Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/13/1996

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Guten Tag. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde - Drucksache 13/6055 Für die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung ist die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger erschienen. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Gernot Erler auf: In welchem Umfang liegen dem Bundesministerium der Verteidigung 1996 fällige Rechnungen vor, die aber erst 1997 bezahlt werden können, und welche Deckungslücken ergeben sich daraus für den Haushalt des Einzelplans 14 für 1997?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Erler, im Zusammenhang mit dem Sparopfer des Verteidigungshaushalts 1996 in Höhe von 1,125 Milliarden DM zeichnet sich ab, daß bis Dezember fällig werdende Rechnungen in einer Größenordnung von 200 bis 300 Millionen DM erst Anfang 1997 bezahlt werden können. Zusammen mit Fälligkeitsverlagerungen im Einvernehmen mit Vertragspartnern könnte sich hierdurch für den Haushalt 1997 eine Vorbelastung von etwa 800 Millionen DM ergeben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wie beabsichtigt das Bundesverteidigungsministerium sein Ziel zu erreichen, den Investitionshaushalt, der im Jahre 1997 auf einen Rekordniedrigstand von etwa 20 Prozent herabsinkt, wieder zu erhöhen, wenn der Umfang der „Überkipper" in das nächste Haushaltsjahr schon derartig groß ist?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, Sie haben das richtig erkannt. Durch die Kürzungen und durch die Sparopfer ist die Situation sehr schwierig für uns. Wir sind zur Zeit in erster Linie darum bemüht, die Struktur, die Ausbildung, die Wehrpflicht und vor allem die Maßnahmen in bezug auf die „Armee der Einheit" nicht zu tangieren.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, welche Finanzierungskosten für den Bundeshaushalt entstehen denn durch die Verlagerung von fällig werdenden Rechnungen aus dem jetzigen in das nächste Haushaltsjahr?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Ich habe Ihnen schon die Summe genannt. Wir sprechen natürlich mit den Firmen. Die Firmen sind damit einverstanden, daß wir erst zu Beginn des Januars 1997 die Rechnungen bezahlen. Sollten sich dadurch irgendwelche Schwierigkeiten für die Firmen ergeben, gibt es natürlich von unserer Seite ein Entgegenkommen und Einzelfallösungen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Ernst Kastning.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wenn der Haushalt 1997 durch diese „Überkipper" derartig vorbelastet wird, wird es wohl zu einer größeren Finanzenge ais bisher absehbar kommen. Können Sie entsprechende Schätzzahlen für die Engpässe nennen, die zusätzlich zu den im Haushalt bereits veranschlagten Kürzungen im Jahr 1997 noch finanziert werden müssen, aber noch nicht veranschlagt sind?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, es handelt sich um eine ganze Liste. Zu den angesprochenen 800 Millionen DM kommen die Zahlungen für den jetzigen IFOR-Einsatz von 0,3 Milliarden DM hinzu, dessen Rechnungen aber erst 1997 eintreffen, plus die geschätzten Kosten durch die absehbare IFOR-Folgemission, unter der Voraussetzung - wie Sie wissen -, daß der Bundestag zustimmt. Man kann diese Kosten - weil wir noch nicht genau wissen, welchen Umfang die Mission haben wird - nur schätzen: zirka 400 Millionen DM. Ferner kommen Personalkosten, die sich durch die Lohnrunde ergeben, von geschätzt 250 Millionen DM hinzu. Sie können die Zahlen aufaddieren und kommen zu einer Gesamtsumme von 1,5 bis 2 Milliarden DM. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie dürfen nur eine Zusatzfrage stellen. - Jetzt Herr Tauss, bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir wollten kollegial verfahren. - Welche Kosten, Frau Staatssekretärin, ergeben sich denn aus der Streckung dieser Zahlungen? Das sind doch erhebliche Mehrkosten, die hier auf den Bundeshaushalt zukommen.

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Da ich die genauen Posten nicht kenne und nicht aufschlüsseln kann, kann ich Ihnen auch nicht die Zusatzkosten nennen. Da müßten wir warten, bis es soweit ist; dann kann ich Ihnen die Liste zur Verfügung stellen.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie die Zinskosten nennen?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Das kann ich Ihnen jetzt natürlich nicht sagen. Das müßten wir Ihnen dann sagen, wenn wir genau wissen, was jeweils wieviel gekostet hat.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie das freundlicherweise schriftlich nachreichen?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Ja.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann kommen wir zur Frage 4 des Abgeordneten Erler: Mit welchen Kosten rechnet das Bundesministerium der Verteidigung für eine inzwischen weitgehend ausgeplante deutsche Beteiligung an der Nachfolgemission von IFOR für das Jahr 1997, und in welchem Titel enthält der Bundeshaushalt für 1997 die erforderlich werdenden Mittel?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter Erler, die Kosten für die Nachfolgemission können noch nicht detailliert ausgeplant werden, da über Umfang und Ausrüstung des deutschen Kontingents noch nicht abschließend entschieden ist. Nach einer vorläufigen Schätzung werden für die IFOR-Folgemission Kosten bis zu 400 Millionen DM zu finanzieren sein. Die erforderlichen Ausgaben werden aus Kapitel 1403 Titel 547 01, also aus dem Titel für „Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen - humanitären und sonstigen - Einsätzen" finanziert. In diesem Titel ist zwar nur ein Betrag von 50 Millionen DM veranschlagt. Ein zu diesem Titel ausgebrachter Haushaltsvermerk erlaubt jedoch eine Ansatzverstärkung aus den erwarteten Erstattungen der Vereinten Nationen bezüglich der früheren internationalen Einsätze der Bundeswehr, UNOSOM II, UNPROFOR und UNSCOM zum Beispiel, bei Kapitel 1403 Titel 276 01 sowie aus Einsparungen bei allen anderen Titeln des Einzelplans 14. Eine Angabe von einzelnen Titeln, bei denen diese Einsparungen durchgeführt werden können, ist heute leider noch nicht möglich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wenn man das addiert, dann haben wir noch 0,3 Milliarden DM aus dem IFOR-Einsatz dieses Jahres, und wahrscheinlich kommen 0,4 Milliarden DM für die IFORFolgemission hinzu.

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Das ist nur geschätzt; das kann man noch nicht genau sagen.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das können mehr oder weniger sein. Dazu kommen noch 200 Millionen DM, die von Herrn Waigel jetzt dem Verteidigungshaushalt aufgedrückt worden sind. Das summiert sich auf fast 1 Milliarde DM, einmal abgesehen von den vorhin schon erwähnten „Überkippern", als Belastung für den nächsten Haushalt und den Einzelplan 14. Die Finanzierungsquellen, die Sie jetzt genannt haben, erreichen nach meiner Übersicht bei weitem nicht diese Größenordnung. Wo soll denn das Geld herkommen, um diese internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik überhaupt wahrnehmen zu können?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter Erler, ich habe Ihnen gesagt, wir müssen die einzelnen Titel in unserem Haushalt durchkämmen. Das wird in den nächsten Tagen und Wochen passieren, daß sich unsere Haushaltsexperten zusammen mit den Experten des Heeres, der Luftwaffe, der Marine usw. zusammensetzen und daß wir uns ganz genau überlegen, wo es noch vertretbar ist zu kürzen. Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht detailliert aufschlüsseln.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie noch eine Frage stellen? - Bitte.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gnädige Frau, als Frau wissen Sie, daß es dem Haar schadet, wenn man sich zu häufig kämmt. Der Verteidigungshaushalt ist jetzt schon häufig durchgekämmt worden. Ihr Minister hat mehrfach gesagt, daß jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht sei. Wie erklären Sie denn gegenüber der Bundeswehr, was es für Folgen hat, wenn solche Dinge wie die IFOR-Einsätze in diesem und im nächsten Jahr durch ständiges Durchkämmen des Haushalts finanziert werden sollen?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter Erler, das ist gewiß nicht einfach; das sehen Sie ganz richtig. Aber bis jetzt ist es uns immer gelungen, und ich bin zuversichtlich, daß es uns, wenn auch unter Mühen und Schwierigkeiten, auch in diesem Fall wieder gelingen wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Kastning.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, meinen Sie nicht, daß es angesichts der Tatsache, daß im nächsten Jahr eine runde Milliarde DM an Ausgaben getätigt werden soll, weil der Bundesminister der Verteidigung das feste Ziel hat, die hier genannten Vorhaben zu verwirklichen, angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung auch an der Beschaffung des Eurofighter festhält - Fälligkeit mindestens 100 Millionen DM im nächsten Jahr -, und angesichts der Tatsache, daß, sollte es zu einer Anhebung der Versicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung kommen, möglicherweise noch einmal 40 Millionen DM aufgebracht werden müssen, im Sinne der Haushaltsklarheit und -wahrheit und auch der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollaufgabe dringend erforderlich wäre, im laufenden Haushaltsberatungsverfahren zumindest für die großen Beträge zu sagen, wie sie finanziert werden sollen bzw. was ersatzweise gestrichen oder gestreckt werden muß, um diese Vorhaben finanzieren zu können?

Michaela Geiger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000649

Herr Kastning, wie Sie wissen, wird der Bundesminister der Verteidigung morgen an der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses teilnehmen. Ich nehme an, daß diese Themen dort angesprochen werden. Ich bitte Sie noch um ein bißchen Geduld. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich sehe keine Meldungen zu weiteren Zusatzfragen. Danke schön, Frau Staatssekretärin. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl steht zur Beantwortung der Fragen bereit. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Klaus Kirschner auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Arzneimittelumsatz in den neuen Bundesländern mit 512 DM je Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung um 14,3 % über dem der Versicherten in den alten Bundesländern mit 448 DM liegt ({0}), und wenn ja, welches sind nach Auffassung der Bundesregierung die Ursachen dieses höheren Arzneimittelumsatzes?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Präsidentin, Herr Kollege Kirschner, die gesetzliche Krankenversicherung hat im Jahre 1995 für Arzneimittel im Durchschnitt 436,87 DM je Versicherten ausgegeben. In den neuen Ländern erreichten die entsprechenden Pro-Kopf-Ausgaben 482,70 DM. Das sind 13,2 Prozent mehr als in den alten Ländern mit 426,59 DM. Aus dem Arzneiverordnungsreport '96 des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen ergibt sich, daß in den neuen Ländern pro Versicherten 8,7 Prozent mehr Arzneimittel verordnet wurden als in den alten Ländern und daß die Arzneiverordnungen in den neuen Ländern im Durchschnitt 4,7 Prozent teurer waren als in den alten Ländern. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die höheren Arzneimittelausgaben in den neuen Ländern medizinisch bedingt sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kirschner, möchten Sie nachfragen? ({0}) - Bitte.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben die Situation geschildert. Meine Frage aber ist: Welche Ursachen gibt es für diesen höheren Arzneimittelumsatz je Versicherten?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Kirschner, darüber kann man natürlich nur spekulieren. Ich habe Ihnen gesagt: Aus unserer Sicht gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß das medizinisch begründet ist. Ich glaube, daß die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. der Selbstverwaltung gegeben hat, nicht in ausreichendem Maße ausgeschöpft wurden. Das sind: Budgetvereinbarungen, die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und die Vereinbarung von Richtgrößen. Ich kann Ihnen sagen, daß es zum Beispiel in den Ländern, in denen Budgetvereinbarungen getroffen wurden, zu keinen Budgetüberschreitungen gekommen ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, nun wissen wir ja alle - Sie haben es angesprochen -, daß dies natürlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die Budgets haben wird. Nach den vorliegenden Zahlen droht die Gefahr - wir sind ja noch nicht am Ende des Jahres 1996 -, daß die Arzneimittelbudgets in den meisten Ländern bzw. KV-Bereichen überschritten werden. Was wird die Bundesregierung tun, um die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Budgets zu sichern?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Kirschner, wir haben mit einem Schreiben vom 10. September 1996 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mitgeteilt - ich zitiere wörtlich -: Die Entwicklung verlangt ein entschlossenes Einwirken der Kassenärztlichen Vereinigungen auf ihre Mitglieder, ihr Verordnungsverhalten bei den veranlaßten Leistungen gründlich zu überprüfen. Dabei müssen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Verordnungsweise ausgeschöpft werden. Diese Möglichkeiten habe ich soeben in meiner Antwort auf Ihre erste Zusatzfrage benannt. Das sind zum Beispiel Budgetvereinbarungen, Entwicklung von Richtgrößen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Die Anwendung dieser Möglichkeiten durch die Selbstverwaltung ist offensichtlich nicht in dem erforderlichen Maße erfolgt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Kirschner auf: Sind der Bundesregierung die Ergebnisse der abgeschlossenen wissenschaftlichen Begleituntersuchung zu der Erprobungsregelung „Beitragsrückerstattung" nach § 68 SGB V bekannt, die in der Zeit von 1989 bis 1993 bei der Betriebskrankenkasse ({0})-Wieland-Werke und BKK-Norddeutsche Steingut sowie von 1990 bis 1994 bei der BKK Hoesch, BKK Standard Metall, BKK Haindl und der Landeskrankenkasse Ober- und Mittelfranken durchgeführt wurde, und wenn ja, wie bewertet sie die Ergebnisse?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Kirschner, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zu dem Modellversuch „Beitragsrückerstattung" nach § 68 SGB V, der von den fünf Betriebskrankenkassen und einer landwirtschaftlichen Krankenkasse durchgeführt wurde, sind der Bundesregierung bekannt. Die wissenschaftliche Begleitforschung kommt zu dem Ergebnis, daß die Wirksamkeit von Beitragsrückerstattung als Steuerungsinstrument für die Kostenentwicklung und das Inanspruchnahmeverhalten der Versicherten bei den teilnehmenden Krankenkassen nicht nachgewiesen werden konnte. Gleichzeitig hat sich herausgestellt, daß Beitragsrückerstattung besondere Attraktivität für jüngere Versicherte ohne Familienmitglieder besitzt. Die vollständige Umsetzung der Wahlfreiheit der Versicherten ab 1997 und die Absicht des Zweiten GKV-Neuordnungsgesetzes, Eigenverantwortung der Versicherten und Gestaltungsspielräume der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken, führt zu einer neuen Situation im Gesundheitswesen, die sich von der Phase des Modellversuches in den Jahren 1989/90 bis 1993/94 nicht zuletzt wegen der Eigenheiten der jeweiligen „Modellbiotope" deutlich unterscheidet. Daher erscheint es gerechtfertigt, allen Krankenkassen im Rahmen ihrer Satzung die Möglichkeit einzuräumen, ihren Mitgliedern Beitragsrückerstattung anzubieten. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Eigenverantwortung der Versicherten im wirtschaftlichen Umgang mit medizinischen Leistungen hierdurch gestärkt werden kann. Überdies kann Beitragsrückerstattung auch ein Instrument zur Stärkung der Position der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber der privaten sein; damit kann eine Abwanderung sogenannter guter Risiken in den Bereich der privaten Krankenversicherungen verhindert werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage? - Bitte.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, da der Bundesregierung, wie Sie sagten, das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Begleituntersuchung bekannt ist, frage ich Sie: Wann ist denn mit der Veröffentlichung dieser Ergebnisse zu rechnen? Denn nach SGB V - dies haben wir ja alle gemeinsam beschlossen - sind diese Satzungsbestimmungen über Erprobungsregelungen auf längstens fünf Jahre zu befristen. Weiter heißt es: Das Ergebnis der Auswertungen ist zu veröffentlichen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Das Ergebnis ist in der Zeitschrift der Betriebskrankenkassen, und zwar in der Ausgabe 8/96, veröffentlicht worden. Wenn Sie aber wünschen, es schriftlich zu erhalten, veranlasse ich das gerne.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zweite Zusatzfrage.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Veröffentlichung kenne ich nicht. Kann ich davon ausgehen, Frau Staatssekretärin, daß wir insgesamt dieses Ergebnis der Auswertung der Erprobungsregelungen bei diesen Betriebskrankenkassen bzw. landwirtschaftlichen Kassen bekommen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kirschner, ich sichere es Ihnen zu. Wir haben ja damals gemeinsam ins Gesetz geschrieben, daß es eigentlich einen größeren Modellversuch geben sollte. An ihm haben sich nur wenige Krankenkassen beteiligt; aus diesem Grunde ist er nicht unbedingt repräsentativ, zumal sich auch noch unsere Gesetzgebung mit dem GSG darauf ausgewirkt hat. Insofern ist es aber eine sehr interessante Untersuchung, die ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen werde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Frau Staatssekretärin. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Für die Fragen 7, 8 und 9 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Herr Staatssekretär Peter Hausmann wird die Fragen beantworten. Ich komme zur Frage 10 des Abgeordneten Tauss: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die CDU-Geschäftsstelle Erftkreis presseöffentlich den Vertrieb einer CD-ROM vornimmt, die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in Auftrag gegeben und finanziert wurde ({0}), und wie reagiert sie darauf vor dem Hintergrund, daß auf dem auf besagter CD-ROM angegebenen Text darauf hingewiesen wird, daß sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden dürfte, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter, bei der nach der zitierten Presseveröffentlichung von einer CDU-Geschäftsstelle angebotenen CD-ROM handelt es sich um eine Produktion des Bundespresseamtes, nicht des BMBF. Diese CD-ROM wird unter anderem als Beilage zu der BPA-Broschüre „Chancen durch Multimedia" angeboten und verbreitet. Dem Bundespresseamt war bisher nicht bekannt, daß diese CD-ROM von der genannten CDU-Geschäftsstelle, die auf Anforderung 50 Exemplare erhalten hat, im Rahmen ihres Bürgertelefons angeboten wird. Die Bundesregierung sieht auch keinen Anlaß zu einer besonderen Reaktion. Die Verteilung der CD-ROM hält sich im Rahmen der im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 von der - damals SPD-geführten - Bundesregierung für die Verteilung von Informationsmaterialien an Parteien festgelegten Grundsätze. Danach gilt unter anderem außerhalb der fünfmonatigen Vorwahlzeiten in Bund und Ländern: Informationsmaterial der Bundesregierung darf verteilt werden, wenn dies nicht als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten politischer Parteien, Mandatsträger oder Wahlbewerber verstanden werden kann. Zulässig ist daher die Verteilung z. B. an Informationsständen auch von Parteien, wenn diese auf kurze Dauer eingerichtet sind und sich mit konkreten Sachthemen befassen, zu denen Publikationen der Bundesregierung neben dem übrigen angebotenen Informationsmaterial einen Beitrag für sachbezogene Unterrichtung leisten. Die Verteilung von 50 CD-ROM der Bundesregierung im Rahmen einer zeitlich begrenzten Informationsaktion über die Chancen der neuen Datentechniken verstößt nicht gegen die genannten Grundsätze. Die CD-ROM enthält keinen Aufdruck, der mit diesen Prinzipien unvereinbar wäre. Erwähnt sei hier noch, daß die betreffende CDU-Geschäftsstelle auch Informationen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in gleicher Art und Weise anbietet. Bei Bezug größerer Mengen von Informationsmaterialien, das heißt: ab 100 Exemplaren, müssen sich die Bezieher außerdem schriftlich zu einer Beachtung der erwähnten Grundsätze bei der Verteilung von Informationsmaterial der Bundesregierung verpflichten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, vielen Dank. Halten Sie es aber nach dem eben Ausgeführten nicht doch für verwunderlich, daß der Vertrieb dieser CD-ROM ausgerechnet im Wahlkreis des Herrn Bundesministers für Bildung und Forschung, der ja für Multimedia zuständig ist, in dieser ungewöhnlich offensiven Form auf Kosten des Steuerzahlers vorgenommen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, das halte ich nicht für ungewöhnlich. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Tauss?

