Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Jahressteuergesetz 1997 und Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997 beschlossen. Die Bundesregierung zieht mit diesem Gesetzentwurf die Folgerungen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Vermögensteuer. Außerdem werden steuerliche Maßnahmen des von den Koalitionsfraktionen am 25. April dieses Jahres beschlossenen Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung umgesetzt.
Der Gesetzentwurf sieht den Wegfall der Vermögensteuer als eigenständiger Steuer ab 1. Januar 1997 vor. Die private Vermögensteuer geht rechnerisch mit 1,6 Milliarden DM in der mit Wirkung vom 1. Januar 1996 neu zu regelnden Erbschaft- und Schenkungsteuer auf.
Die Betriebe werden von der wettbewerbs- und arbeitsplatzfeindlichen Substanzsteuer entlastet. Auf eine sehr aufwendige allgemeine Neubewertung des Grundbesitzes kann verzichtet werden. Die Länder ersparen einen Großteil der Erhebungskosten, insbesondere die Einstellung von zirka 5 000 Beschäftigten, die für eine allgemeine Bewertung des Grundbesitzes nötig geworden wäre.
Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird Grundbesitz entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gegenwartsnäher bewertet und damit ähnlich wie übriges Vermögen belastet. Der Grundbesitz wird nur für den einzelnen Veranlagungsfall bewertet. Es handelt sich also um eine Bedarfsbewertung. Für bebaute Grundstücke ist zur Bewertung ein Wohnnutzflächenverfahren, für Mietwohngrundstücke wahlweise auch ein Ertragswertverfahren, für typische Industriegrundstücke ein Kubikmeterverfahren vorgesehen.
Die persönlichen Freibeträge, insbesondere im Familienbereich, werden deutlich angehoben: für Ehegatten 1 Million DM, für Kinder 750 000 DM. Das übliche Familienvermögen bleibt somit steuerfrei.
Betriebsvermögen wird - durch Ansatz nur zur Hälfte; bisher zu 75 Prozent - stärker entlastet. In diese Entlastung soll auch der Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens einbezogen werden.
Die Steuerklassen I und II werden zusammengefaßt, die Höchststeuersätze abgesenkt.
Die eigentlichen Neuregelungen sind aufkommensneutral. Allerdings wird sich das Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer um 1,6 Milliarden DM auf gut 5 Milliarden DM erhöhen, weil die private Vermögensteuer rechnerisch mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer zusammengefaßt wird. Insgesamt wird die Erbschaft- und Schenkungsteuer gleichwohl sozialverträglich neu geregelt.
Von den steuerlichen Maßnahmen aus dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung sind hervorzuheben: stufenweise Absenkung des Solidaritätszuschlags von 7,5 vom Hundert ab 1997 auf 6,5 vorn Hundert und ab 1998 auf 5,5 vom Hundert. Damit stehen den Bürgern schon 1997 mehr als 3,5 Milliarden DM für die private Nachfrage zur Verfügung.
Existenzgründer werden in den Anfangsjahren durch Verbesserung der Ansparabschreibung für kleine und mittlere Betriebe steuerlich gefördert. Durch verbesserte steuerliche Abzugsmöglichkeiten der Lohnkosten für Beschäftigte in Privathaushalten sollen Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen gegeben werden.
Zur Erleichterung für die privaten Arbeitgeber werden Vereinfachungen bei der Abführung von Steuern und Sozialabgaben eingeführt. Hervorzuheben ist die Möglichkeit, die Anmeldung, Berechnung und Abführung von Sozialabgaben von bestimmten
Einzugsstellen, zum Beispiel von der Krankenkasse des Arbeitnehmers, mit Hilfe eines Haushaltsscheckverfahrens erledigen zu lassen.
Die schwierige Haushaltslage zwingt uns, die Erhöhung des Kindergeldes für das erste und das zweite Kind, des Kinderfreibetrags und des Grundfreibetrags jeweils um ein Jahr, also auf den 1. Januar 1998, hinauszuschieben.
Der Gesetzentwurf sieht die Einführung eines Veranlagungswahlrechts für beschränkt Steuerpflichtige, die dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterliegen, ab dem Veranlagungszeitraum 1996 vor. Damit sollen Überbesteuerungen im Einzelfall vermieden werden. Dies soll auch Befürchtungen zerstreuen, ausländische Künstler oder Sportler würden wegen der durch das Jahressteuergesetz 1996 vorgenommenen Erhöhung des Steuerabzugs die Bundesrepublik meiden.
Enthalten ist auch eine Beschränkung der Sonderabschreibungen für Schiffe und Flugzeuge. Sie entfallen bei Bau- bzw. Kaufverträgen nach dem 30. April 1996. Ihre Wirkung ist fragwürdig geworden.
Die vorgesehenen Änderungen des Umsatzsteuerrechts dienen der Umsetzung von EG-Recht in deutsches Recht. Der Schwerpunkt liegt bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von innergemeinschaftlichen Reihengeschäften.
Die Bundesregierung ist, was die Vermögensteuer anbelangt, nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorgegangen; der Spielraum für die Beibehaltung ist ganz eng geworden. Auf die eingangs beschriebenen Entlastungen der Betriebe weise ich hin. Die entsprechenden Teilkompensationen sind sozial ausgewogen.
Vielen Dank.
Danke schön, Herr Minister. Ich bitte nun, zu diesem Themenbereich Fragen zu stellen.
Als erste Frau Kollegin Ingrid Matthäus-Maier.
Herr Waigel, Sie haben eben gesagt: Die schwierige Haushaltslage zwingt uns, die für 1997 vorgesehene Kindergelderhöhung zu verschieben. - Ich darf daran erinnern, daß wir in diesem Bundestag im letzten Jahr gemeinsam beschlossen haben, das Kindergeld für das erste und das zweite Kind ab dem 1. Januar 1996 auf 200 DM und ab 1997 auf 220 DM zu erhöhen. Gleichzeitig haben Sie vorgetragen, daß die Vermögensteuer nach Ihrem Gesetzentwurf völlig abgeschafft werden soll.
Nach den neuesten Steuerschätzungen, die wenige Tage alt sind, sind für die Vermögensteuer im Jahr 1997 9,3 Milliarden DM, im Jahr 1998 9,5 Milliarden DM, im Jahr 1999 9,7 Milliarden DM und im Jahr 2000 10 Milliarden DM angesetzt. Das heißt: Wenn Sie diese Steuer komplett abschaffen, fehlen jeweils diese Summen. Selbst unterstellt, Sie würden 1,6 Milliarden DM davon auf die Erbschaftsteuer übernehmen, bleiben Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Wir sind der Ansicht, daß das Bundesverfassungsgericht mit seinem Vermögensteuer-Urteil Sie keineswegs dazu zwingt.
Selbst unterstellt, wir könnten wegen der Doppelbelastung bei den Körperschaften und den Anteilseignern gemeinsam über eine Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer reden, bleiben durch den kompletten Wegfall der Steuer auf private Vermögen Steuerausfälle in Milliardenhöhe - zugunsten hoher und höchster privater, nicht betrieblicher Vermögen.
Daran schließt sich meine Frage an: Meinen Sie eigentlich nicht, daß es sozial ungerecht ist, den Familien mit Kindern zu sagen „Wir haben kein Geld, um euch die dringend notwendige Kindergelderhöhung im Jahr 1997 auszuzahlen" , gleichzeitig aber viele Milliarden DM durch die Abschaffung der Steuer auf private Vermögen in Kauf zu nehmen? Ist es nicht so, daß dies auch verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft ist? Die dringend notwendige Anhebung des Kindergeldes ist nämlich keine Gnade des Staates, sondern entspricht der verfassungsrechtlich gebotenen Steuerfreistellung des Existenzminimums der Kinder. Ist die Kombination, die Vermögensteuer völlig abzuschaffen und die Kindergelderhöhung zu verschieben, zudem nicht ökonomisch unvernünftig? Stimmen Sie mir nicht zu, daß, wenn ich einer Familie mit zwei Kindern im nächsten Jahr 480 DM vorenthalte - 20 DM pro Monat pro Kind -, die eine Menge Dinge hat, wofür sie das Geld ausgeben könnte, dies zu einer Schwächung der Binnennachfrage beiträgt, während die Abschaffung der Steuer auf private Vermögen nicht einen einzigen Arbeitsplatz schafft?
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Herr Minister.
Die Frage der Frau Kollegin Matthäus-Maier ist ebenso polemisch wie fast demagogisch
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und erinnert an ihre früheren falschen Vergleiche mit dem Jäger 90, die sich zwischenzeitlich hinreichend als lächerlich erwiesen haben.
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Schon Ihre Addition, Frau Kollegin Matthäus-Maier, ist falsch. Denn wenn Sie davon reden, daß die betriebliche Vermögensteuer auch Ihrerseits keine volle Unterstützung mehr findet, dürfen Sie sie bei der Addition auch nicht mehr hinzurechnen.
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Sie müssen dann darstellen, daß die Vermögensteuer unter Einbeziehung der im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen insgesamt etwa 57,8 Prozent beträgt. Sie müssen dann einbeziehen, daß für
den Rest die engen Grenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts beachtet werden müssen, so daß auch diese Größenordnung nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn die Gewerbekapitalsteuer wegfällt, müssen Sie sich schließlich überlegen, welches Maß an zusätzlichem Verwaltungsaufwand notwendig ist.
Wenn man das alles betrachtet, dann scheint es mir sozial sehr gut vertretbar zu sein, einen Teil der privaten Vermögensteuer auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
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zu übertragen, um damit den vollen verwaltungsmäßigen Effekt, nämlich die Vereinfachung durch Wegfall zweier Steuern, zu erreichen, den Ländern damit die Möglichkeit zu geben, das bisher dafür benötigte Personal nun für Betriebsprüfungen und ähnliche effektive Einsätze zu verwenden und damit eine in manchen Zeiten - vor allen Dingen in der Zeit, in der keine Gewinne gemacht werden - aus der Substanz zu entrichtende Steuer wegfallen zu lassen. Wenn das so schlimm ist, dann frage ich mich nur, Frau Matthäus-Maier, warum Sie sich bei Ihren Genossen in Europa noch nicht durchgesetzt haben, wo die Vermögensteuer entweder in Wegfall gekommen oder ganz entscheidend verringert worden ist.
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Zum Kindergeld: Im Wahlkampf 1994 haben wir zugesagt, daß wir im Jahre 1996 die Familienpolitik um 7 Milliarden DM verbessern würden. Natürlich ist unsere jetzige Maßnahme nicht schön. Wir bedauern genauso wie Sie, daß die Erhöhung des Kindergeldes nicht stattfinden kann und um ein Jahr verschoben werden muß. Aber ich bin überzeugt, daß die Menschen dafür Verständnis haben. Es ist unfair und polemisch, die Vermögensteuer und dieses Thema gegeneinander aufzurechnen. Wir müssen im Moment dafür sorgen - damit helfen wir den Familien mit Kindern am meisten -, daß mehr Arbeitsplätze entstehen, daß mehr Investitionen getätigt werden und daß die Konjunktur wieder stärker anspringt. Das kann durch die steuerpolitischen Vorhaben, die wir heute beschlossen haben, in Gang gesetzt werden.
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Danke schön, Herr Minister. Als nächster spricht Graf von Waldburg-Zeil.
Herr Bundesminister, im Grunde haben Sie meine Frage schon beantwortet. Ich dachte, daß die Vermögensteuer derart aufwendig ist und so hochqualifiziertes Personal benötigt, daß - bei Freiwerden dieses Personals - durch Betriebsprüfungen im Bereich der Einkommensteuer erheblich mehr herauskommt, als wenn man die Leute ständig hinter etwas herlaufen läßt, was mehr kostet, als es einbringt.
Herr Minister.
Die Vermögensteuer ist die aufwendungsstärkste Steuer. Für ihre Erhebung und Veranlagung wird mehr als doppelt soviel Einsatz und Personal benötigt wie bei anderen Steuern. Insofern wäre es für den Staat, für die Einziehung von Steuern und für die Bekämpfung von Steuerbetrug wesentlich effektiver, die Betriebsprüfungen zu verstärken, so wie es schon einige Finanzminister zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg versucht haben.
Danke. Die nächste Frage kommt von Herrn von Larcher.
Ich habe vernommen, daß Sie die Vermögensteuer komplett abschaffen wollen. Ich habe eine andere Frage im Zusammenhang mit dem Thema soziale Gerechtigkeit. Hält es die Bundesregierung für sozial gerecht, wenn durch die vorgesehene Verdoppelung des Sonderausgabenabzuges für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse ein Ehepaar mit hohem Einkommen - nehmen wir als Beispiel einmal ein zu versteuerndes Einkommen von 250 000 DM - bei Beschäftigung einer Haushaltshilfe eine steuerliche Förderung von - in diesem Beispiel - 12 700 DM erhält?
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- Moment, Moment! Vielleicht darf ich noch ausreden? Was hat das mit Sozialneid zu tun? Einen solchen Quatsch will ich hier nicht mehr hören.
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So etwas ist doch wirklich bescheuert, Entschuldigung. Sie bringen mich nun wirklich aus dem Häuschen. Man stellt hier eine vernünftige Frage, die sich darauf bezieht, wie sich Gesetzesvorhaben der Bundesregierung auswirken, und sofort kommt der Zwischenruf „Sozialneid". Das werden wir innerhalb der Debatte noch zu klären haben. Jetzt muß ich ja fragen.
Also: Ein Ehepaar, das über ein Jahreseinkommen von 250 000 DM verfügt
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und eine Haushaltshilfe einstellt, wird steuerlich mit einem Betrag in Höhe von 12 700 DM gefördert. Ein Ehepaar, das über ein Jahreseinkommen von 50 000 DM verfügt, wird steuerlich nur mit einem Betrag in einer Höhe von 6 516 DM gefördert. Ist das sozial gerecht?
Ja, das ist sozial gerecht, weil dadurch neue Arbeitsplätze entstehen. Es ist für jemanden, der aus der Arbeitnehmerschicht kommt, wie Sie, Herr von Larcher - das habe ich bisher angenommen -, ungewöhnlich, daß er sich gegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze wendet.
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Sie befinden sich damit innerhalb Ihrer eigenen Partei auf einem Minoritätenflügel; denn über Sie ist die Entwicklung, die von Ministerpräsidenten der Länder vollzogen worden ist, längst hinweggegangen.
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Der alte Begriff, den die Dame links von Ihnen geprägt hat, nämlich der vom Dienstmädchenprivileg,
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hat sich als lächerlich erwiesen. Hier geht es nicht um ein Privileg, sondern darum, daß einem Ehepaar, wenn beide erwerbstätig sein und auch Kinder haben wollen, die Möglichkeit gegeben werden muß, beide Ziele miteinander zu vereinbaren. Insofern entspricht eine solche Regelung genau dem Trend hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft; sie ist familienfreundlich und hat mit Privilegien für Reiche überhaupt nichts zu tun. Wir schaffen damit in einem Bereich Arbeitsplätze, in dem uns andere Länder weit voraus sind. Was die Aufwendungen anbelangt: Wir wollen es mit einem Familien-Scheck regeln, der ja in Frankreich teilweise schon Erfolg gehabt hat. Wir befinden uns damit auf einem sehr guten Weg.
Es ist sozialpolitisch auf jeden Fall dadurch gerechtfertigt, daß neue Arbeitsplätze entstehen.
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- Entschuldigung, ich konnte Ihre Eingangsbemerkungen, die verbal unverständlich waren, nicht verfolgen. Ich habe Ihnen schon einmal bei einer solchen Gelegenheit vorgeschlagen, Sie möchten sich beruhigen. Ihre Sekretärin hat mir später mitgeteilt, Sie seien am Nachmittag wieder ganz ruhig gewesen. Ich habe ihr daraufhin eine Flasche Sekt zukommen lassen. Wenn es zu Ihrer Beruhigung beitragen sollte, bin ich auch heute nachmittag wieder dazu bereit.
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Mir liegen noch eine Menge Wortmeldungen vor. - Herr Kollege Schulz.
Offenbar ist Ihre Haushaltslage nicht so angespannt, daß Sie keine Geschenke machen könnten.
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Sie haben die schwierige Haushaltslage als Begründung für die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes angeführt. Wieso können Sie dann bei einer so schwierigen Haushaltslage ausgerechnet den Solidarzuschlag senken? Alle ostdeutschen Ministerpräsidenten, egal welcher Couleur, haben deutlich gemacht, daß der Osten gerade auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung weiterhin in hohem Maße auf die Solidarleistungen angewiesen ist. Im Rahmen Ihres Sparpaketes planen Sie, die Zuweisungen an die Bundesanstalt für Arbeit zu reduzieren, was im Osten dramatische Auswirkungen in bezug auf die Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Auffanggesellschaften haben dürfte, weil im Grunde genommen sehr viele AB-Maßnahmen dadurch bedroht sind. Als finanziellen Ausgleich für den Solidarzuschlag haben Sie eine Umverteilung des Aufkommens der Umsatzsteuer vorgeschlagen; das ist auf den vehementen öffentlichen Widerstand der Länder gestoßen. Ich frage Sie: Inwieweit ist das überhaupt ein realisierbares Vorhaben, es sei denn, es handelt sich um ein einzulösendes Wahlkampfversprechen Ihres Koalitionspartners?
Herr Minister!
Der Solidaritätszuschlag - das haben wir immer gesagt - darf nicht zu einer Dauersteuer werden, sondern er ist ein Zuschlag auf Zeit. Es hat auch, wenn ich mich recht erinnere, in Ihrer Partei und in der SPD immer wieder die Forderung gegeben, den Solidaritätszuschlag so schnell wie möglich abzubauen.
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Wir tun dies in begrenzbaren und verantwortbaren Schritten, weil unsere Steuer- und Abgabenlast insgesamt zu hoch ist und sich leistungshemmend und auch investitionshemmend in den neuen Bundesländern, aber auch in ganz Deutschland, auswirkt. Wir halten das in der Größenordnung für vertretbar. Auch das, was die Länder dazu beizutragen haben, ist vertretbar und zumutbar.
