Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst habe ich das Vergnügen, dem Kollegen Dr. Jürgen Warnke, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, die herzlichsten Glückwünsche des Hauses zu übermitteln.
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Da er nicht da ist, bitte ich, dem Kollegen Warnke das zu übermitteln.
Wir haben nunmehr die Aufgabe, die Mitglieder für den Beirat beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Reublik zu wählen. Der Bundestag bestimmt sieben Mitglieder dieses Beirats. Hierzu liegen uns insgesamt acht Wahlvorschläge vor, und zwar der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. sowie der Gruppe PDS/Linke Liste.
Die Gruppe PDS/Linke Liste schlägt Herrn Walter Janka vor. Ich lasse zunächst über diesen Wahlvorschlag abstimmen. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Dann ist dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der Gruppe PDS/ Linke Liste abgelehnt worden.
Nunmehr schlägt die Fraktion der CDU/CSU die Abgeordneten Hartmut Büttner und Wolfgang Zeitlmann sowie Herrn Jürgen Fuchs vor, die Fraktion der SPD den Abgeordneten Schwanitz, Herrn Professor Richard Schröder und Frau Ulrike Poppe, und die Fraktion der F.D.P. schlägt den Abgeordneten Jürgen Schmieder vor.
Ich gehe davon aus, daß wir über diese Wahlvorschläge gemeinsam abstimmen können. Gibt es dagegen Einwendungen von den Fraktionen? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich das als beschlossen feststellen. Wer stimmt also für diese Wahlvorschläge? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit sind die sieben vom Deutschen Bundestag zu bestimmenden Mitglieder des Beirats beim Bundesbeauftragten bei Enthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste gewählt.
Dann darf ich Punkt 11 der Tagesordnung aufrufen:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
- Drucksache 12/988 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1})
- Drucksache 12/2288 Berichterstattung:
Abgeordnete Martin Grüner Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup Dr. Norbert Wieczorek
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b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank ({3})
- Drucksache 12/1869 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({4})
- Drucksache 12/2288 Berichterstattung:
Abgeordnete Martin Grüner Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup Dr. Norbert Wieczorek
({5})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Einwendungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dies so beschlossen, und wir können die Debatte eröffnen.
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup das Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Änderungsgesetz der Bundesregierung zum
Bundesbankgesetz wird das deutsche Zentralbanksystem neu organisiert - leistungsfähiger,
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konzentrierter und kostengünstiger. Auf Grund des Einigungsvertrages von 1990 wird das Bundesbankgesetz an die neuen staatlichen Gegebenheiten angepaßt. An die Stelle der bisherigen elf Landeszentralbanken und der vorläufigen Verwaltungsstelle in Berlin für die neuen Bundesländer treten nun neun Landeszentralbanken für das gesamte Bundesgebiet.
Die Neuordnung der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank geht von neun wirtschaftlich annähernd gleich großen Bezirken aus. Sie fördert das Zusammenwachsen, weil sie bundesländerübergreifend alte und neue Bundesländer zu Landeszentralbanken zusammenführt. Es ist ein gutes Beispiel, um die „immer noch vorhandene unsichtbare Ost-WestGrenze" zu überwinden.
({1})
Der länderübergreifende Weg ist dezentral und föderativ. Er gliedert die neuen und die alten Bundesländer mit erfahrenen und kostengünstigen Verwaltungen schnell in das Zentralbanksystem ein. Dieser Weg setzt auf Kontinuität.
Schon heute arbeiten die Sparkassenorganisationen länderübergreifend zusammen - wie Berlin mit Brandenburg, Hessen mit Thüringen, Hamburg mit Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen mit Sachsen-Anhalt. Warum sollten die Landeszentralbanken nicht auch so, wie es jetzt vorgeschlagen wird, erfolgreich zusammenarbeiten?
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Wichtig ist, daß das gegenwärtige Provisorium mit der vorläufigen Verwaltungsstelle Berlin für die neuen Bundesländer beendet wird. Es ist nicht zu verantworten, dieses Provisorium zu belassen
({3})
und die Änderung der Bundesbankstruktur bis zur Schaffung des Europäischen Zentralbanksystems zurückzustellen, wie es die Kritiker fordern. Die neuen Bundesländer haben einen Anspruch auf direkte Teilhabe an der Geld- und Währungspolitik.
({4})
Die neue Organisationsstruktur geht von dem Grundsatz aus, daß die Geldpolitik eine zentralstaatliche Aufgabe ist.
({5})
Sie ist ausschließlich gesamtwirtschaftlichen Zielen verpflichtet und nicht regionalen Gegebenheiten unterworfen. Es geht um die Einheitlichkeit unserer Währung im größer gewordenen Deutschland. Eine Bundesbankstruktur mit 16 Landeszentralbanken, wie die Mehrheit des Bundesrates in ihrem Gesetzentwurf und die SPD-Opposition hier es gefordert haben, lehnen wir ab. Sie ist ungeeignet, effiziente Entscheidungsstrukturen im Zentralbankrat zu erreichen. Diese Lösung ist teuer; sie ist unwirtschaftlich.
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Meine Damen und Herren, eine Zentralbank mit 30 Mitgliedern kann nicht die Antwort sein, entschlossen und umfassend in kritischer Zeit die deutsche Währung zu sichern. Solch ein großes Gremium: Europapolitisch wäre es die falsche Weichenstellung. Deswegen lehnen wir diesen Strukturvorschlag ab.
Herr Kollege Wieczorek!
Oh, Entschuldigung, der Präsident war gefragt. Aber ich nehme an, Sie sind gern bereit, eine Frage zu beantworten.
Herr Kollege Meyer zu Bentrup, würden Sie mir zustimmen, daß der Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz, der von der damaligen CDU-Regierung eingebracht wurde, keineswegs 16 vorsieht, sondern bestenfalls ermöglicht, er aber davon ausgeht, daß freiwillige Zusammenschlüsse da sind?
Darf ich dann gleich eine zweite Frage anschließen, wenn Sie gestatten? - Wenn Sie der Ansicht sind, daß die 16 - wenn sie denn kämen; das ist ja gar nicht beabsichtigt - ({0})
- Langsam! Lassen Sie mich doch einmal meine Frage stellen, Herr Kollege Uldall! Wenn dies dann so wäre und dadurch der Zentralbankrat nicht arbeitsfähig wäre - ich erspare mir die Bemerkung über die Größe des Kabinetts; daraus kann man ja wirklich den Schluß ziehen, daß das so ist -,
({1})
wie können Sie dann gleichzeitig einer Europäischen Währungsunion zustimmen, in der möglicherweise auch zu diesem Zeitpunkt 16 Länder sein werden und nur 5 Mitglieder des Kuratoriums? Wie können Sie das denn, bitte, in Übereinstimmung mit dem bringen, was Sie hier gerade unter europapolitischen Gesichtspunkten gesagt haben?
Herr Kollege Wieczorek, wir haben uns besseren Erkenntnissen nie verschlossen. Auch Rheinland-Pfalz wird sich den besseren Erkenntnissen nicht verschließen. Wir stellen fest: Eine gestraffte Struktur auf dem Weg zu einer Europäischen Zentralbank ist der bessere Vorschlag, um jetzt für den Weg gerüstet zu sein. Deswegen sind wir für den Vorschlag, es in 9 Bezirken zu konzentrieren und nicht in 16. „Jedem Bundesland eine Zentralbank", höre ich, „sonst gäbe es Länder erster, zweiter und dritter Klasse."
({0})
Herr Kollege Wieczorek!
Sie wollen noch einmal nachfragen? - Bitte.
({0})
Herr Kollege Meyer zu Bentrup, Sie können es ablehnen, eine Frage zu beantworten. Das ist Ihr gutes Recht.
Ja, vielen Dank.
Es tut mir leid, Herr Abgeordneter; das ist sein gutes Recht. Er hat das abgelehnt.
({0})
Meine Damen und Herren, zu dieser relativ frühen Stunde so lebhaft, und das bei einem Bank-Thema, zu dem es normalerweise sehr vornehm zugehen würde - jedenfalls den Banken entsprechend! Ich möchte doch nachhaltig bitten, im Haus wieder Ruhe für den Redner herzustellen.
({1})
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
„Jedem Bundesland eine Landeszentralbank; sonst käme es zu Ländern erster, zweiter und dritter Klasse", haben wir gehört. Geht es den einzelnen Ministerpräsidenten wirklich um föderative oder regionale Sorgen? Geht es sogar um eine Geldpolitik in der Fläche? In der „Wirtschaftswoche" am 11. Oktober 1991 steht unter der Überschrift „Landeszentralbanken: Teurer Wasserkopf" zu lesen - ich zitiere -:
Mitte des Jahres 1991 hat Ministerpräsident Oskar Lafontaine dem abgehalfteren Saarbrükker Oberbürgermeister zu einem neuen Amt verholfen: Der in geld- und finanzpolitischen Dingen unbewanderte Kommunalpolitiker wurde zum Präsidenten der Landeszentralbank ... des Saarlandes ernannt. Als solcher sitzt er jetzt im Zentralbankrat, jenem Bundesbank-Gremium, das über Lombard- und Diskontzinssätze, über Wohl und Wehe der Deutschen Mark entscheidet.
So die „Wirtschaftswoche".
Das ist ein Trauerspiel. Wir können nicht zulassen, daß der Zentralbankrat der deutschen Bundesbank zu einem Gremium von Leuten „erster, zweiter und dritter Klasse" degradiert wird. Wir brauchen ein hervorragendes Bankgremium, um jetzt auf dem Weg nach Europa die deutschen Stabilitätsinteressen voll wahrnehmen zu können.
({0})
Der Bundesrat hat mit seiner Mehrheit letzte Woche wieder einen personalpolitischen Vorschlag gemacht. Das „Handelsblatt" vom 17. März gab seinem Artikel die Überschrift „Noch ein LZB-Pensionär" - wiederum ein Trauerspiel! Das ist eine Blamage für die Mehrheit der Länderkammer.
({1})
Die Bundesbank gerät aber durch derartige parteipolitische Entscheidungen in die Schlagzeilen. Das ist ihrem Ansehen abträglich und für die europäische Integration nicht hilfreich und ihr nicht förderlich. Mit derartigen Mehrheitsentscheidungen trägt der Bundesrat nicht dazu bei, Frankfurt als Sitz einer europäischen Zentralbank zu unterstützen.
Deswegen lehnen wir den Bundesratsentwurf ab.
({2})
Wir wollen die deutsche Bundesbank mit dem Reformgesetz weiterhin zum Vorbild für das europäische Zentralbanksystem machen,
({3})
nämlich wirtschaftlich effizient, politisch unabhängig und allein dem stabilen Geldwert verpflichtet. Deswegen stimmen wir dem Regierungsentwurf zu.
({4})
Nun erteile ich dem Finanzminister des Landes RheinlandPfalz, Herrn Finanzminister Meister, das Wort. Herr Minister, Sie haben das Wort.
({0})
Staatsminister Edgar Meister ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag stimmt heute über einen Gesetzentwurf ab, den die Bundesregierung im Oktober vorigen Jahres eingebracht hat. Seitdem ist viel Wasser die Maas hinuntergeflossen. Der Bundesfinanzminister hält unbeirrt an seinem Entwurf zur Bundesbankreform fest, obwohl sich die Landschaft seit Maastricht verändert hat.
({2})
Mit der Terminfestlegung von Maastricht wird bewirkt, daß spätestens Mitte 1998 die europäische Zentralbank errichtet wird. Das heißt, daß die Bundesbank schon heute als Auslaufmodell zu bezeichnen ist.
Vom Maastrichter Modell kennen wir nur die Umrisse. Zwar sind wichtige Detailfragen noch nicht geklärt, aber in nur 21 Monaten nimmt das europäische Währungsinstitut, der Vorläufer der europäischen Zentralbank, seine Arbeit auf.
({3})
Zu seinen Aufgaben gehört es im wesentlichen, das regulatorische, organisatorische und logistische Konzept für die Endstufe vorzubereiten. Das Instrumentarium muß harmonisiert werden. Davon hängt es vor
Staatsminister Edgar Meister ({4})
allem ab, welche Aufgaben und Geschäfte der Bundesbank künftig verbleiben. Verliert sie ihre beiden Kernaufgaben - die Ausgabe von Banknoten und die Sicherung der Währung - an die europäische Zentralbank, bedeutet das praktisch das Ende der Bundesbank.
Deswegen ist in Kürze eine Funktionalreform der Bundesbank notwendig. Ich habe diese neue Perspektive für die Reform bereits bei der ersten Lesung am 17. Januar hier im Bundestag aufgezeigt. Ich habe auch Kompromißmöglichkeiten für eine Übergangszeit angedeutet. Für eine Übergangszeit müßten keine kostspieligen Zusammenschlüsse von Landeszentralbanken erfolgen. Die neuen Bundesländer sollten durch einen eigenen Präsidenten im Zentralbankrat vertreten sein. Im übrigen könnten sie bei der Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben von Altlandeszentralbanken unterstützt und begleitet werden. Solche Kernlandeszentralbanken würden keinen umfangreichen Personalkörper benötigen, und wir würden damit eine rasche Anpassung an die noch zu definierende europäische Aufgabe ermöglichen. Statt dessen beharrt der Bundesminister der Finanzen auf seinem Gesetzentwurf in Kenntnis dessen, daß die vor uns liegenden Probleme mit einer Regionalreform nicht gelöst werden.
Diese Reform ist rückwärtsgerichtet, mit Blick auf die vor 18 Monaten erfolgte deutsche Einheit. Diese Reform blickt nicht nach vorn auf die europäische Einheit.
({5})
Sie ist durch die Beschlüsse von Maastricht in der Sache überholt. Ich werde das noch begründen - sehr überzeugend, wie ich meine.
Der von den Ländern angebotene Kompromiß, der eine volle Einbeziehung der neuen Bundesländer in die Willensbildung des Zentralbankrates ohne wesentliche Mehrausgaben ermöglicht, wird vom Bundesminister bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen. Offensichtlich ist die Furcht des Bundesministers vor einer größeren Meinungsvielfalt im Zentralbankrat so groß, daß er sogar das Risiko einer Verfassungsklage in Kauf nimmt.
