Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: erstens Bericht der Bundesregierung über die im Kalenderjahr 1993 erbrachten Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst sowie über die Entwicklung der Versorgungsausgaben in den nächsten 15 Jahren; zweitens Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes; drittens Initiative Telearbeit der Bundesregierung.
Das Wort für den fünfminütigen einleitenden Bericht hat der Bundesminister des Innern, Manfred Kanther.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung strebt an, daß es für alle Berufe in der Frage der Systeme der Altersversorgung schnellstmöglich Sicherheit gibt. Derzeit erweist sich eine Fülle von demographischen und auch besonderen Fragen in der gesamten Debatte um die Versorgungsproblematik als schwierig. Deshalb hat das Parlament einen Versorgungsbericht in Auftrag gegeben, der die speziellen Fragen des öffentlichen Dienstes behandeln soll, insbesondere das Thema der Pensionen für Beamte. Es ist aber immer darauf hinzuweisen, daß es sich auch um die Fragen der Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter handelt.
Dabei gibt es eine Vielzahl von allgemeinen demographischen Problemen, die für alle Versorgungssysteme bestehen - ich will sie in der Kürze der Zeit nicht im einzelnen auflisten -, und die besondere Problematik des öffentlichen Dienstes, in dem sich die große Zahl von Neueinstellungen, die auf Grund gesellschaftspolitischer Wünsche der 60er und 70er Jahre vorgenommen wurden, natürlich eines Tages in Form von Pensionären und Versorgungsempfängern auf der Passivseite niederschlägt. Was heute Gehalt und Lohn kostet, kostet irgendwann Versorgung. Das ist eigentlich eine platte Selbstverständlichkeit. Aber die Tatsache, daß daraus hohe fiskalische Lasten entstehen, ist ebenso klar und bedarf der Untersuchung.
Das haben wir erstmals mit der Vorlage eines Entwurfs eines Versorgungsberichts getan, der die Zeit von 1993 bis 2008 en détail betrachtet, wie es das Parlament gewünscht hat. Die Arbeit an dem Versorgungsbericht hat nun ergeben, daß dieser Ausblick zeitlich unzureichend wäre. Wir wollten mit dieser Arbeit keinesfalls zu kurz springen. Als der Beschluß gefaßt wurde, war es notwendig, die Entwicklung zu betrachten; aber wann sich die höchsten Spitzen in der Versorgungsbelastung ergeben würden, konnte niemand voraussehen. Sie ergeben sich erst nach 2008. Die Spitze der Versorgungsaufwendungen wird in den Jahren 2020 bis 2025 erreicht werden.
Wir haben in einem sehr mühseligen Verfahren, das einen Vergleich zwischen dem voraussichtlichen Anstieg der Ausgaben und der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in dem vom Parlament bis 2008 festgesetzten Berichtszeitraum anstellt, errechnet, daß sich die Versorgungsaufwendungen um etwa 10 Prozent erhöhen werden. Das klingt zunächst nicht nach viel. Es liegt in der Sache auch jenseits mancher Tatarennachrichten, die darüber abgegeben worden sind; aber es stellt doch eine sehr erhebliche fiskalische Belastung für die Haushalte der Zukunft dar.
Wichtig ist, daß man hier anmerkt, daß diese Belastung unterschiedlich eintreten wird. Die Versorgungsaufwendungen der Kommunen werden einigermaßen gleich bleiben, die des Bundes werden sowohl durch die Personalpolitik der letzten Jahre und die Einsparmaßnahmen in den Stellenplänen als auch durch das Auslaufen der Versorgungsregelung für die sogenannten 131er stark rückläufig sein. Über den Daumen gepeilt, ist das Versorgungsproblem ein Problem der Länderhaushalte, weil die gesellschaftspolitischen Programme der 60er und 70er Jahre in den Bereichen Bildung, Sozialwesen, Krankenhaus und Umweltschutz im wesentlichen landespolitische Programme gewesen sind. Das heißt: Die Problematik kann nur und muß gemeinsam, insbesondere mit Blick auf die Landesrechtsetzung und die Landeshaushalte, bewältigt werden.
Wir haben bis in das Jahr 2040 geblickt, in dem sich die Kurve der Aufwendungen wieder etwas neigt. Dazu wird für die öffentliche Debatte ein Vorschlag gemacht; dies sage ich jetzt als der Verantwortliche für den Entwurf des Berichtes. Es ist notwendig, die öffentliche Debatte auf die Erfordernisse von Einsparungen zu lenken.
In den Vorschlägen, die jetzt nicht Gegenstand der Beschlußfassung der Regierung sind, aber von mir in die Debatte gebracht werden, sind diese beiden Zeitabschnitte zu unterscheiden: wirksam bis 2008 können etwa 6 Milliarden DM aus einer Reihe von verschiedenen moderaten Einsparmöglichkeiten gewonnen werden. Von 2008 bis zur Höchstbelastung in den 20er Jahren des kommenden Jahrhunderts reichen diese Maßnahmen nicht aus. Deshalb habe ich den Vorschlag eines Selbstbeteiligungsmodells für die Beamten unterbreitet; Entsprechendes wäre für die Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten zu bereden. Das ist eine Frage der Tarifverträge.
Wenn diese geringe Selbstbeteiligung rechtzeitig eingeführt wird - alle Versorgungsfragen können immer nur langfristig vernünftig geregelt werden -, könnte durch sie zum Beispiel eine Versorgungsrücklage aus kleinen Beiträgen der Beamten über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren, beginnend im Jahr 2001, gebildet werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das ist die Grundkonzeption, die beachtet werden muß. Ein unendliches Zahlenmaterial webt sich um sie herum. Viele Einzelheiten müssen wir, die Bundesregierung und die Fraktionen dieses Hauses, zusammen mit den Berufsverbänden und insbesondere mit den Ländern beraten. Wir müssen langfristig die Problematik der Kostensteigerung ins Auge fassen, damit nicht eines Tages kurzfristig brachiale Lösungen ergriffen werden müssen.
Meine Hoffnung ist, daß wir dies im Laufe des nächsten Jahres, zunmindest in dieser Legislaturperiode, bewältigen können. Die Arbeit daran werden wir unverzüglich aufnehmen. Ich lade Sie alle ein, daran fördernd mitzuwirken.
Danke sehr.
Danke schön, Herr Minister. Als erster Fragesteller hat der Kollege Schily das Wort.
Herr Minister, Sie haben ja bedauerlicherweise unter Verstoß gegen das Gesetz den Versorgungsbericht zu spät vorgelegt. Das Gesetz verpflichtet dazu, den Versorgungsbericht zu Beginn der Legislaturperiode vorzulegen. Ich glaube, daß wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim besten Willen nicht mehr vom Beginn der Legislaturperiode sprechen können. Das ist nicht nur eine formale Angelegenheit, sondern es stellt sich auch die Frage, wie all die von Ihnen beschriebenen Notwendigkeiten und die auf uns zukommenden Diskussionen in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen gestaltet werden können. Insofern hat die Verspätung Auswirkungen und bringt die Politik ein wenig in Zeitnot.
Ich möchte Sie zunächst einmal fragen: Nach Art. 17 der Novelle zum Beamtenversorgungsgesetz von 1992 soll der Versorgungsbericht unter anderem die jeweils im Vorjahr erbrachten Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst enthalten. Wenn ein Versorgungsbericht im Jahre 1996 vorgelegt wird, wäre das das Jahr 1995. Es würde mich schon interessieren, ob wir die Zahlen für das Jahr 1995 von Ihnen noch nachgeliefert bekommen.
Das Weitere hängt mit der Situation in den neuen Bundesländern zusammen: Meinen Sie nicht, daß es notwendig wäre, wenigstens in der Perspektive auch Zahlen dafür zu nennen, wie die Projektionen in den neuen Bundesländern aussehen?
Sie haben ferner angesprochen -
Darf ich einmal fragen: Gehört dies noch zur ersten Frage? - Sie haben ja noch Zusatzfragen.
Herr Kollege Schily, wir haben - nicht zu spät - einen gründlichen Bericht vorgelegt. In der Republik gab es noch keine Erfahrungen mit der schwierigen Erfassung dieser Daten. Die Daten der Länder als der Hauptbetroffenen mußten verarbeitet werden.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Bericht nicht sofort vorzulegen, wenn er fertig ist. Aber ich werde zu so einer schwierigen Materie nichts Halbfertiges vorlegen, damit die Leute auf die Barrikaden bringen und viele Fragen offenlassen, die ich erst jetzt beantworten kann.
In den Ländern wäre niemand, der den Versorgungsbericht großmächtig angemahnt hat, daran gehindert gewesen, die Zahlen, die er mir selbst zugetragen hat - denn andere Zahlen als die aus den Ländern standen mir nicht zur Verfügung -, zu einem Versorgungsbericht seines Landes zusammenzufassen.
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Das hat erstaunlicherweise niemand aus den Ländern getan; ich habe es aber getan. Insofern fühle ich mich in dieser Angelegenheit sehr wohl. Mit diesem Bericht kann man etwas anfangen. Er enthält die neuesten Zahlen; er verarbeitet natürlich auch die Zahlen aus dem Jahr 1995.
Es ist selbstverständlich, daß Sie jede Zahlenreihe, die Sie gesondert hinterfragen wollen, sofort erhalten werden. Das Statistische Bundesamt arbeitet daran, die Zahlen für jedes einzelne Land zu erarbeiten und dann den Ländern zur Verfügung zu stellen. Es ist ebenfalls selbstverständlich, daß wir das tun.
In Zeitnot geraten wir nicht, wenn wir die Angelegenheit vernünftig angehen, wenn wir es vor allem anders machen - mit Verlaub gesprochen, Herr Kollege -, als Sie und einige Ministerpräsidenten es derzeit mit dem anderen Teil des Reformpakets tun, nämlich mit der Dienstrechtsnovelle und dem Bezügefortzahlungsgesetz, die Sie beide mit immer dünBundesminister Manfred Kanther
ner werdenden Argumenten im Vermittlungsausschuß blockieren. Jedesmal äußern Sie anschließend die Hoffnung, daß das Verfahren doch bitte weitergehe. Meine herzliche Bitte ist also, daß jeder, der in diesem Bereich Beschleunigung will - ich will das -, vor allem den anderen Teil des Reformpakets, der schon weit gediehen ist, durch ein beschleunigtes Verfahren fördert.
Wichtiger Aspekt: neue Bundesländer. Für den Betrachtungszeitraum bis 2008 besteht kein besonderes rechnerisches Problem, weil wegen der wenigen Beamten, die dann in die Versorgung eintreten, die Zahlen vernachlässigt werden können. Für die Zeit danach nimmt das Problem für die neuen Bundesländer zu.
Wir haben einen Sicherheitsaspekt eingebaut, Herr Kollege Schily, indem wir bei der Berechnung der Versorgungsquote, also des Verhältnisses zwischen Versorgungsausgaben auf der einen und Bruttoinlandsprodukt auf der anderen Seite, das stärker steigende Bruttoinlandsprodukt der neuen Bundesländer in der Berechnung außer acht gelassen haben. Das ist ein Sicherheitsfaktor, der uns in die Lage versetzt - wenn zu einem späteren Zeitpunkt, im Laufe der ersten Jahre des nächsten Jahrhunderts, in den neuen Ländern die ersten Beamten in die Reihe der Versorgungsempfänger eintreten -, diesen Anstieg ohne nennenswerte Änderung der zentralen Aussage des Versorgungsberichts zu berücksichtigen.
Ich sage noch einmal: bis 2008 Anstieg der Versorgungsquote um etwa 10 Prozent, bis 2025 um etwa 30 Prozent, wenn wir nicht dagegenhalten. Diese Aussage verändert sich durch das Hinzutreten von Versorgungsempfängern der neuen Länder nicht wesentlich. Wenn deren Angestellte und Arbeiter in die Zusatzversorgung eintreten, dann ergibt sich ein kleiner Ausschlag, ohne aber das Problem grundsätzlich zu verändern.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ich will mit Ihnen diese Diskussion nicht weiter fortsetzen. Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Vorlage des Versorgungsberichtes. Sie können nun manche Gründe nennen, daß Sie diese Verpflichtung nicht eingehalten haben, aber Sie haben den Bericht eben nicht rechtzeitig vorgelegt.
Im übrigen haben Sie Ihre Antwort zu einigen polemischen Ausfällen gegen die Bundesratsmehrheit und gegen die größte Oppositionsfraktion in diesem Hause genutzt. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Minister: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß in dem anderen Verfassungsorgan Bundesrat andere Mehrheiten herrschen und daß man dort seine eigene Meinungsbildung hat.
Ein Blockieren liegt nicht vor, wenn man Ihren Meinungen nicht folgt. Wir könnten genausogut sagen: Sie blockieren eine vernünftige Haltung in bestimmten Fragen, weil Sie nicht auf die Vorschläge eingehen, die aus dem Vermittlungsausschuß kommen. Aber auch dies brauchen wir nicht zu vertiefen.
Wir sollten diese Regierungsbefragung lieber dafür nutzen, Ihnen Gelegenheit zu geben, etwas zum Versorgungsbericht und dem Stand der Beratungen im Kabinett zu sagen.
Deshalb zu meinen Fragen: Sie selber haben den Aspekt der Versorgungsrücklage angesprochen. In bezug auf eine solche Rücklage wird geltend gemacht - zumal Sie selber ähnliche Konstruktionen auf Länderebene kritisiert haben -, daß es eigentlich viel besser wäre, die Nettokreditaufnahme zu senken, als einen solchen Fonds zu bilden. Dazu würde ich Ihre Meinung gerne hören.
Ferner haben Sie selber Einsparungsmaßnahmen angesprochen. Wie denkt die Bundesregierung über die Streichung der Ministerialzulage?
Meine dritte Ergänzungsfrage, die ich kurz hinzufügen möchte, weil sie eine Unterfrage in bezug auf die Sparmaßnahmen ist - Frau Präsidentin, das ist meine letzte Frage -, lautet: Sehen Sie nicht auch die Notwendigkeit - viele der Versorgungslasten sind ja durch gemeinsam getragene Personalaufstockungen in den Ländern zustande gekommen -, daß es im Verhältnis zwischen Bund und Ländern eines gewissen Finanzausgleichs bedürfte? Einen Vorschlag in diese Richtung hat der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Herr Geyer, gemacht.
Herr Minister.
Ich habe nichts verspätet vorgelegt. Die Definition, was „zu Beginn der Legislaturperiode " bedeutet, kann, da wir uns jetzt noch in der ersten Hälfte befinden, wirklich als müßig dahingestellt sein. Hätten Sie denn gerne einen schlechten Bericht früher gehabt? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Die SPD-regierten Bundesländer hätten dies ganz sicher nicht gewollt. Die gesetzliche Verpflichtung ist also eingehalten.
Das Kabinett hat heute nicht über Maßnahmen diskutiert, sondern das Zahlenwerk zur Kenntnis genommen und den Bundesinnenminister beauftragt, dem Kabinett bis zur Osterpause einen erneuten Sachstandsbericht vorzulegen. Dazu wird gehören, daß in dieser Zeit alle Beteiligten intensiv angehört werden und ihre Vorschläge einbringen können. Das gilt in besonderem Maße natürlich für die Bundesländer als Hauptbetroffene. Dies wird sofort in Gang gesetzt.
Die Frage der Versorgungsrücklage ist ein neuer Gedanke.
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Es liegt auf der Hand, daß es, wenn überall in unserer Gesellschaft neue Gedanken geäußert werden, dafür nicht nur Beifall gibt. Ich finde es aber berechtigt, daß wir, wenn wir rechtzeitig eine kleine Anstrengung aller Betroffenen im öffentlichen Dienst vornehmen und daraus eine große Rücklage ansparen können, die der Untertunnelung des VersorBundesminister Manfred Kanther
gungsbergs dienen würde, einen neuen Vorschlag auf den Tisch bringen.
Ich lege Wert auf die Feststellung, daß gerade das Beamtenrecht solche Vorschläge trägt und daß nicht die gelegentlich behauptete Auffassung richtig ist, das Beamtenrecht müsse per Verfassung geändert oder aufgegeben werden, um innovationsfähig zu sein. Das Beamtenrecht ist innovationsfähig, wenn man Änderungen mutig anpackt.
Das Modell einer Versorgungsrücklage, das ich ins Gespräch gebracht habe, unterscheidet sich wesentlich von den beiden Modellen in Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz - hier von dem Ursprungsmodell, in dem Staatsgeld zur Seite gelegt wird, um daraus eine Rücklage zu bilden. Das kann jeder. Das ist nur eine Frage der jeweiligen Nettoneuverschuldung. Bei meinem Vorschlag wird die Rücklage aus Beiträgen der Betroffenen gebildet, indem ihre Gehalts- oder Pensionsanpassung gering - ich habe als Rechenbeispiel 0,2 Prozent angenommen - hinter dem Anstieg der Tarifeinkommen zurückbleibt. Man kann ja im öffentlichen Dienst die tariflichen und die gesetzlichen Einkommen glücklicherweise miteinander vergleichen, was in den Bereichen der Bau-, Chemie- oder Metallindustrie nicht möglich wäre. Es handelt sich also um eine völlig andere, von den Betroffenen gebildete Rücklage.
Die Frage nach dem Finanzausgleich mußte kommen. Daß aus dem Kreise der Betroffenen natürlich gerufen wird, die öffentliche Hand solle die ganze Last selber tragen, ist der traditionelle Ruf und ein Ruf wie überall in diesen Tagen. Die Lösung des Problems leidet aber gerade daran, daß die öffentliche Hand derzeit nicht mehr alle Lasten tragen kann und daß dieses Phänomen in Zukunft bei den Versorgungslasten besonders auftritt. Deshalb hat es keinen Sinn, nun nach Bundesgeld zur Entlastung von Landeskassen zu rufen. Der Auftrag an den Versorgungsbericht war, zu diesem Thema eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung herzustellen, und nicht Fragen des Finanzausgleichs zu klären. Das ist jetzt überhaupt nicht die Ebene, auf der wir das verhandeln können. Verhandeln müssen wir mit den Ländern das Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrecht; denn davon sind sie betroffen. Die Fragen des Finanzausgleichs sind ein völlig anderer Schuh.
Und die Ministerialzulage?
Richtig, verzeihen Sie. - Die Zulagen sind einer der Punkte, die wir überdenken müssen. Die Gewährung von Zulagen überhaupt, die Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen und die Dynamisierung von Zulagen sind ein breites und sehr unterschiedliches Feld. In dieses Feld gehört auch die Ministerialzulage, bei der auch ich - wenn dies die allgemeine Meinung sein sollte - durchaus Veränderungsbedarf erkennen kann. Aber es kommt sehr darauf an, wie man dies für die Betroffenen erträglich und den Vertrauensschutz beachtend macht und welche Schritte man wählt. Es hat keinen Sinn, beim öffentlichen Dienstrecht jene großen Aufräumer und Abräumer spielen zu wollen, die man an anderer Stelle nicht sein will.
