehin am meisten betroffen sind, werden es am schwersten haben. Diese Menschen,
die es schon bisher am schwersten hatten, Herr Bundesminister, sind in Ihrer Rede nicht vorgekommen. Sie klopfen sich pausenlos selber auf die Schulter.
Sie, Herr Solms, sorgen sich nur um das Sparvermögen der Gutverdienenden und der Vermögenden, damit es zu Investitionen kommt. Aber die letzten Spargroschen derer, die wenig verdienen oder gar keine Arbeit haben, liegen Ihnen nicht am Herzen. Das ist schon eine eigenartige Konstellation.
Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, sagen: Ich bin in der vergangenen Woche in meinem Wahlkreis mit sehr vielen Frauen zusammengekommen, alle zwischen 30 und 50 Jahren. Sie sind regelrecht verzweifelt. Nach der Verabschiedung dieses Haushalts wird sich an deren Befindlichkeit überhaupt nichts ändern.
Ich kann den arbeitslosen Frauen nicht sagen, sie sollten endlich Existenzgründerinnen werden. Dazu haben sie weder Anfangskapital noch Beleihungsgrundlagen. Ich kann ihnen auch nicht empfehlen, Sie sollten nicht länger Besitzstandswahrerinnen sein. Diese Frauen haben nichts mehr, auf das sie verzichten könnten.
({1})
Ich kann ihnen leider auch keinen Tip geben, wo sie sich in Berlin oder anderswo bei einem Einzelhändler, einem privaten Handwerker, in einem Dienstleistungs- oder Produktionsunternehmen bewerben sollten, weil man dort gegenwärtig jemanden sucht, der einzustellen wäre. Es werden keine Menschen eingestellt; jedenfalls in Berlin kenne ich solche Fälle nicht.
Vielleicht bekommen Sie demnächst aus dem CDU-regierten Sachsen die Quittung. Dort sind nämlich zum Jahreswechsel drei Viertel aller Frauenprojekte durch die ABM-Mittelkürzungen akut gefährdet. Mit dieser besonderen Frauenfeindlichkeit Ihrer Haushaltspolitik gewinnen Sie keine Zukunft, auch nicht für die Kinder und die Enkel, von denen Herr Sohns gesprochen hat.
({2})
Für die vier Millionen offiziell Arbeitslosen und für die ebenso vielen Quasi-Arbeitslosen verbindet sich nach dem Etatansatz für 1997 keinerlei Hoffnung auf einen Job. Sie nehmen den Menschen die durch Fortbildung und Umschulung erhofften neuen Beschäftigungschancen sogar noch, indem Sie dort neuerliche Kürzungen vorgenommen haben.
Das Baugewerbe ist schon 1996 auf einer absoluten Talfahrt gewesen. Diese Talfahrt wird sich fortsetzen allein durch die Absenkung der öffentlichen Investitionen aus dem Bundeshaushalt von 7 Milliarden DM. Was in den globalen Minderausgaben sonst noch pro Ressort versteckt ist und inwieweit davon öffentliche Investitionen betroffen sein werden, das wissen wir noch gar nicht.
Beschäftigungseinbrüche wird es in den Rehabilitationseinrichtungen, bei Physiotherapeuten, bei Zahnprothetikern geben. Man kann die Liste fortsetDr. Christa Luft
zen. Reihenweise droht kleinen und mittleren Unternehmen - Herr Solms, auch Sie wissen das - der finanzielle Ruin, weil sie durch den Rückgang bei der Inlandsnachfrage in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigt werden.
Außerdem verschlechtert sich in diesem Lande die Zahlungsmoral katastrophal. Es wäre doch ein Betätigungsfeld für die F.D.P., denke ich, diese Sache einmal zu untersuchen und zu prüfen, wie wir dort vorankommen könnten. Das ist doch inzwischen ein Greuel und eine Geißel für die kleinen und mittleren Unternehmen und die dort Beschäftigten.
({3})
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat gestern noch einmal nachdrücklich vor der ersatzlosen Kürzung des Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit gewarnt. Dramatische Einschnitte auf diesem Sektor führen nicht nur zu höherer Arbeitslosigkeit, sondern sie bedrohen auch weite Teile der sozialen Infrastruktur, besonders in den neuen Bundesländern.
Nach Angaben dieses Verbandes werden rund 50 000 der Beschäftigten im Bereich sozialer Dienste und der Jugendhilfe als ABM-Kräfte oder über Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Bei vielen sozialen Diensten in den neuen Ländern arbeitet auch sechs Jahre nach der deutschen Einheit noch kein einziger regulär Beschäftigter. In Thüringen sind über die Hälfte aller Alteneinrichtungen und über 40 Prozent aller Dienste für Behinderte vollständig auf Zuschüsse der Arbeitsämter angewiesen. Ich habe noch nicht bemerkt, daß sich dort ein privates Unternehmen vor die Tür stellt und sagt: Ich möchte diese Dienste übernehmen.
Allein die Art und Weise, wie Sie mit dem alle Berufsgruppen in diesem Lande betreffenden Übel Massenarbeitslosigkeit in diesem Haushalt umgehen, ist Grund, ihn abzulehnen.
Hinzu kommt, daß Sie das Ost-West-Gefälle in Deutschland zementieren, daß Sie für Bildung, Forschung und den ökologischen Umbau, also für beschäftigungsintensive Dinge, viel zuwenig Mittel bereitgestellt haben.
Gründe für die Ablehnung dieses Haushaltes sind außerdem die fortgesetzte Praxis des Bundes, sich auf Kosten der Kommunen zu entlasten, wodurch auch ein Grundprinzip, nämlich das der kommunalen Selbstverwaltung, in Frage gestellt wird.
Schließlich trägt Ihr Haushalt in keiner Weise der veränderten außen- und sicherheitspolitischen Lage in Deutschland Rechnung. Sonst hätten Sie sich endlich von der Anschaffung neuer Waffensysteme verabschiedet.
({4})
Nicht zustimmungsfähig ist der Haushalt auch, weil er grundgesetzwidrig ist; das ist hier schon angeklungen. Sie können dem Parlament nicht nachweisen, daß zur Stunde der Verabschiedung dieses Etats die Nettokreditaufnahme geringer ausfallen wird als die Summe der öffentlichen Investitionen; denn niemand weiß, wie sich die öffentlichen Investitionen angesichts der globalen Minderausgabe ausnehmen werden.
Sie haben die Nettokreditaufnahme gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung in der Tat abgesenkt. Dies aber haben Sie doch wohl vor allem deshalb getan, um einen Puffer beim Haushaltsvollzug zu haben. Schon heute ist abzusehen, daß Sie Anfang 1998, also kurz vor der Bundestagswahl, einige Trostpflästerchen, kurzfristigen Wahlspeck sozusagen, verteilen werden. Das vorzubereiten ist Ihnen wichtiger, als langfristige, dauerhafte Antworten auf Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu geben.
({5})
Sagen Sie nicht, die PDS kritisiere sowieso nur und habe nichts dazu beizutragen. Ich kann Ihnen sagen - wir haben es noch einmal zusammengezählt -, daß wir zu 127 Titeln des Haushaltsentwurfs Erhöhungsund Absenkungsanträge gestellt haben. Die Erhöhungen und Absenkungen halten sich in etwa die Waage. Wir haben Vorschläge gemacht, wie die Einnahmen um annähernd 3 Milliarden verbessert werden können. Diese Vorschläge schlagen Sie in den Wind. Damit hätte man gut und gerne eine kommunale Investitionspauschale finanzieren können. Das wäre eine Initialzündung für mehr Beschäftigung in Ostdeutschland.
({6})
In den Kommunen könnten diese Mittel kompetent ausgegeben werden.
Sie sagen, daß es öffentliche Gelder sind, die wir mit dem Bundeshaushalt verteilen, und daß man sorgsam damit umgehen muß. Meine Damen und Herren, da kann man Ihnen nicht widersprechen. Das ist ein richtiger Grundsatz. Aber warum fällt Ihnen dieser Grundsatz, dieser Fingerzeig immer dann ein, wenn es um Sozialleistungen geht? Warum verausgaben Sie die öffentlichen Mittel eigentlich nicht endlich mit einem Höchstmaß an Beschäftigungswirkung? Das ist doch im allerhöchsten öffentlichen Interesse.
({7})
Wozu die Anschaffung sogenannter intelligenter Minen? Man möge sich allein diese Wortzusammenstellung einmal zu Gemüte führen: intelligente Minen. Wozu also die Anschaffung dieser Minen? Wozu die Anschaffung eines Eurofighters? Weshalb nicht Konversion? Das wäre beschäftigungswirksam.
Wozu Kernfusion statt Finanzierung alternativer Energiequellen?
Wozu Abriß des Palastes der Republik, anstatt ihn schnell zu sanieren und in Betrieb zu nehmen? Auch das wäre ein Beitrag zur Beschäftigung.
({8})
Warum stellen Sie eigentlich nie die Frage, wem die Zinsen zugute kommen, die Sie für die unter dieser Regierung aufgelaufenen Staatsschulden aus dem Haushalt jährlich zu begleichen haben? Das
sind ja doch immer zwischen 90 und 100 Milliarden DM. Wäre es in dieser Situation des Landes nicht an der Zeit, diejenigen, für die der klamme Bund zur Melkkuh geworden ist, zu einer solidarischen Leistung heranzuziehen?
Ich komme zum Schluß und sage: In einer schwierigen Lage und unverhofft mußte in dieser Runde der Haushaltsberatungen Kollege Kurt Rossmanith die Leitung des Ausschusses übernehmen. Ich möchte ihm ausdrücklich den Respekt der Mitglieder der Gruppe der PDS im Haushaltsausschuß für seinen fairen Umgangsstil zollen.
({9})
Natürlich wünsche ich auch, daß Kollege Helmut Wieczorek bald vollends hergestellt ist und wie früher der Fels in der Brandung sein kann.
Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses für ihre stete Hilfsbereitschaft.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition werden - daran wird kein Zweifel bestehen -, mit Ihrer knappen Mehrheit heute diesen unsolide finanzierten Haushalt beschließen. Eine Grundlage für eine hoffnungsvolle Zukunft von Millionen verunsicherter Menschen, darunter vieler Jugendlicher und Kinder, legen Sie damit nicht.
Danke schön.
({10})
Das Wort erhält jetzt der Kollege Kurt Rossmanith.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Brauch - man könnte fast sagen, von alters her -, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Rahmen der dritten Lesung nicht nur zu Wort kommt, sondern auch einige Aussagen über die Finanzen, die Arbeit und anderes mehr trifft. Ich hätte diesen Part gern auch in diesem Jahr unserem geschätzten Kollegen Helmut Wieczorek überlassen, aber wir wissen alle, daß es sein Gesundheitszustand im Moment noch nicht erlaubt. Er wird aber - davon gehe ich aus und freue mich darauf - Anfang des nächsten Jahres wieder unter uns sein.
Er hat mich gebeten, Sie alle sehr herzlich von ihm zu grüßen. Ich will das hiermit tun und tue das mit der gleichen großen Herzlichkeit von uns allen auch ihm gegenüber, der diese Debatte sicherlich verfolgen wird.
({0})
Ich hatte in den vergangenen Monaten die Ehre, seinen Platz einzunehmen und seine Aufgaben als Vorsitzender des Haushaltsausschusses wahrzunehmen, also den Ablauf der Sitzungen nicht nur zu leiten, sondern ein wenig auch als Bindeglied zwischen Koalition und Opposition zu dienen, um eine möglichst sachliche Debatte über die sicherlich nicht einfachen Positionen im Bundeshaushalt zu sichern.
({1})
Ich glaube, daß die Beratungen des Bundeshaushalts 1997 innerhalb der letzten Wochen und Monate an alle Mitglieder dieses Ausschusses eine hohe Anforderung gestellt haben; denn die Sitzungen im Haushaltsausschuß sind, wie Sie alle wissen, sehr arbeitsintensiv und bedürfen sehr intensiver Vorbereitungen. Höhepunkt war - wenn man es so sagen will - die Bereinigungssitzung, die in diesem Jahr bis in die frühen Morgenstunden des 15. November andauerte.
Frau Kollegin Hermenau hat gemeint - ich weiß nicht, woher sie das hat -, die Wege zwischen der CSU und der F.D.P. seien weit. Nein, sie sind überhaupt nicht weit. Ein Meter ist je dazwischen. Aber ich vermute, verehrte Frau Kollegin Hermenau, daß die Wege innerhalb Ihrer Fraktion ein ganzes Stück weiter sind. Denn Sie hätten bei Ihrem Obmann, dem geschätzten Kollegen Oswald Metzger, nachfragen können. Er hätte Ihnen bestätigt, daß wir darüber, ob wir eine ein- oder zweitägige Bereinigungssitzung durchführen, kollegial im Obleutegespräch entschieden haben.
Die Mehrheit - es war an sich aber einstimmig - hat sich für einen Tag entschieden. Da zumindest der amtierende Vorsitzende ein folgsamer Mensch ist, hat er den Obleuten diesen Respekt gezollt.
({2})
- Herr Kollege Weng, immer folgsam, wie man es gelernt hat.
Ich kann als amtierender Vorsitzender feststellen, daß alle Berichterstatter ihre Aufgabe mit großem Einsatz geleistet haben und dabei auch das große Ziel der Haushaltskonsolidierung im Auge behalten haben. Mein Dank gilt deshalb in besonderer Weise meinen beiden Stellvertretern, Hans Georg Wagner und Dieter Pützhofen. Mein Dank gilt auch den Obleuten, den Kollegen Adolf Roth, Karl Diller, Dr. Wolfgang Weng, Bartholomäus Kalb, Oswald Metzger und Frau Professor Dr. Christa Luft.
Natürlich schließe ich in meinen Dank auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haushaltssekretariats ein.
({3})
Eine Abordnung von ihnen hat sich zu dieser Debatte gesellt.
({4})
Die anderen sind bei der Arbeit. So sind die Haushälter nun einmal.
Ich schließe aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fraktionen ein. Von den Abgeordneten verlangt man die Arbeit schlicht und einfach. Aber für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muß ich sagen: Sie haben uns nicht nur hervorragend zuKurt J. Rossmanith
gearbeitet, sondern sind oftmals bis an die Grenze der psychischen und physischen Belastung für uns hier gewesen. Das gilt nicht nur für die sogenannte Marathonbereinigungssitzung, sondern wirklich für jede Sitzung und für die Vorbereitungen.
({5})
Mein Dank gilt aber auch dem Bundesminister der Finanzen, der Parlamentarischen Staatssekretärin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Ministerien, die in den vergangenen Monaten insbesondere mit uns Haushältern zu tun hatten.
Dritte Lesung heißt Zusammenfassung und Richtungsbestimmung. Das gilt in der Haushaltsdebatte an sich jedes Jahr. Aber für diesen Haushalt 1997, den wir heute in dritter Lesung beraten, gilt das in besonderer Weise; denn das Jahr 1997 ist das Referenzjahr für Maastricht. Im Hinblick darauf und auf die schwierige arbeitsmarktpolitische Lage hat die Koalition ihre Ziele für das Haushaltsjahr erreicht. Die Beratungsergebnisse, die wir heute abschließend verabschieden werden, erscheinen mir auch als das richtige konjunktur- und arbeitsmarktpolitische Signal.