({6})
Lassen Sie uns den Weg in eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion gemeinsam gehen! Die Länder werden die Bundesregierung nicht im Regen stehen lassen, auch wenn das Verhandlungsergebnis von Maastricht meines Erachtens eine etwas mißglückte Frühgeburt ist.
({7})
Sie werden aber dort auf Nachbesserung bestehen, wo zentrale Versäumnisse vorliegen, z. B. hinsichtlich gleichgewichtiger Fortschritte bei der Politischen Union. Nach meinem Dafürhalten ist das entscheidende Versäumnis des Bundeskanzlers darin zu sehen, daß er es übersehen hat, daß die Wirtschafts- und Währungsunion ihre Legitimation letztlich aus
dem erklärten Willen zur Politischen Union erhält und nicht umgekehrt.
({8})
Herr Minister, sind Sie bereit eine Zwischenfrage zu beantworten?
Staatsminister Edgar Meister ({0}): Nein, ich bin nicht bereit, weil ich ein Konzept habe, das den zeitlichen Rahmen ausschöpft, und möchte, daß alle guten Gründe der Regierung zu Ohren kommen.
Herr Minister, Sie brauchen das nicht zu begründen. Es ist Ihr gutes Recht, das abzulehnen, und das wird auch respektiert.
Staatsminister Edgar Meister ({0}): Wer Augen und Ohren hat, für den ist klar, daß der Bundesminister bei der Reform der Bundesbank eine ausgeprägte Salamitaktik verfolgt: Zuerst wird die Regionalreform eilig durchgezogen, im nächsten Durchgang wird Art. 88 des Grundgesetzes geändert. Wenn die Währungspolitik und die Bundesbank kein Verfassungsproblem mehr sind, erfolgt die Ratifizierung der Maastrichter Verträge. Schlußpunkt ist dann eine Funktionalreform der Bundesbank, bei der vermutlich die vollständige Abschaffung halbwegs autonomer Landeszentralbanken das Ziel ist.
Gelingt der Bundesregierung mit der Regionalreform jetzt der Einstieg in dieses schrittweise Vorgehen, dann kann man davon ausgehen, daß hier bei weiteren Schritten kein wirksamer Widerstand mehr entgegengesetzt werden kann. Deswegen meine ich, alle Länder müssen schon jetzt ein Interesse daran haben, zu wissen, wie die Bundesbank am Ende aussehen wird.
Meine Damen und Herren, es wäre ein kostspieliger Umweg, wenn wir jetzt Landeszentralbanken fusionierten, sie auf größere Einzugsbereiche ausrichteten, aber diese Banken in ein paar Jahren nach ganz anderen Gesichtspunkten umorganisierten.
({1})
Gewiß wäre es nach Maastricht auch verfehlt, in den neuen Ländern Organisationsstrukturen aufzubauen, die sich in Europa so nicht aufrechterhalten lassen.
({2})
- Das betraf das Timing. - Deshalb darf das Prinzip - auch das konzedieren wir - „ein Land, eine Landeszentralbank" nicht auf die Spitze getrieben werden. Der Bundesrat hat das auch nie getan. Ich erinnere auch an die Öffnungsklausel für freiwillige Zusammenschlüsse.
Unverständlich, meine Damen und Herren, ist mir, warum der Bundesfinanzminister die ostdeutschen
Staatsminister Edgar Meister ({3})
Länder vom Zentralbankrat und damit von der Willensbildung in der Geldpolitik ausschließen will.
({4})
Sein Modell bedeutet gegenüber dem Osten nicht Integration, sondern Okkupation. Der sächsische Vertreter ist kaum mehr als ein Feigenblatt. Hinter dem Feigenblatt verbirgt sich einzig und allein das Bemühen des Bundesfinanzministers, sich eine ausreichende Mehrheit zu verschaffen. Der Bundesfinanzminister hat in der Steuerpolitik meisterhaft gezeigt, wie man sich neue Mehrheiten verschafft.
({5})
Ich bleibe dabei: Ein Zentralbankrat mit 16 Ländervertretern bleibt arbeitsfähig. Daran kann es keinen Zweifel geben. Sonst müßte der Bundesfinanzminister ja Österreich, Schweden, Finnland und die Schweiz von der EG fernhalten, weil der europäische Zentralbankrat dann auf 16 Ländervertreter anwachsen würde.
({6})
Meine Damen und Herren, wir sollten jetzt keine falschen Weichen stellen, sondern noch einmal in Ruhe überlegen, was vordringlich ist.
({7})
Dazu gehört, wo immer es möglich ist, Pflöcke für die künftige Geldpolitik einzuschlagen. In Europa wollen wir unser bewährtes geldpolitisches Instrumentarium aufrechterhalten.
In der ersten Lesung habe ich die Wertpapierpensionsgeschäfte angesprochen. Sie sind bis heute nicht in dem Bundesbankgesetzentwurf verankert, das mit Abstand wichtigste Kreditgeschäft der Bundesbank. Deswegen ist es an der Zeit, gerade auch mit Blick auf Europa dieses Geschäft auf eine einwandfreie rechtliche Grundlage zu stellen.
Der Finanzminister hat für den Fall, daß sein Gesetzentwurf im Bundesrat scheitert, angekündigt, daß er dann alles beim alten belassen wolle. Damit wird meines Erachtens der Bundesfinanzminister der veränderten Situation nach Maastricht nicht gerecht. Die Arbeiten an einer Funktionalreform müssen unverzüglich begonnen werden. Ich fordere deshalb den Bundesfinanzminister auf, seinen Entwurf zurückzuziehen und endlich ernsthaft mit den Ländern über die künftige Struktur der Bundesbank zu verhandeln.
({8})
Eine Reform auf Raten können wir uns schon wegen der damit verbundenen Mehrkosten in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe bei der derzeitigen Finanzsituation nicht leisten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermann Rind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gattermann bedauert, heute nicht hier sein zu können. Da ich mich nicht gerne mit fremden Federn schmücke, will ich Ihnen nicht vorenthalten, daß ich es gerne übernommen habe, die Rede von Herrn Gattermann hier vorzutragen, die er beabsichtigt hatte.
({0})
- Sie können ruhig Zwischenrufe machen, so bin ich in der Materie auch drin, daß ich darauf antworten kann.
Unterstellen wir mal, das hätten Sie so oder so nicht gemacht, meine Damen und Herren, und dann haben wir das Problem gelöst.
({0})
Meine Damen und Herren, die zur Entscheidung anstehende Änderung des Bundesbankgesetzes ist in der allein strittigen Frage, nämlich der Neuordnung der Hauptverwaltungen, die notwendige und durch den Einigungsvertrag rechtlich auch gebotene Konsequenz der Wiedervereinigung. Die Verwaltung der Bundesbank muß dauerhaft für das ganze Deutschland organisiert werden. Das durch den ersten Staatsvertrag geschaffene Provisorium für die neuen Länder muß beendet werden.
Wir hatten zu entscheiden zwischen den beiden Vorschlägen des Bundesrates und der Bundesregierung. Die Bundesregierung nutzt die Chance der Neuordnung zur kostensparenden und effizienzsteigernden Straffung in neun Hauptverwaltungen, in deren Zuständigkeitsbereich jeweils mindestens 6 der Einwohner leben. Der Bundesrat schreibt lediglich die gewachsene Organisationsstruktur mit den 16 Hauptverwaltungen nach dem Motto „Jedes Land eine Landeszentralbank" fort, und zwar ohne Rücksicht auf Kosten und Effizienz.
Die Entscheidung ist uns nicht schwergefallen. Die Bundesbank ist ausschließlich gesamtwirtschaftlichen Zielen verpflichtet. Sie nimmt mit der Geld- und Währungspolitik eine zentralstaatliche Aufgabe wahr. Regionale Geld- und Währungspolitik gibt es nicht. Sie ist vor allen Dingen von politischen Weisungen frei. Das ist das Qualitätssiegel für gute Geld- und Währungspolitik, mit dem wir in den Verhandlungen zur europäischen Währungsunion überzeugt haben.
({0})
- Das alles hätte ich auch gesagt.
Das alles ist auch verfassungsrechtlich abgesichert. Eine Änderung der Bundesbankstruktur berührt das austarierte Verhältnis zwischen Bund und Ländern in unserer föderalen Republik nicht. Die Bundesbank ist dezentral, nicht föderal organisiert. Schon der Scharnberg-Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit zum
Bundesbankgesetz aus dem Jahre 1957 verweist auf die Möglichkeit, aus Anlaß der Wiedervereinigung Deutschlands eine Neugliederung der Landeszentralbanken vorzunehmen.
Die derzeitige Struktur in der bisherigen Bundesrepublik ist nur aus der Entstehungsgeschichte der Bundesbank, aus der Bank Deutscher Länder heraus, historisch zu erklären. Wir sind der Auffassung, daß die Chance der Neuordnung genutzt werden muß. Wir meinen, daß der Vorschlag der Bundesregierung dies behutsam und effizient, ja intelligent tut. Einerseits wird in die gewachsenen Strukturen in den westlichen Ländern nur maßvoll eingegriffen. Andererseits werden die neuen Bundesländer gleichberechtigt integriert. Wir halten es auch im Interesse der tatsächlichen Einigung für gut, daß die Zuständigkeitsbereiche von Hauptverwaltungen auch ost-west-länderübergreifend zugeschnitten sind.
Ich muß gestehen, ich habe außerordentliche Schwierigkeiten, rational nachzuvollziehen, warum es im Bundesrat erhebliche Widerstände gegen den vorliegenden Gesetzesvorschlag gibt. Neben dem Traditionsargument, daß alles immer so bleiben muß, wie es ist, habe ich lediglich herausgefunden, daß sich nach der Neuordnung als Ausfluß des Vorschlagsrechts der Länder für die Besetzung der Posten der Landeszentralbankpräsidenten - denn schon die Vizepräsidenten werden vom Präsidenten der Bundesbank bestimmt - die Zahl der einschlägig zur Verfügung stehenden Posten von 16 auf 9 reduziert. Ein Schelm, der sich dabei etwas denkt, daß für solche Posten gelegentlich bewährte altgediente Politiker vorgeschlagen werden.
({1})
- Ich wiederhole, Frau Kollegin: Ein Schelm, der sich dabei etwas denkt!
({2})
Übrigens, mit wem man sich in den Bundesländern, gleichgültig, wie sie regiert werden, privat unterhält, man hört nichts anderes, als daß die jetzt vom Finanzausschuß gegebene Empfehlung rundum vernünftig und richtig ist - auch wenn sich dies im Plenum mitunter ein wenig anders anhört. - Diesen Halbsatz sagte nicht Herr Gattermann.
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Weil das so ist, ist uns in den Beratungen vorgeschlagen worden, die Neuordnung der Hauptverwaltungen im Hinblick auf die anstehende europäische Währungsunion zu vertagen, damit nicht zu jenem Zeitpunkt möglicherweise erneut in die Organisationsstruktur eingegriffen werden müsse. Das ist nun wirklich keine Lösung. Schon in Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen aus dem Einigungsvertrag müßte in und für die neuen Bundesländer mindestens eine Hauptverwaltung aufgebaut werden. Das ist Ausdruck einer Geisteshaltung gegenüber den neuen Bundesländern, für die wir kein Verständnis haben und die uns leider nicht zum erstenmal begegnet.
Umgekehrt ergibt sich für uns gerade aus den Perspektiven der Europäischen Währungsunion heraus die Notwendigkeit, die Organisationsstruktur der Bundesbank zu straffen. Gerade für die zweite Phase zur Schaffung der Europäischen Währungsunion, für den Wirkungszeitraum des Europäischen Währungsinstituts ab 1994, halten wir das für unverzichtbar.
Auch die übrigen Gesetzesänderungen, die der Anpassung an die zwischenzeitliche Weiterentwicklung der Geld- und Kapitalmärkte seit dem Jahre 1957 dienen, finden unsere Zustimmung. Die Kunden der Bundesbank sind nicht die einzelnen Bürger, sondern die Kreditinstitute. Es findet deshalb unsere ausdrückliche Zustimmung, daß die Postbank ab 1994 Kosten und Gebühren an die Bundesbank zahlen muß, wie es andere Institute auch müssen.
Erwähnen will ich auch, daß wir eine Anregung des Bundesrats aufgegriffen haben. Auch wir meinen, daß in den Beiräten bei den Landeszentralbanken Vertreter der Versicherungswirtschaft und der freien Berufe präsent sein sollten.
Die F.D.P.-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu - sagte Gattermann.
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Nach dieser kombinierten Rede von Hermann Gattermann und Hermann Rind spricht die Abgeordnete Frau Dr. Höll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist ganz offensichtlich der Auffassung, daß die von ihr vorgeschlagene Schaffung von neuen Hauptverwaltungsbezirken der Bundesbank mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller 16 Länder zu vereinbaren ist. Im allgemeinen Teil der Begründung ihres Gesetzentwurfs versucht die Bundesregierung deshalb auch nicht erst, die Neuordnung des organisatorischen Aufbaus der Deutschen Bundesbank als eine bloße Anpassung des Bundesbankgesetzes an die - wie sie nach dem Anschluß der DDR an die BRD so schlicht und vornehm zurückhaltend formuliert hat - „neuen staatlichen Gegebenheiten" zu verkaufen.
Eine Folge des Vertrages vom 18. Mai 1990 ist die - wie es im Bankerdeutsch der Bundesregierung heißt - „Ausdehnung des Währungsgebietes " gewesen. Dieser Ausdehnung folgte am 3. Oktober 1990 die Auflösung der DDR und damit zwangsläufig die Erweiterung der Bundesrepublik um das sogenannte Beitrittsgebiet.
({0})
Aus der Anpassung des Gesetzes wurde unter der Hand eine Neugliederung der Landeszentralbanken bzw. die Neuordnung der Hauptverwaltung der Bundesbank im Sinne einer Schaffung von Ländern erster, zweiter und dritter Kategorie.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll mit dem mit absoluter CDU-Mehrheit regierten Freistaat Sachsen nur eines der fünf neuen Länder eine eigene Landeszentralbank erhalten. Dieser Vorschlag steht aber nach unserer Auffassung in einem klaren Widerspruch zu der von der Bundesregierung verkündeten
Absicht, die fünf neuen Bundesländer in die Bundesbankorganisation gleichwertig einzubinden. Zitat: „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung privilegiert ganz eindeutig ein einziges Bundesland" - wenn es auch meines ist.