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kommen wir zu Frage 11.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe Frage 11 des Kollegen Tauss auf: Hält die Bundesregierung eine derartige Veröffentlichung mit diesem Text für vereinbar, und falls nein, was beabsichtigt sie zu tun, um dies für die Zukunft zu unterbinden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die von mir geschilderten Grundsätze bei der Verteilung von Informationsmaterialien, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, zu ändern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? - Bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe vorher schon von der für mich etwas ungewöhnlichen Form gesprochen, daß ein Fachminister in seinem Wahlkreis auf Kosten des Steuerzahlers derartige Verteilungen in der Presse öffentlich ankündigt. ({0}) Meinen Sie nicht, daß ein Minister da ganz besondere Sorgfaltspflichten hätte? Beabsichtigt Ihr Amt, in dieser Frage noch einmal ausdrücklich auf das Ministerium und den Herrn Bundesminister für Bildung und Forschung zuzugehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter, ich kann dem nicht folgen; denn es handelt sich hier um eine Stückzahl von 50 Exemplaren; ich habe auch welche mitgebracht. ({0}) Sie sind von vielen angefordert worden. Die begrenzte Stückzahl unterstreicht natürlich auch die Begrenztheit dieser Aktion. Wie gesagt: Das steht im Einklang mit den Richtlinien, die es im Zusammenhang mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1977 gegeben hat.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Frage? - Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da die CD-ROM in einer sehr weit verbreiteten Tageszeitung angeboten worden ist, würde mich interessieren: Was wäre denn geschehen, wenn sich nicht 20, 50 oder 100, sondern möglicherweise mehrere hundert Leserinnen und Leser für dieses Werk Ihres Hauses interessiert hätten? Hätten Sie erneut auf Ihre begrenzte Auflage verwiesen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe von einem begrenzten Bezug, nicht von einer begrenzten Auflage gesprochen. ({0}) Natürlich steht jedem Bürger und jeder Bürgerin auch der Weg offen, diese Broschüre direkt bei uns zu bestellen. Erfreulicherweise nutzen diese Möglichkeit viele Bürgerinnen und Bürger.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schwanhold.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, uns darüber Auskunft zu geben, wie hoch die Aufwendungen des Presse- und Informationsamtes und der Öffentlichkeitsarbeitsabteilungen der Ministerien für die Verteilung des Werbe- und Informationsmaterials über die CDU-Organisation sind? Mit welcher Höhe sind diese Beträge im Gesamtumfang zu beziffern?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann Ihnen keine DM-Beträge nennen. Das müßte ich Ihnen nachreichen. Das Bundespresseamt informiert aber die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Geschäftsstellen der Parteien bis auf die Ebene der Kreisverbände und Unterbezirke über sämtliche Neuerscheinungen und Neuauflagen im Wege eines sogenannten Schnellverteilers. Auf diesem Weg gingen im letzten Jahr rund 18 000 Broschüren an Abgeordnete und Parteistellen, davon rund 5 300 Exemplare an die CDU/CSU und rund 3 700 Exemplare an die SPD. Insgesamt gingen - diese Zahlen liegen mir hier vor; zugrunde gelegt werden die Zahlen vom letzten Jahr - rund 6 Millionen Broschüren an die Öffentlichkeit. Davon sind rund 130 000 Exemplare, also 2 Prozent, an die Parteien gegangen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine weiteren Zusatzfragen? - Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Lammert wird die Fragen beantworten. Ich rufe die Frage 12 der Abgeordneten Sabine Kaspereit auf: Was unternimmt die Bundesregierung an konkreten Maßnahmen, um die negativen Folgen der Gesamtvollstreckung der Schwermaschinenbau Magdeburg GmbH ({0}) für die Zulieferindustrie abzuwenden?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Kaspereit, die von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben beabsichtigte Fortführung aller wesentlichen Produkt- und Leistungsbereiche von SKET in einer Management- und VertriebsGmbH und fünf Auffanggesellschaften dient selbstverständlich auch der Zulieferindustrie. Die bisherigen Planungen in den SKET-Bereichen werden auch in den Nachfolgegesellschaften fortgesetzt, so daß sich in der Regel eine Unterbrechung der Beziehungen zu den Lieferanten nicht ergibt, sich jedenfalls - wenn irgend möglich - nicht ergeben soll. Im übrigen können Unternehmen in den neuen Bundesländern für die Behebung von vorübergehenden Liquiditätsengpässen etwa auf Grund des verzögerten Eingangs von Forderungen oder auf Grund von Forderungsausfällen Liquiditätshilfen aus dem Mittelstandsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau beantragen. Auch die Deutsche Ausgleichsbank bietet im Rahmen ihres Existenzgründungsprogramms für die Behebung von Engpässen solche Liquiditätshilfen an. Die Bundesregierung geht im übrigen davon aus, daß auch das Land zur Lösung etwaiger Schwierigkeiten der Zulieferbetriebe beiträgt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage? - Bitte.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung in der Lage, Einfluß auf den Konkursverwalter von SKET auszuüben und den mit der Konkursverwaltung Beauftragten deutlich vor Augen zu führen, daß das Ausbleiben der Zahlungen an die Zulieferer eine Kette von Folgeinsolvenzen nach sich ziehen muß, die die Bundesregierung letztlich zu verantworten hat?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Im rechtlichen Sinne ist eine solche Einflußnahme, wie Sie wissen, nicht möglich. Daß es Folgewirkungen von Entscheidungen gibt, ist unbestreitbar. Daß die Verantwortung für diese Folgewirkungen dann die Bundesregierung zu tragen habe, ist nun allerdings eine Kommentierung, die Sie persönlich vorgenommen haben und die ich für die Bundesregierung ausdrücklich zurückweise.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist der Bundesregierung bewußt, daß für die Zulieferindustrie der Faktor Zeit entscheidend für die Chance eines Fortbestehens ist, da ausbleibende Zahlungen wegen des Nichtvorhandenseins einer Eigenkapitaldecke nicht kompensiert werden können?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Ja.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schwanhold.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie uns nun aufgezählt haben, welche Programme es gibt, und es ja mehr Menschen in diesem Land gibt, die lesen können, möchte ich gern eine Frage aufwerfen, die in engem Zusammenhang damit steht: Hat die BvS von sich aus originäre Schritte unternommen, um in die Folgelösung, die Sie bei SKET anstreben, auch die Zulieferer einzubeziehen, damit diese vorher nicht auch noch in den Konkurs hineingetrieben werden und damit nicht technisches Know-how und die Lieferfähigkeit aus der Region heraus kaputtgehen? Also: Was hat die BvS konkret getan? Was hat der Staatssekretär, der sich als Sonderbeauftragter sehr intensiv um Ostdeutschland kümmert, in diesem konkreten Fall zur Behebung der ganz konkreten Probleme getan?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schwanhold, Ihnen ist wie mir bewußt, daß die Lösung der geschilderten Folgeprobleme für Unternehmen, die Lieferbeziehungen zu SKET unterhalten haben oder noch weiter unterhalten, ganz wesentlich davon abhängt, ob und in welchem Zeitrahmen die neuen Regelungen tatsächlich zustande kommen, die im Augenblick Gegenstand intensiver Bemühungen nicht nur, aber insbesondere auch der BvS sind. Die Bundesregierung ist - das ist insbesondere Frau Kollegin Kaspereit sehr klar, und das hat sie ja freundlicherweise auch in ihrer Korrespondenz mit dem von Ihnen gerade erwähnten Sonderbeauftragten der Bundesregierung ausdrücklich bestätigt - intensiv darum bemüht, völlig unabhängig von den rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten - ({0}) - Ich beziehe mich hier auf die Einschätzung der Kollegin Kaspereit, die nach ihren Gesprächen mit dem Kollegen Ludewig ausgesprochen „guter Hoffnung" ist, wie sie formuliert, daß „Sie dem Erhalt der Zulieferbetriebe höchste Priorität einräumen und Ihre Möglichkeiten nutzen, Folgeinsolvenzen abzuwehren. " Dies trifft völlig zu, und ich habe dem insofern auch gar nichts hinzuzufügen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt rufe ich die Frage 13 der Kollegin Kaspereit auf: Was unternimmt die Bundesregierung, daß die Liquiditätshilfen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben für die Schwermaschinenbau Magdeburg GmbH ({0}) zur Begleichung der offenen Forderungen der Zulieferbetriebe genutzt werden?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, die Entscheidung darüber, ob und welche Forderungen der Zulieferbetriebe ganz oder teilweise beglichen werden, obliegt, wie Sie wissen, dem Sequester und, nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens, den Verwaltern. Die BvS verhandelt bereits intensiv mit dem Sequester über die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Weiterführung der notwendigen Lieferbeziehungen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Etwa 120 Zulieferbetriebe sind in der Warteschleife und warten auf ihre Zahlungen. Ist der Bundesregierung diesbezüglich bekannt, welche volkswirtschaftlichen Schäden bei Folgeinsolvenzen gerade für den Osten entstehen würden?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Unsere Bemühungen, auch jenseits rechtlicher Einwirkungsmöglichkeiten auf bestimmte Entscheidungen Einfluß zu nehmen, erklären sich nicht zuletzt aus der insofern gemeinsamen Einschätzung von Folgewirkungen, die anderenfalls entstehen müßten und an deren Vermeidung wir ein dringendes wirtschaftliches und übrigens auch ein ganz besonderes beschäftigungspolitisches Interesse haben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine etwas provokative Frage. Ist es richtig, daß sich Bundeskanzler Kohl am Montag, dem 14. Oktober, gegen die erwogene Aufsplittung von SKET und eindeutig für den Erhalt des industriellen Kerns in der Region Magdeburg ausgesprochen hat? Falls ja: Ist die von der BvS erwogene Aufsplittung von SKET so zu werten, daß selbst der Kanzler keinen politischen Einfluß mehr hat?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten, weil ich an diesem GeParl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert sprach nicht teilgenommen habe und deswegen auch nicht beurteilen kann, ob dies überhaupt konkreter Gegenstand dieses Gespräches mit Festlegung auf der einen oder anderen Seite war.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage des Kollegen Küster.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, inwieweit sind Sie darüber unterrichtet - Sie haben gerade angedeutet, daß die BvS dem Sequester eine Reihe von Mitteln zuschießen möchte, damit die Zulieferindustrie gerettet werden kann -, daß Ministerpräsident Biedenkopf versucht, die Auszahlung dieser Mittel seitens der BvS zu blockieren?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Eine entsprechende Unterrichtung liegt mir nicht vor. Richtig ist, daß es unterschiedliche Auffassungen über die für die Zukunft für tragfähig gehaltenen Unternehmensstrukturen gibt und daß sich insofern sicher Zusammenhänge zwischen der Bereitschaft zur Bereitstellung von Mitteln vor Treffen einer solchen Vereinbarung und den Auffassungen über diese Strukturen ergeben. Von welchen Personen in den Gremien der BvS hierzu bestimmte Positionen mit besonderem Nachdruck verfolgt werden, kann ich Ihnen im Augenblick nicht berichten.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann es sein, daß damit ein Kuhhandel zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt versucht wird?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt so etwas ähnliches stattfinden könnte wie das, was Sie mit dem Begriff „Kuhhandel" versehen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hen Staatssekretär Lammert, wenn Sie nicht heute beantworten können, was der Bundeskanzler im Zusammenhang mit SKET gesagt hat, könnten Sie dann nachliefern, wann er was zu wem zu welchem Zeitpunkt im Zusammenhang mit SKET gesagt hat?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Nein, in der Form, in der Sie das gerade nachgefragt haben, ganz sicher nicht. Wenn es eine präzise Frage gibt, wird sich die Bundesregierung - der Übung dieses Hauses folgend - natürlich darum bemühen, sie so präzise wie möglich zu beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Schwanhold.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrter Herr Kollege Lammert, dann ist aber doch sehr konkret die Frage zu stellen, ob der Bundeskanzler versucht hat, eine Lösung bei SKET herbeizuführen, und an welchen Widerständen innerhalb der BvS dieses gescheitert ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Daß sich der Bundeskanzler bemüht hat, an der Überwindung der Schwierigkeiten des Unternehmens mitzuwirken, ist offensichtlich. Ich habe Zweifel, ob sich die Frage, woran dies gescheitert sei, monokausal überhaupt beantworten läßt. Ich habe aber bereits darauf hingewiesen, daß es zwischen allen Beteiligten - dazu gehört im übrigen natürlich auch das Land Sachsen-Anhalt - durchaus unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, unter welchen Voraussetzungen überhaupt die Chance für die Fortführung von unternehmerischen Aktivitäten besteht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Bierstedt.

Wolfgang Bierstedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002629, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt: Der Bundeskanzler hat sich bemüht. Bemüht er sich denn noch? Ich meine, es fällt Ihnen sicherlich schwer, die Frage zu beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Wir haben doch, wie Sie genau wissen, seit dem Besuch des Bundeskanzlers im Unternehmen und seinem Gespräch mit den Betriebsräten einen neuen Sachstand, der sich durch die Entscheidungen der Unternehmensorgane bzw. auch der BvS ergeben hat. Nun haben sich die Betroffenen einschließlich der zuständigen Instanzen in den jeweiligen Regierungen, sowohl des Landes wie auch des Bundes, mit dieser neuen Situation auseinanderzusetzen. Dies findet gegenwärtig in einer unbestritten sehr intensiven Weise statt. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nein, Sie dürfen leider nur eine Frage stellen. Ich rufe jetzt die Frage 14 des Abgeordneten Küster auf: Besitzt die Bundesregierung Kenntnisse über die Höhe der Außenstände ({0}) von Zulieferunternehmen von SKET?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Küster, die Höhe der Außenstände betrug zum Zeitpunkt des Antrags auf Gesamtvollstreckung am 15. Oktober dieses Jahres 18 Millionen DM.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Können Sie bestätigen, daß die Begleichung dieser Außenstände seitens der BvS verzögert wird und dadurch die Unternehmen, die mit diesen Außenständen belastet sind, in Schwierigkeiten geraten?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Aus der Sicht der betroffenen Zulieferunternehmen kann ich das bestätigen, aus der Sicht der BvS selbstverständlich nicht, weil sie den rechtlichen Einschränkungen unterliegt, die sich aus der entstandenen Situation ergeben. Ich muß eigentlich nicht wiederholen, was bereits vorhin vorgetragen wurde: Es gibt - dies aber ganz gewiß - ein ausgeprägtes politisches Interesse daran, daß die vorhin geschilderten drohenden Folgewirkungen vermieden werden. Genau deswegen bemühen wir uns sehr darum, solche Entwicklungen auch in diesem engen rechtlichen Rahmen zu vermeiden.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß gerade wegen der relativ starren Haltung der BvS gegenüber den Konzepten des Sequesters eine wirtschaftlich vernünftige Lösung zur Zeit offensichtlich nicht im Interesse der BvS ist?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Nein, das kann ich so nicht bestätigen. Bestätigen kann ich, daß es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, unter welchen Voraussetzungen eine Fortführung der Aktivitäten überhaupt ökonomisch Sinn macht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage der Kollegin Kaspereit.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in welcher Verantwortung sehen Sie das Land Sachsen-Anhalt?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Es ist zum einen in den Gremien der BvS vertreten und nimmt insofern an den Entscheidungsprozessen unmittelbar teil. Zum anderen ergeben sich aus der Entscheidung, die Gesamtvollstreckung zu beantragen, direkte und indirekte Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, die nicht nur, aber auch von der Landesregierung aufgegriffen werden müssen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich jetzt die Frage 15 des Abgeordneten Küster auf: Besitzt die Bundesregierung Kenntnisse über die Gesamtzahl der Beschäftigten in den von SKET betroffenen Zulieferunternehmen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Küster, solche Zahlen liegen uns nicht vor. '

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen?

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich unterstelle, daß Sie mit einer Unterrichtung meinerseits einverstanden sind: Es sind zirka 120 Zulieferbetriebe und zirka 1 400 Dienstleister, die in verschiedener Weise zuliefern. Können Sie bestätigen, daß es ein erheblicher Wirtschaftsfaktor ist, wenn Unternehmen durch die Gesamtvollstreckung und das Hinauszögern einer Lösung durch die BvS in Schwierigkeiten geraten?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Das bestätige ich gerne, zumal ich in einem ähnlichen Zusammenhang vorhin schon einmal auf diese mittelbaren ökonomischen Wirkungen hingewiesen habe, die man mit dem notwendigen Ernst behandeln muß.

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie angeben - Sie haben vorhin von verschiedenen Anstalten gewährte Zwischenkredite erwähnt -, in etwa welcher Höhe Folgebelastungen auf diese Zulieferbetriebe zukommen könnten? Was erwarten Sie nach Ihren Erfahrungen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Nein, das kann ich nicht. Jedenfalls wären solche Schätzgrößen, die man jetzt allenfalls vortragen kann, sehr spekulativ und auch irreführend, zumal man bestimmte Annahmen darüber zugrunde legen müßte, welche Art von Dotierungen der entstandenen Ansprüche in den nächsten Tagen und Wochen tatsächlich zu erwarten ist. Genau darüber ist eine endgültige Entscheidung nicht getroffen. Das war unter den geschilderten Bedingungen bislang auch gar nicht möglich. Aber es wäre unserem gemeinsamen Anliegen nicht dienlich, hier auf der Basis von entweder sehr optimistischen oder umgekehrt sehr pessimistischen Annahmen eine vermeintliche Quantifizierung der Wirkungen vorzunehmen, gerade auch deswegen, weil wir - völlig unabhängig von diesen mathematischen Einschätzungen - gemeinsam der Überzeugung sind, daß diese Wirkungen soweit wie eben möglich vermieden werden sollten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Bierstedt.

Wolfgang Bierstedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002629, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, obwohl Sie bereits die Frage hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen bei der Zulieferindustrie nicht beantworten konnten - das ist nicht unbedingt kritikwürdig -, frage ich Sie: Wissen Sie, bei welchen Beschäftigungszahlen man bei der Diskussion um SKET mittlerweile angelangt ist? Es geht die Zahl von 300 Beschäftigten um. Ist das im Zusammenhang mit dem zu betrachten, was Sie bereits gesagt haben, Sie stellen die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit von SKET insgesamt in Frage? Ist das vielleicht eine direkte Folge? Gibt es da einen Zusammenhang?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Wir reden hier über zwei verbundene, aber sehr unterschiedliche Sachverhalte. Die Frage nach der Zahl von Beschäftigten, die bei neuen Unternehmenskonzepten im bisherigen Unternehmensverband übrig bleiben könnten, ist vermutlich deswegen nicht gestellt worden, weil es darüber keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Mir ist die Frage nach den Beschäftigungswirkungen gestellt worden, die sich bei den betroffenen Zulieferunternehmen ergeben könnten. Dazu habe ich bereits ausgeführt, daß die Abgrenzung der Folgewirkungen hochgradig spekulativ ist und daß unser Anliegen ist, diese Wirkungen soweit wie möglich zu vermeiden, ohne daß man eine mühsame Beweisführung über scheinbar präzise Zahlen vornehmen müßte. ({0}) - Den habe ich gerade vorgetragen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Schwanhold.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zubilligen, daß die Auskunftsfähigkeit oder Auskunftsfreudigkeit der Bundesregierung im Fall SKET angesichts der Tatbestände, daß der Bund über die BvS Eigentümer dieses Unternehmens ist, der Bund über die BvS und die Treuhand im Vorfeld die Geschäftsführung bestellt hat, der Bund über die BvS und die Treuhand im Vorfeld die Unternehmenskonzepte entwickelt hat und der Bund über die BvS 1,2 Milliarden DM in diesen Konzern hineingegeben hat, beschämend ist, wenn Sie sagen: Wir wollen und können über die Zukunft dieses Unternehmens und dessen Konzept keine Aussage machen? Sie können noch nicht einmal sagen, welche Betriebe in der Region davon betroffen sind und welche Implikationen das für den Wirtschaftsraum Magdeburg insgesamt hat und welche konkreten Maßnahmen Sie in diesem Zusammenhang in den nächsten Wochen - Geschwindigkeit ist von besonderer Bedeutung - treffen wollen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schwanhold, die Auskunftsfreudigkeit der Bundesregierung ist genauso umfangreich wie die Unterstützung, die sie diesem Unternehmen in den vergangenen Jahren hat zukommen lassen. Sie haben das dankenswerterweise gerade ausdrücklich bestätigt. Im übrigen ist der Vorwurf mangelnder Auskunftsfreudigkeit in bezug auf Fragen, die noch gar nicht gestellt waren, einigermaßen originell. ({0}) - Wir bemühen uns auch, das Verhältnis zwischen Freude und Fähigkeit in der Balance zu halten, was nicht immer leicht fällt. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt ist die Kollegin Kaspereit an der Reihe.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, es geht uns hier nicht um gegenseitige Beschimpfungen. Es geht mir um die Zulieferindustrie bei SKET. Die Zeitfrage ist eine sehr entscheidende. Ich wollte Sie fragen, ob Sie als Vertreter der Bundesregierung die Möglichkeit sehen, Ihren Einfluß geltend zu machen, damit dieses Problem bis zum Wochenende, also bis zum 15. dieses Monats, einer Klärung zugeführt wird, ({0}) damit die Zulieferer ihre Rechnungen, die sie durch Materialbeschaffung etc. offenstehen haben, bezahlen können. Die Situation ist so, daß sie in der nächsten Woche zumachen können, wenn die Gelder nicht fließen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Kaspereit, Ihnen liegt doch der Brief des Kollegen Ludewig vor. In diesem Brief hat er Ihnen gestern auf der Basis Ihres Briefes, aus dem ich vorhin den letzten Satz zitiert habe, schriftlich mitgeteilt, daß die Bundesregierung den Verwalter und die Landesregierung aufgefordert hat, die Probleme der Zulieferer von SKET möglichst umfassend und rasch zu lösen. Der Verwalter hat zugesichert, sich um den konkreten, von Ihnen vorgetragenen Fall zu kümmern. Auch hier ist nicht nur die Auskunftsfreudigkeit der Bundesregierung ungebrochen, sondern auch die Handlungsbereitschaft. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Schwanhold im Einverständnis mit dem Fragesteller gemeinsam auf: Ist es vor dem Hintergrund der SKET-Gesamtvollstreckung richtig, daß im Falle von Folgeinsolvenzen der Zulieferbetriebe die Basis des produzierenden Sektors in der ostdeutschen Wirtschaft dauernden Schaden nehmen würde? Ist es vor dem Hintergrund der SKET-Gesamtvollstreckung richtig, daß im Falle von Folgeinsolvenzen der Zulieferbetriebe die prekäre Arbeitsmarktlage in Ostdeutschland eine weitere Verschärfung erfährt?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Es ist liebenswürdig, Herr Kollege Schwanhold, daß ich die beiden Fragen zusammen beantworten kann. Sie vermuten zu Recht, daß die Antwort auf beide Sachverhalte ähnlich ist. Die von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben unterstützte Auffanglösung sieht vor, daß die Geschäfte in den wesentlichen Produkt- und Leistungsbereichen unverändert fortgeführt werden. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, daß dauerhafte Folgewirkungen aus Anlaß der Gesamtvollstreckung der SKET Schwermaschinenbau Madgeburg GmbH weitgehend vermieden werden können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie können nun viele Zusatzfragen stellen, wenn Sie wollen. Bitte.

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich werde mich voraussichtlich auf eine Zusatzfrage beschränken. Herr Staaatssekretär, angesichts der Tatsache, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereit sind, in Vorleistung zu treten, indem sie Verzicht üben, um ihre Unternehmen zu halten, und angesichts dessen, daß sich diese Unternehmen im Gefolge von SKET angesiedelt und entwickelt haben, ihre Entwicklung, ihre Zuarbeit und ihr ganzes Unternehmenskonzept notwendigerweise darauf ausgerichtet haben, möchte ich gern die Frage stellen, welche Chancen Sie sehen, Hilfestellung über das bisher vorliegende Instrumentarium hinaus zu geben, das Sie eben andeutungsweise genannt haben, wenn die schnelle Umsetzung des Unternehmenskonzepts von SKET und die schnelle Abwicklung von Aufträgen nicht funktioniert. Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Implikationen in der Region Magdeburg sind von erheblicher Bedeutung, denn im industriellen Kernbereich bleibt nicht viel übrig.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Schwanhold, die Frage läßt sich seriös nicht pauschal beantworten, weil die Verhältnisse und die damit verbundenen Probleme in dem von Ihnen geschilderten Fall, daß eine Fortführung nicht erfolgen sollte, natürlich unterschiedlich sind. ({0}) - Klar. Bei Ihrer Frage gehen wir jetzt von einem Fall aus, den wir beide gemeinsam vermutlich vermeiden wollen. Richtig ist aber, daß wir diesen Fall nicht ausschließen können. Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, möchten Sie insbesondere sichergestellt wissen, daß die Bundesregierung auch in diesem Fall die sich daraus ergebenden Probleme für die Zulieferindustrie zum Gegenstand ihrer besonderen Aufmerksamkeit macht. Dazu sind wir in der Tat gern bereit.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine Zusatzfrage?

Ernst Schwanhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002122, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Konkreter können Sie es nicht sagen? Ich habe nach konkreten Möglichkeiten gefragt, Herr Lammert. Dies ist mir ein bißchen wenig.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Ich habe einen konkreten Hinweis vorhin schon einmal bei der Beantwortung einer anderen Frage gegeben, indem ich auf die Möglichkeiten hingewiesen habe, Liquiditätshilfen für die Überbrückung von Schwierigkeiten zu geben. Ich räume aber sofort ein - deshalb habe ich es jetzt nicht vorgetragen -, daß dies für den von Ihnen gerade angenommenen Fall X natürlich nicht die Lösung, sondern allenfalls eine Überbrückungshilfe ist. Ich bitte Sie sehr um Verständnis dafür, daß ich nochmals um Unterstützung für das Bemühen werbe, ({0}) hier nicht einen Fall, den wir gemeinsam vermeiden wollen, als den vermeintlich wahrscheinlichen Fall zur Grundlage unserer weiteren Überlegungen zu machen, und zwar einschließlich der Zusage, daß dann, wenn er gleichwohl eintritt, das gilt, was ich gerade vorgetragen habe.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Jüttemann.

Gerhard Jüttemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002693, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Dr. Lammert, Sie haben zugesagt, den SKET-Beschäftigten zu helfen. Soll diese Hilfe etwa so aussehen wie im Fall Bischofferode, wo die Landesregierung die Schaffung von 700 bis 1 000 Ersatzarbeitsplätzen bis Ende 1995 versprochen hat und die Bundesregierung dies intensiv begleiten und unterstützen wollte? Es ist aber tatsächlich so, daß an dem Standort Bischofferode bislang 60 Arbeitsplätze geschaffen worden sind, also nicht einmal 10 Prozent. Wollen Sie die Sache mit SKET genauso intensiv angehen, oder wollen Sie sich hier etwas stärker machen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Ich nehme mit einer gewissen Rührung die Veränderung in der Fragestellung zur Kenntnis. Während ich bisher dafür gescholten worden bin, daß die Präzision meiner Auskünfte hinter den Erwartungen zurückbleibt, werde ich jetzt für präzise Auskünfte und deren vermeintliche Belastbarkeit beschimpft. Dies nehme ich mit Respekt zur Kenntnis.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage des Kollegen Bierstedt.

Wolfgang Bierstedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002629, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, ich versuche wieder einmal, es Ihnen leicht zu machen, und komme auf eine Ausführung in Ihrer Antwort zurück. Sie haben gesagt, Sie werden sich dafür einsetzen, daß sich die zuständigen Institutionen auch für die Probleme der Zulieferindustrie interessieren werden. Wird das präventiv oder postoperativ geschehen? ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Es findet bereits präventiv statt, wie Sie den Auskünften hätten entnehmen können, die ich schon gegeben habe. Wir sind im laufenden Verfahren einschließlich der geschilderten Verfahrensregeln um die Lösung konkreter Fälle sehr bemüht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es liegen keine weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich vor. Danke schön, Herr Staatssekretär Lammert. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch beantworten. Bei den Fragen 18, 19 und 20 ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zur Frage 21 der Abgeordneten Anke Eymer: Welche Chancen sieht die Bundesregierung, Finanzmittel für den Bau eines Tunnels als Ersatz für die Herrenbrücke im Verlauf der B 75, die nicht aus öffentlichen Haushalten ({0}) aufgebracht werden können, durch private Finanzierung aufzubringen, und welche Möglichkeiten der Umsetzung gibt es hierfür?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Sehr geehrte Frau Eymer, die Chance, Finanzmittel für den Bau eines Tunnels als Ersatz für die Herrenbrücke im Verlauf der Bundesstraße 75 durch eine private Finanzierung aufzubringen, sieht die Bundesregierung grundsätzlich als gegeben an. Die Möglichkeiten der Umsetzung werden über das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz vom 30. August 1994 geboten, in dem die grundsätzlichen Fragen geregelt sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen?