({6})
In den vergangenen Debattentagen wurden die Einzelheiten der Umsetzung dieser Ziele in allen Einzelplänen ausführlich erörtert. Deshalb werde ich die Ergebnisse nicht noch einmal darstellen. Aber dritte Lesung - gestatten Sie mir, daß ich das sage - heißt für mich auch Richtungsbestimmung. Richtungsbestimmung heißt in die Zukunft blicken, die Zukunft im Auge haben. Zukunft wird maßgeblich durch die Finanzpolitik zu gestalten sein. Finanzpolitik umfaßt die Gestaltung der Ausgabenseite durch den Bundeshaushalt und der Einnahmenseite durch unsere Steuerpolitik. Ich nenne hier nur das Stichwort große Steuerreform; denn alle Maßnahmen der Finanzpolitik dienen dem Ziel, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und zu schaffen.
Bei der Gestaltung der Ausgabenseite stellt sich die Grundfrage, wie die Haushaltssituation des Bundes - für die Länder und die Kommunen stellt sich diese Frage in gleicher Weise - verbessert werden kann. Dabei kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, daß die Haushaltsansätze in einem Maß gebunden sind, daß sie im Rahmen der parlamentarischen Beratung nicht mehr wesentlich verändert werden können. Das liegt daran, daß die entsprechenden Ausgabenansätze entweder auf gesetzlicher oder auf vertraglicher Bindung beruhen.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei sicherlich die sozialen Sicherungssysteme. Die Zukunft unseres Sozialstaates, die Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme und die Entwicklung neuer Zielsetzungen müssen heute - davon bin ich felsenfest überzeugt - in einem verantwortlichen Dialog zwischen allen Politikbereichen gestaltet werden. Dabei gilt es, den weltweiten Strukturwandel zu berücksichtigen, den wir nicht negieren können. Es gilt auch den Rückgang der Bevölkerung und den globalen Wettbewerb der Volkswirtschaften zu berücksichtigen.
Allgegenwärtige staatliche Fürsorge schwächt die gesellschaftliche und familiäre Solidarität und verkehrt Verantwortungsbewußtsein in Anspruchsdenken. Deshalb kann ohne strukturelle Veränderungen der Sozialsysteme der Produktions- und Arbeitsplatzstandort Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht bewahren.
({7})
Unsere Zukunft wird durch gesellschaftliche Innovationsbereitschaft, durch mehr Mut zu wirtschaftlicher und sozialer Selbständigkeit und natürlich durch eine entsprechende, auf hohem Niveau stehende Bildung entschieden.
({8})
Zukunft läßt sich ja nicht nur gestalten, wenn die Gestaltung finanziert werden kann. Finanzierung heißt für uns, keine weiteren neuen Schulden zu machen, auch nicht kurzfristig und zu Lasten von Investitionen. Wir bemühen uns seit 1992 um Haushaltskonsolidierung und Verringerung der Steigerung der Staatsausgaben.
Nur glaube ich, Finanzpolitik ist nicht nur - unter diese Betrachtungsweise will ich es heute einmal stellen - nach außen, sondern auch nach innen gerichtet. Wir sollten deshalb, auch wenn wir als gewählte Abgeordnete verschiedene Regionen vertreten, dem ganzen deutschen Volk, so sagt es das Grundgesetz, verpflichtet sein.
({9})
Deshalb sollten wir diese Aufgabe und diese Verantwortung, die wir hier übernommen haben, in entsprechender Weise ernst nehmen.
({10})
Wir sollten jetzt - der Haushalt ist ja das klassische Beispiel der Kontrolle einer Regierung - diese Kontrollaufgabe wahrnehmen und der Regierung nicht unbedingt Blankoschecks geben, sondern gelegentlich auch einmal nachfragen, was denn im kommenden Jahr mit diesen und jenen bewilligten Mitteln getan wird.
({11})
Vielleicht können wir dies auch in Zukunft noch in stärkerem Maße, als uns dies in den vergangenen drei Tagen und insbesondere am gestrigen Tag gelungen ist, gestalten.
Verantwortung für die Zukunft heißt aber auch Stärkung der Kräfte, die die Soziale Marktwirtschaft finanzierbar halten. Das sind Privatinitiativen aktiver Menschen in der Wirtschaft, Erfindungsreichtum und
Innovationen in vielen Bereichen. Dies hilft der Volkswirtschaft weit mehr als eine funktionärsgelenkte staatliche Wirtschaft.
({12})
Der Beweis ist in der Geschichte immer wieder erbracht worden; denn nur ein wirtschaftlich starker Staat ist auch ein sozial starker Staat.
Verantwortung für die Zukunft heißt aber auch, daß wir entsprechende Sparmaßnahmen bei den Staatsaufgaben vornehmen. Dabei sehe ich Sparen nicht nur einfach als Kürzung staatlicher Aufgaben, sondern es beinhaltet auch, strukturelle Reformen anzugehen und die Staatsausgaben mit dem Ziel der Rückführung der Staatsquote und Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbinden, um so die sozialen Sicherungssysteme für die Zukunft zu sichern.
({13})
Sparen - das muß eben auch gesagt werden -, Ansprüche zurückschrauben, aber in die Zukunft investieren, gilt für alle öffentlichen Haushalte auf nahezu allen Gebieten.
Es wird deshalb in Zukunft eine nationale Aufgabe sein, bei der Gestaltung der Staatsausgaben eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu institutionalisieren, um die Erreichung der großen finanzpolitischen Ziele sicherstellen zu können. Es darf nicht so sein, daß aus parteitaktischen Überlegungen der Bundesrat dazu instrumentalisiert wird, die zukunftsgerichtete Politik für Bund, Länder und Gemeinden vor allem zum Nachteil der Gemeinden - lassen Sie sich das auch gesagt sein, lieber Herr Kollege Scharping - ständig zu blokkieren.
({14})
Lassen Sie mich damit zum Schluß kommen. Ich glaube, jedem von uns ist klar, daß all diese Aufgaben zu lösen der Staat allein nicht in der Lage ist, daß der Staat nicht das Allheilmittel sein kann und nicht sämtliche Problemsituationen aus dem Wege räumen kann.
Aufgabe des Staates ist es vielmehr, allen am Wirtschaftsleben Beteiligten den erforderlichen Handlungsspielraum einzuräumen, sprich die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Die aktuelle Haushaltsknappheit zwingt aber zu Eingriffen und Einschnitten, die in der Öffentlichkeit um so mehr Akzeptanz finden - wie ich und sicherlich wir alle immer wieder erleben- , je stärker sie sich dämpfend auf Kosten, Steuern und Abgaben auswirken.
Wir alle sollten dazu unseren Beitrag leisten und deshalb heute diesem Haushaltsentwurf 1997 auch in dritter Lesung zustimmen.
({15})
Als nächstes spricht die Kollegin Ingrid Matthäus-Maier.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Finanzminister Waigel Bundeshaushalte aufstellt, ist bekannt. Waigel verfährt mit den Haushalten nach der Vier-Jahreszeiten-Methode: Im Sommer wird geschönt, im Herbst wird vernebelt und notdürftig geflickt, im Winter bricht der Frost die Haushaltslöcher dann doch auf, und im Frühjahr bringt die Schneeschmelze die ganze Misere ans Licht.
({0})
Während es aber im Kreislauf der Natur vom Frühjahr bis zum Sommer wieder bergauf geht, geht es bei Herrn Waigels Haushalten auch dann weiter bergab. Sein Haushaltskreislauf endet nämlich mit viel zu hohen neuen Staatsschulden, einer Zinsfalle, einer Rekordarbeitslosigkeit und einer noch nie dagewesenen Steuer- und Abgabenbelastung. Wir haben es satt, daß dieser Finanzminister dieses Land so schlecht behandelt, wie er es tut.
({1})
Nach dieser Vier-Jahreszeiten-Methode ist Waigel bereits mit dem Haushalt 1996 verfahren. Im Sommer 1995 legte er einen Schönwetterhaushalt für 1996 vor: Die Daten waren geschönt, die Arbeitslosigkeit zu gering angesetzt, der Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit war auf Null gesetzt. Kritik der SPD wurde als Horrorszenarium abgetan.
Obwohl der Haushalt die Herbststürme nicht überstand, weigerte sich Waigel, wirklich nachzubessern. Zwar legte er 4,3 Milliarden DM beim Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit drauf. Mit dem WaigelWisch - wir erinnern uns - wurden dann aber Nebelkerzen geworfen und mit angeblichen Privatisierungserlösen von 9 Milliarden DM die Löcher gestopft. Gleichzeitig verstieg sich Waigel zu der abenteuerlichen Behauptung, die SPD würde Haushaltslöcher beschwören und dann selbst hineinfallen.
Herr Waigel, wie war es dann? Schon im Januar brach der Frost die Haushaltslöcher auf. Monat für Monat wurden sie größer. Über 12 Milliarden DM mußten Sie schließlich wegen der Arbeitslosigkeit der Bundesanstalt für Arbeit nachbewilligen. Und die geplanten Privatisierungen lösten sich in Luft auf. Das angebliche Horrorszenarium der Opposition wurde zum Alptraum für Waigel.
({2})
59 Milliarden DM neue Schulden wollten Sie machen. Sie sind jetzt schon bei 73 Milliarden DM angelangt und das nur durch einen Trick: Weil Sie die Privatisierung der Lufthansa im Jahre 1996 nicht mehr hinkriegen, machen Sie ein Platzhaltermodell: Sie parken die Anteile bei einer öffentlichen Bank, damit es nicht auffällt, und können nur auf diese Weise die
Verschuldung im neuen Jahr auf etwa 73 Milliarden DM halten.
Ich sage Ihnen: Wir sind ja in Sachen Tricks bei Waigel schon allerhand gewohnt. Aber dieses Platzhaltermodell schlägt dem Faß nun wirklich den Boden aus.
({3})
Nach Art. 115 des Grundgesetzes dürfen in einem Jahr die neuen Schulden die Investitionen nicht überschreiten. Eine Ausnahme ist nur dann erlaubt, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes vorhanden ist. Das haben Sie aber in der Sondersitzung des Bundestages strikt verneint. Die Folge ist, daß Ihr laufender Haushalt schlicht und einfach verfassungswidrig ist, weil die neuen Schulden die Investitionen dramatisch übersteigen.
Nun sagen Sie, es komme für die Verfassungsgemäßheit nicht auf den Verlauf des Haushaltsjahres an, sondern auf den Zeitpunkt der Verabschiedung, also auf den November 1995. Sie wissen, daß das in der Wissenschaft umstritten ist. Es gibt einige, die das behaupten, aber viele andere, die das Gegenteil sagen. Eines ist doch aber klar: Wer den Haushalt am Tag der Verabschiedung mit zweistelligen Milliardenbeträgen schönt und das Plenum betrügt, kann sich nicht auf diese Meinung versteifen. Er handelt verfassungswidrig.
({4})
Genauso schlampig geht das beim Haushalt 1997 weiter. Die Vier-Jahreszeiten-Methode feiert fröhliche Urständ. Im Sommer dieses Jahres haben Sie sich reichgerechnet: kein Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit. Jetzt, im Herbst, haben Sie nachgebessert: 4,1 Milliarden DM. Es bedarf aber keiner großen Vorstellungskraft, um zu erkennen, daß Ihr Zahlenwerk auch im nächsten Jahr keinen Bestand haben wird, weil Sie schlicht und einfach viel zuwenig tun, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
({5})
Denn mit dem Haushalt 1997 wird keines der drängenden Probleme dieses Landes bewältigt. Statt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, erhöhen Sie mit Ihrer Politik insbesondere zu Lasten der neuen Länder die Arbeitslosigkeit. Statt unser Land zukunftsfähig zu machen, streichen Sie die Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Technologie zusammen. Statt Jugendlichen eine Perspektive zu geben, verweigern Sie sich einer sinnvollen Ausbildungsplatzinitiative und erhöhen sogar noch das Renteneintrittsalter für Frauen, wodurch die Jugendarbeitslosigkeit noch steigt.
({6})
Statt den Haushalt auf solide Füße zu stellen, operieren Sie mit globalen Minderausgaben und Lotterieansätzen. Statt beim Sparen alle Bürger in diesem
Lande nach ihrer Leistungsfähigkeit heranzuziehen, verteilen Sie durch die Abschaffung der Vermögensteuer Steuergeschenke an Reiche und Supervermögende.
({7})
Beispiel Arbeitslosigkeit. 1997 wird bereits das zweite Jahr, in dem 4 Millionen Menschen keine Arbeit haben - nicht zu vergessen diejenigen, die es längst aufgegeben haben, Arbeit zu suchen. Wenn Ihnen in dieser Situation nichts anderes einfällt, als die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik drastisch zu kürzen, dann führt das zu höherer Arbeitslosigkeit. Das schadet den Menschen, ihren Familien und erhöht die Staatsverschuldung weiter.
Beispiel Forschung. Den sogenannten Zukunftsetat kürzen Sie um sage und schreibe fast 900 Millionen DM. Davon sind leider alle Förderprogramme betroffen, die dazu dienen sollen, unser Land zukunftsfähig zu machen. Weil Sie die Details vor den Menschen und vor dem Plenum des Bundestages vertuschen wollen, kürzen Sie allein in Höhe von über 360 Millionen DM durch eine sogenannte globale Minderausgabe.
Meine Damen und Herren, was heißt das? Im Haushalt steht normalerweise in vielen einzelnen Titeln und Positionen, was bezahlt wird, was man ausgibt. Wenn man kürzt, steht sehr konkret dabei, was gekürzt wird. Manchmal zankt man sich im Haushaltsausschuß um 1 Million DM rauf oder runter. Dies alles ist jetzt gar nicht möglich. Denn die Öffentlichkeit weiß ja nicht, wo vom sogenannten Zukunftsminister diese über 360 Millionen DM herkommen sollen, wer da zum Opfer fällt und welches Programm gestrichen wird. Deshalb ist dieser Haushalt nicht mehr das Regierungsprogramm in Zahlen, sondern nur noch ein Waschzettel mit Zahlen ohne Wert. Dem werden wir nicht zustimmen.
({8})
Beispiel Solidität des Zahlenwerkes. Über Nacht zaubern Sie wieder Positionen in einer Größenordnung von Milliarden aus dem Hut. Da werden mal eben aus der Abwicklung von Treuhandunternehmen Mehreinnahmen in Höhe von 1,3 Milliarden DM angesetzt. Da werden mal eben über Nacht Einnahmen aus Grundstücksverkäufen mit zusätzlich 1 Milliarde DM angesetzt. Da werden mal eben über Nacht Lizenzgebühren aus der Telekommunikation in Höhe von 1,5 Milliarden DM angesetzt. Da werden mal eben über Nacht die Ausgaben für Gewährleistungen um 900 Millionen DM abgesenkt. Ich frage Sie: Wenn das alles so einfach über Nacht aus dem Hut zu zaubern ist, warum haben Sie das nicht im September getan?
({9})
Entweder hatten Sie im September unrecht, oder Sie
haben heute unrecht. Ich habe allerdings die Befürchtung, daß beide Zahlen falsch sind; denn daß
Sie mit falschen Zahlen operieren, das haben Sie schon hundertmal gezeigt, Herr Waigel.
({10})
Frau MatthäusMaier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hammerstein?
Ja.