Nach der neuesten Steuerschätzung wird die Notwendigkeit, daß die Länder dazu beitragen, geringer sein, als das ursprünglich angesetzt worden ist. Das hängt mit dem verminderten Aufkommen von sieben Umsatzsteuerpunkten und auch mit der Abschmelzung in den Ostländern gegenüber der in den Westländern zusammen. Eine Größenordnung von etwa 1,5 Milliarden DM in 1997 und etwa 2 Milliarden DM in 1998 ist vertretbar. Wir haben den Ländern, Herr Kollege Schulz, im Solidarpakt sieben Umsatzsteuerpunkte gegeben. Wenn die Auffüllung auf 92 Prozent weniger ausmacht als die sieben Umsatzsteuerpunkte, dann ist es gerechtfertigt, den Überschuß für den Bund zurückzuverlangen. Wir tun dies nicht für uns, sondern wir wollen dies an die Bürger zurückgeBundesminister Dr. Theodor Waigel
ben. Das liegt auch im Interesse der Menschen in den neuen Bundesländern, denn nur durch mehr Investitionsbereitschaft können wir die Konjunktur stärker beleben und damit auch der Arbeitslosigkeit in Ost und West stärker begegnen.
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Ich möchte noch sagen, daß ich die Fragesteller und Fragestellerinnen, die sich bis jetzt gemeldet haben, berücksichtige, obwohl wir für die Regierungsbefragung dann etwas mehr als 35 Minuten benötigen. Jetzt nehme ich aber keine neuen Fragesteller mehr hinzu.
Frau Hasselfeldt.
Herr Minister, Sie sprachen davon, daß der Spielraum für eine verbleibende Vermögensteuer auf Grund des Beschlusses des Verfassungsgerichts sehr eng sei. Was hätte es für Konsequenzen auf den Kreis der Steuerpflichtigen, wenn wir die Vermögensteuer beibehalten würden? Ist meine Vermutung richtig, daß davon im wesentlichen nur die mittleren Einkommen und der Mittelstandsbereich betroffen wären?
Das ist richtig, ganz abgesehen davon, daß die private Vermögensteuer in der Form nicht beibehalten werden dürfte, sondern ganz entscheidend verändert werden müßte, reduziert würde und dann nur noch wenig über das hinausginge, was mit dem Betrag von 1,6 Milliarden DM abzudecken ist. Darüber hinaus könnten natürlich die Länder ihr Einsparpotential nutzen, indem sie dafür nicht die große Zahl von Finanzbeamten zur Verfügung stellen müßten.
Ein anderer Punkt noch: Was von der SPD als Vermögensabgabe ins Spiel gebracht worden ist, wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eigentlich ad absurdum geführt.
Herr Dr. Rössel.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in Ihrer Berichterstattung über die heutige Kabinettssitzung nichts zu einer möglichen Verankerung der sogenannten dritten Stufe der Unternehmenssteuerreform gesagt. Gehe ich richtig in der Annahme, daß Sie sich damit von diesem Projekt verabschieden werden, das vorsieht, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen und die Gewerbeertragsteuer zu reduzieren - mit Ausgleichsmaßnahmen für die Kommunen? Wir würden einen derartigen Verzicht auf die dritte Stufe sehr begrüßen, zumal diese gerade für die Kommunen grundsätzlich keine nennenswerten Verbesserungen ihrer arg gebeutelten kommunalen Finanzhaushalte nach sich ziehen würde. Offensichtlich gibt es aber auch andere Vorstellungen.
Mich würde interessieren: Wie steht die Bundesregierung zur parlamentarischen Behandlung dieses
Projekts, das in Ihrem sogenannten Programm für Wachstum und mehr Beschäftigung enthalten war? Gibt es, wenn Sie an diesem Maßnahmenkomplex festhalten, Veränderungen im Vergleich zu dem im vergangenen Jahr im Parlament nicht durchsetzbaren Vorschlag? Denn ich weiß ja, daß insbesondere die kommunalen Spitzenverbände immer wieder beteuern, daß sie über die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nur mit sich reden lassen, wenn zugleich grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind, die beispielsweise darin bestehen, daß die Gewerbeertragsteuer bei einer Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer grundgesetzlich als Realsteuer fest verankert würde. Mich würde die Haltung des Kabinetts dazu interessieren.
Herr Abgeordneter, ich hoffe, es ist Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen, daß dieses Gesetz dem Finanzausschuß vorliegt und von daher dort nur aufgegriffen werden muß. Eine erneute Einbringung ist also gar nicht möglich.
Wir werden das, was damals abgekoppelt wurde, aufgreifen. Wir stehen dazu. Wir wollen die Gewerbekapitalsteuer abschaffen. Wir wollen die Gewerbeertragsteuer mittelstandsfreundlich gestalten. Wir werden die Kommunen voll und fair entsprechend ihren Verlusten an der Umsatzsteuer beteiligen. Dies steht fest. Sie kennen die Zielsetzungen: Die Beteiligung erfolgt nach einem endgültigen Schlüssel, der nach entsprechenden statistischen Erhebungen etwa um das Jahr 2000 zur Verfügung steht, und in einer Übergangslösung, wonach keine Kommune einen Nachteil erleiden wird. Es wird notwendig sein, das Grundgesetz zu ändern, um die Beteiligung an der Umsatzsteuer überhaupt zu ermöglichen.
Darüber hinaus besteht bei den Kommunen und bei den Spitzenverbänden der Wunsch, die verbleibende Gewerbeertragsteuer im Grundgesetz abzusichern. Dabei besteht seitens der Kommunen die Sorge, daß bei der verbleibenden Gewerbeertragsteuer der Realsteuerbezug durch die möglicherweise fragliche Objektbezogenheit nicht mehr gegeben sein könnte. Darüber werden wir zu reden haben.
Das bedeutet nicht, daß dann die Gewerbeertragsteuer nicht mehr reduziert oder abgeschafft werden könnte, sondern nur, daß sie, wenn sie erhoben wird, nur den Kommunen zur Verfügung steht. Das ist, glaube ich, die verfassungsrechtliche Problematik, vor der wir stehen. Die Kommunen und auch die Länder fordern das.
Es ist nicht schön, wenn wir für jede Steueränderung das Grundgesetz ändern müssen. Ich will das ganz offen sagen. Im parlamentarischen Bereich gibt es erhebliche Bedenken, bei jedem Jahressteuergesetz das Grundgesetz zu ändern. Wir werden darüber, wie ich meine, mit den Kommunen und den Ländern ernsthaft sprechen müssen.
Der Plan bleibt aber bestehen. Die Kommunen sind weitgehend auf dieser Linie. Entgegen ihrer
Skepsis vor einem Jahr wissen sie, daß sie sich auf uns verlassen können.
({0})
Es hat sogar ein Umschwung stattgefunden. Die Kommunen wissen heute, daß ihre Finanzausstattung damit langfristig qualitativ und quantitativ besser gewährleistet ist als bei der sehr konjunkturabhängigen Gewerbesteuer.
Vielen Dank. - Frau Kressl.
Herr Minister Waigel, nachdem es einige Zeit gedauert hat, bis Regierung und Koalition erkannt haben, daß es beim Kindergeld sinnvoller ist, eine progressionsunabhängige Förderung vorzusehen, und sie sich unseren Vorstellungen angepaßt haben, möchte ich Sie hinsichtlich der Haushaltshilfen in Privathaushalten fragen: Warum bleiben Sie auch in diesem Punkt bei einer progressionsabhängigen Förderung, wo doch erstens der Sachverständigenrat Ihnen sehr wohl mit auf den Weg gegeben hat, daß es sehr viel besser ist, progressionsunabhängige Förderungen zu geben, wo sich zweitens in Frankreich herausgestellt hat, daß Sie Beschäftigung sehr wohl effektiv fördern können, indem Sie - wie eben in Frankreich - progressionsunabhängig fördern, was auch sehr viel gerechter wäre, und wo drittens zum Beispiel der Sachverständigenrat, aber auch sehr viele andere Ihnen deutlich machen, daß Ihr Vorhaben - ein Abzug von der Bemessungsgrundlage - der Diskussion einer gerechten und einfachen Steuerreform völlig entgegenläuft?
({0})
Herr Minister.
Solange man sich zur Progression bekennt, muß man zur Kenntnis nehmen, daß bei der Mehrbelastung, zum Beispiel beim Solidaritätszuschlag, die Progression beim Besserverdienenden voll durchschlägt.
({0})
Dann ist es konsequent, daß die Progression bei einer entsprechenden Entlastung selbstverständlich auch wirkt.
Man kann die Progression nicht auf der einen Seite, bei der Belastung, als soziale Symmetrie feiern und auf der anderen Seite, bei der Entlastung, den Sozialneid schüren. Dann müssen Sie Abschied nehmen vom progressiven Tarif überhaupt.
({1}) Insofern ist Ihre Haltung in sich unlogisch. ({2})
Sie müssen doch froh sein, wenn auf diese Art und Weise neue Arbeitsplätze entstehen, die in der Produktion oder beim Staat in absehbarer Zeit nicht entstehen können. Insofern bleiben Sie hinter der Meinung der Finanzpolitiker und der Ministerpräsidenten Ihrer Partei zurück, die das schon längst angedacht und weiterentwickelt haben.
({3})
Jetzt der Kollege Michelbach.
Herr Minister, die Opposition unternimmt hier den durchsichtigen Versuch - und verbreitet das auch in den Gazetten -, das Problem der sozialen Leistungen und die Notwendigkeit der Maßnahmen für Wachstumsanreize, für mehr Beschäftigung zu verquicken. Erklären Sie einmal, wie hoch die Leistungen des Staates für die Familie in unserem Land sind, wie hoch sie früher waren, als noch die SPD das Sagen hatte,
({0})
und sagen Sie uns, in welchem Umfang Steuermindereinnahmen 1996 alleine auf die Freistellung des Existenzminimums und die Erhöhung des Kindergeldes zurückzuführen sind.
({1})
Ich bitte Sie, zu verdeutlichen, welche Leistungen von der Solidargemeinschaft zu bezahlen sind, welche Wirkungen diese Wachstumsanreize für die Bürger haben - denn eine florierende Wirtschaft ist noch immer die beste Sozialpolitik - und welche Grundlage wir für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft benötigen.
Wir haben im letzten Jahr die Freistellung des Existenzminimums in der Größenordnung von etwa 15 Milliarden DM allein für das Jahr 1996 gemeinsam vereinbart. Wir haben weiter eine Verbesserung des Familienleistungsausgleichs von mehr als 6 Milliarden DM - eine Leistung, die 1994 und Anfang 1995 niemand erwartet hatte. Wir haben damit gerade im Bereich der Leistungen für die Familien und für die Bezieher niedriger Einkommen einen Schwerpunkt gesetzt.
Wir haben die Gesamtaufwendungen in der Familienpolitik - durch die Gewährung des Kindergeldes, der Freibeträge und des Kindererziehungsgeldes - seit 1982 in etwa verdoppelt. In diesem Bereich haben wir also riesige Leistungen erbracht.
Erinnern wir uns: Die SPD hatte den Kinderfreibetrag völlig abgeschafft. Wir mußten durch die Wiedereinführung des Kinderfreibetrages im Rahmen des Optionsmodells erst die Möglichkeit schaffen,
ein einheitliches Kindergeld in Höhe von 200 DM zahlen zu können.
({0})
Wenn wir das Optionsmodell mit der steuerrechtlichen Freibetragsregelung nicht durchgesetzt hätten, wäre die Zahlung eines Kindergeldes in Höhe von 250 DM oder mehr - was erforderlich gewesen wäre, um verfassungsrechtlich konform zu sein - vom Staat nicht finanzierbar gewesen. Insofern haben wir in einer schwierigen Finanzsituation in der Familienpolitik Überproportionales geleistet.
Vizepräsident. Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin Matthäus-Maier.
Da hier der Eindruck erweckt werden soll, bei der Anhebung des Grundfreibetrages und des Kindergeldes für die Jahre 1996 und 1997 - die wir ja gemeinsam beschlossen haben - handele es sich um eine Art soziale Wohltat, die der Staat gewähren kann oder auch nicht, darf ich darauf hinweisen, daß es zwei Urteile des Verfassungsgerichts von 1990 und 1992 gibt - deren Inhalt ich teile -, mit denen der Bundesregierung bescheinigt wurde, daß sie den Familien mit Kindern bei den Steuern über Jahre hinweg in verfassungswidriger Weise in die Tasche gepackt hat.
({0})
Angesichts dieser Tatsache möchte ich meine Frage, die Sie am Anfang nicht beantwortet haben, wiederholen: Sind Sie, Herr Waigel, nicht der Meinung, daß es verfassungsrechtlich nicht erlaubt - so ist meine Sicht -, zumindest aber sehr zweifelhaft ist, die Kindergelderhöhung in 1997 zu verschieben, die ja nötig ist, um das Existenzminimum der Kinder steuerlich freizustellen, da das Kindergeld auf jeden Fall keine steuerliche Wohltat ist, wie Sie hier den Eindruck erwecken wollen,
({1})
zumal wenn man gleichzeitig Steuerausfälle in Höhe von 9 Milliarden DM - und in den Folgejahren sogar von 10 Milliarden DM - hinnimmt durch die komplette Abschaffung der Vermögensteuer, wobei zumindest durch die Abschaffung der Vermögensteuer für Privatleute kein einziger Arbeitsplatz geschaffen wird?
({2})
Die Regelung des Kinderfreibetrags war nicht verfassungswidrig. Richtig ist, daß wir den Auftrag hatten, das Existenzminimum neu zu regeln. Das haben wir miteinander getan. Trotzdem ist es eine Leistung, die neben der Übernahme der Kosten wegen des Wegfalls des Kohlepfennigs in den Bundeshaushalt - das
war ein finanzpolitischer Kraftakt - finanziert werden mußte.
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Auf der einen Seite geben Sie zu, daß die betriebliche Vermögensteuer keinen Sinn mehr macht, auf der anderen Seite nehmen Sie ihren beabsichtigten Wegfall immer wieder zum Anlaß, um mit der polemischen Unterstellung, das erfolge gegen die Nichterhöhung des Kindergelds, draußen Stimmung zu machen.
({1})
Sie wissen, daß das nicht zulässig ist, Sie wissen, daß wir im Steuerbereich weg müssen von den Substanzsteuern. Sie selber haben die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sicher genau nachgelesen, daß die Vermögensteuer in der Form nicht aufrechtzuerhalten ist, daß sie keine Substanzsteuer sein soll, daß die Besteuerung im Rahmen einer Sollertragsteuer im Durchschnitt 50 Prozent nicht übersteigen soll und daß Vermögensteuer und Erbschaftsteuer aus anderen Einkünften finanzierbar sein sollen.
Sie benutzen ein polemisches Mittel, um damit wieder einmal Stimmung zu machen. Sie entfernen sich weit von der sozialen Wirklichkeit, von der Notwendigkeit voranzukommen - genauso wie Sie in Ihrer eigenen Partei isoliert sind, was die Verschuldung oder Nichtverschuldung anbelangt.
Kollege Friedrich.
Herr Bundesminister, wir haben über Familien mit Kindern und Mitbürger mit Vermögen, von denen es sehr viele gibt, geredet. Sie haben heute im Kabinett Beschlüsse für einen Personenkreis gefaßt, der sehr groß ist, nämlich für Mitbürger, die ein Kraftfahrzeug halten. Sie wollen eine neue Kraftfahrzeugsteuer, die im Interesse unserer Umwelt etwas bewirken soll. Wir wissen, daß es noch relativ viele Altfahrzeuge gibt. Ihre Beschlüsse bedeuten, daß diese Altfahrzeuge je 100 Kubikzentimeter Hubraum mit 20 DM zusätzlich belastet werden. Wir wollen diese Mitbürger damit nicht nur zur Kasse bitten, sondern etwas Positives bewirken.
Mich würde deshalb interessieren, ob in den Gesprächen mit dem Kraftfahrzeughandwerk inzwischen geklärt wurde, ob diese Mitbürger die Möglichkeit der Nachrüstung mit einem Katalysator haben.
Wir haben uns heute im Kabinett darüber unterhalten. Der Bundesverkehrsminister hat mitgeteilt, daß rund die Hälfte der etwa 11 Millionen Pkw, die zur Zeit noch keinen geregelten Katalysator haben, nachgerüstet werden können. Die entsprechende Technologie wird noch im Laufe des Jahres 1996 zur Verfügung stehen, und die voraussichtlichen Kosten
für die Nachrüstung werden die Steuererhöhungen innerhalb von etwa drei Jahren ausgleichen.
Ich halte das für einen ganz wichtigen, innovativen umweltpolitischen Gesichtspunkt, bei dem unsere Ausrichtung des Gesetzes auf eine emissionsorientierte Kfz-Steuer schon heute ihre Wirkung tut und bei dem es zu entscheidenden Verbesserungen kommen kann.
Herr Kollege von Larcher.
Herr Minister, ich wollte meine Frage eigentlich mit einer fröhlichen Bemerkung über das damalige Geschehnis mit dem Sekt beginnen, worüber sich meine Mitarbeiterin, Frau Fischer, sehr gefreut hat.
Ich muß aber mit einer anderen Einleitung beginnen: Wir machen jedes parlamentarische Instrument kaputt, wenn der Vertreter der Bundesregierung die Antwort zu einem Debattenbeitrag benutzt, an dem wir sonst viel Freude haben. Wir machen es genauso kaputt, wenn wir Fragen stellen, die nicht den Kabinettsbeschluß betreffen, sondern den „Regierungssprecher" dazu veranlassen, ein Loblieb auf diese Bundesregierung anzustimmen. Damit bekommen wir jedes Instrument kaputt und können uns die Regierungsbefragung schenken.
Meine konkrete Frage ist jetzt: Welche finanziellen Auswirkungen hat der Entwurf der Bundesregierung auf Bund, Länder und Gemeinden? - Dies bitte möglichst genau und konkret.
Wir haben das in der Vorlage genau dargestellt. Ich bitte um Verständnis. Ich stelle sie Ihnen sofort zur Verfügung. Wir haben das genau ausgerechnet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine weiteren Fragen mehr im Rahmen der Regierungsbefragung. Auch ist die Zeit schon ein bißchen überschritten. Ich bedanke mich bei dem Herrn Bundesminister.
Damit ist die Regierungsbefragung beendet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 13/4643 Zunächst kommen wir zu den Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf der Drucksache 13/4666.
Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Dr. Hans-Friedrich von Ploetz bereit.