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, zu dieser Frage nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Hiller hat eine Zusatzfrage.

Reinhold Hiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000901, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Voraussetzungen müssen nach Auffassung der Bundesregierung für den Bau eines Tunnels als Ersatzlösung für die Herrenbrücke unabdingbar erfüllt werden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Es muß ein Finanzierungskonzept aufgestellt sein, das entweder mit den Kosten, die die Bundesregierung für eine Ersatzlösung für die Brücke bereitstellt, auskommt, oder es müssen Vorstellungen und Konzepte dafür existieren, daß die zusätzlichen Aufwendungen entweder durch das Land, die Stadt oder durch eine private Finanzierung aufgebracht werden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie dürfen pro Frage nur einmal nachfragen, aber die Kollegin Eymer hat noch eine zweite Frage. Ich rufe Frage 22 auf: Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Land Schleswig-Holstein und die Hansestadt Lübeck bereit sind, sich an den Mehrkosten für einen Tunnel als Ersatz für die Herrenbrücke zu beteiligen oder über eine private Finanzierung nachzudenken?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Nach den derzeit vorliegenden Informationen wird sich das Land Schleswig-Holstein an den Mehrkosten für einen Tunnel als Ersatz für die Herrenbrücke nicht beteiligen. Die Frage einer privaten Finanzierung der Mehrkosten für einen Tunnel - mit Mautgebühren - wird zur Zeit in der Hansestadt Lübeck diskutiert.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann ich, wenn sich sowohl das Land Schleswig-Holstein als auch die Hansestadt Lübeck nicht an den Mehrkosten beteiligen werden, trotzdem davon ausgehen, daß der Tunnel gebaut wird, und wird es dann zusätzliche Mittel von seiten des Bundes geben?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Eymer, die Bundesregierung wird neben den Mitteln für eine Ersatzbrücke auch die Mittel zur Verfügung stellen, die für die Unterhaltung der vorhandenen Brücke bis zur vollständigen Abschreibung aufgewendet werden müßten. Nach den derzeitigen Berechnungen sind es 163 Millionen DM für die Ersatzlösung und 12 Millionen DM für die Unterhaltung bis zum Ende der Restnutzungsdauer, also insgesamt 175 Millionen DM, die der Bund für diese Lösung als Sockelfinanzierung bereitstellen würde.

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe . eine weitere Zusatzfrage. Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, das Tunnelprojekt mit der geplanten A 20 zu verknüpfen? Bevor Sie mir möglicherweise mit Nein antworten: Wenn es bisher keine derartigen Überlegungen gibt, können Sie sich vorstellen, daß diese künftig angestellt werden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Im Raumordnungsverfahren, das im Lande Schleswig-Holstein durchgeführt wurde, war zunächst an eine nördliche Umgehung der Hansestadt Lübeck gedacht. Dabei hätte man dieser Frage eventuell nähertreten können. Aber nachdem jetzt die Entscheidung getroffen worden ist, die Hansestadt Lübeck südlich zu umgehen, und dort auch schon für die ersten beiden Abschnitte entsprechende Planungsarbeiten laufen, halte ich diese Frage nicht mehr für geboten und auch in Ihrem Sinne nicht für entscheidungsfähig.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt der Kollege Hiller.

Reinhold Hiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000901, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welches Instrumentarium muß nach Auffassung der Bundesregierung geschaffen werden, um ein Konzessionsmodell und eine Mautfinanzierung für die anfallenden Mehrkosten einer Tunnellösung einzuführen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

In dem Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private vom 30. August 1994 sind insbesondere geregelt: die grundsätzliche Ermächtigung zum Neu- und Ausbau sowie zum Betrieb von Bundesfernstraßen auf der Grundlage einer Gebührenfinanzierung, die Ermächtigung, daß Private hierfür Mautgebühren erheben dürfen - es sind dort die Objekte geregelt, die dafür überhaupt in Frage kommen; dazu gehören auch Tunnel -, und die Bezugsgrundlagen für die Höhe der Mautgebühren. Darüber hinaus haben wir in Rostock ein Pilotprojekt bei der Warnow-Unterquerung. Ich denke, man könnte dieses Vorhaben gut nutzen, um alle Fragen, die in Lübeck in dem entsprechenden Zusammenhang zu diskutieren und zu klären sind, zu beleuchten. Rostock wird durch eine private französische Firma eine Warnow-Unterquerung in der Größenordnung von 300 Millionen DM bei voller Risikoübernahme durch diesen Betrieb errichten lassen. Es ist daran gedacht, eine Mautgebühr von 3 DM je Fahrt zu erheben.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen jetzt zur Frage 23 des Abgeordneten Heinz Schmitt: Gibt es hinsichtlich der jetzigen B 9 zwischen dem Grenzübergang bei Lauterbourg und dem Anschluß an die A 65 bei Kandel Süd zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich vertragliche Zusagen oder Regelungen für einen autobahnrnäßigen Ausbau dieser Strecke?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Sehr geehrter Herr Schmitt, eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich bezüglich des Ausbaus der jetzigen B 9 auf deutscher Seite und der A 35 auf französischer Seite besteht nicht. Die beiderseitige Absicht, diesen Straßenzug als Fernstraßen auszubauen, ist in bilateralen Kontakten abgestimmt und auf deutscher Seite im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen gesetzlich festgelegt. Darüber hinaus ist zusätzlich eine vertragliche Regelung nicht erforderlich und auch nicht üblich. Der Grenzbereich ist bereits ausgebaut. Planung und Baudurchführung wurden seinerzeit örtlich abgestimmt, so daß auch über die Realisierung im unmittelbaren Grenzbereich eine vertragliche Regelung nicht nötig war. Gleichwohl bestehen Zusagen an Frankreich, die Autobahnverbindung Kandel-Neulauterburg vordringlich zu behandeln. Diese Zusagen erfolgten im Rahmen der CEMT-Gespräche sowie im Rahmen von regelmäßig stattfindenden deutsch-französischen Zusammenkünften über grenzüberschreitende Straßenverbindungen. Darüber hinaus gibt es einen Beschluß einer Regierungskommission, in welchem der Ausbau der ehemaligen CD 300, der jetzigen A 35, sowie der Straßenverbindung Kandel-Neulauterburg mit Nachdruck befürwortet wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage, bitte.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu dieser Frage nicht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann kommen wir zur Frage 24: Hat die Bundesregierung bereits Aufträge für den Ausbau der B 9/Bienwaldautobahn erteilt, bzw. wie ist der derzeitige Planungsstand?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Sehr geehrter Herr Schmitt, der zweibahnige Ausbau der B 9 zwischen der Anschlußstelle Kandel-Süd und der Bundesgrenze bei Neulauterburg befindet sich im Planfeststellungsverfahren. Bauaufträge für den Ausbau wurden bisher nicht erteilt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage, bitte.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär: Wird bei den laufenden Planungen auch ausreichend berücksichtigt, daß das Waldgebiet Bienwald unter die sogenannte FFH-Richtlinie fällt, das heißt, unter die Richtlinie des Europäischen Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der Pflanzen in der freien Natur und der wildlebenden Tiere?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Das ist genau das Problem, das wir vor Ort haben, wodurch sich der Abschluß des Planfeststellungsverfahrens, in dem wir uns zur Zeit befinden, über das normale Maß hinaus verlängern könnte. Es gibt eine Reihe von Einsprüchen - Sie kennen das -, und jeder einzelne muß entsprechend abgearbeitet und behandelt werden.

Heinz Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002783, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch einmal konkret: Die FFH-Richtlinie, unter die das ganze Gebiet gestellt wurde, wird bei den laufenden Planungen berücksichtigt?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Die FFH-Richtlinien sind für unsere Planungen verbindlich.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir verlassen diesen Geschäftsbereich. Schönen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert wird die Fragen beantworten. Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Hans-Peter Kemper auf: Wie reagiert die Bundesregierung auf die jetzt ergangene Entscheidung des 21. Senats des Oberverwaltungsgerichts Münster hinsichtlich künftiger Einlagerungen beim Brennelemente-Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus, und aus welchen Reaktoren bzw. Wiederaufbereitungsanlagen beabsichtigt die Bundesregierung Brennelemente zumindest mittelfristig in Ahaus einzulagern?

Ulrich Klinkert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001134

Herr Kollege Kemper, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Einlagerungen von abgebrannten Brennelementen in das Brennelement-Zwischenlager Ahaus zu planen oder Brennelemente einzulagern. Dies ist allein Aufgabe der Genehmigungsinhaberin, der Brennelement-Zwischenlager Ahaus GmbH, die bei ihren Entscheidungen die Entsorgungswünsche der betreffenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen berücksichtigt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage? - Nein. Dann kommen wir zur Frage 26 des Abgeordneten Kemper: Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Angela Merkel, daß die fabrikneuen, für den Schnellen Brüter in Kalkar vorgesehenen Brennelemente in das nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus gebracht werden sollten, wie Frau Dr. Angela Merkel im Greenpeace-Magazin von Freitag, dem 18. Oktober 1996, geäußert hat?

Ulrich Klinkert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001134

Herr Kollege, die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Merkel, hat in dem Artikel im Greenpeace-Magazin keineswegs, wie von Ihnen behauptet, die Empfehlung ausgesprochen, daß die für den Schnellen Brüter in Kalkar vorgesehenen Brennelemente in das nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus gebracht werden sollen. Vielmehr hat die Bundesministerin auf die Frage des Greenpeace-Magazins Werden die Brennelemente des stillgelegten Schnellen Brüters in absehbarer Zeit aus der stillgelegten Atomfabrik in Hanau in das Zwischenlager Ahaus verlegt? folgendes geantwortet - hier darf ich zitieren -: Ich vermute mal, daß sie in absehbarer Zeit nicht nach Ahaus gelangen, aber ich persönlich würde es auch nicht für ein Drama halten, wenn man sie dort lagert. Nach dem Verursacherprinzip ist Nordrhein-Westfalen für die Entsorgung verantwortlich - dort steht der Schnelle Brüter. Soweit das Zitat der Ministerin aus der von Ihnen erwähnten Zeitschrift. Es trifft allerdings zu, daß die Zwischenlagerung der Brennelemente für den Schnellen Brüter in dem privaten Zwischenlager Ahaus erheblich kostengünstiger wäre als in dem Spaltstoffbunker in Hanau, in dem ein Teil der Brennelemente derzeit zwischengelagert ist. Zur Zeit liegt aber kein Antrag auf eine Genehmigung einer Zwischenlagerung dieser Brennelemente im Zwischenlager Ahaus vor. Die zuständige Genehmigungsbehörde wäre das Bundesamt für Strahlenschutz.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage? - Ja.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nun haben sich sowohl der Stadtrat in Ahaus als auch der Kreistag in Borken geschlossen gegen eine Einlagerung genau dieser fabrikneuen Brennelemente in Ahaus gewandt. Abgeordnete Ihrer Partei auf Bundes- und Landesebene haben noch einmal verdeutlicht, daß gegen das Votum des Kreistages und des Stadtrates dort fabrikneue Elemente, zum Beispiel der Kalkarer Kern, nicht eingelagert werden sollen. Kann die Bundesregierung ausschließen, daß es zu einer Einlagerung des sogenannten Kalkarer Kerns gegen das Votum des Kreistages und des Stadtrates kommt? Können Sie verbindlich eine solche Zusage machen?

Ulrich Klinkert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001134

Die Bundesregierung kann ausschließen, daß Entscheidungen getroffen werden, die sich gegen geltendes Gesetz, in diesem Fall das Atomgesetz, richten. Nur dafür hat die Bundesregierung - zusammen mit der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Strahlenschutz - eine Zuständigkeit.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbst die Opposition bezweifelt nicht, daß Sie sich an geltendes Recht halten. Aber das war nicht meine Frage. Zweite Zusatzfrage. Zum Verursacherprinzip möchte ich Sie fragen: Sind Sie grundsätzlich der Meinung, daß das Land Nordrhein-Westfalen den Schnellen Brüter geplant und zu vertreten hat, oder war das nicht doch eine Bundeseinrichtung, so daß hier die Bundesregierung in der Verantwortung steht?

Ulrich Klinkert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001134

Erstens muß man natürlich die Frage stellen, unter welcher Regentschaft, unter welcher Regierung Planung und Durchführung des Baus des Schnellen Brüters passiert sind. Das ist nicht unter CDU-Regierung geschehen. Zweitens ist das natürlich im Land Nordrhein-Westfalen passiert, und das Land Nordrhein-Westfalen hat für sein Gebiet schon eine Zuständigkeit. Drittens hat die Bundesregierung nicht die Möglichkeit - ich wiederhole das -, von sich aus Entscheidungen zu fällen, wenn keine entsprechenden Anträge gestellt werden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Frage 27 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann ist jetzt da. Die Frage 28 ist zurückgezogen worden. Wir kommen also zur Frage 29 der Abgeordneten Simone Probst: Ist die Bundesregierung in der „Frankfurter Rundschau" vom 21. Oktober 1996 veröffentlichten Informationen nachgegangen, nach denen die Firma Advanced Nuclear & Medical Systems ({0}) dem US-Department of Energy ein Angebot zur Herstellung von Tritium für das Atomwaffenprogramm mit dem FFTF-Reaktor ({1}), in dem ANMS auch die Kalkar-Brennelemente einsetzen will, gemacht hat, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Die von Ihnen zitierte Zeitungsmeldung enthält keinen neuen Sachstand in bezug auf das, was ich bereits mit dem Schreiben vom 6. November 1996 auf Ihre Frage 25 aus Drucksache 13/5926 dargelegt habe: Das US-Department of Energy ({0}) prüft zur Zeit im Auftrag des Kongresses, ob der FFTFReaktor wieder in Betrieb genommen werden soll. Da es sich dabei um eine inneramerikanische Angelegenheit handelt, kann dies von deutscher Seite nicht beeinflußt werden. Sofern die Regierung der USA zu dem Ergebnis kommen sollte, daß eine Rückführung des Spaltmaterials in die USA zweckmäßig wäre, könnte dies - auch nach der eben erfolgten Diskussion - eine tragfähige Lösung sein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen?

Simone Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002753, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben wieder von „Rückführung des Spaltmaterials in die USA" gesprochen. Ich möchte Sie fragen, wie Sie auf „Rückführung" kommen; denn diese Brennelemente sind in Hanau gefertigt worden, und das Plutonium stammt nicht aus den USA. Wie rechtfertigen Sie diese Terminologie?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Meine Information ist anders. Meine Information läuft darauf hinaus, daß das zur Herstellung der Brennelemente benötigte Plutonium im wesentlichen aus Quellen der USA stammt und deshalb der Begriff „Rückführung" angemessen ist. Dies ist zwischen uns und den USA gar kein kontroverser Diskussionspunkt. Sie wissen, daß selbst der an sich so kritische Chef des Nuklearkontrollinstituts in Amerika, Leventhal, den Sie häufig als Kronzeugen heranziehen, dafür plädiert, daß diese Elemente möglichst in die USA zurückgeführt werden.

Simone Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002753, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicherlich nicht entgangen, daß Herr Leventhal zwar für die Entsorgung in den USA plädiert hat, aber keinesfalls für die Inbetriebnahme des Reaktors und schon gar nicht für die Produktion von Tritium. Da wir jetzt einen unterschiedlichen Informationsstand haben, kann ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, mir aufzuschlüsseln, wieviel Kilo Plutonium in welchem Jahr aus den USA geliefert wurden - schriftlich, natürlich nicht jetzt aus dem Stand.

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Ich würde versuchen, Ihnen das schriftlich zu beantworten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Gut. - Dann kommen wir zur Frage 30 der Abgeordneten Simone Probst: Sind Vertreter der Bundesregierung an den Verhandlungen zwischen der Schnell-Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft ({0}) und ANMS beteiligt, und wenn ja, wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Vertreter der Bundesregierung sind an den Verhandlungen zwischen der SchnellBrüter-Kernkraftwerksgesellschaft - SBK - und der ANMS - das ist die vergleichbare Firma auf der anderen Seite - nicht direkt beteiligt. Ein Vertreter der Bundesregierung war jedoch anläßlich einer Präsentation der Firma ANMS bei RWE/SBK in Essen anwesend. Der aktuelle Verhandlungsstand zwischen SBK und ANMS ist dadurch gekennzeichnet, daß ein erster Vertragsentwurf erarbeitet wurde.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? - Bitte.

Simone Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002753, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Würde sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß dieses Geschäft zwischen SBK und ANMS nicht zustande käme, wenn es bei den Plänen der ANMS bliebe, Tritium zu produzieren, und damit das Risiko eingegangen würde, daß die deutschen Brennelemente für die Atomwaffenproduktion benutzt würden?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Wir würden uns für den Abschluß eines solchen Vertrages insbesondere deshalb einsetzen, weil es in dem jetzigen Vertragsentwurf einen Passus gibt, der übersetzt wie folgt lautet: Unter keinen Umständen darf der MOX-Brennstoff von ANMS für die Produktion von Tritium benutzt werden. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich jetzt die Frage 31 des Abgeordneten Stephan Hilsberg auf: Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, die Arbeit der Kommission für den sozialen und politischen Wandel ({0}) ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant beenden zu lassen?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Die Bundesregierung ist immer für eine den Empfehlungen des Wissenschaftsrates entsprechende Laufzeit von 5 Jahren der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gemeinsam finanzierten Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern, abgekürzt: KSPW, eingetreten. Die vorzeitige Beendigung beruht auf einer Entscheidung des Deutschen Bundestages.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage? - Bitte.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, inzwischen hat die Kommission für den sozialen und politischen Wandel die Ergebnisse ihrer Transformationsforschung vorgelegt. Sie erweisen sich als ausgesprochen wertvoll und seriös. Allerdings strafen diese Ergebnisse die bisherige These der Bundesregierung von den blühenden Landschaften in Ostdeutschland Lügen. Sie gehen beispielsweise von der Notwendigkeit einer weiteren Transferzahlung von 20 bis 25 Jahren aus, prognostizieren die hohe Arbeitslosigkeit noch für mindestens 10 bis 15 Jahre und veranschlagen für die Vermögensangleichung einen Zeitraum von über 50 Jahren. Können Sie bestätigen, daß diese Ergebnisse die Abgeordneten der Koalition dazu bewogen haben, zu versuchen, die Arbeit der Kommission bereits ein Jahr früher als geplant abzubrechen, und daß es nur durch intensivste Verhandlungen gelungen ist, diesen Zeitraum auf ein halbes Jahr - um das Gesicht zu wahren - zu reduzieren?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Nein, das kann ich nicht bestätigen. Erstens stimme ich nicht Ihrer eingangs gemachten Feststellung zu, daß die Arbeit und die Ergebnisse der KSPW, die ich sehr gut kenne und auch sehr begrüße, ein Gegensatz zu der Aussage sind, daß sich in absehbarer Zeit in den neuen Bundesländern etwas tut und blühende Landschaften entstehen. Die Aussage der KSPW hat daher keine negative Tendenz. Die KSPW hat vielmehr deutlich gemacht, daß dieser Transformationsprozeß, das heißt die völlige Integration und die völlige Angleichung im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich, noch viele Jahre dauern wird. Dies ist auch die Auffassung der Bundesregierung. Zweitens möchte ich auf Ihre Bemerkung eingehen, die sich auf die Intention der Mitglieder des Deutschen Bundestages bezog, die Arbeit der KSPW - die auf Vorschlag des Wissenschaftsrates für fünf Jahre vorgesehen war - frühzeitig zu beenden. Einem Vertreter der Bundesregierung steht es nicht zu, die Intentionen von Bundestagsabgeordneten und des Parlaments im einzelnen zu erforschen. Es gab aber sicherlich Gründe für diese Entscheidung. Die Tatsache, daß die Bundesregierung - und insbesondere auch meine Person - dem Wunsch von Abgeordneten des Haushaltsausschusses erfolgreich entgegengetreten ist, die Arbeit der Kommission schon wesentlich früher - also bereits nach zwei, drei Jahren - zu beenden, macht deutlich, daß die Bundesregierung eine feste Meinung gehabt hat. Soweit ich davon Kenntnis habe, war für die Entscheidung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages insbesondere die Kostenlage ausschlaggebend. Am Anfang gab es Befürchtungen im Hinblick auf die Verstrickungen der Sozialforschung und von Sozialforschern im damaligen System. Aber all diese Befürchtungen konnte die Bundesregierung ausräumen, so daß es gelang, die Verlängerung Jahr für Jahr durchzusetzen. Ich bedaure, daß die Arbeit im letzten halben Jahr nicht durchgeführt werden konnte. Es wurde aber immerhin sichergestellt, daß die KSPW-Finanzierung über 4,5 Jahre - also mit Ausnahme eines halben Jahres - erfolgte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? - Entweder höre ich heute schlecht, oder die Mikrophone sind ganz leise gestellt. ({0}) Ich möchte Sie bitten, richtig in das Mikrophon zu sprechen.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