Auch ein weiteres von der Bundesregierung vorgebrachtes Argument für ihren Vorschlag hält keiner logischen Nachprüfung stand. Die mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigte Zusammenlegung der Landeszentralbanken umschreibt nicht nur die Absicht der Bundesregierung, in vier der fünf neuen Länder die Gründung einer Landeszentralbank zu verhindern, recht euphemistisch, sondern begründet wird diese zentrale Intention des Gesetzentwurfs - ({1})
Die Rednerin hat deutlich gesagt, daß sie keine Zwischenfragen beantworten will. Ich bitte, das auch zu respektieren.
Ich muß erst einmal lesen. - Begründet wird diese zentrale Intention des Gesetzentwurfs auch mit der Schaffung von neun wirtschaftlich annähernd gleich großen Hauptverwaltungsbezirken der Bundesbank. Vielleicht ist die Bundesregierung heute in der Lage, den Beweis für den sich aus dieser Begründung zwingend ergebenden logischen Schluß zu liefern, daß die sächsische Landeszentralbank für einen wirtschaftlich annähernd gleich großen Bezirk zuständig sein wird wie in den Altbundesländern z. B. die Baden-Württembergische Landeszentralbank. Wäre es nicht konsequenter, die Bundesregierung schlüge vor, für alle fünf neuen Länder nur eine einzige Hauptverwaltung einzurichten, die sich dann auf Grund der Bevölkerungszahl mit Nordrhein-Westfalen messen könnte?
Im Finanzausschuß wartete Staatssekretär Dr. Grünewald mit einem weiteren bedeutenden Argument für die Neugliederung der Landeszentralbanken auf: Die Zusammenfassung von alten und neuen Bundesländern unter dem Dach einer gemeinsamen Landeszentralbank werde auch dazu führen, daß die Gliederung der Hauptverwaltungen der Bundesbank nicht mehr an den alten Grenzverlauf zwischen BRD und DDR erinnere.
Sie sehen, meine Damen und Herren: Diese Bundesregierung widmet sich in ihrer Arbeit auch Fragen der Ästhetik. Von der späten Geburt über das Beitrittsgebiet führt eine gerade Linie zur Ästhetik der Landkarte als Projektionsfläche für regierungsamtliche historische Amnesie.
({0})
- Das können Sie nachlesen.
({1})
Bereits in meiner Rede anläßlich der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs habe ich aufgezeigt, daß der von der Bundesregierung in die Begründung ihres Vorhabens eingeflochtene Hinweis auf die zu gründende Europäische Zentralbank, die die Straffung der Entscheidungsstrukturen erfordere, ebenfalls Ausdruck einer Scheinlogik ist. In der EG ist nämlich nicht beabsichtigt, mit Errichtung der Europäischen Zentralbank die Zentralbanken der Mitgliedstaaten aufzulösen oder zusammenzufassen, obwohl die Zentralbanken auf nationaler Ebene keine Rechte auf Mitwirkung an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank haben werden.
Die Bundesregierung müßte deshalb konsequenterweise entweder europaweit die Zusammenlegung ehemals selbständiger Zentralbanken fordern oder aber innerhalb ihrer nationalen Zuständigkeit allen Bundesländern die Möglichkeit einräumen, eine eigene Hauptverwaltung der Bundesbank zu bekommen.
Die letzte Änderung des Bundesbankgesetzes war gegen Ende der 11. Wahlperiode erfolgt. Damals hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Stadt Frankfurt am Main zum endgültigen Sitz der Deutschen Bundesbank zu bestimmen. Begründet wurde dieser Vorschlag unter anderem auch damit, daß die in der Bundesrepublik Deutschland bestimmenden grundlegenden Ordnungsprinzipien der Dezentralisierung und des Föderalismus gestärkt würden. Die Bundesregierung schloß sich in ihrer positiven Stellungnahme ausdrücklich den im Beschluß des Bundesrates dargelegten Gründen an. Trotzdem hält die Bundesregierung jetzt an diesem Gesetzentwurf fest, der in keiner Weise den Prinzipien des Föderalismus und der Dezentralisierung genügt.
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Auf der weltpolitischen Bühne singt die Bundesregierung das Hohe Lied der Sezession und preist die Segnungen der nationalen Unabhängigkeit, im eigenen Hause setzt sie auf die Straffung der Entscheidungsstrukturen und auf den monetären Zentralismus. Weltpolitisch - in den osteuropäischen Ländern - unterstützt die Bundesregierung die zentrifugalen Kräfte nach allen Regeln kapitalistischer Rechnungsführung; national wird von ihr geldpolitisch die Kommandowirtschaft propagiert und betrieben.
Jeder Versuch, den Föderalismus der bundesstaatlichen Ordnung auszuhebeln, wird auf unseren Widerstand stoßen. Wir berufen uns in unserem ablehnenden Votum auch und ausdrücklich auf die Stellungnahme des Hauptpersonalrats bei der Bundesbank, der sich gegen eine Neuordnung der Landeszentralbanken zum jetzigen Zeitpunkt ausspricht und im Gesetzentwurf der Bundesregierung Regelungen für die von den Strukturmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vermißt.
Deshalb lehnt die PDS/Linke Liste diesen Gesetzentwurf auch in der zweiten und dritten Lesung ab.
Ich danke Ihnen.
({3})
Nun erteile ich dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Gesetzentwurf zwei Ziele. Zum einen geht es darum, in Ausführung des Einigungsvertrages eine sachgerechte Anpassung an die neuen staatlichen Gegebenheiten vorzunehmen, und zum anderen darum, unter Bewahrung der bewährten Prinzipien unserer geldpolitischen Verfassung möglichst effiziente Organisationsstrukturen für die Bundesbank festzuschreiben.
Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Entwurf - ich glaube, das hat Peter Gillies schon im November vergangenen Jahres geschrieben - ist äußerst intelligent. Deswegen tun Sie sich mit der Gegenargumentation ja auch so furchtbar schwer.
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Der Entwurf geht von folgenden Leitprinzipien aus: Die Essentials unserer Notenbankverfassung und die Konzeption der währungspolitischen Instrumente bleiben unangetastet. Das gilt für den Vorrang der Sicherung der Währung in gleicher Weise wie für die Unabhängigkeit der Bundesbank. Effiziente, qualifizierte, flexible Entscheidungen und - ganz wichtig - deren zügige Umsetzung erfordern nun einmal eine Verkleinerung des Zentralbankrats auf neun Zentralbankpräsidenten, denen zukünftig acht Direktoriumsmitglieder gegenüberstehen, so daß das alte leichte Übergewicht der Zentralbankpräsidenten erhalten bleibt.
({1})
Demgegenüber fordert der Bundesrat 16 Landeszentralbankpräsidenten. Lieber Herr Kollege Wieczorek, Sie sagen, das ermögliche der Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz.
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- Entschuldigen Sie, in diesem Zusammenhang ist eben das Mögliche identisch mit dem, was tatsächlich geschehen würde. Sie glauben doch wohl selber nicht, daß man freiwillig eine geringere Zahl als 16 festlegen würde.
({3})
Das stößt auf ganz große Schwierigkeiten, denn dann würde sich das Ganze sehr viel schwerfälliger, sehr viel langsamer im Vollzug entwickeln, und das sieht der Bundesrat ganz genauso. Deswegen ist dem Bundesrat folgendes eingefallen: Um diese Hemmnisse zu verhindern, müssen wir Ausschüsse vorschalten. Gerade im Hinblick auf die oft schnell zu treffenden geldpolitischen und stabilitätspolitischen Entscheidungen und zur Sicherung der Währung können wir uns in dieser Situation solche Experimente einfach nicht leisten, weder innen- noch außenpolitisch.
Wir gewinnen im Grunde genommen neun wirtschaftlich im wesentlichen sehr wohl gleichmäßig austarierte Hauptverwaltungsbezirke. Frau Höll, ich wiederhole noch einmal: Diese Lösung hat den ganz besonderen Charme, daß wir in der Tat erstmalig die
doch immer noch verfestigte alte innerdeutsche Grenze durch diesen Organisationsvorschlag überschreiten können.
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- Bitte schön, Herr Kollege Wieczorek. Wer viel fragt, hat immer noch den ernsten Willen, etwas dazuzulernen.
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Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Ich weiß ja, daß man viel von Ihnen lernen kann. Deswegen würde ich gern von Ihnen lernen - wenn es Ihnen mit Ihrer Argumentation ernst ist; es ist ja nicht unsere Argumentation -, warum Sie dem Lande Sachsen-Anhalt und dem Lande Mecklenburg-Vorpommern - das Land Sachsen bekommt ja seine eigene Landeszentralbank - zubilligen, an der Auswahl des gemeinsamen künftigen LZB-Präsidenten teilhaben zu können, während Sie umgekehrt dem Land Thüringen und dem Land Brandenburg die bisherigen Landeszentralbankpräsidenten präsentieren und diese Länder keinerlei Einflußmöglichkeiten haben, den gemeinsamen Landeszentralbankpräsidenten mitzubestimmen.
Herr Kollege Wieczorek, diesen von Ihnen in die Diskussion eingebrachten Vorschlag haben wir sehr ernstlich miteinander erwogen. Das ist ein Abwägungsprozeß. Auf der einen Seite steht das, was Sie - ich betone - zu Recht fordern, nämlich den Brandenburgern und den Thüringern ein Mitspracherecht bei der Berufung neuer LZB-Präsidenten einzuräumen. Dem widerspricht auf der anderen Seite natürlich der Grundsatz der Kontinuität und der Grundsatz der Unabrufbarkeit der Präsidenten als Ausfluß der Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank. Im Rahmen dieser Güterabwägung - wir haben uns gar nicht leichtgetan - haben wir uns entschieden, doch der Unabhängigkeit und der Kontinuität im Zentralbankrat das Übergewicht zu geben.
Herr Wieczorek möchte noch einmal nachfassen. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Da Sie die Frage der Kontinuität angesprochen haben: Wie verträgt sich das damit, daß Sie in anderen Fällen, in denen Landeszentralbanken zusammengelegt werden, die Kontinuität dann auch nicht wahren? Da gilt dann offensichtlich ein anderes Prinzip.
({0})
Herr Wieczorek, entschuldigen Sie, aber jetzt habe ich doch den Eindruck,
daß ich für mich in Anspruch nehmen darf, daß Sie noch etwas von mir lernen können. Das ist in dieser Neuorganisation schlechterdings unvermeidbar.
({0})
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Staatssekretär, wenn Sie fortfahren würden.
Danke schön, Herr Präsident! - Natürlich - obgleich das nicht das Hauptargument ist - haben wir auch im Hinterkopf, Geld einzusparen. Wie könnte das in dieser Situation auch anders sein!
Meine Damen und Herren von der Opposition, auch Herr Kollege Meißner, wissen Sie, wer auf der einen Seite eine Ausweitung der unvermeidbaren Pensionskosten beklagt und im gleichen Atemzug 16 Landesbankpräsidenten anstrebt und dann sogar noch gegen unseren ausdrücklichen Wunsch am vergangenen Freitag im Bundesrat zusätzlich noch einen Landeszentralbankpräsidenten bestimmt, der nach dem Ist-Stand der Diskussion schon in wenigen Wochen sein Amt wieder verlieren wird, der muß sich doch fragen lassen, ob diese Argumentation nun wirklich richtig ist.
Herr Abgeordneter Larcher möchte daraufhin eine Frage stellen, Herr Staatssekretär.
Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, würden Ihre letzten Ausführungen auch für die Regierungsmannschaft gelten, die, glaube ich, 81 Köpfe zählt?
Ich sehe keinerlei Sachzusammenhang. Das sind ganz unterschiedliche Paar Stiefel.
({0})
Im übrigen bin ich für die Zusammenstellung der Regierung Gott sei Dank nicht verantwortlich.
Darf er noch einmal nachfassen?
Bitte sehr, aber bitte zur Sache.
Daß Sie dafür nicht verantwortlich sind, rechne ich Ihnen hoch an. Aber der Grundsatz der Sparsamkeit müßte doch auch für die Regierungsmannschaft und für die Zahl der Köpfe gelten.
({0})
Der Grundsatz der Sparsamkeit gilt allüberall in unserem politischen Handeln und insbesondere in diesen Tagen und auch am heutigen Morgen, wie die weiteren Diskussionspunkte noch zeigen werden. Bitte helfen Sie uns beim Sparen, anstatt immer weitere Leistungen zu fordern!
({0})
Nun möchte ich, daß Sie, Herr Staatssekretär, in Ruhe fortfahren können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, uns kommt es ganz entscheidend darauf an, sofort und unverzüglich die neuen Länder gleichberechtigt in die Bundesbankstruktur einzubeziehen.
({0})
Wir können noch in dieser Situation nicht Ungleiches statuieren, wo wir doch angetreten sind, in allen Bereichen Ungleiches abzubauen.
Deshalb duldet das Gesetz auch keine zeitliche Verschiebung. Das bitte ich die neuen Länder zu beachten, auch Thüringen. Denn was würde geschehen? Es würde bei einer vorläufigen Verwaltungsstelle in Berlin verbleiben - ein für mich und die Bundesregierung unerträglicher und unzumutbarer Tatbestand.
({1})
- Auch für die Bundesbank.
Wir würden fünf neue, personell und sachlich vernünftig ausgestattete Landeszentralbanken - so hat uns der Vertreter der Bundesbank im Finanzausschuß wissen lassen - so schnell überhaupt nicht schaffen können.
Dann, Herr Kollege Meißner, bin ich bei Maastricht. Natürlich werden die Beschlüsse von Maastricht auch eine weitere Funktionalreform bei der Bundesbank erfordern. Aber das, was wir hier mit diesem Gesetz tun, ist, gerade mit Sicht auf die Entwicklung vernünftige Vorsorge treffen, damit nichts für die Zukunft verbaut wird. Würden wir Ihrem Vorschlag folgen, wäre das exakt der Weg in die falsche Richtung, und es wäre im Grunde genommen nichts anderes als Anachronismus.
({2})
Unsere Vorstellung ist also nicht, wie Sie meinen, rückwärts gerichtet, sondern ganz genau im Gegenteil: Sie ist in die Zukunft gerichtet.
