Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, Gesetz zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung, Bericht des Bundesinnenministers zum Stand der Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Bericht des Bundesinnenministers zur Gefährdung hochentwickelter Industrieländer durch mafiose Strukturen, Eckpunkte zur Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister des Innern, Manfred Kanther. Ich weise schon jetzt darauf hin, daß Einvernehmen darüber besteht, daß ein zweiter Bericht durch den Bundesminister der Justiz erfolgt.
Zunächst aber erteile ich dem Bundesminister des Innern, Herrn Kanther, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Für die Bundesregierung ist die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in unserem Lande ein wichtiger zentraler Aspekt für die Gewährleistung der inneren Sicherheit.
Die Bundesregierung hat deshalb heute ein großes Maßnahmen- und Gesetzesbündel beschlossen, das diesem Zweck dienen soll: Maßnahmen zur Verschärfung der Geldwäschebestimmungen, Maßnahmen zur verbesserten Bekämpfung von Korruption sowohl durch das Strafrecht wie auch durch das Dienstrecht. Ich füge an: Zu diesem Maßnahmenkatalog gehört natürlich auch ein großer Teil von administrativen Maßnahmen, die das tägliche Leben der Behörden verbessern werden, um Vorbeugung gegen Korruption leisten zu können.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausländerkriminalität insbesondere im Bereich der politisch motivierten Kriminalität verständigt; dies ist zum Teil bereits Gegenstand von Vorlagen in diesem Haus. Ausschreitungen, wie wir sie zuletzt in Dortmund erlebt haben, dürfen nicht ohne ganz strikte ausländerrechtliche Folgen bleiben. Dazu muß gehören, daß nach durchgeführtem Strafverfahren auch die Möglichkeit besteht, die Rückführung straffälliger, schwerkrimineller Ausländer in ihr Heimatland zu erleichtern.
Wir haben uns mit Fragen mit einem hohen technischen Gehalt in der Verbrechensbekämpfung zu befassen gehabt. Dieser Aspekt ist von großer Bedeutung, nicht nur weil dadurch bei den Illegalen Anlaß zur Besorgnis entsteht, sondern auch, weil den Strafverfolgungsbehörden Chancen in die Hand gegeben werden.
Dazu gehört, daß wir das Bundeskriminalamtgesetz um eine letzte, jetzt konsentierte Vorschrift in § 16 zur Sicherung verdeckt arbeitender Ermittler ergänzen. Dazu gehört auch, daß wir das G-10-Gesetz, das geheimdienstliche Möglichkeiten eröffnet, die Postüberwachung, dann weiterreichend das Telekommunikationsgesetz, mit dem wir uns auf neue Medien und Überwachungsmöglichkeiten in technischer Hinsicht einstellen, zur Änderung vorschlagen bzw. in den Arbeitsgang bringen.
Dazu gehört als wesentlicher Aspekt, daß sich die Koalition auf Maßnahmen zum technischen Abhören von Gängsterwohnungen verständigt hat - ein Aspekt, der in der deutschen Kriminalpolitik bisher gefehlt hat.
Dieses Bündel von Maßnahmen im gesetzgeberischen oder administrativen Bereich greift weit. Es zeigt, daß wir es nicht mit der Klage über die Zustände bewendet sein lassen, sondern Maßnahmen dagegen ergreifen. Ich füge hinzu - damit kein falscher Eindruck entsteht -: Die Bundesregierung weiß, daß dies im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung nicht alles ist. Hier ist vielmehr ein ganz spezieller Sektor der organisierten Kriminalität angesprochen, und zwar überwiegend die strafverfolgende Komponente des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität.
In allen Bereichen der Kriminalität ist Vorbeugung von herausragender Bedeutung. Vorzubeugen ist mit
erzieherischen Mitteln in der gesamten Gesellschaftspolitik: beim Städtebau und der Vermeidung von Slumsituationen bis zur Schulpolitik, im Bereich der Familien bis hin zu den Medien. Im Kampf gegen die Gewalt vor allem unter jungen Menschen ist Vorbeugung unentbehrlich.
Hinzu kommt, daß wir natürlich im Bereich der allgemeinen Kriminalität Sorgen haben, wo insbesondere die klassische Tätigkeit von Polizei- und Justizbehörden und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern angesprochen ist, wo wir die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und den Bundesgrenzschutz, seit Jahren durch zukunftsweisende Organisation und verstärkte Haushaltsmittel sowie vermehrten Personaleinsatz nach Kräften stärken. Die Zusammenarbeit mit den Ländern ist von hoher Bedeutung.
Die Bundesregierung strebt auch in dem Bereich „Bekämpfung der organisierten Kriminalität" die Zusammenarbeit mit den Ländern, dem Bundesrat und selbstverständlich der Opposition hier im Hause an. In einem wichtigen Punkt, etwa dem Abhören von Gangsterwohnungen, ist eine Verfassungsänderung notwendig. Diese ist nur gemeinsam miteinander zu schultern.
Ich lege sehr viel Wert darauf, daß die Verbrechensbekämpfung in unserem Land als ein allgemeinpolitisches Thema und als eine allgemeinpolitische Pflicht verstanden wird und nicht etwa als die Aufgabe nur einer Mehrheit oder der Regierungskoalition.
Vielen Dank.
Danke schön, Herr Minister Kanther.
Das Wort zur Ergänzung hat heute ausnahmweise der Bundesminister der Justiz, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Kanther hat Ihnen bereits einleitend das heute im Kabinett behandelte Vorhabenpaket, bestehend aus den drei Teilen Wohnraumüberwachung, Geldwäschebekämpfung und Korruptionsbekämpfung, vorgestellt. Ich möchte deshalb nur noch zu einigen wenigen, mir aber besonders wichtigen Punkten Stellung nehmen bzw. sie in dieser ersten Runde von mir aus ansprechen.
Zunächst zur Wohnraumüberwachung zur Beweismittelgewinnung. Das Ziel dieser Regelungsvorschläge ist klar: Wir wollen die Möglichkeiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die sich zu einer Herausforderung von Staat und Gesellschaft entwickelt hat, verbessern und dieser Bedrohung wirksamer als bisher entgegentreten. Ich sage deutlich: Ich und, wie ich glaube, auch niemand anders, der sich der Sache ruhig nähert, verspricht sich davon das entscheidende Zaubermittel gegen die organisierte Kriminalität. Wir werden die Strafverfolgungsbehörden aber ein bißchen besser ausstatten, um den Rückstand, das Hinterherhecheln nicht zu groß werden zu lassen.
Da aber natürlich in einem Rechtsstaat der Zweck einer besseren Strafverfolgung allein nicht alle Mittel heiligt, habe ich besonders darauf geachtet, daß diese notwendigen neuen Ermittlungsbefugnisse nur unter Beachtung der gebotenen rechtsstaatlichen Grenzen gewährt werden. Auch bei der konkreten Ausgestaltung der Wohnraumüberwachung ging es also darum, das berechtigte Interesse - im übrigen gerade auch der Bürger in diesem Staat - an einer effektiven Strafverfolgung mit dem Schutz möglicherweise unbeteiligter Bürger vor übermäßigen Eingriffen in ihre Privatsphäre abzuwägen.
Ich glaube, daß die Eckpunkte, auf die man sich nun geeinigt hat, die aufgezeigte Abwägung sehr sinnvoll und ausgewogen umsetzen. Ich darf exemplarisch nochmals folgende Punkte nennen: Die vorgesehene Verfassungsänderung beschränkt die technischen Mittel auf die akustische Überwachung. Die Maßnahme darf nur bei dem durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht auf im Gesetz einzeln benannte, besonders schwere Straftaten angeordnet werden, und die Anordnung erfolgt durch eine mit drei Richtern besetzte Strafkammer des Landgerichts, wobei die Eilkompetenz einem Richter zusteht.
Als zweites einige Bemerkungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, die ebenfalls zu den Vorschlägen, die heute im Kabinett behandelt wurden, gehört. Mehrere Sachverständigenanhörungen zur Effektivität der 1992 eingeführten Geldwäschevorschriften haben gezeigt, daß die Praxis trotz des allgemein anerkannten präventiven Nutzens der Regelungen mit gewissen Anwendungsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Diese Schwierigkeiten wollen wir mit den vorgeschlagenen Änderungen beseitigen. So soll der Anwendungsbereich der Strafvorschrift erweitert werden, indem weitere für die organisierte Kriminalität typische Delikte wie banden- und gewerbsmäßiger Schmuggel, Schutzgelderpressung oder Menschenhandel in den sogenannten Vortatenkatalog aufgenommen werden.
Ein anderer mir wichtiger Punkt betrifft die Frage, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden möglichst frühzeitig effektiv auf Vermögen zugreifen können, bei dem der Verdacht besteht, daß es aus Straftaten stammt. Wir haben uns hier auf maßvolle und rechtsstaatlich unbedenkliche Verbesserungen geeinigt, indem wir die Verdachtsschwelle absenken wollen, bei der eine erste, nämlich vorläufige Sicherstellung erlaubt sein soll.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, drittens und letztens möchte ich einige Worte zur Korruptionsbekämpfung sagen und die beiden Schwerpunkte der strafrechtlichen Änderungen skizzieren. Zum einen wird ein neuer Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb" in das Strafgesetzbuch aufgenommen, in den ein neuer Straftatbestand „gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen" und der bisher im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthaltene Straftatbestand „gegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftBundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
lichen Verkehr" eingestellt werden, wobei der Strafrahmen außerdem erheblich angehoben wird. Es soll damit nicht zuletzt das Bewußtsein in der Bevölkerung geschärft werden, daß es sich bei der Korruption eben nicht um eine im geschäftlichen Bereich übliche Form, also um ein Kavaliersdelikt, handelt. Es geht hier wirklich um ein ernsthaftes Vergehen, weil derjenige Bewerber, der sich an die Vorgaben hält, natürlich schlechter gestellt wird, wenn sich die übrigen Konkurrenten untereinander absprechen. - Zum anderen enthält der Entwurf eine Reihe von Klarstellungen, Änderungen und Verschärfungen des geltenden Bestechungsstrafrechts im öffentlichen Bereich.
Also kurz und gut: Es gehört noch manches andere zu diesem Paket, aber mit dem Paket insgesamt wollen wir einen wichtigen Zwischenschritt machen, um in dem Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, vorwiegend bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, voranzukommen.
Danke sehr.
Damit rufe ich den ersten Fragesteller auf und halte noch einmal fest, daß die 30 Minuten für die Befragung jetzt beginnen.
Als erster der Kollege Frank Hofmann.
Sehr geehrter Herr Minister Kanther, Sie haben eben davon gesprochen, daß die Bekämpfung der organisierten Kriminalität einen zentralen Punkt ausmacht. Herr Justizminister, ich habe von Ihnen gestern gelesen, daß Sie sagen, die organisierte Kriminalität hat bei uns besorgniserregende Ausmaße angenommen, und die Täter werden immer brutaler.
Wenn ich mir nun den Lagebericht anschaue, dann stelle ich fest: Es gibt fünf Prozent weniger Ermittlungsverfahren als im Jahr zuvor. Ich stelle fest: Es gibt 74 Prozent weniger Delikte. Es gibt weniger Tatverdächtige - ein Minus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sie sprechen auch davon, die Kriminalität sei brutaler geworden. Der OK-Lagebericht sagt mir, daß sich die Zahl der Gewaltanwendungen im Bereich der organisierten Kriminalität halbiert hat. Ich frage Sie deshalb, aus welchen Informationen Sie Ihre Beurteilung ziehen.
Ich beziehe meine Informationen in der Tat aus der polizeilichen Kriminalstatistik, aus den Berichten der Landeskriminalämter und aus den Erfahrungen, die man von den Polizeibeamten und den Strafermittlern, die in diesem Bereich tätig sind, hört.
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Ich empfehle im übrigen - zuletzt wieder in der letzten Woche - alles, was man in der wirklich gut informierten Presse - in diesem Fall im „Spiegel" - dazu lesen kann.
Noch einmal: Bisher sind wir eben noch nicht in der Lage, das organisierte Verbrechen so zu bekämpfen, wie es notwendig wäre. Deswegen gibt es auch noch nicht die Zahlen, die notwendig wären - bislang sind bloß die eingeleiteten Ermittlungsverfahren, nicht die vorhandenen Fälle erfaßt -, um dem sozialen Tatbestand „organisiertes Verbrechen" in unserem Lande, den - so glaube ich - niemand ernsthaft verharmlosen oder verheimlichen kann, zu Leibe zu rücken. Das wird mit diesen Mitteln hoffenlich möglich sein.
Zusatzfrage?
Ja. - Im Bereich der Justiz wurde auf Grund der Medien, die Sie für hervorragend informiert halten, bekannt, daß allein im Jahr 1995 60 Fälle aufgedeckt worden sind, in denen Justizbeamte inhaftierten Mafiamitgliedern gegen Bezahlung geholfen haben sollen. Ich beziehe meine Informationen aus dem OK-Lagebericht. Daraus geht hervor, daß es sich um fünf solcher Fälle handelt. Ich meine, es ist für die Justiz wichtig, auch unseren Justizbeamten zu sagen, daß sie sich in einem normalen Feld bewegen. Durch solche Informationen - ich denke nicht, daß es richtige Informationen sind - entsteht ein Bild unserer Beamtenschaft und unserer Justizbeamten, das korrigiert werden muß. Darum möchte ich Sie bitten, wenn Sie mit mir übereinstimmen.
Ob es diese Übereinstimmung gibt, war Ihre Frage?
({0})
Für die Fakten, die in dieser Tageszeitung genannt wurden, weiß ich Ihnen nicht die Quelle zu nennen. Das sind nicht meine Fakten, die dort genannt wurden. Ich werde mich nicht für diese Tageszeitung und deren Informanten stark machen; ich weiß nicht, ob es stimmt, und ich habe mit diesen Zahlen nie gearbeitet.
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Frau Kollegin Beer.
Herr Bundesinnenminister, ich nehme Bezug auf den Bericht über die Regierungsmaßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Es ist sicherlich löblich, daß sich die Bundesregierung zukünftig in diesem Bereich präventive Maßnahmen überlegt. Dabei denke ich, daß die Betonung des Bundesjustizministers, daß der Bevölkerung klargemacht werden solle, es gehe bei der Korruption nicht um Kavaliersdelikte, im Moment nicht das Problem ist. Vielmehr werfen ganz aktuelle Korruptionsvorgänge, die über die Meldungen des „Spiegel" vom Montag bekanntgeworden sind, natürlich die Frage auf, wie die Bundesregierung mit Korruptionen umgeht, die von ehemaligen führenAngelika Beer
den Politikern aus den eigenen Reihen und von Managern zu vertreten sind: Schmiergeldzahlungen von insgesamt 10,5 Millionen DM im Rahmen der Rüstungsexporte von Thyssen-Henschel, Lieferungen des „Fuchs" an die arabischen Staaten kurz nach dem Golfkrieg. Schließlich war es damals ein ehemaliger Staatssekretär, der in diese Korruptionen verwickelt war.
Ich möchte insofern gern wissen, ob dieses Problem Thema der Kabinettsitzung von heute war und wie die Bundesregierung gegen diese mafiosen Methoden, die ganz offensichtlich keineswegs eingestellt sind, sondern noch immer - wenn auch sporadisch - auftauchen, präventiv, aber auch rückwirkend vorgehen will.
Ich bin entsetzt über die Entscheidung des Präsidiums, daß diese wichtigen politischen Fragen -
Sie haben jetzt zunächst einmal eine Frage an den Innenminister gerichtet. Zurückweisen muß ich, daß Sie hier schon eine Vorverurteilung eines ehemaligen Staatssekretärs vornehmen.
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Es ist keine Vorverurteilung; ich greife auch nicht in ein staatsanwaltschaftliches Verfahren ein.
Dann können Sie auch kein Urteil abgeben.
Vielmehr frage ich, wie denn die Bundesregierung gedenkt, mit zurückliegenden Fällen, die jetzt bekannt werden und wo der Verdacht auf Korruption oder Unterschlagung oder Schmiergeldzahlungen besteht, umzugehen. Ich frage, ob sie es ausschließen kann und ob sie bereit ist, ihre Behörden zu einer Überprüfung zu veranlassen.
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Herr Innenminister.
Ich bedaure, Frau Kollegin, daß Sie eben doch ganz eindeutig einen Aspekt der Vorverurteilung in die Art Ihrer Frage hineingebracht haben.
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Es ist nicht die Absicht der Bundesregierung, sich auf dieses Eis zu begeben.
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Es ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz, Fälle zu bearbeiten.
Die Bundesregierung legt ja gerade mit ihrem Maßnahmenpaket zur Korruptionsbekämpfung alles das vor, was derzeit getan werden kann, um ein Übel, das sich anbahnt, mit der Wurzel auszurotten. Wir wollen ja gerade jetzt vorgehen, auch mit untypischen Maßnahmen. Wir wollen nicht erst zusehen, wie die Korruption zunimmt. Es gibt keinen Staat und keine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in denen die Korruption nicht gelegentlich vorkäme. Die einschlägigen Strafrechtsbestimmungen sind 100 oder 120 Jahre alt. Korruption hat es - leider - im Ansatz immer mal gegeben. Aber es muß bei „mal" oder „selten" bleiben. Es darf nicht zunehmen. Deshalb müssen wir jetzt handeln.
Wenn Sie sich den Maßnahmenkatalog ansehen, werden Sie feststellen, daß er sich durch seine Außergewöhnlichkeit, sowohl im Verwaltungsbereich wie im gesetzgeberischen Bereich, auszeichnet. Nicht so außergewöhnlich sind vielleicht Maßnahmen zur Strafverschärfung, die Beamte treffen müssen, die korrupt sind. Das ist aber glücklicherweise im deutschen öffentlichen Dienst selten. Ich möchte nicht, daß ein falscher Eindruck entsteht, und stelle hiermit fest - ich nehme das auf, was der Kollege eben gesagt hat -: Der deutsche öffentliche Dienst zeichnet sich durch seine Rechtstreue aus, nicht durch Korruption. Die Aufgabe der Politik ist es, gelegentlichen Fällen von Mißbrauch von Amtsgewalt entschlossen entgegenzutreten, also zum Beispiel auch durch die Androhung einer erhöhten Strafe. Das muß eindeutig auch für die Bestecher gelten. Wo ein Bestochener ist, ist immer auch ein Bestecher. Meistens macht er die größeren Geschäfte. Deshalb treten wir zum Beispiel mit der Kriminalisierung von „Wettbewerbsbetrügereien" in eine neue Phase der Bekämpfung des Unrechts. Wir setzen damit sicher für einige betroffene Branchen ein wichtiges Zeichen zum Umdenken. Wir fordern in „anfälligen" Branchen Ehrenregeln, die insbesondere auf das Verhalten der Mitarbeiter einwirken, die erkennen müssen, daß man sich durch Bestechung keine Wettbewerbsvorteile sichern kann. Deshalb werden wir im Bereich der Administration, dort, wo es um die Nebentätigkeit von Beamten geht,
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um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Entgegennahme selbst kleinster Geschenke, noch engere Maßstäbe anlegen.
Ich denke, gerade die Tatsache, daß ein solches Maßnahmenpaket vorgelegt worden ist, erweist Ihren Ansatz, die Bundesregierung beschäftige sich nicht mit aller Entschiedenheit mit diesem Phänomen, als unberechtigt.
Zusatzfrage, Frau Beer?
Ich möchte die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der KorAngelika Beer
ruption nicht so interpretieren, daß die Bundesregierung vorher nicht in der Lage gewesen wäre, Maßnahmen gegen Korruption zu treffen. Aber es stellt sich dann doch die Frage, was denn die Bundesregierung in dem eben von mir angesprochenen Korruptionsfall seit seiner ersten Veröffentlichung im „Spiegel" am 22. Januar dieses Jahres getan hat, um innerhalb der eigenen Behörden und mit den Maßnahmen, die ihr möglich sind, diese Vorwürfe, die damals schon erhoben worden sind, aufzuklären, und wie sie mit diesen Vorwürfen umgegangen ist.
Ich weise den Vorwurf zurück, ich würde hier in staatsanwaltschaftliche Verfahren eingreifen. Ich glaube, daß das eher der Kollege Waigel von der CDU/CSU macht, wenn er bereits jetzt, vor Abschluß des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens, seinem CSU-Kollegen Riedl quasi einen Blankoschein ausstellt und sagt: Das alles kann nicht gewesen sein. - Das stellt eine andere Art des Vorgriffs dar, wie er von seiten der Bundesregierung ebenfalls nicht geduldet werden kann.
({0})
Trotzdem muß ich Sie noch einmal korrigieren. Sie können erklären: im behaupteten Korruptionsfall. Sie können nicht erklären: im Korruptionsfall. Damit wäre die Tatsache der Korruption nämlich schon als erwiesen hingestellt.
({0})
- Ja.
Ich verzichte auf die Antwort.
Sie haben gehört, daß der Minister auf die Beantwortung verzichtet.
Der nächste Fragesteller ist Professor Jürgen Meyer.
Der Herr Bundesjustizminister hat gerade zu unserer Überraschung auf die Frage meines Kollegen Frank Hofmann nach den tatsächlichen Informationen über organisierte Kriminalität auf einen „Spiegel"-Artikel hingewiesen und im übrigen fehlendes Zahlenmaterial beklagt. Deshalb frage ich den Herrn Bundesinnenminister, ob er es nicht auch für ein wenig parlamentsfreundliches und in der Sache nicht sehr vertrauenerweckendes Verfahren hält, ein Maßnahmepaket vorzulegen, ohne vorher unsere Große Anfrage, die etwa neun Monate alt ist, zu beantworten.
In dieser Großen Anfrage zur organisierten Kriminalität sind sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Vorfragen, die für ein solches Maßnahmenpaket hätten geklärt werden müssen, aufgeführt. Wir hatten eine entsprechende Große Anfrage in der letzten Legislaturperiode gestellt, diese ist nie beantwortet worden. Das hat die Regierung aber nicht daran gehindert, das Verbrechensbekämpfungsgesetz vorzulegen.
Jetzt erleben wir erneut das Verfahren, daß keine Antworten auf Fragen des Parlaments, deren Beantwortung geradezu die Grundlage für ein solches Maßnahmenpaket sein müßte, gegeben werden. Trotzdem gibt es die Vorlage eines Maßnahmenpaketes mit etlichen Fehlern, von denen ich nur einen in meiner Zusatzfrage gleich ansprechen möchte.
Herr Minister Kanther.
Die Bundesregierung hat heute, wie es sich gehört, die Antwort auf die Große Anfrage der SPD beschlossen. Wenn mich nicht alles täuscht, liegt die Antwort in Ihrer Fraktionsgeschäftsstelle.
({0})
Zusatzfrage.
Ihr Wort in Gottes Ohr, daß Sie die Antworten auch schon kannten, als Sie das Maßnahmenpaket geschnürt haben.
Ich möchte meine Zusatzfrage an den Herrn Bundesjustizminister stellen. Herr Schmidt-Jortzig, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß das Maßnahmenpaket in Sachen des sogenannten großen Lauschangriffs ins Leere gehen muß, und zwar aus folgendem Grund: Es gibt, wie Sie wissen, nach Art. 13 des Grundgesetzes bereits eine verfassungsrechtliche Grundlage für den sogenannten präventiven Lauschangriff, weshalb ein solches Instrumentarium nach den Polizeigesetzen der Länder existiert.
Ich gehe davon aus, Ihnen ist die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bekannt, wonach Beweismaterial, das durch diese verfassungsrechtlich und landesgesetzlich abgesicherten präventiven Überwachungsmaßnahmen gewonnen worden ist, auch in Strafverfahren, also repressiv, verwandt werden darf. Es gibt kein Verwertungsverbot.
Sind Sie nicht der Meinung, daß jede Überwachung von organisierter Kriminalität sowohl die Aufklärung begangener schwerer Straftaten als auch die Verhinderung geplanter Straftaten zum Gegenstand hat, und zwar mit der Folge, daß kein Polizeipräsident oder Staatsanwalt, der eine solche Überwachungsmaßnahme einleiten möchte, überhaupt auf dieses neue Instrumentarium, mit Richtervorbehalt, das Sie jetzt vorsehen, zurückgreifen muß?
Der Grund ist einfach: Jede Maßnahme kann nach dem viel unkomplizierteren geltenden Polizeirecht durchgeführt werden. Wenn man dabei Material für ein Strafverfahren gewinnt, kann das eingeführt werden. Mit anderen Worten: Das, was Sie vorschlagen, geht voll ins Leere und verändert die Praxis nicht. Was sagen Sie dazu?
Herr Minister Schmidt-Jortzig.
Herr Kollege Meyer, das, was Sie sagen, überrascht mich ein wenig, vor allem, wenn ich höre, daß ja auch die SPD fordert, man solle hier tätig werden, man solle also eine elektronische Raumüberwachung einführen.
Meine Anwort ist aber ganz deutlich, obwohl ich geneigt wäre, sie in eine Gegenfrage umzumünzen.
({0})
Halten Sie die Entscheidung, im Sommer 1994 vom Ermittlungsrichter im BGH erlassen, für richtig? Würden Sie andererseits der Bundesregierung empfehlen, sich an diese Rechtsprechung insoweit zu halten, als es bedeuten würde, künftig - ({1})
- Gut, dann mache ich das Fragezeichen mit dem Radiergummi wieder weg.
Ich halte es nicht für richtig, diese einzelne Entscheidung, die ich nicht kommentieren werde, zum Anlaß zu nehmen, künftighin mit leichter Hand die im präventiven Bereich gewonnenen Erkenntnisse im strafverfolgerischen, im repressiven Bereich zu verwenden. Ich glaube auch nicht, daß man das ernsthaft fordern sollte.
Wenn wir mit dem Datenschutz, aber vor allen Dingen mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip verantwortungsbewußt umgehen wollen, brauchen wir für die Strafverfolgung - wenn denn die entsprechende politische Entscheidung gefallen ist - in der Tat eine eigene Rechtsgrundlage. Davon werde ich nicht abgehen. Davon brauchen wir auch nicht abzugehen, weil wir sie jetzt schaffen.
({2})
Nein. Sie können sich später wie immer in einer freien Frage dazu äußern.
Kollege Burkhard Hirsch.