War ich zu leise?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ja.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Art weiterer Transformationsforschung wird in den nächsten Jahren von der Bundesregierung weiterhin unterstützt werden? Gibt es eine Anschlußforschung für die KSPW?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Die Arbeit der Organisationseinheit KSPW war bewußt auf 5 Jahre begrenzt. Das bedeutet aber nicht, daß damit die Sozialforschung, insbesondere die Forschung bezogen auf die Transformationsprozesse in den neuen Bundesländern, beendet ist. Ich möchte zum Beispiel darauf hinweisen, daß es das WZB in Berlin gibt, das größte europäische Sozialforschungszentrum, das sehr intensiv und in breitem Umfang diese Transformationsprozesse beobachtet. Dazu gibt es auch regelmäßig Veröffentlichungen. Erst kürzlich ist unter Leitung von Professor Neidhardt ein neues wissenschaftliches Ergebnis vorgelegt worden. Darüber hinaus gehe ich davon aus, daß an den verschiedenen Universitäten - insbesondere der neuen Bundesländer -, an denen Sozialforschung betrieben wird, die Transformationsprozesse auch der nächsten Jahre eine wichtige Rolle spielen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt rufe ich die Frage 32 des Kollegen Kubatschka auf: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem von neutralen Wissenschaftlern vorgelegten Gutachten zum Nutzungskonzept für die Forschungsstation „Schneeferner Haus" ziehen, die als Umweltforschungsstation u. a. zur Klimaforschung im Rahmen des beim „Weltgipfel" in Rio de Janeiro beschlossenen globalen Umweltüberwachungs-Meßnetzes (Global Atmosphere Watch ({0}) beitragen sollte, dessen Notwendigkeit jetzt von den Gutachtern in Zweifel gezogen wird ({1})?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Das in der Frage angesprochene Begutachtungsverfahren eines international besetzten Sachverständigenkreises unter Beteiligung der zuständigen Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft betraf das Projekt eines Umwelthöhenobservatoriums Zugspitze, Abkürzung UHOZ, für das das Fraunhofer-Institut für Atmosphärische Umweltforschung, abgekürzt IFU, in Garmisch-Partenkirchen ein Nutzungskonzept vorgelegt hatte. Das von Ihnen erwähnte Projekt eines globalen Umweltüberwachungsmeßnetzes war nur in bezug auf Wechselwirkungen zwischen beiden Vorhaben Gegenstand der Begutachtung. Die Bundesregierung wird dem gutachterlichen Votum bei ihrer Entscheidung über eine Finanzierung von laufenden Betriebskosten des UHOZ in ihrem Meinungsbildungsprozeß angemessenen Raum geben. Die Zusagen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro von 1990 gegenüber der World Meteorological Organisation - WMO - können auch durch Messungen an anderen Punkten in Deutschland erfüllt werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage, bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, das war mir zu ungenau. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung, daß sie die Inbetriebnahme der Forschungsstation jetzt nicht mehr für nötig hält, und mit welchen Kosten rechnet die Bundesrepublik im Falle der Inbetriebnahme der Forschungsstelle?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Die in Ihrer Frage enthaltenen Feststellungen müssen korrigiert werden. Der Ausgangspunkt war, daß über das sogenannte Schneeferner Haus auf der Zugspitze, welches vorher ein Hotel war, im Hinblick auf die weitere Verwendung diskutiert wurde. Der nächste Schritt war dann der, daß man überlegt hat, dort eine Art Observationsstation einzurichten, ein sogenanntes Umwelthöhenobservationsforschungszentrum, in der man besondere Messungen, bezogen auf die Atmosphäre, vornehmen könnte. Dann hat sich der Leiter des von mir bereits zitierten IFU, also des Fraunhofer-Instituts für Atmosphärische Umweltforschung, darangemacht, ein sogenanntes Nutzungskonzept zu entwickeln. Der nächste Schritt - wie das immer so ist; Sie kennen das aus der Debatte im Forschungsausschuß - war dann der, eine international zusammengesetzte Kommission in Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu bitten, dieses Konzept gutachterlich zu bewerten, welche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten es hat. Dieses Konzept, dessen Erstellung sich hinausgezögert hat - leider; wir haben ' die Vorlage immer wieder angemahnt -, ist nun vorgelegt worden. In diesem Konzept werden einige kritische Fragestellungen aufgeworfen: zum einen die Fragestellung nach der Trägerschaft eines solchen Institutes und zum anderen die Fragestellung, inwieweit hier, wenn man es so macht, wie es dieses Nutzungskonzept vorsieht, nicht Kapazitäten geschaffen werden, die es woanders schon gibt, also Observationsstationen in den Alpen, die woanders schon existieren und in denen ähnliche Messungen vorgenommen werden. Das heißt, in diesem Gutachten wird die grundsätzliche Frage des Ob aufgeworfen und darüber hinaus in jedem Falle deutlich gemacht, daß dann, wenn das Ob mit Ja beantwortet wird, das Nutzungskonzept deutlich zu reduzieren sei. Das ist die Ausgangslage. Da wir es hier mit Steuergeldern zu tun haben, müssen wir es hier so halten wie an anderer Stelle auch, selbst wenn wir Ihnen und den bayerischen Kollegen gerne eine Freude machen wollen. Dies wird dazu führen, daß wir uns in wenigen Wochen mit der bayerischen Landesregierung zusammensetzen und darüber diskutieren werden, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Sie haben unterstellt, daß es die Absicht des BMBF sei, sich zurückzuziehen. Das ist nicht richtig. Wir wollen vielmehr gemeinsam mit dem Land Bayern überlegen: Was können wir tun? Wie soll das Konzept aussehen? Wie ist es zu finanzieren? Diese Fragen sind offen und müssen geklärt werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie noch einmal nachfragen? ({0}) Bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Gutachter - namentlich - haben erhebliche Zweifel an dem Betrieb der Forschungsstation geäußert? Schlagen sie als Alternative Standorte vor, die in ihrem Forschungsbereich liegen? Kann ich dieses Gutachten bekommen?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Ich bin jetzt überfragt. Ich kann nicht ausschließen, daß sich die Liste der Gutachter hier in meinen Unterlagen befindet. Ich bin aber nicht in der Lage - ich war darauf nicht vorbereitet -, Ihnen aus dem Stand die Namen dieser Kommissionsmitglieder zu nennen. Das dürfte aber kein Problem sein. Es ist ja kein Geheimnis. Im übrigen ist es nicht nur diese internationale Kommission, die wir als BMBF gebeten haben, ein Gutachten vorzulegen. Dies ist vielmehr in Zusammenarbeit mit einer Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft geschehen, die zu dem gleichen Ergebnis kommt. Dabei geht es nach meiner Kenntnis nicht um die Frage, ob man das möglicherweise in Einrichtungen machen könnte, mit denen Gutachter in Verbindung stehen. Vielmehr wird das Nutzungskonzept prinzipiell hinterfragt. Ich würde Ihnen dieses Gutachten gerne zustellen - ich sehe darin kein Problem -, so daß Sie dann umfassend informiert sind. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Horst Kubatschka auf: Trifft es zu, daß der Freistaat Bayern aufgrund einer „Verpflichtungserklärung" der Bundesregierung bisher 11,5 Mio. DM in den Umbau des Schneeferner Hauses investiert hat, daß Meßgeräte von der Bundesstiftung Umwelt im Wert von 6 Mio. DM bereitgestellt wurden und daß die Bundesregierung sich jetzt finanziell an dem Projekt nicht mehr beteiligten möchte?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Es trifft zu, daß der Freistaat Bayern nach eigenen Angaben in den Umbau des Schneeferner Hauses bisher 11,5 Millionen DM investiert hat. Die Bundesregierung hat 1993 dem Freistaat Bayern mitgeteilt, daß der Bund die Entscheidung getroffen habe, sich mit dem UHOZ, also dem bereits zitierten Umwelthöhenobservatorium Zugspitze, langfristig an der Nutzung des Schneeferner Hauses zu beteiligen und hierfür entsprechende Räume entsprechend seinem Bedarf anzumieten. Das BMBF hat das Fraunhofer-Institut für Atmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen frühzeitig beauftragt, das als Träger und Organisator der Forschungsarbeiten in dem UHOZ vorgesehen war, ein wissenschaftliches Konzept für die Nutzung des UHOZ zu erarbeiten. Dieses Konzept wurde dem BMBF im Mai 1996 vorgelegt. Die nun vorliegende Begutachtung des Konzeptes hat erhebliche Zweifel an dem wissenschaftlichen Bedarf, wie er in dem Konzept vorgeschlagen wurde, ergeben. Die Bundesregierung wird das Ergebnis der Begutachtung nunmehr hinsichtlich der daraus zu ziehenden Konsequenzen mit dem Freistaat Bayern erörtern. Unabhängig vom Ergebnis dieser Beratungen über das UHOZ wären die zwischenzeitlich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt bereitgestellten Meßgeräte in einschlägigen Forschungsinstituten verwendbar. Das Fraunhofer-Institut für Atmosphärische Umweltforschung nutzt einige Geräte schon jetzt bei seiner Meßstation auf dem Zugspitzgipfel. Soweit die Antwort, Frau Präsidentin. Es liegt an der Systematik, Fragen nicht zusammenzufassen, daß ich diese Frage auf Grund einer Zusatzfrage des Kollegen bereits vorher beantworten mußte. Ich bin selbst verblüfft, wie hoch die Identität meiner jetzigen Antwort mit der vorherigen ist.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Manchmal kann man die einzelnen Fragen auch zusammen beantworten. Jetzt haben wir es aber getrennt gemacht. Herr Kubatschka, bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es jetzt eine Verpflichtungserklärung des Bundes, oder hat das Land Bayern ohne eine Absicherung durch den Bund Millionen investiert?

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

Ich muß es vorsichtig formulieren, weil solche Äußerungen, die ich als Vertreter der Bundesregierung gebe, Grundlage für andere Schritte seitens der bayerischen Landesregierung sein könnten. Ich will es so sagen: Richtig ist, daß zum damaligen Zeitpunkt Bayern wie auch der Bund ernsthaft das Ziel verfolgt haben - und deshalb auch gewisse Entscheidungsabläufe in Gang gesetzt haben -, im Schneeferner Haus ein Umweltforschungshöhenzentrum zu errichten. Das ist so. Deshalb wäre es in Ordnung, fair und richtig, wenn wir uns mit der bayerischen Landesregierung - ausgehend von dieser Grundlage - darüber einigen, wie es weitergeht. Wir sind natürlich im Prinzip auch nicht daran interessiert, daß die bayerische Landesregierung Fehlinvestitionen vornimmt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre Nachfrage.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Zukunft der 1995 gegründeten Betriebsgesellschaft Umweltforschungsstation Schneeferner Haus, und welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeit der als Dauernutzer vorgesehenen Einrichtung? - Das ist das Fraunhofer-Institut für Atmosphärische Umweltforschung, Deutscher Wetterdienst und das Umweltbundesamt.

Bernd Neumann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001593

In bezug auf die Mitnutzer haben wir auf der einen Seite das Interesse Bayerns und des Bundes, bezogen auf Umwelt und Klimaforschung - das werden sicherlich die Hauptinteressenten und -nutzer sein -, und auf der anderen Seite „nebenbei" das Interesse des BMV und des BMU via Umweltbundesamt. Eins ist klar: Wenn Bayern und der Bund zu dem Ergebnis kommen, dort nicht tätig zu werden und keine Forschungsstation einzurichten, ist auch das Interesse des Verkehrsministers und des Umweltbundesamtes nicht mehr gegeben. Sie sind auch nicht auf diese Meßstation angewiesen, weil sie Alternativen haben; sie würden sie nur nutzen. In bezug auf sonstige Vorbereitungen - wie die von Ihnen genannte Gesellschaft - ist alles abhängig von unserem Tun. Die Frage, welche Folgerungen das im einzelnen hat, kann erst beantwortet werden, wenn die Gespräche zwischen Bayern und dem Bund abgeschlossen sind. Würde man zum Beispiel zu dem Ergebnis kommen - das ist nicht unwahrscheinlich -, einem verkleinerten Konzept zu folgen - das Gutachten sagt ja, die vorgesehenen Kapazitäten seien zu groß und müßten bei einer Realisierung reduziert werden -, hat das natürlich auch Folgen. Dies im einzelnen zu beantworten wäre erst sinnvoll, wenn das Ergebnis der Gespräche zwischen dem Land Bayern und der Bundesregierung vorliegt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir verlassen diesen Geschäftsbereich. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Fragen 34 bis 37 ist schriftliche Beantwortung beantragt worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Nunmehr kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 38 bis 41 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 42 der Abgeordneten Rennebach auf: Sind die Gruppen aus dem Bereich „Neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus" in die Aufklärungs- und Informationsarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesministeriums des Innern im Sinne der Konzeption „ Verfassungsschutz durch Aufklärung" einbezogen? Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zur Verfügung. Bitte schön.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin Rennebach, die Antwort lautet wie folgt: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesministerium des Innern behandeln im Rahmen des „Verfassungsschutzes durch Aufklärung" den Rechtsextremismus in seinen verschiedenen Ausprägungen als ein Schwerpunktthema ihrer Aufklärungsarbeit. Neugermanischheidnische Gruppen waren entsprechend ihrer geringen Bedeutung bislang kein spezieller Gegenstand der Aufklärungs- und Informationsarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesministeriums des Innern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie fragen? - Frau Rennebach.

Renate Rennebach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie sagen, dieses war bisher kein Bestandteil der Arbeit, möchte ich ergänzend fragen: Hat die Bundesregierung dies geplant, oder was plant sie in Zukunft?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Wir beobachten die Szene wirklich sorgfältig und haben in vier Fällen bei bestimmten Organisationen auch Beobachtungen durchgeführt, aber eben nicht speziell in bezug auf die von Ihnen genannten Gruppen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Zusatzfrage?

Renate Rennebach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann kommen wir zur Frage 43 der Abgeordneten Rennebach: Teilt die Bundesregierung die Auffassung in der Fachliteratur, wonach sich für fast alle deutschen Gruppen aus dem neugermanisch-heidnischen Spektrum „ein gemeinsamer Hintergrund sowie gute nationale und internationale Kontakte feststellen" lassen ({0})?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die Antwort auf Frage 43 ist relativ kurz. Sie lautet: Nein, nur in Einzelfällen.

Renate Rennebach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001822, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auf welche wissenschaftliche Fachliteratur stützt sich die Bundesregierung bei ihrer Beurteilung dieses Problemfeldes, Herr Staatssekretär?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, wir stützen uns auf gemachte Beobachtungen oder auf Dinge, die beispielsweise in der Presse nachlesbar sind. Wir werten natürlich auch aus, wenn Mitgliedschaften in verschiedenen Organisationen vorliegen. Insgesamt haben wir, glaube ich, doch ein relativ genaues Bild.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Siegfried Vergin auf: Welche Gefährdung der inneren Sicherheit durch neugermanisch-heidnische Gruppen besteht, wenn es eine „Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen" gibt und „in einigen neugermanisch-heidnischen Gruppen Rechtsextremisten aktiv sind" ({0})?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Vergin, die neugermanisch-heidnischen Gruppen verfügen in der rechtsextremistischen Szene kaum über Einfluß. Eine programmbildende oder strategische Bedeutung ist nicht zu erkennen. Hinzu kommt, daß es sich bei den Gemeinschaften um zahlenmäßig kleine Gruppen handelt, deren Ausstrahlungskraft gering ist. Erkenntnisse über Tendenzen zur Gewaltbereitschaft liegen nicht vor. Eine erhebliche Gefährdung der inneren Sicherheit durch diese Gruppen besteht nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht. Sollten sich im Einzelfall Hinweise auf eine Gefährdung der inneren Sicherheit ergeben, werden die Bundesregierung und die zuständigen Behörden dem mit der gebotenen Intensität nachgehen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage?

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich glaube, wir beide sind uns einig, daß das Problem der inneren Sicherheit nicht nur ein Problem der Gewaltanwendung, sondern auch der ideologischen Vorbereitung ist. ({0}) Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß sich die in Frage stehenden neugermanisch-heidnischen Gruppen schon Ende des letzten Jahrhunderts bildeten, völkische Anschauungen zum Gegenstand hatten und auch die nationalsozialistische Rassenideologie vertraten, frage ich Sie, ob Sie tatsächlich der Auffassung sind, daß die ideologische Arbeit, die sie unbestritten betreiben, keine Gefahr für die innere Sicherheit ist.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich kann das nicht generell sagen; denn im Einzelfall könnte in der Tat eine solche Feststellung zu treffen sein. Das aber, was bekannt ist, worüber wir Informationen haben, zeigt, daß es sich im wesentlichen um weltanschaulich orientierte Gruppierungen handelt, deren Anschauungen teilweise aus dem vorigen Jahrhundert stammen und die esoterischen Charakter haben, sich also geheimbündeleiartig betätigen, die aber nicht die Voraussetzungen erfüllen, die vom Bundesverfassungsschutzgesetz für die Beobachtung und die Inangriffnahme entsprechender Maßnahmen vorgegeben sind.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage?

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auf Grund der Debatte, die durch Goldhagen ausgelöst worden ist, und der Tatsache, daß jetzt durch das Buch über Best von Herrn Professor Herbert eine neue Debatte über den Bereich der Täter folgen wird - die beginnt gerade -, meine ich, daß es mehr denn je Aufgabe sein muß, Ursachenforschung zu betreiben; dies war bisher von der Forschung über die Opfergruppen überdeckt. Glauben Sie nicht, daß uns gerade diese Debatte verpflichtet, genauer hinzusehen, was in diesen Kreisen passiert? Ich will Sie daran erinnern, daß wir ein Verfahren hatten, in dem sich der Angeklagte und Verurteilte darauf berufen hat, daß er seine Tat begehen mußte, weil er von der Ideologie dieser neugermanischen Gruppen überzeugt war.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege Vergin, jenseits der Feststellung, daß die Ausführungen im Buch von Goldhagen natürlich höchst umstritten sind - auch Sie kennen die Diskussion, die dazu stattfindet -, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz natürlich nicht dazu berufen, quasi historische Wertungen und Untersuchungen rückwärtsgewandt durchzuführen. Wir haben uns vielmehr an die derzeit vorliegenden Fakten zu halten. Die Fakten reichen nach den gesetzlichen Bedingungen nicht aus. Wenn Sie dieses Ziel erreichen wollen, müßten Sie eine Initiative zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes entwickeln. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie noch einmal nachfragen, oder soll Frage 45 beantwortet werden?

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann werde ich noch einmal fragen: Ist die Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Dienste durchaus Mitteilung machen, daß man dies aber nicht verwerten kann, weil die gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Meines Erachtens reichen für den Zweck, zu dem wir den Verfassungsschutz haben, aus heutiger Sicht die gesetzlichen Grundlagen aus. Das aber, was Sie anregen wollen, läßt sich angesichts dieser gesetzlichen Grundlage nicht verwirklichen. Wenn Sie Ihr Anliegen verwirklichen wollen, müssen Sie sozusagen den Gesetzgeber bemühen. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zu Frage 45: Warum finden vor dem Hintergrund der in der Antwort auf die Kleine Anfrage ({0}) aufgeführten Erkenntnisse der Bundesregierung über Verbindungen zwischen Rechtsextremismus und neugermanisch-heidnischen Gruppen diese Gruppen als eigene Kategorie bislang keine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Der Verfassungsschutzbericht ist als Orientierungshilfe, nicht als abschließende Aufzählung aller Erscheinungsformen des Extremismus gedacht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage?

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auch Ihnen ist bekannt, daß der Verfassungsschutzbericht für Hamburg über diese Gruppierungen berichtet. Ist das das Ergebnis davon, daß es in Hamburg ein besonderes Nest dieser Gruppierungen gibt, oder nimmt das Land Hamburg diese Gruppierungen deswegen in den Bericht auf, weil man dort politisch zu einer anderen Bewertung kommt?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Das kann Ihnen eigentlich nur der Verfassungsschutz in Hamburg beantworten. Nach unseren Erkenntnissen liegt der regionale Schwerpunkt in der Tat im Norden; vereinzelte Aktivitäten gibt es auch im Süden. Es kann durchaus sein - das widerspricht überhaupt nicht den Gepflogenheiten -, daß eine Stelle wie der Hamburger Verfassungsschutz zu dem Schluß kommt, daß für ihren Zuständigkeitsbereich, regional gesehen, die Dinge so zu werten sind, daß sie es in ihren Verfassungsschutzbericht aufnimmt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zweite Zusatzfrage.

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine zweite Zusatzfrage stelle ich wegen dieser unterschiedlichen Ergebnisse: Wer entscheidet denn darüber, was in den Verfassungsschutzbericht kommt oder nicht? Macht das der Bundesinnenminister, oder entscheidet das bereits das Bundesamt?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Zunächst einmal entscheiden diejenigen, die das Gesetz anwenden, auf der Grundlage dieses Gesetzes. Das Bundesamt legt dem Bundesinnenminister einen Entwurf vor, und dann wird dieser Entwurf mit dem Bundesamt besprochen. In der Regel wird dann gemeinsam darüber entschieden, wie die Endfassung aussehen soll.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Keine weiteren Zusatzfragen zur Frage 45. Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Hans-Werner Bertl auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die internationalen Kontakte deutscher neugermanisch-heidnischer Gruppen vor dem Hintergrund, daß in der wissenschaftlichen Fachliteratur darauf hingewiesen wird, daß „Gruppen wie der Asgard-Bund in Berlin oder die Gylfiliten, die Hitler zu ihrem Heiligen gemacht haben, politische Zielsetzungen in den Vordergrund ({0}). Auch in den USA, Großbritannien und in Skandinavien entstanden seit den 70er Jahren neugermanischheidnische Gruppen, in denen im ganzen gesehen ähnliche Tendenzen manifest werden. Die Verbindungen zwischen diesen Gruppen und deutschen Vereinigungen sind rege und werden durch Schriftverkehr, inhaltlichen Austausch in Zeitschriften und gegenseitige Besuche aufrechterhalten" ({1})?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die Bundesregierung hat entsprechende Fragen zu internationalen Kontakten einzelner Gruppen bereits in einer Kleinen Anfrage „Neogermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland", Drucksache 13/5434, beantwortet. Weitergehende konkrete Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kommen zur Frage 47 des Abgeordneten Hans-Werner Bertl: Hält die Bundesregierung beim Problembereich „Neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus", auch vor dem Hintergrund der von ihr in der Antwort auf die Kleine Anfrage ({0}) dargestellten Beispiele für eine europäische Vernetzung der neugermanisch-heidnischen Gruppen, eine Intensivierung der Zusammenarbeit innerhalb der EU für notwendig, und was wird sie in dieser Hinsicht unternehmen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Sobald sich konkrete Hinweise auf eine internationale Vernetzung solcher Gruppen mit rechtsextremistischer Zielsetzung ergeben, werden die zuständigen Behörden die geeigneten Schritte unternehmen. Dabei kommt sowohl eine bilaterale Kooperation als auch eine multilaterale Zusammenarbeit auf EU-Ebene in Betracht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage.

Hans Werner Bertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002628, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir eventuell zustimmen, daß im Moment der Ansatz auf Hinweise aus diesem Bereich nur einen Randbereich der Beobachtung und Ermittlung des klassischen Rechtsextremismus betrifft?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich hoffe, ich habe Ihre Frage richtig verstanden. Sie meinen den Ansatz auf Hinweise? ({0}) - Es gibt einzelne Bemühungen hiesiger entsprechender Gruppen, ihre Publikationen beispielsweise auch im skandinavischen Raum zu plazieren. Es ist auch passiert, daß der Sitz einer entsprechenden Gruppe von Schleswig-Holstein nach Schweden verlegt worden ist. Aber Vernetzungen der von Ihnen vermuteten Art - ich unterstelle einmal, daß Sie das meinen -, also intensiverer Art und insbesondere hinsichtlich der Aktivitäten und Aktionen, haben wir bisher nicht festgestellt.

Hans Werner Bertl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002628, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch eine kurze Frage. Die Beobachtungen, die zum jetzigen Zeitpunkt stattfinden, scheinen mir zumindest mehr Abfallprodukte von Beobachtungen im klassischen Bereich des Rechtsextremismus zu sein. Können Sie das bestätigen, oder würden Sie das aus Ihrer Sicht nicht so sehen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Herr Kollege, ich möchte mit Jein antworten. Denn natürlich ist man zunächst darauf angewiesen, Hinweise auf entsprechende Aktivitäten zu erhalten; dann wird diesen Hinweisen ohne Ansehen der Organisation oder der Person nachgegangen. Sowohl ist denkbar, daß wir im Zuge der Beobachtungen anderer Bereiche Hinweise erhalten, die dann Anlaß für eigene Beobachtungen sind, als auch ist denkbar - das geschieht -, daß gezielte Nachforschungen angestellt werden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die Frage 48 der Kollegin Erika Lotz auf: Sieht die Bundesregierung zwischen neugermanisch-heidnischen Gruppen und der Esoterik- und New-Age-Szene ideologische oder sonstige Anknüpfungen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die Bundesregierung kann nicht ausschließen, daß esoterische und New-Age-Kreise auf Quellen zurückgreifen, auf die sich auch neugermanisch-heidnische Gruppen beziehen. Es wird aber darauf hingewiesen, daß sowohl bei esoterischen und New-Age-Kreisen als auch bei neugermanischheidnischen Gruppen eine Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nur in Betracht kommt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes vorliegen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage?

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort nicht ausgeschlossen, daß es durch die genannten Gruppen letztendlich zu einer Verstärkung der rechtsextremistischen Szene kommt. Sehen Sie nicht, wenn Sie das so werten, daß durch die neugermanisch-heidnischen Gruppe ein größeres Gefährdungspotential entsteht?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich habe mich deshalb vorsichtig ausgedrückt, weil natürlich auch ich die Zukunft nicht kenne. Wir müssen immer, wenn Sie so wollen, bereit sein, auf der Basis der gesetzlichen Bestimmungen einzugreifen. Wenn Sie mich jetzt nach einer aktuellen Einschätzung fragen und von einer erheblichen Gefahr oder dergleichen sprechen, so muß ich auf meine generelle Antwort von vorhin zurückkommen: Eine solche größere Gefahr ist nicht ersichtlich und zeichnet sich auch nicht ab, weil es sich zahlenmäßig um relativ kleine Gruppierungen handelt, die zudem meistens auch gar nicht nach außen hin aktiv sind, sondern mehr ein esoterisches Innenleben führen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie noch einmal nachfragen? ({0}) Dann kommen wir zur Frage 49 der Abgeordneten Lotz: Welche Erkenntnisse, insbesondere in verfassungsschutzrelevanter Hinsicht, hat die Bundesregierung bezüglich des Agierens neugermanisch-heidnischer Gruppen im Internet, beispielsweise im Thule-Network?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Sowohl im Thule-Netz als auch im Internet konnten vereinzelt Texte mit neugermanisch-heidnischen Inhalten festgestellt werden. Dabei handelt es sich aber größtenteils um Auszüge aus Publikationen ohne erkennbare rechtsextremistische Bezüge.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Nachfrage?

