Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn morgen erst der reguläre Plenartag ist, wünsche ich denen, die heute hier sind, alles Gute zum neuen Jahr.
Ich eröffne die Sitzung und rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Als Themen der heutigen Kabinettsitzung hat die Bundesregierung mitgeteilt: erstens Gesetz zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und zweitens Ausbau und Vertiefung der deutsch-vietnamesischen Beziehungen.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz, Rainer Funke.
Frau Präsidentin, der Entwurf des Vertragsgesetzes betrifft ein Vorhaben von besonderer Bedeutung. Es geht um den europäischen Menschenrechtsschutz nach der Menschenrechtskonvention. Wie wichtig ein wirksamer internationaler Menschenrechtsschutz ist, erfahren wir ja täglich neu.
Der europäische Menschenrechtsschutz nach der Menschenrechtskonvention, wie er vor über 40 Jahren geschaffen worden ist, ist einzigartig in der Welt. Er gibt einzelnen Personen das Recht, Beschwerden einzulegen, wenn sie sich in ihren in der Konvention und in den Protokollen garantierten Rechten verletzt fühlen. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte läuft gerichtsförmig ab und endet mit einer völkerrechtlich verbindlichen Entscheidung. Auf dieses System sind wir stolz. Wir fühlen uns verantwortlich für sein Funktionieren und tun alles, um dieses System zu erhalten und auszubauen. Aus diesem Grunde haben wir uns für eine notwendige Reform des Überwachungssystems eingesetzt. Ihr Ergebnis ist das 11. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Gesetzentwurf ist heute im Bundeskabinett beschlossen worden und wird Ihnen jetzt zugeleitet.
Eine umfassende Reform ist dringend erforderlich. Das geltende System ist für zehn oder zwölf Vertragsstaaten geschaffen worden. Der Europarat ist inzwischen auf 33 Staaten angewachsen, und der Zustrom von Ländern aus dem früheren Ostblock hält an, was wir alle sehr begrüßen. Die Folge ist, daß immer mehr Menschenrechtsbeschwerden eingelegt werden. 1994 waren es fast 10 000, von denen nach einer gewissen Vorprüfung 3 000 registriert worden sind, also in das gerichtsförmige Verfahren gelangt sind.
Die stärkere Belastung der Kontrollorgane führt dazu, daß die Verfahren in Straßburg durchschnittlich mehr als fünf Jahre bis zu einer abschließenden Entscheidung durch den Gerichtshof oder das Ministerkomitee dauern. Das ist viel zu lang, insbesondere, wenn man bedenkt, daß vorher der nationale Instanzenzug ausgeschöpft sein muß. Grund hierfür ist vor allem die besondere Umständlichkeit des Verfahrens, dem man einerseits anmerkt, daß damals schon viel Mut dazu gehörte, eine so wirksame internationale Kontrolle vorzusehen, und andererseits, daß sie erst auf dem Kompromißwege gefunden wurde. So ist ein vertrauliches Verfahren vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte vorgeschaltet, und es ist bestimmt worden, daß das Ministerkomitee in einem gleichfalls vertraulichen Verfahren abschließend entscheidet, wenn die Sache dem Gerichtshof nicht vorgelegt wird.
Jetzt ist die Zeit reif für ein lupenreines Gerichtsverfahren, das öffentlich abläuft und in dem die Beschwerden ausschließlich durch den ständig in Straßburg tagenden Gerichtshof geprüft werden, der stets durch völkerrechtlich verbindliches Urteil abschließend über die Beschwerden entscheidet. Das ist die Lösung, für die sich die Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs der Europaratsstaaten im Oktober 1993 in Wien ausgesprochen hat. Für diese Lösung ist auch die Parlamentarische Versammlung eingetreten.
Die vom 11. Protokoll vorgesehene Lösung ist vernünftig. Das Verfahren wird rationalisiert und vereinfacht. Damit wird es zugleich beschleunigt. Der Gerichtshof wird als Ständiger Gerichtshof ähnlich wie der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg organisiert werden. Ein wissenschaftlicher Unterbau wird dafür sorgen, daß die Rechtsprechung von hoher Qualität ist. Der Gerichtshof wird in Ausschüssen von drei Richtern und in Kammern von sieben Richtern, ausnahmsweise in großen Kammern
von 17 Richtern, entscheiden. Der gerichtliche Rechtsschutz ähnelt in seinen Grundzügen dem, den das Bundesverfassungsgericht in Deutschland gewährt.
Das 11. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist ein Änderungsprotokoll und bedarf der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten. Der jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Vertragsgesetzes soll dies für die Bundesrepublik Deutschland sicherstellen.
Vielen Dank.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Zunächst erteile ich Herrn Bindig das Wort.
Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, handelt es sich um eine Materie, die aus dem Hause breit unterstützt wird, weil es eine außerordentlich wichtige Maßnahme ist, da sie geradezu einen Durchbruch im Völkerrecht enthält. 33 Staaten wollen sich einer verbindlichen Rechtsprechung in Menschenrechtsfragen unterwerfen. Da ist es wichtig zu wissen, welche Chance besteht, daß dieses Protokoll wirklich in Kraft treten kann. Bei der Auslegung haben alle Länder bis auf eines - Italien - gezeichnet. Meine Frage ist: Haben inzwischen alle gezeichnet, so daß eine Chance besteht, daß dieses wichtige Abkommen bald generell in Europa in Kraft treten kann?
Herr Kollege, wir rechnen fest damit, daß alle Europaratsstaaten ratifizieren. Italien hat bei der Veranstaltung in Straßburg nicht mitgezeichnet, hat dies aber anschließend getan, so daß wir davon ausgehen, daß spätestens bis zum Jahre 1997 alle Länder ratifiziert haben werden und daß spätestens 1998 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Arbeit aufnehmen kann.
Weitere Fragen? - Ich sehe, daß zu diesem Punkt keine Fragen mehr gestellt werden. Gibt es Fragen zu dem Bereich Ausbau und Vertiefung der deutschvietnamesischen Beziehungen? - Herr Kollege Schanz.
Ich frage den Herrn Staatssekretär, ob das Abkommen, von dem man lesen kann, in Kraft ist bzw. ob es Schwierigkeiten bei der Inkraftsetzung gibt. Sie wissen, Herr Staatssekretär, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam gewissermaßen notleidend sind; zumindest könnten sie besser sein. Sie wissen auch, daß die Verbesserung der Beziehungen im beiderseitigen Interesse liegt. Kann dieses Abkommen, von dem die Rede ist, dazu beitragen? Wie beurteilen Sie die Lage?
Darf ich fragen, wer für die Bundesregierung antworten möchte? - Herr Schmidbauer.
Herr Kollege, bei der Vereinbarung, die wir mit Vietnam getroffen haben, handelt es sich um eine gemeinsame Erklärung. Sie haben recht, daß es in den bilateralen Beziehungen Stockungen und
Schwierigkeiten und im letzten Jahr teilweise Stagnation gegeben hat. Nachdem sich das Kabinett in zwei Sitzungen, in der letzten Woche und auch in dieser Woche, mit dieser Materie beschäftigt hat, gehen wir davon aus, daß es gelungen ist, durch diese Verhandlungen in Vietnam den Durchbruch dahin zu erzielen, daß wir auf mehreren Feldern der Politik zu einer Zusammenarbeit kommen: Das gilt für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Das gilt für die Frage der Erweiterung des Hermes-Plafonds. Das gilt für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit, z. B. die Einrichtung eines Goethe-Instituts in Hanoi. Das gilt für die Zusammenarbeit Vietnams mit der Europäischen Union. Das gilt aber insbesondere - dort liegt die Problematik - für das Rückübernahme-Abkommen, das geschlossen werden wird. In der gemeinsamen Erklärung werden dafür Grundprinzipien festgelegt.
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In den nächsten Wochen wird es mit Vietnam zu Verhandlungen über alle diese Gebiete kommen, um zu differenzieren und um dann entsprechende Abkommen verbindlich festzulegen.
Herr Staatsminister Hoyer.
Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich möchte das kurz ergänzen und ausdrücklich darauf hinweisen, daß es sich hier nicht um ein Abkommen oder einen Vertrag handelt, sondern um eine von beiden Seiten unterzeichnete Erklärung, deren Ausfüllung durch entsprechende Abkommen auf den verschiedenen Gebieten noch einiger Anstrengungen bedarf.
Es besteht aber auf beiden Seiten Einvernehmen, daß wir entschlossen sind, die Blockade der vietnamesisch-deutschen Beziehungen endlich zu überwinden und auf allen Politikfeldern zu einer Zusammenarbeit zu kommen. Ich finde es schade, daß die Perspektiven, die sich in den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Vietnam ergeben, so stark zurücktreten hinter einem - sicherlich sehr wichtigen und schwierigen - Punkt, der alles andere zu überlagern scheint.
Zusatzfrage, Herr Schanz.
Nun leben wie wir alle wissen, rund 60 000 vietnamesische Staatsbürger in der Bundesrepublik. Wir wissen, daß ein Teil von ihnen eine Aufenthaltsbewilligung hat; ein anderer Teil sind Asylbewerber bzw. abgelehnte Asylbewerber. Aber es gibt unter ihnen auch einen großen Teil, der nach der Stichtagsregelung - Inkrafttreten des Vertrages über die deutsche Einheit -, wie man so salopp sagt, untergetaucht ist, weil die Betroffenen keine Chance hatten, legal in der Bundesrepublik zu leben, zumindest vorübergehend.
Gibt es angesichts der Differenziertheit der Aufenthaltsverhältnisse seitens der Bundesregierung schon einen Plan, diese Regelungen human anzuwenden, zumal ja insbesondere in Berlin viele der UntergeDieter Schanz
tauchten in die Kriminalität abgedrängt worden sind, weil sie sonst nicht überleben könnten? Ist die Bundesregierung bereit, darüber nachzudenken, ein Rückführungsprogramm gegebenenfalls mit dem vom Bundestag beschlossenen Programm zur Armutsbekämpfung bzw. zur Kleingewerbeförderung in Entwicklungsländern zu koppeln?
Wer antwortet? - Herr Staatsminister Schmidbauer.
Herr Kollege, die Zahlen, die Sie nennen, sind korrekt. Es gibt eine große Zahl Vietnamesen in der Bundesrepublik Deutschland, etwa 97 000, von denen die große Mehrheit, etwa 55 000, einen gültigen Aufenthaltstitel besitzt. Es geht um den Rest. Ich sagte, daß Grundprinzipien vereinbart sind. Im Rahmen des Rückübernahme-Abkommens muß jetzt entschieden werden, in welcher Zeit die Regelungen greifen. Wie die Verfahren dann ablaufen, ist dem Rückübernahme-Abkommen vorbehalten. Die Verhandlungen, so sagte ich bereits, werden unmittelbar in den nächsten Wochen aufgenommen werden.
Repatriierung und Hilfestellung sind an die Entwicklungshilfe gekoppelt. Auch hier wird durch Verhandlungen sichergestellt, daß in Vietnam eine entsprechende Hilfestellung möglich ist. Das ist Gegenstand der Verhandlungen mit dem BMZ, die ebenfalls in den nächsten Wochen parallel dazu aufgenommen werden. Es ist daran gedacht, daß im Rahmen der Entwicklungshilfe entsprechende Fördermittel bereitgestellt werden, um das Programm der Rückführung zu unterstützen.
Herr Kollege Neumann ({0}).
Ist beabsichtigt, es zu einem Prinzip zu machen, die Einhaltung des geltenden Völkerrechts, nämlich die Pflicht zur Aufnahme von Staatsbürgern eigener Nationalität, dadurch zu erreichen, daß man wirtschaftliche Vorteile verspricht?
Herr Staatsminister Hoyer.
Ich glaube, damit würden wir uns in der Tat auf eine schiefe Ebene begeben.
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Auf der anderen Seite stellt sich die Frage - sie ist ja durchaus vorwurfsvoll an die Bundesregierung gerichtet worden -, ob es vorstellbar ist, Mittel der Entwicklungszusammenarbeit in ganz erheblichem Maße in ein Land zu lenken, das sich gleichzeitig der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Aufnahme eigener Staatsbürger entzieht. Von daher gibt es sicherlich einen inneren Zusammenhang. Wir haben uns sehr bemüht, dieses Thema endlich einmal im Gesamtzusammenhang anzugehen. Aber ich würde es für falsch halten, hier jetzt Bedingungen aufzustellen oder unmittelbare Verknüpfungen vorzunehmen.
Zusatzfrage.
Befürchten Sie nicht, daß sie mit diesem Verhalten andere Staaten provozieren, die Aufnahme von Bürgern, die sich illegal in der Bundesrepublik aufhalten, in ähnlicher Weise mit dem Ziel abzulehnen, ebenfalls zu solchen wirtschaftlichen Vorteilen zu kommen, wie Sie sie beschrieben haben?
Herr Kollege, ich halte es für wichtig, daß wir im Zusammenhang mit der gemeinsamen Erklärung Deutschland/Vietnam herausgestellt haben, daß wir bei dem Versuch, Vertrauen wieder aufzubauen, auch die besonderen Schwierigkeiten von Vietnam und die Leistung im Hinblick auf Reintegration, die gegenwärtig erbracht wird, zur Kenntnis nehmen. Wir anerkennen, daß Vietnam allein in diesem Jahr 60 000 UNHCR-Flüchtlinge wieder aufnimmt. Das ist für dieses Land eine gigantische Leistung. Auch deswegen haben wir uns darauf eingelassen, die Rückführung sozusagen progressiv zu gestalten, um nicht von vornherein eine große Last auf dieses Land zu schieben. Wir sehen die Dinge immer in ihrem Gesamtzusammenhang. Von daher sind wir nicht in der Gefahr, daß hier in der Zukunft ein Erpressungspotential uns gegenüber entsteht.
Herr Kollege Joschka Fischer.
Es gab in den 70er Jahren bei der Aufnahme von vietnamesischen Flüchtlingen eine beeindruckende Aufnahmeleistung und Aufnahmewilligkeit. Ich kann mich sogar erinnern, daß christdemokratische Ministerpräsidenten damals weit gereist sind, um die Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen, und sie haben damals die Unterstützung aller politischen Parteien gefunden.
Hier handelt es sich um eine begrenzte Anzahl von Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern. Sie wissen so gut wie ich, daß diese Menschen damals in der DDR, als die DDR noch existierte, als Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer eingesetzt wurden, um die Auslandsschulden - es handelte sich nicht nur um Vietnam, sondern auch um zwei schwarzafrikanische Länder - ihrer Heimatnationen abzuarbeiten.
Ich frage die Bundesregierung: Was spricht eigentlich gegen ein großzügiges Angebot an diese Menschen zur Integration hier? Hat es das reiche Deutschland notwendig, seine Entwicklung der Beziehungen mit der Republik Vietnam davon abhängig zu machen, ob es zu einer Rückführung kommen kann oder nicht?
Herr Staatsminister Schmidbauer.
Herr Kollege Fischer, ich glaube, daß durch die Antworten, die wir gegeben haben, deutlich wurde, daß es um diese Personen nicht geht. Ich sprach von der großen Zahl Vietnamesen auf unserem Boden, die einen legalen Aufenthaltsstatus bei uns
haben. Da geht es vorwiegend um die Gruppe, die Sie ansprechen, und da gibt es sowohl die nötigen Chancen als auch das entsprechende Verfahren.
Ich möchte eine andere Zahl nennen. Es gibt etwa 20 000 Vietnamesen, die illegal eingereist sind und sich illegal bei uns aufhalten. Vorwiegend muß es um diese Gruppe gehen. Ich will Ihnen dazu sagen, daß es gleichzeitig um die Einwanderung in diesen Monaten geht, daß sich nämlich die Zahl der illegal eingereisten Vietnamesen prozentual sehr stark erhöht hat.
Herr Staatsminister Hoyer.
Ich finde es wichtig, Herr Kollege Fischer, daß wir darauf hinweisen, daß die überwiegende Zahl der in Deutschland lebenden Vietnamesen - etwa 55 000, 60 000 - friedlich und rechtsstaatlich mit uns zusammenlebt, meistens relativ gut integriert ist und überhaupt kein Problem darstellt. Wir sollten von vornherein klarstellen, daß es überhaupt keine Versuche oder Ansinnen gibt, hieran irgend etwas zu ändern.
Das Zweite sind die vom Kollegen Schmidbauer angesprochenen abgelehnten Asylbewerber und die illegal Einreisenden. Das ist gegenwärtig insbesondere regional ein erhebliches Problem. Es kam hier darauf an, insofern einen Durchbruch zu erzielen, als Vietnam endlich wie alle anderen Länder behandelt werden kann. Denn wir haben bisher sowohl im Hinblick auf solche Personen, die zwar keinen Aufenthaltstitel haben, sich aber legal verhalten, als auch im Hinblick auf solche Personen, die keinen Aufenthaltstitel haben und hier kriminell geworden sind, überhaupt keine Möglichkeit, jemanden nach Hause zurückzubringen, weil sich Vietnam, wie schon angedeutet worden ist, völkerrechtswidrig weigert, diese Menschen im eigenen Land aufzunehmen. Ich denke, wir sollten die soziale Notlage, in der sich mancher - welcher Nationalität auch immer - befindet, nicht als ein Exkulpationsargument für denjenigen betrachten, der in eine kriminelle Karriere abgerutscht ist. Das bezieht sich nicht auf etwas, was Sie gefragt haben; ich mußte das aber noch als Antwort auf eine Frage nachreichen, die vorhin gestellt worden ist.
Gibt es Zusatzfragen? - Bitte.
Sie haben vorhin recht positiv die Bereitschaft der Republik Vietnam bei der Rückführung von Flüchtlingen vor allen Dingen aus dem ostasiatischen Raum vermerkt. Es macht mich etwas skeptisch, wenn Sie das jetzt derartig positiv bewerten, da es sich um Flüchtlinge handelt, die die Republik Vietnam unter der kommunistischen Diktatur vorher vertrieben hat. Sie haben vorhin als Antwort auf eine Frage eines SPD-Kollegen darauf hingewiesen, daß sich die Bundesrepublik Deutschland auf eine schiefe Ebene begeben würde. Ich frage Sie: Fürchten Sie nicht, daß Sie da bereits sind und daß der zwingende Eindruck entstehen muß, daß Wirtschaftshilfe gegen Rücknahmebereitschaft gewährt wird? Man könnte, wenn man es überspitzt formulieren würde, auch sagen: Die
Bundesrepublik versucht, hier ein Problem wegzukaufen. Das könnte - mit allen verderblichen Wirkungen moralischer und politischer Art - Schule machen.
Ich glaube, daß es hier in der Tat um eine schiefe Optik geht, die daraus resultiert, daß der Gesamtkomplex der Beziehungen zu Vietnam unterschätzt wird. Vietnam ist für die Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland ein außerordentlich wichtiger und zukunftsträchtiger Partner. Die Personen in Vietnam, mit denen wir über diese Erklärung verhandelt und sie unterzeichnet haben, haben ein außerordentlich starkes Interesse daran, nicht zuletzt auch im Zusamenhang mit der anstehenden ASEAN-Mitgliedschaft Vietnams, hier in Europa einen engagierten und starken Partner zu haben. Von daher ist das Interesse an der Wiederaufnahme wirtschaftlicher Beziehungen sehr groß. Ich will einmal eine Zahl nennen: Was die Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen angeht, befinden wir uns in Vietnam an der 27. Stelle. Das ist völlig unter dem Durchschnitt der Investitionen unserer Industrie anderswo. Es besteht ein beiderseitiges großes Interesse daran, die Beziehungen zu normalisieren und auszubauen. In diesen Beziehungen stecken ganz erhebliche Potentiale. Deswegen halte ich es für falsch, eine zu enge Verbindung zwischen den Entwicklungsanstrengungen und den Rückführungsbemühungen zu sehen und die Gesamtkomplexität dieser Materie außer acht zu lassen.
Danke. - Als nächster der Kollege Mahlo.
Frau Präsidentin, ich habe zwei Fragen. Darf ich zwei Fragen stellen?
Wenn Sie erst einmal eine stellen.
Gut, ich stelle erst einmal eine Frage; beide gehören nicht zusammen.