Frau Kollegin Matthäus-Maier, heute morgen im Frühstücksfernsehen - da stehen Sie ja häufiger vor der Kamera ({0})
sagten Sie, daß Sie heute dem Hohen Hause und der deutschen Öffentlichkeit sagen würden, wie man Arbeitslosigkeit abbaut und w ie man weiter Schulden reduziert. Da über die Hälfte Ihrer Redezeit schon vorbei ist, hoffe ich, daß Sie in den wenigen Minuten, die Sie jetzt noch zur Verfügung haben, endlich zu diesen Äußerungen kommen; denn die deutsche Bevölkerung wartet darauf.
({1})
Gleich dazu, Herr Koppelin, oder machen wir das in der nächsten Runde?
Ich möchte Ihnen das gerne erläutern, Herr Kollege. 100 000 Arbeitslose kosten 4 Milliarden DM. Das heißt, wenn es mir gelingt, 100 000 Menschen mehr in Arbeit zu bringen,
({0})
dann bringt das den öffentlichen Kassen 4 Milliarden DM. Deswegen habe ich Ihnen - man könnte ja meinen, daß Sie wissen, was ich heute vortragen will - zehn Gesetzentwürfe und Anträge der SPD im Deutschen Bundestag mitgebracht,
({1})
mit denen wir - sie enthalten konkret ausgearbeitete Vorschläge - die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen.
({2})
Ich nenne Ihnen als erstes Beispiel das Entsendegesetz.
({3})
- Bleiben Sie ruhig stehen, Herr Kollege, wenn ich Ihnen das gerade erläutere. - Über ein Jahr haben Sie unseren Gesetzentwurf blockiert, der besagt, daß Briten und Portugiesen sehr wohl auf deutschen Baustellen arbeiten dürfen, aber doch bitte nicht zu Dumpinglöhnen.
({4})
Sie haben mit Ihrer Blockade beim Entsendegesetz dafür gesorgt, daß Zigtausende von Bauarbeitern arbeitslos sind. Nur, weil Sie nicht mitmachen wollten!
({5})
- Er hat sich zwar schon wieder gesetzt, weil ihm das nicht gefällt; aber jetzt, Herr Koppelin, darf ich meine zehn Beispiele hier vortragen. Bitte melden Sie sich dann wieder.
Zweites Beispiel: die Lohnnebenkosten runter. Wir haben im Bundestag einen Antrag zur ökologischen Steuerreform eingebracht, weil das Problem in diesem Lande die maßlose Belastung der menschlichen Arbeit und der menschlichen Leistung ist. Wir haben einmal eine Aufstellung gemacht, meine Damen und Herren. Nehmen Sie die gesamten Steuern und Sozialabgaben, dann kommen Sie im Jahr 1995 immerhin auf 1,4 Billionen DM. Davon nehme ich die Umsatzsteuer, die Mehrwertsteuer, weg, weil der Verbraucher sie bezahlt. Dann bleiben rund 80 Prozent. Von diesen 80 Prozent wiederum - ich darf Ihnen das einmal vorlesen; das ist alles unbestritten - entfallen durch Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer über 62 Prozent auf die menschliche Arbeit, unter 10 Prozent auf den Faktor Kapital und unter 10 Prozent auf den Faktor Natur. Angesichts dessen sage ich Ihnen: Wer nicht endlich mit uns zusammen bereit ist, die Lohnnebenkosten zu senken und auf der anderen Seite die Energie zu verteuern, der versündigt sich an den Arbeitslosen in diesem Lande.
({6})
Drittes Beispiel, meine Damen und Herren, auch im Bundestag als Antrag eingebracht: ein 100 000Dächer-Solarenergieprogramm. Warum? Weil das die Energie der Zukunft ist, weil andere Länder das tun. Wir haben ein lächerlich kleines Programm von wenigen tausend Förderfällen. Die Japaner hatten ein 100 000-Dächer-Solarenergieprogramm, und deswegen sind sie weiter. Aber ich sage Ihnen: Nicht das Land wird im Jahr 2000 die Nase vorn haben, das die besten U-Boote und Panzer exportiert, sondern das, das die besten Umweltschutz- und Energieeinspartechnologien exportieren kann.
({7})
- Herr Rüttgers, jetzt lassen Sie mich das erst ausführen. Sie besitzen nämlich immer die Dreistigkeit zu sagen, wir hätten keine Alternativen. Wir haben sie im Bundestag eingebracht.
({8})
- Sie wissen, ich lasse immer Zwischenfragen zu, aber heute erst nach den zehn Beispielen, damit Sie nicht mehr die Dreistigkeit haben, so etwas zu behaupten.
({9})
Viertes Beispiel: Wir brauchen eine Teilzeitoffensive. In anderen Ländern, zum Beispiel in Holland, gibt es das längst. Wir müssen die Teilzeitoffensive psychologisch, aber auch durch Gesetzesvorschläge unterstützen.
Übrigens: Sie haben sicher gemerkt, daß das, was ich bisher vorgeschlagen habe, überhaupt kein Geld kostet. Sie behaupten immer das Gegenteil. Das alles, zum Beispiel das Entsendegesetz, sind Maßnahmen, die überhaupt kein Geld kosten.
Unser Antrag, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit eine Teilzeitbeihilfe zu zahlen, um Teilzeitarbeit zu unterstützen, liegt bis heute in den Ausschüssen. Dazu sagen Sie nein. In den Ausschüssen liegt unser Antrag, für Beamte eine Einstellungsteilzeit zu schaffen. Auch das haben Sie bisher abgelehnt.
Fünftes Beispiel: Überstunden. Herr Jagoda von der Bundesanstalt für Arbeit sagte dieser Tage, es sei doch ein Unding, daß wir die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten haben und gleichzeitig mit 2 Milliarden Überstunden den Rekord an Überstunden halten. Das beste Mittel, das zu ändern, wäre ein „Bündnis für Arbeit" gewesen. Das aber haben Sie mutwillig zerschlagen.
({10})
Warum nehmen Sie, wenn es dazu schon nicht kommt - das haben Sie zu verantworten -, nicht unseren Entwurf eines Arbeitszeitgesetzes, in dem Möglichkeiten zur Reduzierung der Überstunden enthalten sind, in die Hand? Dann wären wir alle ein Stück weiter.
({11})
Sechstes Beispiel: innovative Forschungs- und Technologiepolitik. Unser Antrag mit konkreten Einzelforderungen liegt auf dem Tisch. Er wird von Ihnen in den Ausschüssen blockiert.
Siebtes Beispiel: Wir wissen, daß bei den Sozialversicherungen, auch bei der Rentenversicherung, Riesenlöcher existieren. Warum denn? Weil Sie sich bis heute weigern, die 590-DM-Billigjobs in die Sozialversicherung aufzunehmen.
({12})
Bis weit in die Union hinein lesen wir, daß Sie das für ein Unding halten. Dieses Instrument war einmal gedacht, um Spitzen bei den Unternehmen mit Aushilfskräften abzubauen, für Studenten während des Semesters. Es wurde doch nicht dazu geschaffen, daß Millionen von Arbeitnehmern heute mit Billigjobs ohne Sozialversicherung abgespeist werden.
({13})
Unser Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung des Mißbrauchs der Geringfügigkeitsgrenze in der Sozialversicherung schmort in den Ausschüssen.
Achtes Beispiel: Scheinselbständigkeit. Wir treffen die Situation an - dies kostet die Sozialversicherungen Milliarden DM im Jahr -, daß immer mehr traditionelle Arbeitnehmerberufe, zum Beispiel Fahrer oder Kellner, zu Berufen mit Scheinselbständigkeit gemacht werden, und zwar zu einem einzigen Zweck: damit sie ihre Arbeitnehmerrechte verlieren und der Arbeitgeber nicht in die Rentenversicherung einzahlen muß.
Unser Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit liegt im Bundesrat. Ich weiß, daß viele von Ihnen gerne zustimmen würden, aber es nicht können.
({14})
Neuntes Beispiel: Der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik geht unter Ihnen ununterbrochen zurück. Das ist ein schlimmer Fehler. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit muß es ein Gleichgewicht zwischen passiver und aktiver Arbeitsmarktpolitik geben. Unser Entwurf eines Arbeits- und Strukturförderungsgesetzes, im Bundestag eingebracht, ist von Ihnen abgelehnt worden.
Letztes Beispiel: überbetrieblicher Leistungsausgleich für die Schaffung von mehr Lehrstellen. Darauf haben Sie sich nun eingeschossen. Was heißt das? Jedes Jahr warten Zehntausende von Jugendlichen - übrigens nicht nur sie, sondern auch ihre besorgten Eltern - darauf, daß sie einen Ausbildungsplatz bekommen. Jedes Jahr ist es so, daß Tausende endgültig keinen bekommen.
Wir haben eine Ausbildungsplatzumlage, Sie können auch sagen: einen Ausbildungsplatzausgleich vorgeschlagen. Denn es ist heute doch so, daß die große Masse der Unternehmen - rund zwei Drittel - gar nicht mehr ausbildet und daß die Last der Ausbildung fast ausschließlich auf dem Handwerk liegt. Wir danken dem Handwerk dafür. Ich gratuliere dem neuen Handwerkspräsidenten zur Übernahme seines Amtes.
({15})
Was können Sie eigentlich dagegen haben, wenn wir auf gesetzgeberischer Ebene eine Regelung treffen, wie es sie beim Bauhandwerk oder bei den Schornsteinfegern gibt, wie mein Kollege Uwe Göllner immer sagt? Die haben in ihrer Kammer und in ihrer Innung längst ein Umlagemodell. Ich halte das für einen guten Vorschlag.
Sie sagen: Das sollen die Unternehmen freiwillig machen. Das wollen auch wir ja gern. Aber sollen wir in einer Zeit, in der sogar der Herr Bundeskanzler die Unternehmen angreift, weil sie freiwillig nicht mehr Arbeitsplätze schaffen, immer noch auf freiwillige Vereinbarungen setzen, obwohl damit in der Praxis offensichtlich keine Arbeitsplätze geschaffen wurIngrid Matthäus-Maier
den? Ich sage Ihnen: Machen Sie endlich mit bei unserem Vorschlag.
({16})
Herr Koppelin, haben Sie noch eine Frage? Ich nehme an, nicht.
({17})
Diese zehn Beispiele, die ich erwähnt habe, zeigen eines: Diese Koalition lehnt das alles ab. Das ist verantwortungslos gegenüber den Menschen. Das ist schädlich. Sie sind eine Neinsagerkoalition. Machen Sie mit uns endlich konstruktive Politik für die Arbeitslosen in diesem Lande.
({18})
Sie kommen daher und beschweren sich - manchmal weinerlich und manchmal aggressiv -, wir würden Ihren Vorschlägen nicht zustimmen. Ich habe aber längst gemerkt, was Sie damit meinen: Sie wollen immer unser Ja zu Ihren Bedingungen. Wie kommen wir dazu?
({19})
Sie haben die Mehrheit im Bundestag. Die SPD hat die Mehrheit im Bundesrat. Da kann keiner dem anderen Bedingungen aufdiktieren. Da müssen wir zu Kompromissen kommen. Verweigern Sie sich nicht länger.
({20})
Was Sie gerade in diesen Tagen bei der Vermögensteuer zeigen, das macht deutlich, das Sie Ihre Konditionen, Ihre Bedingungen durchsetzen wollen. Sie erwecken den Eindruck, als sei die SPD auf eine Art Einigung eingegangen. Kindergeld wird erhöht, sagen wir, Vermögensteuer wird abgeschafft, sagen Sie, und Sie behaupten, wir hätten dem zugestimmt. Dazu kann ich Ihnen nur zweierlei sagen: Auf die Durchsetzung der Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 1997, die wir erkämpft haben, sind wir stolz. Sie können machen, was Sie wollen: Es wird erhöht.
({21})
Aber es gilt auch umgekehrt. Ein Ja der SPD zu Ihren unsozialen Vermögensteuerplänen wird es weder im Bund noch im Land geben.
({22})
Denn wenn eine Bundesregierung wie Sie die älteren Frauen später in Rente schickt und damit die Jugendarbeitslosigkeit erhöht, wenn eine Bundesregierung wie Sie die Lohnfortzahlung kürzt, wenn eine Bundesregierung wie Sie jeden Tag mit neuen Abkassiermodellen im Gesundheitswesen daherkommt, wenn eine Bundesregierung wie Sie Geld für aktive Arbeitsmarktförderung kürzt, wenn eine solche Bundesregierung gleichzeitig behauptet, sie habe Milliarden, um den Reichen und Superreichen die private Vermögensteuer zu schenken, dann gehört einer solchen Bundesregierung der politische Führerschein entzogen.
({23})
Zu der Vermögensteuerdiskussion stellen Sie sechs Behauptungen auf. Fünf sind falsch, eine ist richtig.
Behauptung Nummer eins: Das Bundesverfassungsgericht verlange die Abschaffung. Das ist falsch. Im Karlsruher Beschluß heißt es: „Das Konzept der geltenden Vermögensteuer entspricht diesen Anforderungen. "
Ihre Behauptung Nummer zwei: Die Verwaltungskosten seien so hoch, daß es sich bei der Vermögensteuer nicht lohne. Das ist falsch. Nach Ihren eigenen Aussagen betragen die Verwaltungskosten 300 Millionen DM. Bei einem Aufkommen von insgesamt 9,3 Milliarden DM ist das durchaus akzeptabel.
Behauptung Nummer drei: In Europa erhebe praktisch keiner eine Vermögensteuer. Das ist falsch. Ihr eigenes Informationsblatt, das der Bundesregierung, vom 30. Juni 1996 schreibt - ich zitiere nur die Aussagen zur privaten Vermögensteuer, denn Sie wissen, daß es uns darum geht -:
Eine private Vermögensteuer gibt es in Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, Schweiz und Spanien.
Bevor Sie hier einen solchen Unsinn erzählen, lesen Sie einmal diese Ausführungen der Bundesregierung.
({24})
Behauptung Nummer vier: Der SPD-Entwurf sei verfassungswidrig. Das ist falsch. An dieser Behauptung merken Sie, daß wir hier nicht tatenlos herumsitzen, wenn Sie die Vermögensteuer abschaffen wollen. Wir haben einen Gesetzentwurf - da fällt mir ein, den habe ich vergessen, aber der ist so dick und Sie wissen, daß er in den Ausschüssen liegt - zur Beibehaltung und Reform einer ordentlichen Vermögensteuer eingebracht. Dieser ist natürlich verfassungskonform, denn wir folgen den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts.
Wir sagen zum Beispiel: Das normale Einfamilienhaus bleibt vermögensteuerfrei. Wir sehen Freibeträge das sollen Sie sich einmal ansehen, weil Sie sonst doch immer „Klassenkampf" rufen - für den einen Ehepartner in Höhe von 300 000 DM, für den zweiten Ehepartner ebenfalls in Höhe von 300 000 DM - das sind zusammen 600 000 DM - und für die Kinder jeweils in Höhe von 200 000 DM vor. Das heißt, daß nach den Vorstellungen der SPD bei einer Familie mit zwei Kindern 1 Million DM vermögensteuerfrei bleiben. Also erzählen Sie nicht immer diesen Unsinn, unser Konzept sei nicht verfassungskonform. Es ist es.