Meine Herren Minister, wenn man über die Kriminalität in der Bundesrepublik und ihre Bekämpfung nachdenkt und dabei von der Kriminalitätsstatistik ausgeht, deren Aussagekraft man natürlich hinterfragen kann, müßte man dann nicht zunächst hervorheben, daß die Aufklärungsrate dank der deutschen Polizei im letzten Jahr auf Grund der bisherigen Mittel erheblich gestiegen ist, und zwar in der alten Bundesrepublik einschließlich Berlin merkwürdigerweise erheblich stärker als in den neuen Bundesländern? Die Frage lautet: Warum?
Muß man nicht darauf hinweisen - um die Bevölkerung nicht über die Maßen zu beunruhigen -, daß die Kriminalitätsbelastung der deutschen Bevölkerung in den alten Bundesländern und Berlin nicht nur unter der Kriminalitätsbelastung von 1993, sondern auch unter der von 1992 liegt?
Hier ist insbesondere die organisierte Kriminalität genannt worden. Es ist richtig, daß die Anzahl der Gewalttaten im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität um 10 Prozent - genau: 9,6 Prozent - zurückgegangen ist. Es sind jedenfalls weniger solcher Delikte erfaßt worden. Bei den Korruptionsdelikten haben wir ebenfalls Rückgänge zu verzeichnen: bei der Vorteilsnahme um 17,2 Prozent, bei der Bestechlichkeit um 3,9 Prozent, bei der Vorteilsgewährung um 22,7 Prozent und bei der Bestechung um 12,6 Prozent.
Wenn man sich also ein Bild darüber verschaffen will, wie die gegenwärtige Lage ist, stellt man auf der Grundlage der Kriminalitätsstatistik fest, daß es zwischen den alten und den neuen Bundesländern gravierende Unterschiede in der Aufklärungsrate gibt und daß die eigentlich bedrohliche Zunahme der Kriminalität im Bereich der Beschaffungskriminalität liegt, also bei Betäubungsmitteln. Aus diesem Grunde ist die Frage gerechtfertigt und notwendig - und sie muß beantwortet werden -, was spezifisch - und nicht nur im Bereich repressiver Maßnahmen - getan wird, um den Beschaffungsdruck im Bereich der Rauschgiftkriminalität zu bekämpfen. Denn mit anderen Mitteln kommen Sie offenbar nicht zum Zuge.
Was nützt es, neue Gesetze zu machen, wenn wir zum Beispiel im Bundesland Hessen
({0})
- jetzt kommt es - Leute aus der Untersuchungshaft entlassen müssen, weil dort nicht genügend Richter vorhanden sind? Darum ist die Frage berechtigt: Sind die Mittel, die Sie hier vorschlagen, wirklich geeignet, um die eigentliche Kriminalität und die Kriminalitätsverteilung in unserem Land wirksam zu bekämpfen?
Darf ich aus gegebenem Anlaß darum bitten, daß sowohl die Fragen als auch die Antworten kürzer gefaßt werden.
Ich bemühe mich, Frau Präsidentin. - Die Aufklärungsrate ist geringfügig gestiegen. Darüber freut sich die Bundesregierung. Das ist ein Ergebnis gemeinsamer Arbeit. Ich warne davor - sowohl bei der Aufklärungsrate wie auch bei der Betrachtung einzelner Delikte -, Jahreszeiträume zum Maßstab aller Dinge zu machen. Vor einem Jahr hat es eine heftige Debatte um die Frage gegeben, ob wir viertel- oder halbjährlich über die Kriminalstatistik Rechnung legen und beraten sollten. Oft verschieben wenige Tatkomplexe die Jahresbilanzen. Vernünftig ist eine mindestens mittelfristige Betrachtung, Herr Kollege Hirsch, und bei einer solchen kann ich den meisten Ihrer Beobachtungen leider nicht zustimmen.
Sowohl die Zahl der Gewalttaten hat zugenommen, wie auch die organisierte Kriminalität ein mit 1992 und 1993 leider nicht vergleichbares Maß angenommen hat. Darauf müssen wir neue Antworten geben und nicht wie die Sklaven an einer Statistik hängen, deren Zahlen in einem Jahr sehr hoch und in einem anderen Jahr etwas niedriger sein können. Die Antworten, die wir etwa im Bereich Geldwäsche geben, hängen doch nicht davon ab, daß wir in dem einen Jahr 2 000 und im nächsten Jahr 2 200 Fälle haben. Die Antworten, die wir im Bereich der Korruption geben, hängen doch nicht davon ab, daß in einem großen Komplex zufällig 30 Leute aufgefallen sind oder in einem Jahr einmal eine mühsame Ermittlung mit nur ein oder zwei Tatverdächtigen stattfindet.
Tatsache ist doch, daß es Ansätze zu organisierter Kriminalität in unserem Land gibt, die wir vor fünf, sechs Jahren so noch nicht kannten. Wir müssen die Antworten auf solche Entwicklungen am Anfang geben und nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wie in manchen Ländern mit vergleichbaren Sozialstrukturen geschehen.
Ich halte es für eine Vereinfachung der kriminalpolitischen Beobachtungen, alles auf die Betäubungsmittelkriminalität zuzuspitzen. Das stimmt auch im Bereich der organisierten Kriminalität nicht. Kraftfahrzeugdiebstahl - Sachverständige rechnen mit bis zur Hälfte der weit über 100 000 Kraftfahrzeugdiebstähle - ist organisierte Kriminalität. Der gesamte Waffenhandel ist organisierte Kriminalität. Das Stichwort Nuklearkriminalität kannten wir vor ein paar Jahren noch gar nicht; jetzt gibt es sie schlimmerweise, jedenfalls im Ansatz. Der Menschenhandel über unsere Grenzen - den wir beobachten -, insbesondere auch das illegale Einschleusen von Ausländern, ist ein Phänomen nach der Öffnung der Ostgrenzen. Es hat sich bedauerlicherweise, wenn auch erst im Ansatz, eine Zahl von Delikten „etabliert", gegen die jetzt vorgegangen werden muß. Da kann die entscheidende Fragestellung nicht sein, wie sich diese zwischen 1994 und 1995 laut Polizeilicher Kriminalstatistik entwickelt haben.
Herr Kollege Schily.
Meine Herren Minister, ich will einen Satz vorausschicken. Fairerweise sollten wir anerkennen, daß Ihre Vorschläge durchaus einige begrüßenswerte Ansätze enthalten. Wir werden sie - wir kennen die Details noch nicht - selbstverständlich im Detail sehr sorgfältig prüfen.
Meine erste Frage ist, ob Sie bei Ihren Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung auch Anregungen aufgenommen haben, die im Antrag der SPD vom 14. März 1996 mit der Überschrift „Maßnahmen zur Bekämpfung der nationalen und internationalen Korruption" enthalten sind.
Wer antwortet? - Herr Minister Kanther.
Ja, natürlich. In der Beobachtung von Korruption gibt es doch kein isoliertes Lagebild der Bundesregierung, Herr Kollege Schily. Hier sind doch alle öffentlichen Verwaltungen, insbesondere auch die Länder, überwiegend von der sozialdemokratischen Partei regiert, zu leider gleichen Beobachtungen gekommen. Deshalb ist es unser großes Anliegen, hieraus nicht ein parteipolitisches Gefecht zu machen, sondern eine gemeinsame Abwehraktion. Deshalb sichere ich Ihnen zu, daß alle Vorschläge, die von Ihnen in diesen Gesetzgebungsprozeß eingebracht werden, aufgenommen und kritisch behandelt werden.
Selbstverständlich bin ich mit meinen Kollegen Innenministern auf der administrativen Ebene in diesen Fragen überhaupt nicht auseinander. Denn in der Korruptionsbekämpfung gibt es eine Fülle von unterschiedlichen Ansätzen aus allen Bundesländern, die wir gebündelt haben. So arbeiten wir zum Beispiel in der Frage des Ausschlusses von Ausschreibungsverfahren bei Korruptionsansätzen - die Länder sind da unterschiedlich weit - auf der Basis der Erfahrungen der Länder, zum Beispiel Hessens, an entsprechenden Richtlinien der Bundesregierung.
Ich glaube, daß wir das Faß, ob unter parteipolitischen Aspekten bessere oder schlechtere Erkenntnisse vorhanden sind, gar nicht aufmachen müssen. Wir müssen die Sache gemeinsam anpacken. Bei der Änderung des Art. 13 der Verfassung liegt es auf der Hand, daß wir das nur gemeinsam machen können. Es gibt Detailfragen - ich bin nicht ganz sicher, ob Sie diese angesprochen haben -, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind, etwa beim Komplex Geldwäsche, § 111b StPO, und bei der Frage der Umkehr der Beweislast. In diesen Fragen werden wir uns einigen müssen. Es gibt für die eine oder die andere Auffassung gute Gründe. Ich weiß nicht, ob dieser Punkt von Ihnen angesprochen worden ist. Deshalb will ich jetzt nicht zu weitgehend antworten.
Ich habe zunächst einmal gefragt, Herr Minister Kanther - ich sage das nur, um meine Frage zu verdeutlichen -, ob Sie unseren Antrag vom 14. März 1996, in dem nicht nur ein Lagebild beschrieben wird, sondern in dem konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der nationalen und internationalen Korruption vorgeschlagen werden, bei Ihren Vorschlägen berücksichtigt haben. Sie sagen, das sei der Fall. Wir werden das zu prüfen haben.
Auf meine zweite Frage sind Sie ansatzweise schon eingegangen; aber ich will sie trotzdem noch einmal konkret stellen. Sind Sie bereit, auf die Vorschläge der SPD zur Frage der elektronischen Überwachung von Wohnungen einzugehen, was die Verfassungsänderung, die Einbeziehung des präventiven Bereichs sowie die Frage angeht, welche Gremien für die Kontrolle solcher Maßnahmen eingesetzt werden, welcher Straftatenkatalog dem zugrunde gelegt wird und an welche Mehrheiten wir Veränderungen in diesem Bereich knüpfen?
Herr Minister, wenn Sie mit Ihrer Antwort einen Augenblick warten könnten.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ich möchte bekanntgeben, daß die drei Wortmeldungen, die noch auf der Liste stehen, abgehandelt werden: Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Professor Jürgen Meyer und Peter Conradi.
Das Paket, das hier vorgeschlagen ist, ist, rein rechtlich betrachtet, im Bundesrat nicht durchgängig zustimmungspflichtig. Das ist zu Beginn der Debatte aber nicht meine Fragestellung. Das Ganze sollte konsensfähig sein. Die Änderung des Art. 13 der Verfassung ist überhaupt nur machbar, Herr Kollege Schily, wenn die Sozialdemokraten und der Bundesrat mit besonders qualifizierter Mehrheit zustimmen. Natürlich werden Ihre Vorschläge deshalb aufgenommen.
Das Phänomen besteht aber doch darin, daß die Bundesregierung in solchen Fragen gefordert ist, die ersten Schritte zu tun und beratungsfähige Unterlagen herzustellen. Das Phänomen besteht auch darin - das soll doch vor der Öffentlichkeit nicht verborgen werden -, daß die Koalition in der Frage des elektronischen Abhörens von Gangsterwohnungen einen mühsamen Einigungsprozeß hinter sich hat und daß sie ihn zum Wohl der Sache bewältigt hat. Auch das wollen wir bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck bringen. Das schließt aber doch in gar keiner Weise aus bzw. erfordert sogar, daß wir uns in wichtigen Fragen mit Ihnen einigen.
Danke. - Frau Kollegin Dr. Comelie Sonntag-Wolgast.
Herr Minister Kanther, Sie haben in Ihrer Einführung über die heutigen Kabinettsbeschlüsse auch die geplanten Gesetzesverschärfungen erwähnt, um straffällig gewordene Ausländer schneller ausweisen bzw. abschieben zu können. Sie sagten, in der Regel - Sie verwendeten ausdrücklich diesen Begriff - soll ein rechtskräftiges Urteil vorausgegangen sein. Da ich weiß, daß der Punkt, ob zuvor ein rechtskräftiges Urteil vorliegen müsse, innerhalb der Koalition umstritten war, ist meine Frage, ob Sie tatsächlich nur an „in der Regel" denken - denn jede Regel läßt Ausnahmen zu - und in welchem Umfang Sie solche Ausnahmen, also Abschiebungen, auch ohne rechtskräftige Verurteilung ins Kalkül ziehen.
Frau Kollegin, das geltende Recht sieht Ausweisungen und Abschiebungen auch ohne Urteil vor.
Die Änderungen betreffen die §§ 47 und 48 des Ausländergesetzes, wo wir die Vorschriften über schwerkriminelle Ausländer verschärfen. Zwischen uns beiden und auch in der Koalition ist nicht streitig, daß der gelegentlich zu hörende Ruf, einen einer schweren Kriminaltat verdächtigen Ausländer sofort und ohne weitere Aufklärung aus dem Lande zu expedieren, zwar mit Recht einer oft erregten Volksmeinung entspricht, daß er aber unter kriminalpolitischen Aspekten meistens nicht richtig ist. Denn ein schwerkrimineller Ausländer - vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität, der Bandenkriminalität und auch der politisch getönten Kriminalität in Gruppen - hat ein Umfeld, das die deutsche Kriminalpolizei sowie die deutschen Gerichte und Verwaltungsbehörden aufklären müssen, damit wir, zum Beispiel gegen seine Mittäter, präventiv und repressiv vorgehen können. Wir haben bei Ausländerdelikten ebenso wie bei Inländerdelikten ein hohes Interesse daran, den Tathergang genau zu erfahren, weil die Polizei daraus lernen kann.
Ich sage also ausdrücklich: Es gibt die gelegentliche Möglichkeit - das liegt dann aber in der Hand der Ausländerbehörden im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft -, bei besonderen Delikten, vor allem Rauschmitteldelikten, Ausländer sofort auszuweisen. Es gibt aber die Notwendigkeit, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn wir durch ein ordentliches Strafverfahren geklärt haben, wie der Sachverhalt war. Denn nur dann können wir beispielsweise eine vollzugsfähige Unterlage an einen ausländischen Staat abgeben.
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Die Ausweisung und Abschiebung eines schwerkriminellen Ausländers hat dann keinen Sinn, wenn er etwa in ungefestigte, ungeordnete Rechtsverhältnisse in seinem Herkunftsland käme und dort binnen kurzem wieder auf freiem Fuß wäre. Dann sitzt er doch besser in Deutschland ein.
Es kommt also sehr auf den Einzelfall an. Es kommt darauf an, woher er kommt und welche Justizverhältnisse wir in seinem Herkunftsland vorfinden. Die Regel wird sein, daß deutsche Polizei und Justiz aus unserem Sicherheitsinteresse das Umfeld einer Tat aufklären müssen.
Gibt es weitere Fragen zu dem Bericht der Bundesregierung, oder melden Sie sich, Herr Conradi, zu den freien Fragen?
({0})
- Dann möchte ich zuerst Professor Meyer zu den freien Fragen aufrufen. Bitte schön, Professor Meyer.
Ich möchte auf das Thema zurückkommen, zu dem sich der Herr Bundesjustizminister vorhin im Zusammenhang mit der neuen Rechtsprechung des BGH geäußert hat. Danach gibt es bekanntlich kein Verwertungsverbot für Beweismaterial, das aus polizeilichen präventiven Wohnraumüberwachungen gewonnen worden ist, in Strafverfahren.
Herr Schmidt-Jortzig, ich habe Ihre Antwort vorhin so verstanden, daß Sie, wenn man dieser Rechtsprechung folgen müßte, mit mir darüber übereinstimmen, daß die von Ihnen vorgeschlagene rechtsstaatliche Regelung des repressiven sogenannten Lauschangriffs weitgehend ins Leere ginge. Denn logischerweise ist organisierte Kriminalität dadurch gekennzeichnet, daß sie Verbrechen nicht nur plant - wogeDr. Jürgen Meyer ({0})
gen präventive sogenannte Lauschangriffe zugelassen sind -, sondern auch welche begangen hat, die dann auf diese Art, ohne daß man einen Etikettenschwindel vornehmen müßte, kraft Verwertung immer mit aufgeklärt werden könnten.
Meine Frage: Hielten Sie es nicht für eine vertrauensbildende Maßnahme in Sachen Rechtsstaatlichkeit, wenn Sie Ihren Vorschlag einer Grundgesetzänderung und für mehr Rechtsstaatlichkeit bei der Wohnraumüberwachung ausdrücklich, wie wir es tun, auch auf die präventive Wohnraumüberwachung erstrecken würden?
Dieses hätte zur Folge, daß alle Polizeigesetze zu ändern wären - das ist die einzige Möglichkeit, die der Bundesgesetzgeber insoweit hat - und daß in allen Polizeigesetzen künftig zum Beispiel der Richtervorbehalt vorgesehen werden müßte. Dann wäre die von mir auf Grund der BGH-Rechtsprechung deutlich gemachte Regelungslücke beseitigt, und wir könnten uns über diesen Punkt im Sinne eines eventuellen Konsenses seriös unterhalten.
Herr Justizminister.
Herr Kollege Meyer, ich bin begeistert an Ihrer Seite. Ich sage nur, daß der Bundesgesetzgeber leider nicht über die Macht verfügt, die Landespolizeigesetze entsprechend zu ändern.
({0})
- Das, was auf präventiver Seite notwendig ist, ist in Art. 13 des Grundgesetzes in der geltenden Fassung enthalten. Wir müssen, weil wir das Prinzip des hypothetischen Ersatzeingriffs ernst nehmen, nun für Kompatibilität sorgen. Ich gebe Ihnen zu, daß es sinnlos ist, von einem präventiv arbeitenden Polizisten zu verlangen, daß er bei der Repression nicht das anwenden darf, was er bei der Prävention kennengelernt hat, obwohl die präventive Maßnahme auch zum Zweck der Strafverfolgung, also repressiv, hätte angeordnet werden können. Wir müssen diese Kompatibilität beim repressiven Teil als Bundesgesetzgeber in rechtsstaatlicher Weise herstellen.
Im übrigen sage ich ausdrücklich: Es steht in Nr. 8 unserer Eckpunkte, daß dieses Prinzip des hypothetischen Ersatzeingriffs das Maß für unsere Überlegungen zum Thema Verwertungsverbot ist.
Herr Professor Meyer, noch eine Zusatzfrage?
Ja. - Die Zusatzfrage kann eigentlich nur in einer Wiederholung bestehen: Warum, bitte schön, ändern wir als Verfassungsgeber nicht Art. 13, der ja, wie wir wissen, den präventiven Lauschangriff ermöglicht - er ist bekanntlich längst weitverbreitete Praxis -, dahin gehend, daß wir mehr Rechtsstaatlichkeit in diese Praxis bringen? Wir können in Art. 13 - schauen Sie bitte unseren Entwurf an, übrigens auch den Stuttgarter Entwurf, da hat die CDU in Stuttgart zugestimmt; warum soll nicht auch die F.D.P. für mehr Rechtsstaatlichkeit in diesem Bereich streiten - den Richtervorbehalt auch für die präventive Wohnraumüberwachung aufnehmen. Stimmen Sie mir nicht zu, daß dann die Landesgesetzgeber gezwungen wären, die Landespolizeigesetze entsprechend dem Grundgesetz rechtsstaatlicher zu gestalten?
Ich bitte vielmals um Entschuldigung, wenn ich Sie auch hier auf die Verfassungslage verweise. Wir können nun einmal als Bundesgesetzgeber die Verfassung nicht gegen den Willen der Länder an dieser Stelle ändern. Dazu bedarf es der Zustimmung des Bundesrats. Wenn Sie mir sagen würden, die Mitglieder des Bundesrats, nämlich die Bundesländer, sind begeistert, wenn ihnen der Bund ihre Landespolizeigesetze diktiert, können wir darüber sprechen.
Da dem aber nicht so ist, halte ich Ihre Überlegung zwar für eine interessante Perspektive, aber für nicht sehr pragmatisch.
Herr Minister Kanther, ich will die Frage von Herrn Conradi nicht durch Zeitablauf blockieren. Wenn Sie unbedingt noch etwas sagen wollen, dann können Sie das natürlich tun. Bitte schön.
Ich will dazu nur einen Satz sagen, Herr Kollege. Polizeigesetze müssen sich nicht nur durch allerhehrste Juristerei auszeichnen; sie müssen auch noch in der täglichen Arbeit der Polizei anwendbar sein. Zur Kriminalitätsbekämpfung gehört auch, schnell handeln zu können und aus dem Stande heraus handeln zu können. Deshalb sind - wie ich finde: richtigerweise - die Landespolizeigesetze von der Art, wie wir sie jetzt haben.
Deshalb machen wir einen § 16 des Bundeskriminalamtgesetzes im präventiven Bereich, der dem nachfolgt und bei der Beweisverwertung ansetzt. Das scheint mir der richtige Gesichtspunkt zu sein.
Daß man nicht alles, was man präventiv erfährt, in ein Strafverfahren beweiserheblich einbringen kann, ist der nun eingeschlagene Weg. Auch die Problematik der Berechtigung bestimmter Personen zur Aussageverweigerung wird im Gesetz richtig zu erfassen sein. Da sehe ich auch Einigungsmöglichkeiten.
Herr Kollege Conradi, jetzt sind Sie mit Ihrer Frage an der Reihe.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Hat sich die Bundesregierung bei ihrer heutigen Kabinettssitzung auch mit der Demonstration am vergangenen Sonnabend befaßt, und ist die Bundesregierung bereit, die abfällige Bewertung dieser Demonstration als „Druck der Straße" durch den Bundeskanzler angesichts der Überlegungen zurückzu9954
nehmen, daß die Einheit Deutschlands unter anderem dadurch zustande kam, daß die Menschen auf die Straße gegangen sind?
Bitte schön, Herr Minister.
Die Bundesregierung hat sich mit der Demonstration von Samstag heute nicht befaßt.
({0})
Dazu gab es nach der Tagesordnung der Bundesregierung keinen Anlaß. Sie hat sich bevorzugt mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität befaßt, Herr Kollege, wie Ihnen eben vorgetragen wurde.
Im übrigen gibt es keine Abschätzigkeit in der Bewertung von Demonstrationen demokratischer Organisationen. Das ist deren gutes Recht. Eine andere Frage ist, ob man sich als Regierung dem politischen Druck, der von solchen Demonstrationen ausgehen soll, beugt, wenn man davon überzeugt ist, daß Handeln notwendig ist um der Sicherung der Arbeitsplätze willen, und zwar jetzt, und man es nicht bei der Verteidigung aller Besitzstände mit Zähnen und Klauen bewenden lassen darf. Da sind wir fürs Handeln.
Eine Zusatzfrage, Herr Conradi.
Dann darf ich Sie dahin verstehen, Herr Bundesinnenminister, daß Sie das Demonstrationsrecht nach der Verfassung akzeptieren und zukünftig darauf achten werden, daß dieses Demonstrationsrecht nicht durch abschätzige Bewertungen herabgesetzt wird, denn andere Drücke als jene der Straße sind bei dieser Bundesregierung und auch in diesem Hause durchaus bekannt und üblich.
Ihre Verfassungsinterpretation teile ich ausdrücklich. Abschätzigkeit hat nicht stattgefunden.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/4908 Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Die Frage 1 der Kollegin Ulla Schmidt wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf.
Die Fragen 2 und 3 des Kollegen Ulrich Heinrich werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Nunmehr rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß entgegen den Abmachungen von 1984 eine neue Flugplankonzeption des Flughafens Zürich-Kloten dazu führt, daß die Landepiste 16 nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung steht, folglich Anflüge fast ausschließlich über Piste 14, d. h. über deutsches Gebiet, erfolgen?
Sehr geehrter Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde ich die beiden Fragen der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich zusammen beantworten.
Ist die Fragestellerin damit einverstanden?
Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 5 der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich auf:
Was unternimmt die Bundesregierung, um die Folgen der zusätzlichen Lärmbelästigung für die Bevölkerung im Kreis Waldshut zu mindern?
Die Bundesregierung ist durch ein Schreiben des Landrats des Landkreises Waldshut vom 7. Juni 1996 davon unterrichtet worden, daß die Schweizer Fluggesellschaft Swissair eine neue Flugplankonzeption für die Wintersaison 1996/97 entwickelt hat, wonach die bisher über Genf verlaufenden Interkontinentalverbindungen von Zürich ausgehen sollen. Auf Grund des hohen Abfluggewichtes solcher Flüge sollen die Starts auf der Piste 16 erfolgen. Nach bisherigen Informationen werden es zirka 25 Starts pro Tag sein. In welchem Maße deswegen Landungen vermehrt auf der Piste 14 erfolgen müssen, kann im Moment noch nicht beurteilt werden.
Die Bundesregierung wird darauf drängen, daß diese Entwicklung bei den laufenden Untersuchungen der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt über die über deutsches Hoheitsgebiet führenden Anflüge zum Flughafen Zürich berücksichtigt wird. In den Untersuchungen sollen Maßnahmen entwickelt werden, die die Anflüge auf die Pisten 14 und 16, die in beiden Fällen über deutsches Hoheitsgebiet führen, entsprechend der Vereinbarung von 1984 und der Forderung der deutschen Bevölkerung gleichmäßiger verteilen.
Frau Kollegin, Sie haben vier Zusatzfragen, die Sie natürlich nicht ausnutzen müssen. Bitte, Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Präsident, Herr Staatssekretär, ich habe eine erste Zusatzfrage. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden Sie der Bevölkerung für die weiteren Verhandlungen zusichern können, daß Sie das Abkommen von 1984 über eine gerechtere Verteilung der Lasten zur Grundlage Ihrer Verhandlungen machen?
Sehr geehrte Frau RehbockZureich, wir werden uns kurzfristig um eine Beratung bemühen. Die planmäßig nächste Beratung wäre erst im November. Ziel unserer Verhandlungen muß es sein, daß wir uns jetzt unter diesen Bedingungen erneut um eine ausgewogene Bahnbenutzung, wie 1984 vorgesehen, bemühen. Insbesondere gibt es ja die Untersuchungen der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt, die für den Fall die geringsten Beeinträchtigungen annimmt, daß eine gleichmäßige Verteilung der Anflüge auf beide Landebahnen erfolgt. Unser Ziel muß also eine gleichmäßige Verteilung der Anflüge auf beide Bahnen sein.
Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, da sich diese Verhandlungen seit Jahren hinziehen und die Verzögerung nicht ausschließlich an der Schweiz liegt, ist bei der Bevölkerung in der betroffenen Region der Eindruck entstanden, daß hier von seiten der Bundesregierung der nötige Druck fehlt. Wie werden Sie diesem Eindruck, der auch bei Bürgermeistern Ihrer Partei vorhanden ist, entgegentreten, damit wieder Vertrauen geschaffen werden kann?
Es ist in den zurückliegenden Jahren ein gutes Verhältnis zu den Schweizer Behörden entwickelt worden. Sie wissen, Frau Abgeordnete, daß wir einen Sitz in der Flughafenkommission und zwei Sitze in der Fluglärmkommission des Flughafens Zürich haben und dort auch antrags- und stimmberechtigt sind.
Des weiteren kann ich Sie darüber informieren - das werden Sie vielleicht auch schon wissen -, daß Untersuchungen darüber angestellt worden sind, inwieweit die nach deutschem Recht üblichen Fluglärmzonen in deutsches Gebiet hineinreichen, so daß eventuell Entschädigungen oder Baubeschränkungen erforderlich wären. Die Berechnungen haben ergeben, daß - entsprechend den von uns vorgesehenen Werten - diese Fluglärmzonen nicht bis auf deutsches Gebiet hineinreichen. Da wir aber Mitglied der ICAO sind, haben wir den Überflug zu gestatten.
Auf der einen Seite wirken wir also in den Kommissionen des Flughafens mit, auf der anderen Seite haben wir die Bevölkerung über die aus rechtlicher Sicht bestehenden Möglichkeiten informiert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, . die EU führt diesbezüglich zur Zeit Verhandlungen mit der Schweiz. Die Grundlage dieser Verhandlungen sind die Wünsche der Schweiz an die EU. Hat die Bundesregierung schon einmal daran gedacht, diese Verhandlungen in das Paket einzubeziehen, um ganz anders Druck auf die Schweiz ausüben zu können?
Ich kann Ihnen jetzt nicht genau sagen, ob es erforderlich sein wird, daß wir bei diesen Verhandlungen Druck ausüben. Ich glaube, dadurch, daß beide Länder Mitglied der ICAO sind, können wir die gegebenen Möglichkeiten ausnutzen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Vergin.
Herr Staatssekretär, ich möchte die Frage von Frau Rehbock-Zureich aufnehmen. Sie haben auf die Frage, welche vertrauensbildenden Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen will, um das durch die Auseinandersetzung über den Fluglärm zerstörte Vertrauen - das auch im Konflikt zwischen Bürgermeistern und der Bundesregierung zum Ausdruck kommt - wieder aufzubauen, geschildert, in welchen Beiräten Sie vertreten sind und welche Maßnahmen Sie dort ergreifen. Aber was wollen Sie der Bevölkerung gegenüber unternehmen, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen?
Herr Abgeordneter Vergin, da der Landrat des Landkreises Waldshut Mitglied der Flughafenkommission ist und wir auch zwei stimmberechtigte Mitglieder in der Fluglärmkommission haben und die Schweizer Behörden uns im übrigen in die notwendigen Planfeststellungsverfahren einbeziehen wie ihre eigenen Gemeinden, erschließt sich für uns ein umfassendes Paket der Beteiligung der Gebietskörperschaften an den Entscheidungen, die auf Schweizer Gebiet getroffen werden.
Keine weiteren Fragen. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Kanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Frage steht Staatsminister Bernd Schmidbauer zur Verfügung.
Frage 6 des Kollegen Friedhelm Beucher:
Ist die Bundesregierung bereit, die von Staatsminister Bernd Schmidbauer in der Fragestunde am 12. Juni 1996 gegebene Antwort ({0}), wonach an den Beisetzungsfeierlichkeiten von Willy Brandt der damalige griechische Ministerpräsident nicht teilgenommen habe, zu überprüfen und ggf. richtigzustellen?
Herr Kollege Beucher, ich möchte hiermit ausdrücklich die von Ihnen angeregte Richtigstellung vornehmen. Es trifft zu, daß der damalige griechische Ministerpräsident Mitsotakis an dem Staatsakt für Willy Brandt am 17. Oktober 1992 in Berlin teilgenommen hat. Die in der Fragestunde vom 12. Juni 1996 gegebene Antwort beruhte auf einer Auskunft, welche die zuständige Fachabteilung des Bundeskanzleramtes vom Protokoll des Auswärtigen Amtes erhalten hat. Inzwischen wurde die Auskunft vom Auswärtigen Amt korrigiert. Ich habe Ihnen dies auch noch in einem Schreiben heute mitgeteilt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, herzlichen Dank für die Klarstellung.
Haben Sie seit Ihrer falschen Auskunft am vorigen Mittwoch mit dem Bundeskanzler über den Termin Kohl/Mitsotakis gesprochen oder sich anderswo im Kanzleramt über das Gespräch Kohl/Mitsotakis informiert?
Ich habe mich, soweit dies möglich war, über die Termine informiert, die anstanden.
Ich muß bei meiner Aussage bleiben, die ich am 12. Juni 1996 gemacht habe. Die Feststellung, die dort getroffen wurde, trifft zu - unabhängig von dieser jetzt richtiggestellten Auskunft, was die Beisetzungsfeierlichkeiten angeht.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Heißt das, daß Sie keine Informationen über den Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn Kohl und Herrn Mitsotakis haben?
Es gibt nur die Äußerung - das will ich zitieren -:
Ich will in diesem Zusammenhang weiterhin sagen, daß die dort gemachten Äußerungen
- nämlich in der „Berliner Zeitung" vom 4. Juni 1996 -... so nicht zutreffen.
Ich bleibe dabei. Wir können das nicht feststellen, weder durch die Information, die wir haben, noch durch entsprechende Protokolle, da es keine Protokolle über diese Gespräche gibt. Ich kann das nicht bestätigen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatsminister, Ihnen ist gewärtig, daß einer Ihrer Vorgänger wegen einer falschen Auskunft an das Parlament nach über einem einjährigen peinlichen Gezerre seinen Posten abgeben mußte?
Herr Conradi, ich brauche diesen Hinweis nicht. Ich lese die „Frankfurter Rundschau" und sehe, was gespielt wird.
Weitere Zusatzfragen? - Herr Kollege Neumann.
Herr Staatsminister, das ist kein Spiel.
Meine Frage: Würden Sie bei einer der nächsten Gelegenheiten den Bundeskanzler fragen, ob er über das Thema, das Gegenstand unserer Fragen ist, anläßlich dieser Trauerfeierlichkeiten mit Mitsotakis gesprochen hat, und dies dann den zuständigen Gremien mitteilen?
Ich kann das tun. Ich habe das aber bereits getan und kann bei der Feststellung, die ich vorhin und am 12. Juni gemacht habe, von der Sache her bleiben.
Keine weiteren Fragen? - Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatsminister.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen 7, 8 und 9 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 10, 11 und 12 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft auf. Auch hier werden alle Fragen, die Fragen 13, 14 und 15, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen 16, 17, 18 und 19 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Wird die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung, nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg in der Streitsache „Waschplatz und Tankstelle auf dem Luft-/Bodenschießplatz Siegenburg" in die Berufung gehen, und welche Kosten sind bisher durch den Rechtsstreit für die Bundesrepublik Deutschland entstanden?
Herr Kollege Kubatschka, das Verwaltungsgericht Regensburg hat am 11. Juni 1996 im Anschluß an die mündliche Verhandlung das Urteil verkündet. Die Urteilsbegründung liegt jedoch noch nicht vor. Erst wenn diese vorliegt, kann über die Frage, ob Berufung eingelegt wird, entschieden werden.
Die Kosten des Verfahrens werden vom Verwaltungsgericht im Rahmen des Kostenverfahrens durch Kostenfestsetzungsbeschluß festgelegt.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kubatschka.
Frau Staatssekretärin, wird das Verteidigungsministerium, nachdem es vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verloren hat, den bisherigen Wasch- und Tankplatz modernisieren, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Neubau der Tankstelle und des Waschplatzes durch Sofortvollzug ein kostenträchtiger Fehler war?
Diese Auffassung teilen wir natürlich nicht.
Ich habe Ihnen schon gesagt: Wir müssen zunächst die Urteilsbegründung abwarten. Dann werden wir sehen, ob wir in die Berufung gehen. Dann werden wir weiter entscheiden. Mehr kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Ist in absehbarer Zeit mit dem Bau der geplanten Werkhalle, die mit diesem Komplex in Verbindung steht, auf dem Luft-/Bodenschießplatz Siegenburg zu rechnen? Wenn ja: Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung?
Herr Abgeordneter Kubatschka, auch dies kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, reiche ich Ihnen die Antwort gern schriftlich nach.
Keine weiteren Fragen.
Die Fragen 21, 22, 23, 24 und 25 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frau Staatssekretärin, vielen Dank.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 26 der Abgeordneten Dr. Gisela Babel auf:
Wie viele Untätigkeitsklagen gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ({0}) hat es im Zusammenhang mit der Zulassung in der Vergangenheit gegeben?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, bitte schön.
Frau Kollegin Babel, wenn Sie gestatten, würde ich gerne Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworten.
({0})
Dann rufe ich auch die Frage 27 der Abgeordneten Dr. Gisela Babel auf:
Wie viele Untätigkeitsklagen gegen das BfArM sind z. Z. anhängig?
Frau Dr. Bergmann-Pohl, bitte.
Im Zusammenhang mit der Zulassung waren seit 1987 insgesamt 387 Untätigkeitsklagen gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anhängig. Davon sind bis heute 363 Verfahren abgeschlossen. Zur Zeit sind noch 24 Untätigkeitsklagen gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anhängig.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie viele Anträge befinden sich derzeit im Verfahren der Zulassung?
Frau Kollegin, ich habe hier eine Übersicht aus den Jahren 1985 bis 1995 vorliegen. Ich kann Ihnen dazu sagen, daß in diesem Zehnjahreszeitraum 4 065 Anträge auf Zulassung neuer Arzneimittelstoffe vorlagen und davon 3 175 Verfahren abgeschlossen sind. Es lagen weiter 22 652 Anträge auf Zulassung bekannter Arzneimittelstoffe vor, von denen 19 537 bearbeitet worden sind.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Innerhalb welcher Fristen können nach Ihren jetzigen Erfahrungen die Firmen, die Anträge stellen, auf einen Bescheid rechnen?
Frau Kollegin, ich habe in diesem Zusammenhang bereits eine schriftliche Frage des Kollegen Meister beantwortet. Ich habe dort festgestellt: Für die Zulassung von Arzneimitteln mit bekannten Stoffen liegen die Zeiten
im Mittel bei zirka 18 Monaten bis zur Mängelrüge und bei 24 Monaten bis zum Bescheid. Die hohen durchschnittlichen Verweilzeiten in diesem Bereich ergeben sich auf Grund der Berücksichtigung der noch vorhandenen Altfälle.
Ich habe versucht, Ihnen dies an der Fülle der Anträge und an dem Antragsstau der Jahre nach 1985 deutlich zu machen. Das Institut bemüht sich aber, zum Beispiel bei innovativen Arzneimitteln sehr schnell zu handeln.
Ihre dritte Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, was heißt „sehr schnell", und welche Vorstellungen hat Ihr Haus darüber, welche Verfahrensdauer man diesen Firmen zumuten sollte?
Frau Kollegin Babel, sehr schnell heißt: in der Frist, die gesetzlich vorgegeben ist, also innerhalb von sieben Monaten bei innovativen Arzneimitteln. Ich habe Ihnen aber die Probleme dargestellt: Auf Grund des Antragsstaus und der Fülle der Anträge hat das Institut es nicht geschafft, diese Zeiten in jedem Fall einzuhalten.
Ihre vierte Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, sehen Sie angesichts des Staus und angesichts der Tatsache, daß die von Ihnen selbst gesetzten Fristen in den allermeisten Fällen nicht eingehalten werden können, nicht die Notwendigkeit, Maßnahmen zu überlegen, wie in dieses Verfahren sozusagen mehr Tempo und Druck kommen, damit diese Siebenmonatsfrist auch wirklich eingehalten wird?
Frau Kollegin Babel, wir haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, das zu tun. Sie wissen, es gab im Jahre 1990 dazu ein Gutachten. Wir haben sehr viele Empfehlungen dieses Gutachtens versucht umzusetzen. Wir haben darüber hinaus nach der Neugründung der Bundesinstitute versucht, etwas im Management zu verändern, also zum Beispiel Veränderungen im Projektmanagement, eine Straffung der Abläufe und auch eine Übersichtlichkeit der Entwicklungsabläufe durchzusetzen. Daher bin ich guter Hoffnung, daß das Institut diese vorgenannten Fristen bald einhält.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Philipp.
Ich möchte noch einmal auf die Untätigkeitsklagen zurückkommen. Es gibt einen Arzneimittelhersteller, der 1986 einen Zulassungsantrag gestellt hat. Anfang 1990 wurde Untätigkeitsklage erhoben, die Ende 1991 positiv beschieden wurde, nämlich dahin gehend, nunmehr über den Antrag zu entscheiden. Ein Dreivierteljahr später teilte das Bundesgesundheitsamt - so hieß es damals noch - mit, daß man nunmehr beabsichtige, die Bearbeitung des Antrags aufzunehmen. Im März 1996, also sechs bzw. fünf Jahre nach der Untätigkeitsklage bzw. deren positiven Bescheid, ist die Zulassung nunmehr verweigert worden.
Handelt es sich hierbei in bezug auf die Konsequenzen des Bundesgesundheitsamtes bzw. des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte um einen Ausnahmefall, was die Zeiten angeht, und wie beurteilen Sie den Zeitablauf insgesamt? Ergeben sich aus diesem für das Bundesinsititut sozusagen verlorenen Prozeß finanzielle Konsequenzen, etwa Regresse oder ähnliches?
Frau Kollegin, zum letzteren kann ich sagen, daß bisher keine Regresse vorliegen.
Zu dem geschilderten Fall kann ich jetzt natürlich keine Stellungnahme abgeben. Sie können mir gerne diesen Fall zusenden. Ich werde es dann recherchieren lassen.
Ich darf vielleicht noch hinzufügen, daß bei zirka einem Drittel der Anträge formale und inhaltliche Mängel vorhanden sind. Auf Grund des umfangreichen Materials, welches das Institut zu bearbeiten hat - man hat uns einmal gezeigt, wieviel Akten bei einem Antrag eingehen; es ist ein ganzer Tisch voll -, muß man ein gewisses Verständnis dafür haben, daß sich bei solchen vorliegenden formalen Mängeln die Bearbeitungszeit verlängert.
Ich sage es noch einmal: Wenn Sie mir diesen Fall schriftlich übermitteln, bin ich gerne bereit, hier zu recherchieren.
Dann eine Zusatzfrage des Kollegen Hans Büttner.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie dem Hohen Hause eine Übersicht darüber geben, wie sich die Verfahrensdauer und die Klagezahlen seit der Änderung der Organisationsstruktur des Bundesgesundheitsamtes, das heißt seiner Aufsplitterung in die einzelnen Institute verändert haben und ob es wesentliche Beschleunigungen auf Grund dieser organisatorischen Veränderungen gegeben hat?
Herr Kollege Büttner, dieses Zahlenmaterial liegt vor. Ich kann es Ihnen gerne schriftlich zur Verfügung stellen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dann rufe ich die Frage 28 des Kollegen Hans Büttner ({0}) auf:
Wie hoch waren 1990, 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995 die Ausgaben für Gesundheit, aufgeschlüsselt nach folgenden Ausgabeträgem: öffentliche Haushalte, gesetzliche Krankenversicherung, Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, private Krankenversicherung, Arbeitgeber und private Haushalte in Prozenten?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Büttner, die von Ihnen gewünschte Untergliederung gibt nur das Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes her. Dabei gibt es für 1990 keine Angaben; für 1994 und 1995 liegen diese noch nicht vor. Deshalb werde ich Ihnen die Gesundheitsausgaben nach dem Sozialbudget, das Zahlenangaben von 1990 bis 1994 ermöglicht, zusätzlich darstellen. Allerdings sind die entsprechenden Werte nicht genau vergleichbar, vor allem wegen unterschiedlicher Abgrenzungen. So werden zum Beispiel im Sozialbudget die Positionen „Private Haushalte" und „Private Krankenversicherung " überhaupt nicht erfaßt. Die Zahlen zeigen aber, daß der Großteil der Gesundheitsausgaben von der GKV getragen wird: nach den Daten des Statistischen Bundesamtes rund 50 Prozent, nach Sozialbudgetzahlen rund 60 Prozent.
Herr Präsident, ich komme jetzt in die Verlegenheit, zwei größere Tabellen vorlesen zu müssen, weil der Kollege Büttner die Zahlen nach den Jahren aufgeschlüsselt dargestellt haben möchte. Das bedarf eines längeren Vortrages.
Ich würde Sie doch bitten, das zu vermeiden. Ich frage den Kollegen Büttner, ob es nicht ausreicht, wenn er das, was er hierzu an Details wissen möchte, schriftlich bekommt?
Wenn ich die Tabelle schriftlich vorliegen hätte, könnte ich die Zusatzfrage genauer abwägen.
Können wir die Tabelle dem Kollegen Büttner geben?
Das kann ich gerne machen. Ich bin aber nicht so ganz sicher, ob er auf Grund dieser Zahlen, die ich dann nicht selber vorliegen habe, weil ich die Tabelle nur einmal habe, entsprechende Vergleiche ziehen kann. Es ist eine etwas ungünstige Situation, Herr Präsident.
Frau Staatssekretärin, ich kann Ihre Antwort nicht zensieren. Dann mag das Schicksal seinen Lauf nehmen. Bitte schön.
Ich lese also die Tabellen vor. Für 1991: Öffentliche Haushalte 50 786 Millionen DM; gesetzliche Krankenversicherung Hans Büttner ({0}) ({1}): Ich habe nach den Prozenten gefragt, nicht nach den absoluten Zahlen.
Dann nenne ich die Prozentzahlen. Das vereinfacht die Sache.
1991: Öffentliche Haushalte 13,4 Prozent; gesetzliche Krankenversicherung 47,9 Prozent; Rentenversicherung 7,0 Prozent; gesetzliche Unfallversicherung 2,9 Prozent; PKV 4,8 Prozent; Arbeitgeber 16,4 Prozent; private Haushalte 7,6 Prozent.
1992: Öffentliche Haushalte 13,5 Prozent; GKV 48,6 Prozent; Rentenversicherung 6,4 Prozent; gesetzliche Unfallversicherung 3,1 Prozent; PKV 5,0 Prozent; Arbeitgeber 15,7 Prozent; private Haushalte 7,7 Prozent.
1993: Öffentliche Haushalte 14,3 Prozent; gesetzliche Krankenversicherung 47,3 Prozent; Rentenversicherung 6,9 Prozent; gesetzliche Unfallversicherung 3,4 Prozent; PKV 5,3 Prozent; Arbeitgeber 15,1 Prozent; private Haushalte 7,7 Prozent.
Herr Kollege Büttner, das sind die Ausgaben für Gesundheit nach den Daten des Statistischen Bundesamtes. Nun müßte ich Ihnen eigentlich noch die Ausgaben nach dem Sozialbudget vortragen. Wollen Sie die auch noch, oder reicht es Ihnen, das schriftlich zu bekommen?
({0})
Herr Kollege Büttner, jetzt kommen Ihre Zusatzfragen. Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, wie bewerten Sie die ständige Zunahme der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf der einen Seite und - im längeren Jahresvergleich - den gleichzeitigen Rückgang der Arbeitgeberanteile für die Leistungen im Gesundheitswesen in der Bundesrepublik insgesamt auf der anderen Seite.
Herr Kollege, Sie wissen, daß es bei der Entgeltfortzahlung konjunkturelle Schwankungen gibt. Genau das schlägt sich in diesen Zahlen nieder.
Wenn man die Vergleichszahlen über den längeren Zeitraum von 1970 bis 1993 betrachtet, stellt man fest, daß die Anteile, die die Arbeitgeber einschließlich ihres Anteils zur gesetzlichen Krankenversicherung aufgebracht haben, kontinuierlich - wenn auch nur leicht - zurückgehen, während die Anteile der Arbeitnehmer, der Versicherungen und der privaten Haushalte kontinuierlich ansteigen. Sehen Sie darin eine Begrün9960
Hans Büttner ({0})
dung für eine weitere Entlastung der Arbeitgeber im Bereich der Gesundheitsausgaben?
Herr Kollege Büttner, Sie hatten von den privaten Haushalten gesprochen. Ich kann von keinem Anstieg sprechen, wenn ich sehe, daß 1991 7,6 Prozent, 1992 7,7 Prozent und 1993 ebenfalls 7,7 Prozent ausgegeben wurden. Ich möchte das im Rahmen der Schwankungsbreiten als gleichbleibende Ausgaben definieren. Zu einem anderen Zeitpunkt können wir uns aber gerne noch einmal darüber unterhalten.
Dann rufe ich die Frage 29 des Kollegen Hans Büttner auf:
Wie hoch war der Anteil der Gesundheitsausgaben in der Bundesrepublik Deutschland am Bruttosozialprodukt im internationalen Vergleich in den Jahren 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995?
Herr Kollege Büttner, amtliche Zahlen zur Beantwortung der Frage liegen der Bundesregierung nicht vor. Das Bundesministerium für Gesundheit läßt die Höhe der Gesundheitsausgaben kontinuierlich durch die Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung e. V. ermitteln. Dabei wird - wie international üblich - der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ermittelt. Dieser betrug in Deutschland 1991 8,49 Prozent und 1992 8,98 Prozent.
Für die Jahre 1993 bis 1995 liegen noch keine internationalen Vergleichszahlen vor. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit diesen Werten im Bereich des Durchschnittswerts sämtlicher Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der 8,43 Prozent beträgt.
Herr Kollege Büttner, wenn Sie gestatten, möchte ich Ihnen die dazugehörige Tabelle im Anschluß übergeben.
({0})
Ihre Zusatzfrage.
Worauf führt die Bundesregierung es zurück, daß diese Daten seit etwa drei Jahren mit einer erheblichen Verspätung sowohl von Ihrem Haus bekanntgemacht werden als auch der Öffentlichkeit überhaupt bekanntgegeben werden? In den davorliegenden Jahren sind diese Daten bereits ein Jahr nach Ablauf in den entsprechenden amtlichen Mitteilungen der Bundesregierung veröffentlicht worden.
Herr Kollege Büttner, die unmittelbare Ursache ist mir nicht bekannt. Ich werde das gerne ermitteln und Sie dann davon in Kenntnis setzen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 32 des Abgeordneten Klaus Kirschner auf:
Wie ist der Stand der Umsetzung der im Gesundheitsstrukturgesetz getroffenen Regelungen zur Kosten- und Leistungstransparenz in den einzelnen Leistungsbereichen?
Herr Kollege Kirschner, der Gesetzgeber hat vorgesehen, daß die Einzelheiten zum Datenträgeraustausch nach den §§ 295 bis 302 SGB V durch vertragliche Vereinbarungen bzw. Richtlinien auszugestalten sind. Diese Regelungen sind für alle Leistungsbereiche zustande gekommen.
Bitte schön, Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Gründe für die bisherige Nichtumsetzung der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen nennen? Können Sie mir sagen, was der Bundesgesundheitsminister zu tun gedenkt, damit die entsprechenden Vorschriften des SGB V umgesetzt werden?
Herr Kollege Kirschner, die Bestimmungen sind umgesetzt worden. Das habe ich Ihnen ja gesagt. Die Gründe, warum es etwas länger gedauert hat, liegen im folgenden - ich will Ihnen nicht zu nahe treten;
({0})
wir haben das Gesetz ja gemeinsam verabschiedet -: Ein Gesetz erarbeiten und es verabschieden ist die eine Seite, es in der Praxis umzusetzen ist die andere Seite.
Ich darf Ihnen einmal darlegen, was wir damals beschlossen haben. Wir haben beschlossen, daß 1,5 Milliarden Belege für eine Auswertung auf Datenträgern zur Verfügung gestellt werden müssen. Ich nenne nur: 450 Millionen Abrechnungsscheine von Ärzten pro Jahr, 100 Millionen Abrechnungsscheine von Zahnärzten im Jahr, 700 Millionen Arzneimittelrezepte im Jahr, 200 Millionen Heil- und Hilfsmittelrezepte im Jahr und 55 Millionen Belege von Krankenhäusern im Jahr. Hinzu kommen 72 Millionen Versichertenkarten. Insgesamt haben wir es mit 300 000 Leistungserbringern und 960 Krankenkassen zu tun, die Leistungen für die 72 Millionen Versicherten abrechnen müssen. An Hand dieser von mir genannten Zahlen können Sie sich vorstellen, daß es im Vorfeld natürlich zu einigen
formalen und technischen Schwierigkeiten gekommen ist.
Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, uns sind diese Zahlen ja bekannt gewesen.
({0})
Weil diese Zahlen bekannt sind - ich gehe davon aus, daß sie auch der Bundesregierung bekannt sind -,
({1})
haben die Beteiligten, mit Ausnahme von Herrn Möllemann, das gebe ich zu
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- nein, ich stelle ja nur etwas fest -,
({3})
doch bewußt einen solchen Datenträgeraustausch gewollt, um mehr Durchschaubarkeit im Gesundheitswesen zu gewährleisten. Oder sind Sie nicht mehr mit mir der Auffassung, daß das damals der Grund dafür war?
Herr Kollege Kirschner, das Ansinnen ist ja sehr lobenswert. Wir haben das ja auch durchaus unterstützt, indem wir solche Vorschläge mitgetragen haben. Nur, auf Grund der ungeheuren Datenmenge, die jetzt elektronisch aufbereitet werden muß, hat es im Einzelfall Probleme gegeben. Man muß denen, die diese Daten dann in der Praxis entsprechend aufbereiten müssen, zugestehen, daß sie diese technischen Mängel beseitigen. Denn es nutzt weder ihnen noch uns, wenn es diese Daten zwar auf den Datenträgern gibt, aber keine entsprechenden Auswertungen zur Verfügung stehen. Dementsprechend lange hat es gedauert, die Vereinbarungen der Vertragspartner umzusetzen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 33 des Abgeordneten Kirschner auf:
Trifft es nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß ein Abrechnungsvolumen in Höhe von monatlich rd. 1 Mrd. DM von nahezu 60 % aller bundesdeutschen Apotheken von den Krankenkassen ungeprüft beglichen werden muß, da die zur Prüfung notwendigen Daten nicht, wie ab 1. Januar 1996 nach den §§ 295 ff. SGB V gesetzlich vorgesehen, bereitgestellt werden?