Meine Herren Staatsminister, ist es richtig, daß, nachdem Sie bereits bestätigt haben, daß ein großer Teil der sich hier illegal aufhaltenden Vietnamesen eben nicht ehemalige Arbeitnehmer der früheren DDR sind, sondern nachträglich eingewandert ist, es sich bei der Kriminalität in diesem Bereich nicht nur um Kleinkriminalität handelt, von der hier vorhin die Rede war, sondern daß es sich um Kriminalität allerschwerster Brutalität handelt, auch und gerade untereinander, und daß das diesen Verhandlungen einen besonderen Akzent gibt?
Herr Staatsminister Schmidbauer.
Herr Kollege, das können wir bestätigen. Ich sprach hier deshalb von den Größenverhältnissen und den Zahlen, und ich sprach davon, daß hier nicht etwas ausgesprochen werden soll, was nicht Gegenstand der Verhandlungen war, daß es uns aber auch darum geht, uns von denen zu trennen, die sich illegal bei uns aufhalten. Das ist, relativ gesehen, eine kleine Zahl, aber, absolut gesehen, eine große Zahl. Ich habe
sie etwa bei 20 000 angesetzt. Daß es unter diesen Vietnamesen viele gibt, die sich bei uns im Bereich des Zigarettenschmuggels kriminell betätigen, das ist auch einer der Punkte, über die verhandelt werden muß und über die beim Rücknahme-Abkommen dann noch gesprochen werden muß. Um diese geht es uns; es geht uns nicht um jene, die, wie vorhin auch vom Kollegen Fischer angesprochen wurde, einen legalen Status haben. Das ist die größte Zahl der insgesamt etwa 97 000 sich bei uns aufhaltenden Vietnamesen.
Eine Zusatzfrage.
Ist es weiterhin richtig, meine Herren Staatsminister, daß die Situation Vietnams deswegen eine besondere ist und auch eine besondere Behandlung rechtfertigt, weil es vor dem Hintergrund dieser Verhandlungen nicht nur um diejenigen geht, die sich in Deutschland aufhalten, sondern weil sich in den Nachbarstaaten Vietnams aus Gründen der Zeitgeschichte, die wir alle kennen, ein sehr großer Teil von Vietnamesen aufhält, die von diesen Gastländern ebenfalls zurückgeschickt werden sollen? Ist diese Situation nicht eine besondere, und rechtfertigt sie es möglicherweise nicht auch, Vietnam etwas anders zu behandeln als Länder, von denen wir normalerweise verlangen, daß sie ihre Staatsangehörigen zurücknehmen?
Herr Staatsminister Hoyer.
Ich kann das nur unterstreichen. Wir haben hier sicherlich eine besondere Verpflichtung. Es besteht auch die Notwendigkeit, zu möglicherweise ungewöhnlichen Mitteln zu greifen. Allerdings weise ich darauf hin, daß Reintegrationshilfen keine neue Erfindung im Hinblick auf Vietnam sind, sondern daß es sie auch im Hinblick auf andere Länder gegeben hat.
Herr Staatsminister Schmidbauer.
Herr Kollege, ich will noch darauf hinweisen - das ist vielleicht ebenfalls ganz wichtig -, daß wir bei der Festlegung der Grundprinzipien der Rückübernahme unter Berücksichtigung der Situation der vietnamesischen Seite nicht auf hohe Zahlen in den nächsten Jahren gedrängt haben; wir haben uns auch nicht entsprechend abgesprochen. Die Rückübernahme soll vielmehr in Stufen passieren. Wir sehen durchaus die Problematik der Rückübernahme aus anderen Ländern im asiatischen Bereich, so daß wir im Jahre 1995 nicht die Höchstzahl von Rückübernahmen fordern. Wir haben uns insgesamt darauf geeinigt, daß bis 1998 etwa 20 000 zurückgenommen werden. Daraus ersehen Sie auch, daß es hier eine Interessenabwägung zwischen beiden Seiten gegeben hat und daß es eben kein Geschäft mit denen war, die zurückgeführt wurden, sondern daß es darum ging, die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Vietnam auf allen Feldern der Politik zu verbessern, unter Einbeziehung dieses Problems, das wir haben und das Sie insbesondere aus
der Sicht der Region, aus der Sie kommen und in der Sie zum Abgeordneten gewählt worden sind, beschrieben haben.
Danke. - Frau Kollegin Schmalz-Jacobsen.
Frau Präsidentin! Just diese Stufenregelung möchte ich gerne noch einmal ansprechen. Die beiden Vertreter der Bundesregierung haben ja hier ausgeführt, daß es sich um einen Anfangsdurchbruch handelt und daß man weiter verhandeln will. Nun gibt es Besorgnisse in den betroffenen Ländern und Gemeinden, was eigentlich bei dieser stufenweisen Rückführung passiert. Können Sie sich vorstellen, daß Sie hierüber weiter verhandeln? Die Sorge, daß Probleme dadurch entstehen, daß Menschen, die noch vier oder fünf Jahre hier sind, keine irgendwie geartete Arbeitserlaubnis haben, halte ich für sehr berechtigt.
Eine zweite Sorge ist - ich frage Sie, ob Sie auch über diesen Punkt Vereinbarungen treffen werden -, daß Menschen, die zurückgeführt werden, wegen Republikflucht belangt werden könnten.
Wer antwortet? - Herr Staatsminister Hoyer.
Ich bin sehr dankbar für diese Fragen, weil wir, denke ich, gut beraten sind, viele Befürchtungen und Sorgen von vietnamesischen Staatsbürgern in Deutschland auszuräumen.
Es ist ja in gewisser Weise eine Abwägung vorzunehmen. Auf der einen Seite muß eine Anerkennung des Bemühens Vietnams stehen, das Integrationsproblem zu bewältigen, und das in einer Zeit, in der die große Zahl von UNHCR-Flüchtlingen noch zu bewältigen ist, weswegen wir uns darauf eingelassen haben, daß wir mit einer vergleichsweise geringen Zahl in diesem Jahr beginnen. Dem stehen auf der anderen Seite gegebenenfalls ausländerrechtliche Ansprüche gegenüber, die dazu führen können, daß später gar keine Abschiebung mehr möglich ist. Das muß man sehr sorgfältig gegeneinander abwägen. Das ist auch im Zusammenhang mit der Frage zu diskutieren, wie wir einmal insgesamt einen Schlußstrich, und zwar einen fairen Schlußstrich, unter das Thema DDR- Vertragsarbeitnehmer ziehen können.
Ich glaube allerdings, Ihre Sorge jetzt insofern etwas relativieren zu können, als die Vietnamesen nicht in großen Scharen vor den entsprechenden deutschen oder vietnamesischen Dienststellen auftreten, um zu der ersten ,,Tranche'' zu gehören. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Von daher glaube ich nicht, daß unbillige Härten entstehen.
Wie man im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Ausgestaltungen mit den Personen umgeht, die noch länger bleiben, steht auf einem anderen Blatt. Das ist eines der Themen, die im Zusammenhang mit dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der im Deutschen Bundestag zu behandeln sein wird, noch diskutiert werden.
Zu den Republikflüchtlingen - das ist natürlich eine zweite große Sorge der betroffenen Menschen -: Dadurch, daß wir Bürgerinnen und Bürger, die aus Vietnam kommen, jetzt in die Situation bringen, gleichbehandelt zu werden mit Bürgerinnen und Bürgern aus anderen Ländern, gelten die ausländerund asylrechtlichen Vorschriften für sie natürlich in gleicher Weise wie für andere. Wenn es folglich Abschiebungshindernisse gibt - eine entsprechende Verfolgung im Heimatland wäre ein solcher Hinderungsgrund -, dann ist das wie in jedem anderen Falle selbstverständlich zu berücksichtigen.
Ich warne allerdings davor, davon auszugehen, daß Vietnam, bei allen Systemunterschieden, die gewaltig sind - man sieht das auf Schritt und Tritt, wenn man in Vietnam unterwegs ist -, von vornherein sozusagen ein Verfolgerstaat wäre und, anknüpfend an den in den dortigen Gesetzbüchern noch stehenden Tatbestand der Republikflucht, eine entsprechende Verfolgung zu befürchten wäre. Selbstverständlich ist es jedem der Betroffenen unbenommen, überprüfen zu lassen, ob eine entsprechende Verfolgung befürchtet werden muß. In diesem Fall müßte sich die Bundesregierung so verhalten wie in jedem anderen Abschiebefall auch.
Wenn es zu diesem Komplex keine Fragen mehr gibt, darin frage ich: Gibt es noch sogenannte freie Fragen? - Das ist nicht der Fall.
({0})
- Zu Vietnam nicht.
Auch zu den sogenannten freien Fragen liegen keine Wortmeldungen vor. Dann schließe ich die Regierungsbefragung und danke der Regierung.
Ich frage: Sind schon alle im Raum, so daß wir, selbst wenn wir etwas vor der Zeit liegen, mit der Fragestunde beginnen können? Wenn das der Fall ist, dann würden wir unmittelbar zur Fragestunde überleiten. - Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 13/213 Ich rufe als erstes den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Beantwortung erfolgt durch den Parlamentarischen Staatssekretär Wolfgang Gröbl.
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Dietmar Schütz ({1}) auf:
Mit welcher Begründung hat der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Treffen von Vertretern der Internationalen Walfangkommission ({2}) und Nichtregierungsorganisationen ({3}) auf den Lofoten sich gegen international verbindliche Standards bei der Festsetzung von Strafen für Verstöße gegen IWC-Beschlüsse, wie z. B. Fangobergrenzen und Moratorien, ausgesprochen und auch das Konzept einer unmittelbaren Weitergabe von Fangdaten über „data links" zur Einhaltung von Fangquoten abgelehnt, und wie vereinbart die Bundesregierung eine solche Haltung mit dem von ihr selbst wiederholt betonten Auftrag, einen bestmöglichen Schutz der Wale sicherzustellen?
Herr Staatssekretär.
({4})
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schütz! In der für Überwachung und Kontrolle zuständigen Arbeitsgruppe der Internationalen Walfang-Kommission, die vom 10. bis 13. Januar 1995 auf den Lofoten tagte, hat sich der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland nachdrücklich für Regelungen eingesetzt, die eine effektive Kontrolle von Walfängen ermöglichen.
Zu diesem Zweck hat er u. a. die Ausarbeitung eines Katalogs von Strafen zur Ahndung von Verstößen von Walfängern gegen Regelungen der IWC grundsätzlich befürwortet. Dabei dürfe es sich allerdings nur um unverbindliche Leitlinien für die Mitgliedstaaten handeln, da bei der Verhängung von Strafen alle Umstände des Einzelfalls und die unterschiedlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müßten. Diese Haltung wurde auch von anderen Staaten eingenommen, u. a. dem Vertreter Großbritanniens, das wie Deutschland besonderes Interesse am Schutz der Walbestände hat.
Der deutsche Vertreter hat sich auch für die Anwesenheit internationaler Beobachter auf jedem Walfangschiff und die unverzügliche Weitergabe von Fangdaten durch diese Beobachter ausgesprochen. Er hat gefordert, daß die internationalen Beobachter uneingeschränkten Zugang zu den Kommunikationssystemen der Fangschiffe haben müßten, und darauf hingewiesen, daß die Fangdaten über diese Systeme weitergegeben werden könnten. In diesem Zusammenhang hat er die Frage aufgeworfen, ob bei Abwesenheit internationaler Beobachter die zusätzliche Installation automatischer Satellitenüberwachungssysteme erforderlich ist.
Ministerialrat Kleeschulte hat somit die Haltung der Bundesregierung korrekt vertreten.
Herr Schütz, haben Sie eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, welche Sanktionen würden Sie bei Überschreitung der Fangquoten für angemessen und glaubwürdig halten, soweit Daten dies belegen oder der Inspektor an Bord so etwas beobachtet?
Die Frage ist im Augenblick überhaupt nicht aktuell, da, wie Sie wissen, das Moratorium weiterhin gilt und zunächst eine Übereinkunft innerhalb der Kommission erzielt werden muß, daß dieses Moratorium beendet wird und Fangquoten zugeteilt werden. Dieser Fall ist im Augenblick noch nicht aktuell.
Ich will jetzt nicht streiten, er ist es.
Das Hauptproblem bei Überschreitung von Quoten ist, daß man den Transport von Walfischfleisch massiv kontrolliert, also Quotierung von Fleischbeständen.
Dietmar Schütz ({0})
Was macht die Bundesregierung auf diesem Gebiet?
Die Bundesregierung wirkt an den Arbeiten der IWC in den verschiedensten Arbeitsgruppen und natürlich innerhalb der Kommission intensiv mit und hat sich auch an der Diskussion und der Abstimmung über die biologische Situation der Walfischbestände beteiligt. Sie wissen, im Wissenschaftsausschuß der IWC ist hierzu eine Empfehlung verabschiedet worden. Diese ist von der Kommission insgesamt angenommen worden.
Jetzt geht es noch um den zweiten Teil, nämlich um die Erarbeitung der technischen Kontrolle. Da wird sich zeigen, ob bei der Tagung der IWC im Mai in Irland die Tagesordnung bereits konkrete Abstimmungen hergibt oder nicht. Die Bundesregierung jedenfalls arbeitet in den Arbeitsgruppen und in der Kommission intensiv mit.
Vielen Dank. - Abgesehen davon, daß der „Walfisch" meines Wissens kein Fisch, sondern ein Säugetier ist, ist nichts weiter zu bemerken.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Das brauche ich nicht als Frage aufzufassen?
Nein, das ist nur eine Feststellung.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Für die Antworten steht uns Frau Staatssekretärin Dr. Bergmann-Pohl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Grasedieck auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Deutsche Angestellten-Krankenkasse sich weigert, eine offenkundig sehr erfolgreiche Behandlung eines Kindes im PetöInstitut in Budapest zu finanzieren, obwohl alle Therapiebemühungen in Deutschland bisher erfolglos waren?
Herr Grasedieck, die Bundesregierung selbst beurteilt keine Einzelfälle. Das ist Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörde, hier: des Bundesversicherungsamtes in Berlin.
Grundsätzlich erfolgt die medizinische Behandlung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland. Eine medizinische Behandlung im Ausland ist allerdings unter den Voraussetzungen des § 18 SGB V ausnahmsweise zulässig. Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung im Ausland ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur dort möglich ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, beurteilt die Krankenkasse eigenverantwortlich unter Heranziehung des Fachwissens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.
Frau Staatssekretärin, ich glaube, das ist die entscheidende Frage; denn die Krankenkassen verhalten sich unterschiedlich: Die Ersatzkasse bewilligt die Kosten, während die Pflichtkrankenkasse die Kosten nicht übernimmt. Ich meine, es wäre besser, wenn man Klarheit und keine Interpretationslücken hätte.
Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Auffassung, daß solche Unklarheiten und Interpretationslükken beseitigt werden sollten, damit die Auslegung klar ist?
Da sich Ihre Frage, Herr Kollege, auf einen Einzelfall bezieht, den ich hier nicht beurteilen kann und nicht beurteilen darf, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich glaube, man kann dem Gesetzgeber nicht auf allen Gebieten der Medizin auferlegen, Regelungen zu schaffen. Aus diesem Grunde sind die medizinischen Dienste der Krankenkassen gefragt. Sie müssen entscheiden, welche Behandlung im Ausland bezahlt wird, d. h. entscheiden, wann eine den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur dort möglich ist.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Bei dieser Frage stand im Hintergrund auch: Sind Naturheilverfahren, sind Gymnastikverfahren - im Gegensatz zu medizinischen Behandlungen - förderbar? Ist die Bundesregierung grundsätzlich der Meinung, daß im Gegensatz zu den genannten Verfahren hauptsächlich medizinische Behandlungen finanziert werden?
Wenn sich Ihre Frage auf Behandlungen im Ausland bezieht, muß ich wiederum darauf verweisen, daß das einer Einzelfallprüfung unterliegt und ich das so pauschal nicht beantworten kann.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dieter Grasedieck auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß gesetzliche Krankenkassen grundsätzlich nur Leistungen, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden, finanzieren müssen?
Herr Kollege, der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit der Erbringung von Kassenleistungen im Ausland geregelt. Nach § 16 Abs. 1 SGB V ruht grundsätzlich der Anspruch des Versicherten bei Aufenthalt im Ausland.
Ausnahmen ergeben sich aber insbesondere aus dem erwähnten § 18 Abs. 1 SGB V, aus dem Recht der Europäischen Union und in den Fällen, in denen die Bundesrepublik Sozialversicherungsabkommen mit verschiedenen Ländern, die Leistungen im Krankheitsfall vorsehen, abgeschlossen hat. Die Leistungs612
erbringung erfolgt nach EU- und Abkommensrecht im Wege der Sachleistungsaushilfe durch den zuständigen gesetzlichen Krankenversicherungsträger des anderen Staates.
Im vertragslosen Ausland ist die Sachleistungsaushilfe nicht möglich.
Frau Staatssekretärin, wenn diese Behandlungen aber nur im Ausland angeboten werden, gibt es nicht doch Ausnahmen?
Es gibt nach dem Gesetz - wie ich es vorgelesen habe - im vertragslosen Ausland keine Ausnahme.
Es liegen keine weiteren Fragen vor. Dann schließe ich diesen Bereich. Frau Staatssekretärin, wir danken Ihnen.
Wir kommen dann zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie.
Die einzige Frage dazu, die Frage 4, wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Lintner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dreßen auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, daß die Folgen der finanziellen Kürzungen der Eingliederungshilfen für Spätaussiedler für einige Gemeinden und Landkreise zu enormen Belastungen im Sozialbereich geführt haben, und zwar Belastungen, auf deren Entstehung die Gemeinden und Landkreise keinen Einfluß haben, und teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß der Zuzug von Spätaussiedlern politisch gewollt und im Rahmen der Kriegsfolgenverantwortung nicht eine Aufgabe der Kommunen, sondern eine Aufgabe von Bund und Ländern ist entsprechend dem Verursacherprinzip, nicht nur in der Zeit, in der Spätaussiedler in Übergangswohnungen leben, sondern mindestens in den ersten zwei Jahren des Integrationsprozesses?
Herr Kollege Dreßen, die Antwort lautet wie folgt: Grundlage für die Aufnahme der Spätaussiedler ist Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ihre Integration ist eine Aufgabe des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Auf Bundesebene standen 1994 rund 4 Milliarden DM zur Verfügung. Dabei leistete der Bund im wesentlichen folgende Eingliederungshilfen: Rückführung und Erstaufnahme - darunter sind zu verstehen: Unterbringung, Unterhalt der Erstaufnahmeeinrichtungen -; Eingliederungshilfe und Sprachförderung; Hilfen zur Eingliederung in den Schul- und Hochschulbereich insbesondere für jugendliche Spätaussiedler; Hilfen für die soziale Beratung und Betreuung durch Wohlfahrtsund Vertriebenenverbände und Förderung von Integrationsprojekten zentraler Organisationen und Verbände.
Im Zuge der Haushaltskonsolidierung mußten einzelne Leistungen gestrichen bzw. abgesenkt werden, die jedoch den Kern der Gesamtmaßnahmen des
Bundes für die Eingliederung der Spätaussiedler nicht berühren. Vielmehr müssen sich auch diese Leistungen des Bundes in den Rahmen des haushaltspolitisch Vertretbaren einfügen. Vor dem Hintergrund der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, in dem der Bund bekanntermaßen die Hauptlast übernommen hat, sind Kürzungen angesichts der deutlichen Entlastung von Ländern und Gemeinden - als Beispiele seien das Föderale Konsolidierungsprogramm, die Asylgesetzgebung oder die Pflegeversicherung genannt - verantwortbar.
Soweit durch den Zuzug von Spätaussiedlern einzelne Gemeinden überproportional besonders belastet sind, steht den Ländern zum Ausgleich dieser Sonderlasten das Instrument des kommunalen Finanzausgleichs zur Verfügung.
Ihre erste Zusatzfrage.
Sie haben die finanziellen Kürzungen angesprochen. Könnten Sie detaillierter sagen, welche Kürzungen der Bund für Spätaussiedler in den letzten fünf Jahren beschlossen hat?
Ich kann eine Reihe davon aufführen: Beispielsweise wurden die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe von zuletzt 50 DM zum 30. September 1993 und die Gewährung zinsverbilligter Einrichtungsdarlehen ab 1. Dezember 1992 eingestellt. Ferner wurden die Mittel für den Garantiefonds reduziert. Gravierend waren insbesondere die Reduzierung der Leistungen für den Deutschlehrgang auf maximal sechs Monate bzw. die Reduzierung des Leistungssatzes bei der Arbeitslosenhilfe von 58 % auf 57 % für Spätaussiedler mit Kindern und auf 56 % für die übrigen Spätaussiedler. Das sind die wichtigsten Beispiele.