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wertet die Bundesregierung dazu die im Internet verfügbaren Informationen systematisch aus, bzw. wird sie es zukünftig tun?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Sie können versichert sein, daß wir das, was wir an Erkenntnissen aus dem Internet erlangen können - etwa hinsichtlich solcher Netzwerke wie dem Thule-Netz und anderen -, systematisch beobachten. Wenn sich dabei Hinweise ergeben sollten, daß sich diese neugermanisch-heidnischen Gruppierungen plötzlich politisch oder, wenn Sie so wollen, rechtsextremistisch exponieren, dann wäre das für uns sicher auch ein Hinweis, der zu Überlegungen führen müßte.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nicht mehr nachfragen? ({0}) Dann rufe ich die Frage 50 der Abgeordneten Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast auf: Hält die Bundesregierung eine systematische Beobachtung neugermanisch-heidnischer Gruppen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für angebracht, und, wenn ja, findet diese Beobachtung statt?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Eine „Beobachtung" dieser Gruppen, also das gezielte Sammeln und Auswerten von Informationen, erfolgt nur dann, wenn die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vorliegen, das heißt wenn tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen gegeben sind. Insofern wird auf die Antwort zur Frage 1 der Kleinen Anfrage, die ich schon vorhin erwähnt habe, verwiesen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zusatzfrage?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus den Antworten, die bisher zu diesem Themenkomplex immer wieder kamen und aus denen doch zumindest ein gewisses Problembewußtsein der Bundesregierung erkenntlich war, schließen, daß demDr. Cornelie Sonntag-Wolgast nächst vor dem Hintergrund einer steigenden Bedeutung dieser Gruppen eine Systematik Einzug halten wird? Oder sehen Sie sich dort einfach an den Grenzen des Gesetzes angelangt?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Zunächst einmal, Frau Kollegin, darf ich daran erinnern, daß in dieser Antwort vier Gruppierungen aus diesem Bereich genannt werden, die bereits beobachtet werden. So gesehen gibt es einen Beleg dafür, daß die zuständigen Stellen der Bundesregierung - sprich: das Bundesamt für Verfassungsschutz - bereits gehandelt haben, wo die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Außerdem heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage auch, daß weitere Anhaltspunkte geprüft werden. Es handelt sich, wenn Sie so wollen, um einen Beobachtungsprozeß, der - das will ich nicht ausschließen - irgendwann auch zu Erkenntnissen führen kann, die weitere Schritte notwendig machen würden. Ich kann Ihnen versichern, daß uns da nichts entgeht.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würde sich die Bundesregierung denn weiterreichende gesetzliche Möglichkeiten wünschen? Dann können wir ja tätig werden.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß nach unserer Auffassung die gegenwärtige Rechtslage ausreicht, um das zu erfassen, zu beobachten und gegebenenfalls auch zu bekämpfen, was beispielsweise den Bestand unserer demokratischen Grundordnung gefährdet oder was in bezug auf Rechtsextremismus, Rassismus usw. Hetze betreibt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich jetzt die Frage 51 der Kollegin Sonntag-Wolgast auf: Welche Gründe sprechen dafür, daß bei der Entscheidung über die „Beobachtung" von Gruppierungen aus dem Bereich „neugermanisch-heidnische Gruppen und Rechtsextremismus" ({0}) insbesondere auch die grundgesetzliche Garantie der Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit zu berücksichtigen ist - vor dem Hintergrund einschlägiger Kommentare in der juristischen Fachliteratur ({1}), wonach es prinzipiell keine „verfassungsschutzfreien Zonen" gibt, auch nicht in grundgesetzgeschützten Bereichen?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Einschätzung aus der in der Fragestellung zitierten Drucksache 13/5434, wonach, soweit es sich bei den entsprechenden neugermanisch-heidnischen Gruppen um Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsgemeinschaften handelt, die grundgesetzliche Garantie der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Bei einer Beobachtung derartiger Gruppen durch den Verfassungsschutz sind die Gewährleistungen der Art. 4 und 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Verfassung zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu beachten, daß Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften bei der Gestaltung ihrer Ordnung und Anwendung ihrer Rechtsnormen gegenüber den Gläubigen bzw. Anhängern innerhalb des engsten, rein geistlichen Wirkungskreises nicht an die Grundsätze der Demokratie und an die Grundrechte gebunden sind. Für die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden ist lediglich das nach außen gerichtete Wirken solcher Gruppierungen zu berücksichtigen, da nur dieses an den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu messen ist. Die grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art. 4 und 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Verfassung wären insbesondere bei der Wahl der Mittel zu berücksichtigen, die zur Beobachtung solcher Gruppierungen angewandt würden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auch angesichts dieser ausführlichen Antwort die Nachfrage: Wie könnten Sie konkret die Grenze beschreiben, ab der das Rücksicht nehmende Moment der Wahrung der Meinungs- und Religionsfreiheit nicht mehr wirken kann? Denn es gibt ja schillernde Übergänge zwischen geistig-religiösen und politischen Äußerungen. Wann also wäre die Grenze erreicht, bei deren Überschreitung die Bundesregierung sagen würde: Jetzt greifen die grundgesetzlich verbrieften Rechte auf Meinungs- und Religionsfreiheit nicht mehr.

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Frau Kollegin, ich bitte, mich nicht zu überfordern. Das ist eine rechtlich sehr schwierige Problematik. Sie wissen, es gibt morgen eine Expertenanhörung in der Enquete-Kommission, in der es um sogenannte Sekten und Psychogruppen und deren Bewertung geht. Ganz generell würde ich sagen: Wenn die Tatbestände des Verfassungsschutzgesetzes erfüllt sind, also nach außen gerichtete entsprechende Tätigkeiten entfaltet werden, besteht in der Tat Anlaß zu prüfen, ob nicht entsprechende Instrumente selbst gegenüber diesen Privilegien genießenden Gruppen und Sekten zum Einsatz kommen sollten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe jetzt die Frage 52 der Abgeordneten Gisela Schröter auf: Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Ausbreitung und Aktivitäten „neugermanisch-heidnischer Gruppen " in den einzelnen skandinavischen Ländern und in Großbritannien und deren Verbindungen zu. deutschen Gruppen vor, und gibt es im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit diesem Problembereich eine spezielle Zusammenarbeit mit diesen Ländern?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Konkrete Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. Lägen solche Erkenntnisse vor, so stünde einem Erkenntnisaustausch mit den genannten Staaten nichts entgegen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bitte.

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hinweise liegen Ihnen also auch nicht vor?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich weiß jetzt nicht, was Sie unter „Hinweise" verstehen.

Gisela Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002086, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben gesagt, „konkrete Erkenntnisse" lägen nicht vor. Haben Sie denn irgendwelche Hinweise?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Ich darf es Ihnen vielleicht erläutern: Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß wir Hinweise darauf haben, daß bestimmte Gruppen, die übrigens schon beobachtet werden, versuchen, ihre Publikationen auch im Ausland zu etablieren. Es gibt ja auch den bekannten Vorgang, daß eine Organisation ihren Sitz ins Ausland verlegt hat. Wenn Sie das unter „Hinweisen" verstehen, so liegen solche Hinweise vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine zweite Zusatzfrage stellen? - Dann kann der Kollege Vergin nachfragen.

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hier ist zwar nach den Tätigkeiten und der Ausbreitung in Skandinavien und Großbritannien gefragt worden. Ich möchte Sie dennoch fragen, inwieweit eine Zusammenarbeit mit Österreich und der Schweiz bekannt ist?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Diesbezüglich liegt mir im Moment nichts vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Dann rufe ich Frage 53 der Abgeordneten Schröter auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß Jürgen Rieger, Rechtsanwalt, führendes Mitglied und Sympathisant verschiedener rechtsextremer und neuheidnischer Gruppen ({0}), für seinen neuen schwedischen Standort EU-Gelder beantragt und erhalten hat, und hat die Bundesregierung die antragsbewilligende Behörde über den Antragsteller Jürgen Rieger informiert und gegen einen solchen Antrag und dessen Bejahung protestiert?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Der Antrag und die Auszahlung in Schweden sind der Bundesregierung durch einschlägige Presseberichte bekanntgeworden. Der Angelegenheit wird jetzt nachgegangen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Reicht Ihnen das? - Gut. Wir kommen zur Frage 54 der Abgeordneten Angelika Mertens: Welche näheren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Sozialstruktur innerhalb der Mitgliedschaft des „Bundes für Gotteserkenntnis ({0}) e. V."?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die führenden Mitglieder des rund 240 Personen umfassenden „Bundes für Gotteserkenntnis ({0}) e. V." gehören akademischen Berufen an. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder beträgt zirka 70 bis 80 Jahre. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? ({0}) Wir kommen zur Frage 55 der Abgeordneten Angelika Mertens: Welche Auflage hat die vom „Bund für Gotteserkenntnis ({1}) e. V." herausgegebene Schrift „Mensch und Maß", die in der Vergangenheit mehrfach in Verfassungsschutzberichten des Bundes erwähnt worden ist ({2}), und welche Rückschlüsse lassen sich daraus ableiten für den Umfang der Anhängerschaft des „Bundes für Gotteserkenntnis ({3}) e.V."?

Eduard Lintner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001351

Die Auflagenhöhe der Schrift „Mensch und Maß" wird auf 2 000 Exemplare geschätzt. Rückschlüsse auf den Umfang der Anhängerschaft des „Bundes für Gotteserkenntnis ({0}) e. V." lassen sich daraus erfahrungsgemäß nicht ableiten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Es liegen keine weiteren Fragen mehr zu diesem Geschäftsbereich vor. Danke schön, Herr Staatssekretär. Für die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Rolf Kutzmutz ist schriftliche Beantwortung erbeten worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Der letzte Geschäftsbereich, den ich heute aufrufe, ist der des Bundesministeriums der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser wird die Fragen beantworten. Als erstes rufe ich die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Klaus Rose auf. - Er ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich rufe die Frage 59 der Abgeordneten Iris Follak auf: Hält es die Bundesregierung für richtig, daß nachweislich rechtsextremistisch agierende Vereine „gemeinnützig anerkannt" sind, und wenn nein, welche Schritte werden jeweils unternommen, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Follak, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Politische Zwecke zählen grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken. Die Gemeinnützigkeit ist deshalb zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung eines Vereins festgelegt ist oder der Verein tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt. Außerdem darf ein Verein nur dann als gemeinnützig behandelt werden, wenn er sich bei seiner Betätigung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt. Für die Beurteilung und Entscheidung steuerlicher Einzelfälle sind die Finanzbehörden der Länder zuständig. Sie haben dabei die genannten Grundsätze zu beachten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie nachfragen? ({0}) Ich sehe, daß der Kollege Vergin eine Frage hat.

Siegfried Vergin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, das Problem ist, daß das Steuergeheimnis keine Auskünfte zuläßt. Für uns ist dieses Problem inzwischen ein Ärgernis, weil die Gemeinnützigkeit von Leuten in Anspruch genommen wird, die unserem Staat letztendlich nicht gut wollen. Halten Sie es für notwendig, daß der Bundesgesetzgeber in dieser Frage aktiv werden muß, weil die Tätigkeit gemeinnütziger Vereine solche Formen angenommen hat, daß gehandelt werden muß?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Ich denke, daß der Gesetzgeber hier bereits ausreichend Vorsorge getroffen hat. Um als gemeinnützig anerkannt zu werden, muß ein Verein eine entsprechende Satzung einreichen sowie seinen steuerlichen Verpflichtungen usw. nachkommen. Ein Problem liegt dann vor, wenn ein solcher Verein in seiner Satzung zulässige gemeinnützige Zwecke angibt, sich dann aber anders verhält. Für diese Fälle gibt es genügend Möglichkeiten und Instrumente der zuständigen Länder, die Gemeinnützigkeit wieder zu entziehen. Es kommt allerdings auf den Einzelfall an. Dabei wirkt das Steuergeheimnis für uns als Barriere. Ich möchte Sie bitten: Wenn Sie solche Fälle kennen oder wenn Sie vermuten, daß Vereine ihren Zweck mißbrauchen, dann sollten Sie das ganz konkret sagen, damit wir diesen Fällen nachgehen können.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich rufe die letzte Frage der heutigen Fragestunde, die Frage 60 der Abgeordneten Iris Follak auf: Sind der Bundesregierung Hinweise der Landesämter für Verfassungsschutz an die zuständigen Behörden bekannt, extremistisch agierenden Vereinen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Die Bundesregierung wird in der Regel nicht informiert, wenn die Innenbehörden eines Landes eigene Erkenntnisse über extremistische Betätigungen eines Vereins an die Finanzbehörden ihres Landes weitergeben. Es handelt sich hierbei um landesinterne Angelegenheiten.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst werden keine Zusatzfragen mehr gestellt. - Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Fragestunde ist beendet. Da sich alle Kollegen auf den Beginn der Aktuellen Stunde um 15 Uhr eingestellt haben, unterbreche ich die Sitzung für fünf Minuten. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ich eröffne die kurzfristig unterbrochene Sitzung und rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Haltung der Bundesregierung zu den Auswirkungen prognostizierter Steuerausfälle auf den Bundeshaushalt, den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit sowie deren Folgewirkungen für den Arbeitsmarkt Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Gerd Andres, SPD.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 25. Oktober gab es eine ddp-Meldung mit der Überschrift „Blüm lehnt neue Vorschläge zu Kürzungen im Sozialbereich ab". Mir liegt eine AP-Meldung vor: „Blüm gegen Kürzung beim Arbeitslosengeld" . Quer durch den deutschen Blätterwald konnte man vernehmen, daß der Bundesarbeitsminister erklärte: Im Sozialbereich ist nichts mehr drin. Nach der Haushaltslöchersammelrunde vom vergangenen Wochenende wissen wir, was wir von den Aussagen von Norbert Blüm halten können - nämlich nichts! Der Bundesarbeitsminister ist umgefallen. ({0}) Besonders tragisch ist in diesem Zusammenhang, daß sich die Sparmaßnahmen auf den Arbeitsmarkt dramatisch auswirken. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit hat in der „Bild"-Zeitung vom 11. November ein Interview gegeben, in dem folgendes zu lesen ist: Bei gleichbleibender Arbeitslosigkeit ist es auch problematisch, bei den Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu sparen, weil das mehr Arbeitslose bedingen würde, die dann wieder Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhalten müßten. Dieser Aussage von Herrn Jagoda ist nichts hinzuzufügen. Daß der Bundesarbeitsminister aus seinem Etat 1 Milliarde DM liefern muß, um ein 3-MilliarGerd Andres den-DM-Loch kurzfristig zu schließen, und dies ausgerechnet mit Einsparungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gemacht wird, halte ich für ganz dramatisch. ({1}) Der Bundesarbeitsminister war um halb zwölf im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Er hat zu den Haushaltsdaten selbst eingeräumt, daß diese Einsparungen im Bereich Fortbildung und Umschulung bei der Bundesanstalt für Arbeit 40 000 zusätzliche Arbeitslose im kommenden Jahr bringen werden. Die 1 Milliarde DM umgesetzt heißt: 40 000 Maßnahmen werden gestrichen. Es bleibt aber nicht bei diesen 40 000. Vielmehr muß man die Strukturen sehen, die sich dahinter verbergen. Wir haben Trägerorganisationen und anderes. Es bleibt auch nicht bei der Einsparung von 1 Milliarde DM. Der Bundesarbeitsminister selbst hat im Ausschuß eingeräumt, daß man eigentlich 1,2 Milliarden DM für Einsparungen ansetzen müßte, diese weiteren 200 Millionen DM aber sozusagen nicht den Bundeshaushalt belasten. Ich finde, daß die Bundesregierung mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen exakt das Gegenteil von dem praktisch bewirkt und tut, was sie öffentlich vorgibt, zu tun. Das Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung führt nicht zu mehr Beschäftigung. Man kann an vielen Einzelpositionen nachweisen, daß es zum Abbau von Beschäftigung und zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit in diesem Lande führt. ({2}) Die Fälle, die man aufführen kann, betreffen beispielsweise den Reha-Bereich. Dazu wird mein Kollege Haack etwas sagen. Wir erleben dieser Tage - das sind weitere Folgemaßnahmen von finanzpolitischen Operationen, die Sie vorhaben - hier in Bonn und an anderen Stellen Proteste von Bergarbeitern. In unmittelbarer Nähe zu uns gibt es eine Mahnwache der Bergarbeiter. Es ist, wenn sich Ihr finanzpolitisches Kalkül durchsetzt, absehbar, daß es zur weiteren Erhöhung der Arbeitslosenquote mit einer Verschärfung des Finanzchaos in diesem Lande kommen wird. Deswegen muß man dazu übergehen, eine stringente Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung real umzusetzen. ({3}) Herr Bundesarbeitsminister - ich habe den Bundesarbeitsminister heute im Ausschuß „genossen" -, die Philosophie, die dahintersteckt, ist, daß Sie antreten und sagen: Wir tun jetzt alles für den ersten Arbeitsmarkt. - Wunderbar! Deswegen wird bei Forschung gestrichen, deswegen wird im Verkehrsetat gestrichen, und deswegen wird nichts zur Ankurbelung der Binnennachfrage und zu anderen Dingen mehr getan. Im zweiten Arbeitsmarkt zu streichen und die Menschen in die Arbeitslosigkeit zu treiben, aber im ersten Arbeitsmarkt nichts zu tun heißt, die Brücken, die vorhanden und gesellschaftlich notwendig sind, mutwillig einzureißen. ({4}) Der Bundesarbeitsminister wird im Blätterwald als jemand dargestellt, der auf dem Abstieg ist. Ich habe hier einen Artikel der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Da heißt es: „Trotz allem hält Norbert Blüm aus. " Die Unterzeile, Herr Bundesarbeitsminister, ist sehr bemerkenswert: „Der Haushalt des Bundesarbeitsministers wird in Bonn als Steinbruch genutzt." Alles, was Ihnen in den Konsolidierungsrunden einfällt, sind Kürzungs- und Streichungsmaßnahmen im sozialen Bereich. Sie sind aufgefordert, aktiv etwas für die Beschäftigung zu tun. Das wäre Ihre Aufgabe in diesem Amt. Sie sind im Oktober auf dem Bundeskongreß der CDU als der Schildknappe des Bundeskanzlers bejubelt worden. Ich habe vielmehr den Eindruck, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie mehr und mehr zum Sancho Pansa werden, zu einer tragischen Gestalt, die mit den untauglichsten Mitteln den Kampf gegen Windmühlenflügel führt. Ich habe eine herzliche Bitte an Sie - ich kenne ja Ihre Reden -: Sie sollten sich merken, Herr Bundesarbeitsminister, man darf nie so tief sinken, daß man von dem Kakao, durch den man selber gezogen wird, auch noch trinken muß. ({5})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das Thema der Aktuellen Stunde anders verstanden als der Kollege Andres. ({0}) - Ja gut, dann haben Sie das Thema verfehlt. Ich habe erwartet, daß jetzt Vorschläge kommen, wie die Situation bei den Steuereinnahmen verbessert werden kann, wie wir die Situation auf dem Arbeitsmarkt insgesamt verbessern können, und nicht eine fast stupide Konzentration auf das Thema Arbeitsmarktpolitik, gewissermaßen Staatssozialismus in einem bestimmten Bereich, um zu sagen: Wir schaffen Arbeitsplätze fast ausschließlich durch das, was die öffentliche Hand machen kann. Sie haben eine Reihe von Dingen angesprochen, die meines Erachtens völlig neben der Sache lagen und die Situation völlig falsch beschrieben haben. Ich darf das Stichwort Kohle nennen. Ich nehme den Protest der Kohlearbeiter, die draußen demonstrieren, durchaus ernst. Wenn ich einmal zusammentrage - das dürfte für die Öffentlichkeit interessant sein -, was im Bundeshaushalt, ohne den Kohlepfennig zu berücksichtigen, für das nächste Jahr vorhanden ist, um die Kohle zu stützen, dann komme ich - ohne die Knappschaft - auf über 8 Milliarden DM. ({1}) In den nächsten vier Jahren macht das - mit der Knappschaft - 55 Milliarden DM aus. Und dann treiben Sie die Leute hierher, um den Eindruck zu erwecken, wir wollten der Kohle den Garaus machen. Das ist doch unglaublich. ({2}) Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte - ich glaube, Sie sollten ertragen, daß ich das sage -, sind die Maßnahmen, die der Bundesarbeitsminister zugestanden hat. Es ist für ihn natürlich nicht einfach, wenn er aus seinem Einzelplan bestimmte zusätzliche Beiträge erbringen muß. Ich will in diesem Zusammenhang nur ein Thema nennen: Fortbildung und Umschulung. Wir haben in den letzten vier Jahren in den neuen Bundesländern drei Millionen Fortbildungen und Umschulungen bei sechs Millionen Beschäftigten gehabt. Das heißt, jeder zweite ist inzwischen umgeschult, manch einer von denen schon das zweite und das dritte Mal. Das zeigt doch, daß dieses Rezept nicht das alleinseligmachende ist, wenn ich die Probleme des Arbeitsmarktes in den Griff bekommen möchte. ({3}) Sie haben sich um die Tatsache herumgemogelt, daß wir 14,7 Milliarden DM als Bundeszuschuß geben müßten, wenn wir das alles in dem Umfang aufrechterhalten wollten, wie Sie das gerne hätten. Wir müßten diese 14,7 Milliarden DM als Bundeszuschuß geben oder den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um ein Prozent erhöhen. Das wollen wir nicht, und deshalb waren Kürzungen notwendig. Ich stelle fest, daß wir bei wichtigen, notwendigen Entscheidungen als Koalition hier im Parlament und gegenüber dem Bundesrat auf Ihre Hilfe zur Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht rechnen können. ({4}) Wir konsolidieren die Staatsfinanzen nicht deshalb, weil wir jemanden bestrafen wollen, weil wir die Situation verschlechtern wollen. Vielmehr ist unser Hauptziel, durch eine Belebung der Wirtschaftsdynamik zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. ({5}) Die Belebung der Wirtschaftsdynamik ist das oberste Ziel. Das erreichen Sie nicht dadurch, daß Sie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausweiten. Weil Sie das Thema Arbeitsmarkt angesprochen haben, will ich in wenigen Stichworten aufzählen, was wir in diesem Bereich - auch bei einem reduzierten Haushalt - an gewaltigen Anstrengungen unternehmen: Durch Absenkung der Fördersätze für Entgelte bei ABM bringen wir 18 000 Menschen zusätzlich in Arbeitsverhältnisse. Die Einstellungszuschüsse bei Neugründungen bringen 7 000 Menschen zusätzlich in Arbeitsplätze. Das Volumen der Maßnahmen nach § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes haben wir verdoppelt: Wir haben die 1 Milliarde DM im Haushalt - das müssen sie mit der Milliarde gegenrechnen, die die Bundesanstalt bereitstellt - um 1 Milliarde DM auf 2 Milliarden DM erhöht. Auch dies bedeutet eine Fülle zusätzlicher Arbeitsverhältnisse, weil wir es dadurch den Betrieben ermöglichen, Lohnzuschüsse für Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen. Es ist vorgesehen, in Wirtschaftsunternehmen des gewerblichen Bereichs zusätzliche Personaleinstellungen zu fördern: 15 000 zusätzliche Arbeitsplätze; Langzeitarbeitslosenprogramm: 180 000 Arbeitsplätze. Es werden Mittel bereitgestellt, um neue Wege im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu erproben. Sie müssen sich einmal mit dem Gedanken anfreunden, daß man hier nicht immer bloß den gleichen Quatsch erzählt, sondern daß man auch neue Vorschläge macht, neue Ideen bringt. ({6}) Wir stellen im Bereich des Arbeitsmarktes für neue Wege 60 Millionen DM bereit. Mit der Reform des Arbeitsförderungsrechts - da steht Ihre Zustimmung aus - wollen wir mehr Belebung erreichen, wollen wir die Arbeitsämter ermächtigen, flexibler zu handeln. Wie sieht es aus? Stimmen Sie im Vermittlungsausschuß zu, damit das Gesetz den Bundesrat passieren kann, damit es über die parlamentarischen Hürden kommt! Zu der Fülle neuer Maßnahmen gehört natürlich auch die Unternehmensteuerreform. Dies bedeutet auch frischen Wind für die Wirtschaft, heißt auch mehr Dynamik, heißt auch Belebung des Arbeitsmarktes. Hier ist Ihre Zustimmung ebenfalls gefordert. Ich frage einmal: Wie sieht es mit den eigenen Entscheidungen aus? Im Frühjahr hat der Bund den Ländern einen Dialog über gemeinsame Sparmaßnahmen angeboten. Da wurde gesagt: nein. Der Finanzminister hat verantwortlich vor den Wahlen im März eine Haushaltssperre verhängt. Die Länder haben dazu gesagt: nein. Dann haben sie sich in Krickenbeck getroffen ({7}) und haben dann eine Giftliste erstellt, die dann keiner geschrieben haben wollte

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Zeit, Herr Kollege!