Da die Abrechnungsdaten von den Apotheken-Rechenzentren, in denen technische Probleme aufgetreten sind, vollständig nachgeliefert werden, können die Krankenkassen auch diese Abrechnungen zu einem späteren Zeitpunkt prüfen. Die Krankenkassen begleichen die Rechnungen der Apotheken bis zum Eintreffen der vollständigen Abrechnungsdaten unter Vorbehalt. Somit bleibt die Möglichkeit, Beanstandungen geltend zu machen.
Zur Höhe der Rezeptvolumen, die über die von den technischen Problemen betroffenen Rechenzentren abgerechnet werden, liegen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Frau Staatssekretärin, trifft es zu, daß die Abrechnungsprobleme in den zwei großen Abrechnungszentren, Nord und Süd, aufgetreten sind, während die kleineren Abrechnungszentren diese Probleme nicht haben? Ich frage Sie, welches die Gründe dafür sind, daß es dort nicht funktioniert, die entsprechenden Abrechnungen zur Verfügung zu stellen.
({0})
Herr Kollege Kirschner, soweit mir bekannt ist, hat die entsprechende Firma das Programm an ungefähr einer Million Daten geprüft. Tatsächlich liegen aber wesentlich mehr Daten vor. Bei der praktischen Anwendung hat es Probleme gegeben. Deswegen wird zur Zeit versucht, diese technischen Probleme zu beheben.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie sieht es mit einer möglichen Haftung der Mitglieder der Selbstverwaltung aus, wenn beispielsweise durch die Nichteinhaltung des Gesetzes, wie es so schön heißt, Schaden, der dem Versicherungsträger aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der ihm obliegenden Pflichten entsteht, eintritt? Wie sieht es mit Haftungsansprüchen aus, die hier eventuell auf die Versicherungsträger bzw. deren Geschäftsführer und Selbstverwaltungsorgane zukommen könnten?
Zunächst, Herr Kollege Kirschner, sehe ich kein grob fahrlässiges Handeln. Entsprechend stellt sich die Haftungsfrage für mich derzeit nicht.
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Büttner.
Die Beantwortung der Fragen, Frau Staatssekretärin, wirft folgende Frage auf: Ist nicht die Bundesregierung als Exekutive für die Durchführung und Anwendung der Gesetze verantwortlich? Was hat die Bundesregierung, was hat der zuständige Minister unternommen, um die Gesetze angesichts der offenkundig gewordenen Pannen und Verzögerungen mit Nachdruck schnell zum Zwecke der Kosteneinsparung umzusetzen?
Herr Kollege Büttner, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß wir diesen gesetzlichen Auftrag an die Selbstverwaltungspartner weitergegeben und die Selbstverwaltungspartner verpflichtet haben, entsprechende Verträge zu schließen.
Als wir festgestellt haben, daß es Verzögerungen gibt, haben wir darauf reagiert und am 11. September 1995 einen Brief an die Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder sowie an das Bundesversicherungsamt und nachrichtlich an alle Spitzenverbände der Krankenkassen geschrieben, in dem wir auf die dringende Umsetzung und den Abschluß der Verträge gedrungen haben.
Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Dr. Martin Pfaff auf:
Was hat den Bundesminister für Gesundheit veranlaßt, die gesetzlich vorgesehene Vorausschätzung nach § 270a SGB V über die im laufenden Kalenderjahr je Mitglied zu erwartende durchschnittliche Veränderungsrate der zu erwartenden beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen bis zum 15. Februar nicht, wie im Gesetz verbindlich vorgesehen, im Bundesanzeiger bekanntzugeben?
Herr Kollege Pfaff, die Bundesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf die mündliche Frage von Herrn Abgeordneten Kirschner in der Fragestunde vom 28. Februar 1996 darauf hingewiesen, daß die amtliche Schätzung der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen den auf diese Größe bezogenen Ausgabenbegrenzungen in zentralen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung im Budgetierungszeitraum 1993 bis 1995 diente.
Deshalb sieht der Bundesminister für Gesundheit für den Zeitraum ab 1996 keine gesetzliche Notwendigkeit einer amtlichen, im Bundesanzeiger bekanntzugebenden Schätzung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 270a SGB V.
Gleichwohl hat der Bundesminister für Gesundheit den Mitgliedern der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen im Februar 1996 eine Einschätzung zur Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfestellung und Orientierungsgröße für die Umsetzung der Empfehlungsvereinbarungen der Konzertierten Aktion vom 14. September 1995 schriftlich mitgeteilt.
Diese Orientierungsgrößen gehen von einer Steigerungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen je
Mitglied um 1,7 Prozent in den alten Bundesländern und um 4,5 Prozent in den neuen Bundesländern aus.
Ihre erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist es nicht auch dann, wenn die Daten, die der Herr Bundesgesundheitsminister den Kassen in den letzten Jahren mitgeteilt hat, dermaßen danebenlagen, daß sie zu hohen Abschlüssen in den Vertragsverhandlungen geführt haben, die peinliche Anpassungsprozesse erforderlich machten, sinnvoll, daß man - wenn man schon die Devise „Vorfahrt für die Selbstverwaltung" prägt - den Selbstverwaltern auch eine Chance gibt, auf der Grundlage der absehbaren Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen zu verhandeln?
Das ist richtig, Herr Kollege Pfaff, wobei ich konstatieren muß, daß auf der einen Seite die amtlichen Schätzungen - die übrigens bei uns nicht erfunden werden, sondern auf wirtschaftlichen Daten beruhen - nicht zutrafen, was Sie kritisieren, und daß Sie auf der anderen Seite trotzdem fordern, daß diese amtlichen Schätzungen bereitgestellt werden. Das haben wir gemacht.
Ihre zweite Frage.
Wäre es nicht sinnvoll, zusätzlich auch für die zweite Aufgabe dieser Daten - dabei geht es darum, daß die einzelnen Kassen schon im Herbst ihre Haushaltspläne erstellen können - diese Information fristgerecht zur Verfügung zu stellen - beispielsweise im Dialog mit den Kassen -, so daß auch die Aufstellung der Haushaltspläne, sprich: die Festsetzung der Beitragssätze auf einer besseren und objektiven Grundlage erfolgen kann? Wenn ein Instrument unvollkommen ist, muß es verbessert werden.
({0})
Herr Kollege Pfaff, das ist sicherlich ein sehr guter Vorschlag. Ich muß aber zunächst prüfen, ob das überhaupt möglich ist. Die Frage ist, ob die amtlichen Schätzungen bereits im Herbst zur Verfügung stehen können.
Eine weitere Frage von Herrn Kirschner.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wo § 270a die Interpretation enthält, die Sie bzw. die Bundesregierung vornehmen,
nämlich daß die Vorausschätzung nur noch für die drei Jahre bis einschließlich 1995 gegeben ist?
({0})
Herr Kollege Kirschner, die Interpretation von § 270 a ist, daß die Vorgaben für den Budgetierungszeitraum zwingend erforderlich waren, daß wir aber, wenn die Selbstverwaltungspartner vertragliche Beziehungen eingehen, ihnen nur eine Hilfestellung geben nach dem Motto: Vorfahrt für die Selbstverwaltung.
Eine weitere Frage des Kollegen Büttner.
Hat das Bundesgesundheitsministerium Überlegungen darüber angestellt, auf Grund welcher Daten die Selbstverwalter ihre Haushalte, ihre Einnahmen überhaupt kalkulieren sollen, wenn es solche amtlichen oder offiziellen Vorgaben und Schätzungen von Ihrer Seite nicht mehr gibt?
Herr Kollege Büttner, ich sehe das nicht so. Diese Schätzungen haben wir den Selbstverwaltungspartnern zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage konnten sie ihre Verhandlungen durchführen.
Im übrigen kann ich mir nicht vorstellen, daß die Verantwortlichen in den Krankenkassen so fernab der Realität sind, daß sie nicht selbst einschätzen können, wie die Grundlohnentwicklung im kommenden Jahr verlaufen wird. Auch sie müßten eigentlich wirtschaftlich denken können und den wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend Folge leisten.
Eine weitere Frage des Kollegen Vergin.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir bitte sagen, wo in § 270a, den ich jetzt noch einmal eingesehen habe, etwas über die Budgetierung geschrieben steht?
Herr Kollege, das steht so expressis verbis nicht in dem Paragraphen; das stimmt.
({0}) Das ist die Rechtsauslegung meines Hauses.
({1})
Dann rufe ich Frage 35 des Kollegen Dr. Martin Pfaff auf:
Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, daß der Grundsatz der Beitragsstabilität von den Selbstverwaltungspartnem eingehalten wird, wenn es keine verbindliche Vorausschätzung der Grundlohnentwicklung entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 270a SGB V gibt?
Herr Kollege Pfaff, die Bundesregierung geht davon aus, daß die Beteiligten in der Selbstverwaltung - entsprechend den einvernehmlich beschlossenen Empfehlungen in der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen - eine weitgehende Orientierung an der Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen in den jeweiligen Leistungsbereichen umsetzen.
Im Krankenhausbereich, in dem sich abzeichnete, daß die Empfehlung der Konzertierten Aktion von den Beteiligten nicht beachtet wurde, hat der Gesetzgeber inzwischen mit dem Gesetz zur Begrenzung der Krankenhausausgaben 1996 - das übrigens auch von Ihnen beschlossen wurde - die entsprechenden Konsequenzen gezogen.
Darüber hinaus hat der Bundesminister für Gesundheit mehrfach darauf hingewiesen, daß die Abweichungen zwischen geschätzter und tatsächlicher Grundlohnentwicklung im Jahre 1995 zu Rückzahlungsverpflichtungen der Leistungserbringer in den betroffenen Ausgabenbereichen in einer Größenordnung von zirka 2 Milliarden DM führen.
Ihre Zusatzfrage.
Verehrte Frau Staatssekretärin, was hat dies alles mit der Aufgabenstellung, deren Erfüllung wir von den Kassen erwarten, daß sie sich bei ihrer Leistungsgewährung und ihrer Beitragssatzpolitik an der Grundlohnentwicklung orientieren, zu tun? Wie sollen denn die Kassen diese Aufgabe selbstverantwortlicher erfüllen, wenn die Bundesregierung ihnen nicht die entsprechenden Rahmendaten zur Verfügung stellt? Ihre Ausführungen haben zu diesem Punkt leider wenig Informationen geliefert.
Lieber Herr Kollege Pfaff, ich habe schon bei der Beantwortung der ersten von Ihnen gestellten Frage darauf Bezug genommen, daß der Bundesminister die Daten sehr wohl zur Verfügung gestellt hat und beabsichtigt, diese Daten auch weiterhin zur Verfügung zu stellen.
Zweite Zusatzfrage.
Inwiefern sind Sie denn bereit, diesen Paragraphen so zu interpretieren, daß neben der Grundlohnentwicklung auch andere Indikatoren, die für die eigenverantwortliche Handlungsweise der Kassen, die Sie einfordern, wenn es um die
Beitragssatzpolitik und die sogenannten Satzungsleistungen geht, von Belang sind, berücksichtigt werden und die Informationen darüber zumindest in einer Form zur Verfügung stehen, mit der die Kassen etwas anfangen können?
Herr Kollege Pfaff, wenn Sie Wünsche haben, daß dort andere Indikatoren einfließen, können wir gerne - wir sehen uns jeden Mittwoch im Gesundheitsausschuß - darüber diskutieren. Ich bin gern dazu bereit.
Zusatzfrage des Kollegen Kirschner.
Frau Staatssekretärin, kann ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie deshalb vorsehen, den Beitragssatz per Gesetz zu senken, weil der Bundesgesundheitsminister seiner Verpflichtung nach § 270a SGB V, eine verbindliche Vorausschätzung für die Grundlohnsummenentwicklung bis zum 15. Februar des Jahres zu treffen, nicht mehr nachkommt?
Herr Kollege Kirschner, ich kann nun wirklich keinen Zusammenhang zwischen der Beitragssatzsenkung und der Vorausschätzung sehen. Sie wissen, daß die Beitragssatzsenkung ganz andere Ursachen hat. Ich erspare mir darauf eine erklärende Antwort, weil ich weiß, daß Sie das genauso gut wissen wie ich.
Zusatzfrage des Abgeordneten Möllemann.
Frau Staatssekretärin, könnte die hier angesprochene Zurückhaltung Ihrerseits bei der Beantwortung der Fragen der SPD etwas mit Ihrer kollegialen Absicht zu tun haben, die bereits feststehende Absicht der SPD, nach dieser Fragestunde eine Aktuelle Stunde durchzuführen, nicht zu unterminieren?
Herr Kollege Möllemann, ich kenne die Absichten der SPD-Fraktion nicht, weil ich bei deren internen Beratungen nicht dabei bin. Die gestellten Fragen lassen eine Aktuelle Stunde zumindest wahrscheinlich werden.
Ich rufe Frage 36 des Kollegen Horst Schmidbauer auf:
Ist es zutreffend, daß das Bundesministerium für Gesundheit mit Schreiben vom 11. September 1995 an die Minister und Senatoren für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Auffassung vertritt, daß die Umsetzung der Transparenzregelungen nach §§ 295ff. SGB V von zentraler Bedeutung für die zukünftige Ausgabensteuerung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, da nur durch diese Regelungen die Datenbasis geschaffen werden kann, die notwendig ist, um die Instrumente zur Ausgabensteuerung, z. B. zur flankierenden Steuerung der Arzneimittelbudgets, einsetzen zu können?
Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Pari. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Schmidbauer, die in der Frage dargelegten Feststellungen entsprechen der Auffassung der Bundesregierung und sind in einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit an die Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder sowie an das Bundesversicherungsamt vom 11. September 1995 enthalten.
Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatssekretärin, wir erleben zur Zeit, daß auf Grund der mangelhaften Umsetzung der Transparenzregelung Kostenentwicklungen eintreten. Bei den Ausgaben für Arzneimittel haben wir allein im ersten Quartal dieses Jahres eine Kostensteigerung um 7 Prozent, bei einzelnen Krankenkassen um bis zu 10 Prozent. Wie bewertet denn die Bundesregierung die Folgen der mangelhaften Umsetzung der Transparenzregelung in puncto Ausgabenentwicklung für Arzneimittel bei den Krankenkassen bezogen auf das laufende Geschäftsjahr?
Ich kann auf Grund der zur Verfügung gestellten Daten nicht von einer mangelnden Umsetzung der Transparenzregelung sprechen. Wir wissen, daß die Ausgaben für Arzneimittel das Budget zu übersteigen drohen. Insofern hoffe ich, daß die Zahlen des ersten Quartals bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen, aber auch bei den kassenärztlichen Vereinigungen Reaktionen hervorrufen werden. Wie Sie wissen auch wir, daß die Zahlen, die im ersten Quartal zur Verfügung stehen, über den Verlauf der Ausgaben eines ganzen Jahres überhaupt noch nichts aussagen.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wir haben die Situation, daß die mangelnden Transparenzdaten auch in den Bereich der Haftung hineinwirken. Für mich stellt sich die Frage: Ist der Bundesregierung das Urteil des Sozialgerichtes Schwerin vom Mai dieses Jahres bekannt, bei dem es um die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern nach § 84 Abs. 1 des SGB V ging, das den Ausgleich der Budgetüberschreitungen aus dem Jahre 1994 mit der Begründung zurückgewiesen hat, die Krankenkassen hätten die Verordnungsdaten der Apotheker nicht so rechtzeitig zur Verfügung stellen können, wie das aus Sicht des Gerichts für eine Änderung der Verordnungsweise erforderlich gewesen wäre. Das bedeutet, das Ganze hängt mit der Transparenzfrage zusammen: Wenn die Krankenkassen die Daten nicht haben, dann können sie sie auch nicht nutzen. Das ist allem Anschein nach auch haftungsrechtlich von Bedeutung. Das heißt, es wird eine Berufsgruppe aus der Haftung entlassen. Wie beurteilen Sie das für die
Horst Schmidbauer ({0})
weitere Entwicklung in der gesamten Bundesrepublik?
Herr Kollege Schmidbauer, dieses Urteil ist der Bundesregierung bekannt. Gleichwohl hat gerade die Fülle von Daten, die im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, dazu geführt, daß wir die gesetzlichen Grundlagen -§ § 295 ff. SGB V - geschaffen haben.
Ich habe vorhin festgestellt, daß es auf Grund der Fülle der Daten in der Umsetzung technische Probleme gibt. Es ist aber nicht so, daß bisher überhaupt keine Daten zur Verfügung standen. Sie wurden nur anders ausgewertet und sind sicherlich nicht so exakt zur Verfügung gestellt worden. Ich habe Ihnen auch gesagt, daß wir bemüht sind, so schnell wie möglich die entsprechenden technischen Grundlagen zur Verfügung zu stellen. Die Vereinbarungen dazu sind bereits alle geschlossen worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Frau Staatssekretärin, da Sie in Ihrer ersten Antwort auf die gestellte Frage festgestellt haben, daß das Arzneimittelbudget überschritten zu werden droht, frage ich Sie: Was passiert, wenn das Budget überschritten wird? Wer zahlt dies? Zahlen dies die Beitragszahler, also die Versicherten und die Arbeitgeber? Werden die Ärzte oder die Apotheker in Regreß genommen? Oder werden die Geschäftsführer in Regreß genommen? Wie sieht es eigentlich aus, wenn das Budget auf Grund der fehlenden Datenbasis überschritten wird?
Herr Kollege Kirschner, ich habe gesagt: Die Vereinbarungen dazu sind getroffen worden. Ich habe auch gesagt, daß die Daten zum ersten Quartal überhaupt noch nicht dazu berechtigen, die Aussage zu treffen, daß das Budget für das Jahr 1996 überschritten wird. Wenn das Budget wirklich überschritten werden sollte, dann glaube ich, daß wir auf Grund der geschlossenen Vereinbarungen im nächsten Jahr die entsprechenden Daten zur Verfügung haben.
Herr Kollege Kirschner, ich glaube, Sie kennen das SGB V genauso gut wie ich. Sie wissen, daß bei Budgetüberschreitungen die entsprechenden kassenärztlichen Vereinigungen regreßpflichtig sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Horst Schmidbauer ({0}) auf:
Wie, glaubt das Bundesministerium für Gesundheit, sollen Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen die zum Arzneimittelbudget notwendigen flankierenden Steuerungsinstrumente zum Einsatz bringen, wenn hierfür die großen Rechenzentren ca. 60 % der Daten nicht bereitstellen können?
Herr Kollege Schmidbauer, die Spitzenverbände der Krankenkassen und der deutsche Apothekerverband haben eine Vereinbarung zur Überwindung der in zwei Rechenzentren aufgetretenen Probleme bei der Erfassung der Abrechnungs- und Transparenzdaten für die Arzneimittelverordnungen unter Beteiligung dieser Rechenzentren getroffen. Diese Vereinbarung sieht vor, daß die betreffenden Rechenzentren die Daten vollständig entsprechend einem vereinbarten Zeitplan nachliefern, so daß alle für die Erfassung der budgetrelevanten Arzneimittelausgaben erforderlichen Daten zur Verfügung stehen.
Nach dieser Vereinbarung stellt der deutsche Apothekerverband ferner monatlich eine Frühinformation zur Entwicklung der Arzneimittelausgaben in den einzelnen Regionen den Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen auf der Grundlage von Hochrechnungen zur Verfügung. Diese globalen Angaben zum Stand der Budgetausschöpfung können der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen Hinweise auf drohende Budgetüberschreitungen geben.
Erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ist es mit Blick darauf, daß die gesetzliche Krankenversicherung nur mit einer Datenerfassung von maximal 40 bis 60 Prozent rechnet, also nicht einmal die Mehrheit der erforderlichen Daten vorliegt, zutreffend, daß das Bundesministerium für Gesundheit mit Schreiben vom 22. Mai 1996 an die Spitzenverbände der Krankenkassen und den deutschen Apothekerverband die Auffassung vertreten hat, für Schäden der Krankenkassen aus Budgetüberschreitungen und entgangenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei den Vertragsärzten hafteten die Apotheken auch dann nicht, wenn sie ihren gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zur Datenlieferung weiterhin nicht nachkommen, obwohl doch gerade für diesen Fall in § 305 SGB V ein Vergütungsausschluß festgelegt worden ist?
Herr Kollege Schmidbauer, mir liegt der Brief nicht vor. Ich werde das gerne recherchieren. Ich kann dazu jetzt nicht Stellung nehmen.
Ihre zweite Frage.
Ist es denn aus der Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit rechtlich zulässig, daß die Krankenkassen die Apothekenabrechnungen auch dann weiterhin unter Vorbehalt zahlen, wenn die nun bekanntgewordenen Liefertermine der großen Rechenzentren für die Daten, die Sie eben genannt haben, weiterhin über9966
Horst Schmidbauer ({0})
schritten werden, oder treten Sie dafür ein, daß der § 303 Abs. 3 im SGB V gestrichen wird?
Herr Kollege Schmidbauer, ich müßte jetzt erst einmal nachsehen, was im § 303 Abs. 5 steht.
({0})
Frau Staatssekretärin, es handelt sich um den § 303 Abs. 3. Dort heißt es:
Die Krankenkassen dürfen ab 1. 1. 1995 Abrechnungen der Leistungserbringer nur vergüten, wenn die Daten . . ., in dem jeweils zugelassenen Umfang maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern, angegeben oder übermittelt worden sind.
Ich frage Sie: Wenn dieses bis heute nicht der Fall ist, was passiert dann eigentlich, wenn zum Beispiel das Budget überschritten wird? Wer ist dann dafür haftbar?
Herr Kollege Kirschner, ich habe eben vorgelesen, daß diese Daten zur Verfügung stehen werden. Wir brauchen uns jetzt doch nicht spekulativ darüber zu unterhalten, wer dann haftbar gemacht wird. Das können wir immer noch zu dem Zeitpunkt machen, wenn die Daten wirklich nicht zur Verfügung stehen.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 38 des Kollegen Dr. Hans-Hinrich Knaape auf:
Geht die Bundesregierung davon aus, daß nach den erheblichen Verzögerungen in den letzten Monaten bei der Umsetzung der im Gesundheitsstrukturgesetz getroffenen Regelungen zur Kosten- und Leistungstransparenz eine Umsetzung nunmehr im Laufe dieses Jahres gewährleistet ist?
Herr Kollege Knaape, die von der Selbstverwaltung der Krankenkassen vorgesehenen bzw. mit ihren Vertragspartnern auf seiten der Leistungserbringer vereinbarten Verfahrensregelungen zur Übermittlung der Abrechnungs- und Transparenzdaten sehen die Aufnahme des Routineverfahrens der Datenübermittlung für das Jahr 1996 bzw. 1997 vor. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die vorgesehenen Zeitvorstellungen eingehalten werden.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, zu welchem Zeitpunkt werden denn nach Ihrer
Meinung diese Berechnungen vorliegen? Sie reden davon, daß das „eingehalten" wird.
Herr Kollege Knaape, ich habe eben gesagt, daß das für das Jahr 1996 bzw. 1997 vorgesehen ist. Ich bin gerne bereit, Ihnen am Ende des Jahres 1996 mitzuteilen, ob diese Daten vollständig zur Verfügung stehen.
Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, daß in der Gesetzgebung sehr viel Unsicherheit ist, solange wir nicht exakte Daten haben, auf die wir unsere Ausführungen stützen können?
Herr Kollege Knaape, das Gesetz ist eigentlich eindeutig. Nur, ich habe Ihnen gesagt: Es müssen insgesamt 1,5 Milliarden Belege mit einer Fülle von Daten erfaßt werden. Das genau macht die technische Schwierigkeit aus. Die Vertragspartner sind bereit, diese technischen Schwierigkeiten zu beseitigen, und sie haben sie zum Teil auch schon beseitigt.
Dann kommt die Zusatzfrage von Dr. Pfaff.
Frau Staatssekretärin, ist die Regierungskoalition unter den von Ihnen genannten Umständen bereit, das Beitragsentlastungsgesetz zurückzuziehen, weil Sie eine Beitragssatzentlastung um 0,4 Prozent fordern, die nicht einmal errechnet werden kann, wenn die erforderlichen Informationen über Daten- und Leistungstransparenz nicht vorliegen?
Zum ersten Teil Ihrer Frage: nein. Zum zweiten Teil: Ich frage mich, wie die Selbstverwaltungspartner früher die Daten abgeglichen haben, wenn man heute konstatiert, daß nur auf der Grundlage des jetzigen Rechts entsprechende Daten zur Verfügung gestellt werden. Dann haben Sie ja im Krankenversicherungsrecht seit 20 Jahren sehr anfechtbare Daten gehabt.
Keine weiteren Fragen.
Dann rufe ich die Frage 39 des Kollegen Dr. Knaape auf:
Wird das Bundesministerium für Gesundheit auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelung des § 303 Abs. 3 SGB V drängen, wonach bei der Nichtanwendung der Transparenzregelungen nach §§ 295 ff. SGB V hinsichtlich der Angabe und Übermittlung von Abrechnungsdaten vom 1. Januar 1996 die Krankenkassen Abrechnungen von Apotheken und Apothekenrechenzentren nur begleichen dürfen, wenn die unvollständigen Abrechnungsdaten auf elektronischen Datenträgern bereitstehen?
Herr Kollege Knaape, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des § 303 Abs. 3 SGB V durch die Krankenkassen unterliegt der Überwachung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden. Bezüglich der in zwei großen Apothekenrechenzentren aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Erfassung der Abrechnungs- und Transparenzdaten für die Arzneimittelversorgung vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die von den Krankenkassen vorgesehene Umsetzung der Regelung nach § 303 Abs. 3 SGB V in Form einer Zahlung unter Vorbehalt sachgerecht ist.
Diese Einschätzung ergibt sich daraus, daß zum einen sich diese Rechenzentren verpflichtet haben, die Rezeptdaten vollständig nach einem festgelegten Zeitplan nachzuliefern, und zum anderen die aufgetretenen Probleme aus technisch-organisatorischen Gründen auch bei größten Anstrengungen der Beteiligten im Rahmen der ursprünglichen Terminvorgaben nicht behoben werden können.
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Ihre Zusatzfrage, bitte schön, Herr Kirschner.