Ihre zweite Frage.
Wie, Herr Staatssekretär, will die Bundesregierung verhindern, daß das Verteilungsverfahren nach § 8 Abs. 5 BVFG durch Binnenwanderung unterlaufen wird, und ist sie bereit, unter Umständen die Anrechnungsphase von zehn Tagen zu verlängern?
Ich darf in diesem Zusammenhang ein Beispiel bringen: Ist Ihnen bekannt, daß z. B. im Landkreis Ortenau von 15 000 Spätaussiedlern, die in den Jahren 1989 bis 1994 zugewiesen wurden, über 4 000 Spätaussiedler Sozialhilfe erhalten, so daß der Sozialaufwand in diesem Landkreis um 110 Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt liegt? Ich meine, ein Landkreis kann solche Kosten nicht mehr übernehmen, wenn das so weitergeht.
Herr Kollege, wie Sie wissen, ist die Verteilung auf die einzelnen Länder alleinige Angelegenheit der Länder und zwischen ihnen geregelt. Der Bund hat hierauf keinen Einfluß.
Ich sehe keine weiteren Fragen dazu.
Dann kommen wir zu der Frage 18 des Kollegen Koppelin:
Auf welchen Tatsachen, Vermutungen oder Informationen stützt der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner seine Aussage, daß es sich beim Flugzeugabsturz von Uwe Barschel in Lübeck um ein Attentat der Stasi handeln könnte?
Herr Kollege Koppelin, wenn Sie genehmigen, darf ich die Fragen 18 und 19 gemeinsam beantworten.
({0}) - Okay!
Dann rufe ich auch die Frage 19 auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß sie oder andere nachgeordnete Dienststellen keinerlei Wissen oder Erkenntnisse zum Ableben von Uwe Barschel haben?
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf das zur Zeit bei der Staatsanwaltschaft Lübeck laufende Ermittlungsverfahren hält es die Bundesregierung für nicht angezeigt, zu einzelnen, den Tod Dr. Barschels in Genf betreffenden Fragen Stellung zu nehmen.
Grundsätzlich möchte ich zu meinen in der Presse wiedergegebenen Äußerungen folgendes bemerken: Nachdem die Staatsanwaltschaft Lübeck in der Sache Dr. Barschel Ermittlungen eingeleitet hat, d. h. die Staatsanwaltschaft selbst die Möglichkeit eines Fremdverschuldens offenbar nicht ausschloß und ausschließt, liegt es nahe, sich vor diesem Hintergrund ungewöhnlicher, die Person Dr. Barschels betreffender Ereignisse zu erinnern, wozu zweifellos der Flugzeugabsturz im Mai 1987 gehört. Nicht mehr habe ich mit meinen seinerzeitigen Äußerungen zum Ausdruck gebracht.
Die Bundesregierung unterstützt im übrigen alle Anstrengungen, die zu einer weiteren Aufklärung des Falles Barschel durch die zuständigen Ermittlungsbehörden beitragen können. Die Nachrichtendienste des Bundes, das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft haben die strikte Anweisung, alle anfallenden Hinweise und Erkenntnisse an die zuständige Staatsanwaltschaft in Lübeck weiterzuleiten.
Herr Koppelin.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie soeben in Ihrer Beantwortung dargelegt haben, daß sich die Bundesregierung selbst zurückhält, darf ich Sie fragen, da Sie ja eine Funktion in der Bundesregierung haben, aus welchem Grunde Sie sich öffentlich geäußert haben.
Herr Kollege, ich habe mich ausweislich des Zitates in der „Bild"-Zeitung, das Sie offenbar meinen, sehr zurückhaltend geäußert und nur gesagt, daß meines Erachtens auch dieser Flugzeugabsturz in die Überprüfung mit einbezogen werden sollte. Mehr war eigentlich nicht Inhalt meiner Äußerungen.
Dann möchte ich weiter fragen: Hat die Bundesregierung von sich aus für den Runden Tisch in Lübeck neue Erkenntnisse geliefert, die für die Staatsanwaltschaft von Interesse waren?
Ich war bekanntermaßen nicht dabei. Ich kann nur sagen: Die Bundesbehörden, die dort vertreten waren, hatten die Weisung, alles einschlägige Material, das vorhanden war, der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Wie das die Staatsanwaltschaft nun bewertet, ob das aus ihrer Sicht neue Erkenntnisse waren oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Das möchte ich von meiner Seite aus auch nicht kommentieren.
Weitere Fragen?
Dann darf ich Sie doch noch nach Ihren Äußerungen, die sie zum Flugzeugabsturz gemacht haben, fragen. Sie müssen doch Erkenntnisse gehabt haben, daß Sie zu einer solchen Äußerung kommen. Können Sie uns die Erkenntnisse darlegen, warum Sie diese Andeutungen gemacht haben?
({0})
Herr Kollege Koppelin, ich habe bereits erläutert, daß ich nur darauf hingewiesen habe, daß es da einen Vorfall gab, der einigermaßen, so will ich einmal sagen, merkwürdig abgelaufen ist. Ich habe deshalb empfohlen, auch den in die Ermittlungen mit einzubeziehen. Mehr habe ich nicht gesagt. Deshalb können Sie, glaube ich, aus dem Wortlaut kaum auf irgendwelche zusätzlichen Erkenntnisse im Bereich der Bundesregierung schließen.
({0})
Ich habe noch eine Frage: Was ist nach Ihrer Auffassung, Herr Staatssekretär, an dem Absturz merkwürdig gewesen - außer daß ein Absturz grundsätzlich merkwürdig ist?
Es gibt beispielsweise Hinweise darauf, daß sich die Piloten gewehrt hätten. Ich will das jetzt nicht im einzelnen auftischen, weil das auch ein Eingriff in die aktuelle Ermittlungstätigkeit des Staatsanwalts wäre.
Ich darf Sie nur auf den Wortlaut verweisen und noch einmal betonen, daß es mehr eine allgemeine Bemerkung war, die den Verdacht, den Sie zu haben scheinen, nicht rechtfertigt.
Ich sehe keine weiteren Fragen zu diesem Komplex.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Wir kommen zur Frage 20 der Abgeordneten Schmalz-Jacobsen:
Wie hoch sind die bisherigen Kosten, die dadurch entstanden sind, daß die Bundesregierung mit mehreren Staaten Rücknahmeabkommen für Asylbewerber getroffen hat?
Frau Kollegin Schmalz-Jacobsen, die Antwort lautet: Rückübernahmeabkommen, die sich nur auf Asylbewerber beziehen, hat die Bundesregierung nicht abgeschlossen. Dies ist nicht möglich, da Asylbewerbern der Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum Abschluß des Asylverfahrens gestattet ist.
Der Abschluß der Rückübernahmeabkommen über ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber und sonstige, sich illegal im Bundesgebiet aufhaltende Ausländer, die die Bundesregierung mit anderen Staaten getroffen hat oder noch treffen wird, ist grundsätzlich nicht mit einer Kostenbelastung verbunden, da diese Abkommen lediglich den ohnehin schon bestehenden völkerrechtlichen Grundsatz konkretisieren, daß jeder Staat zur kostenlosen Rücknahme der ausreisepflichtigen eigenen Staatsangehörigen verpflichtet ist.
Finanzhilfen sind lediglich im Rahmen der am 7. Mai 1993 mit Polen und am 3. November 1994 mit der Tschechischen Republik abgeschlossenen Zusammenarbeitsabkommen vereinbart word en. Diese gehen zurück auf die Verhandlungen zum neuen Asylrecht, bei denen die Parteien - die in der Bundesrepublik - auch die Auswirkungen auf unsere Nachbarstaaten bedacht haben. So tritt Deutschland für eine europäische Lastenverteilung ein, um die Auswirkungen von Wanderungsbewegungen insbesondere aus Osteuropa zu mildern. Im Vorgriff auf eine solche Regelung ist deshalb im Asylkompromiß vom 6. Dezember 1992 vereinbart worden, unverzüglich mit Polen und der Tschechischen Republik entsprechende Gespräche aufzunehmen. Polen ist hierzu in dem am 7. Mai 1993 unterzeichneten Zusammenarbeitsabkommen eine Finanzhilfe in Höhe von 120 Millionen DM gewährt worden. Wegen der nicht vergleichbaren Rahmenbedingungen ist mit der Tschechischen Republik ein Betrag von 60 Millionen DM in drei Raten von je 20 Millionen DM für die Jahre 1995 bis 1997 vereinbart worden. Hinsichtlich der letzten Rate für 1997 soll jedoch im Jahre 1996 auf der Grundlage der Zahlen über die illegale Zuwanderung über die Tschechische Republik nach Deutschland für die Jahre 1995 und 1996 geprüft werden, ob für eine Zahlung dieser Rate noch eine Berechtigung besteht.
Frau SchmalzJacobsen.
Nachdem Sie gesagt haben, Herr Staatssekretär, daß für zurückgenommene Asylbewerber nichts gezahlt wird, schlage ich aber doch den Bogen - da Sie ausgeführt haben, für welche Dinge gezahlt worden ist -: Wie würden Sie das - wenn man das jetzt umrechnet auf zurückgenommene Asylbewerber - pro Kopf abschätzen, was der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite an Lasten und auf der anderen Seite an Nutzen entstanden ist?
Frau Kollegin Schmalz-Jacobsen, da mir die Zahlen jetzt nicht exakt vorliegen, darf ich Ihnen die Antwort darauf schriftlich übermitteln.
Das können Sie natürlich gerne tun. Ich bitte Sie auch, die nächste Frage in Ihre schriftliche Antwort einzubeziehen, nämlich ob die Bundesregierung der Ansicht ist, daß die bisher getätigten Aufwendungen und die künftigen in einem vertretbaren Verhältnis zur Zahl der zurückgenommenen Asylbewerber stehen; immerhin informiert die Bundesregierung ja sehr intensiv darüber, was uns Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland kosten.
Frau Kollegin, dieser unmittelbare Zusammenhang ist ohnehin nicht gegeben, weil wir ja nun nicht die Flüchtlingszahl oder die Zahl der illegal eingereisten Ausländer honorieren wollten, sondern die Zahlungen sind geleistet worden, um die betroffenen Staaten in die Lage zu versetzen, beispielsweise Strukturen für Asylverfahren aufzubauen, beispielsweise den Grenzschutz zu verstärken, so daß der durch Ihre Fragestellung jetzt denkbar werdende Zusammenhang in der Praxis stets vermieden worden ist.
Wir kommen zur Frage 21 der Abgeordneten Frau Schmalz-Jacobsen:
Für welche Maßnahmen sind die Gelder im einzelnen verwendet worden, die die Bundesregierung im Rahmen der Rücknahmeabkommen gezahlt hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Antwort lautet: Die an Polen gewährte Finanzhilfe ist für die Verstärkung des Grenzschutzes, für die Verstärkung des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und für die Schaffung einer Flüchtlings- und Asylinfrastruktur verwendet worden.
Bei der für die Tschechische Republik vorgesehenen Finanzhilfe handelt es sich ebenfalls um Mittel, die für die Verstärkung des Grenzschutzes und den Aufbau einer Asylinfrastruktur einschließlich des Flüchtlingsbereichs verwendet werden sollen.
Zusatzfrage.
Entspricht das, was zwischenzeitlich geschehen ist, den vertraglichen Vereinbarungen, die wir getroffen haben, oder hat es da in der Praxis Veränderungen gegeben?
Nach unseren Kenntnissen entspricht es den vertraglichen Vereinbarungen.
Noch eine Zusatzfrage.
Sind bisher - falls das geschehen ist, hätte ich gern gewußt, in welchem Umfang - technische Ausstattungen aus deutscher Produktion von den Vertragspartnern
gekauft worden, wie es in den Rücknahmeabkommen vorgesehen war?
Frau Kollegin, hier muß ich Ihnen wieder anbieten, die Frage schriftlich beantworten zu dürfen. Auf diese detaillierte Frage bin ich aktuell nicht vorbereitet.
Keine weiteren Fragen zu diesem Bereich.
Dann rufe ich die Frage 22 des Kollegen SchmidtJortzig auf:
Trifft die Erklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Lübeck, Heinrich Wille, zu, daß vom Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zum Fall Barschel ersatzlos vernichtet worden sind?
Ich möchte um Erlaubnis bitten, die Fragen 22 und 23 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 23 des Abgeordneten Schmidt-Jortzig auf:
Falls das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zum Fall Barschel vernichtet hat, beruhte dieses Vorgehen womöglich darauf, daß die Lübecker Staatsanwaltschaft oder eine andere schleswig-holsteinische Justizstelle entsprechende nachrichtendienstliche Erkenntnisse als für eine Strafverfolgung unerheblich eingestuft hatte?
Danke schön. - Das Bundesamt für Verfassungsschutz war zu keinem Zeitpunkt im Besitz von Originalakten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR zu Dr. Barschel. Im Jahre 1990 waren Mitarbeitern des BfV, die zu diesem Zeitpunkt zu einer anderen Behörde nach Berlin abgeordnet waren, Akten der Bezirksverwaltung Rostock präsentiert worden. Angehörige des Komitees zur Auflösung des MfS hatten vermutet, diese Akten seien insbesondere für die Spionageabwehr von Interesse.
Die Mitarbeiter des BfV fertigten mit Zustimmung des damaligen Leiters der für die Verwahrung von Stasi-Unterlagen zuständigen Außenstelle in Rostock hiervon Kopien; die Originalunterlagen blieben in der Außenstelle. Da nach Prüfung des Inhalts eine Relevanz für die Arbeit des BfV nicht erkennbar war, sind diese Kopien vernichtet worden, ohne daß Duplikate, Abschriften oder Auszüge gefertigt worden sind.
Die zuständigen parlamentarischen Gremien sind seinerzeit hierüber unterrichtet worden. Sofern die Presseerklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Lübeck den Eindruck vermittelt, das Amt habe Originalunterlagen ersatzlos vernichtet, so ist dies unzutreffend.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit und willens, das in der gehörigen Form auch in der Öffentlichkeit richtigzustellen?
Nach meiner Kenntnis haben wir das in der Öffentlichkeit immer wieder dargetan und erläutert, so daß ich davon ausgehe, daß die interessierte Öffentlichkeit ausreichend unterrichtet ist.
Noch eine Zusatzfrage?
Darf ich vielleicht noch eine Zusatzfrage steilen?
Sie haben insgesamt vier Zusatzfragen.
Ich darf vorweg folgende Erläuterung geben: Sie ahnen ja gar nicht, wie diese Frage, die kriminalermittlerisch wahrscheinlich überhaupt nichts Neues mehr bietet, im Land Schleswig-Holstein - aber ich nehme an: auch ein bißchen darüber hinaus - Aufregung verursacht sowie Aufmerksamkeit und Interesse findet. Da ist eine solche Presseerklärung, wie sie der Leiter der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck abgegeben hat, eine wesentliche Argumentationsgröße.
Herr Kollege, ich muß Sie doch bitten, Ihre Bemerkung in die Form einer Frage zu kleiden, wenn es irgend geht.
Ich komme gleich zu meiner Frage und mache ganz zum Schluß ein deutliches Fragezeichen.
Wegen des soeben Gesagten könnte ich mir also vorstellen, daß es gut wäre, in dieser Diskussion mit den richtigen Punkten präsent zu sein. Deshalb meine Frage: Wäre es möglich, daß die Bundesregierung sich in die neue Diskussion noch einmal deutlich mit einer Klarstellung einklinkt?
Herr Kollege, da diese Fragestunde öffentlich ist, gehe ich davon aus, daß diejenigen, die sich für unsere Position besonders interessieren, Gelegenheit haben, sich von einer entsprechenden öffentlichen Unterrichtung zu überzeugen:
Erstens. Alle Bundeseinrichtungen haben Anweisung, alle bei ihnen vorhandenen Unterlagen der Staatsanwaltschaft in Lübeck für deren Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Zweitens. Es trifft nicht zu, daß irgendwelche Originalunterlagen beim Bundesamt für Verfassungsschutz verfügbar gewesen seien. Es handelt sich um Duplikate, die vernichtet worden sind. Demzufolge stehen die Originale bei der zuständigen anderen Behörde noch zur Verfügung. Wenn Sie Wert darauf legen, bin ich gerne bereit, dafür einzutreten, daß es gelegentlich noch einmal in einer Presseerklärung öffentlich dargetan wird.
Eine weitere Frage?
Danke sehr, nein.
Herr Kollege Neumann.
Ist der Bundesregierung bekannt, woher die Kopien der MfS-Akte der Bezirksverwaltung Rostock stammen, die dem 1. Untersuchungsausschuß der letzten Legislaturperiode übergeben worden sind?
Herr Kollege Neumann, wenn es sich um die Unterlagen handeln sollte, die im Zusammenhang mit dem BfV erwähnt sind, so habe ich gerade dargelegt, woher sie stammen: Sie sind Mitarbeitern des BW im Jahre 1990, als sie seinerzeit zu der anderen Behörde in Berlin abgeordnet waren, präsentiert worden.
Ich sehe keine weiteren Fragen.
Dann kommen wir zu der Frage 24 des Kollegen Kubatschka:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung aufgrund von BundLänder-Gesprächen ihre Pläne zur Neustrukturierung im Zivil- und Katastrophenschutz dahin gehend geändert hat, daß nun ein weitaus geringerer Abbau des Technischen Hilfswerks ({0}) erfolgen wird als ursprünglich geplant?
Herr Staatssekretär.
Eduard Lintner, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die Bundesanstalt THW wird im Zuge der Neuordnung des gesamten Zivilschutzes modernisiert und organisatorisch gestrafft. Struktur, Ausstattung und Ausbildung werden an die veränderte Sicherheitslage und verringerte Finanzausstattung angepaßt.
Die Bunderegierung hat ihre grundsätzlichen Vorstellungen zur Neustrukturierung des THW in ihren Berichten vom 20. September 1991 unter der Bezeichnung „Strukturen der Zivilen Verteidigung" und am 18. April 1994 unter der Bezeichnung „Zwischenbericht zur Zivilen Verteidigung" an den Innen- und den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages niedergelegt und dort mit den Mitgliedern erörtert. Die am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Neuordnung des THW entspricht diesen Vorstellungen. Sie hat im übrigen auch durch Bund-Länder-Gespräche, die stattgefunden haben, keine Änderung erhalten.
Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, der Fahrzeugbestand wird um 2 500 auf 6 000 Fahrzeuge verringert. Kann damit der Auftrag des THW noch erfüllt werden?
Herr Kollege Kubatschka, ja, es wird eine Verringerung um 2 500 Fahrzeuge geben. Mit den restlichen 6 000 Fahrzeugen kann die Aufgabe im vollen Umfang erfüllt werden. Die einzige Änderung wird sein, daß künftig Erst- und Zweitbesatzungen für diese Fahrzeuge vorgesehen sind. Das entspricht dem realistischen Ablauf eines Einsatzes. Denn nach einer gewissen Zeit werden die Besatzungen abgelöst, d. h., neue Besatzungen arbeiten mit den gleichen Fahrzeugen weiter.
Sie haben noch eine Frage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, was geschieht mit den ausgesonderten 2 500 Fahrzeugen? Werden sie z. B. den Kommunen, gemeinnützigen Vereinen oder den Ländern zum Kauf angeboten?
Nein, zum Kauf überhaupt nicht. Soweit Fahrzeuge bei Katastrophenschutzorganisationen auf Landesebene schon heute im Einsatz sind, werden sie diesen zur weiteren Nutzung kostenlos angeboten. Der Bund zieht sich lediglich aus der weiteren Finanzierung des Unterhalts und dergleichen zurück. Soweit es sich um THW-Fahrzeuge handelt, die jetzt dort nicht mehr benötigt werden, sollen sie insbesondere zum Aufwuchs dieser Organistion in den neuen Bundesländern verwendet werden.
Ich sehe dazu keine weitere Frage.
Dann kommen wir zu der Frage 25 von Frau Kollegin Sonntag-Wolgast:
Welche weiteren Rücknahme-Übereinkommen für Asylbewerber sind über die bereits abgeschlossenen ({0}) hinaus geplant, und mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die auf Grundlage solcher Vereinbarungen zu realisierenden Maßnahmen?