Daß die Bundesbank und der Bund allein für die zentralstaatliche Aufgabe der Geld- und Währungspolitik zuständig sind, ich glaube, das sollte wenigstens unstreitig sein. Und daß dem Bund die alleinige
Parl. Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald Gesetzgebungskompetenz zukommt, sollte auch unstreitig sein. Deswegen sind auch schon heute die Landeszentralbanken nichts anderes als Hauptverwaltungen, als Bundesbehörden.
({3})
Das immer wieder zu hörende Gegenargument, die Landeszentralbankpräsidenten müßten ihre spezifischen regionalen Kenntnisse mit in den Entscheidungsfindungsprozeß einbringen können, wäre eine Erweiterung der Länderkompetenz, die unter gar keinen Umständen mit der Unabhängigkeit der Bundesbank vereinbar wäre. Denn dort sind alle, egal wo sie herkommen, in gleicher Weise nur und ausschließlich der Geldwertstabilität verpflichtet.
Die Rechte der Länder werden ganz uneingeschränkt gewahrt. Es gibt hier keinen Angriff auf den Föderalismus. Die Berufung der Landeszentralbankpräsidenten bleibt ja auch da, wo sie hingehört, nämlich beim Bundesrat ohne jedwede Mitwirkungsmöglichkeit der Bundesregierung.
Da wird auch immer wieder gesagt, auch von Ihnen, Herr Kollege Meißner, damit könnte doch eine Gefährdung der vorhandenen Bankplätze verbunden sein. Nein, die Bundesbank wird auch zukünftig
- auch bei unserer Organisation - in der Fläche vertreten sein, und die notwendige Versorgung der Bürger mit ihren Leistungen wird überall gewährleistet sein.
Dann wird gesagt, hier gebe es Ansatzpunkte
- und das klang auch schon heute morgen an - für eine Neugliederung des Bundesgebietes. Ich vermag in dem Gesetz solche Ansatzpunkte nun wirklich nicht zu erkennen. Lassen Sie mich hinzufügen: Dieses Organisationsgesetz der Bundesbank wäre in der Tat der denkbar ungeeignetste Ansatzpunkt für solche Überlegungen.
({4})
Da wir uns noch ein bißchen weiter über das Gesetz unterhalten müssen, darf ich Ihnen nach sehr sorgfältiger Prüfung noch sagen, daß das Gesetz nun wirklich nicht zustimmungsbedürftig ist. Das hat der Bundesrat und das haben inzwischen wohl auch Sie erkannt. Ich formuliere förmlich, vorsichtig: So gesehen würden wir im Ergebnis einer Klage, die wir allerdings im Interesse der Bundesbank gerade in dieser Situation für nicht gut halten würden - damit da kein Mißverständnis entsteht -, mit Gelassenheit entgegensehen. Wir haben auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - ich glaube, aus dem Jahre 1962 - für diese unsere Rechtsauffassung im Rükken.
Dann wird immer wieder gesagt, der föderative Staatsaufbau würde nun nachhaltig Schaden nehmen. Ich weiß, Herr Wieczorek, Beispiele hinken immer. Aber wie beurteilen Sie das denn in den Vereinigten Staaten? Bei 50 Staaten haben diese nur zwölf Landeszentralbanken. Da kommt doch keiner auf die Idee, zu sagen, dadurch wäre der föderative Aufbau der Vereinigten Staaten in irgendeiner Weise gefährdet.
Meine Damen und Herren, wir haben uns gerade angeschickt, die Bundesbank zum Vorbild - es wurde schon gesagt - für die Europäische Zentralbank zu machen. Wir können uns weder national noch international in dieser Situation in verantwortlicher Weise irgendwie geartete Experimente mit dieser unserer Bundesbank leisten. Jetzt bitte ich Sie für die Bundesregierung
({5})
- Herr Kollege Poß, das sind schon Experimente, sowohl im tatsächlichen wie auch leider im personellen; entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das noch einmal sagen muß - sehr herzlich: Stimmen Sie unserem Entwurf zu, und lehnen Sie den Entwurf des Bundesrates ab.
Schönen Dank.
({6})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Ebert das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Grünwald, Sie nehmen es mir nicht übel, daß ich nach Ihrer Rede nach wie vor Zweifel an der Intelligenz der Bundesregierung habe.
({0})
Ich denke, es ist eine Intelligenz, die sich einer parteipolitischen Brille bedient, und insofern sind Sie sicherlich mit mir der Auffassung, daß wir von der SPD sinnvollerweise einen anderen Blickwinkel einnehmen müssen.
Ich denke, es ist wenig verantwortlich, was hier von seiten der CDU und auch der F.D.P. in Richtung auf die Personalzusammensetzung des Zentralbankrates gesagt worden ist. Ich meine, es würde uns allen sehr viel besser anstehen, wenn wir mit diesen Gremien pfleglicher umgingen. Ich denke, es ist deplaciert, wenn man bei der Beratung eines Gesetzes, das nun für einige Jahre gelten soll, von „abgehalfterten Oberbürgermeistern" und anderen spricht, die hier Präsidenten von Landeszentralbanken werden sollen.
({1})
Ich denke, meine Damen und Herren, wir sollten uns solcher Stellungnahmen enthalten, denn dann könnten wir von der SPD auch einmal über abgehalfterte Minister sprechen, die Sie in das Direktorium hineingehievt haben.
({2})
Aber ich denke, das hilft dem Standing der Bundesbank insgesamt nicht weiter. Deshalb sollten wir so etwas unterlassen.
({3})
- Es ist mir nicht peinlich. Ich will auch ganz gerne, weil das, Herr Hauser, sicherlich Ihr Ziel ist, auf diesen
Fall eingehen, der ja hier unterschwellig schon mehrfach angesprochen worden ist.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist zulässig, wenn ein Gesetz besteht, nach diesem Gesetz zu verfahren. Ich denke, das Land Bremen, das um den Erhalt seiner Landeszentralbank kämpft, muß es Ihnen gerade nicht erleichtern, diese Landeszentralbank abzuschaffen.
({4})
Da kann ich mir auch vorstellen, daß man eine Personalentscheidung durchaus als Möglichkeit sieht, hier einen Pflock einzurammen, um ein Gesetz, das man nicht will, nicht kommen zu sehen.
({5})
Im übrigen, Herr Uldall, liegt es ja an der weiteren Entscheidung innerhalb der Bundesbank. Es geht nicht darum, daß die Landeszentralbank eine selbständige Einrichtung im Land Bremen ist. Sie ist ja ein Teil der Bundesbank. Das haben wir in allen Reden noch einmal festgestellt.
({6})
Wenn das so ist, dann muß man ja bei der Pensionierung, die möglicherweise einmal ansteht, in einer vernünftigen Personalplanung in der Lage sein, eine Fortsetzungsanstellung für jemanden dieser Art zu finden.
({7})
Ich denke, daß man diese Frage nicht ad personam diskutieren kann, sondern daß man das Gesetz sehen sollte.
Meine Damen und Herren, es ist schade, daß die Bundesregierung die Chance vertan hat, in der Frage der Neuordnung den Weg des Konsenses zu gehen.
({8})
Wir stehen deshalb heute hier in der dritten Lesung mit denselben gegensätzlichen Positionen, wie sie bereits in der ersten Lesung vorgetragen worden sind. Und dies, meine Damen und Herren, obwohl die Positionen, wenn man gelernt hat, auf Zwischentöne zu hören, letztlich so weit nicht voneinander entfernt sind.
Ich denke, es hätte sich gelohnt, in diesem Hause um der Bundesbank willen Einstimmigkeit anzustreben. Noch viel wichtiger aber wäre es gewesen, eine einvernehmliche Regelung mit der Länderkammer zu erreichen. Daß die Neuordnung der Bundesbank im Streit und gegen das Votum der Mehrheit der Bundesländer erfolgt, ist nicht nur schlechter politischer Stil.
({9})
Notenbanken sind, wie Währungseinrichtungen insgesamt, ein empfindlich Ding. In einer Zeit, in der ohnehin durch eine unsolide Finanz- und Ausgabenpolitik, durch rezessive Entwicklungen in der Wirtschaft, durch Massenarbeitslosigkeit, durch eine falsche Steuerpolitik, durch eine Inflationsrate von bald 5 % und darüber hinaus durch übereilte und nicht ausreichend flankierte europäische Beschlüsse die D-Mark beeinträchtigt ist, wäre es wichtig gewesen, zumindest national den Konsens im Hinblick auf die Neuordnung der Notenbank zu erhalten.
({10})
Ruhe wäre bei der Neuordnung notwendig gewesen. Statt dessen haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der F.D.P., es zugelassen, daß der Eindruck aufkommt, hier werde Personalpolitik im Gewande organisatorischer Neuordnungen betrieben, und hier würden unliebsame Länderregierungen durch die Wegnahme ihrer Landeszentralbanken abgestraft.
({11})
So tut man nichts für die Stabilität und das internationale Ansehen einer Währung. So fügt man weiter Gefährdungspotential dem leider ohnehin schon vorhandenen hinzu.
Meine Damen und Herren, es ist hier von dem föderalistischen Ordnungsprinzip die Rede gewesen. Wir alle wissen, daß am Anfang der Bundesbank die Bank Deutscher Länder gestanden hat. Das heißt, die Landeszentralbanken sind früher als die Bundesbank dagewesen. Dies hat bis zum heutigen Tag seine Bedeutung. Es geht doch nicht nur darum, daß in den Ländern Positionen geschaffen und dann besetzt werden, so wie Sie das darstellen. Es geht einfach darum - in der Rede von Herrn Gattermann ist es angeklungen -, daß der Transfer von Informationen aus den einzelnen Teilen unseres Landes bei den Beratungen im Zentralbankrat vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, diese Zusammensetzung des Zentralbankrats aus zwei Bänken - hier das Direktorium, dort die Vertreter der Landeszentralbanken - ist ja auch ein ganz konstitutiver Bestandteil der Unabhängigkeit unserer Notenbank. Das ist ein wichtiges Konstruktionsmerkmal, und Sie fangen an, es mit Ihren Lösungen zu gefährden.
({12})
Meine Damen und Herren, wir sperren uns nicht gegen eine Verminderung der Anzahl der Landeszentralbanken. Ich sage es noch einmal sehr deutlich, obwohl es von unserer Seite schon immer betont worden ist. Wir meinen nur, daß es bei dem Gesamtzusammenhang, in dem man eine Notenbank international und national sehen muß, eine absolute Voraussetzung ist, dies im Konsens mit den Beteiligten anzustreben.
({13})
Ich denke, es wäre ausreichend Zeit gewesen, mit den Ländern zu sprechen, um eine abgestimmte Lösung zu erreichen. Man könnte jetzt noch auf das rekurrieren, was der Bundesrat vorschlägt, nämlich die Möglichkeit offenzuhalten, daß eine freiwillige Reduzierung stattfindet.
Ich sage noch einmal: Wir sind nicht dagegen, aber die Freiwilligkeit ist wichtig. Ihre Vorstellungen stellen im Gegensatz zu Ihren Behauptungen keinen Beitrag zur Zusammenführung der Länder im Osten und der Länder im Westen dar. Es handelt sich vielmehr, was die Beteiligung bei der Bundesbank angeht, um die Einführung eines Dreiklassensystems bei den Ländern.
Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rind zu beantworten?
Bitte schön.
({0})
Das werden wir später entscheiden.
Herr Kollege Ebert, Sie haben die Freiwilligkeit angesprochen. Hat die SPD denn, wenn sie diese Freiwilligkeit ernst nimmt und davon ausgeht, daß man tatsächlich zu einer Reduzierung kommt, eine Vorstellung darüber, wie groß die Zahl der Landeszentralbanken sein müßte, um der Aufgabe der Bundesbank gerecht zu werden? Würden Sie als Bundestagsfraktion den Ländern entsprechende Empfehlungen geben, damit man zu einer sinnvollen veränderten Struktur kommt?
Herr Rind, es wäre sicherlich ohne weiteres möglich gewesen, entsprechende gemeinsame Vorschläge zu erarbeiten, wenn wir rechtzeitig in einen Dialog eingetreten wären.
({0})
Es liegt ja ein Vorschlag des Präsidenten der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen vor. Dieser ist aber von Ihnen in den Papierkorb geworfen worden.
({1})
- Trotzdem muß es zulässig sein, Vorschläge zu machen, wie man sich eine solche Verringerung vorstellt. Sie fragen mich ja auch, obwohl mein Mandat nicht von der Regelung dieses Gesetzes abhängig ist.
Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: Es wird eine Dreiklassengesellschaft geschaffen. Sie wollen einen Verband aus sechs Ländern bilden, bei dem für jeweils drei Länder eine Landeszentralbank zur Verfügung steht. Man kann sicher in Klammern anmerken: Von diesen sechs Ländern sind vier von der SPD regiert. Sie zwingen weitere sechs Länder, sich jeweils zu zweit eine Landeszentralbank zu teilen. Auch von diesen sechs Ländern sind vier von der SPD regiert. Vier Länder verfügen allein über eine Landeszentralbank; von diesen vier Ländern sind drei von der CDU regiert.
Meine Damen und Herren, ich glaube, noch deutlicher kann man die parteipolitische Brille nicht machen.
({2})
Dieses Gesetz ist unausgewogen. Die Bundesregierung hat nicht die Chance genutzt, in diesem sehr sensiblen Bereich der Währungspolitik eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Wir hätten uns das gewünscht. Wir haben uns bemüht, ein solches Gespräch in Gang zu bringen. Sie sind darauf nicht eingegangen.
Meine Damen und Herren, wir können diesem Gesetz in dieser Form nicht zustimmen.
({3})
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Hauser ({0}) das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über eine Änderung des Bundesbankgesetzes, die längst überfällig ist. Während die Untergliederung der Bundesbank auf Filialebene seit längerer Zeit reorganisiert und gestrafft wurde, hat sich an der Zahl der Hauptverwaltungsstellen nichts geändert. Nun gibt uns die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands die Chance, eine Verminderung der Anzahl der Landeszentralbanken zu erreichen. Diese Chance sollten wir nutzen.
({0})
Auch der Bundesratsentwurf sieht die Möglichkeit vor, daß mehrere Bundesländer mit ihrer Zustimmung, also auf freiwilliger Basis - Herr Meister, Sie haben es gesagt -, gemeinsam eine Landeszentralbank betreiben. Wenn dies als richtig angesehen wird, dann sollten wir diesen Schritt auch gleich tun. Präsident Schlesinger hat gesagt, wir sollten das Provisorium beenden.