Frau Staatssekretärin, ab welchem Termin ist nach Auffassung des Bundesministers für Gesundheit ein vollständiger Vergütungsausschluß bei einem Ausbleiben der Angaben und der Übermittlung von Abrechnungsdaten von Apotheken und Apothekenrechenzentren durch die Krankenkassen vorzunehmen?
Herr Kollege Kirschner, da das eine rein juristische Frage ist, würde ich sie Ihnen gern schriftlich beantworten.
Herr Kollege Büttner.
Nach Ihrer Antwort auf die Frage hinsichtlich nicht vorhandener Daten stellt sich für mich die Frage: Auf welcher Datengrundlage hat die Bundesregierung die jetzt vorliegenden Änderungen beim Gesundheitsstrukturgesetz konzipiert, wenn Sie selbst davon ausgehen, daß Sie keine oder nur unzulängliche Daten zur Verfügung haben?
Herr Kollege Büttner, auf der Grundlage jener Daten, die uns in der Vergangenheit immer zur Verfügung gestanden haben.
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Dann rufe ich die Frage 40 des Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg auf:
Hält die Bundesregierung die Verschiebung der Einführung des Diagnoseschlüssels ICD 10 durch eine Rahmenvereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft für gesetzeskonform, wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?
Herr Kollege Wodarg, das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium der Justiz prüfen derzeit die in der Frage angesprochenen Gesichtspunkte. Sobald eine zwischen beiden Ressorts abgestimmte Stellungnahme vorliegt, wird die Bundesregierung den Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages über das Ergebnis unterrichten.
Ihre Zusatzfrage.
Angesichts der Anstrengungen, Frau Staatssekretärin, welche die Bundesregierung unternimmt, um vor allem den Kranken und Hilfsbedürftigen in die Taschen zu langen, indem beispielsweise der Zahnersatz nicht mehr bezahlt werden soll oder die Zuschüsse zu Brillengestellen gestrichen werden, um auf diese Weise Geld zusammenzukratzen: Wie kommt es, daß Sie jetzt sogar ein Gesetz aus dem Boden stampfen, welches die Kranken zur Kasse bittet, während Sie sich auf der anderen Seite zwei Jahre Zeit lassen, um die Basisdaten zu bekommen, die Sie benötigen, um die Rationalisierungsreserven, die bei den Leistungserbringern noch vorhanden sind, zu übersehen und diese zugunsten der Kranken und der Hilfsbedürftigen zu nutzen?
Herr Kollege Wodarg, die Bundesregierung kratzt weder Gelder bei den Versicherten und den sozial Schwachen zusammen, noch wird sie das von Ihnen Behauptete tun. Vielmehr hat sie ein Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung vorgelegt. Die genannten Maßnahmen sind ein Teil dieses Programms.
Den zweiten Teil Ihrer Frage muß ich so beantworten: Sie nehmen Bezug auf einen Teil der Fragen, die vorher gestellt wurden. Diese Behauptungen treffen auf den ICD 10 nicht zu.
Die zweite Zusatzfrage
Wann wird die Bundesregierung darauf bestehen, daß Ärzte, die sich nicht nach diesem Schlüssel richten, die ihn nicht anwenden, sanktioniert werden, nachdem Sie noch Anfang dieses Jahres gesagt hatten, daß im ersten Halbjahr 1996 eine Sanktion nicht stattfindet? Das erste Halbjahr ist nun bald verstrichen.
Herr Kollege Wodarg, Sie wissen genauso gut wie ich - auch Sie haben es übrigens in Ihrer Fraktion bemängelt -, daß der ICD 10, wie er jetzt vorliegt, zum Teil nicht praktikabel ist. Ich kann mich gerade daran erinnern, daß Sie uns vorgeworfen haben, daß der ICD 10, der übrigens eine internationale Klassifikation ist, für Deutschland zum Teil überhaupt nicht in Frage komme. Nun versuchen wir mit den Vertragspart-nem, ihn handhabbar zu machen, und Sie kritisieren auch das. Das kann ich eigentlich nicht richtig verstehen.
Zusatzfrage, Dr. Pfaff.
Frau Staatssekretärin, war es nicht eine der zentralen Absichten des Gesundheitsstrukturgesetzes, beispielsweise für die Beurteilung von ambulanten Operationen, ob im Krankenhaus oder in Praxen, eine Leistungs- und Kostentransparenz zu ermöglichen? Ist es nicht richtig, daß es die Bundesregierung war, die sagte, man wolle den ICD 9 nicht einführen, weil der bessere ICD 10 nach so vielen Monaten zur Verfügung stehe, so daß die Bundesregierung wesentliche Mitverantwortung für die weitere Intransparenz in diesem Bereich trägt?
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Das ist Ihre Sicht der Sache. Wir haben eine andere Sicht. Herr Kollege Pfaff, wir haben gesagt - übrigens in Obereinstimmung mit Ihnen in Lahnstein -, daß es wenig Sinn macht, den ICD 9 einzuführen, wenn er nicht kompatibel mit den Krankenhauszahlen ist, und daß wir sowohl im Krankenhaus als auch im ambulanten Bereich den ICD 10 anwenden möchten. Das macht, denke ich, auch Sinn.
Nun hat sich aber selbst bei den Beteiligten, die den ICD 10 übersetzt und versucht haben, ihn in eine handhabbare Form zu bringen, herausgestellt, daß dieses Buch gewisse Mängel enthält. Man versucht jetzt, diese Mängel zu beheben.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schaich-Walch.
Bei der Anhörung im Januar dieses Jahres haben wir gehört, daß der Entwurf zu dem ICD bereits vor zwei Jahren zugegangen sei, also vor jetzt zweieinhalb Jahren. Können Sie mir einen Grund dafür nennen, warum die Bundesregierung so lange untätig geblieben ist?
Frau SchaichWalch, die Bundesregierung ist nicht untätig geblieben.
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Die Bundesregierung hat den ICD-10-Schlüssel nicht übersetzt und hat ihn auch nicht in die Form gegossen, in der er uns heute vorliegt. Vielmehr waren Personen aus dem Gesundheitswesen und aus einer uns nachgeordneten Behörde beteiligt.
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Zusatzfrage von Herrn Kirschner.
Frau Staatssekretärin, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, damit der ICD 10 fristgerecht zum 1. Januar 1996 hätte eingesetzt werden können, nachdem im Jahre 1995 gerade auf Vorschlag der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung die Einführung des ICD 9 verschoben worden war? Es hieß dann, zum 1. Januar 1996 stehe der ICD 10 voll zur Verfügung.
Herr Kollege Kirschner, der ICD 10 ist uns im Herbst 1995 vorgelegt worden. Er hätte am 1. Januar 1996 auch zur Anwendung kommen können. Sie wissen genau, daß erhebliche Proteste aus der Ärzteschaft, aber auch aus Ihren eigenen Reihen kamen, weil man den ICD 10 in dieser Form für bei uns nicht anwendbar hielt. Wir haben dieser Kritik Rechnung getragen und eine Überarbeitung veranlaßt.
Eine Zusatzfrage von Herrn Büttner.
Auch diese Antwort veranlaßt mich zu der Frage: Läßt das darauf schließen, daß das Bundesgesundheitsministerium über die wirklichen Bedürfnisse, Vorgänge und Abläufe im Gesundheitswesen nur geringe Kenntnisse hat?
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Herr Kollege Büttner, das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Wodarg auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach eine Verschiebung der Einführung des Diagnoseschlüssels ICD 10 in rechtlich zulässiger Weise nur durch Gesetz erfolgen kann, und wenn ja, welche Konsequenzen wird die Bundesregierung ziehen, wenn nein, warum zieht sie keine Konsequenzen?
Herr Kollege Wodarg, die Bundesregierung wird auch hierzu dem
Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages berichten, sobald eine abgestimmte Bewertung der oben angeführten Vereinbarung zur Verschiebung der Diagnoseverschlüsselung vorliegt.
Keine Zusatzfragen. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Die Fragen - es handelt sich um die Fragen 42 bis 45 - werden alle schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen stehen zunächst die Parlamentarische Staatssekretärin Cornelia Yzer und dann der Parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann zur Verfügung.
Die Frage 46 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 47 des Abgeordneten Franz Thönnes auf:
Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung in diesem Jahr das von der EU für 1996 ausgerufene „Europäische Jahr des lebensbegleitenden Lernens"?
Herr Kollege Thönnes, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie hat das Gustav-Stresemann-Institut in Abstimmung mit den Ländern beauftragt, die Aufgabe der Nationalen Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr zu übernehmen. Die Nationale Koordinierungsstelle wird vom BMBF mit einem Betrag von 90 000 DM finanziert. Die Länder haben sich leider außerstande gesehen, einen finanziellen Beitrag zu leisten.
Die Koordinierungsstelle sitzt einer nationalen Begleitgruppe aus Vertretern von Bund und Ländern vor und nimmt an den Beratungen des Begleitausschusses auf europäischer Ebene teil. Bei sieben von insgesamt 59 Projekten, zu denen aus Mitteln der Europäischen Union ein Zuschuß gegeben wird, ist das BMBF beteiligt. Das BMBF hat das Europäische Jahr am 12. Februar 1996 im Rahmen der Interschul '96 für Deutschland eröffnet.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie vielleicht etwas genauer spezifizieren, um welche Maßnahmen es sich im einzelnen handelt?
Ich kann die Maßnahmen, die von der Bundesregierung unterstützt werden, gerne im einzelnen benennen, greife dann allerdings einer Frage, die vom Kollegen Grasedieck gestellt wurde, vor. Ich will das dennoch gerne tun.
Wir fördern, wie von mir bereits erwähnt, sieben von insgesamt 59 Vorhaben. Dabei handelt es sich erstens um einen Kongreß des Q-Verbandes bei der Qualifikationsmesse 1996 in Hannover: „Multimediale Lernwelten - Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur".
Zweitens handelt es sich um eine Veranstaltung des Hans-Bredow-Instituts und der Europäischen Rundfunkunion: „Europäisches Bildungsfernsehen".
Drittens. Niedersächsisches Kultusministerium und Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hamburg: „Lebenslanges Lernen im Beruf " . Das ist ein Kongreß, verbunden mit einer Ausstellung.
Viertens. Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg: „Europäisches Kolloquium zur Weiterbildung".
Fünftens. Universität Bremen: Europäische Konferenz zum Thema „Weiterbildung und soziale und regionale Entwicklung".
Sechstens. Institut für Weltwirtschaft Kiel: „Aufstiegsfortbildung in Europa - Meister und vergleichbare Qualifikationen". Es geht dort um eine Studie, verbunden mit einer Expertenkonferenz.
Siebtens. Hochschulrektorenkonferenz: „Hochschule und Wirtschaft als Partner in Weiterbildung und Wissenstransfer auf dem Arbeitsmarkt". Es handelt sich um eine Konferenz, in deren Anschluß eine Dokumentation erstellt wird, die ebenfalls gefördert wird.
Diese Maßnahmen werden aus Mitteln der Europäischen Union, ergänzt durch BMBF-Mittel, gefördert.
Zweite Zusatzfrage?
Eine zweite Frage habe ich nicht. Danke.
Zusatzfrage, Graf von Waldburg-Zeil.
Frau Staatssekretärin, trifft es zu, daß die Bundesregierung über die genannten Maßnahmen hinaus einen weiteren großen Kongreß fördert, der sich mit lebenslangem Lernen beschäftigt? Es handelt sich um den UNESCO-Weltkongreß, der nächstes Jahr in Hamburg stattfinden wird. Trifft es zu, daß dies das Jahr für lebenslanges Lernen mit betrifft, weil die regionalen Vorbereitungskonferenzen in diesem Jahr stattfinden?
Cornelia Yzer, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie: Herr Kollege Graf von Waldburg-Zeil, ich darf Ihnen bestätigen, daß dies zutrifft.
Dann rufe ich die Frage 48 des Kollegen Franz Thönnes auf:
Welche Veranstaltungen und Modellprojekte werden nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung im Rahmen des Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens" in Deutschland durchgeführt?
Herr Kollege Thönnes, aus Mitteln der Europäischen Union in Höhe von rund 1,4 Millionen DM erhalten 59 deutsche Projekte Zuschüsse in Höhe von durchschnittlich 25 000 DM.
Die Projekte decken thematisch ein breites Spektrum ab. Sie sind von Berufsverbänden, Handwerkskammern, Gewerkschaften, Gebietskörperschaften, Hochschulen, Volkshochschulen, Schulen, Senioreneinrichtungen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Bildungshäusern, kommerziellen und sonstigen Antragstellern beantragt worden.
Daneben ordnen einige Organisationen wie der Deutsche Industrie- und Handelstag verschiedene Veranstaltungen, die aus eigenen Mitteln finanziert werden, in das Europäische Jahr ein.
Alle Projekte müssen eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung im Jahr 1996 aufweisen. Ein Kalender mit diesen Veranstaltungen wird regelmäßig in dem vom Gustav- Stresemann-Institut herausgegebenen News Letter für das Europäische Jahr bekanntgegeben. Daneben ist der vollständige Kalender im Internet abrufbar. Bei Bedarf können wir Ihnen diesen aber auch in konventioneller Form zur Verfügung stellen.
Zusatzfrage? - Nicht.
Dann rufe ich die Frage 49 des Kollegen Dieter Grasedieck auf:
Welche der von der EU für das 1996 ausgerufene „Europäische Jahr des lebensbegleitenden Lernens" formulierten Ziele werden bereits in den kommenden sechs Monaten in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht?
Herr Kollege Grasedieck, nach Art. 1 des Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 23. Oktober 1995 über die Veranstaltung eines Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens soll durch Aktionen zur Information, zur Sensibilisierung und zur Werbung für Möglichkeiten des lebensbegleitenden Lernens das Ziel verfolgt werden, die persönliche Entwicklung und Eigeninitiative der Bürger sowie ihre Eingliederung in das Berufsleben und in die Gesellschaft, ihre Mitwirkung am demokratischen Entscheidungsprozeß und ihre Fähigkeit, sich an den wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Wandel anzupassen, zu fördern.
Darüber hinaus werden in Art. 2 acht Themen allgemeiner Art vorgegeben. Die Zielsetzungen und Themen erlauben es naturgemäß nicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Verwirklichung festzustellen. Es ist vielmehr eine kontinuierliche Aufgabe, in dem genannten Sinne auf die Fertigkeiten und Fähigkeiten der Bürger einzuwirken und sie weiter voranzubringen.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das war eine relativ allgemeine Antwort. Es sind viele der Ziele innerhalb der EU genannt worden; auch die Sensibilisierung wurde erwähnt.
Es sind aber auch ganz konkret einige Punkte angesprochen worden, zum Beispiel die Anerkennung von Bildungsnachweisen. Existieren da schon konkrete Vorschläge?
Herr Kollege, die Anerkennung von Bildungsnachweisen ist, wie Sie sicherlich wissen, bereits lange ein Anliegen der Bundesregierung, auch weil es darum geht, den Austausch innerhalb der Europäischen Union zu befördern. Insofern trifft auch hier das zu, was von mir bereits ausgeführt worden ist: Das müssen und wollen wir als eine kontinuierliche Maßnahme betrachten. Dies wird sicherlich im Rahmen eines solchen Jahres für lebenslanges Lernen nicht abschließend gelöst werden können, sondern ist eine Daueraufgabe, der wir uns auch zuwenden.
Zweite Zusatzfrage.
Das Europäische Jahr ist schon lange angekündigt worden. Es gab eine Vorbereitungszeit: 1994 und 1995 hätte man sich darauf einstellen können.
Gibt es die eine oder andere konkrete Maßnahme, die Sie einmal nennen könnten? Gibt es auch in der Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen auf der einen Seite und dem Mittelstand auf der anderen Seite - das ist auch bei den Zielen aufgeführt worden - konkrete Maßnahmen?
Was Bildungsabschlüsse oder andere Maßnahmen anbelangt, die sich unter die allgemeinen Beschlußfassungen des Europäischen Parlaments und des Rates subsumieren lassen, darf ich hier noch einmal unterstreichen: Dies ist eine Daueraufgabe. Natürlich haben auch im Laufe dieses Jahres im Rahmen der Kontinuität Gespräche und Verhandlungen stattgefunden. Die hier im einzelnen aufzuzählen ist sicherlich nicht möglich. Ich werde
Ihnen darüber aber gerne eine schriftliche Information zur Verfügung stellen.
Im übrigen hatte ich ja schon mit Blick auf die Frage des Kollegen Thönnes das breite Feld der Aktivitäten aufgezeigt, in dem Verbände und auch die Wirtschaft aktiv geworden sind. Ich hatte darauf verwiesen, daß es ein Anliegen der Bundesregierung ist, im Rahmen dieser konkreten Maßnahmen zum Europäischen Jahr mit den einzelnen Veranstaltern zu kooperieren, um ein möglichst breitgefächertes Bild von Aktivitäten mit Blick auf lebenslanges Lernen entfalten zu können. Dazu zählen insbesondere Kontakte und der Austausch mit der Wirtschaft und dem Mittelstand. Denn wir stimmen sicherlich darin überein, daß das Voranbringen von kleinen und mittelständischen Unternehmen auch in der Europäischen Union ein wichtiges Anliegen ist. Grundvoraussetzung ist auch hier Qualifikation in diesem Segment.
Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Grasedieck auf:
Mit welchen Veranstaltungen oder durch die Förderung welcher Modellprojekte leistet die Bundesregierung einen eigenständigen Beitrag zum „Europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernens"?
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob Sie mit mir übereinstimmen, daß durch die auf die Frage des Kollegen Thönnes hin von mir vorgetragene Aufzählung der Maßnahmen, die im Rahmen der durch die EU bezahlten Gesamtvorhaben vom BMBF zusätzlich gefördert werden, Ihre Frage bereits beantwortet wurde?
Ja.
Ich bedanke mich.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, mit welchen Etatansätzen ist die Bundesregierung hier beteiligt? Sie haben sieben Maßnahmen erwähnt, erwähnten aber gleichzeitig, daß die meisten Maßnahmen zu 100 Prozent von der EU bezahlt werden.
Das trifft nicht zu. Ich habe vielmehr gesagt: 59 Vorhaben werden insgesamt gefördert, sieben davon werden zusätzlich vom BMBF gefördert. Bei den übrigen Maßnahmen erfolgte eine Förderung durch die EU. Die BMBF-Zuschüsse betragen 500 000 DM.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Stephan Hilsberg auf:
Welche Bildungsabschlüsse besitzen die Teilnehmer an Veranstaltungen oder Projekten, die im Rahmen des „Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens" 1996 in Deutschland durchgeführt werden?
Herr Kollege Hilsberg, die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres sind für alle Bevölkerungsgruppen offen. Informationen über die Bildungsabschlüsse der Teilnehmer werden nicht gesammelt und liegen demgemäß leider nicht vor.
Ihre Zusatzfrage.
Haben Sie denn überhaupt Informationen darüber, wieviel Teilnehmer an den Veranstaltungen anwesend waren?
({0})
Glücklicherweise hat das Europäische Jahr eine Vielzahl von Initiativen ausgelöst. Es handelt sich auch um Eigeninitiativen von Verbänden, Gruppen und Gewerkschaften - ich werde im Rahmen Ihrer nächsten Frage ja noch darauf eingehen -, so daß es nicht Aufgabe der Bundesregierung und des Bundesministeriums sein kann, diese Veranstaltungen durch eine Zählung zu überwachen. Da werden Sie sicherlich mit mir übereinstimmen. Wir werden aber gerne gerade bei den Projekten, zu denen das BMBF Zuschüsse gibt bzw. noch geben wird, Informationen nachreichen, sobald diese von den Veranstaltern, beispielsweise von den entsprechenden Landesministerien, vorgelegt werden.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Darf ich die Bundesregierung fragen, ob sie so etwas wie eine Erfolgskontrolle dieser Maßnahmen durchführt, zumindest der Maßnahmen, an denen sie selbst beteiligt ist?
Selbstverständlich führen wir eine Erfolgskontrolle durch. Sie erfolgt schon dadurch, daß die Mittelverwendung überprüft wird, indem Nachweise von den Veranstaltern zu erbringen sind. Aber zum Beispiel bei Veranstaltungen im Rahmen einer Qualifikationsmesse in Hannover - Sie werden sicherlich genauso wie ich Erfahrungen haben sammeln können - ist das Nachzählen etwas schwieriger, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Thönnes.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie von den Veranstaltern Nachweise einfordern wollen, zumindest für die Bereiche, an denen die Bundesregierung beteiligt war, so frage ich: Nach welchen Kriterien müssen die Veranstalter die Nachweise Ihnen gegenüber darlegen?
Nach den allgemein geltenden Verwendungsnachweiskriterien im Rahmen des Haushaltsrechts.
Zusatzfrage des Kollegen Grasedieck.
Sie müssen doch eine Übersicht haben, Frau Staatssekretärin - wir arbeiten schon ein halbes Jahr im Europäischen Jahr -, wieviel Teilnehmer sich in den anderen Bereichen an diesen Maßnahmen beteiligt haben, unter anderem beim Austausch der Schüler, der Auszubildenden. Diese Übersicht müßten Sie doch eigentlich schon erstellt haben.
Ich kann nicht widersprechen. Möglicherweise liegt auf Arbeitsebene eine solche Übersicht vor. Wir haben allerdings nicht sämtliche in Betracht kommenden Zahlen für diese Fragen gesammelt. Insofern kann ich Ihnen nur anbieten, dies schriftlich nachzureichen.
Dann rufe ich die Frage 52 des Abgeordneten Stephan Hilsberg auf:
Aus welchen Berufen kommen die Teilnehmer an Veranstaltungen oder Projekten, die im Rahmen des ,.Europäischen Jahres" in Deutschland durchgeführt werden?
Die Veranstaltungen, Herr Kollege Hilsberg, umfassen ein sehr breites Spektrum von Zielgruppen. Aus den Angaben über Veranstalter und Themen sind vereinzelt Rückschlüsse auf Berufsgruppen oder besondere gesellschaftliche Gruppen möglich. Zu nennen sind hier das Handwerk mit sechs Veranstaltungen, also auch der gerade schon angesprochene Mittelstand, Gewerkschaften mit zwei Veranstaltungen, Hochschulen mit acht Veranstaltungen, Senioren mit einer Veranstaltung und Jugendhilfe mit ebenfalls einer Veranstaltung. Die übrigen Veranstaltungen richten sich zum Beispiel über Volkshochschulen, aber auch über das Fernsehen oder kommunale und regionale Träger an eine nicht zu spezifizierende Zielgruppe. Unser Ziel muß es im Rahmen des Europäischen Jahres sein, ein möglichst breites Publikum anzusprechen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie auf diese Art und Weise auch Aussagen bezüglich der sozialen Schichtung treffen, die durch diese Maßnahmen erreicht wird? Ist es das Ziel der Bundesrepublik, alle sozialen Schichten und Bildungsschichten in unserem Lande gleichmäßig mit diesen Veranstaltungen zu erreichen? Was unternimmt sie, um besonders die benachteiligten Schichten in den Genuß dieser Veranstaltung kommen zu lassen?
Diese Rückschlüsse sind sicherlich nicht zulässig. Wenn ich beispielsweise die Hochschulen mit acht Veranstaltungen benenne, so ist glücklicherweise die Zusammensetzung der Studentenschaft nicht nach sozialen Schichtungen zu beurteilen.
Weitere Zusatzfrage?
Nein.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Dann rufe ich die Frage 53 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Sind der Bundesregierung Berechnungen des US-Energieministeriums bekannt ({0}), wonach alle derzeit noch verfügbaren deutschen Brennelemente nur 75 bis 80 kg hochangereichertes Uran ({1}) enthalten und damit die Versorgung des geplanten Forschungsreaktors FRM II nur für zwei Jahre gesichert wäre?
Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann zur Verfügung.
Der Bundesregierung sind die in der „Süddeutschen Zeitung" vom 5. Juni 1996 zitierten Berechnungen des US-Energieministeriums nicht bekannt. Die Versorgung des FRM II ist nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst auf Grund eines verbindlichen Angebots eines von der Europäischen Versorgungsagentur vermittelten Lieferanten gesichert. So hat das gestern bei der Veranstaltung in der bayerischen Vertretung, an der wir beide, Herr Kollege, teilgenommen haben, der zuständige Vertreter der Bayerischen Staatsregierung noch einmal bekundet.
Ihre Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie lange ist die Versorgung gesichert?
Gestern hat auf der Veranstaltung, die ich bereits erwähnt habe, der zuständige Vertreter der Bayerischen Staatsregierung deutlich gemacht, daß sich die Sicherung auf einen Zeitraum von zehn Jahren beziehen soll.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie soll die Versorgung nach diesem Zeitraum gesichert werden? Man kann doch davon ausgehen, daß der Reaktor, wenn er fertiggestellt wird und in Betrieb geht, länger als zehn Jahre laufen wird.
Das ist wahr. Wir sprechen aber von einem Zeitpunkt, der in etwa im Jahre 2013 liegen wird. Wie Sie aus anderen Diskussionen wissen, ist es nicht üblich, über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus Diskussionen darüber zu führen, wie die jeweilige Versorgung stattfindet. Ich gehe davon aus, daß sie natürlich auch danach stattfinden wird. Im Augenblick kann ich das aber nicht konkretisieren. Es ist schon außergewöhnlich, daß man sich für zehn Jahre festlegt.
Zusatzfrage? -Frau Abgeordnete Probst.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung etwas über Pläne bekannt, HEU aus australischen Forschungsreaktoren, das bei der Wiederaufbereitung im Moment in Dounreay anfällt, im Forschungsreaktor in Garching zu verwenden?
Ich habe davon gehört, daß die Australier überlegen, gegebenenfalls abgebrannte Brennstäbe aus ihren Anlagen in der Wiederaufbereitungsanlage im schottischen Dounreay zu verwenden. Ich sehe allerdings keinen Zusammenhang zur Versorgung des FRM II mit HEU.
Damit komme ich zu der Frage 54 der Abgeordneten Simone Probst:
Entspricht es den Tatsachen, daß das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie den deutschen Forschungsreaktorbetreibern eine Entscheidung für den Abschluß neuer Verträge mit der Wiederaufarbeitungsanlage im schottischen Dounreay empfohlen hat oder empfehlen wird, und wenn ja, welches sind die Gründe für diese Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, wo doch das Bundesministerium nach eigenen Aussagen die Option einer Rückführung der abgebrannten Brennelemente in die USA mit höchster Priorität verfolgt?