Die Bundesregierung strebt an, mit allen Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern und im Anschluß an die Neuregelung des deutschen Asylrechts am 1. Juli 1993 mit allen Nachbarstaaten RückübernahmeAbkommen abzuschließen.
Hinsichtlich der Hauptherkunftsländer sind über die bereits abgeschlossenen Abkommen mit Rumänien - September 1992 -, Kroatien - April 1994 - und Bulgarien - September 1994 - hinaus die Verhandlungen mit Vietnam und Algerien bereits in eine konkrete Phase getreten. Albanien ist bereits Ende 1993 ein entsprechender Abkommensentwurf übergeben worden. Auch mit Pakistan sollen die Verhandlungen in Kürze aufgenommen werden. Abkommen mit weiteren Staaten, z. B. Rußland, Ukraine, Indien, Sri Lanka und schwarzafrikanischen Staaten, sind in die bisherigen Überlegungen einbezogen.
In bezug auf die Nachbarstaaten steht zu den bereits abgeschlossenen Rückübernahme-Abkommen mit Polen - 29. März 1991 bzw. 7. Mai 1993 -, der Schweiz - Dezember 1993 - und der Tschechischen Republik - November 1994 - das Abkommen mit Österreich noch aus. Die Bundesregierung ist seit längerem bemüht, mit diesem Land Verhandlungen über ein neues Rückübernahme-Abkommen aufzunehmen, das das alte Schubabkommen aus dem Jahre 1961 aktualisieren soll. Erste Gespräche hierzu haben bereits stattgefunden. In einem ersten Schritt sollen Verbesserungen des alten Schubabkommens mittels eines Briefwechsels zwischen den beiden Innenministerien vorab vereinbart werden.
Eine zusätzliche Kostenbelastung wird durch den Abschluß der neuen RückübernahmeAbkommen nicht entstehen, da diese Abkommen lediglich den
schon bestehenden völkerrechtlichen Grundsatz konkretisieren, daß jeder Staat zur kostenlosen Rückübernahme der Ausreisepflichtigen eigenen Staatsangehörigen verpflichtet ist. Soweit für die Beförderung der zurückführenden Personen bis zur Grenze des Zielstaates Kosten entstehen sollten, die im Grundsatz von den ausreisepflichtigen Ausländern selbst zu tragen sind, werden diese Kosten durch die infolge der Rücküberführung in den meisten Fällen eingesparten Sozialhilfekosten mehr als ausgeglichen.
Frau SonntagWolgast.
Ihren Ausführungen zu den Fragen von Frau Schmalz-Jacobsen, die die Tschechische Republik und Polen betrafen, war zu entnehmen, daß sicherlich der reine Rückführungsakt keine Kosten verursacht, wohl aber das, was im Umfeld nötig ist. Mich würde interessieren, ob Sie tatsächlich davon ausgehen, daß im Zuge der jetzt noch zu schließenden Abkommen keinerlei sonstige Kosten, wie etwa an den Grenzen oder auf Grund organisatorischer Maßnahmen, anfallen.
Frau SonntagWolgast.
Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, den Abkommen mit Polen und mit der Tschechischen Republik lag eine entsprechende Aufforderung der Fraktionen dieses Hauses und der Parteien der Bundesrepublik Deutschland zugrunde, nicht also die an sich vorhandene und von irgendeiner Kostenerstattung nicht abhängige Pflicht dieser Staaten, - völkerrechtlich abgesichert -, eigene Staatsangehörige wieder zurückzunehmen. Das heißt diese völkerrechtlich gegebene Verpflichtung kann nicht quasi davon abhängig gemacht werden, daß die Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Zahlungen leistet, damit diese völkerrechtliche Verpflichtung eingelöst wird. Davon kann keine Rede sein.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Nein.
Dann nimmt die Fragestunde die gewünschte Wendung. Wir kommen zu der Frage 26 des Kollegen Andres:
Wie oft mußten Beamte zur Deckung der Pflegekosten im häuslichen oder stationären Bereich in der letzten statistisch erfaßten Jahresperiode Sozialhilfe in Anspruch nehmen?
Herr Kollege Andres, die Antwort lautet: Über die Inanspruchnahme von Sozialhilfe durch Beamte wurde bislang keine Statistik geführt. Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings, daß insbesondere für den Bereich der stationären Pflege oftmals Sozialhilfeträger vorleisten und die Aufwendungen im Rahmen der gesetzlichen Überleitung als Beihilfe beim Dienstherrn geltend machen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Kann die Bundesregierung mitteilen, wie viele Pflegebedürftige in der Bundesrepublik insgesamt vor Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung auf Sozialhilfe angewiesen waren?
Darauf können wir Ihnen leider keine konkrete Antwort geben, weil eine entsprechende Statistik für Beamte nicht geführt wird. Ich kann Ihnen aber im Hinblick auf Ihre Frage 27, wenn ich die Antwort vorziehen darf, zum Bereich des Bundes etwas an Zahlen liefern.
Ich möchte zunächt zur Frage 26 meine zweite Zusatzfrage stellen. Vielleicht können Sie beantworten, wie viele Pflegebedürftige nach Einschätzung der Bundesregierung künftig nach Einführung der Pflegeversicherung zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen sein werden?
Auch das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin zwar kein Spezialist, was die Kosten der Pflegeversicherung angeht, aber da die Sätze beispielsweise mit den privaten Pflichtversicherern oder mit Leistungsträgern überhaupt noch nicht ausgehandelt sind, werden sie auch die Frage, die Sie gestellt haben, im Moment nicht seriös beantworten können.
Dann kommen wir zur Frage 27:
Kann die Bundesregierung angeben, in welcher Höhe im Jahre 1993 Beihilfeleistungen zum einen insgesamt und zum anderen nur für Pflegeleistungen an Bundesbeamte gewährt worden sind?
Die Beihilfeausgaben des Bundes betrugen im Jahre 1993, und zwar ohne Post und Bahn, für Beamte, Versorgungsempfänger und berücksichtigungsfähige Angehörige insgesamt 1,31 Milliarden DM. Hiervon entfielen auf Pflegeleistungen etwa 91 Millionen DM. Das sind etwa 6,9 % der Gesamtausgaben.
Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte.
Kann die Bundesregierung einschätzen, wie sich die Beihilfeentwicklung im Pflegebereich nach Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung und nach der Neukonstruktion der Beihilfeverordnung gestalten wird?
Das können wir deshalb nur sehr schwer einschätzen, weil verschiedene Pflegestufen eingeführt worden sind, die bisher in der Form nicht existieren. Außerdem müssen Sie davon ausgehen, daß die bisher geltende Regelung im Vergleich zu der, die zu erwarten ist, relativ großzügiger ist, als die, die nachfolgen wird. Insoweit kann in der Tendenz nicht von einer Steigerung der Ausgaben ausgegangen
werden, sondern möglicherweise sogar von einer Reduzierung.
Noch eine Zusatzfrage?
Gebietet es nach Auffassung der Bundessregierung die Rechtsprechung, die Beihilfe so festzulegen, daß Beihilfeberechtigte nicht auf die Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sind?
Das ist einer der Punkte, die zur Zeit noch verhandelt werden. Es gibt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1965, in dem ausdrücklich festgelegt worden ist, daß die Fürsorgepflicht gebietet, sich als Dienstherr z. B. auch an den Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu beteiligen. Ob in Ausfluß dieses Urteils und des Fürsorgeprinzips andere Regelungen gefunden werden können, ist zur Zeit Gegenstand der Verhandlungen.
Diese Frage spielt erst im Hinblick auf die zweite Stufe der Pflegeversicherung, nämlich auf die stationäre Pflege, die bekanntermaßen erst am 1. Juli 1996 in Kraft tritt, eine Rolle. Deshalb wird in Übereinstimmung mit den Ländern, aber, soweit ich das beurteilen kann, auch mit den Fraktionen hier im Hause nach einer Neuregelung zu diesem Zeitpunkt gesucht. Sie ist aber noch nicht fertig.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Dreßler.
Herr Staatssekretär, Sie haben hier erklärt, es lägen Ihnen keine statistischen Daten vor, obwohl wir alle wissen, daß in Deutschland mittlerweile jede Mücke statistisch erfaßt wird.
({0})
Könnte es unter diesem Gesichtspunkt sein, daß in Wahrheit die Frage des Kollegen Andres damit hätte beantwortet werden müssen, daß es überhaupt keine Sozialhilfeausgaben gab, weil keine Fälle existierten, in denen dies hätte reklamiert werden können?
Herr Kollege Dreßler, da, wie Sie wissen, die Mehrzahl der Beamten bei Ländern und Kommunen beschäftigt ist, kann der Bund hier nicht für alle Fragestellungen eine verbindliche Antwort geben. Ich empfehle deshalb, insbesondere im eigenen Bereich, z. B. bei den Ländern, einmal nachzufragen.
Für den Bund kann ich nicht ausschließen, daß hier und da auch Sozialhilfe in Anspruch genommen werden mußte, was im übrigen auch für die Zukunft im Einzelfall nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Generell gesehen sollte sich der Dienstherr tendenziell bemühen, daß Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen werden muß, weil in der bloßen Verschiebung der Kosten vom Bund auf die Kommunen kein rechter Sinn zu erkennen ist.
Dann kommen wir zu Frage 28 des Kollegen Catenhusen:
Wie hoch ist im Durchschnitt die finanzielle Belastung der Beamten durch die von ihnen abzuschließende Restkostenversicherung für die nicht von der Beihilfe gedeckten Pflegekosten im Verhältnis zu den Beitragszahlungen der gesetzlich Pflegeversicherten?
Herr Kollege Catenhusen, die Antwort lautet: Während sozial Pflegeversicherte einen einkommensbezogenen Beitrag von 0,5 % selbst tragen müssen, werden die Beiträge für privat Pflegeversicherte nicht nach dem Einkommen, sondern innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen, insbesondere nach dem Eintrittsalter, bemessen. Ein unmittelbarer Vergleich läßt sich somit auf Grund unterschiedlicher Beitragssysteme nicht darstellen.
Nach den Mitteilungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung wird in der Startphase bei Privatversicherten bereits bei einem Alter von ca. 40 Jahren der Höchstbeitrag fällig. Beamte haben hiervon 50 % zu tragen. Nach der gegenwärtigen Kalkulation der privaten Pflegeversicherung sind bei einem 40jährigen oder älteren alleinstehenden Beamten ca. 24,30 DM fällig. Ein verheirateter Beamter muß einen zusätzlichen Beitrag für den Ehegatten ohne eigenes Einkommen leisten, da das private Versicherungssystem insoweit die beitragsfreie Familienversicherung, wie es sie bei der Pflichtpflegeversicherung gibt, nicht kennt. Dieser Ehegattenbeitrag beträgt die Hälfte des Höchstbeitrags für einen Beamten. Der monatliche Gesamtbeitrag für einen verheirateten Beamten beträgt damit ca. 35 DM bis 39 DM.
Bei einem Einkommen von 3 000 DM monatlich würde sich für ein Ehepaar, wobei der Ehegatte nicht berufstätig ist, in der sozialen Pflegeversicherung unter Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils eine eigene Beitragsbelastung von 15 DM, für ein vergleichbares Beamtenehepaar in der privaten Pflegeversicherung je nach Eintrittsalter ein Beitrag zwischen 35 DM und 39 DM ergeben.
Ihre Zusatzfrage.
Können Sie mir auch beantworten, wie die Staffelung der Beihilfeleistungen nach dem jeweiligen Familienstand erfolgen soll?
Die Beihilfeleistungen sind gegliedert. Sie beginnen bei 50 % für Nichtverheiratete und variieren entsprechend der Zahl der Kinder. Sie können das gerne nachlesen. Das hat aber nichts mit der Beitragshöhe zu tun, nach der hier gefragt wurde. Die Beitragshöhe ist unabhängig von der Zahl der Kinder. Außerdem muß jeder zusätzlich versicherte Ehegatte, der kein eigenes Einkommen hat, vom Einkommensbezieher auf eigene Kosten versichert werden. Insofern spielt diese Frage für die Beitragsbelastung keine Rolle.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Nein.
Dann Herr Kollege Dreßler.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben erklärt, daß Beamte in bezug auf die Beitragsleistungen faktisch schlechtergestellt sind als Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung. Würden Sie mir zustimmen, daß dieser Sachverhalt, den Sie gerade skizziert haben - Beamte sollen bei der Beitragszahlung schlechtergestellt werden -, ausdrücklicher Wunsch der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen während der Pflegeverhandlungen mit uns gewesen ist?
Herr Kollege Dreßler, ich gehe davon aus, daß dies der Wille aller Fraktionen des Hauses war; denn die Pflegeversicherung ist seinerzeit ja unter großer Zustimmung aller Fraktionen beschlossen worden. In der Konsequenz ist diese Regelung jetzt auch in der Pflegeversicherungsgesetzgebung enthalten.
Ich darf Sie daran erinnern: Man hat einvernehmlich beschlossen, daß die Beamten nicht in die soziale Pflichtversicherung einbezogen werden, sondern es bei der seit vielen Jahrzehnten praktizierten Regelung der privaten Versicherung und der teilweisen Erstattung über die Beihilfe bleiben soll. Wenn man dem zustimmt - das hat auch Ihre Fraktion getan-, dann ist die jetzige Beitragshöhe nur eine Konsequenz des damaligen Beschlusses.
Kollege Struck, zu derselben Frage? Wir sind immer noch bei der Frage 28.
Ja, ja.
Ich wollte nur, daß der Zusammenhang gewahrt bleibt.
Bitte.
Bei mir immer, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen, nachdem man Ihnen offensichtlich Akten über das Ergebnis der Pflegeversicherungsverhandlungen vorgelegt hat, entgangen, daß Ihr beamteter Kollege, Staatssekretär Priesnitz, in der Sitzung des Vermittlungsausschusses, in der der Pflegekompromiß, der dann auch Bundestag und Bundesrat vorgelegt worden ist, erarbeitet wurde, eine verbindliche Erklärung der Bundesregierung folgenden Inhalts abgegeben hat: „Die Bundesregierung bestätigt, daß die Beamten im Zusammenhang mit den Pflegeversicherungsregelungen nicht bessergestellt werden als die privaten Arbeitnehmer. "?
Herr Kollege Dr. Struck, im Augenblick reden wir über konkrete Schlechterstellungen der Beamten. Stufe II, die Sie jetzt ansprechen, ist bei den späteren Fragen noch ausführlich betroffen. Deshalb habe ich es mir versagt, das schon jetzt zu beantworten.
Der Kollege Priesnitz hat in der Tat zugesagt, daß die Beihilfevorschriften den Regelungen der allgemeinen Pflegeversicherung angepaßt werden. Zu dieser Zusage stehen wir, sowohl in bezug auf die Stufe I der Pflegeversicherung, also die häusliche Pflege, als
auch in bezug auf die Stufe II, nämlich die stationäre Pflege.
Wir kommen zu Frage 29 des Kollegen Dreßler:
Hat der Bundesminister des Innern die gegenüber dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und dem Vermittlungsausschuß abgegebene Verpflichtung, die Anpassung der Beihilfevorschriften an die Bestimmungen des Pflegeversicherungsgesetzes zum 1. Januar 1995 vorzunehmen, fristgerecht erfüllt, und wenn nicht, wie begründet er dies?
Herr Kollege Dreßler, jetzt kommen wir zu dieser Problematik. Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Im Zuge des Vermittlungsverfahren hat Staatssekretär Dr. Priesnitz vom BMI dem Vermittlungsausschuß gegenüber am 21. April 1994 erklärt, daß „eine Anpassung des Beihilferechts an die Pflegeversicherung in Abstimmung mit den Ländern so rechtzeitig vorbereitet wird, daß das neue Recht am 1. Januar 1995 in Kraft tritt". Dementsprechend wurde der Entwurf der Beihilfeänderungen gemeinsam mit den Ländern erarbeitet.
Der Bundesinnenminister hat gemäß der damaligen Erklärung im Vermittlungsausschuß die Änderung der Beihilfevorschriften für Bundesbeamte fristgerecht erfüllt. Die geänderten Beihilfevorschriften wurden am 29. Dezember letzten Jahres erlassen und werden in Kürze im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht. Damit kann, parallel zum Inkrafttreten der ersten Stufe der Pflegeversicherung, das für den Bereich „ambulante Pflege" geänderte Beihilferecht zum 1. April 1995 in Kraft treten.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, warum dieser Sachverhalt der deutschen Öffentlichkeit gegenüber zurückgehalten - um nicht zu sagen: verschwiegen - wurde, trotz des langen Vorlaufs dieses Verfahrens und obwohl die Bundesregierung wirklich alles, was sie an „Gutem" tut, der deutschen Öffentlichkeit auf unendlich vielen Pressebogen mitteilt?
Herr Kollege Dreßler, ich kann diesen Eindruck nicht bestätigen. In meinen Unterlagen befinden sich mehrere Presseerklärungen, etwa des Bundesinnenministeriums, zu diesem Sachverhalt. Im übrigen haben auch Sie durch eigene Erklärungen wesentlich dazu beigetragen, daß diese Problematik der deutschen Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben ist. Sie haben da also auch in unserem Sinne durchaus Aufklärungsarbeit geleistet.
({0})
Ihre zweite Frage, Herr Dreßler.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß Sie jetzt gerade ein paar Dinge verwechselt haben, indem Sie meine Kritik am Entwurf des Innenministers mit der Frage, wann es nun in
Kraft gesetzt worden ist - um es höflich zu sagen - verwechselten?
Herr Kollege Dreßler, auch dazu besteht noch Gelegenheit. Am 29. Dezember 1994 sind die Dinge in Kraft getreten. Sie werden demnächst im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht, wie ich vorgetragen habe. Sie treten in ihrer Wirkung faktisch also erst zum 1. April 1995 in Kraft. Es bleibt noch viel Zeit, um die Öffentlichkeit auf diese Regelung hinzuweisen. Eine gute Gelegenheit ist diese Fragestunde.
Bitte, Herr Andres, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns erklären, was die Erklärung eines Staatssekretärs noch wert ist, der im Vermittlungsausschuß verbindlich zusichert, daß die Beihilferegelungen am 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt werden, wenn Sie jetzt ständig erklären, daß sie zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt werden?
Ich fürchte, Sie haben die Differenzierung nicht genau registriert, die ich vorgenommen habe. Erlassen sind die Vorschriften am 1. Januar 1995. Sie werden Wirkung parallel zum Inkrafttreten der ersten Stufe der Pflegeversicherung entfalten, wie es vereinbart und vorgesehen war. Da diese erste Stufe der Pflegeversicherung erst am 1. April 1995 in Kraft tritt, macht es nur Sinn, auch diese geänderten Beihilfevorschriften erst zum 1. April in Kraft zu setzen. Ich sehe hier keinen Widerspruch zu der Zusage, die Kollege Priesnitz gegeben hat.
Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Dreßler:
Trifft es zu, daß es zwischen dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung über die materiellrechtlichen Anpassungen des Beihilferechts an das Pflegeversicherungsgesetz vor allem im Hinblick auf die Leistungsansprüche der Pflegebedürftigen zu keiner Einigung gekommen ist, und wenn ja, wo liegen die Ursachen eines Dissenses?
Die Änderung der Beihilfevorschriften des Bundes vom 29. Dezember 1994 ist mit den Ressorts, einschließlich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, abgestimmt. Dem sind intensive Gespräche u. a. auch mit dem Bundesarbeitsministerium vorausgegangen.
Herr Dreßler, bitte.
Herr Staatssekretär, wollen Sie allen Ernstes vor dem Hohen Hause bestreiten, daß es zwischen Ihnen und dem BMA im Zusammenhang mit der Umsetzung der Beihilfevorschriften für ambulante und stationäre Pflege einen Dissens gegeben hat, der Sie letztlich veranlaßte, die Teilung der Inkraftsetzung der Beihilfevorschriften in ambulante Leistungen jetzt und stationäre Leistungen später vorzunehmen?
Herr Kollege Dreßler, ich habe darauf hingewiesen, daß wir jetzt über den Teil ambulante Pflege sprechen und daß insoweit die Bestimmungen mit dem BMA abgestimmt sind und ein Einvernehmen erzielt worden ist. Hinsichtlich der stationären Pflege und der detaillierten Ausgestaltung dieser Beihilfevorschriften befinden wir uns noch in Gesprächen. Es gibt hier auch noch Differenzen, aber es bleibt bei unserer Zusage, daß auch diese neuen Beihilferechtsvorschriften rechtzeitig zum 1. Juli 1996, also zum Inkrafttreten der zweiten Stufe in der allgemeinen Pflegeversicherung, vorliegen werden und in Kraft gesetzt werden können.