({25})
Behauptung Nummer fünf von Ihrer Seite: Die Abschaffung der Vermögensteuer schaffe Arbeitsplätze. Das ist falsch. Man muß zwischen der betrieblichen Vermögensteuer und der Vermögensteuer auf Privatvermögen unterscheiden. Wir haben das x-mal getan; das wissen Sie. Mein Partei- und mein Fraktionsvorsitzender haben es am Mittwoch hier im Bundestag nochmals angeboten, zwischen der privaten und der betrieblichen Vermögensteuer zu unterscheiden, das wissen Sie.
Selbst wenn wir die betriebliche Vermögensteuer abschaffen, schafft das nach meiner Überzeugung nicht sehr viele Arbeitsplätze. Warum? Dafür gibt es zwei Gründe, die ich hier deutlich machen will:
Erstens. Der Anteil der Unternehmensteuern ist in den letzten Jahren dramatisch gesunken, und die Arbeitslosigkeit hat dramatisch zugenommen. Ihr dauerndes Gerede: Laßt uns nur Unternehmensteuern senken, dann sinkt die Arbeitslosigkeit, ist per se schon dummes Zeug.
({26})
Zweitens. Nehmen Sie die neuen Bundesländer: In den neuen Bundesländern gibt es keine Vermögensteuer, keine Gewerbekapitalsteuer, und es gibt riesige Abschreibungsmöglichkeiten. Trotzdem kommt der Aufschwung dort nicht in Gang. Daran sehen Sie, daß Ihre Gleichung „Unternehmensteuern runter, dann läuft das Ganze" dummes Zeug ist.
({27})
Trotzdem sind wir bereit - ich wiederhole das Angebot -, auf die betriebliche Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer zu verzichten, wenn Sie endlich davon ablassen, auch die private Vermögensteuer abzuschaffen. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Angebot von einer Opposition!
({28})
Ich frage mich: Was müssen Sie ideologisch verbohrt sein, wenn Ihnen die Abschaffung der privaten Vermögensteuer wichtiger ist als die Abschaffung von zwei ertragsunabhängigen Steuern für die deutsche Wirtschaft.
({29})
Behauptung Nummer sechs der Koalition: Die SPD könne sich mit ihrem Widerstand gegen die Vermögensteuer auf den Kopf stellen, sie werde trotzdem 1997 nicht mehr erhoben. Meine Damen und Herren, mit dieser Behauptung haben Sie leider Recht. Warum? - Weil im Beschluß von Karlsruhe steht:
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung bis spätestens 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar.
Zwei Dinge sind hier bedeutsam; hören Sie gut zu: Erstens. Sie sind verpflichtet, Sie kommen Ihrer Pflicht zu einer Reform der Vermögensteuer nicht
nach, wie sie hier in der Entscheidung von Karlsruhe niedergelegt ist.
({30})
Zweitens. Wenn Sie Ihrer Pflicht nicht nachkommen und sich Kohl und Waigel weigern, dann kann sie ab 1997 nicht mehr erhoben werden, aber nicht deshalb, weil die SPD eingeknickt ist oder weil sie sich abgefunden hat - wie Sie in Hintergrundgesprächen verbreiten wollen; das steht heute leider in der Zeitung -, sondern weil wir über Ihre Blockadehaltung bei der Vermögensteuer nicht hinwegkommen. Wir jedenfalls werden die Abschaffung der Vermögensteuer bis zum Schluß bekämpfen.
({31})
Zusammenfassend sind wir der Ansicht: Erstens. Ihr Bundeshaushalt ist unsolide und basiert auf Luftbuchungen. Zweitens. Er verschärft die Arbeitslosigkeit, statt sie zu senken. Drittens. Er ist perspektivlos für die Zukunft unserer Kinder. Viertens. Er ist sozial ungerecht.
Wer das Eintreten für soziale Gerechtigkeit in diesem Land als Sozialneid diffamiert, der weiß nicht, wie es in den Portemonnaies der Arbeitnehmer aussieht, und deswegen werden wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen.
({32})
Das Wort für eine Kurzintervention hat der Kollege Koppelin.
Die Kollegin MatthäusMaier hat in ihren Ausführungen die globale Minderausgabe kritisiert. Wir haben im Haushaltsausschuß - ich denke, es wäre auch redlich gewesen, wenn sie es gesagt hätte - ausdrücklich beschlossen, daß die Berichterstatter selbstverständlich bei der Erbringung der globalen Minderausgabe mit einzubinden sind.
Aber da die Kollegin Matthäus-Maier hier sehr viel zitiert hat, will ich einmal ein Zitat der Kollegin Matthäus-Maier zum Thema globale Minderausgabe bringen. Dieses Zitat lautet:
Ich möchte ein Mißverständnis ausräumen, das vielleicht zwischenzeitlich zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und der Opposition aufgetaucht ist, nämlich was die globale Minderausgabe angeht. Ich glaube, über dieses Instrument der Haushaltspolitik kann man füglich streiten, denn es ist sehr grobflächig und überläßt seine Wirkung dem Haushaltsvollzug. Aber wenn man sich aus rein praktischen Gründen zur Anwendung dieses Instruments entschließt, dann steht dieses Instrument Koalition und Opposition gemeinsam und gleichermaßen zur Verfügung.
Frau Matthäus-Maier hat dies allerdings in einer Zeit gesagt, als sie Mitglied der sozialliberalen Koalition auf seiten der F.D.P. und haushaltspolitische Sprecherin gewesen ist. Sie sollte sich daran einmal erinnern.
Nun ein zweites, Frau Kollegin Matthäus-Maier, was ich nicht verstehen kann. Sie treten jedes Jahr zum Abschluß der Debatten zum Haushalt hier auf und sprechen zum jeweiligen Bundeshaushalt.
({0}) Das ist ja soweit in Ordnung.
Ich bedauere allerdings, daß Sie kein einziges Mal an den Beratungen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages teilgenommen haben. Das finde ich unredlich. Kommen Sie zukünftig in die Sitzung, beraten Sie mit, und informieren Sie sich. Ich glaube, danach würden Sie hier andere Reden halten.
({1})
Frau Kollegin Matthäus-Maier.
Herr Kollege Koppelin, ich wundere mich, daß Sie das nicht als Zwischenfrage vorgetragen haben;
({0})
denn dann hätte ich Ihnen gleich sagen können: Dieses eine Argument der Anwesenheit oder Nichtanwesenheit bei den Haushaltsberatungen im Ausschuß müssen Sie sich abschminken.
Ich bin gar nicht Mitglied im Haushaltsausschuß, und stellvertretende Fraktionsvorsitzende - auch in anderen Parteien - können üblicherweise nur an ganz besonders wichtigen Sitzungen, etwa an Hearings im Finanzausschuß, teilnehmen. Sehen Sie einmal in die Liste; ich bin nicht Mitglied im Haushaltsausschuß. - Aber über den Haushalt weiß ich trotzdem besser Bescheid als Sie, Herr Koppelin.
({1})
Zweitens. Ich glaube, ich habe in meiner Äußerung zur globalen Minderausgabe, die Sie zitiert haben, genau dasselbe gesagt wie hier. Ich habe nämlich gesagt - Sie haben es zitiert -: Darüber kann man füglich streiten, und es ist ein grobflächiges Instrument - genau das -, das man möglichst wenig anwenden sollte. Ich habe schon zu Zeiten der sozialliberalen Koalition - damals als Vorsitzende des Finanzausschusses - versucht, es nach Möglichkeit zu verhindern.
Sie halten es doch wohl für völlig korrekt, wenn ich Ihnen sage: Wir wollen konkret wissen, wo Sie sparen wollen; wir wollen keine allgemeinen großen
Zahlen, die sich im Nachhinein als Luftbuchungen erweisen.
({2})
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Peter Repnik, CDU/CSU.
({0})
- Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute den Haushalt 1997, und wir sind damit am Ziel einer schwierigen Wegstrecke angelangt. Die Probleme während der Aufstellung und im Verlauf der Beratungen sowie die Veränderungen der Rahmendaten, auf die reagiert werden mußte, spiegeln nur einen Teil der Probleme wider, denen sich unsere Volkswirtschaft insgesamt ausgesetzt sieht und die es gemeinsam zu lösen gilt.
Ich komme gleich zu Beginn meiner Ausführungen, Frau Kollegin Matthäus-Maier, zu einem ganz entscheidenden Punkt. Frau Matthäus-Maier, Sie haben in Ihren Ausführungen
({0})
den Eindruck erweckt, als ob unser Finanzminister im Laufe dieses Jahres bei der Erstellung des Haushalts und beim Vollzug mit bestimmten Daten nicht korrekt umgegangen ist.
({1})
Ich möchte hier noch einmal auf folgendes hinweisen: Die Daten, die bei der Aufstellung eines Haushalts zugrunde gelegt werden, sind nicht die Daten des Finanzministers; die Daten, die bei der Aufstellung eines Haushalts zugrunde gelegt werden, werden im AK Steuerschätzung erhoben.
({2})
Dort ist der Bundesfinanzminister vertreten, dort sind alle Länderfinanzminister vertreten, dort ist die Bundesbank vertreten, und dort ist die Wissenschaft vertreten.
Wenn sich diese Daten im Laufe eines Jahres verändern, dann bleibt dem Finanzminister nichts anderes übrig, als verantwortlich zu reagieren. Er hat sowohl im Hinblick auf den Vollzug des Haushaltes 1996 als auch im Hinblick auf die Veränderungen des Haushaltes 1997 verantwortlich reagiert. Hieraus ist ihm kein Vorwurf zu machen.
({3})
Herr Kollege Repnik, einen Augenblick bitte. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist einfach zu laut. Es macht keinen Sinn, unter diesen Umständen eine Debatte zu führen, weil man nicht einmal hier oben im Präsidium hören kann, was gesagt wird. Also bitte ich um etwas mehr Ruhe, und ich bitte diejenigen, die meiVizepräsident Hans-Ulrich Klose
nen, Privatgespräche führen zu müssen, so nett zu sein, in die Lobby hinauszugehen.
Bitte, Herr Kollege Repnik.
({0})
Frau MatthäusMaier, Sie können noch so lautstark hier an diesem Podium auftreten: Die Opposition hat an den vergangenen vier Tagen einmal mehr versäumt, konkrete, glaubwürdige, tragfähige Alternativvorschläge vorzulegen.
({0})
- Nein. Ich habe mir das Zehn-Punkte-Programm, das von Ihnen am heutigen Vormittag vorgetragen wurde, sehr genau angehört. Entweder bedeuten die darin enthaltenen Maßnahmen Umverteilung, oder sie kosten Geld. Kein einziger konkreter Einsparvorschlag war dabei.
({1})
Sie haben keine Alternative, und ich füge hinzu: Zu diesem Haushalt gibt es auch keine Alternative.
({2})
Dieser Haushalt steht für umsichtige Politik mit dem Ziel der Entlastung unserer Volkswirtschaft.
({3})
Dieser Haushalt führt im kommenden Jahr die Ausgaben um 2,5 Prozent zurück, und er zeigt erneut, daß wir mit dem Abbau der Staatsquote Ernst machen, um Marktkräften wieder mehr Spielraum zu geben, und daß wir damit Ernst machen, Spielräume für mehr Investitionen und damit für mehr Arbeitsplätze zu eröffnen.
Die Verabschiedung dieses Haushalts ist eine gute Gelegenheit, um einen Blick auch in die Zukunft der parlamentarischen Arbeit zu werfen. Damit spreche ich ein Thema an, das soeben ebenfalls genannt wurde, nämlich die parlamentarischen Beratungen auch im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß.
Wir stehen mitten in außerordentlich schwierigen Verhandlungen, in Verhandlungen, von deren Ergebnissen es auch abhängt, ob der Standort Deutschland gestärkt wird, ob Arbeitsplätze geschaffen werden oder ob Arbeitsplätze verlorengehen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben es doch mit in der Hand, und deshalb fordere ich Sie auf: Wirken Sie doch daran mit.
({4})
Die Punkte, die Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, im Streit um die Steuerpolitik und um die Haushaltspolitik venneintlich gegen uns verbuchen, machen Sie auf dem Rükken der Arbeitslosen in Deutschland.
({5})
Dies ist doch kein Spiel, das wir hier treiben. Für rund 4 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit jeden Tag bittere Realität. Während Sie sich an polemischen Angriffen auf die Regierung berauschen, verlieren weitere Menschen die Arbeitsplätze.
({6})
Sicher ist es eine feine Strategie der Opposition, Erfolge der Regierungskoalition zu behindern,
({7})
wo immer sie dazu in der Lage ist. Das ist vermutlich Ihre Aufgabe. Aber Sie verkennen dabei eines: Erfolge dieser Koalition und Erfolge dieser Regierung äußern sich in mehr Investitionen und in mehr Arbeitsplätzen. Und deshalb müssen Sie Ihre Blockadepolitik einstellen!
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Reden in dieser Woche im Plenum zum Haushalt 1997 haben einmal mehr deutlich gemacht: Sie betreiben eine Sozialromantik, gepaart mit einem eiskalten Kalkül. Dies ist Ihre Strategie.
Wir wollen mehr Sicherheit, aber wir müssen sie doch auch bezahlbar halten. Es kann doch nicht der Sinn sein, durch überzogene Sozialkosten Arbeit so teuer zu machen, daß immer mehr Menschen in Deutschland arbeitslos werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, können Sie eigentlich diesen Teufelskreis nicht erkennen, oder wollen Sie es nicht? Können Sie nicht erkennen, wie wichtig es ist, diese Spirale nach unten zu durchbrechen? Nicht irgendwann, nicht in kleinen Schritten. Wir haben die Zeit nicht, wir haben sie nicht mehr. Deshalb haben wir doch das Programm für Wachstum und Beschäftigung aufgelegt, aus diesem Grund. Es hilft uns doch nicht weiter, wenn Ihr Parteivorsitzender Lafontaine am Mittwoch dieser Woche hier dagegen nur polemisiert hat.
Wenn Sie uns nicht glauben, daß dieses Programm zu mehr Wachstum, zu Investitionen, Beschäftigung und Arbeitsplätzen führt, dann nehmen Sie doch bitte den Sachverständigenrat und das Gutachten ernst.
Ich möchte mir erlauben, zwei Passagen aus dem Gutachten des Sachverständigenrates zu zitieren, hochaktuell, erst wenige Wochen alt. Er schreibt unter anderem:
Ein wichtiger Schritt waren die Gesetze zur Umsetzung von Teilen des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung. Sie werden in der Öffentlichkeit als Sparpaket diskutiert, eine unglückliche Bezeichnung; denn in wesentlichen Teilen, vor allem bei den Neuregelungen zum Arbeitsrecht, geht es nicht um Sparen, sondern damm, mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeits- und Tarifverträgen zu ermöglichen.
Soweit der Sachverständigenrat.
Und der Sachverständigenrat geht weiter. Er macht deutlich, daß nicht nur die Regierung und nicht nur das Parlament, sondern die gesamte Gesellschaft Verantwortung bei der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze trägt. Deshalb will ich eine zweite Passage zitieren. Der Sachverständigenrat schreibt:
Die gesetzliche Neuregelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat bei den Tarifparteien zu einer Verhärtung der Fronten geführt. Es fehlt anscheinend an der Einsicht, daß es jetzt darauf ankommt, den vom Gesetzgeber geschaffenen Gestaltungsspielraum verantwortlich auszufüllen und dabei sowohl den Interessen der Arbeitnehmer an Lohn und Absicherung gegen Risiken Rechnung zu tragen, als auch die Voraussetzung für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu verbessern.