Ich rufe Frage 1 der Kollegin Vera Lengsfeld auf:
Wie glaubwürdig sind in den Augen der Bundesregierung jüngste Berichte durch einen gefangengenommenen Separatisten über den Tod der westlichen Geiseln in Kaschmir, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, die Informationen über den Tod der Geiseln zu prüfen?
Herr Präsident, die Bundesregierung kennt die Meldungen, auf die in der Frage Bezug genommen wird, und sie ist über die Meldung besorgt, daß die Geiseln in Kaschmir unter Umständen nicht mehr am Leben sind. Die Bundesregierung geht diesen Meldungen nach und versucht Klarheit zu bekommen. Bundesminister Kinkel hat die Mutter von Herrn Hasert, dem Deutschen unter den Geiseln, vor wenigen Tagen persönlich über den derzeitigen Erkenntnisstand unterrichtet.
Zusatzfrage.
Meine Frage ist nicht beantwortet. Deshalb meine Zusatzfrage: Was hat die Bundesregierung getan, um die Aussagen von Nazir Mohammed unabhängig von den indischen Informationen zu überprüfen?
Kann ich die zweite Zusatzfrage auch gleich stellen? - Wenn die Geiseln seit Dezember tot sein sollen: Wer organisiert nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes die regelmäßigen Sichtungen der Geiseln, die bis in die jüngste Zeit stattgefunden haben?
Vielleicht erlauben Sie, Herr Präsident, daß ich die zweite Dringliche Frage beantworte, weil sie einen Teil der Zusatzfragen betrifft.
Wenn Frau Kollegin Lengsfeld damit einverstanden ist. Sie haben dann noch zwei weitere Zusatzfragen.
Ich rufe also die zweite Dringliche Frage der Abgeordneten Vera Lengsfeld auf:
Trifft es zu, daß Botschafter Frank Elbe Kenntnis von einem Foto der Geiseln hat, das im März aufgenommen worden sein soll, obwohl die Geiseln nach Aussagen des festgenommenen Unabhängigkeitskämpfers schon seit Dezember 1995 tot sein sollen, und wann wurde dieses Foto den Angehörigen zur Identifizierung vorgelegt?
Es ist in der Tat so, Herr Präsident, daß es hier keine sichere Beurteilungsgrundlage gibt. Es gibt - danach haben Sie gefragt - ein Foto. Über dieses Foto hat der Hochkommissar dem deutschen Botschafter in Delhi vertraulich Mitteilung gemacht. Es ist einem britischen Vertreter im Krisenstab in Srinagar von indischen Vertretern kurz gezeigt worden, aber nicht ausgehändigt worden. Auf diesem Foto waren die vier Geiseln abgebildet. Der britische Vertreter hat alle vier zweifelsfrei erkannt.
Auf Grund der neuen Meldungen, auf die die erste Dringliche Frage Bezug nahm, wonach die Geiseln tot sein sollen, wird jetzt erneut von den indischen Behörden geprüft, ob der Zeitpunkt, an dem das Foto aufgenommen worden sein soll, nämlich März 1996, tatsächlich stimmt. Dies ist ein Teil der Bemühungen, Klarheit in eine bisher noch nicht abschließend zu beurteilende Faktenlage zu bringen.
Zusatzfrage.
Ich möchte bemerken, daß meine beiden ersten Zusatzfragen nicht beantwortet worden sind, stelle jetzt aber trotzdem meine Zusatzfragen zu der Foto-Frage. Mich interessiert: Was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Foto zu bekommen und verifizieren zu können? Zweitens: Ist der indische Offizier, der dieses Foto, wie Sie bestätigt haben, gezeigt hat, befragt worden, wenn ja, was hat seine Befragung ergeben, wenn nein, warum hat diese Befragung nicht schon stattgefunden, da es seit 10 Tagen die unbestätigten Gerüchte über den Tod der Geiseln im Dezember gibt?
Frau Abgeordnete, wir tun auf allen Kanälen alles, was möglich ist, um Klarheit zu gewinnen. Dieses Foto ist den drei betroffenen Ländern von den indischen Behörden aus Gründen des Quellenschutzes nicht übergeben worden. Wir können die indische Regierung nicht dazu zwingen, es zu übergeben. Die Inder tun aber, nachdem diese neuen Meldungen eingegangen sind, nach unseren Erkenntnissen und nach unserem Urteil das, was in dieser Situation zu tun ist, um Klarheit über die Frage zu erhalten, wann das Foto aufgenommen wurde.
Noch eine Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, daß die indische Botschaft die Existenz dieses Fotos bestreitet?
Nein.
Frau
Dr. Leonhard, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Meine Zusatzfrage ist: Welche Instrumentarien - außer politischen - hat die Bundesregierung eingesetzt oder erwogen, sie einzusetzen, um die Geiseln zu befreien?
Ich habe noch eine weitere Frage, die ich gerne anschließen würde, und zwar: Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Entführer, vor allen Dingen über die politischen Hintergründe, und hat sie versucht, an die Ideologie mit irgendwelchen Kontaktpersonen heranzukommen?
Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete, wir haben es hier mit einem Fall zu tun, bei dem auf den Regierungen und ihren Mitarbeitern eine große Verantwortung liegt. Unser oberstes Prinzip ist der Schutz des Lebens und die Befreiung der Geiseln.
({0})
- Wir wissen das bis zum heutigen Tage nicht.
Wir haben bei diesem schwierigen Unterfangen, das sich in einem Teil dieser Welt abspielt, wo es keine Kontrolle im Sinne unserer Kontrolle von Territorium gibt, alle Instrumente benutzt, die wir benutzen konnten. Wir haben dies in engster Abstimmung mit der britischen, der amerikanischen und der norwegischen Regierung getan. Die norwegische Regierung engagiert sich noch immer stark, obwohl die norwegische Geisel schon ermordet worden ist.
Wir haben alle Kanäle benutzt, die wir mit der indischen Regierung und über Pakistan hatten. Ich hoffe, daß Sie Verständnis dafür haben, daß ich über das Wie nicht in allen Einzelheiten hier vortragen kann.
Es sind zwei Dringliche Fragen gestellt worden. Wenn Sie möchten, können Sie noch eine Zusatzfrage stellen. Zu jeder Frage haben Sie eine Zusatzfrage mit jeweils zwei Unterfragen. Ich habe Ihre erste Frage als eine Zusatzfrage mit zwei Unterfragen aufgefaßt.
Ich habe hinsichtlich der Antwort auf meine erste Zusatzfrage zur Kenntnis genommen, daß alle - ich unterstreiche: alle - Instrumentarien eingesetzt wurden. Weiteres kann man bilateral klären.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine Gruppe von Abgeordneten, und zwar der Amerikaner, der Norweger und der Briten, vorhatte, Anfang Februar nach Kaschmir zu reisen?
Ja.
Die zweite Frage, die ich gestellt hatte, nämlich welche Informationen Sie über den ideologischen Hintergrund haben und ob Klarheit über die Entführer herrscht, ist von Ihnen nicht beantwortet worden.
Über die Entführer gibt es eine Reihe von Erkenntnissen. Es gibt in groben Zügen auch Erkenntnisse darüber, wie sie den Umgang mit den Geiseln regeln. Es ist auch bekannt, in welchem Territorium sie sich bewegen.
Die Versuche, wie Sie das beschrieben haben, von der ideologischen Seite an sie heranzukommen, müssen in den größeren Zusammenhang gestellt werden, daß die ganze Aktivität der Entführer in einem nicht nur geographisch und ordnungspolitisch, sondern auch politisch ganz außerordentlich komplizierten und schwierigen Umfeld - noch dazu während des indischen Wahlkampfes - stattgefunden hat.
Aber ich darf Ihnen versichern: Dieser Fall ist von Bundesminister Kinkel von Anfang an zur Chefsache gemacht worden. Er hat sich persönlich wiederholt und immer wieder eingeschaltet, um sicher zu sein, daß nichts unterlassen wird.
Eine weitere Zusatzfrage?
Ich habe zwei Fragen. Die erste lautet: Können Sie Auskunft darüber geben, wer die Sichtung der Geiseln jetzt vor Ort organisiert?
Die zweite: Gibt es nach Ihren Erkenntnissen AlFaran in diesem Gebiet noch, und wann fand der letzte Kontakt dort statt?
Um die Aufklärung sind bemüht die Vertreter der betroffenen Länder und - als Inhaber der territorialen Autorität und vor allem Verantwortliche - die indischen Behörden.
Zu der zweiten Frage kann ich Ihnen aus dem Stand jetzt nichts sagen; aber ich verweise auf die Antwort zu der Frage nach dem Foto. Es ist schwer festzustellen und bedarf noch besonderer Anstrengungen, um herauszufinden, wann ein bestimmtes Foto, dessen Aussagekraft nicht bestritten wird, aufgenommen wurde.
Keine weiteren Zusatzfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Dann rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht bereit der Parlamentarische Staatssekretär Rudolf Kraus.
Die Frage 1 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Karl Hermann Haack auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, für den Bereich der stationären medizinischen Rehabilitation in der Rentenversicherung Minderausgaben von 2,4 Mrd. DM vorzusehen und in der gesetzlichen Krankenversicherung nochmals 860 Mio. DM, so daß dies ein Wegfall von ca. 480 000 Reha-Maßnahmen und somit eine Schließung von ca. 200 Reha-Kliniken bedeutet, und werden die damit wahrscheinlich verbundenen Entlassungen zuzüglich der verlorenen Arbeitsplätze z. B. bei Zulieferern kostenmäßig gegengerechnet?
Rudolf Kraus, Parl. Staatsekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Herr Präsident! Herr Kollege! Es trifft zu, daß der Entwurf eines Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes eine Begrenzung der Gesamtausgaben für Rehabilitationsmaßnahmen vorsieht. Die Einsparungen sind erforderlich, weil es in den letzten Jahren im Bereich der Rehabilitation eine erhebliche Ausgabensteigerung gegeben hat, durch die in der gesetzlichen Rentenversicherung die gesetzliche Sollvorgabe deutlich überschritten wurde. Dies soll mit den beabsichtigten Regelungen korrigiert werden, wobei zugleich gewährleistet bleibt, daß die erforderlichen Rehabilitationsleistungen auch künftig allen Versicherten zugute kommen, die sie benötigen, um ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie dauerhaft wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Deshalb sind im Entwurf eines Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes im Bereich der Rehabilitation keine Einschränkungen für die Durchführung medizinisch notwendiger und erfolgversprechender Maßnahmen vorgesehen.
Von dem vorgesehenen Einsparbetrag von rund 2,1 Milliarden DM im Bereich der Rentenversicherung entfallen rund 0,2 Milliarden DM auf die Verringerung des Übergangsgeldes und beeinflussen somit nicht die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen.
Die Konsolidierungsmaßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung führen zu 800 Millionen DM Minderausgaben sowie zu 60 Millionen DM Mehreinnahmen durch die Anhebung der Zuzahlung bei stationärer Vorsorge- und Rehabilitationskuren.
In welchem Umfang die Ausgabenbegrenzung zu einer geringeren Auslastung von Rehabilitationseinrichtungen führt, hängt natürlich auch davon ab, wie die Versicherungsträger insbesondere von der vorgesehenen stärkeren Flexibilisierung der Maßnahmedauer Gebrauch machen und inwieweit es den Betreibern von Rehabilitationseinrichtungen sowie Heilbädern und Kurorten gelingt, sich gegebenenfalls einstellende Überkapazitäten in Rehabilitationseinrichtungen durch attraktive Angebote für andere Personenkreise nutzbar zu machen.
Die Bundesregierung teilt deshalb nicht die Auffassung, daß die Rückführung der Ausgaben notwendigerweise die Schließung von Rehabilitationseinrichtungen oder die Entlassung von Arbeitnehmern in großem Umfang zur Folge haben muß. Dies zeigen auch die Erfahrungen Anfang der 80er Jahre, als die Fallzahlen in der stationären Rehabilitation in der Rentenversicherung von rund 850 000 im Jahre 1981 auf 540 000 im Jahre 1983 sanken. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß damals große Entlassungswellen stattgefunden hätten oder daß Rehabilitationskliniken deshalb schließen mußten.
Die Einsparmaßnahmen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung, weil sie sich sehr schnell auf die Beitragssätze zur Renten- und Krankenversicherung auswirken und damit die Lohnzusatzkosten direkt beeinflußt werden.
Die aus diesen Maßnahmen resultierende Begrenzung der Belastung der Wirtschaft durch Lohnzusatzkosten hat nach Auffassung der Bundesregierung positiven Einfluß auf die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und ist damit eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, daß das Ziel, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren, auch erreicht werden kann.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, 20 000 Arbeitsplätze werden durch diese Maßnahmen zur Disposition gestellt, rund 200 RehaKliniken müssen schließen, 480 000 Reha-Maßnahmen fallen weg - das sind 30 Prozent weniger -, das ist das Ergebnis Ihres Sparkonzeptes in Höhe von 3,1 Milliarden DM. Diese Zahlen - können Sie das bestätigen? - stammen aus Ihrem Hause. Sie sind in Vorbereitung des Sozialgesetzbuches IX, der inhaltlichen und formalen Neufassung des Rehabilitationsrechtes, zugrunde gelegt worden, um ein Gesamtvolumen von rund 3 Milliarden DM einzusparen.
Ich frage also: Stammen diese drei Zahlen, die von Experten der Rentenversicherung, der Krankenversicherung, des Deutschen Bäderverbandes und des Bundesverbandes der Privaten Krankenanstalten als richtig bezeichnet werden, aus Ihrem Hause, und sind diese dem Sparpaket von 3,1 Milliarden DM zugrunde gelegt?
Diese Zahlen gibt es in verschiedenen Größenordnungen. Mir ist beispielsweise bekannt, daß der VDR von 150 Kliniken gesprochen hat, andere sprechen von 100 Kliniken, wieder andere reden von 30 000 Arbeitsplätzen. Bei uns ist in der Tat die Zahl von 20 000 Arbeitsplätzen aufgetaucht.
Das Ganze, Herr Kollege Haack, hängt aber ausschließlich davon ab, wie es den einzelnen Einrichtungen gelingt - ich sagte das vorhin schon -, sozusagen neue Kundenkreise zu erschließen. Das ist in der Vergangenheit zu einem erheblichen Teil gelungen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist auch beabsichtigt, die berufliche Rehabilitation über Änderungsanträge zu dem von mir benannten Gesetz in das Beratungsverfahren einzubringen, um die berufliche Rehabilitation von einer Regelleistung in eine Kann-Leistung umzuwandeln?
Das ist mir im Augenblick nicht bekannt.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gertrud Dempwolf bereit.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Klaus Hagemann auf:
In welcher Weise kommt die Bundesregierung der Entschließung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 1995 nach, in den Mitgliedstaaten der EU einen Europäischen Freiwilligen Dienst ableisten zu können, und zu welchen Bedingungen kann dieser Dienst in der Bundesrepublik Deutschland absolviert werden?
Herr Präsident! Herr Kollege Hagemann, die EU-Kommission hat auf Grund der Entschließung des Europäischen Parlaments ein Pilotprojekt für einen Europäischen Freiwilligen Dienst entwickelt. Danach sollen 1996/97 bis zu 2 500 junge Europäer für sechs bis zwölf Monate vor allem in sozialen, kulturellen und Umweltvorhaben in einem anderen Mitgliedstaat ihren pädagogisch begleiteten Dienst beim Aufbau eines neuen nachbarschaftlichen Europas leisten.
Die jungen Freiwilligen sollen nach einer sprachlichen und inhaltlichen Vorbereitung auf den Dienst in einem europäischen Nachbarland dieses durch ihre Tätigkeit besonders intensiv kennenlernen, als Multiplikatoren wirken und auch persönlich prägende Erfahrungen machen. Sie sollen angemessen gegen Krankheit, Unfall und Haftpflicht versichert sein.
Die Kommission fördert das Programm mit 50 Prozent der pro Kopf anfallenden Kosten. Unser Haus, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, unterstützt dieses Pilotvorhaben und hat, soweit es dezentral abgewickelt wird, die deutsche Nationalagentur des europäischen Arbeitsprogramms „Jugend für Europa" mit seiner Umsetzung in Deutschland betraut.
In Kürze werden gezielte Informationen und Bewerbungsunterlagen an potentielle Trägerorganisationen zur Aufnahme von Freiwilligen in Deutschland sowie zur Entsendung herausgegeben werden. Nach einer Vorbereitungsphase werden die ersten Freiwilligen Anfang 1997 ihre Tätigkeit aufnehmen können.
Auf Grund von Presseveröffentlichungen nach Vorstellung des europäischen Pilotvorhabens sind seit Ende Januar 1996 bereits über 1 000 Anfragen eingegangen.
Zusatzfrage.
Zunächst einmal vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Beantwortung. Damit hat sich ein Teil meiner Fragen schon erübrigt.
Sie sprachen eben davon, daß dieser Dienst ein halbes Jahr lang geleistet werden kann. Habe ich Sie richtig verstanden?
Sechs bis zwölf Monate.
Gibt es Überlegungen in Ihrem Hause, bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken, daß man das Projekt möglichst noch ausweitet und dieser Dienst im europäischen Ausland anstelle des Zivildienstes geleistet werden kann?
Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend: Herr Kollege Hagemann, diese Überlegungen gibt es nicht. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen die Richtlinien zu diesem Pilotprojekt zur Verfügung zu stellen.
Danke schön.
Keine weitere Zusatzfrage? - Dann danke ich der Staatssekretärin.
Die Frage 4 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, die Fragen 5 und 6 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie die Frage 7 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes.
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Manfred Such auf:
Welche Auskunft kann die Bundesregierung hinsichtlich des - unter dem Briefkopf - von „Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl im März 1996 vor den letzten Landtagswahlen an die Rentnerinnen und Rentner der betreffenden Bundesländer versandten Schreibens zum Thema „Renten" geben, sofern es sich hierbei tatsächlich um einen Brief im Verantwortungsbereich der Bundesregierung handelte, über die Herkunft, Anzahl und Verwendung der dafür genutzten Adressen, über eine etwaige Beteiligung von Bundesbediensteten an dieser Aktion sowie über die mögliche Kostenbelastung des Bundeshaushalts, und wie viele schriftliche oder telefonische Protestreaktionen von Rentnerinnen und Rentnern sind der Bundesregierung nach ihren aktuellen Überlegungen zur Rentenbesteuerung insgesamt zugegangen, welche möglicherweise auch durch die zuvor anderslautenden Erklärungen wie in jenem Schreiben des Bundeskanzlers ({0}) mit ausgelöst wurden?