Dann kommt Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Hohen Hause den Dissens oder die Teile der unterschiedlichen Auffassung in der Sache, die bestehen, mitzuteilen?
Es betrifft bestimmte Kostenhöhen. Aber ich kann Ihnen da nichts im Detail sagen, weil ich, wie gesagt, die Gespräche nicht erschweren möchte. Im übrigen wäre jede Ziffer willkürlich gegriffen und würde deshalb die ganze Geschichte eher verwirren als klären.
Eine Zusatzfrage, Kollege Urbaniak.
Herr Staatssekretär, ist in den Gesprächen zwischen dem Innenminister und dem Arbeitsminister angestrebt worden, die Beamten und die Sozialversicherten in der Pflegeversicherung, was die materielle Belastung angeht, also die Beiträge, gleichzubehandeln?
Bei den Beiträgen kann es aus den Gründen, die ich vorhin schon erläutert habe, keine Gleichbehandlung geben. Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Systeme. Es wird Wert darauf gelegt - auch das ist eine Zusage u. a. der Bundesregierung -, daß die Beihilfesätze so angepaßt werden, daß sie mit den allgemeinen Regelungen in der Pflegeversicherung vergleichbar sind.
Dann kommen wir zu der Frage 31 von Dr. Peter Struck:
Treffen Informationen zu, nach denen vom Bundesminister des Innern geplant ist, die Anpassung der Beihilfevorschriften an das Pflegeversicherungsgesetz stufenweise in Kraft zu setzen, dabei zunächst die ambulante und erst dann die stationäre Pflege zu regeln, und wie begründet die Bundesregierung dieses Vorgehen?
Es trifft zu, daß der Bundesminister des Innern die Beihilferegelung über Leistungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit stufenweise in Kraft setzt: zum 1. April 1995 die ambulante, also häusliche und teilstationäre Pflege, zum 1. Juli 1996 die stationäre Pflege. Die zweite Stufe der stationären Pflege wird in der Beihilfe später geregelt, weil auch die zweite Stufe der Pflegeversicherung erst später
Leistungen erbringt. Ich habe das schon im Rahmen von anderen Antworten erläutert.
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ich habe keine, Herr Präsident.
Wenn es keine Fragen gibt, kommen wir zu der Frage 32 des Abgeordneten Dr. Peter Struck:
Kann die Bundesregierung angeben, wie sich vor Einführung der Pflegeversicherung die Absicherung der Beamten und ihrer Angehörigen bei Pflegebedürftigkeit von der Absicherung der restlichen Bevölkerung unterschieden hat?
Herr Kollege Struck, die Bundesregierung kann das darlegen. Es bedarf hierzu allerdings etwas Geduld von Ihrer Seite. Die Ausführungen werden etwas länger sein.
Wenn die Geduld nicht überstrapaziert wird.
Ich hoffe, ich kriege es in zumutbarer Zeit über die Bühne.
Herr Staatssekretär, wir haben noch 6 Minuten und 42 Sekunden. Wenn Sie damit auskommen?
Damit werde ich auskommen.
Er muß mit der Hälfte auskommen; Herr Präsident, ich muß ja noch die Gelegenheit haben, nachzufragen.
Im übrigen habe ich es nicht verursacht, daß die Antwort länger geworden ist. Es liegt auch am Fragesteller, wenn ich das sagen darf.
Das Beihilferecht des Bundes und der Länder erbringt seit fast 30 Jahren Leistungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit, sowohl bei häuslichem als auch bei stationärem Pflegebedarf. Speziell die Leistungspflicht bei stationärer Pflege ist den Dienstherren durch die Rechtsprechung Mitte der 60er Jahre ins Stammbuch geschrieben worden. Ich erinnere an ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1965. Ich möchte das ausdrücklich festhalten, um dem Vorwurf zu begegnen, Beamte hätten sich ihre eigenen Leistungen großzügig festgeschrieben.
Erstens die häusliche Pflege: Bei dauernder Pflegebedürftigkeit eines Beamten oder Versorgungsempfängers bzw. deren Familienangehörigen wurden die notwendigen und angemessenen Pflegekosten einer Pflegekraft als beihilfefähig anerkannt. Erlauben Sie mir dazu folgenden wichtigen Hinweis: „Beihilfefähig" ist nicht gleichbedeutend mit Beihilfe. Das heißt vielmehr, daß sich aus dem Betrag der beihilfefähigen Aufwendungen erst die eigentliche Beihilfe als Auszahlungsbetrag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes errechnet. Die Beihilfe übernimmt die Pflegekosten also nicht - wie häufig und fälschlich behauptet wird - zu 100 %.
Die Notwendigkeit der häuslichen Pflege und deren Art, Umfang und tägliche Stundenzahl entscheiden sich nach dem ärztlichen Gutachten - das ist der gegenwärtige Stand -, künftig - das darf ich hinzufügen - nach dem Gutachten des medizinischen Dienstes der Versicherung wie bei der allgemeinen Pflegeversicherung. Als angemessen wurden die Pflegekosten bis zur Höhe der Sätze der hierfür in Betracht kommenden öffentlichen oder freigemeinnützigen Träger als beihilfefähig anerkannt.
Zweitens stationäre Pflege: Die Kosten der stationären Pflege wurden als beihilfefähig anerkannt. Maßstab für die Höhe der Pflegekosten sind die Sätze der öffentlichen oder freigemeinnützigen Einrichtungen entsprechend dem Grad der Pflegebedürftigkeit des stationär Untergebrachten. Auf Grund der Rechtsprechung - ich habe darauf hingewiesen; das ist seit 1965 so - wurden auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung, allerdings in eingeschränktem Umfang, als beihilfefähig anerkannt. Die Formulierung „in eingeschränktem Umfang" bedeutet konkret, daß z. B. ein Alleinstehender 60 % bzw. 80 % seiner Versorgungsbezüge und Renten vorab als Eigenleistung für seine Unterbringungskosten selbst einzubringen hat. Ergebnis ist deshalb in vielen Fällen: keine Beihilfe zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung.
Drittens die übrige Bevölkerung: Umfassende Leistungen für dauernde Pflege wurden bisher nach dem Bundesversorgungsgesetz, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Unfallversorgung erbracht. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wird seit dem Gesundheits-Reformgesetz für die häusliche Pflege entweder eine Sachleistung bis 750 DM oder ein Pflegegeld von 400 DM monatlich für selbst verschaffte Pflege durch Pflegepersonen erbracht. Die Pflegegeldregelung ist in das Beihilferecht entsprechend übertragen worden.
Fertig?
Fertig.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen folgende einfache Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort stellen: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die von ihr beabsichtigte Änderung der Beihilfevorschriften dem im Vermittlungsausschuß vereinbarten Kompromiß, Beamte nicht besserzustellen als alle anderen, gerecht wird, ja oder nein?
Uneingeschränkt ja.
Uneingeschränkt ja.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Präsident: Darf ich hier als verbindliche Erklärung der Bundesregierung festhalten, daß sie nicht beabsichtigt, Beamte besserzustellen als alle anderen Arbeitnehmer?
So ist es.
({0})
Herr Kollege Dreßen, Sie hatten sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Herr Staatssekretär, Sie haben ja erwähnt, daß bis zu 80 % der Pensionen im stationären Bereich mit herangezogen werden. Ist Ihnen bekannt, daß bei Arbeitern und Angestellten auch das Privatvermögen in diesem Fall eingebracht wird und bei Beamten überhaupt nicht? Halten Sie das für gerecht?
Herr Kollege, Sie sprechen jetzt offenbar über eine Regelung, die noch gar nicht existiert.
({0})
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß die Anpassung der Beihilferegelung an die neue Lage, nämlich an die zweite Stufe der Pflegeversicherung, erst zum 1. Juli 1996 erfolgen wird. Deshalb gibt es noch keine detaillierten, genauen Festlegungen der dann geltenden Regelungen. Was das gegenwärtige Recht angeht, das aber nur noch bis dahin gilt, entsprechen Ihre Ausführungen in etwa den Tatsachen.
Dann kann ich noch eine Frage aufrufen, nämlich die Frage 33 des Kollegen Schreiner:
Kann die Bundesregierung angeben, wie in einem neuen Beihilferecht die finanziellen Aufwendungen für Berufspflegekräfte bei ambulanter Pflege ausgestaltet werden sollen?
Die finanziellen Auswirkungen hängen wesentlich davon ab, was ein Pflegeeinsatz künftig kosten wird. Abschließende Erkenntnisse liegen bisher nicht vor. Vergütungsvereinbarungen zwischen den Pflegekassen und den Pflegeeinrichtungen werden derzeit erst verhandelt.
Bei häuslicher Pflege sind in Zukunft die Aufwendungen für Berufspflegekräfte höchstens wie folgt beihilfefähig: in der Stufe I 30 Einsätze im Monat, in der Stufe II 60 Einsätze im Monat und in der Stufe III 90 Einsätze im Monat. Damit werden die Überlegungen, die für die Zuordnung nach § 15 SGB XI maßgebend sind, übernommen.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie denn eine möglicherweise erhebliche Besserstellung der Beihilfeberechtigten in diesem Punkt ausschließen, zu der es dann käme, wenn die Deckelung bei den Beihilfeberechtigten in der von Ihnen dargestellten Form, nämlich 30, 60 oder 90 Einsätze je
nach Schwere der Pflegebedürftigkeit, erfolgen würde, während sie bei den Betroffenen in der sozialen Pflegeversicherung eben nicht nach der Summe der Einsätze erfolgen würde, sondern nach Höchstbeträgen je nach Pflegegrad von 750, 1 800 und 2 800 DM, was im Ergebnis dann eine erhebliche Besserstellung der Beihilfeberechtigten bedeuten könnte, wenn sich die Kosten pro Pflegestunde in eine Richtung entwickeln würden, wie sie gegenwärtig andiskutiert werden, nämlich von 50 bis 60 DM pro Stunde? Das hätte dann eine massive Besserstellung der Beihilfeberechtigten zur Folge. Können Sie das ausschließen?
Wir rechnen nicht mit einer massiven Besserstellung der Beihilfeberechtigten, einfach deshalb, weil beispielsweise die Pflichtpflegekassen in der Lage sind, Pauschalverträge mit Leistungsanbietern abzuschließen, und sich dabei in einer ganz anderen mit dem einzelnen Beihilfeberechtigten nicht vergleichbaren Marktposition befinden. Das heißt, wenn wir im Endeffekt den Inhalt dessen, was in der Pflegestufe I bei einem Höchstbetrag von 750 DM pro Monat in der Pflichtpflegeversicherung gewährt wird, mit dem vergleichen, was ein einzelner Beihilfeberechtigter auf eigene Rechnung zunächst bei einem Anbieter ordern muß, dann sind wir der Meinung, daß die Leistungen, die zutage treten werden, nicht günstiger sein werden, sondern vergleichbar bleiben.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind am Ende der Fragestunde.
({0})
- Die Zeit ist leider abgelaufen, Herr Kollege Schreiner.
({1})
Wir haben die Zeit für die Fragestunde überschritten; es tut mir leid. Wir sind am Ende der Fragestunde und damit am Schluß der heutigen Tagesordnung. - Herr Kollege Catenhusen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der SPD- Bundestagsfraktion sind die bisherigen Antworten der Bundesregierung und des Staatssekretärs auf unsere Fragen nach Anpassung der Beihilfevorschriften an die Bestimmungen des Pflegeversicherungsgesetzes unzureichend.
({0})
Sie wecken Hoffnungen, ohne uns konkrete Antworten geben zu können. Wir brauchen hier schnell Klarheit im Interesse der Betroffenen und im Interesse der Öffentlichkeit, und zwar aus zwei Gründen: weil es um die grundsätzliche Frage geht, ob hier eine ausgewogene Belastung aller, die von der Pflegeversicherung Leistungen beziehen werden, erfolgt, und
um die Frage, ob die Regierung in Zukunft bei Vereinbarungen mit der Opposition und bei grundlegenden sozialpolitischen Reformwerken, die auch in Zukunft ohne die SPD nicht zustande kommen werden, berechenbar bleibt.
Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion eine Aktuelle Stunde gemäß Anlage 5 der Geschäftsordnung.
Die Fraktion der SPD hat eine Aktuelle Stunde zu den soeben behandelten Fragen beantragt. Das entspricht der Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache muß unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe auf: Aktuelle Stunde
Anpassung der Beihilfevorschriften an die Bestimmungen des Pflegeversicherungsgesetzes
Ich erteile dem Kollegen Rudolf Dreßler das Wort. ({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. April 1994 hat der Vermittlungsausschuß seine entscheidende Sitzung innerhalb des Ringens um einen Kompromiß zur Pflegeversicherung abgehalten. Am Ende der Sitzung hat die SPD- Seite im Vermittlungsausschuß die Bundesregierung gefragt, ob sichergestellt sei, daß das, was wir für die gesetzliche Pflegeversicherung vereinbart hatten, innerhalb der Beihilfevorschriften auch für die Beamten seine Umsetzung finde. Der beamtete Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat dann eine mündliche Erklärung abgegeben. Ich habe aus den Erfahrungen von nicht eingehaltenen Zusagen aus dem Rentenkonsens und den Verhandlungen um die Gesundheitsreform in den gleichen Fragen dort erklärt, daß ich niemandem mehr traue und das von ihm Ausgeführte gerne schriftlich hätte.
Daraufhin hat mir der Bundesminister des Innern am 21. April 1994 brieflich mitgeteilt - ich zitiere -:
Das Bundesministerium des Innern wird eine Anpassung des Beihilferechts an die Pflegeversicherung vorbereiten.
Er hat mir ferner mitgeteilt, daß das am 1. Januar 1995 in Kraft trete, eine Anpassung an die gesetzlichen Bestimmungen, in denen Arbeiter, Angestellte oder Private je nach Status - jedenfalls nicht Beamte - innerhalb der Gesetzgebung gefangen sind.
Zu diesem Zeitpunkt war klar, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen unter keinen Umständen bereit waren - sie haben das Ganze als nicht verhandelbar tituliert -, daß Beamte auch nur wahlweise, geschweige denn per gesetzlicher Verpflichtung, in die gesetzliche Pflegeversicherung eintreten können.
({0})
Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben darauf bestanden, daß Beamten alleine die Privatversicherung eröffnet würde,
({1})
wissend, daß damit eine Beitragssituation entsteht, wie sie hier gerade der Staatssekretär zum Negativen der Beamten ausgeführt hat. Als die Einvernehmlichkeit im Leistungskatalog von der Bundesregierung dem Vermittlungsausschuß gegenüber zugestanden wurde, war dieser Sachverhalt als Wille der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen also hinreichend deutlich bekannt.
Daraufhin ging das Gerangel los. Heute stellen wir fest, nachdem der Staatssekretär hier auf Befragen meines Kollegen Struck erklärte, daß die Gleichbehandlung nach Auffassung der Bundesregierung gesichert sei, daß Beamten, nach den, wie wir soeben erfahren haben, bereits am 29. Dezember in Kraft getretenen Richtlinien im Leistungskatalog für Pflegeeinsätze bis zum Doppelten der Leistungen zugestanden worden ist.
({2})
- Nun warten Sie es doch ab. Seien Sie nicht so ungeduldig. Sie werden sich das schon anhören müssen.
({3})
Diesen Trick hat die Bundesregierung dadurch fertiggebracht, daß sie die Geldobergrenze bei den Normalsterblichen in eine Pflegeeinsatzzahl bei den Beamten veränderte. Anders ausgedrückt: Egal, was der Pflegeeinsatz kostet, 30 Einsätze für Beamte in der ersten Pflegestufe sind garantiert, für den Normalsterblichen nur 750 DM. Nach Angaben des Deutschen Wohlfahrtsverbandes kostet ein Pflegeeinsatz zwischen 50 und 60 DM. Ich nehme die untere Grenze. Auf deutsch heißt das: Dem Normalsterblichen sind nach Meinung der Bundesregierung aus diesem Gesetz 15 bis 16 Pflegeeinsätze zugänglich, dem Beamten von vornherein 30. Das nennt Herr Staatssekretär die Gleichheit vor dem Gesetz, wie das die Bundesregierung gegenüber den Gremien des Parlamentarismus am 21. April 1994 ausdrücklich zugestanden hat.
Zweites Beispiel. Die Bundesregierung will den Familienangehörigen von pflegebedürftigen Beamten Verdienstausfälle erstatten. Arbeiter, Angestellte und Private in der gesetzlichen Pflegeversicherung bekommen nichts. Die Bundesregierung will nach dieser Verordnung Fahrgelder für Familienangehörige bis zu den Schwiegerkindern erstatten. Die Normalsterblichen bekommen nichts. Das ist keine Gleichberechtigung. Das ist aus meiner Sicht ein Wortbruch gegenüber Vermittlungsausschuß, Bundestag und Bundesrat.
({4})
Ich fordere die Bundesregierung auf, diesen Wortbruch zu korrigieren und die Arbeiter, Angestellten und die freiwillig Versicherten in der gesetzlichen
Pflegeversicherung nicht schlechter als die Beamten zu stellen.
({5})
Das Wort hat der Kollege Marschewski.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung der Pflegeversicherung ist eine Jahrhundertreform. Dafür gebührt insbesondere dem Bundesarbeitsminister ganz herzlicher Dank.
({0})
Aber auch Sie von der SPD-Fraktion haben die Pflegeversicherung mitgetragen. Deswegen habe ich eine Frage an Sie: Wollen Sie wirklich durch diese Art von Debatte das großartige Werk Pflegeversicherung kaputtreden, oder wollen Sie Neid gegen gewisse Leute im Bereich des öffentlichen Dienstes schüren?
Ich sage Ihnen: Die Pflegeversicherung ist überhaupt kein Anlaß, über Beamte oder über Reformen im öffentlichen Dienst nachzudenken. Das werden wir, Herr Kollege Dreßler, an anderer Stelle tun.
Deswegen ein paar sachliche Informationen: Erstens. Beamte sind ebenso - das wissen Sie aber auch - wie andere Gruppen der Bevölkerung verpflichtet, eine Pflegeversicherung abzuschließen. Im Gegensatz zu den Arbeitnehmern werden sie nicht Mitglied der gesetzlichen Pflegeversicherung, sondern müssen eine private Pflegeversicherung abschließen.
({1})
Diese Pflegeversicherung ist keineswegs billiger, sondern sogar teurer als die gesetzliche Pflegeversicherung. Es ist Ihnen auch bekannt, daß diese Versicherung keine Familienversicherung ist. Nichterwerbstätige Ehepartner der Beamten müssen somit selbständig versichert werden.
({2})
Das kann durchaus dazu führen, daß die Beamten im öffentlichen Dienst, wenn es kleine Beamte sind, zeitweise doppelt so hoch belastet werden. Das kann doch nicht Ziel einer Reform sein.
({3})
Zweitens. Die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung erfolgt ebenso wie bei anderen Zweigen der Sozialversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte. Die Beihilfeleistungen sind also kein Beamtenprivileg, sondern der dem Beamten wie jedem anderen Arbeitnehmer zustehende Arbeitgeberanteil.
Drittens. Die Beamten tragen durch die Einführung der Pflegeversicherung die Lasten, die entstehen, genauso wie andere Bevölkerungsgruppen. Soweit
sie nicht vom Wegfall eines Feiertags betroffen sind, müssen sie entsprechende Besoldungskürzungen hinnehmen.
Viertens. Es trifft durchaus zu, daß gegenwärtig in begrenztem Umfang auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung beihilfefähig sind, aber den betroffenen Beamten werden ihre Versorgungsbezüge auf derartige Beihilfen weitgehendst als Eigenleistung angerechnet. Deshalb werden in einer Vielzahl von Fällen de facto entsprechende Beihilfeleistungen überhaupt nicht erbracht.
Ich gehe davon aus - ich habe das auch bewiesen -: Es gibt keine Vorteile für die Beamten in diesem Bereich. Mit Ihrer Darstellung, Herr Dreßler, stellen Sie die Wirklichkeit buchstäblich auf den Kopf.