Wir werden im Bereich der Zulagen das gesamte System durchforsten; da bin ich ganz sicher. Das wird ein Punkt sein, bei dem sich insbesondere die Länder einbringen müssen. Dann werden wir bei diesem Punkt ganz gewiß ein vernünftiges und einvernehmliches Ergebnis haben. Aber wir werden die unterschiedlichen Aspekte etwa bei der Ministerialzulage, der Polizeizulage oder den vielfältigen Zulagen für die Soldaten zu betrachten haben, die alle eine andere Motivation und Begründung haben und deshalb sorgfältig individuell betrachtet werden müssen.
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Als nächster der Kollege Rudolf Körper.
Herr Kanther, leider konnte ich Ihren mündlichen Bericht hier nicht zur Kenntnis nehmen, weil die Innenausschußsitzung das nicht zuließ. Aber ich habe auf Grund Ihrer schriftlichen Vorlage eine Frage in bezug auf Ihr vorgeschlagenes „Anpassungsmodell", wie Sie es nennen. Dieses Anpassungsmodell sieht, wenn ich das richtig zur Kenntnis genommen habe, Beiträge vor, die Sie den betroffenen Beamtinnen und Beamten für einen bestimmten Zeitraum abverlangen; 0,2 Prozent ist die Größenordnung, die ich im Kopf habe.
Der erste Teil meiner Frage ist - da Sie gerade die sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 unseres Grundgesetzes und damit einhergehend die Frage der besonderen Alimentation sehr stark diskutieren -: Halten Sie das, was Sie quasi als Anpassungs- und Beitragsmodell vorschlagen, für mit diesen Grundsätzen vereinbar? Und der zweite Teil meiner Frage ist: Welche Konsequenzen ziehen Sie eigentlich aus dem vorliegenden Versorgungsbericht für die Personalpolitik der öffentlichen Hand in Gänze, insbesondere auch für das, was die Verhältnisse des Status anbelangt, das heißt, was das Verhältnis zwischen Beamten, Arbeitern und Angestellten angeht?
Herr Minister.
Ein weites Feld! Ich versuche, das in Kürze zu beantworten.
Die Rechtsfrage, ob ein solches Anspar- und Rücklagenmodell verfassungsrechtlich zulässig ist, kann ich ohne Einschränkung mit Ja beantworten. Es liegt in der Hand des Gesetzgebers, die Beamtenbesoldung und -versorgung jedes Jahr neu zu regeln. So, wie er heute Anpassungen vornimmt, zum Beispiel auch im nächsten Jahr das gegenüber dem Tarifbereich verspätete Inkrafttreten zum 1. März statt zum 1. Januar, kann er das natürlich auch in Zukunft tun und kann dieses ersparte Geld der Beamten in eine Versorgungsrücklage überweisen, die über 15 Jahre gebildet wird, die - mit dem Rechenbeispiel
0,2 Prozent - etwa 60 Milliarden DM umfassen könnte und die dann in den zehn Jahren danach abgeschmolzen werden würde, um den Versorgungsberg zu untertunneln.
Der Versorgungsberg würde von heute 1,2 Prozent Versorgungsquote auf 1,65 Prozent ansteigen - das wäre ein Anstieg von 30 Prozent -, wenn wir nichts täten. Deshalb müssen wir etwas tun. Die kleineren Maßnahmen ergeben etwa die Hälfte der notwendigen Einsparungsanstrengung, und aus der Untertunnelung des Versorgungsberges mittels der Rücklage würde die zweite Hälfte von den Betroffenen beigetragen werden. Das ist für den öffentlichen Dienst etwas ungewohnt; aber es ist ein moderater Vorschlag, der deshalb moderat sein kann, weil er langfristig wirkt, etwa von 2015 bis 2025. Wenn man diesen Gedanken zu Ende führt, ergibt sich, daß man später niemanden zu belasten braucht, da man es moderat regeln kann.
Ich strapaziere den berühmten Art. 33 Abs. 5 nie; so etwas werden Sie noch nie von mir gehört haben. Wenn eine Verfassungsbestimmung einer vernünftigen Anpassung und Reform im Wege stünde, dann müßte doch nicht die Reform unterbleiben; dann müßte vielmehr die Verfassung geändert werden.
Die viel spannendere Frage ist, ob die geltende Verfassung die Reform erlaubt. Dazu sage ich eindeutig: Ja. Es geht nicht darum, mal eben schnell die Verfassungsbestimmungen und auch das Beamtensystem umzureißen, ohne zu wissen, was danach kommt - bestenfalls eine einheitliche Tariflandschaft. Es kann aber doch nun wirklich niemand behaupten, daß die sich etwa durch besondere Mobilität oder durch eine vergrößerte Effizienz gegenüber dem Beamtenstatus auszeichnete.
Das bedeutet also: Meine Vorschläge bleiben im Rahmen des effizienten und richtigen Systems des öffentlichen Dienstes, das wir in Deutschland herangebildet haben. Meine Vorschläge erweisen dessen Reformfähigkeit.
Zur Rechtsfrage darf ich darauf verweisen, daß der Ihnen nahestehende Ministerpräsident Beck
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sein Fonds-Modell flugs um eine, ich würde mal sagen, Kanther-Komponente erweitert hat. Nun will er bei den Beamten statt 0,2 Prozent 0,3 Prozent erheben. Im Rundfunk befragt, ob dies ein wesentlicher Unterschied sei, hat er gesagt: Ja. - Lassen Sie uns darüber reden, wie wesentlich er ist.
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- Nein, er hat ihn nach mir gemacht; das ist das Neue.
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- Und Schleswig-Holstein bringt Landesmittel in einen Fonds ein, statt die Neuverschuldung zurückzuführen. Infolgedessen ist das ein Fonds aus Staatsgeldern, nicht aus Beamtengeldern, Herr Schily. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied.
Ich freue mich, wenn das Modell Rheinland-Pfalz um die von mir ins Gespräch gebrachte Komponente erweitert wird. Ich habe auch keine Sorge, daß es ein heftiges, durch Grundsatzgezerre gekennzeichnetes Gespräch mit den Ländern geben wird. Es wird vielmehr sachbezogen sein, wenn wir die gegenwärtigen Aufgeregtheiten von anderer Stelle hinter uns gelassen haben.
Zur Personalpolitik im Ganzen: Die Bundesregierung wird an dem bewährten System des öffentlichen Dienstrechts, einem vielgestaltigen Dienstrecht aus dem Tarifbereich für Arbeiter und Angestellte und dem Gesetzesbereich für Beamte, zum Vorteil für die Bürger festhalten. Das Beamtenrecht ist für die Bürger von Vorteil: Es verpflichtet zu einem besonderen Maß von Engagement. Das Beamtenrecht ist auch bei den Lehrern für die Eltern von Vorteil: Wir wollen nicht, daß Lehrer streiken können und den Eltern die Kinder vor die Tür stellen. Und Beamte können nicht streiken.
Ich halte es auch für notwendig, daß das Beamtenrecht immer wieder innovativ vorangeht, wie ich es gerade beschreibe, und daß wir im öffentlichen Dienstrecht nicht allein auf Tarifabschlüsse, also auf zwei Unterschriften, angewiesen sind. Gewiß ist es notwendig, soviel wie möglich Konsens mit den Berufsverbänden des öffentlichen Dienstes zu erzielen. Die Erfahrung aber zeigt, daß auch das gesetzgeberische Beispiel gelegentlich eine nützliche Schubkraft entwickelt. Deshalb ist ein vielgestaltiges Recht besser als ein unicolores.
Danke.
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- Nein, wir haben zwei Minuten vor halb zwei.
Ich habe zum Beamten- und Versorgungsbericht keine Wortmeldungen mehr. Gibt es zu den beiden anderen Fragenkomplexen noch Wortmeldungen? - Ja, der Kollege Pick.
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- Ist es eine kurze Frage? An sich haben Sie Ihre zwei Fragen schon gestellt. Wir sollten nicht zu der Praxis übergehen, immer mehrere Fragen in eine zu packen. Aber bitte!
Frau Präsidentin, ich wußte schon immer, daß Sie sehr charmant zu mir sind.
Ganz kurz: Es gibt den Begriff der Versorgungsquote, den Sie, Herr Kanther, in Ihren Bericht eingefügt haben. Ist meine Information richtig, daß wir im Jahre 1975 eine Versorgungsquote von zirka 1,6 Prozent hatten und jetzt in der Gefahr sind, sie im Jahr 2008 wieder zu erreichen?
Herr Minister.
Es ist richtig, daß wir 1975 schon einmal eine so hohe Versorgungsquote hatten. Ich nutze jede Gelegenheit, zur Versachlichung der Debatte beizutragen. Damals hat sich buchstäblich kein Mensch um diese Frage gekümmert. Die Frage der Versorgungsquote ist schlichtweg abgehakt worden. Es gab ein Jahr vorher den sogenannten Kluncker-Abschluß von plus 11 Prozent. Das zeigt, wie elementar wichtig die Abschlüsse für die Versorgungsseite sind.
Nun bekommt aber in einer anderen Situation, nämlich nicht mehr der vermeintlich immer voller öffentlicher Kassen, sondern der von gebeutelten öffentlichen Kassen und von schwerwiegenden demographischen Problemen, bei der immer weniger Junge im Dienst immer mehr Ältere, Rentner und Pensionäre, unterhalten müssen, die Sache eine andere Dimension. Was die Gesellschaft 1975 nicht hinterfragt und hingenommen hat, wird ihren Kassen im Jahre 2022 - dann wäre die Versorgungsquote wieder 1,65 Prozent - nicht mehr aufgeladen werden können. Deshalb betrachte ich nicht nur den Zeitraum bis zum Jahre 2008 - dann wäre die Versorgungsquote nur etwa 1,32 Prozent -, sondern ich betrachte einen darüber hinausgehenden Zeitraum.
Ich hätte es mir ja einfacher machen können. Ich hätte Ihren Auftrag mit einer Betrachtung bis zum Jahre 2008 umsetzen können und hätte erklären können: Die Probleme sind mäßig. Genau das habe ich nicht getan; vielmehr habe ich den Zeitraum betrachtet, in dem die Probleme wesentlich werden.
({0})
Deshalb mußten auch entsprechende Vorschläge hinzugefügt werden, nicht weil sie das A und O für die weitere Debatte sein sollen, sondern weil sie zeigen sollen, daß die Bundesregierung und die Koalition entschlossen sind, an das Thema heranzugehen, weil es jetzt noch auf moderate Weise lösbar ist.
Danke.
({1})
Danke, Herr Minister.
Jetzt fragt Frau Abgeordnete Klappert. Zu welchem Komplex?
Tierschutz.
({0})
Herr Minister Borchert, ich habe voller Freude festgestellt, daß das Kabinett heute die Novelle zum Tierschutzgesetz verabschiedet hat. Es gibt ja durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und uns, zum Beispiel daß wir den Verkauf von Wirbeltieren an Personen unter 16 Jahren in Zukunft verbieten und die Bereiche ausdehnen wollen, in denen ein Sachkundenachweis erforderlich ist. Ich frage Sie: Ist in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen, daß die Haltung der landwirtschaftlichen Nutztiere verbessert werden soll, daß auch wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Form der Tierhaltung Berücksichtigung finden? Ferner möchte ich Sie fragen, ob das Strafmaß in § 17 des Tierschutzgesetzes verschärft wird und, wenn nicht, warum nicht.
Herr Minister Borchert.
Mit der Novelle, die die Bundesregierung heute verabschiedet hat, unterstreichen wir die große Bedeutung, die der Tierschutz hat. Wir haben das Tierschutzgesetz in den Bereichen weiterentwickelt, von denen ich hoffe, daß sie zwischen der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat unstrittig sind. Wir erhöhen das Alter für diejenigen Personen, die wechselwarme Wirbeltiere erwerben können, auf 16 Jahre; wir dehnen den Bereich der Tätigkeiten aus, für die eine Erlaubnis erforderlich ist. Dies setzen wir unter anderem auch mit der Tiertransportverordnung um.
In der Novelle zum Tierschutzgesetz ist nicht vorgesehen, die Haltungsverordnungen für landwirtschaftliche Nutztiere zu verändern. Hier habe ich den Eindruck, Frau Kollegin, daß wir darin übereinstimmen, daß dies in erster Linie eine Aufgabe ist, die wir auf der europäischen Ebene lösen müssen. Deswegen ist es unser Ziel, auf der europäischen Ebene die Haltungsverordnungen weiter zu verbessern. Wir bemühen uns zur Zeit darum, die Kälberhaltungsverordnung weiterzuentwickeln und die Übergangsfristen zu verkürzen, damit die weitergehenden Regelungen, die wir in Deutschland bereits getroffen haben, möglichst schnell auch auf der europäischen Ebene umgesetzt werden können.
Die Legehennenhaltungsverordnung - hier beziehe ich mich auf die Presseerklärung, die Sie ja für die SPD-Fraktion herausgegeben haben - wird mit dieser Novelle zum Tierschutzgesetz nicht verändert. Ich stimme Ihnen zu - das haben Sie in Ihrer Presseerklärung geschrieben -, daß dies auf der europäischen Ebene weiterentwickelt werden muß. Denn mit einem nationalen Alleingang würden wir auf der einen Seite europarechtlich in eine schwierige Situation kommen und auf der anderen Seite - auch hier stimme ich Ihnen zu - die Tierschutzproblematik ins Ausland verlagern.
Deswegen, denke ich, müssen wir uns gemeinsam bemühen, die Haltungsrichtlinie auf der europäischen Ebene zu verbessern. Ich hoffe, daß unser Drängen Erfolg hat und die Kommission möglichst schnell eine Überarbeitung der Legehennenhaltungsrichtlinie vorlegt.
Zu der letzten Frage: Das Strafmaß wird durch die beschlossene Novelle erhöht.
Frau Klappert, die Zeit für die Regierungsbefragung läuft uns davon. Darf ich Sie deshalb bitten, auf die Zusatzfrage zu
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
verzichten, damit wenigstens Herr Behrendt noch eine Frage stellen kann?
({0}) - Herr Behrendt.
Herr Minister, können Sie mir bitte erläutern, welche Regelungen der Gesetzentwurf angesichts der gentechnologischen Entwicklungen und Forschungen vorsieht, um die geschöpfliche Würde der Tiere zu garantieren?
Herr Minister.
Auf Grund der bisherigen Erfahrungen wird das Tierschutzgesetz in wesentlichen Bereichen weiterentwickelt. Das geschieht unter anderem - darauf habe ich bereits hingewiesen -, indem wir den Personenkreis ausdehnen, der Sachkunde nachweisen muß. Die Erfahrung zeigt, daß es bei Personen, die die entsprechende Sachkunde haben, wesentlich weniger Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gibt.
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Wir wollen den Schutz im Bereich der Erlaubnisse weiter ausbauen, zum Beispiel bei der Tiertransportverordnung. Mit der Verordnung wird in Zukunft geregelt, daß eine Erlaubnis vorliegen muß, daß ein Sachkundenachweis geführt wird.
Wir entwickeln das Tierschutzgesetz auch im Bereich der Kosmetika weiter. Bisher war das Verbot von Tierversuchen auf die dekorative Kosmetik beschränkt. Es wird auf die Kosmetik insgesamt ausgedehnt.
Wir dehnen den Schutz auch in dem Bereich aus, in dem Eingriffe und Behandlungen an Tieren durchgeführt werden, die zur Belastung von Tieren führen, aber keine Tierversuche darstellen. In Zukunft müssen solche Behandlungen gemeldet werden. Ich denke, dies ist ein entscheidender Ansatz, um den Tierschutz auch in diesem Bereich zu verbessern.
Zu diesen Aspekten gehört, daß wir im Bereich der wissenschaftlichen Forschung an der Regelung festhalten, die bisher strittig war, nämlich daß für sogenannte Finalversuche an Tieren ein Genehmigungsvorbehalt gilt.
Auf Grund der bisherigen Erfahrungen glaube ich, daß wir mit diesen Regelungen in einer Vielzahl von Bereichen den Tierschutz weiter ausbauen und damit unsere Verantwortung für das Mitgeschöpf Tier ernst nehmen.
Die Zeit für die Befragung der Bundesregierung ist an sich abgelaufen.
({0})
- Bitte, wenn sie kurz ist.
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung hinsichtlich der, wie ich finde, unabdingbaren ethischen Überprüfbarkeit von Tierversuchen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ziehen, das konstatiert hat, die ethische Überprüfung von Tierversuchen sei mit der Forschungsfreiheit unvereinbar?
Wir haben in diesem Bereich an den bisherigen Regelungen festgehalten und werden die strikten Überprüfungen weiterhin durchführen.
Ich glaube, auch die Zahl der Tierversuche zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Man muß sehen, daß von 1991 bis 1995 die Zahl der Versuchstiere um eine Million abgenommen hat. Ich glaube, daß die Überprüfung, ob Tierversuche ethisch verantwortbar sind, ob sie notwendig sind, zu einer strikten Einschränkung der Tierversuche führt und gleichzeitig intensiv die Suche danach verstärkt, ob Tierversuche durch alternative Verfahren ersetzt werden können.
Die Zeit für die Befragung der Bundesregierung ist abgelaufen. Mir liegen aber noch zwei Fragen der Kollegin Höfken und des Kollegen Michels vor. Wenn sie zu demselben Komplex sind, lasse ich sie noch zu. Ist das der Fall? - Frau Höfken, bitte.
Ich möchte konkret an dem letzten Punkt ansetzen. Haben Sie damit eine Ausweitung der Definition von Tierversuchen, von Eingriffen zu Aus-, Fort- und Weiterbildungszwecken und von Tiertötungen zum Zwecke der Organ- und Gewebeentnahme vorgenommen?
Haben Sie einen Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten auch für das Töten von wechselwarmen Tieren eingeführt?
Warum beschränken Sie die Anhebung der Altersgrenze für den Erwerb auf Wirbeltiere und lassen die wechselwarmen Tiere dabei außen vor?
Es gibt keine neue Definition von Tierversuchen. Somit wird der Bereich der Tierversuche auch nicht ausgeweitet. Vielmehr bleiben wir bei der bisherigen Regelung.
Wir haben die Anzeigepflicht für den Bereich erweitert, innerhalb dessen Eingriffe und Behandlung an Tieren im Rahmen biomedizinischer oder labortechnischer Verfahren routinemäßig durchgeführt werden. Dies kann zur Belastung von Tieren führen, aber es handelt sich nicht um Tierversuche. Die Neuregelung mit dem Ziel der Angleichung an internationale Verfahren führt dazu, daß mit der Anzeigepflicht in diesem Bereich eine weitere Verbesserung des Tierschutzes erfolgt. Dies gilt für Herstellung,
Gewinnung und Aufbewahrung von Stoffen, sofern diese für die verwendeten Tiere belastend sind.