Eine Darstellung des Sachstandes habe ich Ihnen als Antwort auf Ihre Frage in der letzten Sitzung, an der Sie aber nicht teilgenommen haben, übermittelt. Danach ist die bevorzugte Option zur Entsorgung von Forschungsreaktoren die Rückführung der abgebrannten Brennelemente in die USA. Mit diesem Ziel werden auch die Verhandlungen des BMBF mit den US-Behörden geführt. Eine Empfehlung zur Wiederaufarbeitung in Dounreay wird derzeit nicht erwogen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die Sie sehr einfach mit Ja oder Nein beantworten können. Entspricht es den Tatsachen, daß Mitarbeiter des BMBF weltweit nach Betreibern von Forschungsreaktoren gesucht haben, die ebenfalls in Dounreay aufarbeiten lassen würden?
Wie ich die Frage beantworte, entscheide ich in der Regel selbst.
({0})
Da die Beantwortung kompliziert ist und da sie auch verstanden werden muß, werde ich ein paar Sätze mehr dazu sagen. Es ist richtig, daß Überlegungen angestellt wurden, welche Alternativen es gibt, um die Entsorgung abgebrannter Brennelemente deutscher Forschungsreaktoren zu sichern, weil der Weg der Entsorgung in die USA in der Vergangenheit - ungefähr seit 1988 - verbaut war. In diesem Zusammenhang spielte auch die schottische Wiederaufarbeitungsanlage Dounreay eine Rolle. Mir ist nicht bekannt, daß unsere Beamten weltweit tätig waren, um zusätzliche aufzubereitende Brennstoffe zu finden. Richtig wiederum ist, daß in diesem Zusammenhang die Fragen der Auslastung dieser Anlage und des wirtschaftlichen Betreibens dieser Anlage eine Rolle spielten. Ob das nun ein Ja oder ein Nein war, überlasse ich Ihrer Einschätzung.
({1})
Das habe ich ja gesagt.
Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Probst.
Sie sprachen eben schriftliche Fragen an, die ich in der Vergangenheit gestellt habe. Ich möchte noch einmal in bezug auf eine schriftliche Antwort Ihrerseits nachhaken, und zwar stammt sie aus dem Mai diesen Jahres. Ich habe nach laufenden Verträgen deutscher Forschungsreaktorbetreiber mit dem Atomkomplex in Dounreay gefragt. Ich möchte jetzt fragen, warum Sie in Ihrer Antwort verschwiegen haSimone Probst
ben, daß unbestrahlte Brennelemente des KNK-IIReaktors aus dem Forschungszentrum Karlsruhe kurz vor dem Abtransport auf dem Luftweg nach Dounreay gestanden haben. Ich möchte Sie deshalb hier noch einmal fragen, welchen Inhalt die zur Zeit laufenden, bestehenden Verträge haben.
Erstens kann ich mich nicht daran erinnern, daß ich etwas verschwiegen habe, weil mir gar nicht mehr erinnerlich ist, was Sie damals gefragt haben, da Sie ja fast regelmäßig in beinahe jeder Sitzung zu dem gleichen Sachverhalt Fragen stellen. Insofern bitte ich, mir das nachzusehen.
Herr Staatssekretär, ich muß Sie unterbrechen. Frau Kollegin Probst, ich habe nicht den Eindruck, daß die Frage, die Sie gestellt haben, in einem Sachzusammenhang mit der Frage 54 steht. Ich stelle Ihnen, Herr Staatssekretär, anheim, ob Sie die Frage beantworten wollen.
Mir ist es erst einmal schwergefallen, den Inhalt der Frage zu ermessen. Das muß ich ja, damit ich auch eine Antwort geben kann.
Das können Sie nun wirklich mit Ja oder Nein beantworten, ob Sie sie beantworten wollen oder nicht.
Aus Gründen der Arbeitsökonomie würde ich sie gern schriftlich beantworten, nachdem Frau Probst die Formulierung der Frage etwas konkretisiert hat.
Dann komme ich zu der Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.
Herr Staatssekretär, welche Gründe waren überhaupt maßgebend, die Wiederaufbereitungsanlage in Dounreay ins Gespräch zu bringen?
Es war nicht der Grund, den Sie möglicherweise vermuten, daß dadurch möglicherweise der FRM II versorgt werden sollte. Das will ich gleich vorwegnehmen. Vielmehr bestand der Grund ganz einfach darin, daß es abgebrannte Brennelemente aus deutschen Forschungsreaktoren gibt - es gibt ja eine ganze Reihe solcher Forschungsreaktoren -, daß sie entsorgt werden müssen und daß in diesem Zusammenhang nach sinnvollen Alternativen Ausschau gehalten wurde. Da spielte das schottische Dounreay eine Rolle; da spielte die Anlage in Frankreich, La Hague, eine Rolle. Dann gab es noch das
Ziel, das wir im Augenblick besonders präferieren, die USA.
Ich rufe die Frage 55 der Abgeordneten Probst auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Bemühungen für die Brennstoffversorgung des geplanten Forschungsreaktors FRM II, in Dounreay wiederaufgearbeitetes hochangereichertes Uran aus deutschen oder ausländischen Forschungsreaktoren zu benutzen, und mit welchen technischen Problemen wäre ein solcher Weg behaftet?
Dementsprechende Kenntnisse liegen uns nicht vor; technisch nicht lösbare Probleme sind nicht bekannt.
Frau Kollegin, Sie haben eine Zusatzfrage. Bitte schön.
Um den Zusammenhang mit der Ursprungsfrage noch einmal deutlich zu machen: Es geht ja um die Versorgung des FRM II mit hochangereichertem Uran. Deshalb möchte ich Sie fragen: Was soll denn mit dem in den vergangenen Jahren durch die Wiederaufarbeitung in Dounreay entstandenen hochangereicherten Uran geschehen? Bestehen Pläne, es in Garching einzusetzen?
Erstens weiß ich nicht, was im Laufe der letzten Jahre wiederaufgearbeitet worden ist. Zweitens weiß ich deshalb auch nicht, was damit in der Welt überhaupt und in Schottland geschehen soll.
Ein weiterer Punkt: Es ist mir nicht bekannt, daß irgend jemand im Augenblick in Betracht zieht, dieses wiederaufgearbeitete Material für den FRM II zu verwenden.
Wir sind damit am Ende der Fragen dieses Geschäftsbereiches. Herr Staatssekretär, vielen Dank.
Nun rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatsminister Helmut Schäfer zur Verfügung.
Die Fragen 56, 57, 58, 59 und 60 sollen schriftlich beantwortet werden; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 63 und 64 sind zurückgezogen worden.
Ich rufe also zunächst die Frage 61 des Kollegen Alfred Hartenbach auf:
Ist eine Sicherheitsleistung von 200 000 Rupien ({0}) eine Möglichkeit, von der deutschen Botschaft in Pakistan ein Besuchsvisum für die Bundesrepublik Deutschland zu bekommen?
Herr Kollege, die Bundesrepublik Deutschland hat ein öffentliches Interesse daran, daß sich Einreise und Aufenthalt von Ausländern in geregelten Bahnen vollziehen und daß einer unberechtigten Einwanderung vorgebeugt wird. Daher kommt in Ländern mit hohem Einwanderungsdruck wie Pakistan der sorgfältigen Prüfung der Visumsanträge eine große Bedeutung zu.
Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob ein Visum zu Besuchszwecken erteilt werden kann, sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Gastgebers, sondern die des Visumbewerbers. Nur wenn seine Rückkehrbereitschaft glaubhaft gemacht wurde, kann ein Besuchsvisum erteilt werden.
Die Frage, ob der Betreffende eine gesicherte Existenz und eine feste Verwurzelung im Heimatland hat, spielt dabei eine wesentliche Rolle. Der Prüfung dieser Frage dienen Unterlagen des Antragstellers über seine wirtschaftliche und familiäre Situation sowie der Eindruck aus dem persönlichen Gespräch bei der Antragstellung. Können Zweifel an der Rückkehrwilligkeit auch mit Hilfe einer Sicherheitsleistung nicht ausgeräumt werden, muß das Visum versagt werden.
Ihre Zusatzfrage.
Die Frage ist nicht korrekt beantwortet. Es ist eine sehr konkret gestellte Frage. Ich spare mir die Zusatzfrage, weil ich die Frage beantwortet haben will.
Herr Kollege Hartenbach, haben Sie eine Zusatzfrage?
Herr Präsident, die Frage ist nicht korrekt beantwortet.
Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege. Wie die Bundesregierung eine Frage beantwortet und ob Sie mit der Beantwortung zufrieden sind, ist Ihr Problem, das Problem der Bundesregierung und Ihres. Ich kann Sie nur fragen, ob Sie nun zu der Antwort eine Zusatzfrage haben oder nicht; sonst rufe ich Ihre nächste Frage auf.
Nein, Herr Präsident, unter dieser Prämisse habe ich eine Zusatzfrage. Trifft es zu, daß bei der deutschen Botschaft in Pakistan ein Besuchsvisum gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200 000 Rupien - das war meine ursprüngliche Frage - erteilt werden kann?
Herr Kollege, Herr Präsident, ich glaube, es ist tatsächlich richtig, daß eine Frage übersprungen wurde. Das hängt damit zusammen, daß eine Fülle von Fragen ausgefallen ist und diese Frage beim Umblättern verschwand. Ich kenne aber sowohl die Frage als auch die Antwort.
({0})
- Ich habe bereits die nächste Frage beantwortet.
Ich darf noch einmal sagen: Es geht nicht um die Höhe des Geldbetrags, der hinterlegt werden muß, sondern die Zusammenhänge sind die, die ich Ihnen bereits mit der Beantwortung der nächsten Frage angedeutet habe, daß nämlich in bestimmten Fällen eine solche Kaution erforderlich ist, deren Höhe in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ist.
Diese Kaution allein ist aber nicht ausreichend, weil sie für einen großen Teil der Betroffenen kein Argument darstellt, um nicht doch in dem Land zu bleiben, für das sie ein Besuchsvisum beantragt haben, so daß mit der hinterlegten Kaution nicht schon gewährleistet wird, daß der Betreffende nicht doch im gewünschten Einreiseland bleibt. Insofern wird eine solche Kaution oft gar nicht mehr erhoben, sondern es geht um die Gründe, die ich Ihnen bei der Beantwortung der nächsten Frage bereits genannt habe. Es muß geklärt sein, inwieweit einigermaßen sicher ist, daß sich der Antragsteller unter Hinterlegung einer Kaution nicht absetzt.
Herr Kollege Hartenbach, eine zweite Zusatzfrage.
Natürlich habe ich noch eine zweite Zusatzfrage. Wie viele Fälle, Herr Schäfer, sind Ihnen bekannt, bei denen die deutsche Botschaft in Pakistan eine Sicherheitsleistung gefordert hat, und in wie vielen Fällen hat sich derjenige oder diejenige, der oder die das Visum erhalten hat - um in Ihrer Wortwahl zu bleiben -, abgesetzt, ist also nicht nach Pakistan zurückgekehrt?
Sie wollen jetzt sämtliche Vorfälle kennen. Danach hatten Sie aber nicht gefragt. Das kann ich Ihnen nur schriftlich nachreichen. Ich kann jetzt nicht unmittelbar sagen, wie viele eine Kaution hinterlegt haben und wie viele nicht. Ich muß das nachprüfen. Das ist übrigens nicht nur Praxis in Pakistan, sondern in allen anderen Staaten, in denen es erforderlich scheint.
Ich rufe die Frage 62 des Kollegen Hartenbach auf:
({0})
Warum ist es für die Erteilung eines Besuchervisums für einen pakistanischen Staatsangehörigen nicht ausreichend, wenn ein hier lebender, arbeitender und gut verdienender Verwandter an Eides Statt erklärt, daß er für alle evtl. entstehenden Kosten - einschließlich einer evtl. zwangsweisen Zurückführung - aufkommen wird?
Herr Präsident, die Frage ist bereits beantwortet.
Dann haben Sie, Herr Kollege Hartenbach, zu der bereits erteilten Antwort zwei Zusatzfragen.
Gestatten Sie mir, nachdem Sie mit der Beantwortung der Frage 62 schon zu schnell waren, Herr Staatsminister, noch eine Zusatzfrage? Es geht darum, ob eine eidesstattliche Versicherung ausreicht. Wäre es Ihnen ausreichend, wenn ein Verwandter, der hier in gesicherten Verhältnissen lebt, eine notarielle Urkunde, in der er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, unterzeichnet, damit der Neffe, die Nichte aus einem der asiatischen Staaten zu einem Besuch in die Bundesrepublik Deutschland kommen kann? Wäre Ihnen das ausreichend?
Es geht nicht damm, Herr Kollege, ob es mir ausreichend wäre, sondern es geht darum, ob es der Bundesrepublik Deutschland ausreicht. Ich darf Ihnen sagen, daß es nicht ausreicht.
Es geht nicht darum, daß die Gastgeber versichern, sie würden auf Grund ihres Vermögens dazu beitragen, den Betreffenden, wenn er nicht mehr ausreisen will, bei einer Zwangsausreise dazu zu bringen, daß er ausreist, sondern es geht ganz generell darum, daß nicht die Verhältnisse des Gastgebers ausreichend sind, auch wenn sie finanziell in Ordnung sind. Es geht darum, daß wir nach Möglichkeit von vornherein ausschließen wollen, daß ein Besuchervisum ausgestellt wird, wenn der Verdacht besteht, daß der Betreffende es möglicherweise ausnutzt, um in Deutschland zu bleiben.
Sie wissen, daß das keine Angelegenheit des Auswärtigen Amtes, sondern die Folge eines Mißbrauchs ist, der sehr häufig auch von den Ländern kritisiert wurde und das Auswärtige Amt dazu gebracht hat, genau so zu verfahren, wie unsere Bundesländer es für notwendig halten.
Dann kommt eine Zusatzfrage von Herrn von Larcher.
Herr Staatsminister, können Sie mir sagen, wie viele Visumanträge aus den asiatischen Ländern - also nicht nur aus einem - abgelehnt und wie viele Visa erteilt wurden?
Herr Kollege, das ist natürlich eine statistische Frage, deren Beantwortung ich Ihnen jetzt nicht aus dem Ärmel schütten kann. Wenn diese Fragestunde noch andauert, kommen wir zur Beantwortung einer Frage, in der eine lange Liste von Versagungen von Visen, aber auch von erteilten Visa aufgeführt wird. Ich möchte in dieser Mappe aber nicht mehr blättern, sonst entstehen ähnliche Probleme wie bei der Beantwortung eben. Ich kann Ihnen die entsprechende Antwort nachher gern überreichen. Es ist ein ganz erheblicher Teil, der aber nicht über etwa 10 Prozent hinausgeht.
Dann kommen wir zu der Frage 65 des Kollegen von Larcher:
Müssen philippinische Staatsangehörige, insbesondere Studenten, besondere Voraussetzungen erfüllen, um ein Visum zum Besuch ihrer in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten zu erhalten, wenn ja, welche Voraussetzungen sind dies?
Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege von Larcher, Ihre beiden Fragen gemeinsam beantworten zu lassen.
({0})
- Dann rufe ich auch die Frage 66 des Kollegen von Larcher auf:
Trifft es zu, daß es keinem asiatischen Staatsbürger möglich ist, für die Bundesrepublik Deutschland ein Besuchsvisum zu erhalten, wenn er oder sie in ihrem Heimatland nicht verheiratet ist?
Herr Staatsminister, beantworten Sie also bitte die Fragen 65 und 66.
Auf Frage 65 möchte ich antworten: Nein. Die Visumserteilung an philippinische Staatsangehörige erfolgt nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Bestimmungen. Diese sind auch bei der Visumserteilung an philippinische Studenten anzuwenden.
Auf Frage 66 möchte ich antworten: Es trifft auch nicht zu, daß asiatischen Staatsangehörigen für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nur dann ein Besuchervisum erteilt wird, wenn sie verheiratet sind.
Ihre Zusatzfragen, Herr von Larcher.
Meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf einen ganz konkreten Fall. Trifft es zu, daß die Bundesregierung oder die Botschaft eine Verheiratung im Heimatland als Nachweis für die Rückkehrbereitschaft anerkennt, ein Zusammenleben mit der dort lebenden Mutter allerdings nicht?
Herr Kollege, ich kann auf Fragen zu Einzelfällen keine generellen Antworten geben, weil nachgeprüft werden müßte - Detlev von Larcher ({0}): Ich will eine generelle Antwort haben.
Es gibt keine solche.
Ich habe nur gesagt, daß sie auf Grund eines konkreten Falles entstanden ist.
Ich kann Ihnen sagen: Generell trifft das nicht zu. Wie das in dem von Ihnen genannten Einzelfall war, müßten wir überprüfen. Ich stehe auch dazu gern zur Verfügung.
Weitere Zusatzfragen?
Herr Staatssekretär, eine abschließende Zusatzfrage.
Staatsminister!
Herr Staatsminister, Entschuldigung.
({0})
- Ja, Ehre, wem Ehre gebührt.
Sie kennen das Auswärtige Amt nicht von innen.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß es für Bürger bestimmter Länder ganz, ganz schwierig ist, hier lebende Verwandte zu besuchen? Das heißt, daß ein ganz normales Verhalten von Menschen, ihre Verwandten zu besuchen, die alle Sicherheitsleistungen übernehmen und die sich verpflichten müssen, auch für die zwangsweise Rückführung zu bezahlen, so erschwert wird. Es ist ganz schwierig, zu uns, in ein freies Land, zu Besuch zu kommen. Was würden Sie dazu sagen, wenn uns Deutschen das in anderen Ländern ebenso ginge?
Herr Kollege, ich will jetzt nicht generell sagen, daß Deutschen die Rückkehr in ihre Heimat leichterfällt als manchem Ausländer, der seine Heimat verlassen hat; Sie wissen, was ich meine.
Ich kann nur sagen: Wenn die Ausreise - auch zu Verwandten - aus bestimmten Ländern, wie Sie hier so schön formuliert haben, leider nicht mehr in dem Umfang gestattet werden kann, wie es vielleicht vor Jahren mal der Fall war, dann hängt das mit dem enormen Mißbrauch zusammen, der leider Gottes betrieben wurde.
Sie wissen ganz genau - ich habe es vorhin bei der Beantwortung einer anderen Frage bereits gesagt -, daß es nicht zuletzt die deutschen Länder waren, die darauf gedrungen haben, daß auch das Auswärtige Amt bei der Vergabe von Visen sehr vorsichtig sein muß, um dem Mißbrauch vorzubeugen. Es geht dabei natürlich um bestimmte Länder, das ist ganz klar, wo es schwieriger ist - das trifft zu -, ein Besuchervisum zu bekommen, nachdem es eben einen vieltausendfachen Mißbrauch auch mit Besuchervisen gegeben hat.
Vielen Dank. Damit sind wir am Ende der Zeit, die für die Fragestunde vorgesehen ist.
Die Fragen 67 bis 77 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 78 bis 81 werden zurückgezogen. Damit schließe ich die Fragestunde.
Ich erteile zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Peter Struck das Wort.
({0})
Herr Präsident! Wie Sie selbst erleben konnten und wie es nicht anders zu erwarten war, hat die Bundesregierung die Fragen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit völlig unzureichend, eher hilflos sich darstellend, zu beantworten versucht. Deshalb beantrage ich eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. Herr Präsident, der erste Redner der SPD wird Kollege Klaus Kirschner sein.
({0})
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der SPD hat, wie bereits vor Beginn der Fragestunde feststand
({0})
- ich fürchte, man kann -, die Antworten der Bundesregierung zu Fragen zur Gesundheitsreform als nicht ausreichend empfunden und eine Aktuelle Stunde verlangt.
({1})
Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für Aktuelle Stunden. Die Aussprache muß unmittelbar nach Schluß der Fragestunde stattfinden.
({2})
- Darf ich die Kolleginnen und Kollegen bitten, den Ablauf eher zu befördern als zu hemmen.
Aktuelle Stunde
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Kirschner das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst wenn wir die Aktuelle Stunde schon vorher beantragt hätten, so hinge das einfach damit zusammen, daß wir wußten, daß die Bundesregierung die Fragen nicht eindeutig beantwortet.
({0})
Das ist einfach der Punkt.
Meine Damen und Herren, die heutige Fragestunde deckt eindeutig auf: Der Bundesminister für Gesundheit zeigt keinerlei Interesse an klaren Informationen über Leistungen und Kosten im Gesundheitswesen.
({1})
Es ist geradezu skandalös, mit welcher Ignoranz bewußt hingenommen wird, daß die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen zu den Informationsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung von dem Bundesgesundheitsminister nicht umgesetzt und ausgehebelt werden. Es drängt sich sogar der Eindruck auf, daß die Bundesregierung Transparenz in der gesetzlichen Krankenversicherung verhindern will. Oder wie ist die Presseerklärung des beamteten Staatssekretärs im Gesundheitsministerium zu werten, Herr Kollege Zöller, in dem dieser begrüßt, daß der Diagnoseschlüssel, also der ICD 10, über den wir vorher geredet haben, erst zwei Jahre später, als das Gesetz es vorsieht, eingeführt wird?
Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung will in schamloser Weise bei den Kranken weitere 5,3 Milliarden DM abkassieren. Hier handelt sie schnell, druckvoll und erbarmungslos. Wenn es aber um Transparenz bei den Kosten und bei den Leistungen geht, dann krümmt sie keinen Finger - ich lege Wert darauf, dies zu sagen -, um bestehende Gesetze schnell, druckvoll und gesetzeskonform umzusetzen.
({2})
Beispiele hat die Fragestunde klar hervorgebracht.
Nahezu 1 Milliarde DM monatlich beträgt das Abrechnungsvolumen, das die Krankenkassen ungeprüft begleichen müssen, obwohl die Daten für eine Prüfung ab Januar 1996 bereitgestellt werden müssen.
Obwohl mit dem Diagnoseschlüssel ICD 10 seit 1. Januar 1995 laut Sozialgesetzbuch V verbindlich gearbeitet werden muß, begrüßt der Staatssekretär eine weitere Verschiebung um zwei Jahre. Wenn Verbesserungen notwendig sind, wäre mit der entsprechenden ministeriellen Nachhilfe auch ein halbes Jahr für notwendige Nachbesserungen völlig ausreichend gewesen.
Diese Duldung und teilweise Unterstützung von Gesetzesbrüchen hat Strategie. Das Abkassieren bei den Beitragszahlern und vor allem bei den Versicherten und Kranken ist einfacher, wenn kein Nachweis über unwirtschaftliches Verhalten, zum Beispiel der Ärzte und anderer Leistungserbringer, geführt werden kann und wenn die Qualität der erbrachten Leistungen nur unzureichend erfaßt und damit unüberprüfbar ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der 260 Milliarden DM schwere Supertanker Krankenversicherung wird aus dem Bauch heraus gesteuert. Kein Unternehmen kann es sich heute leisten, ohne entsprechende betriebs- und volkswirtschaftliche Kennzahlen Entscheidungen zu treffen. Wir tun das, obwohl das Gesetz die entsprechenden Datengrundlagen vorsieht. Sie werden aber nicht umgesetzt, und der Bundesgesundheitsminister tut nichts dazu, daß das Gesetz vollzogen wird. Offensichtlich fühlt er sich in seiner Unwissenheit darüber, was um ihn herum passiert, sehr wohl.
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Wo gibt es heute - außer in der Krankenversicherung - eine Situation, in der Leistungen bezahlt werden, ohne daß man weiß, in welchem Umfang und in welcher Qualität die Leistungen erbracht werden? Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz wurden die Weichen für eine vernünftige und sinnvolle Leistungs- und Kostentransparenz geschaffen.
Ich will den Bundesgesundheitsminister daran erinnern, daß er selber die Zahl von 25 Milliarden DM, wenn die besagte Zeitung ihn richtig zitiert hat, nennt, die für Unnötiges oder, wie er sagt, für Schnickschnack ausgegeben wird. Die Antwort auf die Frage „Wo und warum?" bleibt er schuldig. Die Bundesregierung kann auch nicht die Frage beantworten - das haben wir ebenfalls im Gesundheitsausschuß erlebt -: Woher kommt die Fallzahlsteigerung bei Operationen sowohl im stationären Bereich als auch im ambulant-stationären Bereich, als auch im ambulant-niedergelassenen Bereich? - Die Staatssekretärin verweist sogar darauf, daß die Datengrundlagen fehlen.
Einen deutlicheren Beweis dafür, daß es notwendig ist, diese Daten zu liefern, kann es nicht geben. Das Ganze macht deutlich, wie dringend notwendig Datentransparenz ist, und zwar nicht, um neue Datenfriedhöfe zu schaffen, sondern um das Leistungsgeschehen transparenter zu machen. Um nichts anderes geht es uns.
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Kollege Matthäus Strebl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die SPD hat eine Aktuelle Stunde beantragt, die überflüssig ist wie ein Kropf.
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Eigentlich wurden die ganzen Fragen in der Fragestunde von der Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium vollends beantwortet. Aber wir kommen Ihrem Wunsche sehr gern nach.
Alle Leistungserbringer, Ärzte und Apotheker, sind vom Gesetzgeber verpflichtet worden, zusätzlich zu ihren Produkten und Dienstleistungen Transparenz durch die Bereitstellung elektronischer Datenträger zu ermöglichen. Die Details müssen in besonderen Verträgen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Verbänden der Leistungserbringer vereinbart werden. Im Arzneimittelbereich ist dies mit Vertrag zwischen den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband geschehen.
Konkret verpflichtet zur Datenlieferung sind die Apotheken. Um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, bedienen sich bereits etwa 90 Prozent der Apotheken sogenannter Rechenzentren. Diese Rechenzentren stehen in Verbindung mit den Krankenkassen und rechnen die erbrachten Leistungen für die Apotheker mit den Kassen ab. Sie sind auch verpflichtet, die Daten zu liefern. Für den größten Teil der Apotheken arbeiten vier apothekeneigene Rechenzentren. Zwei dieser Rechenzentren liefern die Daten verpflichtungsgemäß, während zwei in Verzug geraten sind.