({4})
Warum haben 14 Bundesländer, 14 Innenminister der Bundesländer, in denen Sie die Mehrheit haben, diesem Vorschlag zugestimmt? Sie haben das akzeptiert, weil es in Ordnung ist, weil es kein ungerechter Vorteil für den öffentlichen Dienst ist, sondern in jeder Hinsicht systemimmanent ist.
Deswegen mein Appell: Kehren Sie auf den Boden der Tatsachen zurück! Lassen Sie, Herr Dreßler, von einer pauschalen Schelte am öffentlichen Dienst ab und arbeiten Sie mit uns gemeinsam an den Reformen im öffentlichen Dienst mit, die woanders notwendig sind!
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Andrea Fischer ({0}).
Herr Kollege Marschewski, hätten Sie die Beamten in die allgemeine Pflegeversicherung gelassen, dann müßten sie uns jetzt nicht vorweinen, wie schlecht es ihnen mit der privaten Versicherung geht.
({0})
Das ist doch das Problem. Sie haben einmal mit dem Fehlermachen angefangen, und jetzt kommen Sie nicht da raus. Dann machen Sie auch noch Regelungen und ärgern sich darüber, wenn wir Ihnen vorhalten, daß das nicht so gelungen ist.
Wenn ich mir das aus der Sicht des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ansehe, dann entdecke ich da ganz erstaunliche Dinge, z. B. das, was wir jahrelang gefordert haben. De facto ist diese Beihilfeverordnung in der Wirkung nichts anderes als das, was wir uns einmal als steuerfinanziertes Leistungsgesetz vorgestellt haben. Wir haben uns damals gedacht, daß damit alle Leute gleichmäßig an der Verteilung der Lasten beteiligt werden.
({1})
Andrea Fischer ({2})
Die Regierung hat damals gesagt: „Steuerfinanzierung für so etwas, das ist Teufelswerk."
Und nun? Was passiert mit dieser Beihilfe? Das ist eine steuerfinanzierte Pflegeleistung und nichts anderes. Jetzt plötzlich verfolgt die Regierung das mit Hingabe.
({3})
Eine Beihilfe, die einen so großen Teil der tatsächlichen Pflegekosten abdeckt: Wir wären ja so glücklich, wenn sich dieser Realitätssinn hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der Pflegekosten auch für den Rest der Pflegeleistungen - für die bei den allgemein in der Pflegeversicherung Versicherten - ergeben würde. Denn die bisherigen Sach- und Geldleistungen der Pflegeversicherung sind doch - so, wie sie jetzt angesetzt sind völlig unzureichend für die Leute. Deswegen sagen Sie doch, daß die Beihilfe bei den Beamten dafür aufkommen muß.
Sie haben mal eben per Verordnung die Eingangsstufe auf 90 Minuten hochgesetzt. 500 000 Leute kommen so nicht in die Pflegeversicherung. Aber bei den Beamten sind Sie so besorgt darum, daß die alle diese Leistungen bekommen. Wie stellen Sie es sich vor, über Reformen im öffentlichen Dienst zu reden? Dieses ist keine Einbahnstraße; da muß man schon von sich aus bereit sein, etwas zu geben und aufeinander zuzugehen.
({4})
- Doch, natürlich hat das etwas damit zu tun.
({5})
-Ja, eben. Deswegen können die Beamten doch jetzt nicht sagen, sie würden schlecht behandelt, wo es sich doch um eine Regelung handelt, auf die sie selber Wert gelegt haben. Durch die Beihilfeverordnung werden sie gegenüber den allgemein Pflegeversicherten begünstigt. Hätten die Beamten die Klugheit besessen, dieses Mal nicht gierigen Klientelismus zu verfolgen, sondern Angebote zu machen und zu sagen „Wir gehen mit euch allen zusammen in dieselbe Versicherung, wir tragen mit euch allen zusammen die Leistungen", dann hätten wir diese Debatte jetzt nicht, und dann könnten Sie sich jetzt auch nicht hierhinstellen und sagen, wir machten Ihnen die schöne Pflegeversicherung kaputt. Sie machen sie kaputt, indem Sie die Zustimmungsbereitschaft der Leute dazu zerstören, indem Sie privilegierte Regelungen für die Beamten vorschlagen, die den Leuten zu Recht ungerecht erscheinen.
Mit uns ist diese Art von schamloser Selbstbedienung nicht zu machen. Wir sind bereit, die Pflegeversicherung zu verbessern. Wir sind bereit, die Beamten dabei mit zu berücksichtigen. Warum können sie nicht dazukommen und so mit allen zusammen die notwendigen Leistungen teilen?
Dann brauchen Sie das Beamtentum hier nicht mehr so zu verteidigen. Ich glaube, Sie hätten dann ganz andere Möglichkeiten, in Zukunft auch über andere Reformen im öffentlichen Dienst zu reden, weil die
Beamten nicht mehr - wie heute noch zu Recht -, was ihre Privilegien anbelangt, so angegriffen würden.
({6})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Max Stadler.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Marschewski hat darauf hingewiesen, daß in dieser Legislaturperiode umfassende Reformen des öffentlichen Dienstrechts anstehen.
Die allgemeine Diskussion hierüber wird in letzter Zeit aber zunehmend mit einem völlig unangebrachten beamtenkritischen bis beamtenfeindlichen Unterton geführt, so daß in der Beamtenschaft bereits eine erhebliche Verunsicherung eingetreten ist. Von diesem Unterton ist auch die heutige Debatte nicht frei.
({0})
Meine Damen und Herren, wenn hier von angeblichen Vorteilen der Beamten im Bereich der Pflege gesprochen wird - wobei man bei manchen Beiträgen nicht ganz genau erkennen konnte, ob uns nun vorgeworfen wird, daß den Beamten Vorteile oder Nachteile erwachsen -, dann werden hier doch völlig unterschiedliche Sicherungssysteme verglichen. Dieser Vergleich führt zu unzutreffenden Schlußfolgerungen.
Die F.D.P. will, daß auch die Beamten voll in das System der Absicherung gegen das Pflegerisiko eingebunden sind. Die Koalitionsvereinbarung vom 27. Mai 1993 hat deswegen vorgesehen, erstens die Beamten zum Abschluß einer privaten Pflegeversicherung zu verpflichten und zweitens die Leistungen der Beihilfe den Leistungen der Pflegeversicherung anzupassen. Beides ist geschehen. Die Beamtenschaft ist voll in die Finanzierung der Pflegeaufwendungen einbezogen.
Es ist schon gesagt worden: Für den Bund betragen die Aufwendungen für Pflegeleistungen im Rahmen der Beihilfe 91 Millionen DM. Die Kompensation durch den Wegfall eines Feiertages hat für den Bund rechnerisch einen finanziellen Wert von 103 Millionen DM. Sie geht also sogar darüber hinaus.
Die Beamten tragen die Aufwendungen für ihre Pflegeversicherung selbst. Sie müssen dabei - auch das ist schon erwähnt worden - vielfach höhere monatliche Prämien aufbringen als in der gesetzlichen Pflegeversicherung, weil die privaten Versicherungen das Prinzip der Familienversicherung nicht kennen, sondern jede Person des Familienverbandes einzeln zu versichern ist. So gesehen kann also von Vorteilen keine Rede sein.
Die F.D.P. spricht sich nachhaltig dafür aus, daß auch in Zukunft die sogenannten Hospizkosten der stationären Pflege beihilfefähig bleiben. Seit langem verfügt das Beihilfewesen in Bund und Ländern über eine Absicherung der Beamtenschaft vor dem Pflege626
risiko, die von verantwortlichen Sozialpolitikern des Deutschen Bundestages immer als vorbildlich bezeichnet worden ist. Dazu gehört die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bis zum niedrigsten Satz in Anstalten und Heimen.
Diese Regelungen basieren auf Strukturprinzipien des Lebenszeitbeamtenrechts, der Alimentationspflicht des Staates, ergänzt durch die Fürsorgepflicht.
Meine Damen und Herren, Anpassung der Beihilfe an die Pflegeversicherung heißt für uns nicht wortwörtliche Übertragung, sondern systemkonforme Übertragung. Das ist der entscheidende Punkt.
({1})
Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß der Innenminister seine Verpflichtungen nicht erfüllt hätte. Wir sehen Ihre diesbezüglichen Vorhaltungen als bloße Polemik an. Ich meine überhaupt: Wir sollten uns nicht an dem Versuch beteiligen, die Gesellschaft in Beamte und Nichtbeamte zu spalten.
({2})
In der Sache geht es darum, ob der Staat befugt ist, als Arbeitgeber seinen Beamten eine ihrem Dienstverhältnis entsprechende Absicherung gegen das Pflegerisiko zu gewähren. Keinem Arbeitgeber ist es verwehrt, seinem Arbeitnehmer mehr als den gesetzlichen Mindeststandard zuzubilligen und zusätzliche Leistungen zu zahlen.
Wenn der Staat seinen Beamten besondere Pflichten abverlangt - wie jetzt bei der anstehenden Modernisierung des öffentlichen Dienstes -, muß er auch zur Gegenleistung bereit sein.
({3})
Sie versuchen, durch Gleichmacherei die Grundsätze des Berufsbeamtentums auszuhöhlen und die Attraktivität des Beamtenstatus zu mindern. Dem werden wir uns widersetzen.
({4})
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Bläss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist schon jetzt klar, daß die Pflegeversicherung auch in dieser Legislaturperiode eine Art parlamentarischer Dauerbrenner sein wird. Die Tatsache, daß Beamte nicht in die gesetzlichen Pflegekassen zahlen müssen, ist für mich nur ein erstes, allerdings sehr symbolträchtiges Signal dafür.
Wir haben uns als PDS in der vergangenen Legislaturperiode ganz explizit für eine Gleichbehandlung aller bei der Pflege eingesetzt. Unsere Forderung war, ein steuerfinanziertes Pflegeleistungsgesetz einzuführen. Ein Grundanliegen von uns bestand und besteht auch weiterhin darin, eine Gleichbehandlung in Sachen Pflege für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes anzustreben.
Mit der gegenwärtigen Gesetzeslage wird nicht nur gegen das ursprüngliche Anliegen der Pflegeversicherung, nämlich die Gleichbehandlung aller, verstoßen, sondern auch die Chance verpaßt, zum erstenmal die Beamten an der Solidargemeinschaft teilhaben zu lassen, was ja von Ihnen - auch in der Bundesregierung - immer wieder betont wird.
Kanthers Beschluß reiht sich ein in die Kette der regelmäßig wiederkehrenden Äußerungen der Arbeitgeberseite, aber auch vieler Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien, die alle in eine Richtung zielen, nämlich das Gesetz, das wir im übrigen damals abgelehnt haben, zu kippen. Wir wissen alle - insofern ist das heute für mich auch ein bißchen eine Ersatzdebatte -, daß die eigentliche Gretchenfrage nach wie vor die Streitfrage um die Kompensation der Kosten der Arbeitgeberseite ist. Schon allein dieser Begriff - Kompensation der Kosten der Arbeitgeberseite - deutet die soziale Schieflage in diesem Lande an.
Nicht umsonst haben wir im Rahmen der Beratungen über die Pflegeversicherung davon gesprochen, daß dies ein sehr geschickt und getarnt vorgenommener Einstieg in den Ausstieg aus dem Sozialstaat ist.
Die Pflegeversicherung, gerade in der Form, wie sie sich jetzt darstellt, ist für mich zuallererst eine Form des gegenwärtig groß angelegten gesellschaftlichen Strukturwandels - nicht nur in der Sozialpolitik - in Richtung Deregulierung und Privatisierung. Ich denke da vor allem an die vorgenommenen Eingriffe in die Tarifautonomie, an die leidige Diskussion über die Feiertagsregelung und an die Karenztage.
Vonnöten ist meiner Meinung nach - insofern hoffe ich, daß die heutige Debatte Anlaß dazu ist -, die Gesamtdebatte auf die Leistungen zu orientieren, die diese Pflegeversicherung uns bietet. Ich möchte die wenigen Minuten Redezeit auch dazu nutzen, deutlich zu machen, wo ich - auch nach vielen Gesprächen mit den Betroffenen - Ansatzpunkte für Neuregelungen sehe. Im Moment sehe ich vor allem da eine Lücke, was die Ausführungsbestimmungen ganz konkret betrifft.
Für problematisch halte ich den Ausgangspunkt, von dem aus gegenwärtig diskutiert wird. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir ein anderes Bild der Selbstbestimmung behinderter Menschen bekommen müssen. Die gegenwärtigen Regelungen im Rahmen der Pflegeversicherung scheinen mir sehr einseitig auf ältere Menschen bezogen zu sein, die pflegebedürftig sind. Ich bin der Ansicht, daß wir einfach ein anderes Menschenbild einbringen müssen.
({0})
- Selbstbestimmtes Behindertenleben heißt z. B. auch, daß Behinderte - und das sind eben auch junge Menschen - einen Anspruch auf Pflegeleistungen im Sinne von Selbstbestimmung haben müßten, daß sie
selber entscheiden dürfen, was mit dem Geld, das sie bekommen, tatsächlich gemacht werden kann.
({1})
Da sind die Defizite ziemlich erheblich.
Was die Ausführungsbestimmungen betrifft - darauf wurde auch in der Debatte schon verwiesen -, gibt es ja gegenwärtig Widersprüche hinsichtlich einiger Regelungen, die schon bekannt geworden sind. Ich denke z. B. an die Eingangsbedingungen bei der Pflegestufe I. Im Gesetz war folgende Regelung: eine Stunde Pflegebedürftigkeit bei häuslicher Pflege. Jetzt gibt es eine Richtlinie, die besagt: anderthalb Stunden Pflegebedürftigkeit.
({2})
Da, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sollten Sie sich durchaus an Ihre eigenen ursprünglichen Beschlüsse halten.
Ich komme zum Schluß. Ich möchte darum bitten, daß wir die Debatte über die Pflegeversicherung stärker aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen führen. Ich glaube, die Defizite sind hier unheimlich groß.
({3})
Für die Regierung erteile ich jetzt das Wort nicht dem Minister, sondern dem Parlamentarischen Staatssekretär, Herrn Lintner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern - insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion -: Das Pflegeversicherungsgesetz hat seinerzeit in Übereinstimmung mit Ihnen die Beamten ausdrücklich nicht in die gesetzliche Pflichtversicherung einbezogen, sondern diesen Personenkreis weiterhin auf Leistungen der Beihilfe und einer privaten Pflegeversicherung verwiesen;
({0})
übrigens aus gutem Grund, der auch heute noch gilt, denn das Grundgesetz schreibt die Fürsorgepflicht des öffentlichen Dienstherrn vor. Im übrigen könnte davon auch ein Gesetzgeber, der hier immer wieder aufgefordert und ins Spiel gebracht wird, nicht abweichen.
Was ich bedaure, meine Damen und Herren, ist, daß Sie von diesem Mittragen heute nichts mehr wahrhaben wollen. Aber Gott sei Dank sind die von Ihnen vertretenen Minister auf Länderebene, die Landesinnenminister, weiterhin von der Partie und tragen die von der Bundesregierung getroffene Regelung weiter mit.
({1})
Das zeigt ja nun bereits, Herr Kollege Dreßler, daß die Vorwürfe, wie Sie sie im einzelnen formuliert haben, offenbar nicht zutreffen können; denn sonst würden Sie ja Ihren Landesinnenministern beispielsweise unterstellen, die Dinge nicht gesehen zu haben oder sie absichtlich entgegen Ihrer heftigen Kritik auch mitzutragen.
Ich darf auf einzelne Punkte eingehen. Den Kostenvergleich, den Sie angestellt haben, halte ich für extrem unseriös; denn Sie wissen genausogut wie ich, daß die Kosten zur Zeit zwischen den Pflichtversicherern ûnd den Leistungsanbietern erst verhandelt werden. Die Sätze, die Sie genannt haben, entsprechen der Wunschvorstellung der Anbieter. Sie müssen aber keineswegs Wirklichkeit werden. Die ganze Regelung gilt ja erst ab 1. April 1995.
({2})
- Genau dieser Einwurf bringt mich zu dem, was ich auch ansonsten zu beklagen habe: Sie stiften hier - ich vermute: absichtlich - ständig Verwirrung, indem Sie die bisher geltende Regelung mit künftigen Regelungen verquicken,
({3})
obwohl Sie genausogut wie ich wissen, daß die jetzige Regelung nach dem 1. April 1995 nicht mehr gelten wird.
({4})
Deshalb war Ihre Behauptung, daß im Wege der Beihilfe Fahrtkostenzuschüsse gezahlt würden oder beispielsweise Verdienstausfall ersetzt würde, im Hinblick auf die Neuregelung der Pflege ab 1. April dieses Jahres nicht richtig.
Wir haben zugesagt, daß nach der Neuregelung die Leistungen nach der allgemeinen Pflegeversicherung und die Leistungen nach der Beihilfe vergleichbar sein werden. Dazu stehen wir; das halten wir auch ein.
Herr Dreßler, es kann natürlich nur um eine inhaltliche Vergleichbarkeit gehen, denn der Beamte ist als Einzelnachfragender nicht in der Lage, irgendwelche Sachleistungen, die die Pflichtversicherung mit den Anbietern pauschal vereinbart hat - für die sie auch die Sätze pauschal vereinbart hat -, abzurufen, sondern er muß sozusagen als Einzelkunde auftreten. Er muß zunächst die Kosten dafür tragen und kann erst anschließend mit seinem Dienstherrn abrechnen.
Das heißt, die Grundsatzentscheidung, daß wir es bei dem Prinzip der privaten Versicherung und der Beihilferegelung belassen, hat notwendigerweise die Regelung zur Folge, daß wir hier nicht mit absoluten Höchstbeträgen operieren konnten, sondern Einsatzzahlen nennen mußten. Auch das ist in einer Arbeitsgemeinschaft zwischen Bund und Ländern auf der Basis der Innenminister unstreitig gewesen.
Ich kann nur hoffen, daß Sie das Thema, das wirklich mit sehr viel Leid zu tun hat, nicht dazu benutzen, es zu einer Art Neiddiskussion kommen zu lassen. Damit wäre niemandem gedient, schon gar nicht den Beamten, die unter dem Strich - Herr Dreßler, das wissen Sie auch - im Vergleich zur heutigen Regelung auf sehr viel verzichten müssen, wenn die Neuregelung in Kraft tritt. Das Opfer der
Beamtenschaft in diesem Zusammenhang ist durchaus anerkennenswert und bemerkenswert.
({5})
Jetzt spricht die Kollegin Ulrike Mascher.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl vom Parlamentarischen Staatssekretär als auch von Herrn Marschewski und von Herrn Stadler wurde versucht, Nebelkerzen zu werfen. Es geht hier nicht um die Reform des Berufsbeamtentums, es geht hier nicht um die großen Opfer, die ihrer Meinung nach die Beamten bringen, sondern es geht ganz schlicht und einfach um die Frage, ob die Regierung ihre Zusage einhalten will, die Beamten gleichzustellen. Es wurde ja nicht mit dieser feinsinnigen semantischen Einschränkung gesagt, daß sie nur systemkonform gleichgestellt werden sollen, sondern sie sollen gleichgestellt werden.
({0})
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen, das auch für jemanden, der nicht in den Feinheiten des Beihilferechts und des Berufsbeamtentums zu Hause ist, nachvollziehbar ist. In der Pflegeversicherung ist vorgesehen, daß in der Pflegestufe I Sachleistungen bis zu einem Betrag von 750 DM monatlich zur Verfügung gestellt werden. In dem Papier, das für die Beihilferegelung vorgelegt worden ist, heißt es, daß in der Stufe I bis zu 30 Pflegeeinsätze monatlich zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wenn ich mich an die Diskussionen im Rahmen der Einführung der Pflegeversicherung richtig erinnere, ist dieser für alle außer den Beamten geltende Betrag von 750 DM so zustande gekommen, daß man davon ausgegangen ist, daß 25 Einsätze zu je 30 DM erbracht werden können. Von den betroffenen Wohlfahrtsverbänden ist schon damals darauf hingewiesen worden, daß ein Monat mehr als 25 Tage umfaßt, nämlich in aller Regel 30 oder 31 Tage, so daß diese Leistung sehr knapp bemessen worden sei. Ich finde es bemerkenswert, daß bei der Regelung für die Beamten diese Sorge, dieser Einwand aufgenommen wurde und von 30 Pflegeeinsätzen die Rede ist. Ich will mich gar nicht auf die Diskussion einlassen, ob die 30 DM, die damals in Ansatz gebracht worden sind, realistisch waren oder ob die 50 DM bis 60 DM, die heute von den Wohlfahrtsverbänden genannt werden - was zu sehr viel weniger Pflegeeinsätzen führt -, eher den Tatsachen entsprechen. Vielmehr will ich mich dem Ausgangspunkt zuwenden: Es waren 750 DM vorgesehen, 25 Einsätze à 30 DM. Für Beamte hingegen sind 30 Pflegeeinsätze vorgesehen. Es ist nicht wegzudiskutieren - auch wenn man sagt: Das ist systemkonform, oder: Man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen -, daß ganz offensichtlich die Fürsorge des Staates für seine Beamten weiter geht als die Fürsorge des Bundesarbeitsministers und auch von uns allen, die wir der Pflegeversicherung zugestimmt haben, für alle anderen Betroffenen. Ich denke, das verträgt sich nicht mehr mit dem Satz, daß die Beamten gleichgestellt werden sollen.