({9})
Wenn das kein Fahrplan ist, an den sich diese Regierung auch korrekt hält, dann weiß ich nicht weiter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hetzkampagne der Opposition - gerade auch in dem vorhergehenden Beitrag - gegen die Beseitigung der Vermögensteuer ist nur exemplarisch für die mangelnde Bereitschaft, wirtschaftliche Zusammenhänge anzuerkennen. Frau Matthäus-Maier, Sie haben es heute zum wiederholten Male getan. Wir haben gestern in schwierigen Verhandlungen vereinbart, daß wir nicht aus diesen Gesprächen zitieren.
({10})
Und ich will mich an diese Vereinbarung halten. Aber auch am gestrigen Tag, am gestrigen Abend lag kein Angebot der SPD auf dem Tisch, daß bei der betrieblichen Vermögensteuer über die Kapitalgesellschaften hinaus auch Personengesellschaften davon betroffen sein sollen. Wir haben an diesem Pult den Streit schon einmal ausgetragen, und Sie gehen leichtfertig mit der Wahrheit um.
({11})
- Ich habe Sie selbst hier an diesem Pult gefragt.
Tatsache ist, daß die SPD angeboten hat, auf die betriebliche Vermögensteuer zu verzichten, soweit es sich um Kapitalgesellschaften handelt, wohl wissend, daß 90 Prozent aller Gesellschaften in Deutschland Personengesellschaften sind und der gesamte Mittelstand davon nicht betroffen wäre. Den wollen Sie belasten. Da hilft auch Ihre ganze Hommage an das Handwerk nichts. Sie haben diesen Teil abgeschrieben.
({12})
Wir reden in diesen Tagen und Wochen viel über den schlanken Staat und haben bereits eine Vielzahl von Maßnahmen dazu umgesetzt; andere sind noch in der Umsetzung. Sie wissen doch ganz genau: Selbst wenn wir den privaten Teil der Vermögensteuer erhalten wollten, wenn dies denn möglich wäre - wir wissen alle, daß es schwierig ist, hier Unterscheidungen vorzunehmen -, dann müßten für
diesen geringen Teil der gesamte Apparat aufrechterhalten, alle Beamten damit befaßt, die Erhebungsmöglichkeiten bestehen bleiben. Mit schlankem Staat hat dies nichts zu tun.
Deshalb ist es nur folgerichtig, daß wir die Vermögensteuer insgesamt abschaffen und den Teil, der der privaten Vermögensteuer zuzurechnen war - er ist zugegebenermaßen nicht arbeitsplatzrelevant -, der Erbschaftsteuer zuschlagen. Das heißt, diese Summe muß dieselbe Zielgruppe tragen.
({13})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Sachverständigenrat sagt unter anderem folgendes - ich zitiere ihn zum drittenmal -:
Weder der Export noch der reale Außenwert sind in erster Linie geeignete Indikatoren zur Beurteilung der Standortqualität. Worauf es ankommt, sind die Investitionen. Hierbei ist das besondere Augenmerk auf die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland einerseits und die Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland andererseits zu richten. Hier gibt es deutliche Warnzeichen: Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland fallen auf ein enttäuschend niedriges Niveau zurück.
Wenn wir jetzt wissen, daß die Gesamtsteuerlast einer Kapitalgesellschaft in Deutschland 64,9 Prozent beträgt - damit liegen wir weltweit an der Spitze -, ist es doch nur folgerichtig, daß wir die Möglichkeit der Abschaffung der Vermögensteuer nutzen, um die Gesamtsteuerlast zu senken und den Standort Deutschland attraktiver zu machen, damit in Deutschland wieder mehr Ausländer investieren und Arbeitsplätze schaffen.
({14})
Ich muß mich mit noch einem Argument auseinandersetzen - nur weil Sie es gebetsmühlenartig wiederholen, wird es nicht wahrer, Frau MatthäusMaier -: Die Steuerquote in der Bundesrepublik Deutschland habe eine Rekordhöhe erreicht. Werfen Sie doch einmal einen Blick auf die Auflistung dieser Quoten. Dann wird Ihnen folgendes auffallen: Die derzeitige Steuerquote - sie wird für dieses Jahr auf 22,5 Prozent geschätzt - ist die niedrigste seit 1960. Der wirkliche Rekord findet sich aber im Jahr 1977.
({15})
Dort lag die Steuerquote bei 25,1 Prozent. Das war 1977, unter einer SPD-geführten Regierung, ohne die Belastung durch eine Wiedervereinigung. Dies ist die Wahrheit!
({16})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Abgabenquote wurde heute morgen ebenfalls wieder angesprochen. Es ist einfach unredlich, hier die Höhe der Abgabenquote zu geißeln und zugleich in den Bereichen, wo diese Koalition die Abgabenquote
senken will, zu blockieren. Ich darf dafür nur einige wenige Beispiele nennen: Gesundheitsstrukturreform - im Bundesrat blockiert! Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes - heute im Bundesrat blockiert! Rentengesetzgebung - im Bundesrat blockiert! Bezügefortzahlungsgesetz - im Bundesrat blockiert!
Sie hätten heute die Möglichkeit gehabt, den Wahrheitsbeweis anzutreten, daß Sie bei der Senkung der Abgabenquote mitwirken. Sie sind ihn einmal mehr schuldig geblieben.
({17})
Irgendwann müssen Sie uns schon die Antwort auf die Frage geben, wie Sie die Probleme lösen wollen. Beispiele aus dieser Woche: Lafontaine - so diese Woche hier im Plenum - will mehr Schulden zugunsten von mehr Konsum; Matthäus-Maier geißelt die Verschuldung. Nach den verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg fährt der SPD-Vorsitzende einen strammen Kurs Richtung Euro; der wirtschaftspolitische Sprecher dieser Partei, der niedersächsische Ministerpräsident, läßt sich letzte Woche in London als Euro-Skeptiker feiern.
({18})
Matthäus-Maier prangert hohe Steuer- und Abgabenquoten an und kämpft verbissen gegen die Senkung dieser Steuer- und Abgabenquoten im Vermittlungsausschuß. Lafontaine fordert diese Woche an diesem Pult eine Ausbildungsausgabe, Schröder und Clement sind dagegen. Dies alles geschieht in einer Woche. Was gilt eigentlich, was ist Ihre Politik?
({19})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur die demoskopischen Umfragen sollten Ihnen von der Opposition zu denken geben. Auch das Gespräch mit den Bürgern im Wahlkreis müßte Ihnen doch verdeutlichen, daß die von Ihnen betriebene Politik nicht glaubwürdig ist. Die Bürger haben begriffen, daß wir mitten in einem Strukturwandel stehen. Dieser Strukturwandel ist notwendig, wenn wir dieses Sozialsystem und die Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze schaffen wollen.
Ich möchte noch einmal auf die Bemerkungen Ihres Parteivorsitzenden von dieser Woche eingehen. Statt mitzuhelfen, diese Probleme zu lösen, hat Oskar Lafontaine in dieser Woche eine Situation für Deutschland beschworen, die so zu nennen ich für leichtfertig und für fahrlässig halte. Er sprach von Brüningschen Landschaften, als wenn die Situation heute mit der Situation zu Beginn der 30er Jahre vergleichbar wäre. Noch nicht einmal das Saarland unter seiner Führung ist so weit heruntergekommen, wie es zu Beginn der 30er Jahre der Fall war.
Dies ist nicht nur verantwortungslos, sondern so kann man einen Standort auch international kaputtreden. Es ist schlichtweg auch falsch, wie man schlußendlich weiß.
({20})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles, was Sie vorgeschlagen haben, führt zu mehr Verschuldung.
({21})
Den expansiven Wirkungen wachsender Defizite - das wissen wir doch - stehen kontraproduktive Wirkungen im privaten Sektor gegenüber. Steigende öffentliche Verschuldung wird von den Unternehmen als Investitionsrisiko betrachtet, da sie steigende Steuerbelastungen befürchten - zu Recht. Je stärker der Staat den Kreditmarkt in Anspruch nimmt, um so mehr hat dies Auswirkungen auf das Zinsniveau und damit auf private Investitionen. Das derzeitig günstige Zinsniveau ist auch darauf zurückzuführen, daß ausländische Kapitalanleger nach wie vor darauf vertrauen, daß diese Bundesregierung eine überzeugende und eine verläßliche Konsolidierungsstrategie verfolgt.
Herr Kollege Repnik, achten Sie bitte auf die Zeit.
Wenn Sie mir noch einige wenige Sätze geben.
({0})
Ein Kurswechsel in der Finanzpolitik könnte dazu führen, daß ausländische Kapitalanleger einen Risikozuschlag für Anlagen in Deutschland verlangen, dadurch die Zinsen steigen und damit die Investitionsentscheidungen negativ beeinflußt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen Haushalt vorgelegt, der der jetzigen schwierigen Situation gerecht wird. Wir haben mit der Planung einer großen Steuerreform, die Steuern senkt, die das Steuersystem sozialverträglicher, transparenter macht, den Startschuß für mehr Glaubwürdigkeit und für Investitionen in Deutschland gegeben.
({1})
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, danken dem Finanzminister, daß er in schwierigen Zeiten Kurs gehalten hat.
Wir stimmen deshalb diesem Haushalt zu.
({2})
Wir wären nach dem ursprünglichen Fahrplan jetzt am Schluß der Debatte. Ich höre aber, daß sich die Fraktionen darauf verständigt haben, zu zwei Anträgen, nämlich den Anträgen auf Drucksache 13/6351 und 13/6354, eine Sonderdebatte zu führen. Wird dazu ein Antrag gestellt? - Herr Catenhusen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die SPD-Bundestagsfraktion beantrage ich hiermit eine Verlängerung der Aussprache zur dritten Lesung um eine Kurzdebatte zu den vorliegenden Anträgen zur aktuellen Lage im
Iran. Ich gehe nach den Vorgesprächen davon aus, daß dies die Billigung aller Fraktionen findet.
Das scheint so der Fall zu sein. Dann verlängern wir die Debatte. Verabredet waren fünf Minuten Redezeit pro Fraktion und Gruppe.
Dann setzen wir die Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Rudolf Seiters, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ich zur deutschen und europäischen Iran-Politik folgendes feststellen:
Erstens. Die Fatwa-Drohungen aus dem Iran gegen die deutsche Justiz und die am Mykonos-Prozeß beteiligten Richter und Staatsanwälte sind unerträglich.
({0})
Der Vorwurf, das Mykonos-Verfahren sei ein politischer Prozeß, ist abwegig und wird von der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion nachdrücklich zurückgewiesen.
({1})
Die Reaktion von Bundeskanzler Helmut Kohl und der Bundesregierung war unmißverständlich, war angemessen und findet unsere uneingeschränkte Unterstützung.
({2})
Zweitens. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß nunmehr auch die iranische Regierung erkannt hat, daß sie alles tun muß, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Das diplomatische Personal und die im Iran lebenden Deutschen haben nach dem Völkerrecht Anspruch auf persönliche Sicherheit und den Schutz vor Übergriffen. Die iranische Regierung hat die volle Verantwortung dafür, daß dieser Schutz auch künftig gewährleistet wird.
({3})
Drittens. Unser Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung bedingt eine unabhängige Justiz. Angesichts der berechtigten öffentlichen Emotionalisierung der Krise in den deutsch-iranischen Beziehungen gilt dieser Grundsatz um so mehr. Die Vorgänge im Iran erfordern selbstverständlich immer eine Prüfung, ob und in welcher Weise wir zu agieren und zu reagieren haben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt jedoch mit Blick auf den MykonosProzeß eine politische Vorwegnahme des Urteils ab. Sie unterstützt auch in dieser Hinsicht den besonnenen und zurückhaltenden Kurs der Regierung.
Viertens. Wir müssen jedoch auch erkennen, daß der Begriff des kritischen Dialogs zu Mißverständnissen geführt hat und führt; denn es ist der Eindruck entstanden, als handele es sich um eine privilegierte Beziehung. Dies ist aber eindeutig nicht der Fall.
Wir verfolgen mit unserer Politik gegenüber dem Iran folgende Ziele: Wir wollen eine klar erkennbare, positive Haltung zum Nahost-Friedensprozeß. Teherans Politik gegenüber Israel ist immer auch ein Gradmesser für die deutsch-iranischen Beziehungen.
({4})
Wir wollen, daß der Iran terroristische Aktivitäten weder politisch noch logistisch, noch finanziell unterstützt. Wir bestehen darauf, daß der Iran seine umfangreichen Beschaffungsaktivitäten für nukleares Material einstellt und die von ihm unterschriebene C-Waffen-Konvention und den Nichtverbreitungsvertrag ohne Wenn und Aber einhält.
({5})
Wir fordern vom Iran, die Menschenrechte einzuhalten und die Glaubens- und Religionsfreiheit zu respektieren. Selbstverständlich hat der Iran alle Aktivitäten zu unterlassen, die auf die Verfolgung von im Ausland lebenden Oppositionellen gerichtet sind.
({6})
Dies ist erklärte Politik der Bundesregierung. Bei dieser Politik hat die Bundesregierung die volle Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
({7})
Das Wort hat der Kollege Christoph Zöpel, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD legen dem Hause einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu den Beziehungen Deutschlands zum Iran vor. Dabei bewegen uns zwei Problemkreise.
Der eine Problemkreis betrifft Angriffe aus dem Iran gegen die Unabhängigkeit unserer Justizbehörden. Diese weisen wir selbstredend zurück.
({0})
Der Iran muß wie jeder andere Staat auf der Welt, wenn er gute Beziehungen zu Deutschland haben will, akzeptieren, daß bei uns die Justiz unabhängig ist und weisungsunabhängig von der Regierung arbeitet.
Der zweite Punkt, der uns Sorgen bereitet, ist: In ganz Europa und auch in Deutschland werden Exiliraner bedroht und teilweise ermordet. Es besteht der Verdacht, daß iranische Stellen, der iranische Geheimdienst in diese Bedrohungen und Morde verwickelt sind. Genauso wie die Unabhängigkeit der Justiz gehört zu den Prinzipien unseres Rechtsstaats, daß wir alles tun, um für jeden in Deutschland lebenden Menschen Schutz vor Bedrohungen und Ermordung sicherzustellen, sei er Deutscher, sei er Iraner.
({1})
Im Mykonos-Prozeß werden entsprechende Verdächtigungen gegen den iranischen Geheimdienst zum Ausdruck gebracht. Ich möchte wiederholen, was ich dem zuständigen Staatsminister bereits gesagt habe: Schon eine öffentliche Diskussion darüber, mehr noch aber die Tatsache der Zusammenarbeit mit dem iranischen Geheimdienst ist unerträglich und auch nicht durch Erfolge, die manchmal vermeldet werden, zu rechtfertigen, solange der Verdacht nicht ausgeräumt ist, daß dieser Geheimdienst hier droht oder gar mordet. Das ist ein Essential.
({2})
Bei unseren internationalen Beziehungen - auch zum Iran - gibt es drei Ziele: die Sicherheit unserer eigenen Bürger, die Berücksichtigung unserer Verflechtung in den Welthandel und die Erfüllung unserer Verpflichtungen in bezug auf die Menschenrechte, auch gegenüber dem Iran.