Wir haben die Altersgrenze für den Erwerb von bestimmten Tieren auf 16 Jahre angehoben. Nach dem bisherigen Recht konnten wechselwarme Wirbeltiere bereits von Jugendlichen im Alter von 14 Jahren gekauft werden. Diese Grenze wird jetzt auf 16 Jahre angehoben. Ich glaube, daß wir auch damit dem Votum des Bundesrates aus der vergangenen Legislaturperiode Rechnung getragen haben.
Darüber hinaus wird der Bereich der Tätigkeiten, für die eine Sachkunde nachgewiesen werden muß, auf die Tötung von Tieren ausgedehnt. Dies dient dem Ziel, ein möglichst tierschutzgerechtes Verfahren gewährleisten zu können.
Herr Kollege Michels, ist auch Ihre Frage zum Thema Tierschutz? - Bitte schön.
Herr Minister, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes meint, daß durch diese Novellierung eventuell die Zahl der Tierversuche steigen könnte. Was sagen Sie dazu?
Die Bundesregierung will mit dieser Novellierung EG-Recht umsetzen. Was würde eine Ablehnung auf EG-Ebene diesbezüglich bedeuten?
Die Zahl der Tierversuche wird mit der Novellierung nicht steigen. Wir bleiben bei der bisherigen Definition von Tierversuchen, wir bleiben bei den bisherigen Regelungen, so daß keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Zahl der Tierversuche steigen könnte. Ich bin sicher, daß die Tendenz der vergangenen Jahre sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird, so daß die Zahl der Versuchstiere von Jahr zu Jahr weiter abnehmen wird.
Wenn wir die mit der Novellierung beabsichtigte Umsetzung von EG-Recht nicht rechtzeitig vollziehen, würden wir in diesen Bereichen gegen europäisches Recht verstoßen und damit für den betroffenen Personenkreis Rechtsunsicherheit schaffen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß in Einzelfällen Regreßforderungen möglich sind, weil wir bestimmte Regelungen des europäischen Rechts nicht umgesetzt haben.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich beende die Befragung und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/5771 Die Frage 1 des Kollegen Behrendt, die Fragen 2 und 3 der Kollegin Ferner und die Frage 4 der Kollegin Leonhard werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Pick auf:
Wie viele Personen haben Ansprüche auf Schadenersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht, die im Zusammenhang mit dem Konkurs des Reiseveranstalters MP Travel-Line stehen, und wie ist die weitere Abwicklung der Verfahren vorgesehen?
Herr Kollege Professor Dr. Pick, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland haben zur Zeit insgesamt zirka 7 800 Anspruchsteller Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit der verspäteten Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie geltend gemacht. Wie viele dieser Fälle im Zusammenhang mit dem Konkurs des Reiseveranstalters MP Travel-Line stehen, läßt sich nicht sagen, weil viele Anspruchsteller pauschal Ansprüche geltend gemacht haben, ohne den Namen des Reiseveranstalters zu nennen.
Die Bundesregierung beabsichtigt, die geltend gemachten Schadenersatzansprüche wegen der verspäteten Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie zügig und möglichst ohne gerichtliche Entscheidung abzuwickeln. Dabei wird allerdings in jedem einzelnen Fall zu prüfen sein, ob und inwieweit die Voraussetzungen für den Ersatz des entstandenen Schadens vorliegen.
Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls auf eine unbürokratische Regelung dieser Fälle hinzuwirken, und betrifft das auch diejenigen, die jetzt noch keine Klagen beim Gericht, insbesondere in Bonn, anhängig gemacht haben?
Wir werden diese Ansprüche unbürokratisch bearbeiten. Ich habe bereits gesagt, es soll eine Regelung außerhalb des Gerichts erfolgen. Wir haben innerhalb unseres Hauses auch durch eine personelle Verstärkung dafür Sorge getragen, daß schnell und unbürokratisch entschieden werden kann. Natürlich sind wir nach der Bundeshaushaltsordnung verpflichtet, gründlich zu prüfen. Wir wollen das so schnell wie möglich und vor allem unbürokratisch tun. Man könnte zum Beispiel daran denken, daß minimale Schadenspositionen gegebenenfalls pauschal abgegolten werden könnten.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Meine erste Frage war insofern noch nicht vollständig beantwortet, als ich gefragt habe, ob das auch für noch nicht anhängige Verfahren gilt.
Das gilt auch für nicht anhängige Verfahren. Wir haben bereits gegenüber einer Reihe von Antragstellern, die ihre Ansprüche lediglich beim Bundesjustizministerium geltend gemacht haben, auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Diese werden natürlich genauso behandelt wie diejenigen, die ihre Verfahren beim Gericht anhängig gemacht haben.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ab wann rechnet die Bundesregierung den Beginn der Verjährung? Das ist in diesem Fall nicht ganz einfach. Ist sie bereit, generell auf die Einrede der Verjährung zu verzichten? Es ist ja höchst fraglich, ab wann die Frist in diesem Fall zu laufen beginnt.
Herr Kollege, wir wissen natürlich, daß die Frage der Verjährung problematisch ist. Ich glaube, es wird sich mehr um einen rechtstheoretischen Fall handeln. Wir werden das genau prüfen, und wir haben bislang gegenüber einer großen Zahl von Anspruchstellern auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Wir werden trotz möglicherweise rechtstheoretischer Ausführungen eine Ausarbeitung darüber, nach welchen Grundsätzen die Verjährung eintreten könnte, erstellen, die wir Ihnen, Herr Professor Pick, gern zur Verfügung stellen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Blunck.
Herr Staatssekretär, wären bei fristgerechter Umsetzung der EG-PauschalreiseRichtlinie dem Bundeshaushalt Kosten für Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe erspart geblieben, und hätten diese eingesparten Beträge nicht die Kosten der Projekte, die die SPD-Fraktion zum Bundeshaushalt 1997 beantragt hat - zum Beispiel zur Realisierung der Forderungen der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände in bezug auf die Gesundheit und im Bereich der Energieeinsparungen -, einschließlich der Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 1998 und 1999 bei weitem gedeckt?
Frau Kollegin, es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich kenne die Anträge der SPD- Fraktion nicht. Ich kann Ihnen aber sagen, wie die Schätzungen - das ist auch Bestandteil der nächsten Frage von Herrn Pick - über die Schadenshöhe aussehen. Wir haben natürlich noch keine genaue Übersicht darüber, wie hoch der Schaden ist. Wir rechnen mit einem Schaden in Höhe von 10 bis 15 Millionen DM, maximal 20 Millionen DM.
Dann kommt die Zusatzfrage der Kollegin Kastner.
Herr Staatssekretär, es soll noch weitere Richtlinien geben, die unseres Wissens nicht fristgerecht umgesetzt worden sind und bei denen eventuell noch Verurteilungen der Bundesregierung nachkommen können. Können Sie absehen, welche weiteren Schadenersatzansprüche auf die Bundesregierung in dieser Hinsicht noch zukommen können?
Frau Kollegin, diese Fragestellung geht weit über das hinaus, was Herr Kollege Pick in seiner Frage 5 angesprochen hat. Sie werden es mir auch nicht verübeln, wenn ich sage, daß die europäischen Richtlinien natürlich von vielen Stellen der Bundesregierung umzusetzen sind. Auch soweit das Bundesjustizministerium betroffen ist, gibt es Richtlinien, die nicht fristgerecht umgesetzt worden sind. Wir werden uns bemühen, hier eine möglichst schnelle Umsetzung vorzunehmen. Wir rechnen nicht mit Schadenersatzansprüchen.
Es kommt die Zusatzfrage der Kollegin Klappert.
Herr Staatssekretär, ich möchte da gerne weiterfragen: Wie viele Richtlinien sind bei uns konkret noch nicht umgesetzt worden? Bei wie vielen ist die Frist zur Umsetzung schon abgelaufen?
Verehrte Kollegin, da ist selbst bei großzügigster Auslegung nun wirklich kein Sachzusammenhang mehr zu erkennen.
({0})
- Eine Sekunde. - Die ursprüngliche Frage lautete, wie viele Personen Schadenersatzansprüche geltend gemacht haben, die im Zusammenhang mit dem Konkurs eines bestimmten Reiseveranstalters stehen, und wie die weitere Abwicklung der Verfahren vorgesehen ist. Ich kann Ihre Zusatzfrage nicht zulassen.
Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka auf.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie viele Reiseveranstalter während der Umsetzungsfrist und vor der tatsächlichen Umsetzung in Konkurs gegangen sind, also wie viele Unternehmen betroffen sind? Wie viele Einzelfälle, wie viele Kunden sind betroffen?
Herr Kollege, zu der letzten Frage habe ich gesagt, daß wir aus dem von Ihnen genannten Zeitraum etwa 7 800 Anspruchsteller haben. Das betrifft im wesentlichen MP Travel-Line. Daneben gibt es, glaube ich, weitere 76 Reiseunternehmen, die in dieser Zeit in Konkurs gegangen sind; eines der größeren davon ist Marlo-Reisen. Die anderen
können wir von den Namen und auch von der Zahl her vernachlässigen.
Jetzt kommt die Zusatzfrage der Kollegin Steen.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang auch mit der vorhergehenden Frage möchte ich die Bundesregierung fragen, ob sie das Volumen des Schadens, der eingetreten ist bzw. erstattet werden muß, einschätzen kann und in welcher Form diese Anträge behandelt werden. Gibt es eine Rangfolge, und sind die Anträge der Reiseunternehmen weniger vordringlich als die der Einzelpersonen?
Frau Kollegin, ich glaube, das ist eine Zusatzfrage zur Frage 6, die wir gleich behandeln werden. Wenn Sie sie vielleicht bis dahin zurückstellen würden.
Ich rufe die Zusatzfrage der Kollegin Ganseforth auf.
Herr Staatssekretär, ich wüßte aber doch gern, wie hoch von der Bundesregierung die Summe der Schadenersatzansprüche eingeschätzt wird, die dadurch entstanden sind, daß die Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt worden ist.
Frau Kollegin, das hatte ich schon längst beantwortet. Ich hatte gesagt, wir rechnen mit maximal 20 Millionen DM.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Pick auf:
Wie hoch ist der von dem Konkurs des Reiseveranstalters MP Travel-Line betroffenen Reisenden im Durchschnitt geltend gemachte Schaden?
Herr Kollege, da die Zahl der Reisenden nicht feststeht, die ihre Ansprüche im Zusammenhang mit dem Konkurs des Reiseveranstalters MP Travel-Line geltend gemacht haben, läßt sich der im Durchschnitt geltend gemachte Schaden dieses Personenkreises nicht feststellen.
Aus 3 500 Schadensfällen, die - unabhängig vom Reiseveranstalter - mit elektronischer Datenverarbeitung gespeichert sind, läßt sich ein durchschnittlich geltend gemachter Schaden von 2 850 DM errechnen. Viele Anspruchsteller haben jedoch in ihren Anträgen auch Schäden Mitreisender - Ehepartner, Kinder und sonstiger Mitreisender - verfolgt. Der pro Person durchschnittlich geltend gemachte Schaden liegt nach unseren Schätzungen daher unter 2 850 DM.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist gewährleistet, daß die Abwicklung dieser Schäden noch in diesem Jahr erfolgt? Denn die Betroffenen warten seit Mitte 1993, als der Schaden eingetreten ist, auf eine Wiedergutmachung, obwohl sich der Rechtsstandpunkt der Bundesregierung nach diesem Zeitpunkt nicht als zutreffend herausgestellt hat.
Herr Kollege, wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß schnell geprüft und dann auch rasch abgewickelt wird. Es mag im einzelnen etwas kompliziertere Fälle geben, bei denen Rückfragen gestellt und die Antworten rechtzeitig eingehen müssen. Wir haben sowohl personell als auch durch Datenverarbeitung die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß wir schnell abwickeln können.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich die Zusatzfrage der Kollegin Steen auf. Würden Sie sie wiederholen?
Herr Staatssekretär, ich hatte den Wunsch geäußert, etwas über den Umfang der zu erwartenden Schadenshöhe zu erfahren bzw. darüber, ob in dieser Schadenshöhe auch die Regulierung der Schäden enthalten ist, die die Reiseunternehmer bereits im Kulanzwege bei Einzelreisenden vorgenommen haben.
Wir haben die Fälle zu regeln, in denen Ansprüche an das Bundesjustizministerium gestellt werden. Im Hinblick darauf habe ich den maximalen Umfang von 20 Millionen DM genannt. Darüber hinausgehende Zahlen kann ich Ihnen leider nicht liefern.
Dann rufe ich die Zusatzfrage von Frau Kollegin Kastner auf.
Herr Staatssekretär, ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung die Schadenersatzansprüche schnell abwickeln will. Trotzdem: In diesem Fall gibt es eine Verjährungsfrist. Ist die Bundesregierung hinsichtlich der dreijährigen Verjährungsfrist bereit, Kulanz zu zeigen?
Ich habe vorhin, Frau Kollegin, auf die Frage des Kollegen Professor Pick zur Verjährungsfrage schon Stellung genommen. Hinsichtlich der Kulanz ist die Bundesregierung in einer schwierigen Situation; denn wir haben die Rechtsgrundlagen für Zahlungen zu beachten. Das wäre in diesem Fall die Ihnen bekannte Bundeshaushaltsordnung.
Dann rufe ich die Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka auf.
Herr Staatssekretär, durch das Nichthandeln der Regierung - man kann auch sagen: Versagen der Regierung - ist der Bundesrepublik Schaden entstanden. Welcher Schaden an Ansehen usw. ist der Reisebranche entstanden?
Der Reisebranche ist durch die Nichtumsetzung meines Erachtens kein Schaden entstanden. Denn auf Grund der Tatsache, daß in der Reisebranche auch schwarze Schafe - dazu hat sicherlich MP Travel-Line gehört - existieren, kann der Bundesregierung kein Vorwurf gemacht werden. Das sind allgemeine wirtschaftliche Vorkommnisse, die wir leider auch in anderen Branchen haben.
Im übrigen darf ich eine Bemerkung zurückweisen. Wer die Geschichte der mangelnden Umsetzung kennt, der wird auch wissen, daß es nicht nur die Bundesregierung gewesen ist, die die Richtlinie nicht umgesetzt hat. Durch ein nationales Gesetz setzt auch der Bundestag um. Ich kann mich noch sehr genau an Gespräche mit Bundestagsabgeordneten erinnern, die gemeint haben, daß wir diese Richtlinie überhaupt nicht umzusetzen hätten.
({0})
- Ich habe den Kollegen Kubatschka angesehen; er hat mich gefragt.
Zusatzfrage der Kollegin Blunck.
Das trifft auf die Beantwortung seiner Frage zu, aber nicht auf die Fragen bezüglich der Umsetzung der Richtlinie, Herr Staatssekretär.
Herr Staatssekretär, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, muß man Vorsorge für spätere Zeiten treffen. Deswegen frage ich Sie: Wieweit trifft die Bundesregierung zum Beispiel dergestalt Vorsorge, daß uns Schadenersatzforderungen wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie für Wertpapierdienstleistungen nicht dazu bringen werden, in der nächsten Zeit eine weitere Fragestunde mit Fragen zu Schadenersatzforderungen zu bestreiten?
Frau Kollegin, Ihre Zusatzfrage hat mit der Frage 6 überhaupt nichts zu tun.
({0})
- Frau Kollegin, das können Sie so nicht schlußfolgern. Das ist in dieser Form unzulässig.
Zusatzfrage des Kollegen Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, da die Rechtsauffassung der Bundesregierung, die zu diesen Schadenersatzforderungen geführt hat, offenkundig falsch war, frage ich Sie - hoffentlich zulässig, Herr Präsident -, ob es sich um einen Präzedenzfall handelt, der dazu verpflichten würde, Schadensmöglichkeiten, die an anderen Stellen auftreten können, abzuwehren, und ob es eine zügige Prüfung sowie eine ganz schnelle Vorlage von die Präzedenzfallwirkung abwehrenden Vorgaben gibt.
Herr Staatssekretär, hierzu muß ich sagen: So vorsichtig der Kollege Sperling dies formuliert hat - ich kann den Zusammenhang nicht ganz erkennen. Ich stelle Ihnen anheim, ob Sie antworten.
Ich möchte zumindest eines sagen: Dieses Urteil hat sicherlich eine gewisse Präzedenzwirkung. Es ist eine Fortentwicklung des Ihnen bekannten Francovich-Urteils, aus dem wir natürlich unsere Schlußfolgerungen zu ziehen haben.
Zusatzfrage des Kollegen Irmer.
Ich möchte eine zulässige Zusatzfrage zu Frage 6 stellen.
({0})
Wie hoch ist der Schaden pro Einzelfall, mit dem die Bundesregierung bei späteren Fällen von Nichtumsetzung einer Richtlinie rechnen muß?
({1})
- Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe. Frage 6 lautet ja: „Wie hoch ist der ... im Durchschnitt geltend gemachte Schaden?" Dazu stelle ich die in meinen Augen zulässige Frage, wie hoch der Schaden im Durchschnitt sein wird, wenn die Bundesregierung in weiteren Fällen Richtlinien nicht umsetzt.
Rainer Funke, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Das kann ich nicht beantworten. Das ist eine Rechnung mit mehreren Unbekannten.
({2})
Das können Sie von mir als Juristen nicht verlangen.
({3})
- Das war eine scherzhafte Bemerkung; das haben Sie vielleicht gemerkt.
Für Prophezeiungen ist die Bundesregierung nicht zuständig. Das ist ein Sachverhalt, an dem wir nichts ändern können.
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Professor Ganseforth:
Aus welchem Grund benötigen Blockheizkraftwerke ({0}), wenn sie nach dem 30. Juli 1996 in Betrieb gehen, eine Einzelgenehmigung durch das örtliche Hauptzollamt bzw., wenn sie bereits in Betrieb sind, nachträglich bis zum 1. April 1997 eine solche Genehmigung?
Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Erteilung einer Einzelerlaubnis an Stelle einer bloßen Anmeldung und damit verbundener allgemeiner Erlaubnis zum Betrieb eines Blockheizkraftwerks dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
Die mineralölsteuerrechtliche Begünstigung des Betriebes eines Blockheizkraftwerks setzt die Ortsfestigkeit der Anlage voraus und ist an die Bedingung geknüpft, daß mindestens 60 Prozent des Energiegehalts des verwendeten Mineralöls in Form von Wärmeenergie und mechanischer Energie genutzt werden.
Wenn nach Auffassung des zuständigen Hauptzollamtes eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt war, konnte bisher lediglich eine nicht rechtsbehelfsfähige Rechtsauskunft erteilt werden. War der Beteiligte anderer Auffassung, konnte er den Betrieb der Anlage mit steuerbegünstigtem Mineralöl zwar aufnehmen, mußte aber damit rechnen, nach § 13 Mineralölsteuergesetz wegen zweckwidriger Verwendung des Mineralöls mit Steuerbescheid in Anspruch genommen zu werden.
Die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer förmlichen Einzelerlaubnis ist dagegen mit Einspruch anfechtbar. Damit besteht die Möglichkeit, bereits vor Aufnahme des Betriebs eines Blockheizkraftwerkes verbindlich klären zu lassen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Begünstigung vorliegen.