({1})
Ich finde es auch sehr bemerkenswert, wenn hier gesagt wird: Kein Arbeitgeber ist daran gehindert, für seine Arbeitnehmer - in diesem Falle die Beamten -mehr zu leisten. Das kann wirklich nicht zur Erklärung herhalten, daß hier unterschiedliche Regelungen greifen sollen. Es sind nicht nur Peanuts, sondern hier geht es wirklich an die Substanz der Pflege.
Ich möchte von der Bundesregierung hören, ob sie bei dem schlichten Vergleich 750 DM gleich 25 Einsätze à 30 DM und 30 Pflegeeinsätze für die Beamten wirklich noch davon sprechen kann, daß es hier eine Gleichbehandlung gibt. Nach meiner schlichten und einfachen Mathematik herrscht hier keine Gleichbehandlung. Ich denke, daß es deswegen berechtigt ist, zu sagen: Die Bundesregierung hat ihre Zusage nicht eingehalten. Ich würde doch darum bitten, eine entsprechende Regelung zu treffen.
Ich möchte noch eines ganz deutlich machen. Vom Herrn Staatssekretär ist gesagt worden, bei der Pflegeversicherung hätte Übereinstimmung bestanden. Natürlich hat die bestanden. Es war ein Kompromiß, dem wir am Ende zugestimmt haben. Aber man muß festhalten, daß die private Versicherung der Beamten auf Wunsch der Bundesregierung hineingekommen ist und nicht auf Wunsch der SPD. Ich denke, das muß hier ganz deutlich werden.
Danke.
({2})
Das Wort hat jetzt der Kollege Karl-Josef Laumann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sollten das Thema Angleichung der Beihilfe an die Leistungen der Pflegeversicherung nicht so darstellen, wie es nach meinem Eindruck manchmal geschieht: daß wir die eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere ausspielen.
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Man sollte auch nicht den Eindruck erwecken, als sei die Beihilfe im Oktober 1982 vom Himmel gefallen. Beihilfe gibt es schon viel länger. Daß über die Beihilfe bei Pflegebedürftigkeit bezahlt wird, gibt es seit dreißig Jahren.
Die Wahrheit ist, daß CDU/CSU, F.D.P., unser Bundesarbeitsminister und mit ihrer Zustimmung im Endeffekt auch die SPD durch die Einführung der Pflegeversicherung diese schreiende Ungerechtigkeit ein ganz großes Stück weit beseitigt haben. In all den Jahren vorher hat es diese Leistungen gegeben. Ich bin mir auch klar darüber, wenn manch einer in un serer Bevölkerung diese großen Unterschiede gewußt hätte, hätte es massive Auseinandersetzungen in diesen Fragen gegeben. Die Tatsache, daß wir die Pflegeversicherung eingeführt haben, war der erste Schritt in Richtung Abbau dieser Ungerechtigkeit.
Ich denke auch, meine Damen und Herren, daß wir eine Frage ohne Emotionen, ganz ruhig und sachlich beantworten müßten: Inwieweit hätten wir die BeiKarl-Josef Laumann
hilfe einschränken oder abschaffen können, auch von der Verfassung und vom Alimentationsprinzip her?
({1})
Es kommt jetzt sehr darauf an, daß wir uns einmal sehr deutlich ansehen, was zwischen dem Bundesinnenminister und den 16 Innenministern der Länder für den ersten Teil der Pflegeversicherung, für die häusliche Pflege, vereinbart worden ist. Vorher muß man wissen, daß die Beihilfeberechtigten bislang nach amtsärztlicher Begutachtung einen Anspruch hatten, Leistungen bis zu 5 500 DM im Monat zu bekommen.
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Jetzt ist zwischen den Landesinnenministern und dem Bundesinnenminister vereinbart worden, daß im Bereich der häuslichen Pflege 30, 60 und 90 Pflegeeinsätze im Monat bezahlt werden.
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- Herr Dreßler, regen Sie sich doch nicht auf! - Das heißt, es gibt keine finanzielle Obergrenze. Im Unterschied dazu werden in der Pflegeversicherung Höchstbeträge von 750 DM, 1 800 DM, 2 800 DM und bei Härtefällen 3 750 DM bezahlt. Wahr ist nun auch, daß die Krankenkassen zur Zeit gegenüber einem Träger, der häusliche Pflege über die Krankenkassenleistung erbringt, die auch heute noch gilt und am 1. April durch die Pflegeversicherung abgeschafft wird, pro Einsatz 30 DM bezahlen. Wenn Sie diese Zahlen zugrunde legen, dann haben wir in diesem Bereich weitestgehend eine Gleichrangigkeit zwischen gesetzlich Versicherten und den Beihilfeberechtigten. Wenn man einmal die Summen, die ich eben genannt habe, durch 30 teilt, werden Sie sogar feststellen, daß Sie in den Pflegestufen II und III eine bessere Leistung in der gesetzlichen Pflegeversicherung haben, als sie für die Beihilfe vereinbart ist.
Meine Damen und Herren, die Geldleistungen bei häuslicher Pflege - das wissen Sie alle - sind gleich. Ich meine, daß der Bundesinnenminister die Zusage des Staatssekretärs im Vermittlungsausschuß für den Bereich der häuslichen Pflege voll eingehalten hat. Ich sage es auch ganz klar: Ich gehe davon aus und werde auch dafür kämpfen, soweit wir in den Fraktionen und im Parlament darauf Einfluß haben, daß diese Gleichstellung zum 1. Juni 1996 auch im Bereich der stationären Pflege zustande kommt. Es kann nicht richtig sein - ich sage das ganz eindeutig -, daß wir einer Witwe, die 1 200 DM Rente bekommt, zumuten, die sogenannten Hotelkosten und Unterbringungskosten selber zu bezahlen. Sie bekommt dafür null DM von der Pflegeversicherung. Für mich ist auch schon klar, daß dieses dann auch für Beihilfeberechtigte gelten muß. Aber sehen Sie einmal, daß das im Bereich der häuslichen Pflege voll gelungen ist. Ich bin mir ziemlich sicher, daß dies auch im Bereich der stationären Pflege zum passenden Zeitpunkt, wenn
der zweite Teil der Pflegeversicherung eingeführt wird, genauso geschieht.
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Ich weise schon darauf hin: Von 16 Innenministern haben schon 14 dieser Regelung zugestimmt. Das heißt, eine Menge der SPD-Innenminister haben dieser Regelung zugestimmt.
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Es wäre schon einmal interessant, zu wissen, warum die Innenminister von Niedersachsen und Hessen hier nicht zugestimmt haben. Vielleicht schwebte denen eine höhere Leistung im Beihilfebereich vor.
Schönen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Karl-Hermann Haack aus dem schönen Extertal.
Frau Präsidentin, ich lade Sie in das schöne Extertal ein. Es liegt ja nicht weit von Bielefeld.
Wir erleben hier eine sehr interessante Sache. Herr Marschewski hat sich neulich geäußert, im Beamtenrecht müsse alles reformiert werden. Frau Simonis hat gesagt, die Pensionslasten z. B. sind nicht mehr zu tragen. Sie haben sich dem angeschlossen. Dann kommt Herr Dr. Stadler hinterher und erzählt uns von der F.D.P., es sei alles gar nicht so; das sei Beamtenhetze. Herr Laumann als Vertreter der CDA, des christlich demokratischen Arbeitnehmerflügels der CDU, verteidigt die Privilegierung der Beamten.
({0})
- Natürlich. Das haben Sie eben gemacht. Was denn sonst? Ich kann doch hören. Regen Sie sich nicht auf!
- Das ganze Trauerspiel setzt sich wie folgt fort. Heute morgen um halb zehn betritt der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda, den Saal 1901 und erklärt zur Debatte über Arbeitslosigkeit, es müsse Gerechtigkeit in dieser Republik herrschen, man müsse Elend beseitigen. Das sei die andere Seite. Die andere Seite sei, Arbeitnehmern - ich zähle auf: Angestellte, Arbeiter - sei eine Beitragserhöhung nicht mehr zuzumuten. Die Akzeptanz sei nicht da. Das sei die andere Seite von Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft.
({1})
Herr Seehofer betritt den Saal 2001 um 11.30 Uhr und erklärt zum GSG folgendes: Die dritte Stufe sei notwendig, weil Arbeitern und Angestellten nicht mehr zuzumuten sei, höhere Beiträge zu leisten. Es müsse eine Reform des Sozialstaates geben, die durchgehende Gerechtigkeit im Leistungsbereich schafft, und dies müsse transparent gemacht werden, damit diejenigen, die Steuern zahlen, also die Beamten alimentieren - das sind die Arbeiter, die Angestellten und die Selbständigen -, begreifen, daß das
Karl-Hermann Haack ({2})
soziale Sicherungssystem plausibel und gerecht ist. Auch ein Teil der Beamtenreform hat zum Gegenstand, dies zu leisten.
Ich erinnere Sie daran, Herr Louven, daß wir darüber bereits beim GRG - Blüm selig - geredet haben
- er sitzt hier noch immer auf der Regierungsbank -, der damals für die Gesundheit zuständig war. Wir haben auch bei der Pflegeversicherung und beim Gesundheitsstrukturgesetz darüber geredet. Bei all diesem war immer von dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit bezüglich der Aufwendungen und des Verteilungsmaßstabs in dieser Gesellschaft die Rede. Und was machen Sie? Sie reden von Gleichheit und sind doch die Partei der Besserverdienenden. Sie sind den Bach hinuntergegangen, und zwar zu Recht.
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Sie sind der lebende Beweis für diese blödsinnige Argumentation, die die Solidarität in unserer Gesellschaft aushebelt.
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Sie, Frau Babel, sind die Fuhrfrau - nicht der Fuhrmann - und mit Ihnen die F.D.P. Das will ich Ihnen zu diesem Punkt sagen.
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Nun beginnt der Skandal: Über die Frage der Ausgestaltung der Beihilfe entscheidet der Selbstbedienungsladen hinter den Kulissen. Sie schreiben das quer. Herr Louven, Sie als Sozialpolitiker sitzen draußen und können gar nichts machen. Sie müssen in der CDU/CSU-Fraktion die Hand hochheben. So ist das.
Ich denke sehr wohl, daß man, wie Herr Dreßler hier gesagt hat, den Pflegekompromiß an diesem Punkt hochhalten muß. Wie wollen Sie eigentlich vor einen Betriebsrat treten? Wie wollen Sie in Emden bei Volkswagen oder bei der Conti in Hannover
({6})
- nein, da war er noch nie; das mag ja sein - die Pflegeversicherung erklären? Glauben Sie, Sie bekommen von denen noch eine müde Mark für irgendwelche gemeinschaftsstiftenden Aufgaben? Die bekommen Sie doch nicht.
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Der Skandal besteht darin: Morgens erzählen uns die wichtigsten Minister Ihres Kabinetts, Blüm und Seehofer, und der Präsident der Bundesanstalt, wo es in Sachen sozialer Gerechtigkeit langgeht.
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- Wir schlagen genau das gleiche Maß, das wir fordern, auch für die Beamten vor. Mehr nicht.
Das war's.
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Meine Damen und Herren, ich habe das geprüft: „Selig" ist keine Beschimpfung. „Blüm selig" muß erlaubt sein.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Regenspurger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal etwas Ungewöhnliches tun, nämlich ein Dankeschön aussprechen: Ich danke dem Innenministerium,
({0})
weil Herr Priesnitz im Vermittlungsausschuß zugesagt hat, daß zum 1. Januar 1995 auch das an die Pflegeversicherung angepaßte Beihilferecht in Kraft treten kann, und dies eingehalten wurde. Das ist vielleicht für Sie etwas Ungewöhnliches, meine Damen und Herren von der SPD, aber es ist so.
({1})
Da hier auch etwas über den Umbau des Sozialstaates gesagt worden ist, möchte ich die „Süddeutsche Zeitung" von gestern zitieren, in der steht:
Zentrales Thema der SPD: Umbau des Sozialstaats als Ziel
Sozialdemokraten gegen „populistische Kritik" an den Beamten
({2})
- Halten Sie sich daran; das wäre besser.
Ich möchte dem Dank noch etwas hinzufügen. Wer immer wieder behauptet, Beamte würden privilegiert, dem muß ich folgendes sagen.
Erstens. Dieses Haus hat mit großer Mehrheit beschlossen, Beamten im Jahre 1994 weitestgehend eine Nullrunde aufzuerlegen.
Zweitens. Beamte tragen ebenso wie alle anderen, also die Angestellten und Arbeiter, zu ihrer Absicherung bei, indem sie eine im Regelfall private Pflegeversicherung abschließen müssen. Die dortigen Regelungen belasten Beamte und ihren Ehepartner - und zwar unabhängig vom Einkommen, nur im Verhältnis zur Risikostruktur - bei im wesentlichen gleichen Versicherungsleistungen mit einem höheren Beitrag, nämlich zu 150 %,
({3})
während bei Arbeitnehmern die jeweilige Ehefrau beitragsfrei mitversichert ist.
({4})
- Ihr habt doch mitgemacht, ihr habt das gleiche Beihilferecht gewollt!
({5})
- Lieber Kollege Dreßler, man kann doch nicht von Privilegien sprechen, wenn die Beiträge der Beamten höher sind - ob ihr das nun mitgemacht habt oder nicht.
({6})
Auf jeden Fall zahlt der Beamte für diese Leistungen mehr.
Drittens. Außerdem sind auch Beamte über einen neu eingeführten § 3 a des Bundesbesoldungsgesetzes ebenso wie die Arbeitnehmer in eine Kompensationsregelung einbezogen.
({7})
Das heißt, auch sie müssen den vollen Beitrag zur privaten Pflegeversicherung alleine aufbringen, wenn in dem jeweiligen Bundesland - ich denke an Sachsen -, in dem sie tätig sind, ein Feiertag nicht abgeschafft wird. Allerdings existiert für Beamte hinsichtlich der Übernahme des sogenannten Arbeitgeberanteils keine Höchstbetragsbegrenzung, wie dies bei Arbeitnehmern der Fall ist.
Ich erwähne dies nur, um deutlich zu machen, daß Beamte insbesondere infolge der Änderungen der Beihilfevorschriften des Bundes keineswegs privilegiert sind.
({8})
- Nein. Ich bitte, darüber einmal nachzudenken.
({9})
- Kollege Dreßler, Sie haben so viel Sachverstand, um zu wissen, daß das, was Sie jetzt sagen, Quatsch ist.
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Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, davon abgesehen ist das Beihilferecht des Bundes einschließlich der Leistungen für den Pflegefall keine Erfindung der Beamten selbst. Vielmehr wurde es auf Grund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade auch im Bereich der Pflegefalleistungen so formuliert, wie wir die Bestimmungen heute vorfinden.
Auf einen Aspekt möchte ich noch besonders aufmerksam machen, auch wenn er heute noch nicht aktuell ist. Wenn verschiedentlich der Eindruck erweckt wird, die teilweise Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegungskosten bei einer stationären Pflege über die Beihilfebestimmungen sei ein besonderes Privileg, so muß ich dem eindeutig widersprechen. Die entsprechenden Regelungen sind nämlich gerade so ausgestaltet, daß jeder Beamte und jede Beamtin zunächst zwischen 60 und 80 % der Einkünfte selbst aufzubringen hat, ehe überhaupt an eine Beihilfefähigkeit der Unterkunfts- und Verpflegungskosten gedacht werden kann.
Dies hat u. a. zur Folge, daß Beamte ab einer bestimmten Einkommenshöhe nach geltendem Recht tatsächlich keine Beihilfe für Unterkunfts- und Verpflegungskosten ausbezahlt bekommen, weil ihr Eigenanteil über den entsprechenden Kosten liegt. Lediglich Bezieher unterer und mittlerer Einkommen - wir wissen alle, daß dies im öffentlichen Dienst die Mehrheit ist - können überhaupt eine Beihilfe zu den Unterkunfts- und Verpflegungskosten erhalten.
Diese Regelung der Beihilfebestimmungen des Bundes hat also eine innere, an sozialen Kriterien ausgerichtete abgestufte Struktur. Dies entspricht geradezu der Intention des Pflegeversicherungsgesetzes, die wir hier alle teilen, Pflegebedürftige vor allem aus der Sozialhilfe herauszulösen. Ich glaube, auch Sie wollen sie nicht in die Sozialhilfe hineintreiben. Nimmt man den Beamten des einfachen und mittleren Dienstes in Zukunft die entsprechenden Leistungen, so wird man sie vielfach wieder in die Sozialhilfe hineintreiben. Das aber bewirkt lediglich eine Umschichtung der Belastung der öffentlichen Haushalte zu Lasten der Gemeinden, die wir ja gerade vermeiden wollen.
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Ihre Redezeit ist vorbei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf daher dringend darum bitten, bei den weiteren Überlegungen über eine gegebenenfalls notwendig werdende weitere Anpassung des Beihilferechts an das Pflegeversicherungsgesetz keine populistischen Theatergedonner zu veranstalten, sondern zur gebotenen Sachlichkeit unter Verzicht auf eine weitere Neidkampagne oder vielleicht auch Neidhammelkampagne zurückzukehren.
Ich bedanke mich.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Gerd Andres.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben nicht die Absicht, eine vordergründige Beamtenschelte zu betreiben.
({0})
Das überlassen wir Erwin Marschewski, in Fachkreisen „der Beamtenkiller" genannt, oder anderen Leuten, die mit schönen Vorschlägen auftreten. Auf Dauer schadet derjenige den Beamten, der hintenherum und ohne Information der Öffentlichkeit dafür sorgt, daß Beamte entgegen den Normalbürgern Privilegien bekommen.
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Herr Lintner hat eben in der Fragestunde gesagt - das halte ich für einen Skandal, Herr Marschewski -: Da sitzen irgendwo Beamte in den Ministerien, die machen ihre eigene Beihilferegelung, irgendwann schreibt der Minister quer, und wir alle können dann sehen, wie das, was da irgendwo ver632
deckt quergeschrieben worden ist, hinterher auch finanziert wird. Die Finanzlasten werden der normalen Bevölkerung auferlegt. Wer so etwas macht, der - das kann ich Ihnen sagen - schadet auf Dauer den Beamten.
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Ich will Ihnen etwas ganz Simples sagen. Herr Lintner hat vorhin gesagt, am 29. Dezember sei diese allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften in Kraft gesetzt worden. Ich habe hier ein Exemplar vom 6. Dezember - ein anderes liegt mir nicht vor -, aus dem ich Ihnen einfach etwas vorlesen will. § 6 Abs. 1 Nr. 7 - ich muß es kurz machen -:
Daneben sind Aufwendungen für Behandlungspflege beihilfefähig. Bei einer Pflege durch Ehegatten, Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder, Schwiegersöhne, Schwiegertöchter, Schwäger, Schwägerinnen, Schwiegereltern und Geschwister des Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsunfähigen Angehörigen sind die folgenden Aufwendungen beihilfefähig:
({3})
a) Fahrtkosten,
b) eine für die Pflege gewährte Vergütung bis zur Höhe des Ausfalls an Arbeitseinkommen, wenn wegen der Ausübung der Pflege eine mindestens halbtägige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird; ...
- Entschuldigung, das steht da.
Wenn Lohnausfall für Angehörige erstattet wird, dann müssen Sie, Herr Marschewski, nicht eine Nebelrede über irgendwelche Reformabsichten im öffentlichen Dienst halten, sondern müssen sagen: Ist das so, oder ist das nicht so? Wo werden dem Normalbürger in der sozialen Pflegeversicherung die Fahrtkosten erstattet? Bitte vorzeigen!