Wie unsere Beziehungen zum Iran sind, hängt davon ab, wie sich der Iran verhält. Zur Zeit verhält er sich aus unserer Sicht nicht so, daß irgend etwas mit ihm als Beziehung definiert werden kann, was über die Normalität diplomatischer Beziehungen hinausgeht.
({3})
Diese Normalität halten wir allerdings für notwendig, weil sie die Basis dafür ist, überhaupt über Sicherheitsinteressen, Handel und Menschenrechte zu sprechen. Die Beziehungen können um so besser sein, je eindeutiger ist, daß Deutsche von Iranern nicht bedroht werden, daß der Iran endlich einen aktiven Beitrag zum mittelöstlichen Friedensprozeß leistet und daß er sich in die internationalen Bemühungen einschaltet, den Terrorismus zu bekämpfen.
({4})
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Beziehungen ist aber vielleicht bei uns die größere Bringschuld. Es kann keine Debatte darüber geben, daß aus Deutschland Güter dorthin exportiert werden, die zur Herstellung von ABC-Waffen beitragen können.
({5})
Ich will noch einen Schritt weitergehen: Gerade der Iran ist ein Beispiel dafür, daß noch einmal überlegt werden muß, ob es überhaupt irgendeinen Sinn macht, daß Deutschland Rüstungsgüter exportiert.
({6})
Die Menschenrechtsfragen sind oft erörtert worden. Ich glaube, in allen Gesprächen der europäischen Länder insgesamt muß auf diese Fragen generell und einzeln noch stärker eingegangen werden. Daß Schriftsteller verschwinden oder ausgepeitscht werden, führt bei mir - dies habe ich schon einmal gesagt - zu einem Gefühl des Ekels. Wie im Iran mit
Frauen umgegangen wird, angeblich sogar rechtlich legitimiert, das geht nicht an. Wir müssen darauf hinwirken, daß bestimmte, gegen die Konvention über die Menschenrechte verstoßende Rechtspraktiken im Iran nicht mehr möglich sind. Das muß diesem Land gesagt werden.
({7})
Herr Kollege Seiters, vieles von dem, was Sie gesagt haben, deckt sich inhaltlich mit dem, was ich sage. Für mich stellt sich die Frage, ob Sie unserem Antrag nicht zustimmen können. Ich sage das sehr bewußt; denn - das bitte ich zu beachten - er beschimpft nicht die Bundesregierung. Er macht die Bundesregierung auch nicht für das verantwortlich, was im Iran passiert. Solche Debatten halte ich für abwegig. Ich halte es für abwegig, unsere Bundesregierung für das verantwortlich zu machen, was im Iran passiert. Auch wenn Sie, Herr Bundesaußenminister, noch nachdrücklicher reden würden - daß Sie nachdrücklich reden, bestreite ich nicht -, würde sich der Iran nicht gleich ändern. Ich glaube aber, bezüglich der Prinzipien der Iranpolitik, die ich genannt habe, müßte Einvernehmen herrschen.
({8})
Deshalb frage ich Sie, ob Sie unserem Antrag nicht zustimmen können. Alles das, was ich gesagt habe, müßte eigentlich Ausdruck einer rechtsstaatlichen Gemeinsamkeit in einem aufgeklärten Staat sein.
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Helmut Lippelt, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erster Punkt: Wir sind in den vergangenen Wochen Zeugen schlimmer Vorgänge gewesen. Ein unabhängiges Gericht ist in einer Weise beschimpft worden, daß sich die Staatsanwälte fast einer Fatwa ausgesetzt sahen. Der Bundeskanzler hat einen klugen Brief geschrieben, und der iranische Staatspräsident hat daraus in seiner Freitagspredigt gefolgert, der deutsche Bundeskanzler habe um Nachsicht gebeten. Das Gericht sei trotzdem beeinflußt und stehe dann eben unter dem Einfluß der Amerikaner und Israelis.
Ich glaube, wir haben als Bundestag die Pflicht, uns sehr entschieden für die Unabhängigkeit der dritten Gewalt auszusprechen. Das müssen wir unabhängig davon machen, welche Briefe auf politischer Ebene geschrieben werden.
Zweiter Punkt: Es gibt nicht nur den Mykonos-Prozeß. Es hat eine Reihe von bis heute unaufgeklärten Morden an Exiliranern gegeben, nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo. Wir haben in dem Antrag unsere Worte sehr wohl abgewogen. Wir
alle wissen, daß die Aufregung im Iran so groß ist, weil der Staatsterrorismus auf der Anklagebank sitzt.
Dritter Punkt. Wir haben bis heute keine Aufklärung über das Verschwinden des iranischen Schriftstellers Faradj Sarkui, der auf dem Weg hierher war. Wir müssen auch in diesem Fall noch einmal mit allem Nachdruck die Regierung dazu auffordern, sich entschiedener für die Aufklärung einzusetzen. Ebenso müssen wir immer wieder den traurigen Umstand anprangern, daß es immer noch Morde an den Baha'i und - darauf hat der Kollege Zöpel bereits hingewiesen - schlimme Vorgänge im Verhalten zu Frauen gibt.
Letzter Gesichtspunkt: Wir alle wissen, daß wir, wenn ein Urteil gesprochen sein wird, möglicherweise vor sehr ernsthaften Überprüfungen der deutsch-iranischen Beziehungen stehen. In dem Antrag wird nicht die Isolierung Irans durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen gefordert. Das ist ganz klar.
Aber, Herr Außenminister, ich habe von Ihnen gelesen, es müßte erst ein rechtskräftiges Urteil ergehen. Das dauert zu lange. Ich glaube, die politischen Beurteilungen müssen früher ansetzen. Sie müssen vor allem an einem Punkt eher ansetzen: bei der Zusammenarbeit der Geheimdienste. Das ist eine Frage der politischen Beurteilung, und deshalb haben wir diesen Punkt in unserem Antrag sehr, sehr deutlich gemacht.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Irmer, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle zu meiner Befriedigung fest, daß in diesem Hause über einige Punkte allseits Einigkeit besteht. Das ist erstens der Punkt, daß wir Wert darauf legen müssen, auch anderen Ländern klarzumachen: Unsere Justiz ist unabhängig und weder durch Weisungen der Bundesregierung noch durch irgendwie gearteten Druck von außen zu beeindrucken, sondern strikt an Recht und Gesetz orientiert. Das muß so bleiben, darüber sind wir uns alle einig.
({0})
Zweite Feststellung: Die Bundesregierung geht auch in ihrer Politik gegenüber dem Iran keinen Sonderweg, sondern ihre Politik ist in die Politik der Kollegen und Partner in der Europäischen Union eingebettet in enger Abstimmung mit den Verbündeten. Seit 1992 ist die Politik, die jetzt verfolgt wird, im Rat der Europäischen Union festgelegt. Heute findet eine erneute Besprechung zwischen den Europäern und dem Iran statt.
Der Begriff „kritischer Dialog" ist mißverstanden worden. Er hat nie etwas anderes bedeutet als den Versuch - so ist es auch in den Texten definiert -, auf
den Iran aktiv einzuwirken, damit er sich an die internationalen Standards hält. Hier sind insbesondere zu nennen: die Unterstützung des Nahost-Friedensprozesses - wir erwarten vom Iran, daß er ihn aktiv betreibt, daß er nicht, wie in der Vergangenheit, diesen Prozeß zu stören versucht -, die Abkehr von der Produktion von Massenvernichtungswaffen, insbesondere von ABC-Waffen, die Absage an Terror, und zwar im eigenen Lande ebenso wie auf internationaler Ebene, und die Wahrung der Menschenrechte, auch der eigenen Staatsbürger.
Dies alles - das entnehme ich den Äußerungen - ist in diesem Hause einvernehmlich.
({1})
Hinsichtlich der beiden Anträge geht es darum, daß wir bei unseren Anliegen, die wir formulieren wollen, nicht den Fehler machen, daß wir Dinge unterstellen, und zwar insbesondere der Bundesregierung, die nicht richtig sind. Herr Kollege Zöpel, es wäre mir eine Freude, Ihnen jetzt hier signalisieren zu können, daß wir bereit wären, Ihrem Antrag zuzustimmen.
({2}) Das geht aber aus zwei präzisen Gründen nicht.
Ich will Ihnen das an Hand Ihres eigenen Textes darlegen. Sie schreiben in Ziffer 3:
Das derzeitige Verhalten der Regierung des Iran erlaubt es aber nicht, Kontakte und Formen der Zusammenarbeit zu unterhalten, die über normale diplomatische Beziehungen hinausgehen.
Hierbei unterstellen Sie, meine Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, daß die Bundesregierung dies täte. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Beziehungen zum Iran bewegen sich auf einem Niveau, das genau an der Grenze dessen liegt, was ganz normale diplomatische Beziehungen sind. Insofern enthält der zitierte Text eine Unterstellung.
Zweitens schreiben Sie in Ziffer 4 b Ihres Antrages, daß Rüstungsexporte eingestellt werden müssen. Operieren Sie doch hier nicht mit der Unterstellung, es gebe Rüstungsexporte! Die Bundesrepublik Deutschland hat in ihrer Gesetzgebung und in der Praxis ihrer Behörden alle Rüstungsexporte in den Iran geächtet und gebannt.
({3})
Sie finden nicht statt. Es ist eine bösartige Unterstellung, wenn hier so getan wird, als sei dies der Fall.
Herr Kollege Irmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zöpel?
Ich dachte, das sei in dieser Runde nicht möglich, und ich glaube, wir sollten uns auf die fünf Minuten beschränken.
({0})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Der Iran entfaltet zur Zeit eine lebhafte diplomatische Offensive. Es werden Versprechungen und Vorschläge auf den Tisch gelegt. Wir sollten den Iran beim Wort nehmen. Wenn er Versprechungen oder Angebote macht, Überprüfungen vorzunehmen, dann nehmen wir ihn beim Wort. In den Beziehungen zum Iran gelten nicht Worte, sondern auch hier heißt es: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.
Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einig sind wir uns ganz sicherlich in der Zurückweisung der Versuche des iranischen Regimes, in welcher Form auch immer Einfluß auf die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Einig sind wir uns, glaube ich, weiterhin in der Frage, daß niemand in diesem Hause fordert, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abzubrechen. Man braucht auch diplomatische Kontakte, um Einfluß nehmen zu können.
Aber dann beginnen die großen Unterschiede. Von CDU/CSU und F.D.P. ist hier geäußert worden, daß die Beziehungen der Bundesregierung zu der iranischen Regierung weder besonders intensiv gewesen wären noch seien. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Bundesaußenminister: Als die Mehrheit dieses Hauses gefordert hat, den iranischen Außenminister auszuladen, haben Sie lieber die ganze Konferenz abgesagt, als zu diesem Schritt bereit zu sein, obwohl das damals ein wichtiger diplomatischer Akt gewesen wäre,
({0})
übrigens auch deshalb, damit die iranischen Behörden nicht glauben, sie könnten hier schalten und walten, wie sie wollen. Sie hatten nämlich den Eindruck, der Protest in Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern immer besonders niedrig, und das hat sie zum Teil ermutigt.
Wir kommen auch um die Tatsache nicht herum, daß es in den Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran keineswegs nur um Fragen der diplomatischen Beziehungen geht. Es geht auch um sehr viel Geld. Es geht um sehr viel wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das ist es, was die Bundesregierung anscheinend lähmt.
({1})
Da kommt dann das instrumentelle Verhältnis zu den Menschenrechten zum Ausdruck. Bei Ländern, bei denen es keine wirtschaftlichen Interessen gibt, werden die Menschenrechte besonders großgeschrieben. Bei Ländern, bei denen die wirtschaftlichen Interessen besonders groß sind, werden sie immer hintangestellt. Dieses Verhältnis der Bundesregierung zu den Menschenrechten muß endlich überwunden werden.
({2})
Im übrigen ist es doch so: Im Iran wird versucht, in Fragen der Religion, in Fragen der Behandlung von Frauen und in anderen Fragen mittelalterliche Strukturen durchzusetzen; nur geschieht dies mit äußerst modernen technischen und anderen Ausrüstungen und mit einem - im negativen Sinn gemeint - modern organisierten Geheimdienst. Das macht die Sache besonders gefährlich und brutal. Es geht nicht nur um Massenvernichtungswaffen, sondern auch um die Art und Weise, wie der Iran international wirkt und verfolgt. Ich habe erlebt, daß Mitglieder der Tudeh-Partei noch 1990 in der DDR versteckt werden mußten. Die Sicherheit war auf Grund der Art und Weise, wie der iranische Geheimdienst in solchen Fällen vorgeht, kaum zu gewährleisten.
Ich will sagen, weshalb wir dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen können. Sehen Sie, der letzte Punkt ist mir wirklich viel zu schwach. Sie schreiben:
Für weitere Beziehungen zum Geheimdienst des Iran ist die Aufklärung des Verdachts seiner Verwicklung in die Ermordung von Exil-Iranern Voraussetzung.
Können Sie mir einmal erklären, wieso ein demokratischer Rechtsstaat überhaupt Beziehungen zum Geheimdienst eines solchen mittelalterlichen Regimes aufrechterhalten muß und wieso wir das erst noch aufklären müssen?
({3})
Es wird höchste Zeit, die Beziehungen zum iranischen Geheimdienst abzubrechen. Er hat noch nichts Positives in dieser Welt geleistet, sondern nur Negatives.
Das gilt übrigens auch und gerade für den Friedensprozeß im Nahen Osten. Dieser Geheimdienst hat immer daran gearbeitet, diesen Friedensprozeß zu verhindern, Israel zu diskreditieren und alle Schritte, die den Friedensprozeß erleichtert hätten, zu erschweren. Das wird mir hier einfach nicht deutlich genug. Deshalb kann man dem so nicht zustimmen.
Ich sage deshalb noch einmal: Das Verhalten der iranischen Regierung und überhaupt des iranischen Regimes ist stark zu kritisieren. Wenn der Präsident und andere im Iran erklären, daß vielleicht gar nicht Deutschland schuld ist, sondern Israel und die USA schuld sind an einem aus ihrer Sicht falschen Plädoyer der Staatsanwaltschaft im Mykonos-Prozeß, frage ich: Wieso begrüßen Sie denn in Ihrem Entschließungsantrag das Verhalten des Iran? Diese Aussage des Iran ist doch eine genauso große Unverschämtheit. Israel und auch die USA haben überhaupt nichts damit zu tun.
({4})
Diese Regierung könnte man erst dann begrüßen, wenn sie sich zu ihrer eigenen Verantwortung beDr. Gregor Gysi
kennt. Davon ist sie meilenweit entfernt. Deshalb können wir Ihrem Antrag in gar keinem Falle zustimmen.
({5})
Ich schließe die Aussprache. Ich weise darauf hin, weil es darüber Diskussionen gegeben hat: Ich habe in dieser Runde beantragte Kurzinterventionen nicht zugelassen, weil sie dem Charakter einer vereinbarten Fünf-Minuten-Runde widersprechen.