Die Ursache für diese Verzögerung liegt in der verspäteten Softwarelieferung durch die EDV-Vertragsfirmen. Während die lieferbereiten Rechenzentren ihre Software anderweitig bezogen haben, hatten sich die jetzt in Verzug geratenen zwei Zentren vertraglich an deutsche Softwarehersteller gebunden.
Während noch im Januar dieses Jahres fristgerechte Lieferung von den Firmen in Aussicht gestellt wurde, wurde Ende März dem Bundesminister für Gesundheit mitgeteilt, daß die Firmen nicht in der Lage seien, ihre vertraglichen Verpflichtungen zeitgerecht zu erfüllen. In diesem Brief wurde um Fristverlängerung und Übergangsfristen gebeten.
Ab diesem Zeitpunkt begannen hektische Verhandlungen, um die Leistungsverzögerung durch andere Zentren auszugleichen. Die beiden funktionsfähigen Zentren, die, wie erwähnt, anderweitig Softwarelieferverträge abgeschlossen hatten, versuchten, die Verpflichtungen der anderen beiden, säumigen Zentren zu übernehmen. Dies gelang nicht, weil die unterschiedlichen Systeme nicht ohne Schwierigkeiten und nur unter großem Zeitverlust übertragbar und auswechselbar waren.
Eine weitere Ausweichmöglichkeit besteht nicht, da es in Deutschland keine Rechenzentren gibt, die diese Aufgaben hätten übernehmen können.
In einer Vereinbarung zur Verbesserung der Lieferung von Rezeptdaten vom Mai dieses Jahres hatten sich die Spitzenverbände dann geeinigt. Wenn alles nach Plan läuft, ist bis Ende Januar 1997 der komplette Datenbestand für 1996 geliefert. Während dieser Zeit zahlen die Kassen die Leistungen an die Apotheken unter Vorbehalt. Weiterhin haben sich die Rechenzentren verpflichtet, die aus der terminlich verschobenen Datenlieferung entstandenen Schäden zu zahlen. Außerdem hat sich der deutsche Apothekerverband verpflichtet, die sogenannten Frühwarndaten bereitzustellen, um die Wirtschaftlichkeitsprüfungen und die Steuerung der Ausgaben in Verbindung mit den Ärzteverbänden zu ermöglichen.
Die Rechenzentren arbeiten in enger Verbindung mit den funktionierenden Rechenzentren auf Hochdruck. Ihre Arbeitsplätze sind ausgeweitet worden, die Software und Hardware erweitert worden, so daß heute davon ausgegangen werden kann, daß die gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden.
Nach all dem kann ich beim besten Willen keinen Grund für Panik erkennen. Daß bei Einführung neuer elektronischer Rechner Verzögerungen und sogar Fehler auftreten können, erscheint mir relativ normal. Um so schneller kann man aus diesen Fehlern lernen und Konsequenzen daraus ziehen.
Da im übrigen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung auch jeweils die Daten für 1995, die ja vorliegen, herangezogen werden können und die Kassen unter Vorbehalt zahlen, kann ich noch viel weniger einen Grund für die Aufregung erkennen, auf Grund deren die heutige Aktuelle Stunde von der Opposition, von der SPD, beantragt worden ist.
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Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So schwer ist die Aktualität nicht zu erkennen. Wir wissen ja, daß der ICD 10 eine Vereinbarung ist, die Sie untereinander getroffen haben. Es gibt auch eine Vereinbarung, bis Ende dieses Jahres einen überarbeiteten Diagnoseschlüssel vorzulegen.
Sie wissen aber, daß wir von unserer Seite den ICD 10, der aus einer Todesursachenstatistik entstanden ist, gerade nicht als das probate Mittel ansehen, für Kostentransparenz und Kosteneffizienz im Gesundheitswesen zu sorgen.
Trotzdem stimmt es natürlich, daß die Bundesregierung ein Gesetz in Kraft gesetzt hat und nichts nach Gesetzesregeln läuft. Insofern ist der rechtliche Zustand schon sehr problematisch.
Der § 270a, über den wir vorhin in der Fragestunde einiges gehört haben und bei dem in der Öffentlichkeit vielleicht der Eindruck entstehen konnte, daß wir hier eine Einführung in das Abrechnungswesen im Gesundheitswesen bekommen, hat doch eine
große politische Relevanz. Denn immerhin soll mit diesem Paragraphen die Wirtschaftlichkeit überprüft werden, und er bietet zugleich die Voraussetzung für die Krankenkassen, die Grundlohnsummenentwicklung zu beurteilen. Das ist in der Tat bei der Ökonomisierung der Gesundheitspolitik, wie wir sie erleben, eine sehr zentrale Frage: Auf welcher Basis wird sich die Beitragssatzentwicklung vollziehen? Welches sind die gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen für eine Beitragssatzstabilität?
Wir hatten in der letzten Woche eine Anhörung zu Ihrem Kürzungskatalog, der in seiner unsozialen Dimension und mit seinen gewissen zynischen Seiten kaum übertroffen werden kann. Dort haben die Sachverständigen der Bundesregierung teilweise die Schamröte ins Gesicht getrieben. Es ist nämlich klargeworden, daß bestimmte buchhalterische Grundlagen, die diesem Gesetz zugrunde gelegt werden, von der Bundesregierung nicht im mindesten erfüllt werden können. So wissen wir, daß die vorgeschlagene Kürzung der Lohnfortzahlung zugleich die Einnahmen der Krankenkassen vermindert, daß Luftbuchungen vorgenommen werden, die in keiner Weise sicherstellen können, daß die Beitragssatzsenkungen, die Sie mit Mitteln anstreben, die wir in keiner Weise akzeptieren können, erreicht werden.
Vorhin hat die Frau Staatssekretärin sehr deutlich gesagt: Es geht bei diesem Beitragsentlastungsgesetz überhaupt nicht um gesundheitsökonomisch vernünftige Fragen, sondern es geht Ihnen lediglich darum, in diese Kürzungsszenarien einzusteigen und ohne Sinn und Verstand im Gesundheitswesen zu streichen.
({0})
Sie wissen, daß wir Grünen im Zusammenhang mit der Kostentransparenz die Qualitätssicherung in den Mittelpunkt stellen und daß wir nicht sehr viel Hoffnung haben, daß der ICD 10 das geeignete Instrument ist. Wenn wir die Qualitätssicherung in den Mittelpunkt stellen und fragen, ob die Ressourcen sinnvoll und patientenzentriert eingesetzt werden, kommen wir hinsichtlich der Gesundheitspolitik und der Gesundheitsstrukturpolitik zu anderen Ergebnissen. Dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß eine sektorale Budgetierung und auch das, was im Arzneimittelbereich geschieht, in keiner Weise die Antworten darstellen, die wir benötigen. Wir müssen vielmehr über ein Globalbudget diskutieren, auch über eine regionale Verteilung des Globalbudgets. Dann müssen wir auch darüber diskutieren, wo in diesem Gesundheitswesen die Strukturreformelemente wirklich liegen. Sie liegen nicht in der Deregulierung, sondern in der Dezentralisierung.
Wir sollten also das Globalbudget auf die Ebene des Regionalbudgets herunterziehen; dann können wir integrierte Versorgungsbedarfe ermitteln, bei denen die Arzneimittelversorgung einen Teil der Versorgungsnotwendigkeiten darstellt. Dann kann man vernünftig über Kosten reden und muß nicht kürzen.
Dann kann man eine qualitativ ausgerichtete Gesundheitspolitik betreiben.
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Erlauben Sie mir bitte eine kleine Bemerkung über die Dialektik des Parlamentarismus, die manchesmal eine sympathische menschliche Dimension hat. Die von dem Kollegen Strebl als überflüssig bezeichnete Aktuelle Stunde hat ihm immerhin dazu verholfen, heute seine erste Rede im Deutschen Bundestag zu halten.
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Jürgen Möllemann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der festen Überzeugung, daß dies auch das einzige Bemerkenswerte an dieser Aktuellen Stunde ist,
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jedenfalls was die Aktualität angeht. Ich weiß nicht, ob wir uns einen Gefallen damit tun, Themen, die wir in den letzten Tagen und Wochen zum Teil in Einzelberatungen abgehandelt haben,
({1})
zum Teil in nächster Zeit behandeln werden - sei es im Vermittlungsausschuß,
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sei es in der einzusetzenden Arbeitsgruppe -, in einer ziemlich willkürlichen Zusammenwürfelung nur deswegen wiederzukäuen, weil man sich vor der Fragestunde dazu entschieden hatte - das wissen Sie doch ganz genau: Frau Bergmann-Pohl hätte sagen können, was immer sie wollte -, eine Aktuelle Stunde durchzuführen. So machen wir das Instrument der Aktuellen Stunde lächerlich. Das bringt doch überhaupt nichts!
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Ich fand an den Ausführungen von Frau Bergmann-Pohl nichts, was eine Aktuelle Stunde gerechtfertigt hätte, aber etwas, was ärgerlich war - nicht weil sie es gesagt hat, sondern was den Inhalt angeht -, nämlich die Tatsache, daß gegen das frühere Bundesgesundheitsamt, das heutige BfArM, 385mal geklagt werden mußte, meist von kleinen und mittleren Betrieben, weil die Bearbeitungszeiten bei der Genehmigung von neuen Produkten so unerträglich lang waren.
Wenn man sich überlegt, was das für kleine Firmen
bedeutet und wieviel Steuermitteln es kostet, so ist
das ein Ärgernis. Ich habe die herzliche Bitte an den
Bundesminister und sein Ministerium, diesem Mißstand abzuhelfen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben zu dem wunderschönen Thema ICD 10 eine intensive Debatte geführt.
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Die liegt noch nicht so lange zurück, als daß hier einer allen Ernstes meinen könnte, daß das damals mitgeteilte, weil zuvor verabredete Verfahren
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bereits zu Ergebnissen geführt haben könnte. Mit den Beteiligten war das Verfahren mit dem Ziel verabredet worden,
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einem offenkundig über das Ziel hinausschießenden Vorschlag eine handhabbare Form zu geben. Ärzte, die auch Ihnen nahestehen, haben Ihnen wie uns gesagt, daß die gleichzeitige Einführung des neuen Diagnoseschlüssels, des einheitlichen Bewertungsmaßstabs und der neuen Gebührenordnung für Ärzte insbesondere die niedergelassenen Ärzte mit kleinen Praxen über Gebühr strapazieren würde und daß darüber hinaus die Aussagekraft dieses Diagnoseschlüssels vor allem für die praktische Arbeit, aber auch für die Auswertung durch die Kassen in Zweifel zu ziehen sei. Das alles haben wir hier erörtert, und es gibt nichts, überhaupt nichts, was an dieser Frage jetzt aktuell wäre.
Ich würde Sie, Herr Kirschner, und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der SPD herzlich bitten, wenn Sie die Einsparmaßnahmen, die wir heute im Ausschuß beraten haben - wiederum: Was ist daran aktuell, wo wir es gerade im Ausschuß behandelt haben? - und mit anderen strukturellen Veränderungen anstreben, verbessern wollen, nicht davon zu reden, daß dies mit noch mehr Bürokratie schneller zu erreichen sei. Sie sprechen von Transparenz.
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Wenn Sie Transparenz wollen, warum in drei Teufels Namen - oder ähnlicher Herrschaften Namen - sind Sie dann gegen Kostenerstattung? Helfen Sie uns doch bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß, das Kostenerstattungsprinzip durchzusetzen! Damit tun Sie uns einen Gefallen.
Mehr wollte ich bei dieser Gelegenheit zu dieser nichtaktuellen Stunde nicht sagen.
Schönen Tag noch!
({9})
Frau Kollegin Dr. Ruth Fuchs, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Möllemann! Ich denke doch, daß die Zauberworte der meisten Debatten, die in letzter Zeit hier stattfinden, Einsparung und Kostensenkung lauten. Damit sehe ich schon eine Aktualität des Sachverhalts, über den wir heute diskutieren.
Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz wurden bekanntlich auch umfangreiche Regelungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Kosten- und Leistungstransparenz in den einzelnen Bereichen des Gesundheitswesens getroffen. Mit diesen Regelungen waren und sind noch immer beträchtliche Erwartungen im Hinblick auf eine bessere Ausgabensteuerung verbunden. Unter anderem sollte durch die Schaffung einer entsprechenden Datenbasis bei den Apotheken und ihre Übermittlung an die Krankenkassen ein Instrument für eine flankierende Steuerung der Arzneimittelbudgets geschaffen werden.
Die Verschlüsselung der ärztlichen Diagnosen auf den Abrechnungsscheinen ambulanter Behandlung und den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab 1. Januar 1995 wiederum sollte dazu beitragen, das Abrechnungsgeschehen zwischen Ärzten und Kassen transparenter zu machen. Unabhängig von der Zweckmäßigkeit dieser Vorhaben hatte die Exekutive damit einen festen Auftrag des Gesetzgebers, den es sachlich richtig und vor allem auch fristgerecht umzusetzen galt.
Das Ergebnis - das hat die heutige Fragestunde aus meiner Sicht erneut in eklatanter Weise bestätigt - ist ein einziges Fiasko.
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Was sich das Bundesministerium für Gesundheit in diesem Zusammenhang an elementaren Fehlern geleistet hat, zeugt entweder von einem erschreckenden Mangel an Kompetenz oder zumindest von unglaublicher Leichtfertigkeit.
So gehört es bekanntlich zu den international üblichen Grundregeln, daß bei Einführung von Diagnoseschlüsseln der internationalen Klassifikation von Krankheiten in einem bestimmten Land diese Schlüssel sowohl für den spezifischen Anwendungszweck als auch für die jeweiligen Bedingungen des Landes überarbeitet und erprobt werden müssen. Dazu hatte die Bundesregierung seit Ende 1992 Zeit. Aber erst in diesem Jahr wurden entsprechende Festlegungen getroffen.
Immerhin haben mittlerweile die eingetretenen Verzögerungen schon verschiedentlich in den Zustand der Gesetzlosigkeit geführt. Dafür steht die Exekutive in der Begründungspflicht.
Wir meinen allerdings: Was im Gesundheitswesen not tut, ist weniger so etwas wie die 1992 beschlossenen zeit- und kraftraubenden Transparenzregelungen. Notwendig ist vielmehr - man kann es nicht oft genug wiederholen - die Beseitigung jener Fehlsteuerungen, deren unerwünschte Ergebnisse anschließend durch Aufzeichnung, Übermittlung und
Auswertung von gewaltigen Datenmengen wieder eingedämmt werden sollen. Das aber bedeutet erneut zusätzlichen Aufwand und weitere Belastung der Ärzte, der Schwestern und des anderen medizinischen Personals mit unerträglicher Bürokratie.
Die Aufhebung der Einzelleistungsvergütung und die damit verbundene Zurückdrängung medizinisch nicht begründbarer Mengenausweitungen würde beispielsweise die für den vorgesehenen Zweck ohnehin untaugliche Verschlüsselung ambulanter Diagnosen völlig überflüssig machen. Um das überhöhte Arzneimittelvolumen endlich wirksam zu senken, braucht man dann keine Budgetierung und keine damit verbundenen neuen Datenfriedhöfe, wenn es endlich zur Positivliste, zur Verbesserung der ärztlichen Aus- und Weiterbildung, zu einer herstellerunabhängigen Information und Beratung der Ärzte, zu einem Werbeverbot für Arzneimittel in Massenmedien und Öffentlichkeit und anderem käme.
Unser Fazit: Natürlich muß das Versagen der Bundesregierung bei der Umsetzung der Transparenzregelung deutlich gemacht werden. Für die Lösung der Probleme des Gesundheitswesens hat es in diesem Fall allerdings nur begrenzte Relevanz.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Gesundheit, Horst Seehofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst der Frau Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Bergmann-Pohl dafür danken, daß sie die Fragen in der Fragestunde für die Bundesregierung in so hervorragender Weise beantwortet hat.
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Darüber hinaus möchte ich für die Öffentlichkeit festhalten, über was wir hier heute diskutieren: Es geht um den ICD 10, im Klartext darum, daß an Stelle einer Diagnose in Worten die Diagnose in Zahlen ausgedrückt wird. In welch erbarmungswürdigem Zustand muß eigentlich eine Opposition sein, wenn sie wie die SPD zu diesem völlig nebensächlichen Problem eine Aktuelle Stunde hier im Deutschen Bundestag beantragt?
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Natürlich: In den letzten drei, vier Jahren ist mehr geschehen als in der über hundertjährigen Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung. Es geht immerhin darum, die Zettelwirtschaft mit 1,5 Milliarden Belegen auf eine datengerechte Verarbeitung umzustellen:
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450 Millionen Abrechnungsscheine von Ärzten, 100 Millionen Abrechnungsscheine von Zahnärzten, 700 Millionen Arzneimittelrezepturen, 200 Millionen Heil- und Hilfsmittelrezepte, 55 Millionen Belege von Krankenhäusern. Es geht um 72 Millionen Versichertenkarten, Hunderttausende von Beteiligten, 300 000 Leistungserbringer, 960 Krankenkassen.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Größenordnung kann selbst der naivste Betrachter nicht davon ausgehen, daß die in über hundertjähriger Geschichte gewachsene Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung von heute auf morgen reibungslos umzustellen ist.
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Ich bin eher erstaunt darüber, was alles die Beteiligten in den letzten zwei Jahren mit ungeheurer Kreativität und Flexibilität auf den Weg gebracht haben, und möchte ihnen dafür danken, daß sie das getan haben.
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Wie weit die SPD neben jeder Realität steht, zeigt, daß jeder Punkt, den wir vereinbart haben - sei es mit den Ärzten, sei es mit den Apothekern -, in vollem Einvernehmen und unterschriftlich auch mit den gesetzlichen Krankenkassen erfolgt ist. In den gesetzlichen Krankenkassen sitzen wieder Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter - also nicht nur die Manager -, und deren Zustimmung haben wir beim Vollzug immer gehabt. Sie stehen neben den Praktikern des deutschen Gesundheitswesens. Sie kritisieren etwas, was wir mit den Praktikern des deutschen Gesundheitswesens vertraglich vereinbart haben, sei es mit den Apothekern, sei es mit den Ärzten.
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Ich möchte heute einmal an Sie, Herr Kirschner, an Herrn Wodarg, an Herrn Pfaff und an Herrn Knaape appellieren: Sind wir denn wirklich schon soweit in der Bundesrepublik Deutschland, daß wir uns wegen einer absoluten Nebensächlichkeit, wegen eines Randproblems in eine Aktuelle Stunde treiben lassen, weil bestimmte Scharfmacher in Ihrer Fraktion das für nötig halten? Herr Kirschner, Herr Pfaff, Herr Knaape, Sie vertreten das, was Sie hier sagen, auf keiner Ärzteversammlung, auf keiner Apothekerversammlung.
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Sie können doch nicht ernsthaft dafür sein, daß ein kleiner Freiberufler, ein kleiner mittelständischer Betrieb, ein Apotheker, nur deshalb, weil es einen internationalen Diagnoseschlüssel gibt, von uns zu einem bürokratischen Aufwand getrieben wird, daß ihm
Hören und Sehen vergehen. Das kann doch nicht Ihr Interesse sein!
({7})
- Herr Kirschner, da sind die Krankenkassen fortschrittlicher, dynamischer und moderner als die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Die Krankenkassen sind heute in ihren Auffassungen weiter als Sie.
Mir fehlt dafür jedes Verständnis. Wir haben in der gesetzlichen Krankenversicherung ganz andere Probleme. Sie haben mich gefragt, ob ich nicht der Meinung bin, daß in der Krankenversicherung 25 Milliarden DM zuviel ausgegeben werden. Natürlich, ich unterstreiche das, und ich bleibe dabei.
({8})
Herr Kirschner, es geht aber doch nicht um den ICD 10 oder die Abrechnungsnummer des Apothekers auf irgendeinem Rezept. Wenn man durch das Aufbringen von Nummern auf Krankenscheine die Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisieren könnte, wäre Sozialpolitik ganz leicht. Mein Gott, wäre es dann für einen Minister oder für die Koalition einfach, die Kosten zu stabilisieren. Das ist aber doch nicht unser Problem.
Sie erachten den ICD 10 als wichtig, um im Rahmen der Arzneimittelverordnung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen zu können. Drei Jahre lang, von 1992 bis 1995, hatten wir den ICD 10 nicht. In dieser Zeit ist es - ohne diese Datenverarbeitung - gelungen, den Arzneimittelverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland um 3 Milliarden DM zurückzuführen. Im Westen der Bundesrepublik Deutschland lag der Arzneimittelverbrauch Ende 1995 auf dem Niveau des Jahres 1992, ohne daß wir den ICD 10 realisiert haben, was Sie kritisierten.
Ich bestreite damit nicht die Notwendigkeit von mehr Transparenz. Wir sollten aber nicht so tun, als ob an dem ICD 10 das Wohl und Wehe der gesetzlichen Krankenversicherung hinge.
Trotz dieser Umstellungsarbeiten haben wir es erreicht, daß wir in der gesetzlichen Krankenversicherung in den meisten Punkten eine maßvolle Ausgabenentwicklung zu verzeichnen haben.
({9})
Schütten Sie das Kind nicht mit dem Bade aus! Der Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt heute im Durchschnitt bei 13,4 Prozent. Ende 1992 lag er ebenfalls bei 13,4 Prozent. Das ist eine erfolgreiche Stabilisierungspolitik: im Durchschnitt keine Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung.
({10})
Wenn Sie die Felder, bei denen man sparen kann, schon nicht ansprechen, dann möchte ich das tun.
Darüber hätte ich lieber eine Aktuelle Stunde geführt.
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Warum führen wir keine Aktuelle Stunde darüber, daß die Kurausgaben in der Bundesrepublik Deutschland seit 1991 mittlerweile um 70 Prozent gestiegen sind?
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Warum beantragen Sie dazu keine Aktuelle Stunde? Sie machen es nicht, weil die Kurausgaben den Versicherten von den Geschäftsführern der gesetzlichen Krankenversicherung zugebilligt wurden und weil Sie da nicht in ein schiefes Licht geraten wollen.
Warum diskutieren wir nicht darüber, daß die Ausgaben der Krankenversicherung für Marketing in den letzten Jahren in zweistelligen Raten gestiegen sind, in den ersten drei Monaten dieses Jahres wiederum um 22 Prozent?
({13})
Warum diskutieren wir nicht darüber, daß die Krankenkassen eine ganzseitige Anzeige aufgeben „AOK-Fit-Eß-Woche '96 vom 10. Mai bis zum 19. Mai", die viel Geld kostet?
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Mit diesem Geld könnte man vielen chronisch kranken Menschen helfen.
({15})
In der gleichen Anzeige steht blanker Schwachsinn: Genuß und Gesundheit sind sehr wohl miteinander vereinbar. - Deshalb wird eine Anzeige aufgegeben, meine Damen und Herren!
Warum diskutieren wir nicht darüber, daß die Kosten für Taxifahrten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Monaten explodiert sind? Warum diskutieren wir nicht über die wahren Probleme? Warum diskutieren wir nicht darüber, daß die Geschäftsführer der gesetzlichen Krankenkassen in den letzten Monaten in einer Größenordnung von plus 50 Prozent - das ist eine Größenordnung, die in die Millionen geht - damit begonnen haben, Haushaltshilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren?
Warum reden wir nicht über die richtigen Probleme? Warum reden wir nicht über die Dinge, die den Kern der gesetzlichen Krankenversicherung angreifen? Für Überflüssiges und Unwirtschaftliches blasen wir Millionenbeträge zum Kamin hinaus
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und gefährden damit die notwendige Hilfe für die kranken Menschen.
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Warum beantragen Sie dazu keine Aktuelle Stunde, meine Damen und Herren?
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Frau Knoche, dazu - ich sage das vorsichtshalber gleich präventiv - brauchen wir keine neuen Paragraphen; dazu brauchen wir nur bei den Geschäftsführern der Krankenkassen mehr Augenmaß und Vernunft. Da liegt das wahre Problem unserer Zeit.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Martin Pfaff.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Anlaß für diese Aktuelle Stunde ist ein sehr realer Anlaß. Herr Strebl hatte wenigstens die Ehrlichkeit, dies zuzugestehen, indem er auf die Abrechnungsprobleme hingewiesen hat. Auch Ihnen, Herr Bundesminister, würde es wirklich gut anstehen, anzuerkennen, daß eine Situation, in der die Krankenkassen 1 Milliarde DM pro Monat auslegen müssen, ohne daß die vom Gesetz vorgesehene Informationsgrundlage gegeben ist, für dieses Haus eigentlich untragbar ist.
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Unsere Aufregung - wir sind aufgeregt und zornig über die Situation - besteht deshalb, weil Sie, Herr Bundesminister, in einem weiteren Bereich etwas aushebeln, was wir in Konsensgesprächen vereinbart haben und was im Gesetz eindeutig festgehalten ist. Dies ist also ein weiteres Mosaiksteinchen in einem düsteren, unerfreulichen Bild.
Dabei hatte alles eigentlich so gut begonnen. Herr Bundesminister, Ihnen war ja das Ministerium sozusagen als Glücksfall nach Frau Hasselfeldt zugekommen, deren größter Fehler wohl darin bestanden hat, daß sie die Anweisungen des Kanzleramts wörtlich genommen hat und die Beitragssatz- und Kostenentwicklung unter der Decke gehalten hat. Sie kamen, fanden eine Liste von Maßnahmen - ich glaube, es waren 17 Punkte - sowie tüchtige Mitarbeiter vor und hatten das Glück, daß Sie durch die Umstände gezwungen wurden, die Forderungen der Opposition, was die Strukturgestaltung angeht, berücksichtigen zu müssen. Sie hatten den Nimbus eines Drachentöters angestrebt und mit unserer Hilfe erreicht.
Was geschah dann? - Das ist ein Teil der Geschichte, den wir heute auch in Erinnerung rufen müssen. Stück für Stück, Schritt für Schritt haben Sie die strukturgestaltenden Elemente des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 schlicht und einfach ausgehebelt. Das hat bei der Positivliste angefangen, hat sich bei der mangelnden Umsetzung der Großgeräterichtlinien fortgesetzt. Dasselbe trifft für die fehlerhafte Umsetzung der Bundespflegesatzverordnung sowie für die mangelnde handwerkliche Professionalität zu, mit der Sie die Rahmenbedingungen für die EBMReform, die von den Verbänden sehr wohl wesentlich zu verantworten ist, mitgestaltet haben. Das setzt sich heute in der mangelnden Umsetzung der Transparenzregelungen fort.