Für Betreiber von Blockheizkraftwerken, die vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung in Betrieb genommen worden sind, gilt die allgemeine Erlaubnis bis zum 1. April 1997 fort, um es den Betroffenen zu ermöglichen, innerhalb dieser Übergangsfrist Anträge auf Erteilung einer förmlichen Einzelerlaubnis zu stellen. Dies ist aus Gleichbehandlungsgründen erforderlich.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der Anträge zu Altanlagen, und wie hoch wird die Zahl der Anträge ungefähr sein, die jährlich für Neuanlagen gestellt werden?
Mir liegen dazu lediglich Angaben über den Bestand der Blockheizkraftwerke in der Bundesrepublik vor. Dieser Bestand liegt derzeit bei rund 3 000 Anlagen. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht aufschlüsseln, zu wie vielen davon noch Anträge gestellt werden müssen oder zu wie vielen schon Anträge gestellt wurden und wie viele neue Anträge im nächsten Jahr möglicherweise kommen werden. Ich kann Ihnen aber diese Frage gerne schriftlich beantworten, wenn Sie es wünschen.
({0})
Ihre zweite Frage, bitte schön.
Sie haben begründet, warum diese Anträge gestellt werden müssen. Jetzt möchte ich wissen, warum man nicht ein Verfahren anwenden kann, wie es zum Beispiel bei Landwirten angewandt wird. Warum ist man gegenüber den Hausbesitzern, die Blockheizkraftwerke einbauen oder eingebaut haben, so viel mißtrauischer, daß sie praktisch vor dem Einbau eines solchen kleinen Blockheizkraftwerkes einen Antrag beim Hauptzollamt stellen müssen, während man sich bei Landwirten damit begnügt, daß sie beim Bezug des Mineralöls, das nicht mit Steuern belastet ist, durch ihre Unterschrift bestätigen, daß sie Kenntnis davon erhalten haben, daß eine andere Verwendung strafbar ist? Warum wird nicht das gleiche Verfahren auch bei Hausbesitzern angewandt, warum ist man da mißtrauischer?
Ich denke nicht, daß es aus Mißtrauen geschieht, sondern es dient vor allen Dingen der Rechtssicherheit. Der Betreiber eines solchen Blockheizkraftwerkes hat damit von Anfang an die Sicherheit, daß es rechtlich in Ordnung ist, wie und wofür er das Mineralöl verwendet.
Die Steuerbegünstigung ist auch an die Ortsfestigkeit gebunden, wodurch ebenfalls dem Mißbrauch vorgebeugt wird. Es besteht also nicht die Möglichkeit, das Blockheizkraftwerk beweglich zu machen und für andere Zwecke einzusetzen. Insofern sehe ich da keinen Zusammenhang mit der Landwirtschaft. In der Landwirtschaft wird die generelle Erlaubnis erteilt, Diesel steuerbegünstigt zu verwenden. Hier besteht insofern also ein Unterschied.
Dann komme ich zu der Zusatzfrage des Kollegen Köhne.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist bei den 3 000 Blockheizkraftwerken der Anteil an nicht ortsfesten Anlagen bzw. an Anlagen, die nicht eine 60prozentige Wärmenutzung erreichen, also den von Ihnen genannten Vorschriften nicht genügen?
Auch diese Frage kann ich Ihnen natürlich nicht beantworten, weil ich, wie gesagt, die Aufteilung der entsprechenden Anlagen nicht hier habe. Wenn aber eine solche Anlage nicht ortsfest ist, ist eine Mineralölsteuerbegünstigung nicht möglich. Damit kann eine solche Anlage auch nicht mineralölsteuerlich begünstigt werden. Handelt es sich um eine alte Anlage, würde sich spätestens bis zum 1. April 1997 herausstellen, daß diese Anlage nicht genehmigungsfähig ist.
Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Ganseforth auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dieses Hemmnis gegen den Einsatz der wegen ihrer effizienten Energienutzung für den Klimaschutz wichtigen Anlagen zu beseitigen?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, diese Regelung zu beseitigen. Die Gründe dafür ergeben sich bereits aus der Antwort, die ich eben gegeben habe.
Die Bundesregierung betrachtet das Erfordernis einer Einzelerlaubnis auch nicht als Hemmnis für die Errichtung umweltpolitisch erwünschter KraftWärme-Kopplungsanlagen, da schon bisher solche Anlagen beim zuständigen Hauptzollamt angemeldet werden mußten. Der mit dem Antrag auf eine förmliche Einzelerlaubnis verbundene Aufwand für Verwaltung und Beteiligte ist nicht nennenswert gewachsen.
Zusatzfrage.
Wenn die Bundesregierung das nicht als Hemmnis ansieht: Wie beurteilt sie dann, daß die Betreiber, diejenigen, die Blockheizkraftwerke in ihren Wohnungen und Häusern eingebaut haben oder das tun wollen, das Einholen einer Einzelgenehmigung als ein großes Hemmnis und als eine unnötige bürokratische Barriere empfinden? Wie beurteilen Sie, daß zum Beispiel die EnqueteKommission des Deutschen Bundestages zur Klimavorsorge festgestellt hat, daß in vielen Bereichen wirtschaftliche CO2-Einsparpotentiale an bürokratischen Hemmnissen scheitern? Wie beurteilt die Bundesregierung die Hemmnisse, die von den Betreibern genannt werden, unter diesem Gesichtspunkt? Ich denke, nicht nur das Parlament, sondern auch die Bundesregierung hat gesagt, sie möchte die Klimaschutzziele vorantreiben.
Frau Kollegin, ich teile grundsätzlich Ihre Meinung, daß man bei solchen Anlagen mit möglichst wenig Bürokratie auskommen sollte. Das ist absolut richtig. Aber wenn es sich um eine Verbesserung der Rechtssicherheit handelt, da ich auf meinen Antrag - eine Anzeige ist schon bisher für den steuerbegünstigten Betrieb einer solchen Anlage erforderlich gewesen - einen förmlichen Bescheid bekomme, dann dient das auch der Klarheit für den Betreiber und hilft ihm, weitere bürokratische Hemmnisse zu vermeiden. Ich denke, das ist in dieser Form eine vernünftige Maßnahme.
Zweite Zusatzfrage.
Ich halte das nicht für vernünftig. - Was halten Sie von dem Kompromiß, den die Betreiber anbieten, sich mit einer Anzeige beim Hauptzollamt zu begnügen und nicht ein förmliches Genehmigungsverfahren einzuleiten?
Wenn die Anzeige eingereicht wird, hat der Betreiber nicht die Rechtssicherheit, die er mit einem förmlichen Bescheid bekommt. Deswegen ist das Verfahren mit dem Bescheid bzw. der nachträglichen Genehmigung vernünftiger.
Dann rufe ich die Zusatzfrage des Kollegen Köhne auf.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für ein bißchen schwach - so sage ich es einmal -, wenn Sie auf der einen Seite gar nicht wissen, ob es überhaupt Mißbrauch gibt, und auf der anderen Seite nicht die Absicht haben, dieses Hemmnis zu beseitigen? Wäre es nicht angebracht, erst einmal zu prüfen, ob es überhaupt Fälle von Nichteinhaltung dieser Vorschriften gibt, und dann zu überlegen, ob man dieses Hemmnis beseitigt, weil es gar keine Fälle gibt, in denen das zutrifft?
Mißbrauchsfälle sind sehr wohl festgestellt worden, beispielsweise dergestalt, daß es sich nicht um ortsfeste Anlagen handelt, die für andere Zwecke eingesetzt wurden. Insofern ist es sehr wohl richtig, daß ein förmlicher Bescheid darüber ergeht. Damit hat der Betreiber die Rechtssicherheit, daß das, was er macht, gesetzlich zulässig ist.
Dann komme ich zu der Zusatzfrage des Kollegen Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, da Sie die Rechtssicherheit so hoch halten, frage ich Sie: Können Sie mir sagen, warum die Regierung so glücklich war, als diese Rechtssicherheit im Fall von Eigenheimbauten abgeschafft wurde und man sich häufig mit einem schlichten Anzeigeverfahren begnügt hat, und warum reden Sie nicht einmal mit dem Wirtschaftsminister über Deregulierung just in dem Bereich, in dem Sie mit dem Argument der Rechtssicherheit antworten? Er würde vermutlich zu einer anderen Auskunft kommen.
({0})
Herr Kollege Sperling, ich habe hier selber erklärt, daß ich den Abbau von bürokratischen Hemmnissen durchaus befürworte.
({0})
Aber wenn ich Rechtssicherheit für den Bürger schaffen kann,
({1})
indem ich mit einem normalen Antrag, den ich sowieso stellen muß, einen rechtssicheren Bescheid verbinde, habe ich für den Bürger mehr getan, obwohl er nicht mehr Aufwand hat als vorher.
Ich rufe die Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka auf.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, und wie lange dauert in der Regel ein Genehmigungsverfahren?
Herr Kollege Kubatschka, ich kann Ihnen keine Auskunft geben, wie lange es zur Zeit dauert. Ich kann mich aber gerne dafür einsetzen, daß dieses Genehmigungsverfahren so schnell wie möglich abgeschlossen wird,
({0})
daß die zuständigen Behörden das Verfahren so einfach und so schnell wie möglich durchführen. Dafür kann ich mich einsetzen, kann Ihnen aber nicht sagen, wie lange es im Moment dauert.
Wir sind dann am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolfgang Gröbl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Klaus Hagemann auf:
Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Reform der europäischen Weinmarktordnung, und welche Positionen vertritt die Bundesregierung im Interesse des Deutschen Weinbaus und der deutschen Winzer bei den derzeit noch zwischen den weinerzeugenden Ländern in der EU umstrittenen Punkten der geplanten neuen EU-Weinmarktordnung?
Herr Kollege Hagemann, ein Abschluß der Reform ist derzeit nicht abzusehen. Die Beratungen können erst nach Vorlage eines Berichtes zur Marktlage durch die Europäische Kommission fortgesetzt werden. Dieser Bericht steht noch aus.
Die im vorliegenden Kommissionsvorschlag vorgesehene Einbeziehung von Qualitätswein in marktdirigistische Regelungen wie Referenzmengen und Regionalprogramme und die damit verbundenen staatlichen Eingriffe in einen funktionierenden Markt lehnt die Bundesregierung ab. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen sich auf die Regionen und Bereiche beschränken, in denen die Probleme entstehen.
Ein Überangebot besteht nur bei Tafelwein. Im Bereich des Tafelweins muß das Marktgleichgewicht durch stärkere Anwendung marktwirtschaftlicher Maßnahmen herbeigeführt werden. Bei den önologischen Verfahren treten wir für die Beibehaltung des Status quo ein, das heißt keine Änderung der bisherigen Weinbauzonen, der Mindestalkoholgehalte und der Anreicherungsmöglichkeiten mit Saccharose in bisheriger Höhe. Auch die Festsetzung von Hektarhöchsterträgen im Bereich des Qualitätsweines muß, wie bisher, in der uneingeschränkten Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben.
In der Ablehnung dieser wesentlichen Teile des Kommissionsvorschlages zur Weinmarktreform besteht zwischen dem Bundesrat, den Verbänden, dem Agrarausschuß des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung Übereinstimmung. Eine Reform, die einseitig zu Lasten der deutschen Winzer ginge, ist für die Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptabel.
Jetzt kommen Ihre Zusatzfragen, wenn Sie welche stellen wollen.
Ja. - Herr Staatssekretär, welche positiven oder negativen Auswirkungen hat es denn für den deutschen Winzer bisher dadurch gegeben, daß die EU-Weinmarktordnung noch nicht geändert worden ist?
Die negativen Auswirkungen, die ich gerade angeführt habe und gegen die wir antreten, sind verhindert worden.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, welche weiteren Bemühungen und Aktivitäten unternimmt denn die Bundesregierung, damit die Winzer in den nördlichsten Anbaugebieten innerhalb der EU - Sie sind vorhin schon einmal darauf eingegangen - in gewisser Weise geschützt werden und die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist? Was wollen Sie da weiterhin noch unternehmen?
Die Winzer sind bei dieser Bundesregierung gut aufgehoben, sie werden es auch in Zukunft sein - mögParl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
lichst lange; darum wollen wir uns gemeinsam bemühen.
Herr Staatssekretär, damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Ich bedanke mich bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf.
Die Fragen 10 und 11 der Abgeordneten Iris Gleicke werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Höfer auf:
Beabsichtigt der Bundesminister der Verteidigung, Soldaten des 3. IFOR-Kontingentes auf freiwillige Meldung eine Anschlußverwendung nach dem Auslaufen des Mandates am 20. Dezember 1996 zu ermöglichen?
Herr Kollege Höfer, unter der Voraussetzung der parlamentarischen Zustimmung zu einem deutschen Beitrag zu einem IFOR-Folgeeinsatz beabsichtigt der Bundesminister der Verteidigung, unter anderem auch Soldaten des 3. IFOR-Kontingentes eine entsprechende Anschlußverwendung auf freiwilliger Basis zu ermöglichen.
Sie können Zusatzfragen stellen. - Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, hat es zu dieser Möglichkeit inzwischen eine Umfrage bei den betroffenen Soldaten des 3. Kontingentes gegeben?
Ja, die Umfrage läuft. Sie hat schon erste Ergebnisse gebracht. Es haben sich sehr viele Soldaten gemeldet.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Können Sie aus dieser Umfrage - genauso wie ich - erkennen, daß Sie im Vorfeld eines Parlamentsbeschlusses schon bestimmte Fragen geregelt haben, die eigentlich der parlamentarischen Zustimmung bedurft hätten?
Nein, das kann ich nicht erkennen. Ich habe Ihnen gesagt, daß Entscheidungen immer ausdrücklich an einen Bundestagsbeschluß gebunden sind. Daß wir gewisse Vorsorge treffen müssen, werden Sie verstehen. Wir können keine unvorbereiteten Soldaten in einen eventuellen Einsatz entsenden.
Keine weiteren Fragen.
Dann rufe ich die Frage 13 des Abg. Gerd Höfer auf:
Wenn ja, können diese Soldaten damit rechnen, zwischen Auslaufen ihres viermonatigen Einsatzes in Kroatien und einer neuen Verwendung Urlaub zu bekommen?
Herr Abgeordneter, wie Ihnen der Minister bereits in der Sitzung des Verteidigungsausschusses am 9. Oktober 1996 gesagt hat, wird es für die betroffenen Soldaten eine angemessene Urlaubsregelung geben. Die Einzelheiten für diese Regelung werden derzeit noch im Ministerium ausgearbeitet.
Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, ist den betroffenen Soldaten, die an dieser Umfrage teilgenommen haben und erhebliche Zweifel hinsichtlich der Urlaubsgewährung hatten, bekannt, daß durch die Entscheidung der Frage, ob sie Urlaub bekommen oder nicht - die damals nicht Bestandteil der Umfrage war -, ein erheblicher Einschnitt in ihre kurzfristige Lebensplanung erfolgt?
Die Soldaten sind darauf hingewiesen worden, daß die Regelung noch etwas dauert. Dies liegt daran, daß es einen großen Unterschied macht, ob sich zum Beispiel 300 Soldaten oder über 1 000 Soldaten aus dem 3. Kontingent weiterverpflichten. Wir müssen mit genauen Zahlen rechnen und sehen, wie wir die Soldaten gestaffelt in den Urlaub schicken können.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, hat Ihr Ministerium schon Erkenntnisse, wann es zu einer Weiterverwendung der Soldaten kommt und wie lange dieser Einsatz dauern würde?
Das wird alles der Bundestagsbeschluß regeln. Sie wissen, die Voraussetzungen sind: zunächst das UN-Mandat, dann die NATO-Beschlüsse und schließlich der Beschluß des Bundestages.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Damit schließen wir diesen Geschäftsbereich ab.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Jüttner und der Kollegin Ernstberger werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hirche zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 der Abgeordneten Lemke auf.
Trifft es zu, daß das Umweltbundesamt ({0}) bereits Anfang September 1996 die Stadt Dessau gebeten hat, darauf hinzuwirken, daß eine Abrißgenehmigung für denkmalgeschützte Substanz eingeräumt wird?
Herr Präsident, wenn die Fragestellerin einverstanden ist, würde ich die Fragen 16 und 17 gern zusammen beantworten.
Sind Sie damit einverstanden? - Dann rufe ich noch die Frage 17 auf:
Trifft es außerdem zu, daß in einem Ressortgespräch zur Verlagerung des UBA nach Dessau im August 1996 unter Beteiligung des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Übereinstimmung darüber bestand, daß im südlichen Bereich des Gasviertels in Dessau keine Beschränkungen durch den Denkmalschutz akzeptiert werden können und dahin gehend auf die Landes- und Kommunalbehörden eingewirkt werden soll, und wie sind diese Äußerungen mit der Aussage der Bundesregierung, „daß im Ergebnis der Realisierung des Bauvorhabens etwaige Anforderungen des Denkmalschutzes gewahrt werden" ({0}), zu vereinbaren?
Wie in der Antwort auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Helmut Wilhelm vom 7. Oktober dieses Jahres schon ausgeführt, ist über die Liegenschaft innerhalb des Stadtgebiets von Dessau für die Errichtung eines Dienstgebäudes für das Umweltbundesamt bisher noch nicht entschieden worden. Im Rahmen der Auswertung der Entscheidungsgrundlagen für die alternativen Standorte in Dessau-Alten und Dessau-Gasviertel ist im Hinblick auf die Funktionalität und die Kosten unter anderem auch die Frage des Denkmalschutzes von Bedeutung.
Bei der Beurteilung der Eignung der beiden Alternativstandorte gehen alle Beteiligten davon aus, daß die denkmalgeschützten Gebäude nördlich der Unruhstraße im Gasviertel, insbesondere der Wörlitzer Bahnhof, im Falle einer Entscheidung für den Standort Gasviertel in das Gelände des UBA einzubeziehen und zu sanieren wären.
Demgegenüber waren sich die Beteiligten in der zitierten Besprechung zwischen BMU, BMBau und BMF ebenso darüber einig, daß eine Einbeziehung des Flächen- bzw. Ensembledenkmals südlich der Unruhstraße unter funktionalen Aspekten sowie unter Kostengesichtspunkten so deutliche Nachteile für den Standort Gasviertel mit sich brächte, daß eine Standortentscheidung zugunsten des Gasviertels, das sowohl von der Stadt Dessau als auch vom Nutzer UBA eindeutig favorisiert wird, nicht möglich sein würde.
Auf diesen Sachverhalt hat das Umweltbundesamt die Stadt Dessau hingewiesen und sie gebeten, eine Entscheidung herbeizuführen, in welchem Umfang denkmalschutzrechtliche Beschränkungen im Gasviertel aufrechterhalten bleiben. Das Ergebnis der Entscheidungsfindung der Stadt Dessau wird in die Bewertung der beiden Liegenschaften Dessau-Alten und Dessau-Gasviertel und in die abschließende Entscheidung hierzu einfließen. Insofern besteht im übrigen auch kein Widerspruch zu der von Ihnen zitierten Antwort auf die Kleine Anfrage in Drucksache 13/4381 unter Nr. 9.