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- letzter Satz -, und wollten wieder zusammenkommen, um zu entscheiden, was dann zu tun sei. Im Herbst haben Sie gesagt: Wir machen das im Winter. Heute lese ich in der Zeitung: Der Finanzminister von Schleswig-Holstein zieht jetzt die Notbremse für Ausgaben. Wie will er das für 1996 überhaupt noch wirksam machen? Trickserei, Verzögerung, Blockade im Haushaltsausschuß in den letzten Wochen - das ist keine Alternative zu einer Politik, die den Arbeitsmarkt beleben möchte, die mehr Dynamik für mehr Arbeitsplätze erreichen möchte. Herzlichen Dank. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Annelle Buntenbach, Bündnis 90/Die Grünen.

Annelie Buntenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Austermann, Sie sagen, Sie ergriffen alle diese Maßnahmen deswegen, um die Wirtschaftsdynamik in Gang zu bringen. Man kann sich sehr darüber streiten - darüber hat es auch sehr viele Fachdebatten gegeben -, ob das eine Wirtschaftsdynamik überhaupt in Gang setzt. Ich würde behaupten: nein. Völlig klar ist aber, daß jeder Wirtschaftsaufschwung - und sei er noch so klein gewesen - in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt immer voll und ganz vorbeigegangen ist und die Leute auf der Straße stehengelassen hat. ({0}) Sie meinen doch nicht ernstlich, daß wir bei einem so dramatischen Höchststand von Arbeitslosigkeit, wie wir ihn im Moment in der Bundesrepublik haben, auf Maßnahmen von aktiver Arbeitsmarktförderung verzichten können. Vielmehr sind sie dringend nötig. Genau darüber habe ich in Ihrem Beitrag kein Wort gehört. Statt dessen stolpert die Bundesregierung von Haushaltsloch zu Haushaltsloch und verspielt dabei den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit. Denn was sie gestern zugesagt hat, gilt heute nicht mehr. Oder, Herr Minister Blüm, wollen Sie abstreiten, daß Sie noch im September völlig zu Recht festgestellt haben, daß in Nürnberg nichts mehr zu holen sei? ({1}) Wenn Ihr Finanzminister hier in seiner Verzweiflung nach jedem Strohhalm greift, dann ist es doch Ihre Verantwortung als Arbeitsminister, ihm klarzumachen, was für einen unglaublichen Schaden er anrichtet, wenn diese Regierung noch mehr Einschnitte bei der Arbeitsförderung vornehmen will - und das, obwohl die Arbeitslosenzahlen weiter steigen. Ich will ja gar nicht auf das Datenchaos eingehen, mit dem die Bundesregierung uns jeden Herbst zwischen Steuerschätzungen, Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit, Nachbewilligungen, Schätzungen von Arbeitslosenzahlen und dem Haushaltsentwurf in diesem Haus konfrontiert. Genau wie voriges Jahr werden wieder hochspekulative Einsparungen gerade im Einzelplan Arbeit und Soziales unterstellt, die zum Teil im Bereich von Gesetzen zustande kommen sollen, die überhaupt noch nicht in Kraft sind. Darüber können wir, denke ich, in der Haushaltswoche noch sprechen. Aber ich möchte schon anmerken, daß Sie mit Ihren offensichtlichen Versuchen Ihren Haushalt entgegen den bekannten Fakten schönzurechnen, das Parlament einem unwürdigen Verfahren aussetzen. ({2}) Jetzt haben Sie, Herr Arbeitsminister, eine weitere Kürzung um eine Milliarde bei Fortbildung und Umschulung zugesagt. Daraus werden, wie immer, wenn Sie, Herr Blüm, hier auftreten, sicherlich gleich wieder Wohltaten für die Menschheit. ({3}) - Ja, Sie haben heute morgen im Ausschuß schon einmal sehr plausibel gemacht, wie mit weniger Geld viel mehr neue Stellen zustande kommen. Sie versuchen - wie andauernd im letzten Jahr - Stroh und andere minderwertige Stoffe zu Gold zu spinnen und der Öffentlichkeit eine absolut unverdauliche Regierungspolitik zu verkaufen. ({4}) Diese Regierungpolitik folgt der Richtlinie kurzfristiger Einsparungen zusammen mit Schönrechnereien, damit der Haushalt hübsch oder wenigstens noch passabel aussieht, koste es langfristig, was es wolle; denn daß uns die Kürzungen bei der Berufsförderung langfristig teuer zu stehen kommen und zu höherer Arbeitslosigkeit führen, das sagt selbst Herr Jagoda, der bekanntlich nicht nur Präsident der Bundesanstalt für Arbeit ist, sondern auch Ihr Parteifreund, Herr Blüm. Sie beschneiden, wenn Sie bei den Mitteln für Fortbildung und Umschulung kürzen, ganz empfindlich die Chancen für Erwerbslose, die nicht aus eigener Kraft den Sprung in den olympiareifen ersten Arbeitsmarkt schaffen, überhaupt noch mit einer Maßnahme gefördert zu werden. Denn schließlich sollen der Bundesanstalt für berufliche Qualifizierung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in 1997 10 Prozent weniger zur Verfügung stehen als dieses Jahr. Herr Minister, Sie werden es einfach nicht schaffen, uns hier so schwindelig zu reden, daß wir meinen, daß damit mehr und nicht weniger für Erwerbslose zu machen ist. Sparen tut das Ganze auch kurzfristig nur wenig; denn schließlich müssen, wenn keine aktiven Maßnahmen mehr bezahlt werden, auf jeden Fall die passiven Leistungen an die ArbeitsloAnnelie Buntenbach sen fließen, das heißt Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder gegebenenfalls ergänzende Sozialhilfe. Statt daß die Bundesregierung also wenigstens den Versuch, mit aktiven Maßnahmen eine Perspektive für die Betroffenen zu entwickeln, unternimmt, werden diese Betroffenen als Kostenfaktor zwischen Bundeshaushalt, Bundesanstalt für Arbeit und Kommunen hin und hergeschoben. Die langfristigen gesellschaftlichen Kosten dieser Verzweiflungstaten sind immens. Die Dauer von Arbeitslosigkeit nimmt immer mehr zu. Dazu haben Sie auch schon mit Ihrer Verlängerung der Zugangsvoraussetzungen für AB-Maßnahmen von sechs auf zwölf Monate beigetragen. Jeder weiß: Je länger Menschen arbeitslos sind, desto mehr Unterstützung brauchen sie, um wieder Fuß zu fassen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zementieren mit dieser Politik Ausgrenzung. Gesamtgesellschaftlich gesehen verschleudern Sie ein immenses Qualifikationspotential, in das Energie und auch Mittel investiert worden sind und das ohne aktive Unterstützung durch Arbeitsförderung sehr schnell verfällt. Gesamtgesellschaftliche Perspektiven scheinen Sie bei Ihren kurzfristigen konzeptionslosen Sparmanövern immer weniger zu interessieren; bestenfalls interessiert Sie noch, ob es Ihnen gelingt, mit einem halbwegs passablen Bild in der Öffentlichkeit durchzukommen. Dafür nehmen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dann in Kauf, daß dieser Verschiebebahnhof von Kosten und Ihre Schönrechnereien Sie immer wieder einholen.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Zeit, Frau Kollegin!

Annelie Buntenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. 1996 haben Sie jetzt schon wegen Ihrer fälschlich hochgerechneten Daten 7,2 Milliarden DM für die Bundesanstalt für Arbeit und 5,5 Milliarden DM bei der Arbeitslosenhilfe nachbewilligen müssen. 1997 wird es Ihnen nach dem, was Sie uns jetzt hier vorgelegt haben, nicht anders gehen. Ihr Haushalt hat entschieden zu kurze Beine. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Weng, F.D.P.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ziele der Haushaltspolitik der Koalition, die Ziele der Haushaltspolitik der F.D.P. sind eindeutig. Durch sparsamen Umgang mit den öffentlichen Geldern wollen wir die viel zu hohe Belastung unserer Bürger senken, wollen wir den Wirtschaftsstandort wieder verbessern und wollen wir eine bessere Situation für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ebenso wie für die Stabilisierung vorhandener Arbeitsplätze in Deutschland erreichen. ({0}) Das statische Denken der Opposition, das aus den Ausführungen der Kollegen deutlich geworden ist, ist erschreckend. Sie tun immer so, als sei viel Geld zum Verteilen vorhanden. Sie tun immer so, als ob der Besitzstand und der Sachstand garantiert wären. Wenn wir den Standort nicht verbessern, dann müssen wir damit rechnen, daß sich die Situation noch verschärft. Deswegen sollten Sie Ihre Blockadehaltung aufgeben. ({1}) Die nach der Wiedervereinigung entstandene Situation macht es unmöglich, die einfachen Wege zu gehen, die die SPD-geführten Bundesregierungen immer gegangen sind, nämlich ins Schuldenmachen auszuweichen. ({2}) Die lauten Schreier nach Sparsamkeit, wie Frau Matthäus-Maier, sind plötzlich ruhig geworden, weil es ihnen erst einmal darum geht, sehr viel zu versprechen. Die Sparsamkeit kommt erst an zweiter Stelle. Diese Doppelzüngigkeit werden wir Ihnen vorhalten, weil Sie sich mit Ihren Vorstellungen in der Öffentlichkeit nicht durchsetzen dürfen. Der schon jetzt fast unerträglich wachsende Schuldenberg bedeutet, daß wir in punkto Schuldenmachen das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Es gibt keine bequemen Wege wie Steuererhöhungen oder höhere Schulden. Deswegen bleibt uns nur der schwierige Weg der Einsparungen. ({3}) In jedem Jahr gibt es zwischen der Verabschiedung des Haushaltes im Kabinett und der abschließenden Beratung durch den Deutschen Bundestag eine Vielzahl von Veränderungen, die im laufenden Verfahren berücksichtigt werden müssen. Zwei Änderungen sind in diesem Jahr besonders umfangreich. Sie kennzeichnen den zusätzlichen Handlungsbedarf beim Sparen, vor dem wir im Augenblick stehen. Zum ersten ist trotz der Prognose eines ordentlichen Wirtschaftswachstums nicht mit einem spürbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit für das kommende Jahr zu rechnen. ({4}) Dies ist jedenfalls die Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeit. Das bedeutet aber, daß trotz der erheblichen Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen der Bundesanstalt auf einen Bundeszuschuß im kommenden Jahr nicht verzichtet werden kann. Diesen Punkt vergessen Sie immer: Wir planen im Haushalt einen Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit in einer Größenordnung von über 4 Milliarden DM. Diese Summe von über 4 Milliarden DM muß Dr. Wolfgang Weng ({5}) natürlich an anderer Stelle eingespart werden, wenn man nicht höhere Belastungen der Bürger und höhere Schulden verursachen will. ({6}) Zum zweiten ist das zeitnahe Ergebnis der Steuerschätzung wichtig. Es tut bitter weh, wenn nach dieser Prognose allein der Bund - die Länder befinden sich übrigens in einer vergleichbar schwierigen Situation - mit einer verringerten Einnahme von über 5 Milliarden DM für das kommende Jahr rechnen muß. Die Opposition fragt in der Aktuellen Stunde nach den Auswirkungen dieser auftretenden Haushaltslücken. Sie wissen ganz genau, daß die Koalition im Rahmen eines jetzt eng werdenden Zeitplans in intensiven Beratungen mit dem Finanzminister zu einem Ergebnis gekommen ist, das zu einer Reihe von Veränderungen im Haushalt führt, über die wir morgen in abschließender Beratung im Haushaltsausschuß debattieren werden. Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß zusätzliche Einsparungen im Bundeshaushalt in einer Größenordnung von 3 Milliarden DM für das kommende Jahr unvermeidlich sind. Diese Einsparungen werden notwendig sein, um den sehr hohen Stand der Verschuldung - man sollte nicht so tun, als ob uns der Grad der Verschuldung in Deutschland zufriedenstellen könnte - wenigstens zu halten und nicht zu übertreffen; denn sonst werden die Standortbedingungen in Deutschland immer weiter und nachhaltig verschlechtert. Wenn wir die Kriterien für die Teilnahme an der Währungsunion verfehlen würden, dann müßten wir in Deutschland von ganz anderen wirtschaftlichen Problemen und Haushaltskonsequenzen reden. ({7}) In dieser schwierigen Lage werden Verfahrensfragen wichtig. Natürlich ist die Frage, ob wir jetzt mit einer sehr detaillierten Beratung beginnen oder ob wir durch Einhalten des Zeitplans ein geordnetes Inkrafttreten des Haushalts 1997 garantieren sollten, von entscheidender Bedeutung. Wir haben uns für das letztere entschieden, um Handlungsfähigkeit, auch für die Bundesregierung, im kommenden Jahr herzustellen. Solche Zeiten wie die, in denen Regierungen über viele Monate eines neuen Jahres beim Haushalt nicht auf der Basis parlamentarischer Entscheidungen verfahren konnten, wollen wir nicht wieder erleben. Das wird aber bedeuten - ich sage das voraus; Sie wissen es ja auch schon -, daß das Parlament von seinem Recht Gebrauch machen wird, der Regierung den Ausgabenspielraum auch durch globale Eingriffe zu begrenzen. Die Bundesregierung hat hier öffentlich bekanntgewordene eigene Vorschläge unterbreitet, wie dies möglichst sachgerecht geschehen kann. Ich hoffe sehr, daß die Opposition bei den jetzt anstehenden Schlußberatungen über den Haushalt nicht wieder auszieht wie im letzten Jahr, wo sie sich lächerlich gemacht hat, ({8}) als sie ihre parlamentarischen Mitwirkungsrechte an der Garderobe abgegeben hat. Ich hoffe auch auf Unterstützung durch die Opposition, wenn es darum geht, durch tatsächliche Einsparungen und durch eine sorgfältige Begleitung der Aufwendungen für die Bundesanstalt für Arbeit die für Arbeitsplätze in unserem Land notwendige Situation schaffen zu helfen. Geben Sie Ihre Blockadepolitik auf. Damit erreichen Sie mehr als mit einer solchen unnötigen Aktuellen Stunde einen Tag vor den Ausschußberatungen, in denen wir über alle Details dessen, was Sie heute hier hören wollen, sprechen können. ({9})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Ihre Zeit, Herr Kollege!

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Koalition und die F.D.P. stellen sich jedenfalls dem Gebot der Stunde, über Sparen im öffentlichen Bereich nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Dr. Christa Luft, PDS.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Austermann und Herr Weng, aber auch alle anderen Abgeordneten der Koalition: Sie können sich wegen der umfänglichen Mittel, die für die Arbeitsmarktpolitik in den Haushalt eingestellt sind, doch nicht pausenlos auf die Schultern klopfen. Sie müßten doch vielmehr mit sich ins Gericht gehen und fragen, weshalb denn der erste Arbeitsmarkt trotz radikalster Kürzungen von Sozialleistungen sozusagen nicht anspringt. ({0}) Den, der mit offenen Augen durch dieses Land geht und die ökonomischen Gegebenheiten verfolgt, konnte doch die kürzliche Steuerschätzung überhaupt nicht aus den Angeln heben. Da gab es doch keinerlei Überraschungen. Insofern zeugt das hektische Handeln der Regierung meiner Meinung nach von Konzeptionslosigkeit und von verlorengegangenem Realitätssinn. Schon Mitte des Jahres, als der Haushalt aufgestellt wurde, waren die Fakten klar, und in den Folgewochen wurde es immer offensichtlicher: Das Wachstum dümpelte vor sich hin, die Firmenzusammenbrüche nahmen dramatische Ausmaße an, die Massenarbeitslosigkeit verharrt auf höchstem Niveau, und die Lohnsteigerungen sind sehr minimal. Es gehört zum ökonomischen ABC, daß aus allen diesen Fakten selbstverständlich Steuermindereinnahmen erwachsen. Da nützt es gar nichts, wenn der Bundesfinanzminister sagt, den Schuh der falschen Prognose ziehe er sich nicht an. Er hätte doch mindestens tätig werden müssen, um den Steuerhinterziehern und den Steuerflüchtlingen auf die Schliche zu kommen und damit die möglichen Steuereinnahmen zu sichern. Statt dessen kommen aus seinem Munde nun noch Vorschläge, die private Vermögensteuer abzuschaffen. Außerdem gibt es im Bundeshaushalt - ich will mich auf nur eine Stelle beschränken - enorme Bundeszuschüsse für den Konzern Daimler-Benz, der damit beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit im Flugzeugbereich betreiben soll. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür. ({1}) Mit dem unsolide finanzierten Haushaltsentwurf für 1997 und der Nacht-und-Nebel-Aktion einer neuerlichen Ausgabenkürzung um 3 Milliarden DM setzt sich jetzt fort, was der Finanzminister schon 1996 praktiziert hat und was der Bundesarbeitsminister leider brav abgenickt hat. Der Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit und die Mittel für die Arbeitslosenhilfe sind zum Selbstbedienungsladen der Regierung geworden. ({2}) Das, Herr Bundesminister Blüm, müßte wirklich gegen Ihre Ehre gehen. Sie von der Koalition und von der Bundesregierung müssen zugeben: Entweder machen Sie sich selbst etwas vor, indem Sie jetzt schnell mit dem spitzen Bleistift die Ausgaben mit den gesunkenen Einnahmen stimmig rechnen und in Kauf nehmen, daß Sie eine Nachfinanzierung von mindestens 10 Milliarden DM vornehmen müssen, weil es sich um gesetzliche Leistungen handelt, die Sie zu finanzieren haben, oder aber Sie haben weitere Einschnittsabsichten in Sozialleistungen schon im Tischkasten; dann sollten Sie das aber endlich auch offen sagen und nicht pausenlos dementieren, auch nicht Sie, Herr Bundesminister Blüm, denn Sie sagen immer: Weitere Kürzungen mit mir nicht. Das AFRG ist gerade mal eine Woche alt, und, man höre und staune, schon stehen weitere Kürzungsauflagen für den Bundesarbeitsminister auf der Tagesordnung. Zwei Wochen vorher hieß es noch aus dem Hause Blüm, weitere Kürzungen im Sozialbereich und in der Arbeitsmarktpolitik seien mit dem Grundgesetz nun wirklich nicht mehr vereinbar. Jetzt wollen Sie die Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen genauso zusammenstreichen wie die ABM-Maßnahmen in Ost und West. Sie nehmen weiteren Zehntausenden, vielleicht Hunderttausenden von Menschen die Hoffnung, durch Fortbildung und Umschulung eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. ({3}) Arbeitsämter werden nach den neuerlichen Maßnahmen überhaupt keine Behörden mehr mit der Aufgabe sein, den Bedürftigen das Existenzminimum zu sichern und zu neuen Jobs zu verhelfen. Es werden vielmehr reine Kontrollinstanzen sein, die, wie es immer heißt, Sündern im sozialen Netz nachspüren sollen. Die haushaltspolitische Hektik dieser Regierung zeigt sich auch darin - das war ja gestern ein großes Thema -, wie mit den Kürzungen im Rehabilitationswesen umgegangen worden ist. 20 000 Arbeitsplätze werden dort abgebaut - vornehmlich in strukturschwachen Gebieten, die sich von dem Kurwesen eine Perspektive versprochen haben. Eine Zusatzbelastung für die Bundesanstalt für Arbeit ist zwangsläufig. Den ständigen Ankündigungen des Bundeskanzlers und anderer Regierungsmitglieder, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 halbieren zu wollen, ist der letzte Zipfel an Glaubwürdigkeit verlorengegangen. ({4}) Statt weitere Schwüre abzugeben, daß die Nettokreditaufnahme auf dem vorgesehenen Niveau gehalten wird, sollte der Bundesfinanzminister endlich die vernünftigen Vorschläge der Opposition prüfen. Wir haben eine Fülle von Einsparungsmöglichkeiten benannt. Wir haben Möglichkeiten für die Erhöhung von Einnahmen genannt. Es ist noch Zeit, auf diese vernünftigen Vorschläge einzugehen. Danke schön. ({5})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Bundesminister Dr. Blüm.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Andres, ich habe hier vor vierzehn Tagen gesagt: Das Arbeitslosengeld wird nicht abgesenkt. - Es wird also nicht abgesenkt. ({0}) Ich habe das mit verfassungsrechtlichen Argumenten begründet, mit dem Abstand zwischen dem Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe. Dies habe ich angekündigt und gehalten. Anders ist dies bei den Ermessensleistungen. Dafür werden Sie die Verfassung nicht zu Hilfe rufen können; denn sonst wären das ja keine Ermessensleistungen. Hier wird die Entlastung - sie fällt mir nicht leicht - durch neue Instrumente kompensiert. Da liegt der erste grundsätzliche Irrtum Ihres Ansatzes. Sie meinen: Je mehr Geld für den zweiten Arbeitsmarkt, um so besser. Ich sage: Wir dürfen den ersten Arbeitsmarkt nicht so belasten, daß er nicht die Pforten öffnet, mehr Leute aus dem zweiten Arbeitsmarkt aufzunehmen. Das ist der prinzipielle Unterschied. ({1}) Ich habe das heute morgen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vorgetragen. Ich trage es hier und morgen noch einmal im Haushaltsausschuß vor. Wollen Sie Zahlen hören? ({2}) - Dann möchte ich es mit Zahlen erklären. Das ist ja eine verläßliche Sache. Der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit wird von der Selbstverwaltung am 22. November festgesetzt. Wieviel wir also an Entlastungen einplanen müssen, werden wir nach dem 22. November wissen. Dennoch liegt ein Haushalt der Bundesanstalt vor ({3}) - bleiben Sie ganz ruhig -, die nicht das letzte Wort hat. Der Respekt vor der Selbstverwaltung gebietet es deshalb, ihr letztes Wort abzuwarten. Sie hat beispielsweise im letzten Jahr einen Ansatz vorgelegt, der niedriger als der der Bundesanstalt war. 14,4 Milliarden DM! Wir haben durch das von Ihnen bekämpfte Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz 5 Milliarden DM eingespart. Es verbleibt ein Zuschußbedarf von 9,4 Milliarden DM. Das ist der Bedarf, den der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit genannt hat. Wir haben im Arbeitsförderungsgesetz - von Ihnen hier im Bundestag bekämpft - mit der Aufforderung an den Bundesrat weitere Entlastungsmaßnahmen durchgesetzt: Meldekontrollen, Verschärfung der Zumutbarkeit, Veränderung des Zahlungsrhythmus und Einbeziehen kurzzeitig Beschäftigter in die Versicherungspflicht. Das sind keine Vorschläge, die auf Kosten des Arbeitsmarktes gehen. Es ergeben sich Einsparungen von 2,1 Milliarden DM, globale Minderausgaben in Höhe von 0,5 Milliarden DM, bei ABM Entlastungen in Höhe von 1,7 Milliarden DM und nun noch die eine Milliarde DM, die Sie gerade attackiert haben. Es verbleibt ein Zuschußbedarf von 4,1 Milliarden DM. Das ist nach jetzigem Stand der Zuschußbedarf, über den wir diskutieren. Jetzt aber zu ABM, Fortbildung und Umschulung. Hier sind Entlastungen in Höhe von 1,7 Milliarden DM vorgesehen. Bei ABM sind das Entlastungen in Höhe von 850 Millionen DM. Sie können alles nachrechnen. Dadurch, daß wir die Bemessungsgrundlagen für ABM-Löhne absenken und den Zuschuß für die Träger begrenzen, sparen wir 615 Millionen DM. Es verbleibt also ein weiterer Betrag von 235 Millionen DM. Das sind 7 000 ABM-Plätze weniger. Diese 7 000 ABM-Plätze versuchen wir durch neue Instrumente zu kompensieren. Das ist, wie ich glaube, intelligenter, als nur auf ABM zu setzen. Ich danke ausdrücklich den aus den neuen Bundesländern kommenden Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, die diese Vorschläge gemacht haben, ({4}) nämlich das gemäß § 249 AFG pauschalisierte Arbeitslosengeld jetzt nicht nur Trägern dieser ABM-Projekte zu geben, sondern dieses Geld als Lohnkostenzuschuß für die Einstellung von Arbeitslosen nicht im zweiten, sondern im ersten Arbeitsmarkt zu nehmen. ({5}) Jetzt frage ich Sie: Was ist besser - das Geld für den zweiten oder für den ersten Arbeitsmarkt zu geben? Darauf antworte ich als Pragmatiker ohne alle Theorie: Hauptsache der Mann oder die Frau ist im ersten Arbeitsmarkt. Das ist besser als im zweiten Arbeitsmarkt mit der Hoffnung zu sein, irgendwann einmal in den ersten zu kommen. Hauptsache einmal drin und den Fuß in der Tür. ({6}) Wir schätzen, daß auf diese Weise 15 000 Arbeitslose in der gewerblichen Wirtschaft untergebracht werden. Wir müssen uns auch davor hüten, daß es keinen Mitnahmeeffekt gibt und daß kein Arbeitnehmer entlassen wird, um einen Arbeitslosen mit Lohnkostenzuschuß einzustellen. Das ist ganz wichtig. Deshalb wird der Zuschuß nur gewährt, wenn zusätzliche Einstellungen zu den Arbeitnehmerzahlen des letzten halben Jahres vorgenommen werden. Es kann also nicht die Drehtür benutzt werden: erst entlasse ich einen, um dann an einen billigeren Arbeitslosen heranzukommen. Das geht nicht; die Tür ist versperrt. Nochmals 15 000 Erweiterungen durch § 249 h für neue Sektoren macht mit den oben genannten 15 000 zusammen 30 000 Einstellungen. Die Einstellungszuschüsse bei Neugründungen geben gerade auch den Arbeitslosen die Chance, bei Neugründungen mitgenommen zu werden. Das macht noch einmal 20 000 Einstellungen aus. Wenn ich zusammenzählen kann, sind das schätzungsweise 50 000 neue Chancen für Arbeitslose. Dem steht eine Kürzung bei ABM von schätzungsweise 7 000 Stellen gegenüber. 50 000 weniger 7 000 sind 43 000. Rechne ich noch die 30 000 Plätze bei FuU ab, haben wir bei dieser Operation immer noch durch Kreativität an Stelle von Geldeinsammeln und -verteilen ein Plus von 13 000. So, das ist die Rechnung. Jetzt kommen wir zu FuU im Westen. Die 1 Milliarde DM, die wir zusätzlich sparen, sparen wir nicht in den neuen Bundesländern. Das ist eine ganz wichtige Mitteilung. Diese 1 Milliarde DM nehmen wir nicht allein bei FuU zurück, sondern sie kann auf FuU, Reha, berufliche Ausbildung und Förderung der Selbständigkeit verteilt werden. Dieser Bereich hat ein Gesamtvolumen von 21 Milliarden DM. Von 21 Milliarden DM wird 1 Milliarde DM abgezogen. Dann davon zu sprechen, wir ruinierten jetzt den Arbeitsmarkt, ist nicht nur eine maßlose Übertreibung, das ist einfach falsch. Die Hauptsache bei dieser ganzen Debatte ist: Wir brauchen Bewegung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Deshalb geht meine Aufforderung auch an die Unternehmen, diese Gesetze zu nutzen und die Entlastungen, die wir im Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz angeboten haben, als Einstellungschancen zu nutzen. Wir brauchen jetzt keine endlose Debatte über den zweiten Arbeitsmarkt, sondern mehr Bewegung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Sehen Sie, Herr Kollege Andres, wenn Sie sagen, ich wäre der Sancho Pansa, verstehe ich das als Kompliment. Sancho Pansa gilt als die Verkörperung des Realitätsprinzips. Insofern bekenne ich mich ausdrücklich zu dieser Figur. In der Tat geht es darum, jetzt nicht diese ganzen ideologischen Grabenkämpfe durchzuführen. Diese ganze Buchhalterei, nur mit Zahlen zu arbeiten, mache ich auch nur mit Mißmut. Diese Zahlenschlägereien helfen den Arbeitslosen nicht. Wir brauchen eine Zusammenarbeit der Tarifpartner mit den Unternehmern und das Angebot unserer Gesetze. Dazu stehen wir auch weiterhin. ({7})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Adi Ostertag, SPD.