Als Bayer und natürlich auch als Franke bin ich ein überzeugter Föderalist. Allerdings hört der Föderalismus dort auf
({1})
- sehr richtig -, wo einheitliche Entscheidungen von nationaler Tragweite zu fällen sind. Es gibt nur eine deutsche Geldpolitik. Es gibt nur einen deutschen Diskontsatz und keinen bayerischen oder saarländischen oder sächsischen Zinssatz.
Die Bundesbank ist eine Bundesinstitution; die Landeszentralbanken sind Hauptverwaltungen der Deutschen Bundesbank. Das ist ein dezentraler und kein föderativer Aufbau. Das ist auch kein Verstoß gegen den Grundgedanken des Föderalismus. Bundesbankpräsident Schlesinger hat dies vor dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages sehr überzeugend begründet.
Daß der Einfluß der Länder im Zentralbankrat ausdrücklich vorgesehen ist, wird ja nicht abgestritten. Der Einfluß bleibt ja auch im neuen Gesetz erhalten.
({2})
Hansgeorg Hauser ({3})
Denn künftig werden wir neun Landeszentralbankpräsidenten und nur höchstens acht Direktoriumsmitglieder haben.
Auch die regionalpolitischen Einflüsse werden im künftigen Gesetz nicht geschmälert. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Regionalbeirat, der sich aus Vertretern von zwei oder drei benachbarten Ländern zusammensetzt, eine schwächere Interessenvertretung als der Regionalbeirat eines kleinen einzelnen Landes darstellt.
Auch ein anderes Argument der SPD für ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kann ich nicht teilen.
Herr Abgeordneter, Sie sollen eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Larcher beantworten, wenn Sie dazu bereit sind.
Danke, nein. Ich möchte die Zeit nutzen.
({0})
Die SPD vertritt die Auffassung, daß die Kostenstruktur und -entwicklung nicht Sache des Bundestages sei. Soweit dies die interne Verwaltung betrifft, ist dem möglicherweise zuzustimmen. Wenn es jedoch in der Hand des Bundestages liegt, über den Aufbau eines aufwendigen präsidialen Verwaltungsapparates für fünf neue Landeszentralbanken mit Kosten für mindestens 700 neue Stellen zu entscheiden, dann spielt das Kostenargument sehr wohl eine Rolle.
Der Regierungsentwurf ermöglicht im Vergleich zum Vorschlag des Bundesrates eine deutliche Kosteneinsparung. Es ist bezeichnend, daß die SPD meint, der Gesetzgeber sei für die Kostensituation der Bundesbank nicht verantwortlich.
({1})
Offensichtlich scheint in der SPD sowieso kein Gefühl für Kosten vorhanden zu sein.
({2})
Nur so, Herr Ebert, ist die Berufung des neuen Präsidenten der Bremer Landeszentralbank zu verstehen. In einem Kommentar der „Süddeutschen Zeitung" vom vergangenen Freitag wird das Zitat eines Kenners aufgeführt, der meinte, das bringe ihm, nämlich dem neuen Präsidenten, ein Drittel mehr Gehalt und zwei Drittel weniger Arbeit als bisher.
({3})
Der Kenner irrt, kann ich da nur sagen: nicht zwei Drittel weniger Arbeit, sondern 100 % weniger Arbeit nach Verabschiedung dieses Gesetzes.
({4})
Denn dann wird die Landeszentralbank Bremen mit den Hauptverwaltungen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zusammengelegt.
Es ist mir und uns natürlich unangehm, daß wir nicht verhindern können, daß wir mit dem vorliegenden Gesetz einige Landeszentralbankpräsidenten zwangsläufig vorzeitig in den Ruhestand schicken müssen. Daß jedoch jemand auf diesen fahrenden Zug schnell noch aufspringt, das ist skandalös.
({5})
Die Vertreter der SPD im Finanzausschuß haben die sehr vornehme Auffassung vertreten, daß es nicht Aufgabe des Bundestages sei, sich zu konkreten personalpolitischen Maßnahmen der Länder zu äußern. Der vorliegende Fall fordert jedoch geradezu heraus, daß man sich dazu äußert und ihn in aller Deutlichkeit offenlegt. Bei unseren Bürgerinnen und Bürgern wird es nicht heißen: In Bremen wurde einer in die Landeszentralbank berufen, der nicht zu arbeiten braucht, sondern es wird vielmehr heißen: Die da oben haben wieder einmal zugeschlagen.
({6})
- Hören Sie einmal zu. - Einem altgedienten Parteifunktionär wurde wieder einmal eine satte Pfründe zugeschoben.
({7})
Dazu können wir von der CDU/CSU einfach nicht schweigen.
({8})
Ich kann nur sagen: Wir können nur hoffen, daß die Bremer SPD ihrem ab spätestens Sommer 1992 für über viereinhalb Jahre spazierengehenden und hochbezahlten Landeszentralbankpräsidenten eine adäquate Funktion überträgt. Denn auf so viel hochgelobten Sachverstand, wie das hier überall heißt, wird die Bremer SPD sicherlich nicht verzichten können. Noch besser wäre es allerdings, wenn die SPD-Fraktion und die Partei dem Bundespräsidenten und dem Bundesratspräsidenten die Peinlichkeit einer Unterschrift ersparen würden;
({9})
dann kann sich nämlich der Herr Grobecker wieder als Streikposten ungeschminkt fotografieren lassen.
({10})
Meine Damen und Herren, jetzt spricht die Kultusministerin des Landes Thüringen, Frau Lieberknecht.
Ministerin Christine Lieberknecht ({0}): Herr Präsident, nicht mehr für Kultus, sondern für Bundes- und Europaangelegenheiten.
Entschuldigen Sie, Frau Ministerin, das ist bei uns hier etwas schwierig. Wir sind noch nicht auf dem neuesten Stand; aber wir werden es sofort korrigieren.
Ministerin Christine Lieberknecht ({0}): Dann wissen Sie es jetzt: seit dem 11. Februar.
Die Änderung des Bundesbankgesetzes ist für die Länder, insbesondere für ein neues Bundesland wie Thüringen, von besonderer Bedeutung; denn damit endet für uns - darauf ist wiederholt hingewiesen worden - ein Provisorium im Bereich der Geld- und Währungspolitik. Die vorläufige Verwaltungsstelle der Deutschen Bundesbank in Berlin, die bisher direkt dem Direktorium der Bundesbank in Frankfurt unterstellt ist, soll aufgelöst werden, und die Organisation der Bundesbank soll den neuen Gegebenheiten im geeinten Deutschland angepaßt werden.
({1})
Dies ist eine Notwendigkeit, die auch von Thüringen ausdrücklich begrüßt wird.
Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge sollen die Geschäfte mit den Geldinstituten und den öffentlichen Verwaltungen auf Dauer in die Zuständigkeit von Landeszentralbanken gelegt werden. Dadurch werden die Entscheidungsabläufe im Rahmen der Geld- und Währungspolitik in dezentrale Zuständigkeitsbereiche gelegt. Die Zusammenlegung - bzw. Neugründung - von Landeszentralbanken in neun Verwaltungsbezirke der Deutschen Bundesbank soll dem Bedürfnis nach effizienten Entscheidungsstrukturen im Zentralbankrat Rechnung tragen.
Dieses Ziel, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird dem Grunde nach auch von Thüringen befürwortet.
({2})
Auch wir sind der Meinung, daß die Zahl der geldpolitischen Entscheidungsträger auf eine sinnvolle Anzahl begrenzt werden muß, denn nur so kann eine angemessene Größe der Zuständigkeitsbereiche gewährleistet werden.
({3})
Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, meinen wir, daß im Gegensatz zum Entwurf der Bundesregierung die Länder im Interesse der föderalen Selbstbestimmung ein Mitentscheidungsrecht haben müssen, und zwar in jedem Fall, zum einen bei der Frage nach Vorstand und Sitz ihrer Landeszentralbank und zum anderen bei der Frage, welchen Einzugsbereich die jeweiligen Landeszentralbanken haben sollten, also bei der Frage nach der föderalen Zuordnung.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates, der vom Finanzausschuß des Bundestages leider als erledigt angesehen wurde, geht im Gegensatz zu dem heute hier in letzter Lesung zu beratenden Entwurf davon aus, daß bei der Organisation der Deutschen Bundesbank auch von föderalen Ordnungsprinzipien die Rede sein muß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Thüringen ist nicht der Meinung, daß jedes Land unbedingt eine eigene Landeszentralbank haben sollte; doch sollten gerade die neuen Länder eine Wahlmöglichkeit besitzen, wie und in welcher Form der Zusammenschluß erfolgt.
({4})
Da fällt es mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon schwer, den Menschen in Thüringen zu erklären, daß wir der bereits vorhandenen Zentralbank eines anderen Landes angegliedert werden,
({5})
ohne auch nur ein einziges Wort der Mitsprache über Sitz, Einzugsbereich und Vorstand der zukünftig gemeinsamen Zentralbank zu haben. Es fällt mir allerdings auch schwer, den Thüringern das Bremer Modell einer Ersatzarbeitsbeschaffungsmaßnahme zu erklären.
({6})
Dies geschieht in einer Situation, in der wir aus politischer Verantwortung und um des Gelingens der inneren Einheit willen alle Anstrengungen darauf richten müssen, auch in den neuen Ländern eigene Entscheidungsmöglichkeiten und damit ein eigenes Selbstbewußtsein zu fördern. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Diese Option richtet sich nicht gegen unser Partnerland Hessen, mit dem wir in anderen Bereichen vorzüglich zusammenarbeiten; das will ich hier ausdrücklich betonen. Vielmehr möchten wir gerade als neues Bundesland ein Zeichen dafür haben, daß wir auch in Fragen der Geld-und Währungspolitik eine eigene Kompetenz zuerkannt bekommen und als gleichberechtigter Partner angesehen werden.
Ich appelliere daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdrücklich an Sie, das bei der Entscheidung über den vorliegenden Gesetzentwurf zu bedenken und diesem - aus meiner Sicht berechtigten - Anliegen eines neuen Bundeslandes Rechnung zu tragen.
({7})
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf, Drucksachen 12/1869 und 12/2288. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist gegen die Stimmen der SPD und der Oppositionsgruppen in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten nunmehr in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem
Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht,
den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen?
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
- Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion bei einigen Enthaltungen aus der CDU/CSU-Fraktion gegen die Reststimmen des Hauses angenommen.
Meine Damen und Herren, wir müssen noch über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 12/988 abstimmen. Der Finanzausschuß empfiehlt unter Ziffer II seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/2288, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse nunmehr über den Gesetzentwurf des Bundesrates abstimmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zuzustimmen gedenken, bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist bei einigen Enthaltungen aus der CDU/CSU-Fraktion gegen die Stimmen der SPD und der beiden Gruppen abgelehnt.
({0})
- Es tut mir schrecklich leid, das hätten Sie etwas eher
anmelden müssen. - Wollen Sie sie zu Protokoll
geben, oder wollen Sie sie hier mündlich vortragen?
({1})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, es entspricht der Fairneß, wenn wir dem Kollegen die Möglichkeit geben, daß er seine Erklärung zum Tagesordnungspunkt 11 hier noch abgibt. Ich bitte allerdings, die nötige Ruhe im Hause herzustellen.
Ich nehme diesen Vorgang übrigens zum Anlaß, daran zu erinnern, daß mir solche Wortmeldungen rechtzeitig mitgeteilt werden, weil sich der Ablauf der Debatte sonst noch mehr in die Länge zieht.
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, ich danke Ihnen, daß Sie mir die Möglichkeit, hier zu sprechen, noch eingeräumt haben. Sie wissen, wir sind jung im Geschäft. Es ist - fast auf den Tag genau
- erst zwei Jahre her, daß wir mit der Demokratie Umgang pflegen.
Ich muß hier eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten der Thüringer Abgeordneten abgeben, die sich an die Ausführungen unserer Frau Ministerin Lieberknecht anschließt. Wir sind natürlich grundsätzlich für diese von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesvorlage. Wir stimmen absolut damit überein, daß hier gekürzt und zusammengestrichen werden muß; die Gründe wurden genannt. Aber wir wollen mit einer solchen Gesetzesvorlage natürlich keine Präjudizierung in der Frage des Sitzes von Landeszentralbanken usw. Wir wollen diesen Fall offenhalten. Um das zu signalisieren, haben wir uns der Stimme enthalten.
Schönen Dank.
({0})
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt ({0})
- Drucksache 12/2217 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuß ({1}) Finanzausschuß
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt
- Drucksachen 12/433, 12/1203 - Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({3}) Helmut Esters
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Entschuldung der Treuhandunternehmen
- Drucksachen 12/615, 12/1204 - Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({5}) Helmut Esters
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({6}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt
- Drucksachen 12/618, 12/1205 - Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({7}) Helmut Esters
e) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reorganisation und Verwertung des ehemaligen volkseigenen Vermögens ({8})
- Drucksache 12/552 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({9})
- Drucksache 12/2139 - Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Helmrich Hans-Joachim Hacker
Dr. Hans de With
({10})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von anderthalb Stunden vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall.
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Jahrhundertaufgabe des Wiederaufbaus in den jungen Bundesländern ist in vollem Gange. Die Bewältigung der Aufgabe erfordert noch für einige Zeit ganz erhebliche Finanztransfers von West nach Ost. In diesen Rahmen fällt auch die Kreditaufnahme zur Finanzierung der Aufgaben der Treuhandanstalt, die durch das heute hier zu beratende Gesetz geregelt werden soll.
Es handelt sich um eine Anschlußregelung zu Art. 25 Abs. 4 des Einigungsvertrages. Diese Norm hatte lediglich die Kreditaufnahme für die Jahre 1990 und 1991 geregelt. Seinerzeit hofften wir alle miteinander, daß die Treuhandanstalt in der Folgezeit keine weiteren Kredite mehr benötigen würde. Die tatsächliche Entwicklung hat gezeigt, daß die damaligen Erwartungen nicht erfüllt wurden. Umfang und insbesondere die Werthaltigkeit des Treuhandvermögens sind weit überschätzt und der Finanzbedarf demzufolge weit unterschätzt worden. In diesem Zusammenhang möchte ich nur die Sanierung der ökologischen Altlasten erwähnen, aber auch das, was im Laufe der Entwicklung so erschreckend deutlich geworden ist: die alte verdeckte Arbeitslosigkeit in den Betrieben.