Insgesamt gesehen sind in den Entscheidungsprozeß sowohl über die konkrete Liegenschaft für das Umweltbundesamt in Dessau als auch über die sich daraus ergebenden Weiterungen für die konkrete Bauplanung nicht nur der Bund, sondern auch das Land Sachsen-Anhalt und ganz besonders die Stadt Dessau einbezogen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich alle an diesem Entscheidungsprozeß Beteiligten nunmehr dafür einsetzen werden, zügig zu einer abschließenden Standortentscheidung zu gelangen, damit mit den konkreten Planungen - auch im Hinblick auf die Expo 2000 - begonnen werden kann.
Frau Lemke, Sie haben vier Zusatzfragen. - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, aus dem Schreiben des Umweltbundesamtes vom 6. September 1996 an den Oberbürgermeister der Stadt Dessau möchte ich mit Verlaub folgenden Passus zitieren:
Wir bitten Sie daher auch im Interesse der Stadt Dessau und im Interesse für einen ökologischen Neubau des Amtes am Standort Gas-Viertel darauf hinzuwirken, verbindliche Beschlüsse der Stadt herbeizuführen, die eine Abrißgenehmigung für die Gebäude 107/108 einem zukünftigen Nutzer des Gas-Viertels Umweltbundesamt einräumen.
Aus meiner Sicht ist das eine deutliche Bitte seitens des Umweltbundesamtes und damit der Bundesregierung für den Abriß von Gebäuden am zukünftigen Standort.
Gleichzeitig ist in diesem Schreiben ausgeführt, daß sich die erforderlichen Sanierungs- und Umbaukosten den Neubaukosten nähern, das heißt, unwesentlich darunter liegen. Herr Holzmann hat in der Stadtratssitzung, in der der Abriß der denkmalgeschützten Substanz im Gasviertel genehmigt worden ist, auch dargelegt, daß eine Ansiedlung des UBA im Gasviertel nicht denkbar ist, wenn die Abrißgenehmigung nicht erteilt wird. Können Sie mir zustimmen, daß das doch eine starke Einflußnahme seitens
des UBA und damit der Bundesregierung auf die Stadt Dessau im Hinblick auf den Abriß denkmalgeschützter Substanz ist?
Frau Kollegin, vor dem Hintergrund der Bundeshaushaltsordnung und der Vorschriften, die im Zusammenhang mit Ausgabeentscheidungen, die die Bundesregierung zu verantworten hat, gegeben sind, ist es natürlich notwendig, vor einer Entscheidung alle Entscheidungshintergründe zu klären. Daß in diesem Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang und zu welchem Preis Denkmalschutz - in diesem Fall in einer Stadt - zu berücksichtigen ist, eine Rolle spielt, dürfte außer Zweifel stehen.
Ich habe in meiner Antwort auf Ihre originären Fragen darauf hingewiesen, daß wir uns in einem Vorstadium der Entscheidung befinden. Wir haben in Dessau grundsätzlich zwei Standorte zur Verfügung: einen außerhalb der engeren Stadt und einen in der Stadt. Sowohl die Stadt Dessau als auch das Umweltbundesamt haben ein Interesse daran, den Standort möglichst in der Stadt zu wählen. Das hat damit zu tun, daß für die Bediensteten der Arbeitsplatz dann über den Bahnhof leichter zu erreichen wäre. Für die Stadt Dessau hätte dies auch städtebauliche Entwicklungsvorteile.
In diesem Zusammenhang spielt natürlich die Bewertung des Denkmals eine große Rolle. Sie kennen das im einzelnen vor Ort, während ich das nur aus den Unterlagen erfahren habe. Ich könnte mir aber vorstellen, daß Sie mir zustimmen, daß ein Unterschied zwischen den Bauten, die nördlich der Unruhstraße liegen und für die die Denkmalsqualität eindeutig gegeben ist, und den Bauten, die südlich der Unruhstraße liegen, besteht und daß deswegen die Anfrage, wie die Stadt damit umzugehen gedenkt, auf jeden Fall nicht nur gerechtfertigt, sondern vor dem Hintergrund von Kostenentscheidungen auch notwendig ist. Das ist erfolgt. Die endgültige Entscheidung aber - das darf ich gleich hinzufügen -, was mit den Gebäuden zu geschehen hat, wird nicht der Bund oder die Stadt treffen, sondern der Regierungspräsident, also das Land Sachsen-Anhalt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Vorab möchte ich sagen: Auch ich setze mich dafür ein, daß das UBA im Gasviertel angesiedelt wird. Es gibt vor Ort meines Erachtens niemanden, der den Standort Alten favorisiert. Ich halte es für problematisch, wenn deshalb denkmalgeschützte Substanz abgerissen werden muß. Es ist im übrigen keine Anfrage des UBA gewesen, sondern eine Bitte, eine Abrißgenehmigung herbeizuführen.
Frau Kollegin, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen.
Ich komme sofort zu meiner Frage.
Sie müssen doch berücksichtigen, daß die meisten der Kolleginnen und Kollegen dieser Frage mit einem sehr starken örtlichen Bezug und diesen Details gar nicht folgen können. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie sich auf die Fragen konzentrieren würden.
Bitte schön.
Wie beurteilen Sie, Herr Hirche, das entsprechende Presseecho in der Region - falls Sie das verfolgt haben -, das zu der Stadtratsdebatte und den Äußerungen des Herrn Holzmann vor Ort geführt hat, in denen es nicht mehr nur um örtliche Belange ging, sondern die dazu geführt haben, daß die Umzugsbestrebungen des UBA insgesamt - die vor Ort sehr unterstützt werden - über diese Bitte um den Abriß denkmalgeschützter Substanz in Mißkredit geraten sind?
Frau Kollegin, ich habe in den Jahren meiner politischen Tätigkeit - das möchte ich als Vorbemerkung sagen - unter anderem einmal an einem Denkmalschutzgesetz mitgearbeitet und weiß seitdem, daß der Begriff Denkmal durchaus sehr unterschiedlich anzuwenden ist. Ich bitte zu beachten, daß - möglicherweise auch mit einer unter diplomatischen Gesichtspunkten nicht hundertprozentig glücklichen Formulierung - die konkrete Frage gestellt worden ist: Wie haltet ihr es mit der Denkmalqualität in diesem Bereich und in jenem Bereich? Dann muß man doch eine klare Antwort bekommen.
Wenn der Stadtrat von Dessau der Meinung gewesen wäre, daß die Atlbausubstanz Denkmalqualität hat, dann hätte er das zum Ausdruck gebracht. Aber es gab die erwähnte Beurteilung in einem Dialogverfahren. Hier ist kein Druck ausgeübt worden, es sei denn in einem Zusammenhang, nämlich daß allen Verantwortlichen in Dessau klar ist: Wenn wir jetzt nicht zu einer Entscheidung über die Frage des Standorts kommen, dann wird die darüber hinausgehende Planung, nämlich Dessau als eine Außenlösung in die Expo 2000 einzubeziehen und damit einen besonderen Entwicklungsbeitrag auch für Sachsen-Anhalt und Ostdeutschland zu leisten, kaputtgemacht. Wenn man solche Abwägungsgesichtspunkte hat, dann kann man nicht alles zu jeder Zeit und in jedem Umfang berücksichtigen, sondern muß zu einer Prioritätenentscheidung kommen. Diese Prioritätenentscheidung haben wir von der Stadt Dessau erbeten. Die Stadt Dessau ist dem nachgekommen. Ich kann daran nichts Unbilliges in diesem Dialog erkennen.
Ihre dritte Frage.
Ist es richtig, daß die im Zuge des K-1-Gutachtens durchgeführten Untersuchungen zu dem Schluß gekommen sind, daß eine Sanierung und der erforderliche Umbau der Altbausubstanz - wenn auch unwesentlich - geringere Kosten als der Neubau verursachen würden?
Ich kann Ihnen, Frau Kollegin, jetzt nicht alle einzelnen Zahlen bestätigen. Ich will nur sagen, daß dieser Dialog deswegen geführt worden ist, weil dieser Standort bei einer völligen Restaurierung oder Einhaltung aller potentiellen Denkmalvorschriften auch im Südbereich von vornherein ausscheiden würde. Da wir zusammen mit der Stadt Dessau ein Interesse daran haben, das Amt möglichst inmitten der Stadt anzusiedeln, hat sich dieser Dialog ergeben.
Die Fragen 18 und 19 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Schäfer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Sielaff auf:
Werden derzeit in Rußland jüdische Bürgerinnen und Bürger verfolgt oder diskriminiert, und welche Gründe geben jüdische Auswanderer für ihre Auswanderung an?
Herr Kollege, russische Bürgerinnen und Bürger jüdischer Herkunft werden weder erkennbar als Minderheit verfolgt noch diskriminiert. Die Gründung eines Kongresses der russischen Juden im Januar 1996, bei der auch der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Bloch, zugegen war, erfolgte unter Teilnahme russischer politischer Prominenz. Präsident Jelzin sandte ein Grußwort. Negative Reaktionen in Presse und Öffentlichkeit waren nicht zu verzeichnen.
Die Gründe für den Zuwanderungswunsch spielen im geregelten Verfahren keine Rolle und werden den Auslandsvertretungen von den Antragstellern im allgemeinen auch nicht mitgeteilt.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatsminister, in welchem Ausmaß spielt denn bei dem Zuzug jüdischer Einwanderer nach Deutschland der Gesichtspunkt der Erhaltung der Lebensfähigkeit jüdischer Gemeinden in Deutschland eine Rolle?
Ich glaube, daß dieses Motiv seinerzeit, als es zu der Vereinbarung zwischen dem Zentralrat der Juden und dem Bundeskanzler bzw. den deutschen Ländern gekommen ist, eine sehr wichtige Rolle gespielt hat.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Sie sagten eben, Herr Staatsminister, „gespielt hat". Sie sprechen also von der Vergangenheit. Spielt das auch gegenwärtig noch eine besondere Rolle?
„Gespielt hat" ist Perfekt. Das heißt: Es fängt in der Vergangenheit an und dauert noch immer an, Herr Kollege Sielaff.
({0})
- Sie haben recht, aber ich habe sie benutzt.
({1})
Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Sielaff auf:
Nach welchen Kriterien werden jüdische Einwanderer von deutschen Behörden in Rußland, Kasachstan, der Ukraine und anderen GUS-Staaten anerkannt?
Grundsätzlich muß der Antragsteller nachweisen, daß er Jude bzw. jüdischer Abstammung ist: Mindestens ein Elternteil muß jüdisch sein. Dies wird üblicherweise durch Vorlage von Personenstandsurkunden wie Inlandspaß, Geburtsurkunde oder Heiratsurkunde im Original belegt.
Diese Kriterien sind in allen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion identisch. Sie wurden mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland abgestimmt; dessen Vorsitzender, Herr Bubis, hat ihnen ausdrücklich zugestimmt. Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, übersendet die Auslandsvertretung den Antrag an das Bundesverwaltungsamt, das ihn an ein Bundesland weiterleitet. Erst nach Eingang der schriftlichen Aufnahmezusage des Bundeslandes wird das Einreisevisum erteilt.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatsminister, ist es richtig, daß Israel bei der Anerkennung von Juden nur die weibliche Abstammungslinie berücksichtigt, und weicht die Bundesrepublik Deutschland von dieser üblichen Vorgehensweise ab?
Jetzt haben Sie mich in eine schwierige Situation gebracht; denn ich weiß wirklich nicht, ob Israel
Juden nur anerkennt, wenn die Mutter Jüdin war. Ich kann mich hier zu israelischen Bestimmungen nicht äußern; ich kenne sie wirklich nicht.
Ich kann nur sagen, daß dies bei uns so nicht gehandhabt wird. Es ist vielmehr so, wie ich es Ihnen gerade darzulegen versucht habe.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatsminister, wären Sie so freundlich, mir die Antwort auf diese Frage nachzureichen und vielleicht zu überprüfen, ob die Gegebenheit, falls es so ist, nicht ganz richtig wäre - auch angesichts dessen, daß gerade ein Grund in Ihrer Antwort war, daß Sie die jüdische Gemeinde als solche erhalten wollen?
Herr Kollege, wir werden in diesem sehr schwierigen Feld der Zuwanderung bzw. Einwanderung von Menschen jüdischer Herkunft aus der Ukraine, Rußland und anderen Teilen Mittel- und Osteuropas natürlich immer in einem latenten Konflikt - das Wort ist vielleicht übertrieben - bleiben, auch bezüglich der Auslegung, wie Sie sie in Israel vorfinden.
Sie wissen, daß die israelische Regierung wiederholt bemüht gewesen ist und die neue Regierung von neuem bemüht ist, die Auswanderung nach Möglichkeit nach Israel zu lenken, und gar nicht von der Idee begeistert war, daß Menschen dieser Herkunft bei uns bleiben wollen. Das ist ein altes Problem, das wir mit Israel immer wieder haben. Ich glaube aber, daß der Zentralrat der Juden mit der Entwicklung so, wie sie bisher gelaufen ist, recht zufrieden war.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Vielen Dank.
Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Gansel werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 24 des Kollegen Gernot Erler auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Verweigerung bzw. Verzögerung von Zahlungsverpflichtungen und die Verknüpfung des Ausgleichs von Zahlungsverpflichtungen mit politischen Forderungen ({0}) von Mitgliedsländern gegenüber den Vereinten Nationen, um dadurch eigene Vorstellungen bezüglich der Arbeitsweise und des Budgets der Weltorganisation zu erzwingen, wie dies gegenwärtig von der amerikanischen Regierung praktiziert wird ({1})?
Herr Kollege, die Bundesregierung hält Reformen der Vereinten Nationen für notwendig, lehnt es aber ab, sie durch Verzögerung bzw. Verweigerung und Konditionierung von Pflichtbeitragszahlungen zu erzwingen.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, in der Sitzung des UN-Finanzkomitees am vergangenen Mittwoch hat es Kritik an dieser amerikanischen Vorgehensweise gegeben. Ich gehe davon aus, daß es auch einen deutschen Vertreter in diesem UN-Finanzkomitee gibt. Nachdem bekanntgeworden ist, daß andere europäische Staaten, Kanada und China Kritik geübt haben: Welche Position hat denn der deutsche Vertreter im UN-Finanzkomitee zu der Vorstellung des amerikanischen Kongresses, die Pflichtzahlungen an Konditionen zu knüpfen, vorgetragen?
Wenn es denn einen Wortbeitrag des deutschen Vertreters in diesem Gremium gab - ich kenne ihn nicht, lasse das aber gerne überprüfen -, kann sich dieser nicht von dem entfernt haben, was ich Ihnen gerade gesagt habe, was unsere grundsätzliche Einstellung ist.
Es kann nicht angehen, daß - egal wer - ein Mitgliedsland der Vereinten Nationen sagt: Wir werden unseren Beitrag nur noch dann zahlen, wenn bestimmte Bedingungen so erfüllt werden, wie wir es gerne hätten. - Eine andere Haltung kann ein Vertreter unseres Landes in diesem Gremium eigentlich kaum eingenommen haben; denn sonst würde er sich in einen Gegensatz zu der Auffassung der Bundesregierung setzen.
Im übrigen verweise ich auf die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der PDS, die am 9. Oktober erfolgte. Es ging um die Finanzkrise der UNO und die Haltung der Bundesregierung dazu. In dieser Antwort wird auch zu dieser Entwicklung ausdrücklich Stellung genommen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie dem Hohen Haus vielleicht sagen, in welcher Weise die deutsche Seite im Rahmen dieses Vorgangs, aber auch im Kontext der allgemeinen amerikanischen Zurückhaltung, die eigenen Finanzverpflichtungen einzuhalten - es geht hier mittlerweile immerhin um 1,5 Milliarden Dollar, was ja ein großes Problem für den gesamten UNO-Haushalt darstellt -, auf die amerikanische Seite dahin gehend einwirkt, daß eine Beeinträchtigung der Arbeit der Vereinten Nationen durch das Zurückhalten von Finanzmitteln nicht erfolgt?
Herr Kollege Erler, ich gehe davon aus, daß alle Vertreter der Bundesregierung in Gesprächen, die sie mit amerikanischen Partnern auch über die Frage der UNO führen, diesen Punkt immer wieder ansprechen. Ich jedenfalls kann das für mich in Anspruch nehmen, auch was öffentliche Vorträge in den Vereinigten Staaten angeht.
Vorige Woche war der Chef der UNDP, Herr Speth, bei uns zu Gast, dem ich das ebenfalls gesagt habe. Nachdem er gebeten hat, daß wir unsere Beiträge
nicht kürzen - was ja speziell in bezug auf seine Organisation im Rahmen der Haushaltskürzungen wahrscheinlich in einem geringen Umfang notwendig sein wird -, habe ich auf die enormen Mittel verwiesen, die die Vereinigten Staaten der UNO noch schuldig sind. Wir können nur hoffen, daß sich hier vielleicht nach der Wahl eine Veränderung andeutet. Es gibt ja auch seitens der Regierung Clinton einen Hinweis darauf, daß ein Teil der Schulden schon vor der Wahl beglichen werden soll. Wir hoffen, daß auch die anderen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten im Laufe der nächsten Zeit erfüllt werden können.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Erler auf:
Auf welche Weise versucht die Bundesregierung, ihre eigenen Vorstellungen von einer besseren Arbeitsweise und Budgetkontrolle der Vereinten Nationen durchzusetzen, und wird sie dabei auch auf konditionierte Beitragszahlungen als Druckmittel zurückgreifen?
Herr Kollege, die Bundesregierung wird die Pflichtbeiträge für die Vereinten Nationen weiterhin vollständig und verläßlich erbringen und diese Zahlungen nicht mit der Erfüllung von Bedingungen verknüpfen. Die Bemühungen der Bundesregierung, ihre eigenen Vorstellungen von einer besseren Arbeitsweise und Budgetkontrolle in den Vereinten Nationen einzubringen, manifestieren sich wie folgt: einmal durch unsere aktive Mitarbeit in der hochrangigen offenen Arbeitsgruppe der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Finanzreform, die 1994 auf deutsche Initiative während unserer damaligen EU-Präsidentschaft eingesetzt wurde, zweitens durch unsere maßgebliche Einflußnahme auf Empfehlungen des Beratenden Ausschusses für Verwaltungs- und Haushaltsfragen durch das deutsche Mitglied dieses Gremiums, Herrn Stöckl, und schließlich durch die Förderung des Effizienzrates in personeller und finanzieller Hinsicht.