Zur Beantwortung steht der Staatsminister Bernd Schmidbauer zur Verfügung. Bitte.
Herr Kollege Such, wie der Chef des Bundeskanzleramtes bereits auf Fragen des Kollegen Dreßler vom 4. April 1996 in seiner Antwort vom 12. April 1996, abgedruckt in der Bundestagsdrucksache 13/4471, mitteilte, hat der Bundeskanzler die Briefe in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender geschrieben. Dies geht auch aus dem Kopf der Briefe hervor, entgegen Ihrer Annahme in der Frage. Die Vorbereitung und Durchführung lagen daher ausschließlich in der Verantwortung der Christlich Demokratischen Union Deutschlands.
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß in der Bevölkerung Verständnis für die beschlossenen Maßnahmen besteht, die der langfristigen Festigung der finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung dienen. Die Anzahl der Briefe von Rentnerinnen und Rentnern an den Bundeskanzler und an das Bundeskanzleramt, die Kritik an den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Konsolidierungsmaßnahmen
üben, ließe sich nur mit großem Aufwand genau feststellen, da diese Eingaben nicht als solche erfaßt werden. Insgesamt läßt sich jedoch sagen, daß sich diese Eingaben zahlenmäßig im Rahmen der vorangegangenen Monate bewegten.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß durch die Tatsache, daß diese Protestbriefe im Bundeskanzleramt eingegangen sind, deutlich wird, daß deren Absender das Schreiben von Herrn Dr. Kohl als ein solches des Bundeskanzlers und damit eines Regierungsmitgliedes angesehen haben und insofern Ihr Argument, es sei offensichtlich ein Schreiben der CDU gewesen, nicht stichhaltig ist? Können Sie etwas über die Anzahl der Protestbriefe von Rentnerinnen und Rentnern sagen, die im Bundeskanzleramt eingegangen sind, selbst wenn Sie diese Schreiben noch nicht ausgewertet haben?
Herr Kollege Such, wo diese Briefe eingehen, kann ich nicht feststellen. Sie werden auf jeden Fall an den Bundeskanzler, wo immer er sich aufhält, weitergeleitet. Das heißt, wir erfassen nicht, welche Antwortbriefe an welchen Adressaten - auch wenn der Bundesvorsitzende diesen Brief geschrieben hat - gerichtet waren. Sie erreichen ihn, und das ist für uns das Entscheidende.
Ein weiterer Punkt ist, daß sich die Zahl der Antwortbriefe, der Petitionen, der Beschwerden und der Umfang der Kritik im Rahmen der vorangegangenen Monate bewegt haben. Wir sortieren nicht nach einzelnen Fragestellungen, sondern wir beantworten diese Briefe. Hier war nichts Außergewöhnliches feststellbar.
Im übrigen wäre es sehr aufwendig, wenn wir die Briefe der letzten Monate, die an den Bundeskanzler gingen, im Hinblick auf Einzelfragen - wie sie hier gestellt wurden - auch noch statistisch auswerten wollten.
({0})
- Arbeiten, Frau Kollegin, wie Sie.
Weitere Zusatzfragen? - Herr Kollege Gansel.
Herr Schmidbauer, da ich von vielen Rentnerinnen und Rentnern aus Schleswig-Holstein angesprochen worden bin, die vor der Landtagswahl Briefe mit dem Briefkopf „Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender" erhalten haben, in denen ihnen die Zuverlässigkeit der finanziellen Situation der Rentenversicherung und die Beständigkeit der Rentenleistung versichert worden sind, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung Zuschriften, die Rentnerinnen und Rentner auf Grund dieses Briefes an das Bundeskanzleramt schicken, an
die CDU-Geschäftsstelle zur Beantwortung weiterreicht oder ob diese Wahlkampfwerbung der CDU sozusagen in ihrem Rücklauf vom Bundeskanzleramt bearbeitet wird.
Macht die Bundesregierung einen Unterschied bei dem Wahrheitsgehalt und Zuverlässigkeitsgrad von Briefen je nachdem, ob sie unter dem Briefkopf „Bundeskanzler" oder „CDU-Bundesvorsitzender" verfaßt worden sind?
Herr Kollege, Ihre letzte Frage veranlaßt mich zu der Antwort: Unter welchem Briefkopf der Bundeskanzler auch immer Briefe schreibt, der Inhalt ist zuverlässig, richtig, und die Wirkung ist nicht verfehlt worden.
({0})
Ich kann Ihnen keine Auskunft geben, wer, jeweils welche Briefe bearbeitet. Sie werden jedenfalls alle vom Bundeskanzler beantwortet.
({1})
- Sie müssen davon ausgehen, daß der Bundeskanzler dafür Sorge trägt, daß sie entsprechend beantwortet werden.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger bereit.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Dieter Heistermann auf:
Welche Erfahrungen liegen dem Bundesministerium der Verteidigung über die Umstellung von der baren in die unbare Wehrsoldauszahlung vor?
Herr Kollege Heistermann, die jetzigen Erfahrungen beruhen auf den Erkenntnissen der Teilstreitkräfte bei den ersten drei bargeldlosen Wehrsoldzahlungen am 15. Januar, 15. Februar und 15. März 1996 und auf den Eindrükken der jüngsten Truppenbesuche des Beauftragten des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung. Da die Umstellung auf die unbare Wehrsoldzahlung erst zum Januar 1996 vollzogen wurde, liegen bisher - wie Sie verstehen werden - erst sehr begrenzte Erfahrungen, basierend auf Einzelerkenntnissen, vor.
Der Beauftragte des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung hat bei seinen Truppenbesuchen die Grundwehrdienstleistenden gezielt nach ihrer Meinung zur unbaren Wehrsoldzahlung gefragt. Dabei äußerten sich die Grundwehrdienstleistenden grundsätzlich positiv über die unbare Wehrsoldzahlung, zum Beispiel auch in einem Einödstandort. Die
Soldaten begründeten die positive Beurteilung damit, daß sie jetzt keine größeren Geldbeträge mehr mit sich führen müßten und weniger Geld ausgäben.
({0})
Herr Kollege Heistermann, ich will aber nicht verschweigen, daß den Teilstreitkräften und dem Beauftragten des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung auch Berichte über Unzufriedenheit bei Grundwehrdienstleistenden vorliegen, die je nach Teilstreitkraft und Standort unterschiedliche Ursachen hat. So erhalten beispielsweise einige wenige Grundwehrdienstleistende kein Konto von den Banken bzw. haben ihr Konto so weit überzogen, daß sie keine Zahlung der Gebührnisse auf ein Konto wünschen. Fehlerhafte Angaben der Grundwehrdienstleistenden über Kontonummer, Bankleitzahl, Name der Bank oder Kontoinhaber können dazu führen, daß Überweisungen nicht ankommen. Der Rücklauf der Belege dauert bis zu zehn Tagen. Erst dann ist die Barauszahlung möglich. Noch nicht in allen Truppenverwaltungen gibt es darüber hinaus Datenverarbeitungsgeräte, was teilweise zu Verzögerungen geführt hat.
Diese Anfangsschwierigkeiten erklären sich zum Teil aus der Umstellung und werden sich sicherlich großteils lösen lassen. Wo die Probleme einzelner Soldaten nicht gelöst werden können, werden wir durch Ausnahmen von der unbaren Zahlung abhelfen. Wir sind aber zuversichtlich, daß die Umstellung auf die unbare Wehrsoldzahlung insgesamt gelingen wird.
Wir erhoffen uns von der Umstellung auf die unbare Wehrsoldzahlung Einsparungen von zirka 30 Millionen DM jährlich.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, zunächst einmal herzlichen Dank für die Beantwortung.
Ich möchte aber noch eine Frage nachschieben: Was gedenkt denn die Bundesregierung angesichts des Umstands zu tun, daß ein Wehrpflichtiger, der rund 400 DM Wehrsold bekommt, diesen teilweise mehrere Wochen lang nicht zur Verfügung hat? Oft - zum Beispiel, wenn die Kontoangabe nicht richtig war - handelt es sich um Fehlleistungen, die der einzelne Wehrpflichtige nicht zu verantworten hat; manchmal ist es auch die EDV-Eintragung, die zu Unzulänglichkeiten führt. Teilweise sind den Wehrpflichtigen durch Kontoüberziehungen und ähnliches mehr Kosten entstanden. Ist die Bundesregierung bereit, in den Fällen, in denen der Wehrpflichtige die Verzögerung nicht selbst zu verantworten hat, einen Ersatz der Kosten vorzunehmen?
Herr Kollege Heistermann, ich habe konzediert, daß es Anlaufschwierigkeiten gibt. Wir sind bestrebt, diese möglichst bald abzustellen. Es gibt eine Reihe von Ausnahmen, die
es uns ermöglichen, den Wehrdienstleistenden zu helfen, wo immer es geht.
Ich darf Ihnen einige der Ausnahmen nennen: Das Entlassungsgeld wird nach wie vor bar ausgezahlt, auch die Zahlungen bei Stationierungen im Ausland. Im Einstellungsmonat werden die Vergütungen bar ausgezahlt, weil dies anders noch nicht möglich ist. - Damit ist schon ein großer Teil Ihrer Frage beantwortet.
Natürlich wird das Geld auch an Bord von schwimmenden Einheiten bar ausgezahlt. Im Einzelfall - das ist mit das Wichtigste - ist nach Entscheidung des Kommandeurs bzw. Dienststellenleiters eine Barzahlung möglich, wenn keine andere Lösung gesehen wird. Auch wenn dem Wehrdienstleistenden aus einem wichtigen Grund die Einrichtung oder Benutzung des Kontos nicht zugemutet werden kann, erfolgt die Zahlung bar.
Sie sehen also, daß wir bemüht sind, Abhilfe zu leisten, wo immer es geht. Allerdings bezahlt fast die gesamte Wirtschaft unbar; dort geht es auch. Das Wichtigste aber ist: Wir wollen und müssen einsparen. Sie haben mitbekommen, welche neuen Kürzungen wir verkraften müssen. Es geht kein Weg an Einsparungen vorbei.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie zu der Befürchtung von Soldaten Stellung nehmen, daß man zum Beispiel Rechnungsführer oder Zahlstellenleiter auf Grund der jetzt eingeführten unbaren Wehrsoldzahlung in den Dienstposten herabdotiert und unter Umständen ganz einspart, da ihre Aufgaben im wesentlichen entfallen werden?
Wir erwarten Einsparungen von 30 Millionen DM jährlich. Diese sollen sich durch die Auflösung von Hauptzahlstellen und Zahlstellen und durch eine erhöhte Arbeitskapazität der Geldverwalter wegen geringerer Geldübernahme und kürzerer Geldauszahlungszeiten sowie durch die Verringerung der Zahl von Geldtransporten und den damit verbundenen geringeren Einsatz von Kraftfahrzeugen und Begleitpersonal ergeben, nicht jedoch aus geringerer Arbeitsleistung oder Herabdotierung.
Wir müssen natürlich zusehen, wie wir diese Einsparungen aus dem neuen Verfahren erzielen können.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Dieter Heistermann auf:
Wurde der Gesamtvertrauenspersonenausschuß beim Bundesministerium der Verteidigung bei der Umstellung von der baren in die unbare Wehrsoldauszahlung beteiligt?
Das Bundesministerium der Verteidigung hat am 10. Juni 1994 und am 18. Januar 1995 Dienstbesprechungen über die beabsichtigte Einführung einer unbaren Wehrsoldzahlung und die damit verbundenen Probleme durchgeführt.
An der Besprechung am 10. Juni 1994 hat der Gesamtvertrauenspersonenausschuß teilgenommen. Das Ergebnisprotokoll hierüber wurde ihm zugesandt. Der Einladung zur Dienstbesprechung am 18. Januar 1995 ist er nicht gefolgt.
Der Gesamtvertrauenspersonenausschuß ist also über die vorgesehene Gesetzesinitiative zur Einführung der bargeldlosen Wehrsoldzahlung informiert worden. Im übrigen wurde er bei den herausgegebenen Verfahrensregelungen stets nachrichtlich beteiligt.
Da der Gesetzgeber in § 2 Abs. 5 Satz 4 des Wehrsoldgesetzes die grundsätzliche Entscheidung getroffen hat, daß die genannten Bezüge ab 1. Januar 1996 im Regelfall auf ein Bankkonto zu überweisen sind, beschränkt sich aus der Sicht des Bundesministeriums der Verteidigung die Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses auf die Zumutbarkeit der Kontoführung und die Festlegung von Ausnahmetatbeständen.
Der Gesamtvertrauenspersonenausschuß wurde in einem Schreiben von Staatssekretär Dr. Wichert vom 14. Februar 1996 gebeten, dazu Ergänzungsvorschläge aus seiner Sicht mitzuteilen. Allerdings haben wir bis heute noch keine Antwort erhalten.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, trifft es denn zu, daß der GVPA wegen seiner Nichtbeteiligung beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben hat? Könnten Sie uns den Stand des Verfahrens darstellen?
Der GVPA hat in dieser Frage einen Antrag auf Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht gestellt. Dieser Antrag liegt dem Bundesverwaltungsgericht jedoch noch nicht vor, weil er über den Bundesminister der Verteidigung und mit dessen Stellungnahme vorgelegt werden muß. Die Stellungnahme steht noch aus. Der GVPA hat aber mittlerweile angeregt, mit den zuständigen Fachreferaten des Bundesverteidigungsministeriums ein Gespräch mit dem Ziel nochmaliger mündlicher Erörterung zu führen. Ich hoffe, daß wir zu einer gütlichen Einigung kommen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie gedenkt denn die Bundesregierung künftig sicherzustellen, daß der GVPA seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann?
Was ist im Hause veranlaßt worden, damit in Zukunft von vornherein die Beteiligung - das umfaßt ja mehr als nur Anhörung oder Information durch Briefe - durch das Bundesverteidigungsministerium sichergestellt wird?
Herr Kollege Heistermann, selbstverständlich sind wir bestrebt, den GVPA so einzubinden, wie es im Gesetz vorgesehen ist, so daß er auch zufrieden ist. Der vorliegende Fall beruht ja nur auf der unterschiedlichen Auffassung darüber, ob er noch mehr hätte einbezogen werden müssen - nach Ansicht unseres Ministeriums nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 11 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl bereit.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Heidemarie Wright auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der sich häufenden Meldungen von Erkrankungen durch das enterohämorrhagische Escherichia-coli-Bakterium ({0}) eine bundesweite Koordination und Erfassung der Untersuchungen der Bundesländer, um ein Gesamtbild über das Ausmaß und die Ursachen der Infektion zu bekommen?
Frau Kollegin Wright, die bundesweite Koordination und Erfassung der Untersuchungen der Bundesländer zu Erkrankungen mit dem enterohämorrhagischen Escherichia-coli-Bakterium ({0}) ist im Rahmen des epidemiologischen Informationssystems zwischen Bund und Ländern bereits jetzt gegeben. Sie erfolgt durch das Robert-Koch-Institut.
Allerdings weist die Bundesseuchenstatistik nur summarisch die Durchfallerkrankungen und nicht speziell die EHEC-Meldungen aus. Mit der beabsichtigten Novellierung des Bundes- Seuchengesetzes ist diese Erregereinzelmeldung vorgesehen. Zusammen mit dem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Nationalen Referenzzentrum für Salmonellosen und andere Enteritiserreger unterstützt das RKI die seuchenhygienischen Maßnahmen der Länder und koordiniert das weitere Vorgehen gegen EHECInfektionen.
Zusatzfrage.
Soweit mir bekannt ist, haben Sie dem Robert-Koch-Institut ein Gutachten in Auftrag gegeben. Ist schon ein Zeitpunkt absehbar, bis wann es fertiggestellt sein wird? Ich komme aus Bayern und spüre eine ganz starke Verunsicherung in der Bevölkerung, die ich nicht nähren will. Aber ich
möchte natürlich Sicherheit haben. Sie wissen, daß es bereits Todesfälle gegeben hat. Daher meine Frage.
Frau Kollegin, ich weiß nicht, um welches Gutachten es sich handeln soll. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das näher erklären würden. Ich könnte Ihnen dann über den Stand dieses Gutachtens berichten.
Dr. Schwartländer beim Robert-Koch-Institut in Berlin ist damit befaßt. Ich werde das vielleicht schriftlich bei Ihnen nachfragen.
Ich kann nur - Herr Präsident, wenn Sie gestatten - so weit ergänzen: Diese Erkrankungen in Bayern sind durch eine Häufung von Fällen in Kinderkliniken, in denen das hämorrhagisch-urämische Syndrom auftrat, aufgefallen. Man hat in Bayern sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um dieser Sache auf den Grund zu gehen.
In der Novelle des Bundes-Seuchengesetzes sind Regelungen vorgesehen, die bezwecken sollen, daß spezielle Erfahrungen über diese Erreger gesammelt werden sollen, weil wir sie zur Zeit noch nicht erfassen können. Auch die Laboratorien sind auf die Erfassung der EHEC-Bakterien noch nicht ausreichend ausgerichtet. Auch hier versuchen wir, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen.
Bitte.
Vielen Dank. Das hat mir schon weitergeholfen. Sie sagten, es sei ein neues epidemiologisches Konzept auszuarbeiten, demzufolge auch Einzelmeldungen von Erregern aufgenommen werden könnten. Wird das jetzt auf Grund des Vorkommens von EHEC-Bakterien, die ja hauptsächlich in Bayern auftraten, forciert? Vielleicht liegt das auch daran, daß in Bayern eine Meldepflicht besteht, in anderen Bundesländern dagegen nicht. Sehen Sie da einen dringenden Handlungsbedarf?
Frau Kollegin, die Novelle des Bundes-Seuchengesetzes ist bereits seit längerer Zeit - unabhängig von der derzeitigen Häufung in Bayern - vorgesehen, wonach auch Einzelerreger gemeldet werden sollen. Eine Meldepflicht besteht grundsätzlich bei Durchfallerkrankungen; das ist Vorschrift im existierenden Bundes-Seuchengesetz. Bayern hat über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinaus veranlaßt, daß gesunde Ausscheider von EHEC-Bakterien gesondert gemeldet werden. Damit werden die Gesundheitsverwaltungen in die Lage versetzt, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung vor allen Dingen in Gemeinschaftseinrichtungen oder Lebensmittelbetrieben zu treffen.
Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Klaus Kirschner auf:
Trifft es zu und ist es der Bundesregierung bekannt, daß die gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 3. November 1994 den gesetzlichen Krankenkassen Ausgaben für allgemeine Werbemaßnahmen ermöglichen bei Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit?
Herr Kollege Kirschner, ja,, es trifft zu und ist der Bundesregierung bekannt, daß die gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung den gesetzlichen Krankenkassen Ausgaben für allgemeine Werbemaßnahmen ermöglichen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie steht denn der Bundesgesundheitsminister zu diesen Wettbewerbsgrundsätzen?
Herr Kollege Kirschner, da diese Wettbewerbsgrundsätze den Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegen haben und sie einstimmig zwischen den 16 Bundesländern und dem Bundesversicherungsamt beschlossen worden sind, steht der Bundesminister diesen Grundsätzen sehr positiv gegenüber.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, trifft es zu, daß es bei diesen Grundsätzen heißt, daß als Wettbewerbsfelder der Krankenkassen insbesondere Innovations-, Beitragssatz- und Servicewettbewerb sowie Vertragswettbewerb um Vergütungsabschlüsse genannt werden und daß auch weitere Möglichkeiten dazu gesehen werden? Billigt dies die Bundesregierung grundsätzlich?
Was Sie eben zitiert haben, ist mir in der Form nicht bekannt. Aber ich kann aus diesen Wettbewerbsgrundsätzen zitieren:
Die allgemeine Werbemaßnahme darf sich nicht auf eine Reklame beschränken, die lediglich auf den Namen der Kasse hinweist, sondern muß vielmehr einen sachlichen Informationsgehalt über den Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung aufweisen.
Es ist dort insbesondere auch noch einmal auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Kostenbegrenzung hingewiesen worden.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Klaus Kirschner auf:
Trifft es zu, daß diese Wettbewerbsgrundsätze beinhalten, daß in der Regel dieser Grundsatz gewahrt ist, solange die jährlichen Ausgaben der einzelnen Krankenkassen für allgemeine Werbemaßnahmen - einschließlich der entsprechend auszuweisenden Verbandsbeitragsanteile - 0,15 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGV IV je Mitglied nicht überschreiten?
Ja, es trifft zu, daß diese Wettbewerbsgrundsätze beinhalten, daß in der Regel dieser Grundsatz gewahrt ist.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wenn man diese 0,15 Prozent der genannten monatlichen Bezugsgröße in D-Mark umrechnet, kommt man auf einen Betrag von 6,20 DM je Versicherten. Können Sie dem Parlament sagen, wie hoch nach den Berechnungen der Bundesregierung der Gesamtbetrag ist, der den Krankenkassen pro Jahr ausschließlich für Werbemaßnahmen zugebilligt wird?
Herr Kollege Kirschner, soweit es uns möglich ist, entsprechende Kosten zu errechnen, ergibt sich: Bei Verwaltungskosten von insgesamt 11,8 Milliarden DM in 1995 bedeutet dies ein Ausgabevolumen von 305 Millionen DM pro Jahr für alle Krankenkassen, wobei ich ergänzen möchte, daß diese Kosten natürlich nicht ausgeschöpft werden müssen.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, es wird davon geredet, daß hier Geld für viel Unsinn ausgegeben wird. Wenn die Berechnungen von 6,20 DM stimmen und 90 Prozent der Bevölkerung in den gesetzlichen Krankenkassen versichert sind, ergibt dies einen Betrag zwischen 400 und 450 Millionen DM. Ist der Bundesgesundheitsminister der Auffassung, daß die Gelder richtig ausgegeben werden, wenn diese Grundsätze gelten und der Bundesgesundheitsminister diese nicht beanstandet hat? Warum greift der Bundesgesundheitsminister nicht ein, wenn dies nicht der Fall ist?
Zunächst einmal, Herr Kollege Kirschner, darf ich Sie daran erinnern, daß die Wahlfreiheit der Versicherten auch von Ihnen, der SPD, mit beschlossen worden ist und den Krankenkassen bestimmte Werbemaßnahmen zugestanden wurden. Zum anderen möchte ich Ihnen sagen, daß die Prüfung der Einzelausgaben den zuständigen Aufsichtsbehörden obliegt.
Werbemaßnahmen einer Krankenkasse können, zum Beispiel wegen eines zu hohen Mitteleinsatzes bei einzelnen Vorhaben, von der zuständigen Aufsichtsbehörde als unwirtschaftlich angesehen und
entsprechend beanstandet werden. Diese Gesamtgröße beinhaltet nicht, daß nicht doch einzelne Werbemaßnahmen beanstandet werden können.
Herr Kollege Duve.
Es ist sehr interessant, wenn ich höre, daß die Werbeausgaben einer Kontrolle und einer Prüfung unterliegen sollten. Das ist auch richtig so. Aber warum sollen dann die Prüfungsämter nach § 274 entsprechend der Planung des Ministeriums abgeschafft werden?
Herr Kollege, Sie wissen, daß unsere Vorhaben in der dritten Stufe der Gesundheitsreform von mehr Vorfahrt für die Selbstverwaltung geprägt sind. Der genannte Paragraph beinhaltet nicht, daß die Prüfungen der Krankenkassen generell abgeschafft, sondern auf die organisatorischen Maßnahmen der Krankenkassen beschränkt werden.
Herr ' Kollege Büttner.
Wie begründet der Bundesgesundheitsminister den Widerspruch, daß er den Krankenkassen Werbemaßnahmen bis zu 450 Millionen DM zubilligt, gleichzeitig aber bei notwendigen Präventionsmaßnahmen 1,2 Milliarden DM einsparen will?
Herr Kollege, ich sehe überhaupt keinen Widerspruch, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Die Zahl von 450 Millionen DM kann ich nicht bestätigen. Wir gehen von einer anderen Zahl aus.
Ferner muß ich Ihnen sagen, daß es sich hier um Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden handelt und der Bundesminister primär überhaupt nichts damit zu tun hat.
Des weiteren möchte ich Ihnen sagen, daß die geplanten Maßnahmen bei der Prävention unter anderem auf ein Mißbrauchsverhalten der Krankenkassen zurückzuführen sind. Sie wissen, daß die Präventionsmaßnahmen nicht generell abgeschafft werden, sondern daß die medizinisch notwendigen Präventionsmaßnahmen weiterhin im Gesetz enthalten sind.
Damit haben wir diesen Bereich abgeschlossen. Ich danke der Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung.
Die Fragen 15 und 16 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Dr. Christine Lucyga auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß trotz ihrer wiederholt gegebenen Zusagen für eine termingerechte Fertigstellung des Rostocker Seekanals die termingerechte Vertiefung und Verbreiterung ernsthaft gefährdet ist, da z. Z. noch Finanzierungsfragen offen sind und damit eine rechtzeitige EU-weite Ausschreibung des Projektes nicht mehr möglich ist, und durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung den termingerechten Ausbau des Seekanals dennoch sicherstellen?
Herr Präsident, Frau Abgeordnete, der Planfeststellungsbeschluß der Maßnahme Ausbau Seehafenzufahrt Rostock auf 14,5 Meter Wassertiefe und 120 Meter Fahrrinnenbreite ist Anfang Mai 1996 bekanntgegeben worden. Die europaweiten Bauausschreibungen laufen bereits und werden voraussichtlich Mitte des Jahres zur Auftragserteilung führen. Damit sind die Maßnahmen für die Seehafenzufahrt auf dem schnellstmöglichen Wege.
In Anbetracht der bisherigen Haushaltssituation ist die Bundesregierung durch Prioritätssetzung bemüht, daß sich die Maßnahmen für alle Seehafenzufahrten Mecklenburg-Vorpommerns nicht wesentlich verzögern. Auch im Falle weiterer Restriktion der Haushaltsmittel hat das Projekt Seehafenzufahrt Rostock hohe Priorität.
Zusatzfrage?
Darf ich Ihre Ausführungen, daß das Seehafenprojekt Rostock höchste Priorität hat, auch dahin gehend interpretieren, daß die für 1997 benötigten Mittel trotz der angespannten Haushaltslage in entsprechender Höhe bereitgestellt werden und daß weiterhin mit der termingerechten Fertigstellung der Maßnahme im Jahre 1998 zu rechnen ist? Nur dann hat diese Maßnahme Sinn.
Die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für 1997 wird das Parlament beschließen. Wir haben entsprechende Anträge vorbereitet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Gibt es von seiten der Bundesregierung darüber hinaus Bemühungen, den für die Nord-Süd-Verkehrsachse sehr wichtigen Seehafen Rostock dahin gehend in weitere Maßnahmen aufzunehmen, daß er in der europäischen Verkehrsnetzplanung stärkere Berücksichtigung findet als zuvor?
Frau Dr. Lucyga, zu den „Verkehrsprojekten Deutsche Einheit" gehört das VDE Nr. 1, das die Schienenverbindung nach Rostock sicherstellt. Über dieses VDE Nr. 1 werden sowohl die Verbindung nach Hamburg als auch nach
Berlin - also in Richtung Süden - und der Anschluß an die anderen Hauptstrecken gewährleistet.
Im übrigen bauen wir die Autobahn A 20 zügig aus. Die Infrastrukturmaßnahmen, die für die Gesamtentwicklung Mecklenburg-Vorpommerns wichtig sind, sind demnach alle in Arbeit.
Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Dr. Lucyga auf:
Ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, daß eine zeitliche Streckung des Projektes zum Ausbau des Rostocker Seekanals nicht nur schwere wirtschaftliche Rückschläge für die Häfen und den Fährverkehr der Region hätte, sondern auch dem Ziel einer besseren Nutzung des Ostseeraumes als künftiges europäisches Binnenmeer widersprechen würde?
Im Prinzip habe ich schon angedeutet, daß die zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Ausbaumaßnahme Rostock der Bundesregierung natürlich bestens bekannt sind. Wir werden alles unternehmen, um die wirtschaftliche Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns, die nicht nur von Rostock, sondern auch von Wismar, Stralsund und Wolgast abhängig ist, sicherzustellen.
Zusatzfrage?
Ja. - Ich habe Ihrer vorherigen Antwort entnehmen können, daß Sie dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit" Nr. 1 großen Stellenwert zumessen und möchte deshalb fragen, wie sich die erkennbare zeitliche Streckung des Projekts - auch hinsichtlich der Bedeutung, die der Güterverkehrsknotenpunkt Rostock für die Region hat - verstehen läßt.
Ich möchte nachfragen, mit welchen Infrastrukturmaßnahmen sichergestellt werden soll, daß das mit erheblichem Aufwand an öffentlichen Mitteln errichtete Güterverkehrszentrum in Rostock nicht durch längeres Liegenlassen zu einer gigantischen Investitionsruine wird. Das hat alles mit der Hafenproblematik zu tun.
Ganz richtig, Frau Dr. Lucyga. Wir sind für die Rahmenbedingungen zuständig. Ich habe Ihnen in meiner Antwort auf Ihre erste Frage dargestellt, daß wir die Hauptrahmenbedingungen schaffen. Inwieweit das Güterverkehrszentrum Rostock in Schwierigkeiten gerät, die durch die Stadt oder durch die verantwortlichen Landesdienststellen verursacht werden, kann ich Ihnen hier nicht beantworten.
Noch eine Zusatzfrage?
Sind Sie unter Umständen bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß diese Schwierigkeiten im weitesten Sinne durch Entscheidungen der Deutschen Bahn AG begründet sein könnten, die nachweislich dazu tendiert, Güter- und
Personenfernverkehre zunehmend an Rostock vorbeizuleiten? Schwierigkeiten resultieren auch daraus, daß der vorgesehene Gleisanschluß des Güterverkehrszentrums bisher noch aussteht.
Frau Dr. Lucyga, auch Sie wissen, daß wir eine Bahnreform durchgeführt haben. Die Deutsche Bahn AG arbeitet eigenwirtschaftlich, und die Bundesregierung ist nicht in der Lage, irgendwelche Weisungen oder Auflagen zu erteilen.
Ich rufe jetzt die Frage 19 des Kollegen Wolfgang Ilte auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß der in der Antwort auf Frage 3 der Kleinen Anfrage ({0}) genannte Wiederaufnahmetermin des eingleisigen Betriebs der Gleichstrom-S-Bahn auf dem Abschnitt Tegel/Hennigsdorf durch die Deutsche Bahn AG schon aus jetziger Sicht nicht mehr gehalten werden kann, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um sicherzustellen, daß eine Wiederinbetriebnahme spätestens 1998 erfolgen kann?
Herr Abgeordneter Ilte, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß der in der Antwort auf die Kleine Anfrage genannte Wiederinbetriebnahmetermin 1998 für die S-Bahn-Strecke Schönholz-Tegel-Hennigsdorf von der Deutschen Bahn AG nicht gehalten werden kann.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung in mitteleuropäischen Verhältnissen für normal, daß ein Zeitraum von acht Jahren benötigt wird, um die Wiederinbetriebnahme einer ehemaligen S-Bahn-Strecke zu bewerkstelligen, wozu sie sich im Einigungsvertrag 1990 verpflichtet hat? Warum wurde die ursprüngliche Planung, die meines Wissens von Professor Mängel gemacht worden ist, nicht realisiert, und wieso ist diese ursprüngliche Planung in bezug auf die Zeitabläufe unrealistisch gewesen?
Herr Abgeordneter, der Wiederaufbau des S-Bahn-Netzes im Umfang von 1961 wurde mit den Ländern Berlin und Brandenburg vereinbart. Die Bundesregierung steht zu dem damals genannten Termin.
Der Aufbau selbst kann entsprechend unseren finanziellen Möglichkeiten nur schrittweise erfolgen. In der Zeit von 1990 bis 1995 haben wir dafür bereits 2,1 Milliarden DM aufgewendet; bis zum Jahre 2000 werden wir weitere 2 Milliarden DM bereitstellen.
Zu dem von Ihnen genannten ursprünglichen Termin kann ich nur darauf hinweisen, daß die Bundesregierung nie einen anderen Termin als 1998 genannt hat, auch nicht in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Wenn die PBDE früher liegende Termine genannt hat, so haben wir das mit Freude zur KenntParl. Staatssekretär Johannes Nitsch
nis genommen - die Finanzierung wäre zu sichern gewesen -, aber wir haben an der Einhaltung eines früheren Termins immer Zweifel gehabt. Ich selbst habe mich bei einer Einwohnerversammlung im Dezember 1995 dazu ausführlich geäußert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von 2,1 Milliarden DM. Diese Summe beziehen Sie sicherlich auf die Aufwendungen für das gesamte Berliner S-Bahn-Netz, so vermute ich jetzt, und nicht auf die 8,5 Kilometer lange Verbindung Hennigsdorf-Tegel.
Deshalb meine zweite Zusatzfrage: Ist die Finanzierung dieses Stücks mit der Terminierung der Fertigstellung 1998 nun endlich, nach mittlerweile sechs Jahren, gesichert, und haben Sie im Finanzierungskonzept auch den im Zusammenhang mit dem Wasserstraßenprojekt 17 in Erwägung gezogenen Brükkenneubau über den Oder-Havel-Kanal eingeplant?
Herr Abgeordneter, mit der Finanzierungsvereinbarung zwischen den Bundesministerien für Verkehr und für Finanzen einerseits und der Deutschen Bahn AG andererseits vom 25. März dieses Jahres sowie der endgültigen Aufnahme dieses von Ihnen genannten Vorhabens in § 6 Abs. 1 Gemeindefinanzierungsgesetz sind die finanziellen Voraussetzungen für die Inbetriebnahme zu dem von mir genannten Termin finanziell gesichert.
Zu dem Problem Havelbrücke: Diese Problematik ist dadurch entstanden, daß in der weiteren Planung auch der Ausbau der Wasserstraßen und der Fernstrecken der DB AG in Betracht gezogen werden mußten und sich hier die Notwendigkeit ergab, eine Lösung für eine Brücke über die Havel zu finden.
In dem von mir genannten Termin 1998 ist bereits eine endgültige Brückenlösung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Ilte auf:
Wie ist der derzeitige Planungs- und Finanzierungsstand gegliedert ({0}) der einzelnen Streckenabschnitte einschließlich der erforderlichen Bauwerke?
Herr Abgeordneter, zuständig für die Grunderneuerung der Strecke Schönholz-Tegel und die Wiederherstellung der Strecke Tegel-Hennigsdorf ist die Deutsche Bahn AG.
Mit der Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung - ich habe das bereits auf eine Zusatzfrage geantwortet - sind die finanziellen Voraussetzungen für die Wiederinbetriebnahme gegeben. Es ist jetzt Sache der Deutschen Bahn AG, die Planungen abzuschließen und beim Eisenbahn-Bundesamt Anträge auf Baufreigabe zu stellen.
Für den Bereich - das werden Sie sicherlich kennen - Waidmannsluster Damm bis zum ehemaligen Hermsdorfer Damm ist eine Plangenehmigung beim Eisenbahn-Bundesamt zu beantragen und eine Finanzierungsvereinbarung mit dem Land Berlin als Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen abzuschließen.
Für den Bereich der Havelbrücke ist ebenfalls Planrecht zu schaffen und eine Kreuzungsvereinbarung mit der Wasserstraßenverwaltung des Bundes abzuschließen. Ein Bauzeitenplan des in der Verantwortung der DB AG durchzuführenden Vorhabens liegt der Bundesregierung nicht vor.
Zusatzfrage.
Bei der Zeitvorstellung, die Sie dankenswerterweise für 1998 bestätigt haben, ist natürlich nach Aussage der Länder Berlin und Brandenburg davon auszugehen, daß bei den erforderlichen Planfeststellungsverfahren auch in dem von Ihnen beschriebenen Abschnitt der Strecke für den Berliner Teil zwölf Monate und für den Brandenburger Teil zirka neun Monate vorgesehen sind.
Wir haben jetzt Mitte 1996, und meine Frage lautet: Sind die Planfeststellungszeiträume, die, bevor man zu bauen beginnen kann, erforderlich sind, immer noch realistisch; ist es realistisch, den Streckenabschnitt Ende 1998 in Betrieb zu nehmen, und sind die Planfeststellungszeiträume in Ihrer Terminaussage enthalten?