Adolf Ostertag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001660, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesarbeitsminister sagt hier, daß wir keine ideologischen Grabenkämpfe führen sollten. Ich erinnere nur daran, daß diese Regierung Anfang des Jahres versprochen hat, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Was ist das eigentlich gewesen? Das war keine Ideologie, sondern ein handfestes Versprechen. Allerdings habe ich, als ich es zum erstenmal hörte, gedacht, es sei lediglich ein Versprecher dieser Regierung. Mehr kann es nicht sein. - Nun, ein halbes Jahr später, sind wir schlauer geworden und wissen, daß das, was wir gehört haben, nur ein Versprecher war. ({0}) Vergangene Woche stand der Arbeitsminister an diesem Rednerpult und hat das Papier noch einmal hochgehalten ({1}) mit diesem „Versprecher". ({2}) Ernst war das, was Sie gesagt haben, wohl nie gemeint. Übrigens: Was das Versprechen der Regierung Kohl wert ist, erleben wir in den letzten Tagen bei den Bergleuten. ({3}) Gesetzlich fixierte Zusagen werden nicht eingehalten. Der Termin beim Bundeskanzler wurde wieder verschoben. Wer weiß, wann er stattfinden wird? Die Bergleute werden hingehalten, und Herr Austermann stellt sich hierher und sagt, wir trieben die Leute zum Demonstrieren nach Bonn. ({4}) Man muß sich in der Tat fragen, ob Sie wirklich der Verstand verlassen hat. Sie sind es doch, die die Bergleute in Existenzängste treiben. ({5}) Deswegen sind sie hier; sie demonstrieren zu Recht. ({6}) Kohl ist von dem Ziel der Halbierung der Arbeitslosigkeit längst abgegangen. Gleich nach den Landtagswahlen im März ging es richtig los: Die Lohnfortzahlung wurde gesenkt. Der Kündigungsschutz wurde verschlechtert. Das sogenannte Beschäftigungsförderungsgesetz wurde aufgeweicht. Mit dem Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz, wie es so schön genannt wird, wurde im Juni noch eins draufgelegt. Letzte Woche ist in der Tat mit diesem „ Arbeitsförderungsrückschrittsgesetz " eine neue Qualität eröffnet worden. Ich nenne auch die Aufgabe des Vollbeschäftigungsziels. Wenn das Vollbeschäftigungsziel Ideologie sein soll, dann müssen Sie das hier sagen. Dieses Ziel ist aufgegeben worden. ({7}) Abbau aktiver Maßnahmen, Vernachlässigung beruflicher Qualifizierung und weitere Kürzungen von passiven Leistungen - das ist doch das Ergebnis. Keine der Maßnahmen der Bundesregierung bringt mehr Beschäftigung. Keiner hat dadurch einen Fuß im ersten Arbeitsmarkt, Herr Bundesarbeitsminister. Das, was Sie vorgelegt haben, sind fiktive Zahlen. Wir werden nächstes Jahr wahrscheinlich die traurige Bilanz bekommen. ({8}) Die Drohung mit dem Niedriglohnsektor steht dahinter. Wir werden sehen: Die Arbeitslosen werden ausgegrenzt, sie werden in unterbezahlte Jobs abgedrängt, und die Tarifautonomie wird ausgehöhlt. Das Motto „hire and fire" wird großgeschrieben. Die Gerechtigkeit bleibt mal wieder auf der Strecke. Neue Arbeitsplätze, wie hier eben angekündigt, werden durch Einsparungen in Höhe von 2,1 Milliarden DM nur im AFRG ganz bestimmt nicht geschaffen. ({9}) Jetzt wird mit der zusätzlichen Einsparung in Höhe von 1 Milliarde DM im Haushalt diese Katastrophenpolitik fortgesetzt. Die Bundesregierung verfährt eben nach dem Motto: Und ist es auch Wahnsinn, es hat doch Methode. Nach der jüngsten Statistik werden zirka 1,36 Millionen Personen durch die aktive Arbeitsmarktpolitik unterstützt; um diese Zahl wird der Arbeitsmarkt entlastet. Notwendig wäre es, dies zu stabilisieren und letzten Endes auszubauen. ({10}) Statt dessen geht es genau in die andere Richtung. Die Bundesregierung will das Haushaltsloch mit verkehrten Mitteln stopfen; denn Fortbildung und Umschulung sind aktive Maßnahmen. Die Zahlen dazu sind schon genannt worden. Die Arbeitslosigkeit wird also wieder aufgebaut werden. Selbst der Präsident der Bundesanstalt mahnt. Und das ist angesichts dessen, was er in den letzten Monaten und Jahren alles geschluckt hat, schon erstaunlich. Nur der Bundesarbeitsminister redet die Entwicklung gesund. „Mit weniger Geld mehr Erfolg" ist sein Motto bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Was nützen denn die neuen Instrumente, wenn dafür kein Geld vorhanden ist? ({11}) Die Kürzungen unterstreichen das nachhaltig; er hat uns dies hier noch einmal schön vorgerechnet. Dieser Vorgang macht klar, daß die Regierung wirklich unfähig ist, bei der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgabe, nämlich bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, politisch zu handeln. Der Bundesarbeitsminister ist eigentlich nur noch formal zuständig. Er ist wirklich Erfüllungsgehilfe der Katastrophenpolitik von Kohl und dem Bundesfinanzminister. ({12}) Noch schlimmer ist, daß er diese Politik, wie auch eben, ständig rechtfertigt. Wie lange noch, Herr Blüm, wollen Sie das eigentlich mitmachen? Ein Bundesminister für Arbeit, wie es im Titel heißt, der nichts mehr tun kann für mehr Arbeit, für die Sicherung bestehender Arbeitnehmerrechte und für die Verbesserung der Chancen der Arbeitslosen, der sollte besser seinen Hut nehmen. ({13})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Kues, CDU/CSU.

Dr. Hermann Kues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002709, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, Herr Ostertag, Ihre Rede hat ein Manko. Sie haben eigentlich nichts dazu gesagt, wie Sie sich vorstellen, wie Arbeitsplätze entstehen können. ({0}) Das eigentliche Problem ist doch - so haben Sie ja auch das Thema für diese Aktuelle Stunde formuliert -, daß es Steuermindereinnahmen gibt - das ist ja objektiv festgestellt worden - und daß wir dann die Ausgaben korrigieren müssen, wenn wir die Staatsquote nicht weiter erhöhen wollen. Um diesen Zusammenhang geht es doch. Unsere Hauptaufgabe ist es doch, Arbeitsplätze zu schaffen. ({1}) Wir waren im Januar schon einmal weiter; es gab das „Bündnis für Arbeit" von Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung. ({2}) - Ich führe jetzt eine Aussage an, bei der Sie einmal zuhören sollten. Dort steht: Eine zu hohe Staatsquote hemmt die wirtschaftliche Dynamik, engt Spielräume für Eigeninitiative ein und mindert die Leistungsbereitschaft der Bürger. - Diese Aussage ist im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit" getroffen worden; mit ihr waren auch die Gewerkschaften einverstanden. ({3}) Das heißt doch: Wenn es Steuermindereinnahmen gibt, muß man die Ausgaben korrigieren und Voraussetzungen dafür schaffen, daß es wieder mehr wirtschaftliches Wachstum gibt. ({4}) Ich habe schon einmal davon gehört, daß man die Einnahmen erhöhen kann. Ich weiß nur, daß das der falsche Weg ist. Wir waren uns schon einmal darin einig, zu sagen: Die Staatsquote muß zurückgefahren werden. Ich finde, man muß auch einmal anführen: Wir sparen ja nicht für irgend etwas. Vielmehr sparen wir letztlich für mehr Arbeitsplätze. ({5}) Wenn Sie über soziale Gerechtigkeit reden, dürfen Sie nicht nur über diejenigen reden, die soziale Leistungen in Anspruch nehmen; vielmehr müssen Sie auch einmal über diejenigen reden, die diese sozialen Leistungen finanzieren müssen. Das ist die Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. ({6}) Sie müssen an denjenigen denken, der ein Nettogehalt von gut 2 000 DM hat und dem Sie zumuten, daß er höhere Abgaben entrichten soll. Denn das heißt es ja wohl, wenn Sie Steuereinnahmen erhöhen wollen. ({7}) Ich will Ihnen auch noch folgendes sagen: Diese Diskussionen leiden nicht selten darunter, daß wir Nebelkerzen werfen, weil wir uns an die eigentlichen Sachverhalte nicht heranwagen. ({8}) Beispiel: Fortbildung und Umschulung. Wenn man sich das konkret vor Ort anschaut, dann weiß man, daß von den Mitteln unter anderem exzellent ausgestattete Bildungszentren der Handwerkskammern finanziert werden. Ich bin in solchen gewesen. Das betreffende Bildungszentrum der Handwerkskammer war exzellent ausgestattet. Dort wird in Kleinstgruppen gearbeitet. ({9}) Und hundert Meter weiter gibt es eine Berufsschule mit Klassen, die 30 Schüler haben, und die Lehrer wissen überhaupt nicht mehr, wie sie damit fertigwerden sollen. Jetzt können Sie sich einmal überlegen, von wem die Berufsschule finanziert wird und weshalb ich sage, daß diese Argumentation scheinheilig ist. Ich komme aus Niedersachsen. Ich kann Ihnen einmal sagen, was dort bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik passiert. Aus der Sicht der Opposition ist es immer leicht, dazu etwas zu sagen. Niedersachsen ist das Schlußlicht bei den Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik. Es werden 172 DM pro Arbeitslosen ausgegeben, im Länderdurchschnitt sind es 450 DM. ({10}) Das ist nämlich die Wahrheit in den Ländern, in denen Sie regieren. ({11}) Soll ich Ihnen einmal nennen, was in Niedersachsen gestrichen worden ist? Das Programm zur Förderung jugendlicher Arbeitsloser ist ersatzlos gestrichen worden, ebenso das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe". Das so groß angekündigte neue Nachdenken über die Verteilung der Arbeit hat darin bestanden, daß man die wöchentliche Arbeitszeit der Beamten auf 40 Stunden angehoben hat. Jetzt zum Jahre 1996 - das ist eine ganz neue, eine aktuelle Zahl -: Angesetzt waren im Haushalt Niedersachsens für Arbeitsmarktpolitik knapp 2 Milliarden DM. ({12}) Jetzt dürfen Sie einmal raten, wieviel im November davon ausgegeben waren. Es handelte sich um gut 500 Millionen DM. So sieht die Wirklichkeit da aus, wo Sie regieren. Ich sage das, weil ich glaube, daß wir dann, wenn wir ernsthaft miteinander diskutieren wollen, versuchen müssen, die Spannung auszuhalten und darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir weniger Geld für die öffentliche Hand zur Verfügung haben. Wir müssen es schaffen, durch Rückführung der Staatsquote eine wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln, damit auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder mehr Arbeitsplätze entstehen. Vielen Dank. ({13})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Sabine Kaspereit, SPD.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Erinnerung: Wir sind hier im Deutschen Bundestag und nicht im Niedersächsischen Landtag. ({0}) Die Fakten: 4 Millionen Arbeitslose; Minister Waigels Haushaltsloch hat sowohl für dieses als auch für nächstes Jahr einen Umfang in zweistelliger Milliardenhöhe; Minister Blüm spart am Kernstück präventiver Arbeitsmarktpolitik. Zusammen mit all den anderen Kürzungsmaßnahmen der Bundesregierung, die hier in den letzten Monaten beschlossen worden sind, ist nun der Gipfel des Zumutbaren für die Menschen in diesem Lande erreicht. ({1}) Bundeskanzler Kohl hat verkündet - das ist schon erwähnt worden -, daß die Arbeitslosigkeit im Jahr 2000 um die Hälfte reduziert sein sollte. Wenige Monate später verkündet er uns, daß er mit der Reduzierung der Arbeitslosigkeit um ein Drittel schon zufrieden wäre. Die Massenarbeitslosigkeit ist aber kein Schicksal, sondern Ergebnis der Politik, und zwar Ihrer Politik. ({2}) Da nützt es auch nichts, daß die Regierungskoalition unter dem christdemokratischen Heiligenschein Hilfe zur Selbsthilfe verkündet. Das heißt letztendlich nur: Leute, helft euch selbst. Die Koalition tut es jedenfalls nicht. ({3}) Diese Regierung baut systematisch eine aktive Arbeitsmarktpolitik ab und zieht sich aus einer gestaltenden Wirtschaftspolitik zurück. Statt dessen bedient sie - mit Rücksicht auf den Koalitionspartner - ihre eigene Klientel mit Begünstigungen, ohne daß bisher ein Arbeitsplatz geschaffen worden wäre. ({4}) Es grenzt schon an puren Zynismus, die Sozialabgaben immer weiter zu beschneiden - besonders im Osten -, wenn künftig überwiegend Kann-Leistungen eine Förderpolitik nach Kassenlage erlauben. Wie diese Kassenlage sein wird, das können wir uns angesichts der Waigel-Löcher vorstellen. Wie oft hat meine Kollegin Matthäus-Maier Herrn Waigel aufgefordert, endlich konkrete und richtige Zahlen auf den Tisch zu legen, um die nötige Transparenz zu schaffen? Selbst der CSU-Kollege Riedl kritisierte, daß sogar die Abgeordneten seiner eigenen Fraktion bisher nicht rechtzeitig über konkretes Datenmaterial verfügten und noch nicht einmal wissen, ob die Zahlen überhaupt stimmen. ({5}) Die von Ihnen angestrebten Spareffekte unter dem Motto „mehr Wachstum und Beschäftigung" sind Augenwischerei. Jede siebente bis achte Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung und Weiterbildung müßte gestrichen werden. Diesen Einsparungen werden aber Mehrausgaben für Arbeitslosengeld und -hilfe gegenüberstehen. Nicht nur, daß Sie mit dem sogenannten Arbeitsförderungs-Reformgesetz das „Todesurteil" für die knapp 500 ostdeutschen BeschäftigungsgesellschafSabine Kaspereit ten eingeleitet haben und in der Konsequenz 400 000 Menschen vom zweiten Arbeitsmarkt in die Arbeitslosigkeit schicken - nein, mit der von der Bundesanstalt für Arbeit abgepreßten Milliarde besiegeln Sie das Schicksal der betroffenen Menschen. Damit haben Sie nämlich den Kern des Sozialstaates erreicht und gefährden auch den sozialen Frieden. ({6}) Die wirtschaftliche Kompetenz der Bundesregierung halte ich unter anderem deshalb für fragwürdig, weil sie infolge der Kürzungspolitik darangeht, die Investitionskraft der Kommunen zu mindern. Da beschwört Ihr Generalsekretär Hintze verbal den Föderalismus. Zugleich holt sich Finanzminister Waigel Anleihen bei den Kommunen; denn diese werden es letztendlich sein, die fehlenden Milliarden der Bundesanstalt für Arbeit durch Sozialhilfeleistungen zu tragen. ({7}) Spätestens an dieser Stelle müßten beim Bundeswirtschaftsminister alle Alarmglocken läuten: Sozialhilfeleistungen der Kommunen sind bekanntlich konsumtiv, sind Gelder, die den Kommunen für Investitionen, für öffentliche Aufträge fehlen, Gelder, die den Meinen und mittleren Unternehmen vor Ort zufließen und Arbeitsplätze schaffen könnten. ({8}) An dieser Stelle konterkariert die Politik des Finanzministers die sogenannte Mittelstandspolitik des Bundeswirtschaftsministers. Aber damit nicht genug! Infolge dieser Politik gehen weitere Unternehmen pleite und entlassen Menschen in die Arbeitslosigkeit. Damit wäre Bundesarbeitsminister Blüm gefordert. Doch in diesem Zusammenhang fehlt bereits 1 Milliarde DM - ein Teufelskreis, aus dem Sie so nicht herauskommen. ({9}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat alle Chancen vertan; denn richtig wäre es gewesen, den vorhergesagten Aufschwung durch zusätzliche staatliche Maßnahmen am Arbeitsmarkt zu stützen. Nur so hätte erreicht werden können, daß sich die wirtschaftliche Wiederbelebung rasch auf dem Arbeitsmarkt auswirkt, daß sinkende Arbeitslosenzahlen zu niedrigeren Lohnnebenkosten und damit zu einer Entlastung von Konsumenten und Wirtschaft führen. Wie oft aber haben Sie unsere konkreten Anträge mit Ihrer Mehrheit vom Tisch gewischt? Statt dessen gehen Sie hin und mindern die Kaufkraft der Bürger. Statt dessen versucht Herr Waigel allen Ernstes, jede Mark dort zu ernten, wo Kanzler Kohl einst blühende Landschaften versprach. Die Fragwürdigkeit Ihrer wirtschaftlichen Kompetenz zeigt sich jedoch nicht nur an den Einschnitten im Sozialbereich. Sogar in die Etats mit einem besonders hohen Investitionsanteil wird eingegriffen: ({10}) Verkehr, Forschung, Umwelt. Was das für den Arbeitsmarkt bedeutet, wissen Sie. ({11}) Übrigens: An den Schwerpunkten, die eine Regierung in ihrer Haushaltspolitik setzt, vermag man Programmatik zu erkennen. Ihre Programmatik ist gegen die Mehrheit in diesem Land gerichtet. ({12}) Ich frage die Mitglieder der gesamten Bundesregierung, ob Sie sich noch an ihren Eid erinnern. Können Sie diese Kürzungspolitik überhaupt noch mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Mehren Sie mit dieser Politik Nutzen, und wenden Sie Schaden vom deutschen Volk ab? Üben Sie mit Ihrer Politik Gerechtigkeit gegen jedermann? Ist es nicht eher so, Herr Schäuble, daß die Bundesregierung handlungsunfähig geworden ist? ({13})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Wilfried Seibel, CDU/CSU.

Wilfried Seibel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002147, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Land fehlen Arbeitsplätze, und wir brauchen eine deutliche Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit. ({0}) Wir brauchen Impulse für Wachstum und Beschäftigung, ({1}) und wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Steuern und Lohnnebenkosten zu hoch sind ({2}) und wir eine völlig überregulierte Gesellschaft haben, die mit eingebautem Turbolader für Rechtsmittel arbeitet. ({3}) Die Parteien der Koalition arbeiten intensiv daran, daß die Steuern gesenkt werden, ({4}) daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden und daß die Überregulierung abgebaut wird. ({5}) Wir sind intensiv bemüht, diese Ziele in der entsprechenden Gesetzgebung in diesem Jahr umzusetzen. Dieser Weg ist nicht populär, und er sägt auch partiell an den Nerven der Beteiligten. Aber wir finden dafür in der Bevölkerung Verständnis. ({6}) Die Bürger erwarten, daß wir diesen Weg konsequent fortsetzen. ({7}) - Ich verstehe gar nicht Ihre Aufregung. Es geht sogar noch weiter: Die Bürger sorgen dafür, daß wir die Wahlen gewinnen, wie zuletzt in Stuttgart. Stuttgart liegt doch wohl ohne Zweifel in einem Kernland der wirtschaftlichen Tätigkeit. Ich würde an Ihrer Stelle mit dem Lärmen aufhören und mir darüber Gedanken machen, warum die Grünen Sie auf den dritten Platz verwiesen haben und Ihr Kandidat nur noch bei 14 Prozent landen konnte. Die Menschen verstehen Sie einfach nicht. Nehmen Sie das doch zur Kenntnis! ({8}) Die Parteien der Opposition weisen hier im Parlament bei jeder der notwendigen Einsparungen und Einschränkungen lautstark und energisch darauf hin, daß hier etwas Schlimmes geschieht. Das halte ich sogar für das legitime Recht der Opposition. So weit, so gut. Aber wenn Sie doch neben Ihren Protest kein eigenes Konzept stellen, ({9}) dann finden Sie bei den Menschen in diesem Land kein Verständnis. Sie protestieren, Sie sorgen für Krach, Sie sorgen für Demonstrationen. Aber Sie sagen eben nicht gleichermaßen, daß wir die Steuern nicht erhöhen können, weil die Steuerlastquote schon zu hoch ist, daß uns dieser Weg der staatlichen Tätigkeit verwehrt ist. Sie sagen auch nicht, daß die Verschuldung nicht weiter erhöht werden darf. Sie sagen leider nicht, daß es nur einen einzigen Weg gibt, diese krisenhaften Erscheinungen zu meistern: indem wir die staatlichen Ausgaben einschränken und dafür sorgen, daß die nötigen Impulse kommen. Sie blockieren den Weg der Einsparungen und tragen damit teilweise zu dieser Krise bei. Ich will Ihnen nur einen Indikator dafür liefern: Wir haben seit Jahren die niedrigsten Zinsen auf dem Baumarkt und überall die mit Abstand schlechteste Bautätigkeit - ein Beweis dafür, daß die psychologischen Faktoren in unserer Wirtschaftspolitik voll durchschlagen. Ich sage Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Wenn Sie neben Ihren Protest und neben Ihre Kritik nicht ein eigenes Konzept, das überzeugen kann, stellen, dann machen Sie sich zu einem Teil dieser krisenhaften Erscheinung. Sie sorgen mit dafür, daß die psychologische Lage in diesem Land die notwendigen Belebungen der Wirtschaft nicht erfährt. Wenn Staat, Wirtschaft und das soziale System Glieder einer starken Kette in diesem Lande sind, dann müssen wir intensiv bemüht sein, jedes dieser einzelnen Glieder auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen. Ich bin der festen Überzeugung, daß unsere Politik diesbezüglich auf Verständnis stößt und die Menschen begreifen, daß die Glieder der Kette gleich stark bleiben müssen. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, beschreiben die Löcher in der Kette und glauben, die Bevölkerung auf diese Art und Weise für Ihren Kurs gewinnen zu können. Diese Politik wird fehlgehen, sie wird nicht gelingen. Ein letzter Aspekt: Ich bitte Sie, darauf zu achten, daß die Länder in Europa rundum nicht ohne Grund erhebliche Konsolidierungsanstrengungen unternehmen. Es würde der Verantwortung unseres Landes in Europa nicht gerecht werden, wenn wir unsere Politik nicht konsequent einhalten würden, sondern den Schalmeienklängen Ihrer Verlockungen, die Staatsausgaben zu erhöhen, erliegen würden. Wir werden das nicht tun, wir werden unsere Politik konsequent fortsetzen. ({10})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat die Kollegin Dr. Konstanze Wegner, SPD.