Dann gibt es eine zweite ganz einfache Frage. Sie können sie hier ganz schlicht beantworten. In der sozialen Pflegeversicherung gibt es in der Stufe I, ambulante Pflege, 750 DM. Für die Beamten gibt es 30 Pflegeeinheiten. Schlichte Preisfrage: Warum gibt es in der normalen Pflegeversicherung nicht 30 Pflegeeinheiten, oder warum wird umgekehrt in den Beihilferichtlinien nicht hineingeschrieben „bis 750 DM"? Es ist eine ganz schlichte Frage.
Meine Kollegin Mascher ist darauf eingegangen: Wir haben während der Beratungen des Pflegeversicherungsgesetzes elende Auseinandersetzungen genau um die Frage gehabt, wieviel Geld denn notwendig ist, um eine einigermaßen zuträgliche und vernünftige Pflege zu gewähren und zu finanzieren. Da ist gesagt worden: Wenn ein Pflegestundensatz von 30 DM herauskommt, bedeutet das bei einer Deckelung bei 750 DM, daß in der untersten Pflegestufe eben nur 25 Pflegeeinheiten bezahlt werden können. Preisfrage: Warum gibt es, wenn diese 25 Pflegeeinheiten herauskommen, bei der sozialen Pflegeversicherung nur 25, für die Beamten aber 30? Ich bitte, diese Frage zu beantworten.
({4})
In der zweiten Stufe wird bei 1 800 DM gedeckelt. Warum werden dort 60 Pflegeeinheiten vorgesehen und warum in der sozialen Pflegeversicherung nicht?
Ich bitte darum, diese schlichten Fragen zu beantworten. Wenn sie ordentlich und vernünftig beantwortet werden, bin ich gern bereit, die Vorwürfe zurückzunehmen. Mein Problem ist nur, daß ich glaube - das ist auch die Absicht, die dahintersteckt -: Den einen werden die Pflegeeinsätze unabhängig von dem, was sie kosten, - das wird nicht festgelegt - gewährt, während bei den anderen eine Kostendeckelung vorgenommen wird und ihnen dann weniger Pflegeeinsätze gewährt werden.
Die von mir genannten Punkte können ausgeräumt werden; vielleicht habe ich einen falschen Entwurf - meiner ist vom 6. Dezember 1994 -, oder vielleicht weiß ich das alles nicht mehr.
Ich komme zu meiner Schlußbemerkung, die an die hier Verantwortlichen geht. Wenn diese Geschichte ganz normale Menschen mitbekommen, dann darf sich kein Mensch wundern, daß es in dieser Gesellschaft keine Bereitschaft zu Solidarität und zur Rücksichtnahme gibt. Wenn die Leute mitbekommen, daß immer sie diejenigen sind, die die Lasten aufgebürdet bekommen, während sich andere Privilegien erhalten, dann wird mit einer solchen Methode unser Sozialstaat letztlich demontiert und kaputtgemacht. Dem muß man einen Riegel vorschieben.
({5})
Ich erteile jetzt dem Bundesminister Norbert Blüm das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich gar nicht vor, in der Debatte zu sprechen. Nur, was der Kollege Andres vorgetragen hat, bedarf der Aufklärung.
Das, was er vorgetragen hat, betrifft das geltende Beihilferecht. Da war für die häusliche Pflege ein Betrag bis zu 5 514 DM beihilfefähig; ausgezahlt wurden dann davon zwischen 50 % und 80 %. Nach der geltenden Beihilferegelung wurde jemandem, der einen Familienangehörigen pflegt, der ausgefallene Lohn ersetzt.
({0})
- Jetzt mal ganz langsam!
Die neue Beihilferegelung unterscheidet sich elementar von dem, was bis jetzt galt. Es sind jetzt nicht mehr bis zu 5 514 DM beihilfefähig. Es gibt jetzt vielmehr ein nach Pflegegruppen gestaffeltes Pflegegeld - das gab es bisher gar nicht - von 400 DM, 800 DM und 1 300 DM. Das ist eine elementare Reduzierung dessen, was die Beamten bisher bekommen haben.
Was die Einsätze anbelangt: In der Tat ist bei den Sachleistungen in der Pflegeversicherung ein Betrag ausgewiesen, in der Beihilfe gibt es Einsatzzahlen. Die Einsatzzahlen entsprechen ungefähr den Beträgen.
({1}) - Ungefähr, habe ich gesagt.
({2})
Liebe Kollegen, jetzt laßt doch die Kirche im Dorf! Ich bin ja mit von eurer Partie. Das werden wir hinterher bei der Regelung der stationären Pflege ja noch zu klären haben. Da liegt nämlich die eigentliche Analogie vor. Nur bitte ich: Laßt die Kirche im Dorf!
Ich sage es ganz platt: Die Beamten, die bisher in Sachen Pflege mehr bekommen haben, bekommen jetzt weniger. Zum erstenmal zahlen die Beamten überhaupt einen Beitrag. Sie bekommen weniger, zahlen einen Beitrag und müssen auch noch eine Kompensation leisten. Ich bitte, gerade die Sozialpolitik mit einem gewissen Augenmaß zu betreiben. Ich halte den Teil, der sich auf die ambulante Pflege bezieht - um es klar zu sagen; ich habe mich ja nie um Entscheidungen gedrückt -, im Sinne dessen, was wir vereinbart haben, also im Sinne der Anpassung, für eine tragbare Lösung. Ich bin dafür, daß bei dem zweiten Schritt, der ja erst 1996 notwendig ist, diese Analogie genauso hergestellt wird wie jetzt bei der häuslichen Pflege.
Da ich hier nun einmal am Rednerpult stehe und wir von Hausaufgaben gesprochen haben, wäre es meine große Bitte - auch im Hinblick auf das, was vorhin in der Fragestunde ausgetauscht wurde -, daß auch die sozialdemokratische Länderseite ihre Hausaufgaben macht. Da liegt nämlich zur Regelung der Investitionsfinanzierung null, nichts vor.
({3})
Hessen hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem zu den investiven Kosten null Komma nichts steht. Deshalb kann ich die Frage, die Sie vorhin gestellt haben, nämlich dahin gehend, wieviel Leute wir aus der Sozialhilfe herausholen, erst beantworten, wenn alle Länder das, was wir im Pflegekompromiß auch ausgemacht haben - ich hoffe, wir stimmen darin überein -, umsetzen, nämlich daß dann, wenn es eine duale Finanzierung gibt, die Länder einen Teil der Ersparnisse, die auf Grund der Einführung der Pflegeversicherung in der Sozialhilfe eintreten, dazu verwenden müssen, die investiven Kosten zu bezahlen, um auf diese Weise die Pflegekosten zu senken. Es mache also jeder seine Hausaufgaben. Wir, der Bund, haben sie gemacht.
Wir haben 800 Millionen DM für die neuen Länder zugesagt; sie sind angewiesen, prompt zum 1. Januar. Es sind 250 Projekte vorgelegt worden; die haben wir beschieden. Ich denke, es ist vielleicht nicht gut, wenn wir hier ein Schwarzer-Peter-Spiel machen. Das werden die Pflegebedürftigen nicht verstehen.
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Verehrte Frau Kollegin Fischer, ich habe Ihre erste Rede sehr bewundert und ihr mit großem Respekt zugehört. Wenn Sie aber heute sagen, 500 000 Menschen würden ausgegrenzt, kann ich das deshalb nicht akzeptieren, weil sie bisher überhaupt nichts bekommen haben. Wie kann ein erheblich Pflegebedürftiger ausgegrenzt werden, wenn er bisher überhaupt nichts bekommen hat? Jemanden, der bisher null Leistung bekommen hat, kann ich schlecht ausgrenzen.
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Was die eineinhalb Stunden anbelangt, kann ich dazu nur sagen: Dieser Personenkreis bekommt jetzt zum erstenmal eine Leistung.
Zu den Pflegerichtlinien möchte ich sagen: In der Tat muß man ja auch in der Pflegeversicherung gerade in der Eingangsphase vorsichtig vorgehen. Das ist unser gemeinsames Bestreben. Für die zweite Pflegestufe, für die eine Geldleistung von 800 DM, also das Doppelte, gezahlt wird, hat das Bundessozialgericht drei Stunden festgelegt. Es spricht also mehr als nur ein Anhaltspunkt dafür, daß man in der Eingangsstufe 90 Minuten festlegt. Ich möchte ausdrücklich zusagen: Wenn sich herausstellt, daß wir mit diesen 90 Minuten das Ziel nicht erreichen - was ich nicht glaube -, dann wäre durchaus die Frage zu stellen, ob man das korrigiert. Aber jetzt, wenn eine neue Versicherung eingeführt wird, muß man aus meiner Sicht, auch um der Akzeptanz willen, vorsichtig vorgehen.
Mein Resümee: Daß die ambulante Pflege im Beamtenrecht analog geregelt wird, halte ich so, wie es vorgesehen wurde, für tragbar. Wir muten den Beamten in Anbetracht dessen, was sie bisher bekommen haben, sehr viel zu. Wenn die Beamten weniger bekommen, zum erstenmal einen Beitrag zahlen und Kompensationen leisten müssen, dann ist mir schleierhaft, wie Sie da auf den Begriff „Selbstbedienung" kommen. Ich hätte eher geglaubt, mein Freund und Kollege vom Beamtenbund würde jetzt hier vortragen, daß die Beamten durch die neue Regelung in der Tat das, woran sie gewöhnt waren, zurückgeben müssen.
Ich halte die Regelung im ambulanten Bereich mit Verlaub gesagt für tragbar. Ich bin mit allen hier im Saal der Meinung, daß wir bei der stationären Pflege, beim zweiten Schritt, sehr darauf achten müssen, daß die Analogie zwischen Pflegeversicherung und Beamtenregelung hergestellt wird. Ich bin mit von der Partie, wenn erhöhte Wachsamkeit angemahnt wird.
Insgesamt mache jeder seine Hausaufgaben, damit wir das, was wir gemeinsam zustande gebracht haben, jetzt nicht zerreden. Ich habe fast den Eindruck, wir zerreden ein großes Projekt, z. B. wenn so getan wird, als gäbe es weniger. Wenn die Pflegeversicherung in beiden Teilen wirksam wird, geben wir 30 Milliarden DM aus. Wie kann dann einer daherkommen und sagen, das sei eine Verschlechterung? Es sind 30 Milliarden DM, die bisher nicht gezahlt wurden. Auch die Sozialhilfe hat nicht soviel gezahlt. Mehr als das Doppelte bringen wir jetzt für die Pflegebedürftigen zustande. Da kann doch niemand sagen, wir hätten eine Verschlechterung herbeigeführt.
Also, laßt die Kirche im Dorf oder, um mit Herrn Schiller zu reden - mit großer Verehrung spreche ich
von ihm -: Zerschlagt nicht die Tassen im Schrank!
({6})
Jetzt hat der Abgeordnete Herr Dreßler das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin Anhänger des Verursacherprinzips, nicht nur im Umweltschutz. Ich stelle fest - dies haben die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen heute nicht entkräften können -: Der Bundesminister des Innern hat am 21. April mitgeteilt, daß er eine Anpassung des Beihilferechts an die gesetzliche Pflegeversicherung in Kraft setzen wird. Dies war die Zusage gegenüber Parlament, Vermittlungsausschuß und Bundesrat.
Ich stelle zweitens fest, daß es nach diesem Verursacherprinzip die Bundesregierung für opportun gehalten hat, den Beamten höhere Leistungen über Richtlinien zu gewähren, als sie den Arbeitern und Angestellten in der gesetzlichen Pflegeversicherung bereit ist zuzuerkennen. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es. Dieses wird jetzt von seiten der Koalition als Beamtenschelte hier eingeführt, oder Herr Blüm sagt mit weinerlicher Stimme: „Macht die Pflegeversicherung nicht kaputt" . Meine Damen und Herren, die Pflegeversicherung kann man nicht kaputtmachen; sie ist Gott sei Dank im Gesetz festgelegt. Aber, was man kaputtmachen kann, Herr Blüm, ist der Glaube an die Gleichbehandlung aller Berufstätigen durch den Gesetzgeber. Das ist der entscheidende Punkt.
({0})
Dieses haben Sie nicht geschafft; das können sie nicht entkräften.
Das zweite, was ich bemerken wollte: Dieser Vorgang ist faktisch ohne Parlament passiert. Der Bundestag konnte sich nicht damit beschäftigen, der Bundesrat nicht, kein Vermittlungsausschuß, kein Ausschuß, nichts. Hier haben Beamte des Innenministeriums einen politischen Auftrag von CDU/CSU und F.D.P. in eine Neuformulierung der Beihilferegelungen übertragen. Der Minister hat es quergeschrieben. Aber kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, der hier in wenigen Monaten über die finanzpolitischen Konsequenzen per Haushalt zu entscheiden hat, ist bis heute im Besitz dieses Papiers, niemand! Das ist die Sachlage.
Deshalb, Herr Lintner, wäre es - wie soll ich es sagen? - ein Beispiel für politische Kultur, wenn die Bundesregierung einmal eine Initiative ergreifen und dem Parlament ihrerseits einen Gesetzentwurf zur Regelung der Beihilfe vorlegen würde, damit die parlamentarische Kontrolle und die öffentliche Wirksamkeit dieses Vorgangs in Zukunft anders werden, als das in diesem konkreten Fall hinter verschlossenen Türen, am Parlament vorbei und gegen Ihre Zusage gegenüber dem Parlament geschehen ist. Es wäre traurig, wenn Sie auch dazu die Opposition noch animieren müßten, indem Sie schlicht und ergreif end
sitzen blieben. Ich kann dieses Verhalten überhaupt nicht verstehen.
Schlußbemerkung. Wenn sich der Abgeordnete Regenspurger als stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes bei der Bundesregierung für diese Richtlinien bedankt, dann kann ich das voll verstehen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Abgeordnete Andres hatte den Abgeordneten Marschewski einen Beamtenkiller genannt. Deswegen erteile ich ihm einen Ordnungsruf.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Lintner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Behauptung des Kollegen Andres veranlaßt mich, zu einer Richtigstellung das Wort zu ergreifen. Herr Kollege Dreßler, da Sie von politischer Kultur gesprochen haben, würde ich empfehlen, daß Behauptungen, wie sie hier öffentlichkeitswirksam in den Raum gestellt worden sind, vorher auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.
Ich darf feststellen, daß das, was Sie zitiert haben und anschließend der Kollege Andres vorgetragen hat, überhaupt nicht den Fall der Pflegeversicherung betrifft, sondern von der vorübergehenden häuslichen Krankenpflege handelt, d. h. das Feld der Krankenkassen angeht, und deshalb überhaupt nicht Gegenstand der jetzt diskutierten Regelung ist. Sie aber haben so getan, als sei es ein Fall dieser Pflegeversicherungsregelung und als sei darin eine Bevorzugung der Beamten zu sehen.
Ich bitte Sie herzlich, diese für die Diskussion nicht ganz unbrisante falsche Darstellung zu korrigieren.
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Als letztem in dieser Runde erteile ich jetzt dem Abgeordneten Kauder das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man heute die SPD hört, vornehmlich den Kollegen Dreßler, kann man den Eindruck gewinnen, als ob die Bundesregierung hinter verschlossenen Türen brandneue Privilegien für die Beamten beschlossen hätte.
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Damit entsteht der Eindruck, als ob die SPD eine breite Stimmung in der Bevölkerung ausnützen wollte, um eine Gruppe - im übrigen sind das Leute, die arbeiten; deswegen können sie nicht von „Beamten und Arbeitnehmern" sprechen - gegen die andere auszuspielen, als ob neue Privilegien in Kraft gesetzt worden wären, obwohl Sie wissen - das ist das eigentlich Schlimme an der Sache -: Das Gegenteil ist der Fall.
Zum erstenmal wird eine Pflegekasse gebildet, an der auch die Beamten mit Beiträgen und Kompensation beteiligt sind, was bisher nicht der Fall war. Es wird von Leistungen, auf die Beamte bisher Anspruch hatten und die man von mir aus als Privilegien bezeichnen kann, abgegangen. Es entsteht also genau das Gegenteil von dem, was Sie hier gesagt haben. Beamte müssen von den Privilegien herunter und werden an das herangeführt, was für jeden anderen normalen Arbeitnehmer gilt.
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Mit den Zahlen, die Sie nennen, wird von der SPD Nebel produziert. Auch bei den neuen Beihilfevorschriften tritt das ein, was wir in der Pflegeversicherung haben: Geldleistungen ohne Unterschied.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie wissen doch ganz genau, daß 80 % der Pflegebedürftigen die Geldleistungen und nicht die Sachleistungen in Anspruch nehmen. Dies setzt sich, wie mir gesagt worden ist, auch in diesem Jahr durch. Die Geldleistungen sind bei der Pflegekasse und bei der Beihilfe inhaltlich voll identisch. Wo ist hier also der Dissens?
Wir haben bei den Beamten dieselbe Stufenregelung bezüglich der Einstufung der Pflegeversicherung wie bei allen anderen. Wir haben im Prinzip auch die gleichen Berechnungsgrundlagen. Ich halte es für die Leistungskraft der Pflegeversicherung für gefährlich, wenn Kolleginnen und Kollegen von der SPD jetzt so tun, als ob es schon ausgemachte Sache wäre, daß ein Pflegeeinsatz 50 oder 60 DM kostet. Wir gehen nämlich noch immer davon aus, daß wir erheblich darunter bleiben können, und wollen nicht denjenigen das Wort reden, die glauben, sie müßten schon jetzt 50 oder 60 DM verlangen.
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Ich bin deshalb sehr froh - auch dann, Frau Kollegin Mascher, wenn Sie mit dem Kopf schütteln -, daß wir in dem Pflegeversicherungsgesetz die private Konkurrenz zulassen, damit nicht die Preise in der Art eines Privilegiensystems diktiert werden können.
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Und insofern haben wir doch eine vergleichbare Situation.
Was soll diese Debatte? Aus einer Äußerung des Kollegen Dreßler werde ich den Verdacht nicht los, daß mit dieser Debatte etwas anderes beabsichtigt wird. Erstens soll noch immer nachgekartet werden, weil die Bundesregierung und diese Regierungskoalition hart geblieben sind: Es bleibt bei der Beihilfe, es kommt nicht zur Volksversicherung, die die SPD wollte.
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Das ist aus Äußerungen des Kollegen Dreßler ganz klar deutlich geworden.
Zweitens. Eine Reform des öffentlichen Dienstes - das spüren wir in diesen Tagen - ist notwendig. Dazu hat der Kollege Marschewski ausgewogene Vorstellungen vorgelegt, über die wir diskutieren müssen. Deswegen weise ich die Aussagen des Kollegen Andres zurück.
Ich habe den Eindruck, daß die SPD über diese notwendige Diskussion versucht, das Berufsbeamtentum kaputt zu machen und so wenige Beamten wie möglich zu behalten - das ist das, was die Gewerkschaften schon immer wollten -, um damit den Einstieg in die allgemeine Sozialversicherung zu bekommen. Die heutige Diskussion dient diesem Ziel.
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Bei der Krankenkasse erleben wir das auch. Das sind Stellvertreterkriege, die hier im Bundestag geführt werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Da machen wir nicht mit.
Ich möchte noch einen letzten Hinweis geben, Herr Kollege Dreßler. Ich werde die Kritik, die Sie heute geäußert haben, gleich morgen an den Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Ihren SPD-Parteifreund Birzele, weitergeben. Ihn haben Sie kritisiert; denn er hat der Geschichte zugestimmt.
Im übrigen wundert es mich natürlich schon, daß Sie keine Bundesratsinitiative ergreifen, wo Sie doch jede Gelegenheit nutzen, um den Bundesrat für parteipolitische Dinge zu instrumentalisieren. Das haben Sie nicht gemacht, sondern Sie führen hier eine Diskussion, die völlig fehl am Platz ist.
Ich stelle fest: Es geht heute um die Einführung der ambulanten Pflege. Da ist etwas gelungen, was wir früher für unmöglich gehalten haben: die versprochene Anpassung der Beihilfe an die allgemeinen Regeln. Bei der stationären Pflege wird dies auch geschehen. Es gibt überhaupt keinen Anlaß zur Kritik an der Bundesregierung.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und gleichzeitig am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 19. Januar, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.