Gerade diese Differenz hat in der letzten Zeit eine Rolle gespielt: provisorische Lösung mit einem Insgesamtablauf von 18 Monaten, endgültige Lösung mit der Plangenehmigung von 30 Monaten. Das ist alles enthalten. Wir haben von heute an gerechnet bis zum Ende des Jahres 1998 noch mehr als 30 Monate vor uns.
Zweite Zusatzfrage.
Welche Vorstellungen gibt es in Ihrem Hause zur Lösung des Problems Kreuzungspunkt Gorkistraße in Tegel zum Anschluß an den S-Bahnhof?
Jetzt haben Sie mich erwischt. Das Problem Gorkistraße ist mir nicht bekannt. Das ist sicher ein sehr kleines Detail.
({0})
Ich möchte mich nicht auf irgendwelche Angaben beziehen, die ich nicht schriftlich vor mir habe. Ich reiche Ihnen das aber gern schriftlich nach. Können wir so verbleiben?
({1})
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 21 bis 28 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden sämtlich schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Staatssekretär von Ploetz ist anwesend. Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Joachim Tappe auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle politische Situation in Benin, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die bilateralen Beziehungen?
Herr Abgeordneter, zur aktuellen politischen Situation in Benin: Es war das erste Land in Schwarzafrika, in dem 1989 der Wind des Wechsels geweht hat. Es ist 1991 zur Demokratie zurückgekehrt. Der bis dahin im Amt befindliche Militärdiktator Kérékou verlor sein Amt in Wahlen und trat korrekt ab und hat sich in der Amtszeit seines Nachfolgers Soglo politisch zurückgehalten. Dieser Nachfolger regierte demokratisch fünf Jahre lang. Er hat die Wirtschaft in Richtung Marktwirtschaft und Privatisierung bewegt und politisch zur Konsolidierung der Demokratie beigetragen. In der Wahl im März 1996 erlitt er dennoch eine für Beobachter nicht überraschende Niederlage, die nicht nur damit zusammenhängt, daß das Eintreten für Reformen bei den Wählern nicht unbedingt populär macht. Die Wahl hat sein Vorgänger Kérékou mit Unterstützung von insgesamt 26 Gruppen gewonnen. Die Wahl ist international durch die Europäische Union, auch durch Deutsche, beobachtet worden. Nach ihrem Urteil, vor allem aber nach dem Urteil des Verfassungsgerichts des Landes ist die Wahl korrekt abgelaufen. Dieses Verfassungsgericht genießt im Lande und international besonderes Ansehen. Deshalb ist sein nach der Verfassung vorgeschriebenes Urteil auch von besonderem Gewicht.
Der jetzige Amtsinhaber Kérékou führt bisher die Politik in Kontinuität mit dem Vorgänger. Das betrifft die Inhalte, das betrifft auch den Respekt vor den demokratischen Institutionen. Insbesondere hat er bisher nicht das getan, was befürchtet wurde, eine Hexenjagd auf Anhänger des Vorgängerregimes zu veranstalten.
Die Schlußfolgerung, die wir daraus für die deutsche Politik in völliger Übereinstimmung mit unseren Partnern in der Europäischen Union ziehen, lautet:
Wir messen die Regierung Kérékou an ihren Taten. Das heißt, wir beobachten sehr genau - dies weiß die Regierung auch -, welche Politik sie verfolgt. Solange sie Kurs hält, das heißt Demokratie, Wirtschaftsreform, Respektierung der Menschenrechte, sehen wir keinen Anlaß, an unserer Politik etwas zu ändern.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie wissen sicherlich wie ich, daß es sehr unterschiedliche Einschätzungen bezüglich der Wahl des Staatspräsidenten gibt. Es gibt durchaus ernstzunehmende Stimmen, die sagen, er sei zwar mehrheitlich gewählt worden, aber die Wahlen seien nicht „free and fair" gewesen und gerade im Vorfeld habe es alles andere als demokratisch zu nennende Vorgänge gegeben. - Wenn Sie dazu zustimmend nicken, dann wundert mich sehr, daß die Bundesregierung einem Militärdiktator, der sich zudem als unfähiger Regent erwiesen hat - Sie wissen, daß sein Rücktritt letztlich von Frankreich erzwungen worden ist, weil er sein Land in den Ruin getrieben hat -, in der Zwischenzeit Ausstattungshilfe leistet und diesem Mann, der für Tod und Folterung vieler, auch Oppositioneller, verantwortlich ist, nun Unterstützung gewährt. Meinen Sie nicht, daß es ein Akt der politischen Hygiene wäre, diesem Staatspräsidenten gegenüber eine andere politische Linie zu fahren als die, ihm und seinen Militärs in den nächsten Jahren Ausstattungshilfe in Höhe von rund 4,5 Millionen DM zu gewähren?
Herr Abgeordneter, ich habe genickt, als Sie davon sprachen, daß es Zweifel gibt, auf die Sie hingewiesen haben. Ich habe durch das Nicken nicht deutlich machen wollen, daß ich sie mir zu eigen mache. Wir haben bei der Beurteilung des Wahlvorgangs zwei besondere Kronzeugen, auf die wir unser Urteil stützen. Das eine sind die Beobachter, die wir hingeschickt haben, und das zweite ist die Entscheidung eines im Lande bei allen demokratischen Kräften höchstangesehenen Gerichts, das nach der Verfassung zur Beurteilung dieser Frage berufen ist.
Ich glaube, das ist eine Frage, die sich nicht nur bei diesem Land, sondern auch bei anderen Ländern immer wieder stellt. Beurteilen wir einen Mann - oder eine Frau -, der in die Macht zurückkehrt, nach seinen früheren Taten oder nach seinen jetzigen Taten? Es ist, glaube ich, eine gute und kluge Politik, zu sagen: Wenn jemand durch das Volk gewählt ist, dann sind wir nicht diejenigen, die daran etwas auszusetzen haben. Wohl aber werden wir unsere Politik nach den Taten einrichten.
Wollen Sie eine zweite Zusatzfrage stellen, Herr Kollege?
Ja. - Ich will gar nicht in Abrede stellen, daß Menschen lernfähig sind, auch der
gewählte Staatspräsident von Benin. Nur, hielten Sie es nicht für angebracht, eine gewisse Schamfrist vergehen zu lassen und diesen Mann zu beobachten, damit man ihn tatsächlich an seinen Taten und nicht nur an seinen Worten messen kann?
Herr Abgeordneter, wenn Sie mit mir den Blick in der Region schweifen lassen, dann stellen Sie fest, daß die jetzige Politik, so wie wir sie seit zwei Monaten beobachten können, sich wohltuend von mancher im Umfeld unterscheidet. Ich würde, wenn das zulässig ist, mit einer Gegenfrage antworten: Ist es richtig, ein Regime, das sich auf einem Kurs befindet, den wir billigen können, zu entmutigen, indem wir ihm einen Teil der Hilfe, die wir leisten, entziehen?
Ich wiederhole: Es ist, glaube ich, für die Regierung in Benin ganz wichtig, zu wissen, daß sie von der Bundesregierung und den anderen Ländern, die in Benin stark engagiert sind - neben uns vor allen Dingen Frankreich -, sehr genau beobachtet wird. Ich nenne noch einmal die Kriterien: Respektierung der Demokratie, Respektierung der Menschenrechte und marktwirtschaftliche Entwicklung.
Herr Kollege Schuster, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich beziehe mich ausschließlich auf Ihre Antwort auf Frage 29. Sie haben sinngemäß ausgeführt: Es war eine unerwartete Wahlniederlage, die nicht nur darauf zurückzuführen war, daß Herr Soglo im Volk unpopuläre Demokratisierungsmaßnahmen durchgeführt hat. Was ist der Hintergrund dieser sibyllinischen Ausführung?
Ich hatte, Herr Abgeordneter, gesagt: Der Wahlausgang hat die informierten Beobachter eigentlich nicht überrascht. Zu den Hintergründen der Wahlniederlage von Herrn Soglo gibt es eine Reihe von Analysen, die ich im einzelnen nicht abschließend beurteilen kann. Aber es ist davon die Rede, daß er zunehmend eine Art von Sonnenkönigtum dort etabliert hat. Das könnte ich jetzt mit einigen Facetten ausführen.
Ich rufe jetzt die Frage 30 des Kollegen Tappe auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die vereinbarte Ausstattungshilfe für Benin zu suspendieren, besonders vor dem Hintergrund der Signalwirkung einer solchen Maßnahme gegenüber den Opfern des Kérékou-Regimes und anderer afrikanischer Militärdiktaturen?
Die Antwort auf diese Frage,
Herr Abgeordneter, ergibt sich aus der Antwort auf die vorige Frage. Auch dieser Beitrag der Bundesregierung, die Ausstattungshilfe, steht, wenn Sie so wollen, unter dem Vorbehalt, daß die Kontinuität der Politik beibehalten wird.
Ich darf darauf hinweisen, daß eine Delegation des Haushaltsausschusses des Bundestages im Februar in Benin war, ausdrücklich, um die gewährte Ausstattungshilfe zu begutachten. Ich habe die Information, daß die Bilanz dieser Reise sehr positiv ausgefallen ist.
Zur Erläuterung, um was es sich bei Ausstattungshilfe handelt. Dabei geht es nicht etwa um Militärgerät, sondern um Projekte im Straßenbau und um Lehrwerkstätten für Mechaniker, die mit Geräten unterstützt werden, und es werden - das ist vielleicht die militärischste Komponente - Offiziere der Streitkräfte in Deutschland ausgebildet. Aber dieses ist ausdrücklich auch ein Beitrag zur Ausbildung von Offizieren in einem demokratischen Rahmen und damit ein Beitrag zur Förderung der Demokratie.
Das heißt, die Ausstattungshilfe ist als solche ein sehr gutes Instrument, und wir wollen sie weiter leisten, es sei denn ... Das habe ich schon gesagt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich unterstreiche und unterstütze ausdrücklich das, was Sie zuletzt gesagt haben. Wenn sich eine solche Hilfsmaßnahme im Rahmen der Ausstattungshilfe auf die Ausbildung von Offizieren aus dem Benin hier in Deutschland erstreckt, finde ich das gut. Wir haben ja auch aus anderen Ländern dazu sehr positive Erfahrungen.
Aber Sie haben mir im Zusammenhang mit der Region noch einmal ein Stichwort gegeben. In meiner Frage taucht ja das Wort „Signalwirkung" auf. Meinen Sie nicht, daß es ein negatives Signal sein könnte für die Verhältnisse in Nigeria, in Niger, in Liberia oder auch in Togo, um nur vier Länder aus dieser Region zu nennen, wenn beispielsweise Herr Eyadéma feststellt: In Benin ist ein alter Diktator wieder an die Macht gekommen, wenn auch durch einen Wahlakt, und nun bekommt er aus Europa und besonders aus Deutschland entsprechende Hilfe zur Ausstattung der Armee, die in der Vergangenheit schlimmste Verbrechen begangen hat? Meinen Sie nicht, daß das ein falsches Signal wäre, auch für krisenanfällige Länder in dieser Region?
Die Politik gegenüber den genannten Ländern ist so klar, daß ich nicht glaube, daß hieraus irgendein Mißverständnis entstehen kann. Das Signal, das von dieser Politik ausgeht, ist meines Erachtens im Gegensatz zu der Sorge, die Sie haben, ein positives. Wenn jemand seinen Kurs ändert, kann er auf Unterstützung rechnen. Aber das ist eine konditionierte Unterstützung.
Eine zweite Zusatzfrage? - Dann rufe ich jetzt die Frage 31 des Kollegen Dr. Werner Schuster auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihr Festhalten an der mit dem westafrikanischen Land Benin vereinbarten Ausstattungshilfe, nachdem Präsident Soglo im März dieses Jahres in den Präsidentschaftswahlen dem ehemaligen Militärdiktator Kérékou, der 1972 mit Hilfe eines Militärputsches an die Macht gelangte und das Land bis 1991 mit eiserner Hand regierte, unterlag?
Herr Abgeordneter, ein Teil der Frage ist, glaube ich, beantwortet. Ich kann, wenn Sie wollen, die Antwort noch einmal geben. Aber sie hat den Inhalt, den Sie schon kennen.
Eine Zusatzfrage? - Keine.
Dann rufe ich die Frage 32 des Kollegen Dr. Werner Schuster auf:
Hält es die Bundesregierung für ratsam, die Ausstattungshilfe für Benin entweder vorerst zu stoppen und erst dann wieder aufzunehmen, wenn sichergestellt ist, daß Wahlsieger Kérékou die unter Soglo eingeleitete Demokratisierung Benins fortführt, oder aber in Form einer Demokratisierungshilfe zu gewähren, die in erster Linie der Bevölkerung des Landes zugute käme?
Ich darf Ihnen folgende Antwort geben: Da bisher keine Rückschläge im Demokratisierungsprozeß zu verzeichnen sind, stellt sich die Frage nach einer Suspendierung der Ausstattungshilfe nicht.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bei diesem Dialog bewußt geworden, daß wir genau diese Einschätzung Ihres Hauses nicht teilen, daß es keine Rückschläge bei der Demokratisierung gibt?
Herr Präsident, ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, nach einer Begründung zu fragen. Aber vielleicht sollten wir das im bilateralen Gespräch klären.
Der Kollege Schuster nickt freundschaftlich. Also machen Sie es bilateral.
Danke sehr.
Ich rufe jetzt die Frage 33 des Kollegen Erich Fritz auf:
Wie ist die Haltung der Bundesregierung zur Androhung von Sanktionen durch die Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber deutschen Unternehmen, die mit bestimmten Ländern Handel treiben?
Herr Abgeordneter, die amerikanische handelsrechtliche Gesetzgebung, die in Ihrer Frage angesprochen ist, bereitet sowohl der Bundesregierung wie auch den anderen Regierungen in der Europäischen Union und der Kommission allergrößte Sorgen.
Durch die Betonung der Kommission möchte ich darauf hinweisen, daß die Sachmaterie, um die es hier geht, in der Kompetenz der Europäischen Union liegt. Deshalb ist in erster Linie die Europäische Union, vertreten durch die Kommission, zum Handeln aufgefordert - sie hat gehandelt -, aber auch - danach fragten Sie - die Bundesregierung als Vertreter des wichtigsten Landes.
Der Rat der Europäischen Union hat am 22. April die Prüfung von Gegenmaßnahmen angekündigt. Am 30. April wurde beschlossen, bei der Welthandelsorganisation in Genf ein Konsultationsverfahren nach Art. 23 des GATT-Vertrages einzuleiten. Die USA haben nun 30 Tage Frist, dazu Stellung zu nehmen.
Am 12. Juni wird in Washington der halbjährliche Gipfel der Europäischen Union und der USA stattfinden, bei dem dieses Thema eines der wichtigen Themen sein wird. Aus dem bilateralen deutsch-amerikanischen Kontext könnte ich eine lange Liste von Gesprächen auf Ministerebene und auf Fachebene erwähnen. Herausragend dabei sind die Kontakte, die der Bundesminister für Wirtschaft schon im Januar mit dem damaligen Wirtschaftsminister Ron Brown aufgenommen hat. Bundesminister Kinkel war am 8. Mai in Washington und hat sich auch öffentlich zu dieser Angelegenheit geäußert.
Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Fritz auf:
Welche bilateralen oder anderen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die drohende Auseinandersetzung über Handelsfragen in bezug auf Frage 31 kurzfristig zu lösen?
Wir hoffen, daß die erwähnte und nicht vollständige Liste der Mitteilung von Sorgen an die amerikanische Seite ihre Wirkung zeigt. Die Regierung hat im Rahmen der Gesetzgebung einen gewissen Spielraum.
Der zweite wichtige Adressat in dieser Angelegenheit ist aber der Kongreß. Es muß darauf ankommen, zu verhindern, daß aus dieser Gesetzgebung, solange sie gilt, eine schwere Störung der Handelsbeziehungen zwischen Europa und Amerika entsteht. Immerhin ist für Deutschland Amerika der wichtigste Handelspartner außerhalb der Europäischen Union. Die Weiterungen, die eine unbedachte Anwendung oder eine Eskalation haben könnte, sind sehr besorgniserregend.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nun ist die Maßnahme der extraterritorialen Sanktionen im Zusammenhang mit Kuba bereits Gesetz. Ähnliches ist für Iran und Libyen in Vorbereitung. Beides ist nur schwer mit den Beschlüssen innerhalb der WTO zu vereinbaren. Wenn diese Gesetze durch die Vereinigten Staaten tatsächlich angewendet werden, welche Gegenmaßnahmen kann sich die Bundesregierung dann vorstellen?
Der erste Schritt ist jetzt die Prülung, ob diese Gesetzgebung nach den WTO-Regeln Bestand haben kann. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sind der Meinung, daß wir uns auf sicherem rechtlichem Grund befinden.
Wenn sich erweisen sollte, daß wir auf diesem Wege nicht weiterkommen, dann müssen wir in der Tat sehen, wie wir unsere Rechte wahren. Ich bitte aber um Verständnis, daß ich bei Dingen, die in wesentlichen Teilen in die Kompetenz der Organe der Europäischen Union gehören, nicht ins einzelne gehen kann.
Es gibt keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Robert Antretter werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Freimut Duve auf:
Welche Reaktionen plant die Bundesregierung hinsichtlich des in der ZEIT vom 15. Mai 1996 geschilderten Vorgehens des kroatischen Präsidenten Tudjman, die vom Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel, eingeladenen kroatischen oppositionellen Fraktionsführer mittels einer konzertierten Medienaktion unter dem Stichwort „Landesverrat" so einschüchtern zu lassen, daß sie daraufhin aus Angst vor Repressalien ihre Reise in die Bundesrepublik Deutschland wieder abgesagt haben?
Herr Abgeordneter, der Bundesminister des Auswärtigen hat die Absage des Besuchs kroatischer Oppositionspolitiker in Bonn sehr bedauert. Nach Angaben der Eingeladenen erfolgte die Absage aus Termingründen. Von unserer Seite ist deutlich gemacht worden, daß die Einladung weiter Bestand hat. Die Oppositionspolitiker sind in Bonn willkommen. Dieses weiß auch die kroatische Regierung.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in den letzten Wochen haben verschiedene Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Deutschland und Kroatien die Öffentlichkeit in Kroatien sehr bewegt. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um ihren möglichen Einfluß und den der EU zur Überwindung der Lähmungen des Demokratisierungsprozesses in Kroatien auszuüben?