Das alles ist schlimm genug; denn es werden ja die Elemente, die strukturgestaltend sind, außer Kraft gesetzt. Wir wollten alle von dem unsäglichen Zyklus der Kostendämpfungsgesetze wegkommen: Die Kosten steigen; dann wird ein Kostendämpfungsgesetz diskutiert; die Kosten steigen noch mehr, weil alle erwarten, daß es bei der Selbstbeteiligung teurer wird und daß Leistungen ausgegrenzt werden - dies ist der sogenannte Ansage- oder Vorwegnahmeeffekt -; dann kommt die Umsetzung. All das geschieht rein zufällig in einem Wahljahr - ein Schuft, der denkt, daß das, geschehen im Jahre 1989 und wiederum im Jahre 1994, irgend etwas mit Parteipolitik zu tun hat. Das kennen wir!
({1})
Und nach dieser Phase - weil ja die Ursachen und Strukturen nicht verändert wurden - beginnt die Kostendynamik wieder von vorne. Aus dieser unsäglichen Dynamik wollten wir doch gemeinsam - auch Sie mit unserer Hilfe - herauskommen.
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Was haben Sie getan? - Erst im Jahre 1994 und danach scheibchenweise ein Element nach dem anderen neutralisiert. Warum haben Sie es getan? - Blanke Klientelpolitik!
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Erst sind Sie vor der Pharmaindustrie in die Knie gegangen, dann vor den Ärzten und den Zahnärzten und dann vor anderen Leistungserbringern. Jetzt wundern Sie sich, verehrter Herr Bundesminister, nachdem Sie die strukturgestaltenden Elemente eliminiert haben, daß die Gesetze der Kostendynamik wiederkommen. Es wird Sie mehr kosten als die Flasche Sekt, die Sie verloren haben, als Sie es gewagt haben, mit einem der Herausgeber von „Focus" gegen eine meiner Prognosen zu wetten. Ich hatte damals - es war ein gewisses Risiko - prognostiziert, daß das Defizit in jenem Jahr nicht 2 oder 3, sondern 5 oder 6 Milliarden DM ausmachen würde und im Folgejahr 9 bis 15 Milliarden DM.
Ich sage: Es wird Sie sehr viel mehr kosten. Herr Bundesminister, das Problem ist, daß Sie selber alle wesentlichen Bestimmungen ausgehebelt haben, die Ihren Ruf als Bundesminister, der die Strukturen angeht, begründet haben. Es ist in gewisser Weise tragisch. Denn es wird nicht nur ein Bundesgesetz durch den zuständigen Bundesminister nicht umgeDr. Martin Pfaff
setzt; es wird nicht nur ein Gesetz demontiert; ein Bundesminister demontiert sich auf offener Bühne,
({4})
indem er immer mehr Klientelpolitik macht und Strukturelemente aushebelt. Es geht nicht nur um den ICD 10 - dazu werden andere noch etwas sagen -, es geht darum, daß die Verpflichtung der Bundesregierung, den Kassen etwas über die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen zu sagen, einfach nicht eingehalten wird. Wie sollen denn die Krankenkassen mit den Leistungserbringern verhandeln, wenn sie nicht wissen, welchen Spielraum sie haben?
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Wie sollen denn die Krankenkassen ihre eigenen Haushaltspläne rechtzeitig machen?
Bitte keinen Zwischenruf mehr. Die Zeit ist abgelaufen.
Deshalb sage ich, Herr Bundesminister: Was heute ausgehebelt wird, ist nicht nur das Gesundheitsstrukturgesetz, ist nicht nur die Transparenzregelung. Was heute geschieht, ist der letzte Schritt zur Demontage eines Bundesgesundheitsministers, der die Prioritäten nicht richtig gesetzt hat und der scheinbar auch sein Handwerk nicht richtig beherrscht.
({0})
In der Aktuellen Stunde eine Minute zu überziehen heißt, zwanzig Prozent mehr Redezeit zu schinden. Das ist nicht ganz fair.
({0})
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Zöller.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn der Ausführungen etwas ansprechen, und zwar das wirklich seltsame Vorgehen der Opposition. Zum einen weiß die Opposition schon im voraus, daß die Fragen, die sie heute in der Fragestunde gestellt hat, nicht ausreichen würden,
({0})
und muß anschließend eine Aktuelle Stunde beantragen. Hätten Sie den Mut gehabt, über dieses Thema zu sprechen, hätten Sie offiziell eine Aktuelle Stunde mit einer Themenangabe beantragen können. Sie haben hier aber versucht zu tricksen. Das ist nicht die feine Art.
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Zum zweiten möchte ich auf die seltsame Vorgehensweise der Opposition am Beispiel der Diagnoseverschlüsselung ICD 10 inhaltlich eingehen. Die Grünen - Herr Kollege Fischer, daran sind Sie auch beteiligt ({2})
bringen einen Gesetzentwurf ein, in dem sie behaupten - ich zitiere -:
Die Vorschriften der §§ 295 Abs. 1 und 303 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch verletzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Patienten und Ärzten nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und sind somit verfassungswidrig.
Also: Die Grünen wollen den ICD 10 abschaffen.
Heute kommt die SPD gerade mit dem Gegenteil, indem sie der Regierung vorwirft, sie hätte den ICD 10 schon längst umsetzen müssen. Ich frage mich: Was will eigentlich die Opposition?
({3})
Im krassen Gegensatz zu diesem Oppositionswirrwarr steht das Konzept der Koalition. Seit dem 2. Februar 1996 gibt es die Rahmenvereinbarung zwischen den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Krankenhausgesellschaft mit dem wesentlichen Inhalt, daß auf der Grundlage des ICD 10 bis spätestens 31. Dezember 1996 von der Selbstverwaltung ein Vorschlag erarbeitet wird, der die praktische und sinnvolle Anwendbarkeit des Schlüssels sicherstellen wird.
Nach einer Erprobungsphase im Jahre 1997 wird 1998, was auch sinnvoll ist, die Diagnoseverschlüsselung im Krankenhaus wie im ambulanten Bereich verbindlich sein. Es macht doch keinen Sinn, im ambulanten Bereich einen anderen Schlüssel als im Krankenhaus einzuführen. Deshalb ist dieser zeitliche Ablauf sinnvoll.
Auch hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, setzt sich wieder die Lösung durch: Vorfahrt für die Selbstverwaltung. Hier sieht man auch den wesentlichen Unterschied zwischen der Opposition und uns: Sie reklamieren die angeblich nicht strikte Einhaltung eines Gesetzes und wollen sich genau an den Buchstaben des Gesetzes halten, während wir dafür eintreten, daß es sinnvoller ist, dem Sinn und Inhalt des Gesetzes Rechnung zu tragen. Das ist der Unterschied zwischen Bürokratismus und sinnvollem Handeln.
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Herr Kollege Horst Schmidbauer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich so: Wir erleben jede Woche einen Minister, der ein ,,Scheibchen-Gesetz" vorlegt.
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Wenn wir auf die Hauptaufgabe achten, dann erleben wir, daß die Hausaufgaben, nämlich die Umsetzung bestehender Gesetze, mangelhaft gemacht sind; es herrscht Fehlanzeige. Ich denke, auch das ganze Ablenken von heute hilft nichts, Herr Minister. Die Tatsachen liegen doch auf der Hand: Durch die Inflation dieser „Scheibchen-Gesetze" haben wir ein Wirrwarr bei den neu vorgelegten Gesetzentwürfen und beim Vollzug - eigentlich ist es ein Nichtvollzug - bestehender Gesetze.
Ganz konkret: Seit 1989 besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Einführung von Richtgrößen bei Arzneimitteln - Juni 1996: Fehlanzeige. Seit 1989 besteht die gesetzliche Verpflichtung der Apotheken, den Krankenkassen die Abrechnungsdaten zu liefern - Juni 1996: Fehlanzeige. Man hat fast den Eindruck, als wäre bei uns der Wilde Westen ausgebrochen. Die Ausgaben im Arzneimittelbereich steigen unkontrolliert. Es ist völlig anders, als der Minister angibt, denn die Steigerung durch dieses ungesetzliche Handeln geschieht ohne Verantwortung und ohne Sanktion. Ich finde es ganz makaber, wenn vom Minister persönlich ein Freibrief zum Beispiel für die Apotheker ausgestellt wird. Ich möchte diesen Freibrief einmal zitieren. Der Minister schreibt:
Für Schäden der Krankenkassen aus Budgetüberschreitungen und entgangenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen haften die Apotheker auch dann nicht, wenn sie ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zur Datenlieferung auch weiterhin nicht nachkommen.
Der Brief stammt vom 22. Mai 1996.
Es ist auffallend, daß der Minister nichts gegen den Willen bestimmter Gesundheitsberufe entscheidet. Man gewinnt den Eindruck, als wenn sich bestimmte Gesundheitsberufe in der Zwischenzeit eine Art Vetorecht errungen hätten, an dem man nicht vorbeigeht. Aber ich denke, wir sind uns darüber im klaren, daß die Form dieses „Vetorechts", das man einigen Gesundheitsberufen zubilligt, daß dieses Wohlverhalten letztendlich sehr viel Geld kostet.
Ich darf an die Antwort der Bundesregierung erinnern, die bestätigt, daß bereits im ersten Quartal 1996 die Ausgabensteigerung bei Arzneimitteln durchschnittlich 7 Prozent beträgt, bei manchen Krankenkassen - wie wir wissen - 10 Prozent. Wenn dieser Trend nicht durch die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten des Gesetzes verändert wird, bedeutet das, auf das ganze Jahr bezogen, daß auf die Krankenkassen und die Versicherten Belastungen von über 200 Millionen DM zukommen. Wenn man sieht, daß das mehr Geld ist, als wir für die gesamte Prävention ausgeben, und wenn ich mir vorstelle, daß der Minister den Versuch macht, sich an den läppischen 10 Millionen DM zu vergreifen, die wir für
Selbsthilfe ausgeben, dann verstehe ich die Maßstäblichkeit in diesem Lande bei weitem nicht mehr.
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Es ist wirklich empörend, welche Verschiebung zwischen den großen Ausgabenblöcken stattfindet.
Aber es kommt noch dicker: Nicht nur die Apotheker werden aus der Haftung entlassen, sondern auch die Ärzte. Das Sozialgericht Schwerin hat unlängst entschieden, daß die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern ihre Budgetüberschreitungen aus dem Jahre 1994 nicht ausgleichen muß, wozu sie nach § 84 Abs. 1 des SGB V verpflichtet wäre. Die Begründung dafür: Die Krankenkassen hätten die Verordnungsdaten der Apotheken nicht so rechtzeitig zur Verfügung stellen können, wie es zur Veränderung der Verordnungsweise notwendig gewesen wäre.
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Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn dieses Urteil in der Bundesrepublik Schule macht, dann können sich die Versicherten in diesem Lande warm anziehen.
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Aber es gibt noch einen dritten Aspekt, bei dem es auch um „nur" 500 bis 600 Millionen DM geht. Diesen Betrag können die Krankenkassen in den Schornstein schreiben, wenn sie ihre Regreßforderungen gegenüber der Ärzteschaft im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ohne die entsprechende Datenbasis nicht durchsetzen können. Ich sage ganz offen, Herr Minister: Mit einer PR-Abteilung ist das nicht zu machen. Ich denke, dazu braucht man handwerkliche Arbeit; es müssen endlich dicke Bretter gebohrt werden. Wenn Sie wollen, helfen wir Ihnen gern dabei.
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Das Wort hat der Kollege Ulf Fink.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Gesichtern bei der Opposition sieht man an, daß Sie sich mittlerweile sehr überlegen, ob es sinnvoll war, diese Aktuelle Stunde überhaupt beantragt zu haben.
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Sie machen ein sehr langes Gesicht; das kann ich nachempfinden.
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Denn das, was der Bundesgesundheitsminister und die Parlamentarische Staatssekretärin ausgeführt haben, war nun wirklich überzeugend.
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Das hat auch Sie überzeugt;
({3}) Sie wollen es nur nicht zugeben.
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Es war eben ein sehr durchsichtiger Versuch von Ihnen, dieses Thema mit einer Aktuellen Stunde angehen zu wollen. Um es kurz zu sagen: Sie haben in Wirklichkeit keine echte Alternative in der Gesundheitspolitik. Das ist die Wahrheit!
Jetzt haben Sie gedacht: Mensch, da wäre es doch toll, wenn wir irgend etwas fänden - die Leute verstehen es nicht so genau; ICD 10 und so etwas -,
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bei dem mit einem Mal Millionen und Milliarden an Einsparungen herauskämen. Das tut niemandem weh; es kommt von irgendwo her. Die ganzen Einsparungen wären schon da; und dann - Mensch! - hätten wir etwas, was wir draußen anführen könnten als Begründung dafür, warum wir gegen das Beitragsentlastungsgesetz beispielsweise sind. - Dieser Versuch steht dahinter. Dieser Versuch muß aber in die Hose gehen; er kann ja nicht funktionieren.
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Deshalb sage ich Ihnen, lieber Herr Kirschner - das wissen Sie ganz genau -: Der Krankenhausbereich ist mit dafür verantwortlich, daß die Gesundheitskosten nicht parallel zur Grundlohnsumme steigen, sondern überproportional. Das ist der Hauptfaktor. Sie wissen ebenfalls ganz genau, daß der wesentliche Grund dafür war, daß die Mehrheit des Bundesrates verlangt hat, daß bestimmte Dinge, die die Bundesregierung damals vorgelegt hat, aufgebohrt werden.
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Als die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen vorgeschlagen haben, daß wir diesen Bereich in diesem Jahr - aber auch in den nächsten Jahren - in Angriff nehmen wollen, da wurde es für Sie ernst. Als es ernst wurde, haben Sie gleich gesagt: „Nein!" und: „So nicht!"
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und: „Die Kosten dürfen nicht gedämpft werden" und dergleichen mehr. Gott sei Dank war die Mehrheit des Bundesrates im Vermittlungsausschuß einsichtiger, als es die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag ist, und hat dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ihre Zustimmung auf Punkt und Komma gegeben. Anders wäre es auch nicht gegangen.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt anführen. Wieso führen Sie eigentlich den ICD 10 im Zusammenhang mit dem Beitragsentlastungsgesetz an? Der Minister hat das schon angesprochen. Welche Alternative haben Sie denn, mit der wir den übertriebenen Ausgaben im Kurbereich entgegentreten können? Den ICD 10? Wollen Sie etwa mit dem ICD 10 der dramatischen Kostenentwicklung beim Krankengeld Einhalt gebieten?
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Nein, meine Damen und Herren von der Opposition, ich würde mir, offen gestanden, wünschen, wir hätten eine etwas stärkere Opposition; denn dann könnten wir eine noch bessere Gesundheitspolitik - wir machen jetzt schon eine gute - betreiben.
Danke.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Hinrich Knaape.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das politische Showgeschäft nicht noch lebhafter machen.
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Ich bin schon etwas besorgt, wenn wir über dieses Problem diskutieren. Die Frage ist doch: Stehen wir gegenwärtig überhaupt auf dem Boden gültigen Rechts?
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- Sie sagen: Ja. Ich frage Sie: Sind Sie so sicher? - Ich bin nicht so sicher.
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Die Leute draußen müssen sich doch fragen: Wissen die überhaupt, was sie tun? Wissen die überhaupt, wovon sie reden? Wenn wir sagen, daß wir es mit einer sehr unsicheren Datenlage zu tun haben, dann sollten wir das hinterfragen und mehr darüber nachdenken. Eine unsichere Datenlage schafft doch Mißtrauen. Nehmen Sie einmal die Presseerklärung vom Virchow-Bund. Auf Grund dieser unsicheren Datenlage sagt der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Herr Dr. Eckart Fiedler, 30 Prozent der von
den Ärzten abgerechneten Leistungen seien überflüssig.
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- Das kann man so nicht unterstellen. Man muß mit diesen Leuten umgehen und kann nicht einfach böswillig so etwas in den Raum stellen. Herr Minister, das disqualifiziert Sie. ({4})
Das schafft auf der Seite der Ärzte Mißtrauen, die fragen, was das eigentlich soll. Ich denke, man sollte miteinander reden. Wir polarisieren, statt die Probleme, die drängend sind, zu hinterfragen,
({5}) Sie treiben einen Keil zwischen die Beteiligten.
Sie, Herr Gesundheitsminister, wissen, daß Sie das politische Showgeschäfät vorzüglich beherrschen. Sie sind ein brillanter Redner und haben viel Beifall auf dem Ärztetag bekommen. Aber wissen Sie auch, wie die Ärzte wirklich über Sie denken? Glauben Sie, daß all diejenigen, die Beifall klatschen, auch wirklich auf Ihrer Seite stehen und Vertrauen zu Ihnen haben? Untergraben Sie nicht das Vertrauen der Ärzteschaft!
Dieser Frage sollten Sie sich wirklich einmal stellen. Hinterfragen Sie das! Niemand sollte immer nur blöd grinsen - das tun nicht Sie, sondern das mache ich manchmal
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- Sie auch -, sondern hinterfragen, wie der Umgang miteinander ist.
Herr Möllemann und Herr Fink haben gesagt, diese Aktuelle Stunde sei dumm und sinnlos. Aber wir reden doch miteinander! Vor allen Dingen sollten wir das, was die anderen denken, in das eigene Denken einbeziehen und nicht nur Polarisierung betreiben. Sie wissen genau, daß wir die Gesundheitspolitik nur zusammen betreiben können: Sie auf der einen Seite und die SPD auf der anderen Seite. Man muß vernünftig reden und darf sich nicht gegenseitig für blöd verkaufen.
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Hier ufert das aus. Man sollte sich zurücknehmen und über Sachfragen diskutieren, wie wir das heute morgen im Gesundheitsausschuß getan haben, als wir einen ganz vernünftigen Kompromiß gefunden haben. Wir sollten über Sachfragen diskutieren und zu Lösungen kommen und uns nicht gegenseitig beschimpfen.
Vielleicht hat die Aktuelle Stunde etwas zum Umgang miteinander beigetragen. Ich möchte den Unterhaltungswert nicht weiter steigern.
Ich danke Ihnen.
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Frau Kollegin Editha Limbach, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon etwas Eigentümliches mit dieser Aktuellen Stunde. Ich frage mich, welchen Eindruck der eine oder andere, der das hier mitbekommt, mitnimmt. Er wird sich fragen, ob wir nichts Wichtigeres zu diskutieren haben als die Frage, ob eine Datenverarbeitung so oder so funktioniert. Das Entscheidende ist doch, ob unsere Krankenversicherungssysteme funktionieren, ob die Menschen, die krank sind, damit rechnen können, daß die Kosten für das, was sie selbst nicht tragen können, bezahlt werden, ob die Versicherten und die Beitragsszahler - Arbeitnehmer und Arbeitgeber - von uns erwarten können, daß wir alles nur Mögliche tun, damit die zusätzlichen Abzüge von ihrem Lohn und die zusätzlichen Kosten beim Lohn nicht weiter steigen, sondern im Griff gehalten werden. Das sind doch die Probleme!
Das Problem liegt nicht in der Frage, ob jetzt ein bestimmter Daten- oder Diagnoseschlüssel - in welcher Form auch immer - eingeführt wird.
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Das ist eine wichtige Frage für interne Diskussionen. Das ist nichts, worüber in einer Aktuellen Stunde diskutiert werden muß.
Ich habe den Eindruck: Irgendwo ist bei Ihnen etwas durcheinandergeraten; denn erst wollten Sie eine Aktuelle Stunde zum EU-Gipfel in Florenz machen. Das hätte ja noch Sinn gemacht; denn dieser findet statt, und vielleicht gibt es das eine oder andere Thema, zu dem man seine Meinung austauschen könnte.
Dann wollten Sie eine Aktuelle Stunde zu den Kosten von Kuren machen.
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Aber es ist Ihnen ganz offensichtlich noch rechtzeitig aufgefallen, daß das so ohne weiteres nicht geht, weil der Stoff dazu vielleicht etwas zu dünn ist und die Argumente, die man austauschen könnte, nicht dazu führen, daß wirklich große Reformen in dem Gesundheitssystem, das wir haben und das diese Reformen braucht, stattfinden.
Jetzt haben Sie während einer Fragestunde - es ist bereits darauf hingewiesen worden, aber man kann es gar nicht oft genug sagen, weil es wahr ist - schon zu einem Zeitpunkt, als Sie noch gar nicht wissen konnten, welche Antworten die Regierung auf Ihre schriftlich eingereichten Fragen geben würde, erkannt, daß diese auf jeden Fall nicht ausreichen würden. Sie haben - das ist auch mir aufgefallen - Ihre Fragen im Grunde nur abgespult. Sie wollten eigentlich gar keine Antworten. Sie wollten lediglich einen Anlaß für diese Aktuelle Stunde haben.
Mir und, wie ich vermute, vielen meiner Kolleginnen und Kollegen - zumindest denen auf der rechten
Seite des Hauses - stehlen Sie damit wichtige Zeit, die wir eigentlich für wichtigere Dinge zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger nutzen könnten.
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Wir sind in dieses Haus gewählt worden, um Lösungen für Probleme zu finden, und zwar solche Lösungen, die wirklich der Allgemeinheit zugute kommen.
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- Jetzt haben Sie „Das ist wahr" gerufen, Herr Kirschner. Gut, daß Sie das gesagt haben.
Was die Menschen unter anderem erwarten, ist, daß wir die Kosten im Griff halten,
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die Beiträge senken und die notwendigen Leistungen sicherstellen. Zu diesem Komplex habe ich von Ihnen bisher immer nur gehört „So nicht, so nicht, so nicht",
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aber niemals „Soja, so ja, so ja".
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Ihre Alternativen fehlen. Deshalb müssen Sie zu einem solchen Ausweichthema greifen, damit Sie überhaupt noch dokumentieren können, daß Sie sich mit Gesundheitspolitik in diesem Lande beschäftigen.
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Sie haben gegenüber der Regierung, insbesondere dem Bundesminister, wie überhaupt in unsere Richtung von Klientelpolitik gesprochen.
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Ich bekenne mich dazu, daß meine, daß unsere Klientel, für die wir hier tätig sind, die Versicherten und die Beitragszahler sind. Für sie tätig zu sein beabsichtige ich auch in Zukunft.
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Das Wort hat die Kollegin Gudrun Schaich-Walch.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Limbach, ich glaube Ihnen sehr gern, daß Sie Politik für die Versicherten machen wollen. Es wäre nur sehr schön, wenn Sie hier auch für die Kranken Politik betreiben würden.
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- Nein, die Kranken sind nicht unbedingt identisch mit den Versicherten. Die Versicherten sind in der Regel die gesunden Versicherten. Ich kann nachvollziehen, daß die in der Regel ein Interesse haben, daß die Beiträge gesenkt werden, und daß sie auf Ihre Fliegenfängerei, die Sie im Augenblick betreiben, eingehen.
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Der Minister macht hier nichts anderes, als auf die Krankenkassen einzuprügeln - das ist der erste Punkt -, weil sie ein paar Dinge tun, von denen auch wir glauben, daß sie nicht vernünftig sind.
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Im großen ganzen ist es aber ganz hervorragend, was die Kassen seit hundert Jahren leisten.
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Der zweite Punkt, auf den Sie einprügeln, ist, daß Ihrer Meinung nach die Menschen, die Haushaltshilfe in Anspruch nehmen, weil sie krank sind, Menschen seien, die sich Leistungen erschwindeln.
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Ein dritter Punkt ist, daß Sie sagen: Steigerung der Taxifahrten - wieso denn? - In Ostdeutschland zum Beispiel sind einige Versorgungsstrukturen zerstört worden.
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Es gibt keinen öffentlichen Verkehrsdienst. Die Leute müssen Taxis nehmen. Auch in Westdeutschland nehmen die Menschen Taxis, die in der Regel nicht anders zum Arzt kommen.
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Ihre Kürzungen machen Sie immer am Mißbrauch einiger weniger fest, womit Sie Verschlechterungen für alle herbeiführen.
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So einfach ist das für Sie.
Jetzt sage ich Ihnen mal etwas zu den 50 Prozent und dem, was wir hier einklagen. Wir wollen nämlich endlich wissen, warum Ärzte was verordnen. Warum
schreiben sie krank? Warum gibt es eine Haushaltshilfe? Warum werden Taxifahrten mit auf die Verordnungsliste gesetzt? Das heißt, wir brauchen mehr Transparenz, um zu sehen: Was passiert wo?
Wir wissen alle, daß ein großer Bereich, in dem wir Kosten sparen könnten, die Verbindung von ambulanter und stationärer Behandlung ist. Wir müssen wissen, warum und wann in Krankenhäuser eingewiesen wird, um endlich eine gesicherte Datenbasis zu haben. Das haben Sie hintertrieben.
Sie wissen seit über zwei Jahren, daß der Diagnoseschlüssel, wie er im Entwurf vorgesehen ist, nicht funktioniert. Sie haben dagesessen und nicht gehandelt, weil Sie sich insgeheim schon ausgedacht haben, daß Sie sich das, was Ihnen an Kohle fehlt, über Zuzahlungen wieder hereinholen. Das ist das, was uns ärgert.
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Wir haben Vorschläge gemacht - auch im Kurbereich. Kuren sollten nach sehr strengen medizinischen Indikationen verordnet werden. Da würden wir jederzeit zustimmen und sagen: Wir müssen einen Indikationenkatalog erstellen, wenn die Ärzte allein es nicht können sollten. Da machen wir mit.
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Aber zu sagen, daß es sich im Kurbereich immer um Mißbrauch handele und deshalb gewisse Leistungen wegfallen müßten, kann wohl nicht angehen.
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- Hier wird pausenlos pauschal gesagt: Die Zahl der Kuren ist angestiegen. Gleiches gilt für die Haushaltshilfen. Pauschal wird von Mißbrauch geredet. Sie reagieren darauf mit einer Zuzahlung für Kuren in Höhe von 25 DM. Das sind Dinge, die einfach nicht gehen. Sie müssen es am medizinisch Notwendigen festmachen. Man muß nachsehen, ob die Leistung wirtschaftlich erbracht wird, und dazu braucht man Daten.
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Die Aktuelle Stunde ist beendet, die heutige Tagesordnung abgewickelt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. Juni 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.