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Zahlenwirrwarr und die Konfusion der letzten Tage hinsichtlich der Mittel für die Arbeitsmarktpolitik im Haushalt sind wirklich unglaublich. ({0}) Es herrscht das reinste Chaos. Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen deutlich machen: In diesem Jahr weist die Bundesanstalt für Arbeit bereits Ende Oktober ein Defizit in Höhe von 13 Milliarden DM aus. Der Arbeitsminister geht davon aus, daß die Zahl der registrierten Arbeitslosen 1997 auf gleichem Niveau wie 1996 verharren wird, das heißt, bei rund 4 Millionen. Der DGB nimmt sogar eine Steigerung um 100 000 Arbeitslose an. Das würde bedeuten, daß die Bundesanstalt 1997 einen Mehrbedarf von mindestens 2 Milliarden DM haben wird. Demgegenüber hat der Finanzminister, der sich gerade eifrig unterhält, monatelang markig erklärt, die BA müsse 1997 ohne jeden Zuschuß auskommen. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, hält dagegen eine Summe von 9,5 Milliarden DM als Zuschuß für notwendig, allerdings ohne Anrechnung der im Arbeitsförderungs-Reformgesetz vorgesehenen Einsparungen. Abzüglich dieser Einsparungen bliebe dann ein Zuschußbedarf von 6 Milliarden DM. Das ist eine Zahl, die auch der DGB genannt hat. Waigel spricht nun auf einmal von 4,1 Milliarden DM, die er einstellen wolle, wobei er das Arbeitsministerium offenbar noch um 300 Millionen DM zur Abdeckung der notwendigen Rentenbeitragssteigerungen geprellt hat, die er eigentlich zugesagt hatte. Soviel zu diesem Zahlensalat. Aber daß die Bundesanstalt im Jahre 1997 mit diesen 4,1 Milliarden DM Zuschuß über die Runden kommen wird, glaubt niemand, weder die Regierung noch die Opposition. ({1}) Ich zitiere nach Agenturmeldungen vom 11. November 1996: Haushälter der Regierungsparteien äußerten sich skeptisch über die Beständigkeit des ihnen von den Koalitionsspitzen vorgelegten Zahlenwerks. „Wir tappen im dunkeln", sagte der CSU-Abgeordnete Riedl, Mitglied des Haushaltsausschusses, und: „Wenn ich Hellseher wäre, wäre ich kein Abgeordneter" . ({2}) Verteidigungsminister Rühe soll bemerkt haben, das Verfalldatum eines Joghurtbechers biete eine längere Lebensdauer als Waigels Haushaltszahlen. ({3}) Das kann ich aber nur nach dem Hörensagen zitieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Wirrwarr könnte sehr erheiternd wirken, aber dahinter steht als harter Kern eine ganz rigide - man muß sagen: brutale - Einsparpolitik, die zu Lasten der Arbeitslosen in diesem Lande geht. ({4}) Dahinter stehen finanzpolitische Verschiebemanöver, die zu Lasten der Kommunen gehen. Rund 10 Milliarden DM muß die Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1997 auf Grund bereits vollzogener bzw. sich noch im Gesetzgebungsverfahren befindlicher Gesetze einsparen. Rund 10 Milliarden! Die Kürzungsmaßnahmen bei FuU und ABM - das haben die Kollegen bereits gesagt - werden Hunderttausende neue Arbeitslose produzieren. Präsident Jagoda, beileibe kein Grüner oder Sozialdemokrat, warnt die Regierung inzwischen offiziell davor, zu sehr auf Kosten der Arbeitslosen zu sparen. Der Kollege Andres hat es bereits zitiert, aber ich will es noch einmal sagen, weil es die Dinge auf den Punkt bringt: Bei gleichbleibender Arbeitslosigkeit sei es problematisch, bei den Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu sparen, weil das mehr Arbeitslose mit sich brächte, die ihrerseits wieder Arbeitslosengeld oder -hilfe erhalten müßten. Ich kann nur sagen: Deutlicher kann man die Absurdität Ihrer Politik nicht kennzeichnen. ({5}) Manchmal habe ich wirklich den Eindruck - das gilt vor allem für die F.D.P. -, daß bei Ihnen eine Art Haß auf die Bundesanstalt für Arbeit herrscht. ({6}) Jedenfalls benutzt die Koalition den Haushalt der Bundesanstalt als Steinbruch für ihre rigide Kürzungspolitik auf dem Rücken der Schwächsten. ({7}) Gleichzeitig ermöglichen Sie durch Ihre Politik, daß der öffentlichen Hand über Jahre hindurch Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe durch unsinnige Abschreibungsmodelle und Steuergeschenke für Großverdiener verlorengegangen sind und weiter verlorengehen. ({8}) Hier sollten Sie einmal ansetzen, dann bräuchten wir keine Sparpakete und keine Steuererhöhungen. Die Koalition trägt ganz offenkundig zur sozialen Spaltung in Deutschland bei. Ich werde Ihnen sagen, was ich wirklich fürchte: Ich fürchte mich vor dem Moment, in dem hier in Deutschland ein Typ mit der Ausstrahlung eines Le Pen oder eines Haider auftritt. Dann werden wir rechtsradikale Parteien mit einem zweistelligen prozentualen Anteil in die Parlamente bekommen. Dann geht hier aber etwas ab.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Zeit, Frau Kollegin!

Dr. Konstanze Wegner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich sage Ihnen deshalb: Bitte bekämpfen Sie endlich die Arbeitslosigkeit und nicht die Arbeitslosen, und hören Sie auf, denen etwas zu nehmen, die ohnehin nichts haben. Ich danke Ihnen. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Volker Kauder, CDU/CSU.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Wochenende hat mich nach einer Abendveranstaltung ein jüngerer Mann zur Seite gebeten und gesagt, er möchte mich gern auf ein Problem ansprechen. Er hat mir gesagt, er mache jetzt innerhalb der Fristen, die wir alle miteinander beschlossen haben, eine zweite Fortbildungsmaßnahme in einem Institut einer Handwerkskammer. Schon nach der ersten Fortbildungsmaßnahme habe er keinen Arbeitsplatz bekommen und habe dann eine zweite Umschulungsmaßnahme durchgeführt. Er hoffe, daß er jetzt einen Arbeitsplatz bekomme. Er hat gesagt, er habe in der Schule genügend gelernt, er habe jetzt eine Fortbildung und eine Umschulung gemacht, er möchte jetzt arbeiten. Diesem Ziel wird unser Arbeitsförderungsreformgesetz Rechnung tragen. ({0}) Wir wollen, daß die Menschen Arbeit bekommen und nicht ständig in einer Ausbildung sind. ({1}) Deshalb kommen Ihre Diskussionen von seiten der SPD über den zweiten Arbeitsmarkt bei den Menschen überhaupt nicht mehr an; so wenig wie Ihre gesamte andere Politik bei den Menschen ankommt. Wir machen überhaupt keinen Kahlschlag bei den Arbeitslosen. Wir haben erkannt, daß es notwendig und richtig ist, die Menschen am Arbeitsplatz zu fördern und sie nicht erst auszubilden und nachher trotzdem nicht in Arbeit zu bekommen. Handwerk und Mittelständler stellen die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze in unserem Land zur Verfügung, nicht die Großindustrie. Sie können zu jeder Versammlung von Handwerkern gehen. Diese werden klipp und klar sagen: Wir wollen, daß die Leute bei uns arbeiten, daß wir sie am ganz konkreten Arbeitsplatz aus- und fortbilden können. Dann haben sie auch eine gute Chance, länger bei uns zu bleiben, wenn wir genau wissen, was sie können und wir sie auf den Arbeitsplatz vorbereitet haben. Genau dies wird mit den Maßnahmen gemacht, die wir jetzt durchführen. Dafür wird Geld zur Verfügung gestellt. Es ist besser, Geld dafür zur Verfügung zu stellen, daß die Menschen an einem konkreten Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können, als ständig für eine Fortbildung oder Umschulung, die nachher doch nicht zum Erfolg führt. ({2}) Ich nenne Ihnen einen zweiten Punkt auch im Hinblick auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: Wir sind alle davon ausgegangen, daß durch die Pflegeversicherung neue Arbeitsplätze im Bereich der ambulanten Pflege entstehen. Dies ist eingetreten. Auch hierfür kann ich aus meinem Wahlkreis und aus Baden-Württemberg Beispiele nennen. Junge Frauen haben sich niedergelassen und selbständig gemacht, um einen eigenen Pflegedienst aufzubauen. Diese sagen mit gutem Grund: Es ist doch besser, wenn mir die Arbeitsverwaltung einen Zuschuß gibt, damit ich jemanden einstellen kann, als wenn solche Stellen im öffentlichen Bereich über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geschaffen werden. Genau damit liegen wir richtig: Einarbeitungszuschüsse ganz konkret am Arbeitsplatz. Das ist das Ziel unseres Gesetzes. Der Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hat völlig recht, wir werden das Ziel auf diesem Weg erreichen. Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. Ich habe in diesem Jahr manche Aktuelle Stunde erlebt, die Sie beantragt haben. Sie haben bei diesen Aktuellen Stunden überhaupt nicht daran gedacht, was Ihre Argumente und Diskussionen bei der Bevölkerung auslösen. Ihnen kam es immer nur darauf an, Irritationen in die Welt hinauszutragen. Ich sage Ihnen, was Sie damit erreicht haben. Sie müssen auch einmal daran denken, wie das, was Sie hier machen, draußen bei den Menschen ankommt. Die Menschen merken doch, was Sie hier machen. Vor den Landtagswahlen in diesem Jahr haben Sie an diesem Pult im Deutschen Bundestag den Eindruck erweckt, als ob die Renten nicht mehr sicher seien. Die Renten werden aber alle bezahlt und sind erhöht worden. Ich sage Ihnen voraus: Sie werden mit Ihren pessimistischen Thesen, die Sie heute hier vertreten, daß wir die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen können, auch nicht recht behalten. Auch wenn Sie weiterhin blockieren, wir werden uns durchsetzen. Unterstützung für Arbeit am Arbeitsplatz ist unser Ziel, und das werden wir erreichen. ({3})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Karl Hermann Haack, SPD.

Karl Hermann Haack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben von seiten der Koalition verschiedene Ausführungen über die neue heile Welt gehört, wenn das Wirtschafts- und Beschäftigungsförderungsgesetz nun endlich in Kraft tritt. Der Herr Bundesarbeitsminister hat in der üblichen Sprachorgie geredet. Herr Austermann hat uns noch einmal schlau gemacht, was nun alles beabsichtigt ist. Ich möchte einmal schlicht und einfach die Realität des Lebens dagegensetzen. Wir haben jetzt 16.15 Uhr. Seit eineinhalb Stunden findet eine Personalratsversammlung in der Klinik Lipperland statt. Dort erklärt der Inhaber zusammen mit dem Personalratsvorsitzenden, als Auswirkung der 3,3-Milliarden-DM-Sparorgie im Bereich der Rehabilitation hat die BfA die Klinik von 220 Betten auf 0 Betten gesetzt. ({0}) Nachdem dies bekannt wurde, hat man im Vorfeld bei Herrn Jagoda gefragt: Was können wir denn da machen? Gibt es Kurzarbeitergeld? Daraufhin hat Herr Jagoda nach Rücksprache mit dem Haus Blüm erklärt, Kurzarbeitergeld gebe es nicht. Der Abbau von 22 000 Betten gleich 25 000 - hochqualifizierten - Arbeitsplätzen im Reha-Bereich sei politisch gewollt. Es handele sich um Überkapazitäten. Deswegen sitzen heute nachmittag 182 Beschäftigte zusammen und fragen den Leiter des Arbeitsamtes in Detmold: Was sollen wir tun? Dieser sagt: Da die Marx-Gruppe nicht gewillt ist, eine leere Klinik weiterhin zu betreiben, werden wir zum Karl Hermann Haack ({1}) 31. März eine Sozialplanregelung treffen. Das heißt, heute abend sitzen Vater, Mutter, Alleinstehender zu Hause beim Abendbrot und überlegen: Wieviel Schulden haben wir auf dem Haus? Was machen wir mit unserer Lebensplanung? Dann werden der Lebenspartner oder die Kinder fragen: Was ist denn nun? Darauf werden sie sagen: Der Arbeitsamtsdirektor hat uns gesagt, als Arzt gebe es keine Chance in der Region Ostwestfalen-Lippe; Krankenhausbetten werden abgebaut. Der Krankengymnastin wird erklärt: Selbständig machen kannst du dich nicht mehr, Krankengymnastinnen machen das sowieso schon für 20 DM pro halbe Stunde. ({2}) - Herr Weng, zu Ihnen komme ich noch. Ich habe für Sie noch etwas. Das ist die Situation, wie sie sich zu dieser Zeit darstellt. Und dann leisten Sie sich eine solche Optimismus-Debatte und werfen uns vor, daß wir uns um das, was ich hier geschildert habe, kümmerten? ({3}) Das muß ich mir von Ihnen vorhalten lassen? ({4}) Wenn ich Ihnen das durchgehen lassen würde, dann müßten mich meine Wählerinnen und Wähler aus dem Wahlkreis jagen. ({5}) Das ist also die reale Situation, die zeitgleich stattfindet. Dr. Rische von der BfA hat erklärt: Die Kündigungswelle geht durch diese Republik. - Zur gleichen Zeit finden überall Betriebsratsversammlungen statt. Die LVA hat angekündigt: In Westfalen werden noch 1 800 Betten gekündigt. Es geht also munter weiter. Ich bin beschimpft worden, als ich das alles ausgerechnet und hier vorgetragen habe. Wie unfähig Sie sind, wie unbarmherzig Sie sind als Christen! ({6}) Hören Sie zu: Es gibt jetzt das Neuordnungsgesetz der Krankenversicherung Teil zwei. ({7}) Da wird die medizinische Rehabilitation - außer der Müttergenesung und der Anschlußheilbehandlung - zur Disposition gestellt. Rheumakranke müssen in Zukunft Voltaren-Zäpfchen nehmen. Das hilft vielleicht mir als Apotheker. Aber auf der anderen Seite können sie an Rehabilitationsmaßnahmen nicht mehr teilnehmen, die Schlaganfallpatienten, soweit sie Hausfrauen bzw. Rentner sind, ebenfalls nicht. ({8}) Jetzt lese ich Ihnen einmal etwas vor: „Milliarden Verluste für bayerische Kurorte. 9 000 Arbeitsplätze in Gefahr." Das, was Sie gemacht haben, Herr Weng, ist NOG zwei. Und weiter: Bad Füssingen. Die vom Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, CSU, geplanten Streichungen bei den stationären Kuren, in der medizinischen Rehabilitation werden nach den Berechnungen des Bayerischen Heilbäderverbandes bis zu 9 000 Menschen den Arbeitsplatz kosten. Herr Blüm, die Botschaft für Sie: Für die Bundesanstalt für Arbeit bedeutet dies jährlich eine Zunahme der Ausgaben um 450 Millionen DM. ({9}) Dies sagte der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäderverbandes, der Bad Füssingener Bürgermeister Franz Gnan, CSU. ({10})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Zeit, Herr Kollege.

Karl Hermann Haack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie können die Trümmerlandschaft besichtigen. Sie können Orgien rauf und runter machen, wie Sie das hier erzählt haben. Die Realität wird Sie spätestens 1998 einholen. ({0}) Ich finde Ihre Rede widerlich, Herr Weng. Sie reden von Sparsamkeit und werfen den Zahnersatz und die Prothetik hinaus, weil Ihnen die Zahnärzte in Baden-Württemberg in ihren Patientenzimmern einen Wahlkampf beschert haben.

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Herr Kollege Haack, beachten Sie bitte Ihre Redezeit!

Karl Hermann Haack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jetzt müssen Sie das einlösen, und jetzt wird besonders beim Zahnersatz abkassiert. Das ist Ihre Botschaft beim Sparen. ({0})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich das Thema der Aktuellen Stunde richtig verstanden habe, dann maWolfgang Meckelburg chen Sie sich, meine Damen und Herren von der SPD, Sorgen um den Arbeitsmarkt. ({0}) Wenn Sie das so vortragen, dann ist festzustellen: Das sind Beispiele, die uns zeigen, daß genau das, was wir tun, gemacht werden muß, nämlich Arbeitsplätze wo immer möglich zu schaffen, weil das der erste Schritt und die richtige Richtung ist, um für die Betroffenen zu erreichen, daß sie ihre Familien aus eigener Hände und aus eigenen Kopfes Kraft ernähren können. Damit können wir aber auch erreichen, daß das Wirkung für den Bundeshaushalt, für die Bundesanstalt für Arbeit und für den Arbeitsmarkt insgesamt hat. Ich will die Zahlen noch einmal nennen, damit wir wissen, worüber wir reden, wenn wir von Kosten sprechen, und das auch von der anderen Seite sehen. 100 000 Arbeitslose bedeuten - das ist eine bekannte Zahl - 3,2 Milliarden DM Ausgaben. ({1}) - 4 Milliarden. Bitte rechnen Sie es hoch oder runter. Auf jeden Fall sind das Ausgaben in diesem Rahmen für die Bundesanstalt für Arbeit. 100 000 Beschäftigte verdienen 4,5 Milliarden DM und zahlen 2 Milliarden DM in die Sozialkassen. Sie sind nicht nur in der Lage, sich selber und ihre Familien zu ernähren, sie sind auch in der Lage, Beiträge und Steuern zu zahlen. Das Ganze also auch von dieser Seite zu sehen ist geradezu reizvoll. Deswegen gestatte ich mir, meine Damen und Herren von der SPD, Ihnen an dieser Stelle deutlich zu sagen, daß Sie sich nicht nur Sorgen in Form einer Aktuellen Stunde machen sollten, sondern daß Sie an das Ganze ernsthaft herangehen müßten und sich aktiv daran beteiligen könnten, daß Arbeitsplätze entstehen. Wir warten, was den Haushalt betrifft, bis heute auf Einsparvorschläge. Ich nenne nur einmal das Stichwort Kindergeld. So schwer diese Angelegenheit ist, darüber hätte man reden können und müssen. Das sind 4 Milliarden DM, die ausfallen. Ich nenne die Gewerbekapitalsteuer. Da müssen Sie sich bewegen. Nehmen Sie die Bremsklötze weg und sorgen Sie nicht dafür, daß sie in den neuen Ländern noch eingeführt werden muß. ({2}) Das ist Ihre Aufgabe; da haben Sie etwas zu tun, um Arbeitsplätze zu schaffen. Lassen Sie mich auch etwas zum Arbeitsförderungsgesetz sagen - das ist ja in der Diskussion -: Die Grundlinie des Arbeitsförderungsgesetzes - ich halte das für sehr wichtig - ist, stärker von dem zweiten in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Die aktuellen Erfahrungen vor Ort zeigen doch - ich bitte Sie, vor Ort einmal ehrlich zu sein -, daß in vielen Fällen kommunale Pflichtaufgaben mit dem Titel „zusätzliche Arbeit" versehen werden und inzwischen als Dauerarbeit geführt werden. Man muß einmal darüber reden, ob solche Dinge von den Kommunen, von den Trägern finanziert werden müssen oder ob so etwas von der Arbeitsmarktförderung bezahlt werden muß. ({3}) Ich sage Ihnen: Wo Dauerarbeit wirklich vorhanden ist und sie auf Dauer über ABM finanziert wird, da muß man als Bundespolitiker doch die Forderung erheben: Da muß der Dauerarbeitsplatz entsprechend finanziert werden, aber nicht dauernd über die Krücke des zweiten Arbeitsmarktes. ({4}) Wir müssen beim AFRG flexibler werden. Es ist vorgesehen, 10 Prozent der Mittel für den Eingliederungsbereich flexibel einzusetzen, um ortsnäher entscheiden zu können, was zu machen ist. Wir brauchen neue Instrumente, zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse, Eingliederungszuschüsse für Neugründungen. Das ist neu und soll direkt in den ersten Arbeitsmarkt führen. Ich sage in Richtung der SPD und auch der SPD-Länder, die da Verantwortung tragen: Wir brauchen beim Arbeitsförderungsgesetz ein Ergebnis, weil sonst Sonderregelungen für ABM Ost wegfallen. Die Verantwortung hätte dann die Mehrheit im Bundesrat zu tragen, wenn wir nicht zu Regelungen kommen. ({5}) Wir brauchen neue Instrumente aber auch bei uns vor Ort. Ich komme aus dem Ruhrgebiet. ({6}) - Das ist keine Akrobatik. - Wir brauchen vor allem Maßnahmen wie „Lernen und Arbeit", um jugendliche Arbeitslose in solche Maßnahmen zu bringen. Dies ist nach den Neuregelungen ab 1997 möglich. Wenn dem Gesetz im Bundesrat nicht zugestimmt wird, ist das nicht möglich; darüber müssen wir uns klar sein, wenn wir über aktive Arbeitsmarktförderung reden. Deswegen bitte ich Sie eindringlich, dabei zu helfen, daß wir im Vermittlungsverfahren zu einer Regelung über das Arbeitsförderungsgesetz kommen. Machen Sie sich aktiv stark, damit wir auch in diesem Bereich ein Stückchen weiter kommen. Ich will an eins erinnern, und zwar an die Grundidee des Bündnisses für Arbeit. ({7}) - Das ist nicht begraben. - Daran muß man erinnern, auch wenn das in einer solchen Debatte schwerfällt. Die Grundidee war: Alle - die in diesem Bereich Beteiligte ist nicht nur die Bundesregierung, die Politik, sondern auch die Unternehmer- und die Arbeitnehmerseite -, müssen ihren Beitrag leisten. - Sie von der SPD übrigens auch, wie ich Ihnen eben gesagt habe. Wir müssen hier einfordern, daß die neuen Möglichkeiten beispielsweise bei befristeten Arbeitsverträgen und die neuen Möglichkeiten, die wir mit dem Programm für Wachstum und Beschäftigung ansonsten eingeführt haben, auch umgesetzt werden. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der SPD, eindringlich bitten: Wo Sie aktiv tätig werden können, um Arbeitslose in Arbeit zu bringen, und wo Sie gesetzliche Hilfestellung leisten können, tun Sie da bitte Ihre Pflicht! Jeder Arbeitslose ist Ihnen dankbar dafür. ({8})

Hans Ulrich Klose (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001136

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. November, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.