Herr Abgeordneter, ich möchte nicht Ihre Formulierung übernehmen, es handele sich um Schwierigkeiten zwischen Deutschland und Kroatien. Vielmehr kann man - auch auf Grund der Erörterungen im Europarat in Straßburg - ermessen, daß es in der westlichen Staatengemeinschaft eine Reihe von Fragen zu Entwicklungen in Kroatien gibt. Wir haben gar keinen Zweifel, daß diese Sorgen dort angekommen sind, und hoffen, daß sie auch ernst genommen werden.
Die Reaktion der Führung in Kroatien auf einen - ich sage es einmal unbürokratisch - Katalog von Anmerkungen des Berichterstatters des Europarates zeigt, daß diese Sorgen sehr ernst genommen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung oder die EU mit dem zur Zeit für die kroatische Führung wichtigsten Partner, den Vereinigten Staaten, im Gespräch über diese Fragen der inneren Demokratisierung des Landes?
Ja.
Keine weiteren Fragen? - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner bereit.
Ich rufe die Frage 38 des Kollegen Thomas Krüger auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Mittel für die sog. „Trainertöpfe Ost" mit einer Fristsetzung zum 30. Juni 1996 ({0}) bzw. zum 31. Dezember 1996 ({1}) auslaufen, und was gedenkt sie unterstützend für den bundesdeutschen Sport zu unternehmen, damit einerseits vertretbare, athletennahe Entscheidungen getroffen und andererseits die ostdeutschen Trainer nicht zu Opfern verbandsinterner Prioritätensetzungen werden?
Herr Kollege Krüger, die Antwort lautet wie folgt: Die Bundesmittel für die Finanzierung von Trainern aus und in den neuen Bundesländern werden den Spitzenverbänden ab 1996 nicht mehr wie bislang gesondert, sondern zusammen mit den Trainermitteln für die hauptberuflichen Bundestrainer West zugewiesen. Sie laufen also nicht aus.
Der Bundesminister des Innern hat dies zuletzt in der Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages am 17. April 1996 erklärt. Diese Praxis fördert die Autonomie des Sports, weil die Spitzenverbände die Trainermittel damit so verwenden können, daß die jeweils am besten qualifizierten Trainer
dort eingesetzt werden, wo und wie dies für die Athletinnen und Athleten am zweckmäßigsten ist.
Der Wegfall der gesonderten Mittelzuweisung für die ostdeutschen Trainer, seinerzeit notwendig zur Weiterführung der trainerischen Betreuung der Athletinnen und Athleten in den leistungssportlichen Zentren der ehemaligen DDR, entspricht jetzt, sechs Jahre nach der Vereinigung des deutschen Sports, auch den Vorstellungen des Bereichs Leistungssport des Deutschen Sportbundes. Der Bundesminister des Innern wirkt mit der Einschaltung des Bereichs Leistungssport des Deutschen Sportbundes bei der Vergabe der Trainermittel darauf hin, daß der Trainereinsatz durch die Verbände nach sportfachlichen Gesichtspunkten und Notwendigkeiten erfolgt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Gefahr, daß auf Grund der nach wie vor anhaltenden innerverbandlichen Auseinandersetzungen wichtige Kapazitäten im Trainerbereich der ehemaligen DDR dem deutschen Sport möglicherweise verlorengehen? Ich frage dieses auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Jahre, daß eine Vielzahl von Trainern mittlerweile in anderen europäischen Ländern tätig ist. Sie wissen ja, daß bei den letzten internationalen Rudermeisterschaften 90 Prozent aller Medaillengewinner von Trainern der ehemaligen DDR betreut worden sind, nur nicht in Deutschland.
Herr Kollege Krüger, diese Gefahr sehe ich nicht. Im übrigen habe ich schon darauf hingewiesen, daß wir in Zusammenarbeit mit dem Bereich Leistungssport des Deutschen Sportbundes noch einen gewissen Einfluß ausüben können. Im übrigen wundert es mich nicht, daß solche Trainer europaweit tätig sind, denn die Zahl war in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer nicht zu halten.
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben in einem Nebensatz gesagt, daß Sie über die Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuß Leistungssport Einflußnahmemöglichkeiten realisieren wollen. Können sich denn bei entsprechenden Problemfällen betroffene Personen oder Verbände an Ihr Ministerium bzw. an den Bundesausschuß Leistungssport wenden, wenn es solche Querelen gibt? Einige Fälle sind ja mittlerweile halböffentlich bekannt.
Herr Kollege Krüger, in solchen Fällen vermittelnd tätig zu sein ist für das Ministerium nichts Neues. Daran halten wir auch in Zukunft fest.
({0})
Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Krüger auf:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, daß Vertragsverlängerungen speziell mit ostdeutschen Trainern bereits ausgeschlossen werden, und wie beurteilt sie Vorhaben - wie z. B. das der Deutschen Eislaufunion -, die darauf gerichtet sind, durch die Hinzuziehung ausländischer Trainer gezielt Sportlertalente anzuwerben, denen erst noch die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen wäre, und damit die Frage aufwerfen, an welchem Platz in der verbandsinternen Reihenfolge der Prioritäten die Förderung des eigenen Nachwuchses steht?
Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, daß Vertragsverlängerungen speziell mit ostdeutschen Trainern bereits ausgeschlossen werden. Ebensowenig sind ihr Vorhaben von Verbänden bekannt, die darauf gerichtet sein sollen, durch die Hinzuziehung ausländischer Trainer gezielt Sporttalente anzuwerben, denen erst noch die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen wäre.
Die Nachwuchsförderung besitzt, wie in dem erst jüngst von allen Verbänden verabschiedeten Förderkonzept 2000 des Deutschen Sportbundes manifestiert, eine sehr hohe Priorität. Die Förderung des eigenen Nachwuchses liegt in der Verantwortung der auch insoweit autonomen Verbände.
Die Deutsche Eislaufunion habe ich um eine Stellungnahme gebeten. Von der Antwort werde ich Sie baldmöglichst unterrichten.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, meine Zusatzfrage bezieht sich auf die in Deutschland tätigen ausländischen Sportler, die sehr schnell eingebürgert werden. Das bezieht sich vorrangig auf Spitzensportler.
Meinen Sie, daß hier nicht mit zweierlei Maß gemessen wird? Wie wird denn vor dem Hintergrund schneller Einbürgerungen von Spitzensportlern in der Zukunft mit Sportlern und ihren Familien umgegangen, die beispielsweise drei bis vier Jahre hier leben, gut deutsch sprechen können und sich integrieren wollen, wenn diese Sportler eben nicht Spitzenergebnisse erzielen, sondern in der zweiten Liga spielen oder möglicherweise bei deutschen Meisterschaften nicht den Endlauf erreichen? Beabsichtigt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund gegebenenfalls die Zuwanderungsregelung zu modifizieren?
Herr Kollege Krüger, zunächst einmal handelt es sich wirklich nur um einzelne Fälle, in denen auch nach den Kriterien des Einzelfalls entschieden wird. Wir haben uns gerade in den. letzten Monaten mit dem Deutschen Sportbund noch einmal zusammengesetzt, um die „Richtlinien" hierfür zu überarbeiten. Danach ist vorgesehen, daß künftig von dieser Möglichkeit wirklich nur auf sehr wenige Fälle beschränkt Gebrauch gemacht werden soll.
Der von Ihnen angesprochene Fall scheint mir übrigens so gelagert zu sein, daß er in diese Kategorie nicht eingeordnet werden kann. Sie sagen, es handle sich um jemanden, der in der zweiten Liga usw. tätig sei. Ob dieser Fall unter die überarbeiteten Richtlinien subsumiert werden könnte, kann ich ohne die entsprechenden Unterlagen nicht sagen.
Voraussetzung ist in jedem Fall, daß der beteiligte Verband die Eigenschaft Spitzensportler - damit handelt es sich, wenn Sie so wollen, um einen einmaligen Fall - und die Tatsache einer einmaligen Chance für den deutschen Sport bestätigt. Das dürfte nach den getroffenen Absprachen in Fällen, so wie Sie sie jetzt geschildert haben, schwierig sein.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, das von mir angesprochene Beispiel hinsichtlich der Eislaufunion macht ja auf ein Strukturproblem aufmerksam. Wenn man ausländische Kapazitäten als Trainer für den Spitzensport gewinnt, besteht dann nicht bei ausschließlichem Blick auf schnell erzielte Medaillen bei internationalen Meisterschaften oder Olympiaden die Gefahr, daß der seit längerer Zeit realisierte Nachwuchssport und die Nachwuchsförderung - wenn sich ein solches Beispiel tatsächlich als richtig herausstellen sollte - vernachlässigt werden?
Herr Kollege Krüger, ich kann die gestellte Frage eigentlich nicht seriös beantworten. Man müßte sich den Fall im einzelnen ansehen und den Rat von Experten dazu hören.
Seien Sie aber versichert, daß solche Fälle im engsten Einvernehmen und nach ausführlicher Beratung mit sportlichen Fachleuten, die einen Überblick haben, und auch gerade im Hinblick auf die betroffene Sportart entschieden werden. Ich glaube, nach der mir bekannten Praxis ausschließen zu können, daß sportfachliche Fehler begangen werden.
Die Frage 40 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Manfred Such auf:
Inwieweit trifft die kürzlich geäußerte Kritik des nordrhein-westfälischen Innenministers am Einsatzverhalten des Bundesgrenzschutzes bei den Kurdendemonstrationen Mitte März zu, wonach der BGS an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden in zu geringer Zahl eingesetzt gewesen sei, keine Absprachen mit der Landespolizei getroffen habe, diese zu spät von der Ankunft der Busse mit PKK-Anhängern an den Grenzübergängen Elten und Aachen informiert habe und mehrfache angeblich aggressionsfördernde Hubschrauberüberflüge über Demonstranten in Aachen erst auf wiederholte eindringliche Bitte der Polizei eingestellt habe ({0}), und welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem damaligen Einsatzablauf, etwa hinsichtlich notwendiger Verbesserungen eines frühzeitigen Informationsaustausches mit den Polizeien der Bundesländer sowie der Nachbarstaaten?
Eduard Lintner, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Such, die Antwort lautet: Der ursprüngliche Kräfteansatz des BGS richtete sich nach den vorliegenden Lageerkenntnissen, während Ihre Frage natürlich von dem Ex-post-Informationsstand ausgeht.
Der BGS erhielt erst in den späten Abendstunden am Freitag, dem 15. März 1996, eine Information über mögliche Anreisebewegungen aus Belgien und den Niederlanden. Daraufhin wurden unverzüglich weitere Kräfte in den Binnengrenzraum verlegt.
Der Vorwurf, es seien keine Abstimmungen erfolgt, ist nicht haltbar. Neben der Übersendung der Einsatzbefehle und telefonischer Absprachen mit den Polizeibehörden sind die Einsatzkonzeption und die Einsatzmaßnahmen mit dem Land Nordrhein-Westfalen einvernehmlich abgestimmt worden.
Eine Information der örtlichen Landespolizei über die Ankunft der Busse an den Grenzübergängen El-ten und Aachen konnte erst mit Eintreffen der Demonstranten an den Grenzübergängen erfolgen, weil die geballte Anreise der Busse aus Belgien und den Niederlanden auf Grund unterschiedlicher Zahlenangaben, der nicht bekannten Reisewege und der nicht bekannten Grenzübertrittsstellen so nicht erwartet wurde.
Am Grenzübergang Aachen-Lichtenbusch wurden keine, wie Sie es formuliert haben, aggressionsfördernden Hubschrauberflüge durchgeführt. In unmittelbarer Nähe des Einsatzortes wurden lediglich nach einem Landeanflug Verstärkungskräfte des BGS abgesetzt. Damit wurde das Ziel verfolgt, die Kräfte angesichts der Lageentwicklung schnellstmöglich an den Einsatzort heranzuführen. Im übrigen wurde einer Bitte der Landespolizei, weiter entfernt zu landen, seitens des BGS entsprochen.
Im Nachgang zu den Einsatzabläufen wurde den Ländern zwischenzeitlich das Einsatzkonzept des Bundesgrenzschutzes im Binnengrenzraum insbesondere mit Blick auf die Bewältigung von Demonstrationslagen übersandt. Ziel ist, künftig eine größtmögliche Kooperation auf polizeilichem Gebiet zu erreichen. Im Hinblick auf eine noch engere Kooperation mit den Nachbarstaaten wird derzeit der Austausch grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter forciert betrieben.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie die Kritik des nordrhein-westfälischen Innenministers als unbegründet zurückweisen, der sagte, daß eine Abstimmung zwischen den Länderpolizeien und dem Bundesgrenzschutz nicht geklappt habe, und würden Sie auch seine weitere Kritik zurückweisen, in der er sagte - ich zitiere -: „Hier gab es deutliche Defizite, die letztlich dazu geführt haben, daß nordrhein-westfälische
Kräfte zum Teil ohne hinreichende Vorbereitung und Ausstattung den BGS massiv unterstützen mußten?" Steht das damit im Einklang, daß eigentlich der BGS die Länderpolizeien bei solchen Einsätzen unterstützen sollte?
Herr Kollege, die Kritik, so wie Sie hier vorgebracht worden ist, würde ich zurückweisen.
Wir sind aber gleich nach Ablauf dieser Vorfälle übereingekommen, daß wir - sowohl das Land als auch der Bund, also der BGS - die Dinge noch einmal aufbereiten, um dann darüber sprechen zu können, ob künftig im Einzelfall, bezogen auf spezielle Situationen, Verbesserungen bei der Kooperation und der gegenseitigen Informationsübermittlung erreicht werden können.
Insbesondere den Hinweis, daß keine ausreichende Unterstützung stattgefunden habe, halte ich für völlig neben der Sache liegend. Immerhin sind dem Land Nordrhein-Westfalen ganz erhebliche Kräfte des BGS zur Verfügung gestellt worden; im Endeffekt waren es insgesamt über 500 Beamte. Auch der BGS selbst hatte im Rahmen seiner originären Aufgaben - Grenzsicherung und Bahnpolizei - über 700 Beamte im Einsatz. Sie ersehen schon aus der Zahl, die ich hier genannt habe, daß solche Vorwürfe, wie sie gemacht worden sind, jeder Grundlage entbehren.
Zweite Zusatzfrage.
Sie sagen, daß der Bundesgrenzschutz die Länderpolizeien immer ausreichend unterstützt. Wie werten Sie dann im Hinblick auf die Vorbereitung und den Ablauf eines Einsatzes die Tatsache, daß nach Erkenntnissen und Erfahrungen der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen der BGS regelmäßig nur eine Abteilung, das heißt drei Einsatzhundertschaften zur Verfügung stellt und nicht mehr? Die Zahl müßte doch von Fall zu Fall variieren.
Die Zahl der Einsatzkräfte, die zur Verfügung gestellt worden sind, war mit Nordrhein-Westfalen abgesprochen. Von dort sind erst im Laufe des Samstags, als sich Entwicklungen ergeben haben, die dies haben erforderlich scheinen lassen, zusätzliche Kräfte vom BGS angefordert worden. Daß weitere Kräfte vom Land Nordrhein-Westfalen gewünscht worden sind, ist mir nicht bekannt. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß der BGS auch nur beschränkte Kapazitäten hat. Das heißt: Die Länder müssen im wesentlichen alleine mit entsprechenden Lagen zurechtkommen und können sich nicht nur auf den BGS als Einsatzreserve für solche Situtionen verlassen.
Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Ute Vogt auf:
Trifft es zu, daß Absprachen über denkbare Lageentwicklung, Unterstützungsbedarf, Einsatzkonzeption, Führung bzw. Zusammenarbeit anläßlich der PKK-Veranstaltung am 16. März 1996 vor Ort nicht stattgefunden haben?
Frau Kollegin Vogt, die Antwort lautet: Das, was in der Frage angesprochen ist, trifft nicht zu. Solche Absprachen haben stattgefunden, zum Beispiel mit dem nordrhein-westfälischen Innenministerium. Auf örtlicher Ebene wurden neben der Übersendung der Einsatzbefehle die Einsatzkonzeption und Einsatzmaßnahmen noch am Freitag, dem 15. März 1996, telefonisch abgestimmt. Zudem befand sich am 14. März und am 16. März ein eigener Verbindungsbeamter des Grenzschutzpräsidiums West beim Polizeipräsidenten Dortmund. Auch zwischen dem zuständigen Oberkreisdirektor von Kleve - also der Kreispolizeibehörde - und dem Grenzschutzamt in Kleve bestand Kontakt.
Zusatzfrage.
Nach Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Such bezüglich der Grenzüberschreitung und der Information der Polizeibehörden, die nach Ihrer Auskunft erst möglich gewesen ist, nachdem die Busse die Grenze passiert hatten, möchte ich wissen, wie sich die Bundesregierung erklärt, daß die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden über die Ankunft der Busse erst dann informiert worden sind, als die einzelnen PKK-Anhänger sich schon zu Fuß auf der Autobahn befunden haben.
Frau Kollegin, es war sogar so, daß nach den Informationen, die uns zugegangen waren - auch auf Grund unserer Verbindungen zu den ausländischen Polizeien -, nur mit etwa fünf Bussen gerechnet werden mußte. Den Hinweis darauf, daß insgesamt mit 500 bis 1 000 aus den Niederlanden kommenden Demonstranten zu rechnen sei, haben wir vom Polizeipräsidium Dortmund erhalten. Woher diese Information letztlich stammt, weiß ich nicht. Aber Sie sehen: Der Informationsfluß war in der Tat genau umgekehrt.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Vogt? - Nein. Dann Herr Kollege Kemper, bitte.
Herr Staatssekretär, ich beziehe mich auf Ihre Aussage, nach der eine Abstimmung im Vorfeld stattgefunden haben soll. Ich darf Ihnen aus dem Lagebericht des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen kurz vorlesen und Sie bitten, zu beurteilen, ob diese Aussage falsch ist.
Es heißt dort wörtlich:
Das BMI hatte die Grenzschutzpräsidien beauftragt, die angeordneten Maßnahmen der Grenzüberwachung mit den zuständigen Landespolizeibehörden abzustimmen. Eine Abstimmung ist jedoch nicht erfolgt; die nordrhein-westfälischen Behörden wurden lediglich durch Übermittlung eines Einsatzbefehls ({0}) darüber informiert, daß der BGS Maßnahmen zur Verhinderung der Einreise trifft.