Wir haben einen Experten des Auswärtigen Amtes abgeordnet und diesem Effizienzrat einen Zuschuß in Höhe von 10 000 Dollar zur Verfügung gestellt. Dieser Rat wurde während der 50. Generalversammlung vom Untergeneralsekretär für Verwaltung und Management ins Leben gerufen, um Managern in allen Bereichen des Sekretariats der Vereinten Nationen die praktische Umsetzung des Effizienzgrundsatzes zu vermitteln. In über 400 Fällen hat er dies bereits mit Erfolg praktiziert. Für die internationale Öffentlichkeit besonders sichtbar schlug sich die Anerkennung unseres Engagements 1994 in der Wahl des ehemaligen Leiters der Zentralabteilung des Auswärtigen Amtes, Herrn Paschke, zum Untergeneralsekretär und Leiter des Büros für interne Aufsichtsdienste der Vereinten Nationen nieder.
Dann kommen die Zusatzfragen. Bitte schön, Herr Kollege Erler.
Herr Staatsminister, der amerikanische Kongreß hat ja nun einige Forderungen erhoben, die er leider mit einer Konditionierung verbunden hat. Die drei wichtigsten Punkte sind, daß die Vereinten Nationen im laufenden Haushalt 100 Millionen Dollar einsparen sollen, daß bis zur Vorlage des nächsten Budgets 10 Prozent des Personals eingespart werden sollen und daß das Budget 1998/99 2,6 Milliarden Dollar nicht überschreiten soll. Decken sich diese Forderungen des US-Kongresses inhaltlich in etwa mit den deutschen Vorstellungen, oder sind sie nicht miteinander vergleichbar?
Soweit mir bekannt ist, decken sie sich nicht. Natürlich wollen auch wir eine schlankere Administration. Ich glaube, es hat sich auch in der UNO durchgesetzt, daß es Reformen geben muß. Insofern sind solche Ansätze wie der amerikanische zu begrüßen, wenn es um die Reform der Institution als solcher geht, Ineffizienz beseitigt wird und wenn möglicherweise auch Kosten eingespart werden können. Aber ich glaube, es ist sehr schwer, jetzt Daten zu nennen, bis zu denen man solche Leistungen erbracht haben muß. Ich darf immer wieder daran erinnern, daß die Hauptausgaben der UN in dem ganz entscheidenden und auch außerordentlich teuren Bereich der Konfliktlösung liegen. Man kann nicht immer nur den Bereich der Verwaltung sehen, sondern man muß auch die immens gewachsenen Verpflichtungen der Vereinten Nationen sehen, die die Welt ja erfüllt sehen will.
Ich glaube, man muß die Gespräche mit den Vereinigten Staaten und mit Mitgliedern des Kongresses fortsetzen. Das sollte nicht nur auf der Ebene der Regierungen geschehen, sondern möglichst auch auf der Ebene der Parteien, um unseren Einfluß gebündelt gegenüber dem Kongreß und der Regierung geltend machen zu können.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, die amerikanische Regierung und der amerikanische Kongreß haben mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß sie den Generalsekretär Boutros-Ghali beschuldigen, er habe die notwendige Reform und Effizienzsteigerung der Vereinten Nationen nicht sachgerecht vorangebracht. Das geht so weit, daß man ihm die Unterstützung für seine Wiederwahl notfalls sogar durch ein Veto versagen will.
Wie sind die deutschen Erfahrungen im Kontext einer Effizienzsteigerung und einer Budgeteinschränkung der Vereinten Nationen mit dem amtierenden Generalsekretär?
Wir haben seit zwei Jahren, wie ich gerade ausgeführt habe, einen Untergeneralsekretär aus dem Auswärtigen Amt, Herrn Paschke, der vom Generalsekretär beauftragt ist, genau diese Reformen, die
bislang noch nicht zum Tragen kamen, durchzusetzen.
Ich glaube aber, man kann den Generalsekretär nicht allein für Entwicklungen in den Vereinten Nationen verantwortlich machen, die auch mit einer Art Peter-Prinzip zusammenhängen. Das finden wir auch woanders vor, auch bei der Verteidigung von Positionen und Posten durch die verschiedensten Staaten der Welt, auch der Dritten Welt. All das läßt sich nicht ganz einfach von heute auf morgen ändern.
Aber wir sind dabei - und insofern in der Zielsetzung mit den Amerikanern einig -, die Vereinten Nationen strukturell zu reformieren, damit sie wieder effizienter arbeiten und weniger kosten, wenn es irgendwie geht.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht zunächst Herr Staatssekretär Peter Hausmann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Wilhelm Schmidt auf:
Wie verträgt sich die vollzogene Einrichtung einer neuen Abteilung im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung mit dem propagierten Ziel des „schlanken Staates"?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schmidt, die Einrichtung einer neuen Abteilung ist Teil einer Reihe von Verbesserungsvorschlägen der Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little, die darauf abzielen, die Organisation des Bundespresseamtes im Zeitraum von 1996 bis 1999 in drei Phasen zu optimieren.
Die Vorschläge sehen unter anderem vor, daß aus vier Abteilungen und acht Unterabteilungen, die ich 1995 bei meinem Amtantritt vorfand, zukünftig fünf Abteilungen ohne Unterabteilungen werden. Dies führt schrittweise zu einer deutlichen Reduzierung auf zukünftig fünf Leitungsfunktionen, da eine Hierarchieebene entfallen wird.
Die Einrichtung der neuen Abteilung verfolgt das Ziel, dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung eine medial ausgerichtete Struktur zu geben, indem eine klare Trennung von inhaltlichen und technisch abzuwickelnden Aufgaben auch organisatorisch durchgeführt wird. Die Entscheidungswege werden so verkürzt und die Leitungsspannen der Abteilungsleiter erhöht.
Der Fortfall einer Hierarchieebene im Leitungsbereich führt zudem zu einem deutlichen Zeitgewinn und zu einer klaren Verantwortungszuordnung, die in dieser Form bislang nicht gegeben war. Abgesehen davon, daß, wie bereits dargelegt, der Fortfall einer Hierarchieebene an sich schon eine Verschlankung bedeutet, darf auch nicht aus den Augen verloren werden, daß das nur ein Teil der Reform ist.
Die Neuorganisation soll die Funktionsfähigkeit des Controllingsystems unterstützen. Dieses Controlling verfolgt drei Ziele; ich darf sie kurz nennen.
Erstens soll die Ablauf- und Aufbauorganisation flexibel gestaltet werden, so daß schnell auf neue Anforderungen reagiert werden kann.
Zweitens soll dadurch eine Kostentransparenz erreicht werden, um eine bessere Steuerung der finanziellen Ressourcen sicherzustellen.
Drittens sollen die Leistungen des Bundespresseamtes im Vergleich mit anderen Bundesverwaltungen, aber auch im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft wirtschaftlich erbracht werden.
Die neue Organisationsstruktur stellt sicher, daß durch die organisatorische Trennung eine innerbetriebliche Leistungsverrechnung entsprechend dem in der Wirtschaft üblichen Verfahren durchgeführt werden kann. Eine saubere, am Produkt orientierte Kosten-Leistungs-Rechnung ist deutlich einfacher, wenn die Abteilungen untereinander bei der Ermittlung der Produktkosten einer wechselseitigen Kontrolle unterliegen. Nur auf diese Weise entsteht für jede Abteilung ein Anreiz, ihre Kosten auch im Vergleich mit privatwirtschaftlichen Alternativen möglichst niedrig zu halten.
Alle Erfahrungen in Wirtschaft und Verwaltung haben gezeigt, daß der wirkungsvolle Einsatz von Controllinginstrumenten nur dann gewährleistet ist - ({0})
Das Wort hat der Staatssekretär. - Herr Hausmann, bitte fahren Sie fort.
({0})
Sie werden gestatten, daß ich fortfahre. - Die Erfahrungen haben gezeigt, daß der wirkungsvolle Einsatz von Controllinginstrumenten nur dann gewährleistet ist, wenn die Kosten-Leistungs-Rechnung auf einer entsprechend optimierten Organisationsstruktur aufsetzt.
Ich möchte zum Schluß noch hinzufügen, daß das Bundespresseamt nicht der Erfinder von Überlegungen ist, Hierarchien breiter und flacher zu gestalten. Sowohl die Vorstellungen .des Arbeitskreises der Organisationsreferenten als auch des Bundesrechnungshofes und, soweit mir bekannt ist, auch einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gehen in die gleiche Richtung.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär Hausmann, eine Vorbemerkung: Der Umfang
Wilhelm Schmidt ({0})
Ihrer Antwort steht offensichtlich in direktem Verhältnis zu dem Umfang der Kosten des Umstrukturierungskonzepts und dem Umfang des Widerstands, den Sie aus den Reihen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Presse- und Informationsamtes erfahren mußten.
Dies vorausgeschickt, will ich Sie fragen, ob in diesem Zusammenhang der Kosten-Nutzen-Effekt nicht vielleicht doch als schlecht zu bewerten ist. Denn Ihr Vorgänger Vogel zum Beispiel hat eine Abteilungsleiterstelle abgeschafft, ohne 1,5 Millionen DM für ein Gutachten auszugeben.
Herr Kollege Schmidt, nehmen Sie damit nicht Ihre nächste Frage vorweg? - Aber bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, natürlich ist das Geld gut angelegt. Die Summe ist auch nicht so hoch wie der Betrag, der zum Teil in den Zeitungen wiedergegeben worden ist.
Ich möchte auch bestreiten, daß dieses Vorhaben von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundespresseamtes abgelehnt wird. Im Gegenteil, der Personalrat des Bundespresseamtes hat diese Organisationsreform ausdrücklich gelobt. Er war von Anfang an in diese Überlegungen mit einbezogen.
Ferner darf ich darauf hinweisen, daß das Bundespresseamt nach dem derzeitigen Stand der Haushaltsberatungen über drei B-9-Stellen - davon ist eine „kw" gestellt - sowie über vier B-6-Stellen verfügt. Einige meiner Mitarbeiter haben nun die Auffassung vertreten, daß durch die Beibehaltung der bisherigen Struktur eher die Möglichkeit besteht, zusätzliche B-9-Stellen zu erreichen. Ich halte diesen Optimismus nicht für angebracht.
Ich halte es vielmehr für realistischer und sinnvoller, davon auszugehen, daß das Haus auch in Zukunft keine neuen Stellen für Ministerialdirektoren erhalten wird. Insofern ist es folgerichtig, die Abteilungen neu zuzuschneiden. Bliebe das Bundespresseamt bei der bisherigen Struktur von vier Abteilungen und acht Unterabteilungen, so ergäbe sich rein theoretisch ein zusätzlicher Stellenbedarf von zwei B-9-Stellen und vier B-6-Stellen.
Ihre zweite Frage, bitte schön.
Herr Staatssekretär Hausmann, ist denn die Tatsache, daß Sie jetzt antworten und Herr Bohl diese Antworten gespannt mitverfolgt, so zu werten, daß alle Antworten, die Sie im Zusammenhang des Gesamtkomplexes geben, der zu beantworten sein wird, in vollem Umfange auch vom Kanzler und vom Chef des Kanzleramtes getragen werden? Ich darf daran erinnern, daß dieses Thema - auch in der Öffentlichkeit - zu erheblichen Konflikten geführt hat, was das Verhältnis Ihrer
Mitarbeiter, insbesondere Ihres Vertreters zu Ihnen betrifft.
Ich kann Ihre Frage, so glaube ich, mit einem klaren Ja beantworten.
Dann die Zusatzfrage des Kollegen Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, darf ich aus dem Umfang Ihrer Antwort schließen, daß sie einem Phänomen folgt, das schon häufiger in der Umgebung des Bundespresseamtes aufgetreten ist, nämlich daß das Abspecken um so leichter fällt, je mehr es sich auf den Zuwachs des vorigen Jahres bezieht? Folglich müssen nachher lange Bemerkungen über den Erfolg eines Abspeckens gemacht werden, das gar nicht eingetreten ist, wenn man die Ausgangsbedingungen betrachtet. Dies ist in der Umgebung des Bundespresseamtes häufiger zu beobachten; wir haben vom Wolfgangsee jeweils entsprechende Erklärungen bekommen.
Der Zuwachs um eine Abteilungsleiterstelle, den Sie zuwege gebracht haben, war also zunächst eine Verdickung am Kopf, die mit dem Ziel vorgenommen wurde, nachher eine Verdünnung an einer Extremität pressewirksam verkünden zu können. Ist das richtig?
({0})
Dem würde ich widersprechen; denn mit dieser zusätzlichen Abteilung wird keine zusätzliche Abteilungsleiterstelle geschaffen.
Dann die Zusatzfrage des Kollegen Oswald.
({0})
Ich möchte auch etwas fragen, Herr Kollege Struck.
Herr Staatssekretär, wie wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses am gesamten Entscheidungsprozeß beteiligt? Das würde das Hohe Haus sicherlich interessieren.
({0})
Herr Kollege Oswald, die Firma Arthur D. Little hat im Dezember letzten Jahres begonnen, eine Untersuchung im Bundespresseamt durchzuführen. Es wurden alle Abteilungen und alle Mitarbeiter durch umfangreiche Arbeitsplatzinterviews und Analysen am Arbeitsplatz einbezogen. Sie wurden durch Mitarbeiter, ZeiStaatssekretär Peter Hausmann
tungen und Workshops auf dieses Projekt eingestellt.
Ich kann heute sagen, daß die Mehrheit der Mitarbeiter dieses Konzept voll mitträgt. Das zeigt sich auch an der positiven Begleitung durch den Personalrat. Ich glaube, wir sind auf einem Weg, der durchaus von einer breiten Mehrheit akzeptiert wird.
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Wilhelm Schmidt auf:
Welchen Effizienzgewinn hat die Einrichtung einer zusätzlichen Abteilung gebracht?
Herr Abgeordneter, das angestrebte Ziel und die dadurch möglichen Verbesserungen in der Aufbau- und Ablauforganisation wurden bereits bei der Beantwortung der letzten Frage dargestellt, als ich unter anderem darauf hingewiesen habe, daß durch den Fortfall einer Hierarchieebene ein - mitunter nicht ganz unbeträchtlicher - Zeitgewinn bei den Verwaltungsabläufen möglich ist.
Ein darüber hinausgehender Effizienzgewinn kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ermittelt werden, da die Einrichtung der neuen Abteilung erstens noch nicht abgeschlossen ist und sich zweitens sowohl das Organisations- als auch das Controllingkonzept zur Zeit noch in der Phase der Implementierung befinden.
Umgekehrt läßt sich aber sagen: Ein wirkungsvolles Controllingkonzept ist nicht möglich, wenn nicht zuvor die organisatorischen Strukturen optimiert wurden. Nach Abschluß der Umorganisation und der Implementierung des Controllingsystems wird das Bundespresseamt - voraussichtlich als erstes Ressort - in der Lage sein, verläßliche Zahlen über die Kosten seiner Produkte zu ermitteln. Dies wäre bei Beibehaltung der bisherigen Organisationsstruktur in gleicher Weise nicht möglich bzw. deutlich schwieriger, da die wechselseitige Kontrolle der Abteilungen nicht gewährleistet wäre.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär Hausmann, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es durchaus Stimmen gibt, die angesichts dieser Form von neuen Strukturen möglicherweise mit Recht von einer Verlängerung der Entscheidungsprozesse und des Gangs der Dinge sprechen können, und haben Sie diese Stimmen berücksichtigt?
Diese Stimmen wurden berücksichtigt, aber Sie kennen auch die Diskussion in ähnlichen Großorganisationen oder großen Unternehmen, die durch den Abbau von Hierarchiestufen entsprechende Effizienz- und Zeitgewinne zu verzeichnen hatten. Ich darf hier vielleicht an ein Modell erinnern, daß das Unternehmen Siemens durchgeführt hat, das ebenfalls Hierarchiestufen aufgelöst und abgebaut hat. Dadurch wurden beträchtliche Zeitgewinne erzielt.
Herr Kollege Sperling, Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Eindruck, der in der Presse vermittelt wurde, entgegenwirken, der besagt, daß mit dieser Umorganisation ein besonderer Effizienzgewinn in bezug auf die Hoffnungen bestimmter Spezies auf besonders schnelles Beförderungstempo erreicht wird?
Herr Abgeordneter, Sie müßten diese Frage substantiieren. So pauschal ist sie von mir nicht beantwortbar. Ich kann nur dem allgemeinen Eindruck entgegentreten, hier würde irgendeine Begünstigung oder Günstlingswirtschaft, wie es irgendein anonymer Kritiker in der Zeitung genannt hat, betrieben. Ich wüßte nicht, wer damit gemeint sein sollte.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Kemper auf:
Wann soll die Unterabteilungsleiterebene im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, entsprechend der diesbezüglichen Absichtserklärung in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 25. September 1996, aufgelöst sein?
Zur Frage 28, Herr Abgeordneter Kemper: Ein bestimmter Zeitpunkt kann zur Zeit noch nicht genannt werden, da die Auflösung der Unterabteilungsleiterebene im Rahmen des Ausscheidens der bisherigen Funktionsinhaber geprüft und umgesetzt werden soll. Es ist zunächst vorgesehen, daß ausscheidende Abteilungsleiter durch Unterabteilungsleiter ersetzt werden. Diese Stellen werden dann nicht mehr nachbesetzt.
Ich gehe davon aus, daß nach dem altersbedingten Ausscheiden von zwei Abteilungsleitern Ende 1996 und Mitte 1997 nur noch fünf einzügige Abteilungen bestehen, davon eine bereits ohne Unterabteilungsleiter. Das heißt, wir haben dann nicht mehr zwölf Positionen in der Leitungsebene, sondern nur noch neun.
Entscheidend ist, daß mit dem jetzt vorgelegten Konzept der Neuorganisation eine Zielprojektion geschaffen wird, die ein allmähliches Abschmelzen der Hierarchiestrukturen einleitet. Je später man damit beginnt und je mehr freiwerdende Stellen nachbesetzt werden, um so schwieriger wird es, dem angestrebten Zieleiner Reduzierung der Leistungsebenen näherzukommen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Hausmann, kann ich Ihre Antwort dahin gehend verstehen, daß es durch Ihre bisherige Personalpolitik nicht möglich ist, die Unterabteilungsleiterebene vor dem Jahr 2000 abzubauen, und der Abbau dieser Ebene bis weit in das nächste Jahrtausend reicht, wie es der Bonner „General-Anzeiger" vor kurzem behauptet hat?
Davon können Sie nicht ausgehen. Die Zielprojektion steht fest. Ich habe dargelegt, daß wir im Kreise der Unterabteilungsleiter sicherlich genügend geeignete Kandidaten für die Besetzung freiwerdender Abteilungsleiterstellen vorfinden werden. In der Regel sind die Abteilungsleiter deutlich älter als die Unterabteilungsleiter. Es ist also davon auszugehen, daß dieses Ziel zügig erreicht werden kann.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie die Unterabteilungsleiterebene dadurch abschaffen wollen, daß Sie alle Unterabteilungsleiter zu Abteilungsleitern machen?