Deshalb kommen wir jetzt zu den Abstimmungen. Dazu ganz allgemein: Ich werde zunächst über alle Einzelanträge abstimmen lassen und die namentliche Abstimmung ganz ans Ende setzen. Entgegen den Ankündigungen zu Beginn dieser Debatte gibt es nicht zwei namentliche Abstimmungen, sondern nur eine, weil das Verlangen auf namentliche Abstimmung zu einem Entschließungsantrag zurückgezogen ist.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/6351. Der Kollege Christoph Zöpel hat gebeten, dazu eine Erklärung zur Abstimmung abgeben zu dürfen. Da Sie, Herr Kollege Zöpel, in dieser Debatte gesprochen haben und wir für diesen Fall im Ältestenrat vereinbart haben, daß dann eine Erklärung zur Abstimmung nicht zulässig ist, kann ich Ihnen nur das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 der Geschäftsordnung geben. Vergegenwärtigen Sie sich den Unterschied und achten Sie bitte darauf, wenn ich Ihnen jetzt das Wort gebe!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Kollege Zöpel, ich darf Ihnen, damit es keine Mißverständnisse gibt, sagen: In einer Erklärung zur Aussprache können Sie nur Stellung nehmen zu Äußerungen, die sich in der Aussprache auf die eigene Person bezogen haben. Sie können diese zurückweisen oder richtigstellen. Ist das klar?
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Dieser Tatbestand der Geschäftsordnung wird zu Recht angewandt.
Ich nehme bezug auf das, was Herr Kollege Irmer zu meinem Vorschlag, die Regierungsfraktionen könnten unserem Antrag zustimmen, geäußert hat.
({0})
Ich stelle folgendes fest: Der Antrag unterstellt nicht, Herr Außenminister - ({1})
- Der Antrag unterstellt - ({2})
Es wäre noch klüger, wenn Sie sagen würden: Wenn mir unterstellt worden ist, daß - Dr. Christoph Zöpel ({0}): Aha!
({1})
Ich darf mich bei Ihnen sehr herzlich bedanken.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Herr Kollege Irmer hat mir - und damit den anderen Antragstellern - unterstellt, die Ziffer 3 unseres Antrages, in der von „normalen diplomatischen Beziehungen" die Rede ist, unterstelle der Bundesregierung, sie unterhalte weiterreichende Beziehungen zum Iran. Ich stelle hiermit fest: Ich unterstelle das nicht.
({3})
Das heißt: Sie können diesem Antrag problemlos zustimmen, wenn Sie nicht selbst glauben, daß die Bundesregierung Beziehungen zum Iran unterhält, die die Normalität überschreiten.
Zweitens. Herr Irmer hat mir - und damit den anderen Antragstellern - unterstellt, wir unterstellten der Bundesregierung, sie wolle Rüstungsexporte in dieses Land. Wir unterstellen das nicht. Sie können unserem Antrag problemlos zustimmen, weil wir das nicht unterstellen. Ihre Unterstellungen mir gegenüber, auf Grund derer die Regierungsfraktionen nicht zustimmen können, sind hinfällig.
Ich füge im übrigen hinzu - ich wurde angesprochen -: Wie viele andere auch werde ich mich bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten.
({4})
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 6351. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/6354. Wer stimmt zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
Die Grünen und der PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 13/6345 ({0}); dieser Antrag ist vorhin verteilt worden. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/6353. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6314. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/6348. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/6339. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/6341. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt.
Wir kommen damit zur Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997. Das sind die Drucksachen 13/5200, 13/5836, 13/6001 bis 13/6025, 13/ 6026, 13/6027 und 13/6350.
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt eine namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Ich frage noch einmal, ob irgend jemand anwesend ist, der seine Stimme nicht abgegeben hat. - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen jetzt die Beratungen fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des Erblastentilgungsfonds-Gesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost
- Drucksache 13/6088 - ({1})
Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({2})
- Drucksache 13/6336 Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller
Oswald Metzger Dankward Buwitt Dr. Wolfgang Weng ({3})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich würde jetzt gern die Aussprache eröffnen; man beachte den Konjunktiv. Ich kann das aber erst tun, wenn einigermaßen geregelte Verhältnisse hier im Plenum hergestellt sind. Ich bitte also alle diejenigen, die den Mittelgang und die übrigen Gänge besetzt halten, sich entweder zu setzen oder das Plenum zu verlassen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Irmgard Karwatzki.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits vor gut zwei Wochen haben wir über das Thema Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen und den Entwurf des Altschuldenregelungsgesetzes hier im Bundestag diskutiert. Um eine einvernehmliche Lösung mit den Ländern zu erreichen, hat der Bund in den vergangenen Tagen nochmals eine Reihe von Zugeständnissen gemacht, die in dem heute zu beschließenden Entwurf berücksichtigt sind.
Ich habe die Erwartung und Überzeugung, daß die Länder im Bundesrat dem Entwurf, wie er jetzt vorliegt, zustimmen können und werden; denn, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, „Altschulden und kein Ende" könnte formuliert werden. Ich bin der
*) Seite 12983 D
Meinung, wir sollten den Knoten endlich durchschlagen.
Nach den Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden am 2. Oktober haben in der anschließenden Pressekonferenz alle Teilnehmer, insbesondere die Ländervertreter, von einem Durchbruch gesprochen. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, daß die dann noch erforderlichen Abstimmungen so langwierig und mühsam sein würden. Ich habe Verständnis für die schwierige Lage der Länder. Angesichts der sehr unterschiedlichen Interessenlagen zwischen den einzelnen Ländern und der unterschiedlichen Zusammensetzungen der Länderparlamente werden die verschiedenen Aspekte der Altschuldenproblematik unterschiedlich gewichtet. Es ist verständlich, wenn die Suche nach einem fairen, ausgewogenen und für alle Beteiligten vertretbaren Kompromiß durch diese Konstellation nicht gerade leichter wird. Nachdrücklich möchte ich aber den Vorwurf zurückweisen, der Bund zwinge den Ländern etwas auf. Wer von einer Zwangsverpflichtung der Länder durch den Bund spricht, macht es sich angesichts der komplizierten Interessenlage zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu einfach.
Wichtiges Ziel einer gesetzlichen Regelung der Altschuldenfrage ist es, langwierige Rechtsstreitigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften zu vermeiden.
In der Diskussion um die Altschuldenfrage wurde bis zuletzt gefordert, die Schulden einfach zu streichen. Leider kann kein Zweifel bestehen, daß es sich um echte Kredite und nicht nur um fiktive Buchungsposten handelt, die durch einen Federstrich gelöscht werden könnten. Wenn es so einfach wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen, müßten wir uns keine Gedanken über die Finanzierung der jährlich anfallenden Zinsen und Tilgungsleistungen machen.
Es liegt heute auch ein Antrag zur Abstimmung vor, die Altschulden in den Erblastentilgungsfonds zu übertragen und ihre Bedienung ausschließlich dem Bund anzulasten. Dieser Antrag ist nicht zielführend, da damit alte Maximalforderungen wiederholt und die inzwischen erreichten Verhandlungsergebnisse völlig ignoriert werden.
({0})
Natürlich mag man es bedauern, wenn zur Lösung des Altschuldenproblems Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost eingesetzt werden. Der Aufbau einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur in den neuen Ländern ist eine wichtige Voraussetzung für einen selbsttragenden Wachstumsprozeß in den neuen Ländern. Die Verwendung der Mittel für diesen Zweck entspricht jedoch dem ausdrücklichen Vorschlag der Ländermehrheit. Von zwei Ländern wird der Einsatz von Mitteln aus dem Investitionsförderungsgesetz nicht mitgetragen. Im Rahmen des finanzverfassungsrechtlich Zulässigen bietet die jetzige Gesetzesformulierung diesen Ländern aber die Wahlmöglichkeit, ihren Beitrag zur Annuität unmittelbar an den Bund zu leisten.
Ich vermag auch die Bedenken nicht zu teilen, die gegen den Einsatz des Parteivermögens in diesem Zusammenhang vorgebracht werden. Nach meiner Kenntnis ist dies der Wunsch aller neuen Länder. Dem wollte sich der Bund nicht verschließen.
Es war ein langer Weg von den ersten Gesprächen mit Länder- und Gemeindevertretern über die Altschuldenfrage bis zu der heutigen abschließenden Beratung einer gesetzlichen Lösung hier im Bundestag. Ich bin davon überzeugt, daß wir eine faire, aber auch sachgerechte Regelung gefunden haben.
Die Gesamtlast der Altschulden, zu der nach Auffassung aller Beteiligten auch die Zinseszinsen und die Refinanzierungskosten gehören, wird im Erblastentilgungsfonds innerhalb einer Generation getilgt. Mit der Übernahme der Hälfte der jährlichen Zins- und Tilgungsaufwendungen leistet der Bund seinen Beitrag zu einer fairen Lastenteilung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend an alle Länder appellieren, auch ihrerseits Solidarität untereinander zu üben. Wenn das Altschuldenregelungsgesetz endgültig in Kraft getreten ist, kann man sicher davon sprechen, daß damit ein besonders schwieriges Kapitel im Zusammenhang mit der deutschen Einheit abgeschlossen und einer guten Lösung zugeführt ist.
({1})
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 ({0}) bekanntgeben. Die entsprechenden Drucksachen habe ich vorhin vorgelesen; ich muß das nicht wiederholen. Abgegebene Stimmen: 649. Mit Ja haben gestimmt: 336. Mit Nein haben gestimmt: 313. Enthaltungen: keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
({1})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 649; davon:
ja: 336
nein: 313
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen ({2}) Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun ({3})
Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler ({4}) Hartmut Büttner
({5})
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Dankward Buwitt
Manfred Carstens ({6}) Peter Harry Carstensen
({7}) Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Jochen Feilcke Dr. Karl H. Fell Ulf Fink
Dirk Fischer ({8}) Leni Fischer ({9})
Klaus Francke ({10}) Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther ({11}) Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
({12})
Gerda Hasselfeldt
Otto Hauser ({13}) Hansgeorg Hauser
({14}) Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung ({15}) Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Hans-Ulrich Köhler ({16})
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause ({17}) Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
({18})
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet
Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing
Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach
Walter Link ({19}) Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold ({20})
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({21})
Julius Louven
Sigrun Löwisch
Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({22}) Dr. Dietrich Mahlo
Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
({23}) Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer ({24}) Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller ({25}) Engelbert Nelle
Bernd Neumann ({26}) Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({27}) Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek
Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard ({28}) Klaus Dieter Reichardt
({29})
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl ({30}) Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer
Hannelore Rönsch
({31}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth ({32}) Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer ({33}) Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee
Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({34}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({35})
Andreas Schmidt ({36}) Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
({37})
Michael von Schmude Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte
({38}) Gerhard Schulz ({39}) Frederick Schulze Diethard Schütze ({40}) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer
Marion Seib
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt ({41})
Dr. Horst Waffenschmidt
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm ({42}) Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer ({43}) Matthias Wissmann Dr. Fritz Wittmann Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun ({44})
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher
Dr. Wolfgang Gerhardt Joachim Günther ({45})
Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Detlef Kleinert ({46}) Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer ({47}) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Weng ({48})
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Arne Börnsen ({49}) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({50}) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer ({51}) Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag
Anke Fuchs ({52}) Katrin Fuchs ({53}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Günter Graf ({54}) Angelika Graf ({55}) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl Hermann Haack
({56})
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Dr. Liesel Hartenstein
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({57}) Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({58}) Frank Hofmann ({59}) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Hovermann Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte
Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Jann-Peter Janssen Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({60}) Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte Lange Detlev von Larcher Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann ({61}) Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({62})
Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({63}) Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({64}) Jutta Müller ({65}) Christian Müller ({66}) Volker Neumann ({67}) Gerhard Neumann ({68}) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer ({69})
Ulla Schmidt ({70}) Dagmar Schmidt ({71}) Wilhelm Schmidt ({72}) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({73})
Dr. Emil Schnell Walter Schöler Ottmar Schreiner Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
({74})
Brigitte Schulte ({75}) Reinhard Schultz
({76}) Volkmar Schultz ({77})
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({78}) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Dietmar Thieser Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Siegfried Vergin
Günter Verheugen Ute Vogt ({79})
Karsten D. Voigt ({80}) Josef Vosen
Hans Georg Wagner Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({81}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen ({82}) Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg Hanna Wolf ({83}) Heidi Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({84}) Elisabeth Altmann
({85}) Marieluise Beck ({86}) Volker Beck ({87}) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Andrea Fischer ({88}) Joseph Fischer ({89}) Rita Grießhaber
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Helmut Lippelt
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Oswald Metzger
Kerstin Müller ({90}) Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Egbert Nitsch ({91}) Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz
Halo Saibold
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({92}) Wolfgang Schmitt ({93})
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz ({94}) Marina Steindor
Christian Sterzing
Manfred Such
Dr. Antje Vollmer
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm ({95}) Margareta Wolf ({96})
PDS
Wolfgang Bierstedt
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs
Hanns-Peter Hartmann Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Rolf Köhne
Rolf Kutzmutz
Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller ({97}) Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Klaus-Jürgen Warnick Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Das Wort hat jetzt der Kollege Manfred Hampel, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Zuversicht von Frau Staatssekretärin Karwatzki leider nicht teilen,
({0})
daß das heutige in zweiter und dritter Lesung zu beratende Gesetz zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen und die infolge dieses Gesetzes zu treffenden Änderungen im Gesetz über den Erblastentilgungsfonds und im Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost Bestand haben werden.
Ich kann mir das aus zwei Gründen nicht vorstellen. Erstens kennen Sie den Standpunkt von Berlin. Wie immer man ihn bewertet: Berlin hat angedroht, daß es Verfassungsbeschwerde einlegen wird. Ich befürchte, mit dieser Verfassungsbeschwerde wird Berlin recht bekommen. Dann ist das Gesetz nicht mehr gültig und muß neu geregelt werden. Es wäre besser und günstiger gewesen, Sie hätten mit allen Ländern eine einvernehmliche Regelung treffen können, damit dieses Gesetz Bestand hat und damit dieses Problem endlich vom Tisch kommt.
Zweitens. Wir können uns aber auch mit der Art und Weise, in der die Dinge gelöst und geregelt worden sind, nicht einverstanden erklären. Wir werden diese Gesetzentwürfe deshalb ablehnen.
Ich will das für unsere Fraktion kurz begründen. Erstens hat die Bundesregierung durch Untätigkeit die ehemals zu Buche stehenden 4,9 Milliarden DM auf 8,4 Milliarden DM anwachsen lassen. Es hätte schon sehr viel früher eine Lösung dieses Problems erfolgen müssen; dann wäre es um einen wesentlich niedrigeren Betrag gegangen.
({1})
Zweitens sind in einer Hochzinsphase Zinsen von 9,5 und 10 Prozent genommen worden.
({2})
Keine Kommune hätte in dieser Hochzinsphase einen Kredit zu diesen Konditionen aufgenommen. Wenn man sich über Regelungen unterhält, sollte man auch sagen: Die Zinsen, die der Bund verschuldet hat, müssen erst mal außen vor bleiben. Über den Rest muß man sich dann noch unterhalten.
({3})
Mit der hälftigen Übernahme tragen Sie gerade mal etwas mehr, als Sie durch eigenes Verschulden verursacht haben. 3,5 Milliarden DM haben Sie verursacht, verschuldet.
Weiterhin können wir uns nicht einverstanden erklären, daß zur Tilgung der Schulden im Erblastentilgungsfonds das Parteienvermögen mit herangezogen wird. Im Einigungsvertrag ist ausdrücklich festgehalten, daß dieses Parteienvermögen gemeinnützigen und wirtschaftsfördernden Zwecken dienen soll. Ich weiß nicht, inwieweit eine solche Tilgungsleistung gemeinnützig und wirtschaftsfördernd ist.