Das ist ganz offenbar falsch. Zutreffend ist, daß beispielsweise ein Telefonkontakt mit einem führenden Beamten des nordrhein-westfälischen Innenministeriums stattgefunden hat, bei dem diese Dinge noch einmal abgesprochen worden sind. Außerdem hat am 14. März unser Verbindungsbeamter vor Ort die Lage mit der Polizei erörtert. Zudem ist das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen laufend nachrichtlich über das, was an Einsatzbefehlen und dergleichen ergangen ist, unterrichtet worden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hirsch.
Herr Staatssekretär, es wäre doch zur weiteren Aufhellung des Sachverhaltes sehr sinnvoll, wenn Sie nicht nur sagen würden, es habe ein Telefongespräch zwischen irgendwelchen führenden Beamten stattgefunden, sondern wenn Sie uns sagen würden, wer in welcher Funktion mit wem in welcher Funktion diese Abstimmung vorgenommen hat, die der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen bestreitet.
Herr Kollege Hirsch, am 15. März hat der Abteilungsleiter I des Grenzschutzpräsidiums West mit dem verantwortlichen Einsatzleiter im Innenministerium Nordrhein-Westfalen, Herrn Glietsch, die vorgesehene Einsatzkonzeption und den Kräfterahmen des BGS besprochen. Herr Glietsch hat dabei keine Einwände erhoben. Er hat es vielmehr - so weist es jedenfalls der Bericht an mich aus - zustimmend zur Kenntnis genommen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Graf.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie einmal ganz simpel fragen: Wie hat sich das denn in der Vergangenheit vor dem Hintergrund gewalttätiger Kurdendemonstrationen in Deutschland abgespielt? Es war ja zu einer Demonstration nach Dortmund aufgerufen worden, die verboten war.
Ich frage: Ist es üblich, daß es im Vorfeld solcher Veranstaltungen keine enge, zeitgerechte Kooperation zwischen den Behörden gibt, wobei der BGS für den grenzpolizeilichen Bereich und das Land Nordrhein-Westfalen für die eigentliche Veranstaltung in Dortmund polizeilich zuständig ist? Ist es ferner üblich, daß man dann, wenn die Lage nicht klar zu erkennen ist und man nicht weiß, wo sich was bewegt, nicht entsprechend starke Reserven an Kräften bildet? Nur wenn letzteres geschieht, könnte man entsprechend reagieren. Dies ist ja offensichtlich nicht der Fall gewesen.
Herr Graf, im Gegensatz zu dem Eindruck, den Sie haben, war das tatsächlich der Fall. Ich lese Ihnen noch einmal die Chronologie vor: Am 14. März, also zwei Tage vor dem angekündigten Geschehen, Erlaß an die GS-Präsidien - nachrichtlich an das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen - zum Einsatz am 16. März; am 14. März übersendet Grenzschutzpräsidium West seinen Einsatzbefehl unter anderem auch dem Land Nordrhein-Westfalen, zusätzlich dem LKA und dem Polizeipräsidium Dortmund, und entsendet einen Verbindungsbeamten zum Polizeipräsidenten Dortmund - dort war ja nun der Schwerpunkt des Geschehens zu erwarten - zur Vorbesprechung des Einsatzes am 16. März; am 15. März dann Gespräch des Abteilungsleiters - dazu habe ich eben schon in der Antwort auf die Frage des Kollegen Hirsch etwas ausgeführt.
Ich rufe die Frage 43 der Kollegin Ute Vogt auf:
Stimmt die Bundesregierung mit der Feststellung überein, daß es ein unhaltbarer Zustand wäre, wenn die Bundesgrenzschutzstellen nicht rechtzeitig über die anreisenden PKK-Anhänger informiert waren, wodurch es zu deutlichen Defiziten in der Zusammenarbeit mit den niederländischen und belgischen Behörden kam?
Frau Kollegin, allgemein ist zu bemerken, daß die Bewältigung polizeilicher Lagen von der aktuellen Erkenntnisgewinnung abhängt. Die Einsatzmaßnahmen sind auf der Grundlage des jeweiligen Lagebildes zu treffen und diesem gegebenenfalls anzupassen. Auch die Zusammenarbeit mit den niederländischen und den belgischen Behörden ist entgegen Ihrer Vermutung gut. Es ist zu berücksichtigen, daß die Behörden der Nachbarstaaten allerdings auch nur im Rahmen der ihnen vorliegenden Erkenntnisse informieren können.
Zusatzfrage?
Welche Aufklärungsmaßnahmen wurden denn von seiten des Bundesgrenzschutzes konkret im Vorfeld des Einsatzes durchgeführt, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den belgischen und den niederländischen Behörden? Ich denke konkret an eine Absprache im Vorfeld des Einsatzes.
Wir haben im Vorfeld die jeweiligen Ansprechpartner nach den Erkenntnissen, die
dort vorlagen, gefragt. Wir haben ja in der Tat auch Hinweise darauf bekommen, daß beispielsweise rund 40 Busse aus Frankreich zur Demonstration nach Dortmund geschickt werden sollten. Daraufhin hat unser Grenzschutz entsprechend reagiert und das Schwergewicht seiner Einsatzkräfte am Grenzübergang bei Aachen stationiert. Es ist im übrigen ebenfalls gelungen, zusammen mit der französischen Polizei dafür zu sorgen, daß etliche Busse aus Paris gar nicht abfahren durften und weitere drei Busse, die aus Frankreich nach Dortmund fahren wollten, an der französisch-luxemburgischen Grenze angehalten worden sind.
Die Zusammenarbeit hat durchaus geklappt. Das einzige, was wir nicht wissen konnten und was offenbar auch die niederländischen Behörden nicht wußten, war die Tatsache, daß aus den Niederlanden 500 bis 1 000 Demonstranten zu erwarten waren. Die Meldungen besagten, daß es sich nur um wenige Busse handeln würde.
Zusatzfrage?
Gab es denn in bezug auf die aktive Aufklärungsarbeit im Vorfeld des Einsatzes nicht nur eine Abfrage bei den niederländischen und den belgischen Behörden, sondern zum Beispiel auch in Zusammenarbeit mit anderen Ländern durchgeführte eigene Ermittlungen darüber, was bevorstehen könnte?
Soweit das möglich ist, soweit wir beispielsweise Verbindungsbeamte stationiert haben, tun wir das natürlich. Aber Sie wissen, daß deutsche Polizeikräfte nicht in anderen Ländern hoheitlich zu Aufklärungszwecken tätig sein können. Im übrigen verhält es sich so, daß wir dann, als die Buskennzeichen aus Frankreich bekannt waren, eine internationale Fahndung nach diesen Bussen eingeleitet haben. Sie sehen: Im Vorfeld war die Arbeit zwischen den einzelnen Ländern doch recht intensiv und dem, was da angekündigt wurde und sich andeutete, durchaus angemessen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kemper.
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß auf Grund von Informations- und Personaldefiziten am Grenzübergang Emmerich/Elten niederländische Kurden nicht am illegalen Grenzübertritt gehindert werden konnten, daß sie sich auf das Gebiet der Bundesrepublik begeben konnten, dort Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte verletzten, ihnen die Pistolen wegnahmen, die Schilde wegnahmen und sich dann ungehindert auf das niederländische Gebiet zurückziehen konnten?
Herr Kollege Kemper, zunächst einmal darf ich daran erinnern, daß ich Ihnen gesagt habe: Nach den vorliegenden Informationen war zu
erwarten, daß sich vor allem aus Frankreich in Richtung Grenzübergang bei Aachen eine größere Anzahl von Kurden per Bus bewegen würde. Deshalb war der Schwerpunkt der vorgehaltenen Kräfte des BGS dort. Als sich dann in Elten gezeigt hat, daß entgegen der Information durch die Niederlande mit sehr viel mehr Kurden und Demonstrationsteilnehmern zu rechnen war, hat der BGS sofort begonnen, dort die Kräfte zu verstärken, einerseits aus dem Rückraum und andererseits durch Verlagerung an die Binnengrenze.
Das zweite, was ich bemerken will: Das Konzept lautete nie so, daß unbedingt versucht werden sollte, Demonstranten, die selbst zu Fuß die Grenze überschreiten wollten, mit allen Mitteln an der Grenze festzuhalten. Das Einsatzkonzept war, zumindest die Busse dort anzuhalten und die Demonstranten, wenn sie versuchen sollten, per Fuß in die Bundesrepublik, sprich: in Richtung Dortmund, zu marschieren, möglicherweise erst langsam abzubremsen, um sie mit den nachgeführten Bussen wieder zurückzuschikken.
Was die Besatzung von vier nordrhein-westfälischen Streifenwagen angeht, so ist dieser Vorfall wohl dadurch zu erklären, daß der Oberkreisdirektor Kleve, nachdem die Kurden die Busse verlassen hatten und auf der Autobahn zu Fuß weitermarschiert sind, diesen Vorgang als sogenannte Spontandemonstration eingestuft und nordrhein-westfälische Streifenpolizisten veranlaßt hat, diese Spontandemonstration zu begleiten. Das scheint dann aber von den Kurden mißverstanden worden zu sein. Die haben offenbar den Eindruck gehabt, daß diese Streifenbeamten sie aufhalten wollten, und da kam es dann erstmals zu Gewalttätigkeiten.
Wenn Sie mir jetzt eine Wertung erlauben, würde ich sagen: Wenn dieser Marsch nicht fälschlicherweise juristisch so eingestuft worden wäre und damit Streifenwagenpolizisten ohne die notwendige Ausrüstung nicht in diese Situation gebracht worden wären, wäre es möglicherweise gar nicht zu Ausschreitungen gekommen; denn der Beginn der Ausschreitung liegt in diesem Vorfall.
Zusatzfrage, Herr Kollege Graf.
Herr Staatssekretär, Ich schließe noch einmal an meine vorherige Frage an: Wie waren die Führungsverantwortlichkeiten geregelt, davon ausgehend, daß es um zwei verschiedene Einsatzlagen ging, einmal um den grenzpolizeilichen Bereich als Aufgabe des Bundesgrenzschutzes und zum anderen um den Einsatz der Landespolizei, die verbotene Demonstration in Dortmund zu beenden? Wie waren die Führungsverhältnisse und die Unterstellungsverhältnisse zwischen den beiden genannten Bereichen geregelt?
Zunächst einmal war es so, daß beim Grenzübergang in Elten ein BGS-Vollzugsbeamter anwesend war, der Zugführerqualität hatte. Es
sind dann aber dauernd Kräfte nachgeführt worden, so daß in der Tat vorübergehend eine adäquate Polizeiführung auf seiten der BGS-Kräfte nicht vorhanden war. Die konnte nachträglich erst gegen 14 Uhr hinzugeführt werden.
Allerdings war ein Leitender Kriminaldirektor der nordrhein-westfälischen Polizei vor Ort, der gebeten worden ist, die Führung zu übernehmen, was er nach einer Polizeidienstvorschrift aus dem Jahre 1975 hätte tun müssen. Er hat es aber abgelehnt, und später hat er die Führung auf Weisung seiner vorgesetzten Behörde doch übernommen. Gegen 15 Uhr ist ihm die Einsatzleitung übertragen worden.
Hätte also, muß ich sagen, der vorhandene leitende Polizeiführer der nordrhein-westfälischen Landespolizei so wie vereinbart seine Zuständigkeit akzeptiert, dann wäre die Lücke nicht entstanden. Beim BGS ist die Situation deshalb entstanden, weil nicht erwartet worden war, daß sich in Elten ein solcher Schwerpunkt ergeben würde. Es mußten dann ständig Kräfte nachgeführt werden, und deshalb hat es bis 14 Uhr gedauert, bis ein adäquat ausgebildeter Polizeiführer vor Ort war.
Zusatzfrage, Herr Kollege Such.
Herr Staatssekretär, ich möchte auf die Spontandemonstration in Lichtenbusch zurückkommen. Welches Einsatzkonzept lag eigentlich zugrunde? An der Grenze nach Aachen wurden 30 Busse gezählt, die aus Frankreich kamen. Trotz Grenzkontrollen des BGS konnten 13 Busse die Grenze passieren. Von den Bussen, die an der Grenze festgehalten wurden, marschierten 700 Demonstrantinnen und Demonstranten über die Autobahn und wurden dabei vom BGS begleitet. Das ist nach meiner Ansicht ein sehr seltsames Einsatzkonzept und läßt Schlüsse darauf zu - würden Sie mir da widersprechen? -, daß es in der Grenzkontrolle des Bundesgrenzschutzes Lükken gegeben hat; denn 13 Busse konnten durch die Grenzkontrolle schlüpfen.
Herr Kollege Such, soviel ich weiß, sind sie nicht durch die Grenzkontrolle geschlüpft, sondern durchgelassen worden, um die Demonstranten, die zu Fuß gingen, wieder aufzunehmen und zurückzubringen. Das entsprach genau dem Einsatzkonzept.
Im übrigen wundert mich Ihre kritische Frage etwas;
({0})
denn Sie plädieren immer dafür und drängen uns dazu, nicht gleich mit aller Gewalt zuzufassen, sondern eine Art sanfte Strategie anzuwenden. Aber was kann sanfter sein, als daß die Leute die Busse verlassen, also die Transportmittel zurücklassen müssen, ansonsten aber nur mit sanfter Gewalt am Eindringen gehindert werden? Die Sache verläuft sich, weil der Weg von Aachen nach Dortmund bekannterweise zu weit ist, um ihn zu Fuß zurücklegen zu können. Auf die Art und Weise haben wir die Vorgänge in Aachen ohne große Komplikationen in den Griff bekommen und im Griff behalten.
Ich rufe die Frage 44 des Kollegen Hans-Peter Kemper auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die in der „Welt" vom 7. Mai 1996 gemeldete Tatsache, daß während der gesamten Einsatzzeit keine klaren Führungsverhältnisse bei der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgrenzschutz und der Länderpolizei an den Einsatzorten an der deutsch-niederländischen Grenze anläßlich der PKK-Veranstaltung am 16. Mai 1996 geherrscht haben, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bei künftigen Einsätzen eine einheitliche Führung zu gewährleisten?
Herr Kollege Kemper, die Frage wird wie folgt beantwortet: Es kann nicht generell davon gesprochen werden, daß an den Einsatzorten an der deutsch-niederländischen Grenze keine klaren Führungsverhältnisse gegeben waren. Bezogen auf Elten dauerte die Kräftezuführung des BGS mehrere Stunden, da wegen der Bindung der Kräfte in Aachen-Lichtenbusch Teile der im Binnengrenzeinsatz befindlichen Einheiten verschoben sowie weitere Zusatzkräfte aus anderen Grenzschutzpräsidien herangeführt werden mußten.
Das erstmals an der Grenze in dieser Art aufgetretene militante Verhalten der Kurden und der schrittweise Kräfteaufwuchs stellten dabei hohe Anforderungen an die Polizeikräfte. Es trifft zu, daß am 16. März bis 14 Uhr infolge dieser Kräfteverlagerung beim BGS in Elten kein adäquater Führungsbeamter des BGS eingesetzt war. Ein anwesender leitender Beamter des höheren Dienstes der Landespolizei hat die Übernahme der Führung leider abgelehnt, obwohl er nach der gemeinsamen Dienstvorschrift des Bundes und der Länder, PDV 100, als ranghöchster anwesender Polizeibeamter die Führung hätte übernehmen müssen. Diese Einsatzabläufe - das habe ich schon vorhin angemerkt - werden im übrigen intensiv nachbereitet, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Zusatzfrage?
Ich denke, eine Zusatzfrage ist erforderlich, um diese Geschichte richtig nachzubereiten. Ich hatte schon an der Stelle, als Sie Herrn Graf geantwortet haben, eine Zusatzfrage vorbereitet.
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, daß nach § 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes eine originäre Aufgabe des BGS ist. Von daher hätte eine Führungsperson in Elten vor Ort sein müssen. Das sage ich nur als Vorbemerkung.
Gestatten Sie mir, daß ich aus dem Lagebericht zitiere; denn der steht Ihrer Aussage -
Herr Kollege Kemper, es steht in der Anlage zur Geschäftsordnung: Fragen sollen sehr kurz und präzise sein.
Das ist sehr kurz und präzise.
Die Fragen sollen kurz und präzise sein, nicht die Zitate aus irgendwelchen Berichten.
Ich frage Sie, Herr Staatssekretär: Wie kann es passieren, daß sich Führungskräfte des Bundesgrenzschutzes während des Einsatzes wie unterstellte Kräfte verhielten, eine formelle Unterstellung unter die Länderhoheit jedoch ebenso ablehnten wie die Übernahme der Führungsverantwortung und die angebotene Unterstellung der Länderpolizeien? Exakt das geht aus dem Lagebericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums hervor. Danach hat das Innenministerium angeboten, a) die Führungsverantwortung zu übernehmen, b) auch 'die nordrhein-westfälischen Kräfte der Führung des BGS zu unterstellen. Beides ist abgelehnt worden.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-) minister des Innern: Herr Kollege Kemper, ich bleibe exakt bei der gegebenen Auskunft: Der anwesende höhere Polizeibeamte der Landespolizei Nordrhein-Westfalen hat es abgelehnt, entsprechend der gegebenen Vorschrift die Führung zu übernehmen. Später hat er die Führung dann auf Weisung des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen übernommen, und zwar so gegen 15 Uhr, nachdem inzwischen übrigens ein entsprechender Führungsbeamter des BGS anwesend war.
Die Darstellung, die hier gegeben wurde, kann mit den Tatsachen also nicht in Einklang gebracht werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fragestunde ist jetzt abgelaufen; sie ist sogar schon überschritten. Alle weiteren mündlich zu beantwortenden Fragen aus diesem Geschäftsbereich, nämlich die Fragen 45, 46 und 47, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das gilt auch für die weiteren Fragen, soweit schriftliche Beantwortung erbeten worden ist und die Fragen nicht zurückgezogen worden sind. Die Fragen 54 ({0}), 55 ({1}), 58 ({2}), 61 ({3}) 62 ({4}) und 63 ({5}) wurden von den Fragestellern zurückgezogen.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 23. Mai, 9 Uhr ein.
Ich weise darauf hin, daß um 16 Uhr der südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela eine Ansprache vor den Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Bundesrates hier im Plenum halten wird. Die Einladung dazu ist Ihnen bereits zugegangen.
Die Sitzung ist geschlossen.