({0})
Ich habe nur gesagt, daß Kandidaten für die Nachfolge ausscheidender Abteilungsleiter sicherlich auch im Kreis der jetzt vorhandenen Unterabteilungsleiter zu finden sind.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Kemper auf:
Welche Aufstiegschancen für besonders qualifizierte Referentinnen/Referenten und Referatsleiterinnen/Referatsleiter gibt es in den nächsten Jahren im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung?
Die Beförderungschancen für besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bestimmen sich im wesentlichen nach der derzeitigen Stellenstruktur und ihrer Entwicklung im Rahmen der sogenannten Topfwirtschaft.
Die Aufstiegschancen der Mitarbeiter werden weniger durch organisatorische Maßnahmen berührt als vielmehr durch den empfindlichen Fortfall von Planstellen und Stellen, den das Amt in den vergangenen Jahren schon hinnehmen mußte. So wurden vom Bundespresseamt bereits folgende Stellen eingespart: zwei B 6, drei B 3 bzw. at B 3, vier A 16 bzw. BAT I, sechs A 15 bzw. BAT I a. Hinzu kommt, daß, wie von mir schon dargestellt, eine der drei im Hause befindlichen B-9-Stellen kw-gestellt ist.
Ihre Zusatzfragen.
Kollege Sperling hat es eben etwas anonymer gefragt. Ich will die Frage präzisieren, weil Sie sie so anonym auch nicht beantworten konnten. Ist es möglich, daß Herr Sternecker im nächsten Jahr Abteilungsleiter wird und damit eine ungewöhnliche Blitzkarriere bei Ihnen machen wird?
Es ist möglich. Da Herr Sternecker Unterabteilungsleiter ist, gehört sicherlich auch er zum Kandidatenkreis, den ich vorhin genannt habe. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber nicht von einer „Blitzkarriere" sprechen. Herr Sternecker ist anderthalb Jahrzehnte im Haus. Insofern weiß ich nicht, was Sie unter „Blitzkarriere" verstehen. Sie müßten mir das etwas näher darstellen.
Meine Kollegen, mich ergreift ein tiefes Unbehagen, wenn die Personalien eines einzelnen Beamten, der sich hier nicht in irgendeiner Weise äußern kann, zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht werden. Dessenungeachtet gebe ich Ihnen natürlich Gelegenheit zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Präsident, ich will Ihr Unbehagen nicht steigern. Ich verzichte auf meine zweite Zusatzfrage, denn auch sie hätte sich auf diesen Kollegen bezogen.
Vielen Dank. Ich danke auch Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe Frage 30 des Kollegen Sperling auf:
Gab es beim Gespräch zwischen dem Chef des Bundeskanzleramtes, dem Staatssekretär im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und einem leitenden Beamten, über das die „Süddeutsche Zeitung" am 10. September und der „General-Anzeiger" am 18. September 1996 berichteten und das die Bundesregierung als informell bezeichnet, ein Ergebnis?
Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Friedrich Bohl zur Verfügung. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Herr Kollege Sperling, es ist richtig, daß es ein solches Gespräch gegeben hat. Es war ein informelles Gespräch, wie es im Zusammenhang mit meiner Aufgabe innerhalb der Bundesregierung von mir häufig zu führen ist. Unabhängig von eventuellen Ergebnissen solcher informellen Gespräche sind diese für öffentliche Verlautbarungen nicht geeignet und nicht bestimmt.
Herr Kollege Sperling, bitte Ihre Zusatzfragen.
Der Nutzen informeller Gespräche besteht sicherlich darin, daß nachher forDr. Dietrich Sperling
melle Ergebnisse leichter oder überhaupt erzielt werden können. Können Sie mir denn sagen, ob nun ein formelles Ergebnis Ihrer informellen Gespräche vorliegt?
Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Allerdings muß ich hinzufügen, daß ich das Erlebnis, daß meine informellen Gespräche nicht zu einer formellen Erfüllung führen, häufiger habe.
({0})
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Sperling.
Herr Minister, ich würde Sie gerne fragen, ob Sie mir sagen können, ob der Bundeskanzler meint, daß er diese Sache informell oder formell aussitzen bzw. aussitzen lassen soll.
({0})
- Sie stehen im Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage.
Herr Abgeordneter Sperling, diese Frage wird dann zu entscheiden sein, wenn es geboten und angezeigt ist. Bis dahin bitte ich Sie um Geduld.
({0})
Dann rufe ich die Frage 31 des Kollegen Dr. Sperling auf:
Ist es zutreffend, daß der Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl, dem Staatssekretär im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Peter Hausmann, und seinem Stellvertreter, Wolfgang Gibowski, empfahl, ihren Fall dem Bundeskanzler vorzulegen?
Herr Kollege Sperling, da es sich um ein informelles Gespräch handelte, bin ich nicht bereit, über den Inhalt dieses informellen Gespräches innerhalb der Meinungsbildung der Bundesregierung Bericht zu erstatten.
Herr Kollege Sperling.
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich den sehr formellen Eindruck habe, daß es an der Spitze des Bundespresseamtes so etwas wie ein Tohuwabohu in den gegenseitigen Vertrauensbekundungen gibt und daß dies der Arbeitsfähigkeit des Amtes vermutlich nicht ganz dienlich ist? Wäre es darum nicht nötig, relativ schnell zu einem formellen Ergebnis Ihrer informellen Gespräche zu kommen?
Herr Abgeordneter, ich nehme zur Kenntnis, welchen Eindruck Sie haben, weise aber darauf hin, daß es sich um einen subjektiven Eindruck handelt, der objektiv nicht gerechtfertigt ist, und daß die volle Informationstätigkeit und auch Funktionsfähigkeit des Bundespresseamtes gewährleistet ist.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Sperling.
Herr Minister, ist Ihnen aus der Pressetätigkeit, die es rund um die Spitze des Bundespresseamtes gegeben hat, bekannt, daß mein subjektiver Eindruck von vielen geteilt wird und daß es eine Vielzahl von Indizien gibt, die dazu geführt haben, daß in informellen Gesprächen offensichtlich Streitigkeiten der Spitze des Bundespresseamtes dem Bundeskanzler entweder informell oder sogar formell vorgelegt werden sollten und sich daraus für das Bundespresseamt keineswegs zuträgliche Überlegungen ergeben?
Auch ich habe die Presseberichte gelesen; aber diese Presseberichte können in keiner Weise einen Schatten auf die hervorragende Informations- und Pressearbeit des Sprechers der Bundesregierung, des Chefs des Presseamtes, werfen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Struck.
Herr Minister Bohl, den theoretischen Fall angenommen: Ein Staatssekretär kommt mit einem Abteilungsleiter zu Ihnen, und die beiden streiten sich über eine bestimmte Konzeption. Würde es nicht eine gewisse Führungskraft zeigen, die ich der Bundesregierung zunächst einmal unterstelle, wenn Sie diesen beiden streitenden Herren nicht sagen würden: „Geht zum obersten Chef", sondern wenn Sie diesen Streit selber entscheiden würden?
Da es eine theoretische Frage ist, kann ich nur sagen, daß ich nicht die Absicht habe, über theoretische Fälle hier eine politische Auskunft zu geben.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt.
Herr Minister Bohl, ich komme auf meine Frage, die in diesem Zusammenhang nicht ganz unbedeutend ist, zu dem Umstrukturierungskonzept zurück. Finden Sie es eigentlich nicht doch beantwortenswert, ob der Vertreter des Leiters des Bundespresse- und Informationsamts das Umstrukturierungskonzept mitträgt oder nicht mitträgt?
Herr Abgeordneter, es kommt nicht darauf an, ob ein einzelner Mitarbeiter
({0})
das Konzept eines Regierungschefs, eines Ministers, eines Chefs eines Amtes der Bundesregierung mitträgt oder nicht. Vor diesem Hohen Hause nehmen Sie den jeweiligen politisch Verantwortlichen in Pflicht - zu Recht - und nicht einen einzelnen Mitarbeiter.
Ob ein Regierungsmitglied oder ein Amtschef immer glücklich darüber ist, daß eine solche Berichterstattung in der Presse erscheint, ist eine andere Frage. Aber seine Verantwortung kann nicht dadurch untergraben werden, daß einzelne Mitarbeiter anderer Meinung sind.
Der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat eine ganz bestimmte Vorstellung über die Neuorganisation seines Amtes. Diese Neuorganisation befindet sich in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Grundlagen und den Haushaltsplänen der Vergangenheit und der Zukunft. Da er das Vertrauen der Bundesregierung genießt, ist danach zu verfahren, egal, ob einzelne Mitarbeiter das gut, schlecht oder nur mittelprächtig finden.
Zusatzfrage
des Kollegen Kemper.
Herr Minister Bohl, Sie haben die Umstrukturierung mehrfach angesprochen. Ich beziehe mich jetzt noch einmal darauf: Halten Sie es für logisch nachvollziehbar, wenn ein Beamter, der die Konzeption für die Abschaffung der Unterabteilungsleiterebene erarbeitet, anschließend selber Unterabteilungsleiter wird?
Was Sie sagen, ist nach meiner Kenntnis nicht determiniert.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Dr. Peter Struck:
Ist dem Bundeskanzler bekannt, daß der Unmut der Bonner Journalisten über Regierungssprecher Peter Hausmann und seinen Stellvertreter Herbert Schmülling sehr groß ist, weil beide immer wieder in der Bundespressekonferenz keine Auskünfte auf Fragen geben können und daher unzureichend informiert erscheinen ({0})?
Herr Präsident! Herr Kollege Struck! Es ist so, daß der Bundeskanzler umfassend über das Pressegeschehen informiert wird. Der Bundeskanzler ist deshalb auch über Presseberichte der von Ihnen angesprochenen Art informiert. Der Bundeskanzler ist ebenfalls über den Inhalt Ihrer Frage 32 informiert.
({0})
Herr Kollege Struck, ich nehme an, daß Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
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Richtig, Herr Präsident. Ich bin sehr beeindruckt, daß der Bundeskanzler über den Inhalt meiner Frage 32 informiert ist.
Herr Minister Bohl, gibt es regelmäßige Gespräche zwischen dem Bundeskanzler Dr. Kohl und Herrn Regierungssprecher Hausmann? In welchen Zeitabständen finden sie statt, und wann hat das letzte Gespräch stattgefunden?
Ich kann Ihnen nicht auf den Tag genau sagen, wann das letzte Gespräch stattgefunden hat. Ich nehme an, daß es gestern war. Aber ich möchte vor diesem Hohen Hause nicht die Unwahrheit sagen. Im Prinzip hält der Bundeskanzler jeden Morgen eine „Lage" ab, an der außer dem Chef und den Staatsministern des Bundeskanzleramtes auch der Chef des Bundespresse- und Informationsamtes teilnimmt. Ich meine, gestern hat eine „Lage" stattgefunden, heute jedoch nicht. Unter dem kleinen Vorbehalt, daß ich mich irre, sage ich: Es war gestern.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Minister Bohl, ist Gegenstand der Gespräche zwischen dem Bundeskanzler, Ihnen und Herrn Staatssekretär Hausmann auch der in meiner Frage erwähnte Unmut der Bonner Presse und der Bonner Journalisten über die unzureichende Beantwortung von Fragen durch Herrn Hausmann auf der Bundespressekonferenz gewesen?
Herr Abgeordneter, so wenig, wie das auf die Frage des Kollegen Sperling der Fall war, habe ich jetzt die Absicht, Ihnen über interne Beratungen der Bundesregierung, insbesondere des Bundeskanzlers mit Mitarbeitern und Kabinettskollegen, Auskunft zu geben. Aber daß es offensichtlich hin und wieder Unmut und Streit über Pressesprecher der Bundesregierung gibt, ist wohl kein epochales Ereignis der GegenBundesminister Friedrich Bohl
wart. Ich habe hier hochinteressante Presseberichte aus dem Jahre 1982, in denen es um den Regierungssprecher Becker geht.
({0})
Der hoch angesehene Redakteur und Journalist Klaus Hofmann schreibt:
Es ist ein Kreuz mit den Bonner Regierungssprechern, aber sie haben auch ein schweres Kreuz zu tragen.
Dann wird hier im einzelnen über Kontroversen mit SPD-Abgeordneten berichtet. Im März 1982 gab es Attacken der SPD-Fraktion gegen den Regierungssprecher Becker. In der „Bild"-Zeitung stand:
Wer vermutet, Becker werde um den Schlaf gebracht, dem sagt er: „Der Umgang mit Strolchen raubt mir nicht den Schlaf."
Solche Dinge können Sie laufend in der Presseberichterstattung finden. Ich bin deshalb der Auffassung, daß Sie die Sache vielleicht ein wenig niedriger hängen sollten.
Zusatzfrage, Dr. Sperling.
Herr Minister, ich weiß nicht, warum Sie jetzt unbedingt regieren wollen, wenn doch alles so geblieben ist.
({0})
Dann hätte der Wechsel keinen Sinn gehabt.
Ich frage Sie nach Ihren Auskünften, ob Sie jetzt nicht den Eindruck haben, daß Sie selbst einen Informationsstau gegenüber dem Parlament verursachen und daß aus Ihren Antworten deutlich wird, daß zwar der Kanzler vom Bundespresseamt informiert wird, aber der Regierungssprecher offensichtlich nicht vom Kanzler und daß dies Unmut schafft.
Herr Minister, weil wir als Opposition eine gut funktionierende Regierung sehen möchten und nicht das Tohuwabohu, das Sie dort anrichten, frage ich Sie, ob es nicht möglich wäre, für Herrn Hausmann andere Informationsmöglichkeiten zu schaffen, da er offensichtlich erst in seiner Umgebung eine langwährende Umorganisation vornehmen muß, um wieder in den Besitz von Informationen für die Presse zu kommen.
Ich weiß nicht, Herr Kollege Sperling, ob Ihre fürsorgliche Anteilnahme ganz ehrlich gemeint ist.
({0})
- Das mag dahingestellt bleiben. Ich sage Ihnen, daß der Regierungssprecher auch vom Bundeskanzler immer bestens informiert ist und daß es eine enge Kommunikation gibt. Wenn Sie eben meinen Darlegungen über die morgendliche Lage zugehört hätten, könnten Sie zu solchen Urteilen beim besten Willen nicht kommen.
Ich bitte Sie deshalb herzlich, nicht falschen Presseberichten aufzusitzen. So wie sicherlich auch die Presseberichte Anfang 1982 falsch waren, soll man nicht alles glauben, was in der Presse steht.
Dann kommt die Zusatzfrage des Kollegen Schmidt.
Herr Minister Bohl, abgesehen davon, daß die von Ihnen zitierten Äußerungen aus dem Jahre 1982 ja nun offensichtlich ganz anderer Qualität waren, weil man sich seinerzeit immer wieder in der Sache auseinandersetzte, und auch eingedenk der Tatsache, daß wir uns hier eigentlich nicht unbedingt um den Vertrauensschaden bemühen müßten, den die Bundesregierung mit sich selber anrichtet, möchte ich fragen, ob Ihnen bewußt ist, daß Schlagzeilen und die dahinterstehenden Presseberichte wie die, in denen steht: „Ich weiß, daß ich nichts weiß" oder „Der Regierungssprecher muß in eigener Sache dementieren", nicht nur Schaden auf das Presse- und Informationsamt und auf die Bundesregierung, sondern letztlich natürlich auch auf die Politik im allgemeinen und damit auch auf das Haus abladen.
Ich weiß nicht, ob man diese Schlußfolgerung ziehen kann. Nach allen Umfragen ist ja das Ansehen des Bundeskanzlers gerade in den letzten Wochen besonders hoch. Insofern muß die Arbeit des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung doch ganz erfolgreich sein. Ich würde mir da an Ihrer Stelle, Herr Kollege Schmidt, also nicht den Schlaf rauben lassen.
Aber was nun die Fragen der Umorganisation angeht: Schauen Sie einmal, als Ihr Bundesgeschäftsführer Blessing das Ollenhauer-Haus umgekrempelt hat, was habe ich damals alles in der Zeitung gelesen. Als Ihr stolzes Parteiblatt „Vorwärts" eingestellt wurde, was habe ich da alles in der Zeitung gelesen.
({0})
- Das können wir ja noch herausholen. - Daß also, wenn jetzt eine Umorganisation beim BPA stattfindet, nicht alle davon begeistert sind, daß auch manche Erwartung enttäuscht wird und manche Lebensplanung sich nicht so realisieren wird, ja, mein Gott! Auch hier beim Deutschen Bundestag gibt es viele Mitarbeiter, die auf Grund des Umzugsbeschlusses nicht all ihre Wünsche erfüllt sehen. Ich finde, es ist nicht angebracht, einen solchen Sachverhalt so zu instrumentalisieren, wie Sie es tun.
({1})
- Doch.
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- Ich habe Ihre Frage zumindest so verstanden.
Dann kommt die Zusatzfrage des Kollegen Köhne.
Herr Bohl, finden Sie nicht, daß es etwas widersprüchlich ist, wenn Sie auf der einen Seite sagen, daß die Unkenntnis von Regierungssprechern laufend stattfindet, und auf der anderen Seite nur einen Vorgang aus dem Jahre 1982, der also ungefähr 15 Jahre zurückliegt, zitieren können?
Nicht nur, ich habe auch noch andere Beispiele. Aber wie immer bei einer Auswahl muß man sich auf einige besonders exemplarische Fälle beschränken.
({0})
Das habe ich vorhin getan. Ich glaube, daß die Arbeit des Regierungssprechers ausgesprochen erfolgreich ist. Dabei bleiben wir auch. Wir sind mit ihm sehr zufrieden.
({1})
Dann rufe ich die Frage 33 des Kollegen Struck auf:
Was gedenkt Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl zu unternehmen, um den häufigen Eindruck eines unzureichenden Informationsstandes von Regierungssprecher Peter Hausmann und seinem Stellvertreter Herbert Schmülling zu verbessern?
Herr Präsident! Herr Kollege Struck, dazu besteht kein Anlaß.
Herr Struck, haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja, selbstverständlich, Herr Präsident. - Herr Minister Bohl, wie beurteilen Sie denn die Aussage von Herrn Staatssekretär Hausmann, der Kanzler habe ihm „jede intellektuelle Turnübung" zur Interpretation der Politik der Bundesregierung untersagt, im Hinblick auf die Tatsache, daß, wie Sie sagen, Herr Staatssekretär Hausmann regelmäßig an der Lagebesprechung teilnimmt und es eigentlich auch seine Aufgabe sein müßte, die Politik den Journalisten so darzustellen, daß die Zielrichtung der Bundesregierung deutlich wird, aber nicht, wie es offenbar der Fall ist, den Journalisten den Eindruck zu vermitteln, er wisse überhaupt nichts?
Herr Kollege Struck, zunächst bitte ich Sie um Nachsicht, wenn ich darum bitte, mir zunächst die Fundstelle zu zeigen, damit ich überprüfen kann, ob es sich wirklich um ein Zitat - ({0})
Das werde ich gerne überprüfen. Aber ich kann mir angesichts des guten Verhältnisses zwischen dem Bundeskanzler und Herrn Staatssekretär Hausmann beim besten Willen nicht vorstellen, daß das Zitat so gefallen ist.
Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?
Aber natürlich, Herr Präsident. - Herr Minister Bohl, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß im Presse- und Informationsamt der Eindruck besteht, daß Herr Staatssekretär Hausmann eine „Tabula-rasa-Politik" im Hause mache, weil er ohnehin beabsichtige, für den nächsten Deutschen Bundestag zu kandidieren?
Ich weiß nichts von einer Absicht von Herrn Kollegen Hausmann, für den nächsten Deutschen Bundestag zu kandidieren. Aber nach den grundgesetzlichen Bestimmungen ist es jedermann, soweit er die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, freigestellt, sich um ein Mandat in diesem Hohen Hause zu bewerben.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dr. Sperling.
Herr Staatsminister, können Sie meinem Eindruck etwas entgegensetzen, daß angesichts der unterschiedlichen parteipolitischen Neigungen derjenigen Personen, mit denen Herr Hausmann an der Spitze des Bundespresseamts im Streit liegt, dieser ganze Streit nicht deswegen stattfindet, um für den nächsten Wahlkampf möglichst günstige Positionen für die jeweils eigene politische Kraft in dem Koalitionsgerangel zu schaffen?
Ich habe so intensive Motivforschung nicht betrieben, jedenfalls was den Kollegen Hausmann angeht. Ob andere solche Ziele verfolgen und wer die Hintermänner sein sollen, von denen Sie sprechen, weiß ich nicht. Aber Sie sollten wirklich - so wie auch der Kollege Struck - nicht der eigenen Propaganda erliegen. Denn es ist so, daß das, was der Kollege Schmidt mir gerade übergibt, belegt, daß Herr Kollege Hausmann bloß intellektuelle Turnübungen in direkter Rede wiedergegeben hat, alles andere aber, nämlich daß der Bundeskanzler ihm die Interpretation seiner Politik untersagt habe, kein wörtliches Zitat von Herrn
Staatssekretär Hausmann ist. Insofern empfehle ich entweder präzisere Lektüre oder präziseres Zitieren.
({0})
- Das wollen wir hoffen!
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich bedanke mich, Herr Bundesminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Norbert Lammert zur Verfügung.
Die Frage 34 wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Albert Schmidt auf:
Plant die Bundesregierung, den von der bayerischen Landesregierung gegenüber dem Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft für ein neues Energiewirtschaftsgesetz geäußerten Bedenken, u. a. aus Umweltgründen, in einem neuen Referentenentwurf Rechnung zu tragen, und wird die Bundesregierung aufgrund der heftigen Kritik, u. a. von den Umweltverbänden, konkrete umweltpolitische Nachbesserungen am Referentenentwurf vornehmen?
Herr Kollege Schmidt, der Bundeswirtschaftsminister hat am 30. April dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Reform des Energiewirtschaftsrechts vorgelegt. Dieser Entwurf ist mit den betroffenen Wirtschaftszweigen, den Verbrauchern sowie mit den Ländern und den Kommunen intensiv erörtert worden. Er soll in Kürze vom Bundeskabinett verabschiedet werden.
Mit der Bundesumweltministerin besteht volles Einvernehmen, daß die geplante Reform des Energiewirtschaftsrechts auch ein Schritt zu mehr Umweltschutz ist. Umweltschutz und Ressourcenschonung auf hohem Niveau sind nach allen Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, in einem wettbewerblichen Rahmen allemal besser zu erreichen als bei Monopolstrukturen.
Der Wettbewerb auf dem Energiemarkt wird den Modernisierungs- und Innovationsdruck erhöhen. Dadurch werden insbesondere die Entwicklung der Kraftwerkstechnik und die Steigerung der Wirkungsgrade vorangetrieben. Dies kommt nicht nur der Wirtschaftlichkeit, sondern auch der Umwelt zugute.
Es gibt eine Reihe von Konkretisierungen, die sich aus dem Gesamtkontext des Energiewirtschaftsrechts ergeben. Sie legen im ganzen die Schlußfolgerung nahe, daß auf diese Weise ein Beitrag nicht nur zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch zur besseren Verwirklichung der Umweltschutzziele erreicht werden kann.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie schlichtweg den Dissens zwischen der Bundesumweltministerin und dem Bundeswirtschaftsminister bestreiten, darf ich Sie fragen: Wie erklären Sie sich, daß besagte Bundesumweltministerin Frau Angela Merkel mit Schreiben vom 24. Juli 1996 an ihren Kabinettskollegen Dr. Rexrodt zum erstenmal geäußert hat, daß den Umweltbelangen genau mit diesem Entwurf - anders, als Sie es jetzt darlegen - nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen würde?
In einem zweiten Schreiben vom 9. September dieses Jahres insistierte sie noch einmal darauf, daß ihre Bedenken leider noch nicht ausgeräumt seien, da konkrete Umweltbestimmungen weitgehend fehlen, insbesonders deutliche Anreize für umweltschonende Erzeugung, gegebenenfalls auch für die Verteilung umweltschonend erzeugter Energie.
Halten Sie die Frau Ministerin hierbei für ein Opfer von Propaganda, oder wie erklären Sie sich, daß dieser Dissens, den Sie gerade hier bestreiten, offensichtlich sogar schriftlich dokumentiert ist?
Ich bin sicher, daß die Bundesministerin Frau Dr. Merkel kein Opfer von Propaganda geworden ist. Ich hoffe, daß das auch für Sie zutrifft. Im übrigen hat ja die Fundstelle, die Sie gerade zitiert haben, hinreichend deutlich gemacht, daß Sie sich auf einen Stand der Beratungen beziehen, der mehrere Monate zurückliegt. In der Zwischenzeit hat es ja mehrere intensivierte Kontakte mit den genannten Adressaten gegeben, die auch zu Verdeutlichungen im Gesetzentwurf geführt haben.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf, der vom Kabinett noch nicht verabschiedet ist, sieht eine Reihe von Verbesserungen vor: So wird die Umweltverträglichkeit ausdrücklich als gleichrangiges Ziel neben Sicherheit und Preisgünstigkeit in das Energiewirtschaftsrecht aufgenommen. Umweltschutz ist also künftig gleichberechtigter Maßstab bei allen Verfahren und Verordnungen auf der Grundlage dieses Gesetzes, zum Beispiel bei den neuen bundeseinheitlichen Planfeststellungsverfahren für Höchstspannungsfreileitungen oder bei der Bundestarifordnung Elektrizität.
Wir wollen mit dieser Reform darüber hinaus die Anerkennungsfähigkeit von Aufwendungen der Stromversorgungsunternehmen für sogenannte Least- cost-planning-Maßnahmen im Rahmen der Tarifgenehmigung auf eine klare rechtliche Grundlage stellen. Schließlich enthält dieses Energiewirtschaftsgesetz weitere Sonderregelungen zugunsten von erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Koppelung.
Das verdeutlicht Ihnen hoffentlich, daß Ihre Besorgnis, es gebe in diesem Zusammenhang keine hinreichende Berücksichtigung von Umweltschutzanliegen, in der Zwischenzeit jedenfalls ausgeräumt ist.
Zweite Zusatzfrage.
Nachdem Sie die Bedenken der Umweltministerin offensichtlich mehr oder weniger brachial ausgeräumt haben, möchte ich doch eine zweite Frage anschließen: Wie gedenken Sie denn mit den Bedenken umzugehen, die aus den Ländern vorgetragen worden sind und sich zum Teil auf ähnliche, zum Teil auf weitere Sachverhalte beziehen, insbesondere, nachdem deutlich geworden ist, daß nicht nur die A-Länder und „G-Länder", also die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung, sondern auch die Freistaaten Sachsen und Bayern erhebliche Bedenken gegen den vorliegenden Entwurf vorgebracht haben? Meinen Sie, daß Sie es dabei auch so leicht wie mit Frau Merkel haben werden, diese also nach einem Machtwort klein beigeben werden, oder schätzen Sie Ihre Chancen im Bundesrat vor diesem Hintergrund der Stimmungslage nicht eher als sehr gering ein?
Das bevorstehende Gesetzgebungsverfahren bietet ja ausdrücklich Gelegenheit, die unterschiedlichsten Überlegungen einschließlich möglicherweise nach wie vor vorhandener Einwände zum Gegenstand dieser Beratungen und gegebenenfalls auch zum Gegenstand von Änderungsanträgen zu machen. Wir haben uns in Kontakt mit den Ländern, wie in der Ressortabstimmung, um eine weitest mögliche Berücksichtigung der von Ihnen angesprochenen Anliegen bemüht. Nach gegenwärtigem Stand der Beratungen haben wir Anlaß, davon auszugehen, daß es sowohl auf seiten der von Ihnen angesprochenen unionsgeführten Länder als auch auf seiten der anderen betroffenen Ressorts eine prinzipielle Übereinkunft der Einbringung eines solchen Gesetzgebungsverfahrens gibt.
Nun kommt eine Zusatzfrage der Kollegin Hustedt.
Es wurde ja schon mehrmals im Wirtschaftsausschuß über das Vorhaben diskutiert. In einer Sitzung vor mehreren Monaten wurde auf die Frage, ob das Stromeinspeisungsgesetz trotz dieser Liberalisierung noch Bestand haben wird, sehr lapidar geantwortet. Darauf haben der Wirtschaftsausschuß und sein Vorsitzender das Wirtschaftsministerium aufgefordert, genau zu dieser Thematik, nämlich Bestand des Stromeinsparungsgesetzes, einen Bericht in schriftlicher Form vorzulegen. Dieser Bericht liegt bisher noch nicht vor. Deshalb frage ich Sie also: Wann wird er kommen, und wie ist Ihre Position zum Bestand und zur Anpassung des Stromeinspeisungsgesetzes im Hinblick auf die Liberalisierung des Energiemarktes?
Frau Kollegin Hustedt, die Frage der Verfolgung von Umwelt- und Klimaschutzzielen ist in der Tat nicht allein im Kontext des Energiewirtschaftsgesetzes zu behandeln und zu beantworten. Eine besonders wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Stromeinspeisungsgesetz. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, auf das Stromeinspeisungsgesetz zu verzichten, wie das von Teilen der Energiewirtschaft gefordert wird.
Wir halten allerdings - insoweit besteht Übereinstimmung mit dem Bundesrat - Modifizierungen des geltenden Gesetzes für angezeigt. Das würde übrigens selbst dann gelten, wenn es nicht zu einer Änderung des Energierechtsrahmens kommen würde. Unter Berücksichtigung künftiger Wettbewerbsstrukturen in der Energiewirtschaft werden solche Modifizierungen notwendig sein. Wir befinden uns auch für diesen Bereich in intensiven Gesprächen sowohl mit den Ländern wie auch mit den Verbänden und der Wirtschaft, um die vom Bundesrat bereits vorgelegte Empfehlung einer Änderung des Stromeinspeisungsgesetzes möglichst bald in eine konkrete Änderung dieses Gesetzestextes umzusetzen.
Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Höfken.
Hält die Bundesregierung die durch die Energierechtsnovellen auf europäischer und nationaler Ebene geplanten Strompreissenkungen für ein aus Umwelt- und Klimaschutzgründen positives Signal? Hat die Europäische Kommission oder die Bundesregierung Berechnungen über den auf Grund der Preissenkungen zu erwartenden höheren Stromverbrauch angestellt?
Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekrektär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wenn ich das richtig sehe, liegt eine fast wortgleiche Frage im weiteren Verlauf der Fragestunde vor. Wenn Sie damit einverstanden sind, Herr Präsident, kann ich sofort darauf antworten.
Ich bin nicht damit einverstanden; denn dies ist eine Zusatzfrage, die sich direkt auf die Frage des Kollegen Schmidt bezieht. Ich kann aber nicht die Reihenfolge der Fragen ändern.
Ich stelle deshalb diese Zusatzfrage zurück und rufe eine Zusatzfrage des Kollegen Köhne auf. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Antwort, daß Sie die Bedenken, der neue Entwurf des Energiewirtschaftsgesetzes sei nicht umweltverträglich, ausgeräumt haben, frage ich Sie: Wird nicht dieses Gesetz dazu führen, daß die kleinen Stadtwerke pleite gehen, weil ihnen die Rosinen aus dem Kuchen herausgepickt werden, und daß es deswegen nicht möglich sein wird, zum Beispiel die Fernwärme weiter auszubauen, was aus umweltpolitischen Gründen geboten ist?
Die Bundesregierung teilt diese Besorgnis nicht - weder was die vermeintParl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
lieh aussichtslose Wettbewerbsposition von Stadtwerken im allgemeinen noch was die Berücksichtigung des Einsatzes umweltfreundlicher Energien durch Stadtwerke und anderer Energieversorgungsunternehmen angeht -, weil zum einen die Aufhebung geschlossener Versorgungsgebiete auch den Stadtwerken selber diversifizierte Lieferungsmöglichkeiten eröffnet - die heute nicht bestehen, so daß sie selber in einer günstigeren Position sind, als das bislang der Fall ist - und weil zum anderen zum Instrumentarium der Durchleitung von Strom auch die Möglichkeit der Versagung eines solchen Anspruchs gehören kann, das heißt, daß mit einer solchen Durchleitung zu den von Ihnen gerade angesprochenen besonders relevanten Großkunden Folgen für die übrige Versorgung des Versorgungsgebietes unter dem Gesichtspunkt der Preisfolgen oder auch der Umweltfolgen verbunden sein könnten, die einen solchen Durchleitungsanspruch nicht rechtfertigen.
Genau dieser von Ihnen gerade angesprochene Grenzfall ist mit einer entsprechenden Regelung im Gesetzentwurf berücksichtigt.
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Nun zur Zusatzfrage der Kollegin Schönberger.
Auch ich möchte noch einmal zurückkommen auf Ihre Antwort, daß es keine Bedenken gegenüber diesem Gesetzentwurf in bezug auf die Auswirkungen auf die Umwelt gibt. Mit welchen konkreten Maßnahmen soll in dieser jetzt modifizierten Novellierung verhindert werden, daß das staatlich hochsubventionierte Überangebot an Atomstrom aus Frankreich, gegen das Anbieter von regenerativen oder anderen umweltfreundlichen Energien nicht wettbewerbsfähig sind, mit Dumpingpreisen auf den deutschen Markt kommt?
Frau Kollegin, ich habe vorhin ganz sicher nicht gesagt, daß ich davon ausgehe, daß es aus umweltpolitischer Sicht keine Bedenken mehr gebe. Ich gehe ganz im Gegenteil davon aus, daß bei einem Gesetzentwurf von dieser Bedeutung eine Vielzahl von Bedenken sowohl unter Umwelt- als auch unter Wettbewerbs- und Preisgesichtspunkten sowie auf Grund kommunaler und regionaler Interessen vorgetragen werden. Es würde mich ausgesprochen überraschen, wenn das nicht so wäre. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir uns sehr ernsthaft und konkret darum bemüht haben, in einem sehr langen und sorgfältigen Abstimmungsprozeß mit vielen Betroffenen möglichst zahlreiche dieser Einwände bereits in den Regelungen des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs zu berücksichtigen.
Der zweite Teil Ihrer Frage bezieht sich weniger auf das hier in Rede stehende Energiewirtschaftsrecht bzw. auf dessen Novelle im nationalen Rahmen, sondern auf die Folgen, die mit der europäischen Stromrichtlinie bezüglich der Öffnung der Energiemärkte in Europa zusammenhängen, wobei natürlich wahr ist, daß die beiden Vorhaben in einem engen nicht nur zeitlichen, sondern auch sachlichen Zusammenhang stehen. Das aber, wonach Sie gefragt haben, wird nicht durch Bestimmungen im nationalen Energiewirtschaftsrecht gesichert, sondern durch die Schutzklausel, die in der europäischen Stromrichtlinie vorgesehen ist und die sicherstellt, daß es solche Ansprüche auf Durchleitung von selbst erzeugtem Strom erstens überhaupt nur in einem bestimmten gestaffelten Zeitrahmen und zweitens nur unter der Voraussetzung der Reziprozität gibt. Das heißt, daß das liefernde Land den eigenen Markt ebenfalls für Lieferungen aus den Ländern, in die man gerne liefern möchte, öffnet.
Dann rufe ich die Zusatzfrage der Kollegin Müller auf.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer ersten Antwort gesagt, daß Sie glauben, daß Umweltziele viel besser zu erreichen seien, wenn man Monopole aufbreche und mehr Wettbewerb erzeuge. Der Punkt aber ist, daß wir die nationale Energierechtsnovelle in Verbindung mit der EU-Stromrichtlinie sehen müssen. Glauben Sie nicht auch, daß gerade die Tatsache, daß nun beispielsweise auch große deutsche EVUs mit einem Staatsunternehmen konkurrieren müssen, dazu führen wird, daß eine gigantische Monopolisierung entsteht, indem sich die großen deutschen EVUs zusammenschließen werden, um weiterhin konkurrenzfähig zu sein, und glauben Sie weiterhin nicht, daß Sie mit Ihrem Entwurf genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie vorgeben, erreichen zu wollen?
Frau Kollegin Müller, ich halte erstens an dem Hinweis fest, daß nach allen Erfahrungen - einschließlich der der allerjüngsten Zeit - auch und gerade im Betrachtungskreis unserer deutschen Volkswirtschaft Wettbewerbsstrukturen der Erreichung von Umweltzielen allemal eher förderlich sind als Monopolstrukturen.
({0})
- Ich bedanke mich für den Zuruf. - Dies gilt insbesondere dann, wenn zu den erklärten gesetzlichen und damit auch operativ wirksamen Zielen eines neuen Energiewirtschaftsrechts die Umweltverträglichkeit des Energieeinsatzes mit genau dem gleichen Rang wie die Preisgünstigkeit und die Versorgungssicherheit gehört, was eine ganz wesentliche Verbesserung der bisherigen Rechtslage darstellt.
Wenn wir zweitens die Herbeiführung von Wettbewerb im Energiebereich durch Aufhebung der Sonderregelungen, die gegenwärtig im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen noch bestehen, herbeiführen, dann bedeutet das unmgekehrt, daß die Bestimmungen, die im allgemeinen im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen, Fusionen und damit Monopolbildungen kartellrechtlich bestehen, in ZuParl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
kunft auch für den Energiebereich gelten. Damit ist der Besorgnis, die Sie vorgetragen haben, eine ganz wesentliche prinzipielle Bremse entgegengesetzt.
Die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Ich möchte aber trotzdem noch die letzte Zusatzfrage von Frau Eichstädt-Bohlig zulassen. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, der Kabinettsbeschluß über das Energiewirtschaftsgesetz ist jetzt zweimal verschoben worden. Wann können wir damit rechnen, daß sich das Kabinett mit dem Thema befaßt und zu einem Beschluß kommt?
Ich gehe davon aus, daß sich das Kabinett voraussichtlich noch in diesem Monat damit befassen wird und dann die Beschlußfassung erfolgt.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 17. Oktober 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.