Für den beispiellosen Umstrukturierungsprozeß in den jungen Bundesländern kommt der Treuhandanstalt eine Schlüsselposition zu. Jede D-Mark, die der Treuhandanstalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt wird, ist eine Investition in die Zukunft der jungen Bundesländer. Es handelt sich also nicht - ich darf das wiederholen - um Kosten, sondern um zukunftssichernde Investitionen, die früher oder später für unsere Kinder und Kindeskinder reiche Ernte in die Scheuern einbringen werden. Das können wir heute Gott sei Dank im Ansatz schon in einer beachtlichen Erfolgsbilanz der Treuhandanstalt ablesen.
Bis Ende Januar dieses Jahres konnten für ca. 6 000 Unternehmen neue, unternehmerisch aktive Eigentümer aus dem In- und Ausland gewonnen werden. Rund 1 Million Arbeitsplätze konnten mit den neuen Eigentümern vertraglich vereinbart werden. Das von den privaten Investoren - das scheint mir besonders wichtig zu sein - im Rahmen der Übernahmeverträge zugesagte Investitionsvolumen beläuft sich zur Zeit auf 117 Milliarden DM. Gerade das ist zur dringend notwendigen Erneuerung des Kapitalstocks in den neuen Bundesländern ein unverzichtbarer Beitrag.
Gleichwohl muß die Kreditaufnahme der Treuhandanstalt in einem finanzpolitisch vertretbaren Rahmen gehalten werden. Dieser finanzpolitischen Notwendigkeit trägt das Gesetz zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt Rechnung. Als Unternehmen im Sinne der Bundeshaushaltsordnung kann und könnte die Treuhandanstalt zwar grundsätzlich in eigener Verantwortung Kredite aufnehmen. Das Gesetz begrenzt aber die Nettokreditaufnahme auf bis zu 30 Milliarden DM je Wirtschaftsjahr bis 1994. Mit dieser Begrenzung wird
die zwingend notwendige Balance zwischen dem für die Finanzierung der Aufgaben der Treuhandanstalt Erforderlichen auf der einen Seite und dem finanziell Machbaren auf der anderen Seite gehalten werden können.
Allerdings haben wir auch zukünftig den vorhandenen Unabwägbarkeiten, die gerade und insbesondere mit den schwierigen Aufgaben der Treuhandanstalt verbunden sind, Rechnung zu tragen. Deswegen ist eine flexible Regelung vorgesehen, die sicherstellt, daß der unabweisbare Mehrbedarf finanziert werden kann. Insofern läßt das Gesetz eine Überschreitung des Kreditrahmens um bis zu 8 Milliarden DM im Wirtschaftsjahr - ich betone: mit Einwilligung und nur mit Einwilligung des Bundesfinanzministers und selbstverständlich auch des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages - zu.
Durch das Gesetz wird ferner eine Gleichstellung der Schuldverschreibungen der Treuhandanstalt mit den Schuldverschreibungen, die der Bund begibt, erreicht. Die Treuhandanstalt erhält also das gleiche Standing am Kreditmarkt wie der Bund selbst. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz u. a. die Haftung des Bundes für die von der Treuhandanstalt aufgenommenen Kredite vor. Die Kreditaufnahme der Treuhandanstalt wird auf diese Weise erleichtert und vor allem und insbesondere wesentlich kostengünstiger gestaltet. Bis 1994 dürften sich hieraus Gesamteinsparungen in Höhe von voraussichtlich mehr als 500 Millionen DM ergeben.
Sowohl die Erhöhung des Kreditrahmens bei unabweisbarem Mehrbedarf als auch die Inanspruchnahme des Kreditrahmens in den Jahren 1993 und 1994 bedarf - wie schon gesagt - der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Hierdurch wird die notwendige parlamentarische Kontrolle der Kreditaufnahme der Treuhandanstalt gewährleistet. Daneben erfolgt die parlamentarische Kontrolle durch den Unterausschuß Treuhandanstalt, der sich ja gerade gestern noch, Herr Kollege Kriedner, sehr umfänglich mit dem Wirtschaftsplan der Treuhandanstalt befaßt hat.
Im übrigen hat dieser Ausschuß - das wird wohl auch von niemanden bestritten - inzwischen Tritt gefaßt und außerordentlich effiziente Arbeit geleistet. Auch durch die Vielzahl der Sitzungen - in jeder Sitzungswoche tagt er einmal - leistet er die Arbeit eines Vollausschusses. Deswegen ist der Antrag der SPD-Fraktion auf Einrichtung eines Vollausschusses schon aus diesem Grunde überflüssig.
Die in der Öffentlichkeit lautgewordene Kritik, die Bundesregierung bilde Schattenhaushalte, die sie der parlamentarischen Kontrolle entziehe, erweist sich damit als unberechtigt.
Im übrigen wird über die letztendliche Zuordnung der Schulden der Treuhandanstalt auf die öffentlichen Körperschaften erst in der Zukunft entschieden werden.
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- Herr Kollege Esters, so zum Lachen finde ich das - ich glaube, in Übereinstimmung mit Ihnen - nicht.
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Der vertretbare kalkulierte Rahmen der Kreditaufnahme durch die Treuhandanstalt kann nur eingehalten werden, wenn die Treuhandanstalt bei der Erfüllung der vor ihr liegenden vielfältigen Aufgaben eine strenge finanzpolitische und wirtschaftspolitische Disziplin übt und - ich betone „und" - wenn ihr nicht immer wieder über ihre Kernaufgaben hinaus neue und zusätzliche Aufgaben übertragen werden, so als wäre die Treuhandanstalt die zu melkende Kuh bei allen Problemen im Beitrittsgebiet, die im Himmel geweidet wird, um auf Erden gemolken zu werden.
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Die heutigen Schätzungen über den zu erwartenden Schuldenstand der Treuhandanstalt am Jahresende 1994 belaufen sich - man höre und staune - auf ungefähr 200 Milliarden DM. Angesichts dieser Summe sind Forderungen, wie sie im Antrag der SPD enthalten sind, die Treuhandunternehmen zu Lasten der Treuhandanstalt nun pauschal zu entschulden, wirklich gänzlich unangebracht.
Zu der von der Treuhandanstalt praktizierten Entschuldung nach Einzelfallprüfung gemäß Art. 28 Abs. 2 des Einigungsvertrages gibt es ganz einfach keine Alternative.
Die Übernahme der gesamten Altschulden der Treuhandunternehmen in Höhe von rund 104 Milliarden DM ist in dieser Situation schlichtweg finanzpolitisch unvertretbar, ganz abgesehen davon, daß sie auch ökonomisch falsch wäre.
Im Rahmen der Einzelfallentschuldung wird die Treuhandanstalt für Altkredite ihrer Unternehmen in Höhe von etwa 70 Milliarden DM einstehen. Die von der SPD vorgeschlagene Vorgehensweise würde also eine nochmalige Mehrbelastung von 30 Milliarden DM bedeuten.
Eine Entschuldung nicht sanierungsfähiger und damit langfristig nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen konserviert nur die althergebrachten Strukturen und verlangsamt damit die unvermeidliche Strukturanpassung in den jungen Bundesländern. Das Argument, eine einzelfallbezogene Entschuldung sei mit einem zu großen bürokratischen Aufwand verbunden, kann man angesichts der ohnehin bestehenden Verpflichtung der einzelnen Unternehmen, D-MarkEröffnungsbilanzen zu erstellen und vorzulegen, nun wirklich nur als vorgeschoben betrachten.
Anfang 1992 befinden sich noch rund 6 800 Unternehmen mit ca. 1,4 Millionen Arbeitnehmern im Bestand der Treuhandanstalt. Diese Zahl verdeutlicht, daß die Treuhandanstalt eine arbeitsmarkt- und strukturpolitische Mitverantwortung - ich betone: Mitverantwortung - für den Wiederaufbau in den jungen Bundesländern hat. Dieser Mitverantwortung hat sie sich in der Vergangenheit gestellt. Sie wird das auch in Zukunft im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun. Allerdings darf ich noch einmal feststellen, daß die primäre Verantwortlichkeit für die einzelnen regional-politischen Probleme nicht bei der Treuhandanstalt liegt, sondern bei den jeweiligen Ländern.
Die Bundesregierung ihrerseits fördert den raschen Strukturwandel in den jungen Bundesländern mit umfassenden, aufeinander abgestimmten Maßnahmen, wobei wichtigstes Prinzip ist, Investitionen und neuen Arbeitsplätzen Vorrang zu geben. Der strukturelle Umbruch wird durch umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen der Regierung regional und sozial flankiert.
Hauptaufgabe der Treuhandanstalt wird es auch in der Zukunft sein, sehr intensiv und kreativ daran zu arbeiten, die nationalen und internationalen Privatisierungschancen für ihren Beteiligungsbestand zu erhöhen. Sie wird das Potential externer Privatisierungsaktivitäten unter Fortentwicklung ihres bewährten Instrumentariums und nach dem Motto, daß Privatisierung die beste Form der Sanierung ist, weiter erschließen. Mit dieser Strategie ist die Treuhandanstalt besser und flexibler in der Lage, auch regional- und strukturpolitische Ziele mit adäquaten Instrumenten zu unterstützen.
Die Übertragung der Rechts- und Fachaufsicht über die Treuhandanstalt auf das Bundesministerium für Wirtschaft würde in der Tat - hier darf ich einmal den Haushaltsausschuß selbst zitieren - „ein falsches Signal für eine Überbetonung einer staatlichen Industriepolitik mit dem Ziel einer zentral gelenkten Strukturpolitik" setzen. Hierdurch würde die für den Wiederaufbau in den jungen Bundesländern unverzichtbare Privatinitiative abgeschwächt.
Daneben spricht eine Vielzahl von Praktikabilitätsgründen für die Beibehaltung der geltenden Aufsichtsregelung. So verfügt der Bundesminister der Finanzen über jahrzehntelange Erfahrungen auf dem Gebiet der Beteiligungsverwaltung, und die Größenordnung der Verschuldung der Treuhandanstalt läßt eine Koordinierung mit dem Schuldenmanagement des Bundes, das beim Bundesminister der Finanzen angesiedelt ist, als sinnvoll erscheinen.
Die geltende Aufsichtsregelung bestimmt, daß der Bundesminister der Finanzen die Fachaufsicht insbesondere im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft ausübt. Die beim Bundesminister für Wirtschaft vorhandene Fachkompetenz fließt also in alle Entscheidungsprozesse mit ein und wird für die Arbeit der Treuhandanstalt nutzbar gemacht. Ich frage mich bei dieser sich ständig wiederholenden Diskussion auch: Was würde es eigentlich der Treuhandanstalt und insbesondere dem einzelnen Arbeitnehmer im Betrieb nutzen, wenn man diese Zuständigkeitsregelung verändern würde? Lassen Sie mich ein wenig scherzhaft hinzufügen: Arbeitsökonomisch wäre es für den Bundesfinanzminister von Interesse, diese Arbeitslast und dieses sensible Arbeitsfeld dem Bundesminister für Wirtschaft zu übertragen. Herr Kollege Beckmann, ich würde auch sehr gerne mit Ihnen tauschen, denn wenn Sie diese Zuständigkeit hätten, dann würde Ihnen der Rest an Freizeit unter den Fingern zerrinnen.
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Besonders befremdet hat uns einmal mehr der Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste, die Privatisie7138
rung vollständig in den Hintergrund zu rücken. Im Grunde genommen ist es das alte Lied: Man will an den alten Strukturen festhalten; man will überhaupt keine Verfestigung der Marktwirtschaft. Eigentlich - nehmen Sie mir es nicht übel - haben Sie aus der Entwicklung in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten nichts gelernt. Diesem Antrag können wir unter gar keinen Umständen zustimmen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Helmut Esters das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Treuhandkreditaufnahmegesetzes belegt schlagartig die Selbstfinanzierungsillusion, in der sich die Bundesregierung und viele von uns - auch ich - im Zusammenhang mit dem deutschen Vereinigungsprozeß befunden haben. Nach einer beispiellosen Steuer- und Abgabenwelle, mit der die Bundesregierung seit Anfang 1991 Stück um Stück das Scheitern dieser Philosophie einer Anschubfinanzierung eingestehen mußte, hat das Ende der Selbstfinanzierungsillusion nunmehr auch die Treuhandanstalt erreicht. Kursierten vor eineinhalb Jahren über den Wert des Treuhandvermögens noch Zahlen in dreistelliger Milliardenhöhe, so wird die Eröffnungsbilanz der Treuhandanstalt in Kürze eine Überschuldung von mindestens 200 Milliarden DM ausweisen.
({0})
Mit diesem Gesetz, das der Treuhand eine Neuverschuldung bis zu 114 Milliarden DM in drei Jahren ermöglichen soll, erkennen Sie zwar ein Stück ostdeutscher Realität an; einen Beitrag zur Lösung der mit der Herstellung der deutschen Einheit verbundenen Finanzprobleme stellt dieses Gesetz jedoch nicht dar - und kann es auch nicht. Mit dem ausdauernd betriebenen Schattenboxen, ob die Treuhandanstalt nun zum öffentlichen Sektor gezählt werden dürfe oder nicht, ist die Bundesregierung bewußt der politischen Aufgabe ausgewichen,
({1})
wie der explosionsartig steigende Kapitalbedarf der Treuhandanstalt mit einer stabilitätsorientierten öffentlichen Finanzwirtschaft in Einklang gebracht werden soll.
({2})
Der Bundesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht 1991 die sich aus der Zersplitterung der öffentlichen Verschuldung in Schattenhaushalte ableitende Gefahr für die Stabilität der öffentlichen Finanzen eindringlich analysiert. Mit dem dreijährigen Kreditrahmen bis 1994 wird eine Lösung des Problems in die Zukunft verschoben. Das Gesamtausmaß der öffentlichen Verschuldung steigt in diesem Jahr deutlich gegenüber dem Vorjahr auf mehr als 200 Milliarden DM einschließlich der Sozialversicherungen, ohne
daß die Bundesregierung bereit wäre, die konzeptionelle Führerschaft zur Lösung des Verschuldungsproblems zu übernehmen. In allen ihren Aktionen dominiert das vordergründige Motiv des Zeitgewinns,
({3})
um sich über die Bundestagswahl 1994 hinüberzuretten.