({4})
- Nun wir hatten entsprechende Vorschläge gemacht. Wir hatten gesagt: Das, was der Bund verursacht hat, muß erst mal rausgerechnet werden. Über das andere muß man sich verständigen. Dann wären andere Beträge zu Buche gestanden, die sicher leichter hätten bedient werden können.
Wir können uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß die Mittel des Investitionsförderungsgesetzes für die Regelung der Altschuldenfrage benutzt werden.
Herr Kollege Hampel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krziskewitz?
Ja.
Bitte.
Herr Kollege, können Sie bestätigen oder negieren, daß die Mittelverwendung aus dem Parteienvermögen einem Kabinettsbeschluß der sachsen-anhaltinischen Landesregierung unter Ministerpräsident Höppner zugrunde liegt?
Herr Krziskewitz, wir sind das Verfassungsorgan Bundestag. Die Länder haben
das Verfassungsorgan Bundesrat. Wir sind nicht gegenseitig Erfüllungsgehilfe.
({0})
Wenn eine Lösung gefunden wurde, dann ist die mehr oder weniger - die Länder sind doch nicht freiwillig dazu bereit gewesen, das Parteienvermögen und IFG-Mittel zu verwenden -, auf Druck des Bundes zustande gekommen. Damit müssen wir doch nicht einverstanden sein.
({1})
- Doch, das ist die Antwort auf Ihre Frage gewesen.
Zum anderen ist uns am Mittwoch, als wir über den Gesetzentwurf im federführenden Haushaltsausschuß beraten haben, noch eine Änderungsvorlage vorgelegt worden, die von Mittwoch vormittag stammte. Auf unsere Frage, inwieweit diese Vorlage mit den Ländern abgestimmt sei, konnte Herr Dr. Overhaus nicht präzise antworten. Er hat gesagt, er gehe davon aus. Diese Vorlage sieht ab dem Jahre 2004 vor, daß dann, wenn es bis dahin zu keiner Einigung zwischen Bund und Ländern kommt, eine automatische Anschlußregelung in der Form erfolgt, daß die Beträge, die zur Tilgung notwendig sind, einfach von der Einfuhrumsatzsteuer, die den Ländern zusteht, abgezogen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Länder mit einer solchen Lösung einverstanden sind, denn damit wird ein Automatismus geschaffen, der nicht akzeptabel ist.
Meine Damen und Herren, aus den genannten Gründen lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab. Ich hoffe, daß vielleicht im Vermittlungsausschuß - sollte es so weit kommen - noch eine bessere Lösung gefunden wird. Bringen Sie das Einverständnis aller Länder, einschließlich Berlins, zustande; sonst ist das, was Sie heute verabschieden, verlorene Liebesmüh!
Schönen Dank.
({2})
Der Kollege Werner Schulz, der jetzt sprechen sollte, gibt seine Rede zu Protokoll. *) Ich gehe davon aus, daß das Haus damit einverstanden ist. - Nun hat der Kollege Jürgen Türk das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun sind die neuen Bundesländer endlich ihrer Verantwortung für die Kommunen gerecht geworden und haben sich mit dem Bund auf ein einvernehmliches Verfahren zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen verständigt. - Diese Einleitung hätte ich mir eigentlich gewünscht. Leider aber führen zwei Bundesländer trotz des gefundenen Kompromisses
*) Anlage 2
weiterhin Drohgebärden auf. Diese Situation beweist, wie notwendig der vorliegende Gesetzentwurf war.
Meine Bewertung des Prozedere der Lösungsfindung ist durchwachsen. Positiv bewerte ich, daß wir auf der Grundlage des jetzigen Gesetzentwurfes überhaupt zu einer Lösung kommen.
Ich habe in meiner Rede zur ersten Lesung des Gesetzentwurfes am 14. November 1996 die sechs neuen Bundesländer zu mehr Solidarität aufgefordert. Ich glaube, daß das berechtigt war, denn erst protestierten die Länder lauthals gegen die Ungerechtigkeiten, die den Kommunen durch die kommunalen Altschulden entstehen, aber als es zur Einigung kam, stritten sich plötzlich die neuen Bundesländer untereinander. Die Sorgen der Kommunen interessierten anscheinend überhaupt nicht mehr. Die Bundesregierung legte deshalb einen Gesetzentwurf vor, um das Trauerspiel auf dem Rücken der Kommunen endlich zu beenden. Nach weiteren Verhandlungen haben wir nun - mit kleinen Änderungen - die Beschlußfassung zur Lösung der Altschulden für die gesellschaftlichen Einrichtungen auf dem Tisch.
Schäbig ist das Verhalten von Sachsen und Berlin - das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen -,
({0})
die sich anscheinend weiterhin gegen eine für alle Seiten vernünftige Lösung sperren und deshalb sogar eine Verfassungsklage in Karlsruhe anstreben. Die so lebensnotwendige Entlastung der Kommunen, um die es bei diesem Entwurf geht, wird damit von Berlin und Sachsen weiterhin in Frage gestellt.
Herr Kollege Türk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kolbe?
Bitte.
Herr Kollege Türk, wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß der Freistaat Sachsen keine Verfassungsklage anstrebt? Sind Sie auch bereit, das Wort „schäbig" zurückzunehmen?
Ich nehme das erste gern zur Kenntnis, aber das Wort „schäbig" nehme ich nicht zurück.
Wie sieht eigentlich die neue Lösung aus? Bund und Länder haben sich darauf verständigt, daß die Bundesregierung die Gesamtschuld in Höhe von 8,4 Milliarden DM in den Erblastentilgungfonds übernimmt und sich beide Seiten die jährliche Zahlung von Tilgung und Zinsen in Höhe von 630 Millionen DM teilen. Zur Finanzierung der 315 Millionen DM der sechs Länder sollen wunschgemäß ab 1998 105 Millionen DM aus dem Vermögen der DDR-Altparteien eingesetzt werden, wie das Herr Höppner wollte. Der Rest soll zu gleichen Teilen auf die Länder aufgeteilt werden.
Dagegen wehren sich, wie schon gesagt, Berlin als besonderes Fördergebiet der Bundesrepublik und eben auch der Freistaat Sachsen. Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden zur Bedienung der Altschulden auf jährliche Leistungen des Bundes von 34 Millionen DM zur Investitionsförderung verzichten. Auch das wollen Berlin und Sachsen nicht. Darum haben wir in unserem Entwurf festgelegt, daß nun beide Länder ihren Anteil aus dem Haushalt aufbringen müssen.
Für eine Abschlußregelung ab 2005 soll eine neue Vereinbarung über die Restzahlung auf der Basis der dann gültigen Zahlen der Altlasten getroffen werden. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, soll der Bund auf die Länderanteile an der Einfuhrumsatzsteuer zurückgreifen können. Das ist keine Knebelung der Länder, wie das die SPD-Fraktion sagt, sondern ganz einfach ein vernünftiger Kompromiß. Das sehen auch die neuen Bundesländer so, bis eben auf Berlin und Sachsen, die aus ihrer willkürlichen Begünstigung in DDR-Zeiten jetzt Kapital schlagen wollen.
({0}) - Das ist schäbig.
Zirka 400 Milliarden DM sind vom Bund bis 1990 zwecks Unterstützung nach Westberlin geflossen, und Ostberlin bekam von Honecker als Geschenk zur 750-Jahr-Feier die kommunalen Altschulden erlassen. Das war also ein reiner Gnaden- und Willkürakt. Zum großen Teil wurden auch die sächsischen Städte Chemnitz und Dresden entschuldet. Jetzt aus der Finanznot eine Untugend zu machen ist nicht nur unsolidarisch, sondern eben schäbig.
Die F.D.P.-Fraktion wird der nun gefundenen Regelung zur Frage der kommunalen Altschulden zustimmen, weil ein weiteres Abwarten nicht nur teuer, sondern auch verantwortungslos ist. Wir haben für dieses Spielchen auf Kosten der Kommunen kein Verständnis mehr.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Das Wort hat der Kollege Dr. Uwe-Jens Rössel, PDS.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie, verehrte Koalitionäre, eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, daß der CDU/SPD-Senat von Berlin mit seiner Position recht haben könnte, wonach der vorliegende Gesetzentwurf zur leidigen Altschuldenfrage verfassungswidrig ist, ein Gesetzentwurf, den pikanterweise auch noch Herr Buwitt, ein Berliner CDU-Abgeordneter aus Neukölln, vor dem federführenden Haushaltsausschuß begründen mußte?
Es ist doch so, daß das Land Berlin diesen Gesetzentwurf ablehnt, weil entsprechend den verfassungsrechtlichen Grundsätzen für eine freiwillige - ich betone, eine freiwillige - Übernahme von Zins- und Tilgungsverpflichtungen ein einstimmiger Beschluß der
betroffenen Länder notwendig gewesen wäre. Diesen Beschluß aber gibt es nicht.
Meinen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wirklich, daß Sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der dauerhaften Lösung der Altschuldenfrage nähergekommen sind? Das Gegenteil wird wohl der Fall sein. Die Unruhe wird bleiben, und die Leidtragenden werden die ostdeutschen Gemeinden, werden die Menschen im Osten überhaupt sein. Das lehnen wir ab.
({0})
Unverständlich bleibt für die PDS auch die Position der Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt, die dem Gesetzentwurf in weiten Teilen zustimmen. Ihnen ist mit Blick auf ihre Gemeinden offensichtlich wieder einmal das Hemd näher als der Rock.
Die PDS lehnt jedenfalls diesen Gesetzentwurf der Koalition als Mogelpackung mit möglichem verfassungswidrigen Inhalt ab. Sie hat deshalb auch einen eigenen Änderungsvorschlag eingebracht, der vom Gesetzentwurf der Koalition genau einen Punkt übrigläßt, und zwar die Einstellung der sogenannten kommunalen Altschulden in den Erblastentilgungsfonds des Bundes. Diesem Vorschlag, den die PDS vor einem Jahr als erste Gruppe bzw. Fraktion im Bundestag überhaupt unterbreitet hat, stimmen wir natürlich zu.
Alles andere jedoch soll aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden. Das betrifft vor allem die im Grundsatz hälftige Beteiligung der ostdeutschen Länder und Berlins an der Refinanzierung des Erblastentilgungsfonds. Dafür gibt es keinen sachlichen Grund, und es kommt hinzu, daß sich die ostdeutschen Länder zumindest einen Teil dieser Aufwendungen von ihren Gemeinden wieder zurückholen würden. Dann säßen die Kommunen wieder mit im Altschuldenboot, eine obskure Vorstellung.
Schließlich sollen sogar noch Teile des Vermögens der Altparteien der DDR für die Refinanzierung des Erblastentilgungsfonds verwendet werden. Das ist eine Zweckentfremdung dieser Mittel, die laut Einigungsvertrag für gemeinnützige Zwecke, namentlich für den Aufbau in Ostdeutschland, zu verwenden sind.
({1})
Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, und lehnen Sie damit die Vorstellungen der Regierungskoalition ab. Nur so können die Gemeinden und ihre Bürgerinnen und Bürger dauerhaft von den sogenannten Altschulden befreit werden.
Ich danke schön.
({2})
Das Wort hat der Kollege Arnulf Kriedner, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat:
Eine Lösung ist jetzt in greifbare Nähe gerückt, mit der alle Seiten leben können: Der Bund auf der einen und die ostdeutschen Länder und Kommunen auf der anderen Seite teilen sich jeweils zur Hälfte die Altschulden in Höhe von 8,73 Milliarden DM.
Dieses Zitat stammt von einem Ihrer Kollegen, nämlich vom Kollegen Schwanitz, und zwar vom Dezember 1995. Ich staune wirklich - ich muß das einmal sagen, Herr Kollege Hampel -, und man hat es ja auch Ihrer Miene angesehen, wie schwer es Ihnen angesichts unserer sachlichen Zusammenarbeit gefallen ist, daß Sie dieses Trauerspiel, das zum Teil auch von den Ländern begonnen worden ist, jetzt nicht beenden können.
({0})
Der Bund hat in dieser Sache Stück für Stück nachgegeben, und er hat das nicht getan, weil ihm das leichtgefallen ist. Vielmehr hat er es deshalb getan, weil es im letzten darum geht, Lasten von den Kommunen zu nehmen. Wer dabei die Länder, unsere neuen Bundesländer, außen vor läßt, der ist doch völlig auf dem falschen Dampfer. Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß die für die Kommunen zuständigen Regelungsinstanzen - das sind nun einmal die Länder - hier völlig außen vor gelassen werden. Wir sind uns alle darüber einig, daß sich die kommunalen Altschulden in bezug darauf, wie sie entstanden und wo sie einmal gestrichen worden sind, zufällig ergeben haben.
Deshalb muß ich sagen, Kollege Türk: Ich bedauere mit Ihnen, daß es keine Solidarität unter allen Bundesländern im Osten gibt.
({1})
Ich appelliere auch an das Bundesland Berlin - ich habe riesengroßes Verständnis für die besonderen Schwierigkeiten, die dieses Land auf Grund der Wiedervereinigung hat -, das Verfassungsgericht aus dem Spiel zu lassen und seinen Anteil zu tragen. Auch das gehört zur deutschen Wiedervereinigung.
({2})
Es würde uns allen leichter fallen, über Berliner Fragen in einer anderen Art und Weise zu reden, wenn in dieser Sache die nötige Solidarität gezeigt würde.
Herr Kollege Hampel, Sie haben von einer hälftigen Übernahme gesprochen. Ich habe den Eindruck, man kann es der SPD einfach nicht recht machen. Sie satteln bei jedem einmal erzielten Ergebnis erneut drauf. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, daß der Ministerpräsident Ihres Bundeslandes und der Ministerpräsident von Thüringen mit dem Bundesfinanzminister zusammengesessen und sich auf die heute zur Abstimmung stehende Lösung geeinigt haben. Ich staune, daß Sie das außer acht lassen.
({3})
Ich muß Ihnen sagen: Dies kann nicht der Weg sein, den wir gemeinsam gehen, wenn wir dieses traurige Kapitel endlich abschließen wollen.
Ich fordere Sie nach den vielen Diskussionen, die wir hatten, noch einmal auf - ich habe das im Haushaltsausschuß schon in aller Ruhe und Besonnenheit getan -: Machen Sie endlich damit Schluß! Betreiben Sie nicht auch noch hier eine Blockadepolitik, da es um die neuen Länder geht! Es sind in diesem Land schon genügend Blockaden bei finanziellen Maßnahmen aufgerichtet worden. Ich appelliere an Sie: Geben Sie diese Blockade auf und stimmen Sie dieser sehr vernünftigen und allen Ländern und insbesondere den Kommunen gerecht werdenden Lösung zu!
({4})
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des Erblastentilgungsfonds-Gesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost; das sind die Drucksachen 13/6088 und 13/ 6336.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS auf Drucksache 13/6340 vor. Darüber stimmen wir zuerst ab.
Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei einer Stimmenthaltung aus den Reihen der CDU/CSU und einer aus den Reihen der SPD angenommen.
({0})
- Jeder hat einmal einen Parteitag, und da bitte ich um Nachsicht.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Dezember 1996, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.