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Man darf sich aber nicht täuschen: 1995 ist nicht das rettende Ufer, sondern markiert die voraussehbare Überforderung der Politik, weil dann eine geballte Häufung der Probleme auf sie zukommt. Ob das hier vorliegende Gesetz zur Treuhandfinanzierung, ob der Fonds Deutsche Einheit, ob der Kreditabwicklungsfonds, ob die Förderinstrumente für die neuen Länder wie Investitionszulage und Abschreibungsvergünstigungen oder die in ihrem Umfang nur mit der Finanzreform von 1969 vergleichbare Neuordnung des horizontalen und vertikalen Finanzausgleichs zwischen den Gebietskörperschaften - alle Regelungen laufen 1994 aus und warten auf eine Neuordnung im Jahre 1995. Dies wird die Problemlösungsfähigkeit der Politik in unserem föderativen Staat in einem bisher nicht gekannten Ausmaß belasten. Dagegen erscheinen mir die gegenwärtigen Turbulenzen geradezu eine Ruhe vor dem großen Sturm zu sein.
Die Finanzwirtschaft der Treuhandanstalt befindet sich in der Sackgasse. Staatssekretär Köhler hat dazu in Karlsruhe gesagt:
Bei dem Ringen um den richtigen Weg der Privatisierung und Sanierung in Ostdeutschland drohen die Finanzverpflichtungen der Treuhandanstalt ein Faß ohne Boden zu werden.
Dazu ist zweierlei festzustellen:
Erstens. Vom Ringen um den richtigen Weg merken die Menschen in Ostdeutschland wenig. Sie haben das Vertrauen in die Treuhandpolitik weitgehend verloren.
Zweitens. Wenn die Treuhand zu einem Faß ohne Boden zu werden droht, dann deshalb, weil die Bundesregierung über keine tragfähige Politik verfügt, wie die Desindustrialisierung Ostdeutschlands aufgehalten werden kann. Weil sie entgegen der Formel von Detlev Karsten Rohwedder eben nicht entschlossen saniert, droht nicht nur die Treuhandanstalt,
({5})
sondern auch die Arbeitsmarktpolitik zu einem Faß ohne Boden zu werden.
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Die Gewichte zwischen einer aktiven Sanierungspolitik für die überlebensfähigen ostdeutschen Betriebe und der Arbeitsmarktpolitik haben sich völlig verschoben. Während die Bundesanstalt für Arbeit 1992 mit rund 45 Milliarden DM über die Hälfte ihres Budgets für den Arbeitsmarkt Ost einsetzt, können gerade 10 % des Treuhandetats 1992 nach
ihren eigenen Angaben der aktiven Sanierungspolitik zugerechnet werden. Bei einem Gesamtetat von rund 50 Milliarden DM werden z. B. nur 5,3 Milliarden DM als Investitionsdarlehen und zur Eigenkapitalaufstokkung bei Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Das bedeutet, die Arbeitsmarktpolitik muß zunehmend die ökonomischen Fehlentwicklungen einer bisher ausschließlich auf Privatisierung orientierten Treuhandpolitik ausgleichen.
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Die Treuhandanstalt nimmt ihre Verantwortung als Eigentümer aller als sanierungsfähig eingestuften Unternehmen völlig unzureichend wahr. Deshalb fordern wir die Festschreibung eines aktiven Sanierungsauftrags im Gesetz,
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nicht um einer staatlichen Beteiligungspolitik das Wort zu reden, sondern um den operativen Mangel Ihrer Politik zu korrigieren.
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Sie kommt unserem Land teuer zu stehen und führt in eine Überforderung der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.
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Was wir brauchen, sind nicht nur Einzelfallösungen für die großen Problemfälle in ausgewählten Branchen, in denen die Privatisierung mit Milliardensummen erkauft wird, die 400 000 DM pro Arbeitsplatz zum Teil weit überschreiten. Was wir für die laufende Phase der Treuhandpolitik brauchen, ist die aus der Eigentümerfunktion der Treuhand erfolgende Begleitung eines in unternehmerischer Eigenverantwortung durchgeführten Sanierungsprozesses für die vielen mittelständischen Unternehmen. In den mittelständischen Betrieben des Westens sind rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigt und werden rund 80 % der beruflichen Ausbildung erbracht. So wie die Wirtschaftsstruktur der alten Bundesländer entscheidend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt wird, hängt die Festigung und die Beständigkeit der Sozialen Marktwirtschaft als Gesellschaftssystem auch in den neuen Ländern davon ab, daß es gelingt, diese Struktur in die neuen Bundesländer zu übertragen, nicht nur deshalb, weil sie der entscheidende Hebel zur Verbesserung der Wirtschaftslage und zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist, sondern auch, weil sie die Grundlage für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West schlechthin bildet.
Die Verankerung dieses Sanierungsauftrages erfordert die Erweiterung der bisherigen Treuhandpolitik. Im finanzwirtschaftlichen Bereich erfordert sie, über die bisher in begrenztem Umfang gewährten pauschalen Liquiditätsbürgschaften oder Investitionskredite hinaus gezielte Hilfen zur Umstrukturierung und Modernisierung als Investitionshilfen aus Treuhandmitteln zu gewähren. Sie erfordert auch organisatorische Änderungen innerhalb der Treuhandanstalt.
Bei aller Anerkennung der von der Treuhand geleisteten Arbeit häufen sich dennoch Fehler und Mängel im operativen Geschäft, insbesondere im Bereich der Privatisierung. Sie können auf Dauer nicht mit dem beispiellosen Auftrag der Anstalt entschuldigt werden. Darüber wird in Kürze ausführlich zu sprechen sein.
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Die Behauptung der Bundesregierung, mit der künftigen Neuverschuldung der Treuhand bis zu 38 Milliarden DM jährlich würde die Treuhandanstalt neue, bleibende Werte schaffen, ist eine Irreführung.
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Ihre eigenen Angaben belegen, daß die Neuverschuldung im Umfang von zwei Dritteln zur Bedienung der Zinslast benötigt wird. Zinsen schaffen vielleicht bleibende Werte bei Kapitalanlegern; die Menschen in den neuen Ländern gehen dabei aber leer aus.
Die Finanzvorschau der Treuhandanstalt bis 1994 zeigt, daß die geschätzten Einnahmen in diesem Dreijahreszeitraum von knapp 19 Milliarden auf rund 8 Milliarden zurückgehen, bei veranschlagten Aufgaben für 1994 von rund 41 Milliarden DM.
Da sich die Verschuldung der Treuhand in diesem Zeitraum mindestens verdoppelt, steigt allein der Zinsanteil an den Ausgaben von knapp 40 % in 1992 auf fast 60 % in 1994. Das sind 24 Milliarden DM von einem Jahresbudget von 41 Milliarden DM für Zinsen ohne Tilgung.
Das bedeutet, 1994 sind die Zinsen dreimal so hoch wie die laufenden Einnahmen. Es stellt in der Geschichte der Finanzpolitik der Bundesrepublik eine einzigartige Zumutung dar, von einem Parlament eine Kreditermächtigung zu verlangen, die nachweislich dazu dient, Zinsen kreditär zu finanzieren.
({13})
Dies ist die Pervertierung der öffentlichen Finanzwirtschaft; dies muß man deutlich sagen. Denn wo Zinsen kreditär finanziert werden, ist im normalen Wirtschaftsleben der Bankrott nicht weit.
In Wahrnehmung Ihrer finanzpolitischen Verantwortung hätten Sie an Stelle dieses Kreditermächtigungsgesetzes ein Gesetz vorlegen müssen, mit dem die Treuhandanstalt in die öffentliche Finanzwirtschaft eingebunden wird. Statt dessen wagen Sie es, in diesem Gesetz zum Stichwort Kosten zu schreiben, die Haushalte der Gebietskörperschaften würden durch den Gesetzentwurf nicht belastet, obwohl bereits heute feststeht und von Ihnen auch nicht geleugnet wird, daß die in dieser Woche auf 270 Milliarden DM geschätzte Gesamtverschuldung der Treuhand nicht aus Erlösen refinanziert werden kann, sondern nach den nächsten Bundestagswahlen größtenteils vom Staat übernommen werden muß.
Um die Konfusion perfekt zu machen, sagen Sie gleichzeitig an anderer Stelle, daß die Schulden der Treuhandanstalt auf Bund und neue Länder aufgeteilt werden sollen.
({14})
Der Bundesrat hat diesem Ansinnen eine klare Ablehnung erteilt. Da die Treuhandanstalt eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts ist, trägt sie die alleinige Verantwortung für die bei der Auflösung der Anstalt verbleibenden Schulden.
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Der Umstand, daß sich die Bundesregierung in der Vermögenssubstanz der Treuhandanstalt getäuscht hat, gibt ihr nicht das Recht, die Neuverschuldung dieser Anstalt auf die neuen Bundesländer abzuwälzen.
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Dies ist im übrigen keine Politik im Geist des kooperativen Föderalismus. Ich sage dies unabhängig von der finanzwirtschaftlichen Bewertung, wonach die Schuldendienstleistungsfähigkeit der neuen Länder bereits mit der hälftigen Zuweisung der Verschuldung des Kreditabwicklungsfonds überschritten sein dürfte.
Ein Parlament, das Haushaltswahrheit und -klarheit, aber auch kooperativen Föderalismus für grundlegende Ordnungsprinzipien der staatlichen Haushaltswirtschaft hält, kann das Gesamtverhalten nur zurückweisen.
Die mit diesem Gesetz der Treuhandanstalt eröffnete Neuverschuldung bis zu 114 Milliarden DM liegt deutlich über der von der Bundesregierung geplanten Neuverschuldung des Bundes für diese drei Jahre,
({17})
die in der Finanzplanung ein Volumen von 110,5 Milliarden DM ausweist.
Allein dieser Größenvergleich zwingt zu der Frage, ob ein Parlament seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung gerecht wird, wenn es ein derartiges Verschuldungsvolumen für einen Schattenhaushalt bewilligt. Ich halte dieses Verfahren für eine Aushebelung des parlamentarischen Budgetrechts.
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Dieser Konflikt wird durch die Haltung der Bundesregierung verschärft, die dazu führt, daß der Haushaltsausschuß bzw. ein Treuhand-Unterausschuß in die substantielle Beratung des Wirtschaftsplans der Treuhandanstalt nicht einbezogen ist. Der Haushaltsausschuß wird noch nicht einmal in grundsätzliche Treuhand-Entscheidungen - wie im Fall der Werften oder im Fall Carl Zeiss Jena - einbezogen, obwohl dadurch letztlich milliardenschwere Verpflichtungen zu Lasten des Bundeshaushalts eingegangen werden. Diese Regelung ist ein Aberwitz, wenn der Bundesfinanzminister andererseits wegen jeder über- bzw. außerplanmäßigen Ausgabe den Haushaltsausschuß
oder den Deutschen Bundestag um nachträgliche Zustimmung bitten muß.
({19})
Wir alle miteinander werden deshalb bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs im Haushaltsausschuß gut beraten sein, die von der Bundesregierung gewollte pauschale Kreditermächtigung durch institutionelle oder einzelfallbezogene Parlamentskontrolle zu ergänzen. Dies ist eine Möglichkeit für das Parlament, sich Mitwirkungsrechte, die es bisher in diesem Bereich leider nicht hat, zurückzuholen. Diejenigen, die uns heute im nachhinein über Entscheidungen informieren - in welchen Zirkeln auch immer diese Entscheidungen gefallen sind -, werden dann merken, daß sie das Parlament auch schon vorher beruhigt in Entscheidungsprozesse einbeziehen können. Ich glaube, dann wäre eine breitere, tragfähigere Basis der politischen Gesamtverantwortung für die Menschen und für die Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern möglich, als es bisher der Fall war.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kriedner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkte befassen sich durchweg mit den Fragen der Treuhandanstalt, einem Thema also, das gegenwärtig große Teile der politischen Diskussion beherrscht. Wir haben das ja soeben auch bei dem Beitrag des Kollegen Esters festgestellt.
Zum einen liegt uns der Entwurf des schon besprochenen Gesetzes zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt vor, zum anderen behandeln wir Beschlußempfehlungen zu verschiedenen Teilbereichen der organisatorischen Arbeit der Treuhandanstalt sowie einen Gesetzentwurf, der die gesamte Arbeit der Treuhandanstalt reorganisieren will.
Gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche Bemerkung. Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, daß die Arbeit in dem für den Bereich der Treuhand zuständigen Unterausschuß des Haushaltsausschusses und im Haushaltsausschuß selber von hoher Sachlichkeit auf allen politischen Seiten getragen wird. Dies ist bei einem Thema, das nahezu täglich die Gemüter erregt, keine Selbstverständlichkeit. Deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Ausschüssen, besonders bei denen der SPD-Fraktion.
({0})
Die seit der Einigung unseres Landes mit dem Treuhandproblem unmittelbar Befaßten kennen die außerordentlich schwierige Aufgabe und wissen, daß parteipolitische Polemik in der Sache keine Fortschritte bringt. Dies führt mich unmittelbar zur
Behandlung der heute zur Diskussion anstehenden Fragen.
Herr Kollege Esters, Sie haben vorhin einige Ausführungen gemacht, die von der Opposition sicher vorgetragen werden müssen. Nur weiß ich auch, daß Sie einiges von dem, was Sie gesagt haben, besser wissen. Ich muß, ehe ich in das Thema einsteige, sagen: Man kann sich doch nicht einfach hier hinstellen und erklären, in gewissen Bereichen würden pro Arbeitsplatz 400 000 DM investiert.
({1})
- Und mehr! Sie wissen doch genau, daß ein großer Teil dieser Investitionen Altschulden sind. Im Bereich der Werften sind es etwa 50 % der notwendigen Investitionen. Sie wissen auch sehr genau, daß es politische Forderungen sowohl auf der gewerkschaftlichen Seite als auch in diesem Hause sind, die zu solchen Investitionen führen. Man kann nicht - dieser Spagat ist unmöglich - auf der einen Seite die hohe Verschuldung der Treuhandanstalt beklagen und auf der anderen Seite noch mehr fordern. Wie denn, wenn nicht mit Krediten, soll das finanziert werden? Ein schlüssiges Konzept zu diesem Thema hat bisher niemand vorgetragen.
Sie haben von einer Art Bankrott der Treuhandanstalt gesprochen. Natürlich ist das so. Aber das hängt doch nicht damit zusammen, daß die Anstalt schlecht wirtschaftet, sondern damit, daß wir den Bankrott übernommen haben. Der Bankrott war da. Wir werden hier mit den Folgen eines eigentlich eingetretenen Staatsbankrotts konfrontiert. Das ist das Thema, um das es hier geht.
({2})
Ich habe bisher in allen Debatten noch kein in sich schlüssiges Konzept einer anderen Finanzierung vernommen. Wir können alle gemeinsam hervorragend analysieren. Aber hinter der Analyse muß ja der Schluß stehen. Ich sage Ihnen eines: Es bedrückt auch mich - besonders weil ich von dort komme -, was für eine Schuldenlast dieser Berg von Aufgaben einst produzieren wird. Das bedrückt micht zutiefst. Nur, ich weiß auch, daß es keinen anderen Weg gibt, es sei denn, Sie wollten einer weiteren Erhöhung der Staatseinnahmen - etwa durch Steuererhöhungen - das Wort reden, die Sie soeben beklagt haben. Das wollen wir alle nicht. Das heißt, wir loten zur Zeit den Weg aus, den wir gehen können. Was den vorliegenden Gesetzentwurf angeht, hat die Bundesregierung, wie ich finde, ja schon auf die Bremse getreten. Wenn es nach der Treuhandanstalt gegangen wäre, gäbe es keine Begrenzung. Sie hätte auch gern - da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Esters -, daß wir uns nicht so intensiv um die Sache kümmern. Ich sage Ihnen für die Koalitionsfraktionen an dieser Stelle zu: Wir werden bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs einige Streben einziehen. Die Kontrolle des Parlaments muß verstärkt werden. Wir fordern das mit Ihnen gemeinsam.
({3})
In seiner gestrigen Sitzung hat sich der Unterausschuß Treuhand mit der finanziellen Jahresplanung
der Treuhandanstalt befaßt. Die von Ihnen vorgetragenen Zahlen stimmen. Aber wir alle wissen, daß darin viele Risiken und Unwägbarkeiten enthalten sind. Wenn heute jemand sagt, das wird am Schluß des Auftrags etwa 250 oder 270 Milliarden DM kosten, dann wissen wir alle, daß man mit einer Stange im Nebel stochert.
({4})
- Nach derzeitigem Erkenntnisstand.
Wir werden uns, denke ich, darauf einigen können, daß die Treuhandanstalt ein Kreditvolumen in der genannten Größenordnung benötigt. Für mich ist interessant, inwieweit wir das von der Rolle und dem Selbstverständnis des Parlaments her kontrollierend begleiten. Für mich gehört allerdings dazu - das fordere ich bei Ihnen, Herr Grünewald, und bei der Treuhandanstalt ein -, daß wir uns bei bedeutenden Geschäftsvorfällen nicht mehr mit nachträglichen Informationen abspeisen lassen. Das darf nicht so ablaufen.
({5})
Ich möchte einige Worte zu den vorliegenden Beschlußempfehlungen sagen. Die SPD hat im vorigen Jahr die Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt, also eines Hauptausschusses, verlangt. Dieses Anliegen ist in den mitberatenden Ausschüssen mehrheitlich abgelehnt worden. Der Mehrheit erschien die parlamentarische Beratung der mit der Treuhandanstalt zusammenhängenden Fragen im Unterausschuß des Haushaltsausschusses richtig angesiedelt, weil dieser Ausschuß in unmittelbarer Einbindung des Bundesministers der Finanzen die Hauptfragen der finanziellen Belastung am ehesten mit den haushaltspolitischen Anforderungen in Übereinstimmung bringen kann. Dies belegt auch die heutige Debatte.
Deshalb wird auch die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion zur Entschuldung der Treuhand-Unternehmen empfohlen. Würde diesem Antrag gefolgt, stiege die Schuldenlast um weitere 25 Milliarden DM, ohne daß erkennbar würde, inwieweit generell die Entschuldung der Treuhand-Unternehmen die Arbeit der Anstalt positiv beeinflußt.
Die Parlamentsmehrheit hält es auch nicht für erforderlich - das hat der Kollege Grünewald schon ausgeführt -, daß nun, mitten in der laufenden Arbeit, die Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt auf ein anderes Ministerium übergeht. Das würde die Arbeit doch nicht verbessern. Das wissen wir alle. Letztlich haben wir das ja auch in dieser Richtung diskutiert.
Schließlich empfiehlt meine Fraktion, den Gesetzentwurf der Gruppe PDS/Linke Liste zur Reorganisation der Verwertung des ehemaligen volkseigenen Vermögens abzulehnen. Dieses Gesetz beschließen hieße, die Pferde mitten im Lauf wechseln. Zudem ist dieser Gesetzentwurf vom Hauch des Sozialismus und der Fortführung staatlicher Planwirtschaft durchsetzt.
Wir werden den Entwurf in der zweiten und der dritten Beratung ablehnen.
Ich fasse zusammen. Es ist noch nie versucht worden, zwei so völlig unterschiedliche Wirtschaftsformen, wie es die erfolgreiche Soziale Marktwirtschaft auf der einen Seite und die gescheiterte sogenannte sozialistische Planwirtschaft auf der anderen Seite sind, in kürzester Zeit miteinander zu verbinden und dabei die katastrophalen Folgen der Planwirtschaft auszupendeln.
Wir stehen mitten in dieser Aufgabe, und wir stehen zu dieser Aufgabe. Dies verlangt jedoch von uns allen einen schwierigen Lernprozeß und sehr viel Mut für die notwendigen Entscheidungen. Der Deutsche Bundestag, denke ich, vor allem die Mehrheit in diesem Hause, stellt sich dieser Verantwortung.
({6})
Nun hat Professor Dr. Heuer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat uns hier mit dem Bild erfreut, die Treuhand werde im Himmel gefüttert und dann auf Erden gemolken. Die Treuhand wurde sicher von den arbeitenden Menschen der DDR gefüttert. Heute füttern sie die Steuerzahler. Und gemolken wird sie nach meiner Ansicht in einem hohen Grad von denen, die die Betriebe jetzt für eine D-Mark oder sogar für negative Preise erhalten.
({0})
- Mein Herr, wir bewegen uns in der Gegenwart, und da müssen wir Entscheidungen fällen, die die Menschen von uns erwarten.
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Nicht nur die PDS/Linke Liste kritisiert die enge betriebswirtschaftliche Sichtweise der Treuhandanstalt. Mittlerweile fordern auch CDU-Bundestagsabgeordnete aus Ostdeutschland ein Konzept für strukturbeständige sanierungsfähige Großunternehmen. Gemeinsame Bund-Länder-Holdings sollen einige der früheren Großkombinate davor bewahren, von der Treuhand gewissermaßen kunstgerecht zerlegt zu werden. Der Abgeordnete Kolbe sagte laut der „Frankfurter Rundschau" vom 19. März: Es gibt im Westen 400 Bundesbeteiligungen, und mir hat noch niemand erklären können, warum so etwas im Osten nicht auch vorübergehend geht. - Offenbar hat der Bundeskanzler es ihm jetzt erklärt.
Um den Ostdeutschen nicht die letzten Illusionen über ihren realen Einfluß auf die bundesdeutsche Politik zu nehmen, ist jetzt eine Arbeitsgruppe installiert worden.
Nur mit einer aktiven Sanierungspolitik der Treuhand wird es möglich sein, Industriestandorte zu erhalten, den Kapitalstock der Unternehmen zu modernisieren und Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten.
Voraussetzung dafür ist in meinen Augen allerdings eine stärkere Regionalisierung der Tätigkeit der Treuhand. In Chemnitz - nicht nur zu Zeiten der DDR neben Düsseldorf das Herzstück des deutschen Maschinenbaus -, haben von 12 000 Arbeitnehmern bisher 80 % ihren Arbeitsplatz verloren. Eine ganze Industrieregion droht zu veröden. Doch die von der Treuhand versprochene Branchenlösung soll darin bestehen, alle Unternehmen zeitgleich Investoren anzubieten. Was hat Filetierung mit Sanierung zu tun?
Obwohl es in den neuen Ländern überhaupt kein funktionierendes Marktsystem gibt, obwohl durch öffentliche Transferleistungen in Milliardenhöhe über die Treuhand Betriebskosten abgedeckt werden, schreckt die Bundesregierung schon allein der Gedanke an eine Industrieholding. Sie werden sicher die Unternehmensberatung McKinsey nicht als PDS- Filiale bezeichnen wollen,
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nur weil sie wie wir von der Treuhand fordert, endlich volkwirtschaftliche Sanierungskriterien anzuwenden. Die Bundesregierung muß endlich einsehen, daß auch aus wettbewerbspolitischen Gründen eine nur an kurzfristigen Privatisierungschancen orientierte Sichtweise der Arbeit der Treuhandanstalt abzulehnen ist.
Regionalisierung ist für uns ohne Transparenz der Entscheidungen und ohne die Erweiterung von Mitbestimmungsrechten undenkbar. Strukturkonzepte, die zur Neuschaffung von Investitionspotentialen beitragen, müssen klare und eindeutige Regelungen zur Finanzierung von Modernisierungsinvestitionen enthalten.
Die Kredite der Treuhandanstalt, die per Gesetz bis Ende 1994 um weitere 114 Milliarden DM vermehrt werden sollen, werden zwar dem privaten Sektor zugeordnet; sie werden nicht bei der Nettokreditaufnahme des Bundes verbucht und tragen deshalb zur Haushaltskosmetik bei. Aber mit den sich daraus zwangsläufig ergebenden Schulden werden die Haushalte des Bundes und der Länder belastet. Deshalb fordern wir - auch das ist heute schon gesagt worden -, eine effiziente öffentliche Kontrolle der Arbeit der Treuhand nicht zuletzt durch die Ausschüsse des Bundestags.
Der Treuhand-Auftrag, die „Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen" - so stand das tatsächlich im Gesetz -, ist von der Wirklichkeit schon längst ad absurdum geführt worden. Mittlerweile müßten auch die Gralshüter der Marktwirtschaft erkannt haben, daß in den neuen Ländern von einem echten Wettbewerb und folglich von einem Markt keine Rede sein kann, weil Betriebe entweder sofort stillgelegt oder sogleich an marktbeherrschende Unternehmen aus Westdeutschland verkauft werden, wobei eine spätere Stillegung ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Privatisierung einer ganzen Volkswirtschaft geschieht, ohne daß auch nur eine Mark an die Menschen in Ostdeutschland gezahlt wird, die die jetzt privatisierten Vermögenswerte in mehr als
40 Jahren harter Arbeit geschaffen haben. Es handelt sich - das wird man irgendwann einmal von den Geschichtsforschern erfahren - um eine gigantische Vermögensumverteilung von Ost- nach Westdeutschland.
Die Investitionszusagen der neuen privaten Eigentümer verdecken die Zerstörung von jetzt schon 1,4 Millionen Arbeitsplätzen. Viele der Beschäftigungszusagen stehen oftmals nur auf dem Papier. Die Erfolgsberichte der Treuhandanstalt verdecken, daß für die jetzt von ihr verwalteten rund 6 000 Unternehmen nur 5,3 Milliarden DM für Investitionen und Eigenkapitalaufstockungen zur Verfügung stehen. Das bedeutet, daß 1992 rund 12 Milliarden DM als Zinsleistung für Treuhandkredite an westdeutsche Banken umgeleitet werden. Die Treuhandanstalt ist weder als Institution noch personell, organisatorisch und finanziell in der Lage, die Sanierung ostdeutscher Betriebe zu leiten.
Die Treuhandanstalt steht in der Kritik. Laut „Spiegel" vom 17. Februar 1992 beurteilen 64 der in Ostdeutschland Befragten ihre Arbeit als „schlecht" oder „sehr schlecht". Dabei wird aber übersehen, daß sie eine Behörde ist und - ich beziehe mich hier ausdrücklich auf einen Kommentar in der „Welt" vom 16. März 1992 - daß sie den Willen der Politik zu vollstrecken hat. Wer gegen Frau Breuel und andere wettert, darf Kohl, Waigel und Möllemann nicht vergessen. Ob in Rostock, Warnemünde oder Wismar, es wird der politische Wille der Bundesregierung exekutiert. Die Doppelstrategie - hier die böse Treuhand, dort rührige CDU-Provinzfürsten, die sich gegen Frau Breuel profilieren wollen -,
({3})
wird gegenwärtig nur von sehr wenigen Menschen in Ostdeutschland durchschaut.
Die Politik der Treuhand kann nur hier im Parlament und durch Druck auf dieses Parlament geändert werden. Unser Antrag auf ein grundlegend verändertes Treuhandgesetz stammt vom 8. Mai vorigen Jahres. Im Juni hat das Bündnis 90 einen Antrag eingereicht. Die erste Lesung unseres Antrages war ebenfalls im Juni. Jetzt, nach fast einem Jahr, steht unser Antrag zur Debatte.
({4})
Offenbar ist dieser Antrag nicht von großer Bedeutung, handelt es sich hier nicht um ein wichtiges Thema.
({5})
- Es handelt sich nicht um ein wichtiges Thema, sagt der Herr. Ich meine, die Treuhandfrage ist außerordentlich wichtig.
({6})
- Sie werden über diesen Antrag diskutieren. Sie
werden jetzt über den Antrag abstimmen. Aber Sie
werden diese Frage in diesem Hause stellen müssen. Wir werden wieder auf sie zurückkommen.
Die SPD hat vorgestern ihrerseits einen Antrag vorgelegt. Dieser Antrag stellt das Kernprogramm des Sanierungsauftrages nach unserer Meinung richtig dar. Allerdings meinen wir, daß es verbunden werden muß mit Verpflichtungen für Bundesregierung und Landesregierungen. Die SPD hat in ihrer Kritik unseres Antrages erklärt, es fehle eine Behörde. Allerdings hat auch sie selbst in ihrem Gesetzentwurf diese Behörde nicht genannt. Wir meinen, daß in dem Vorschlag der SPD Fragen fehlen wie demokratische Mitbestimmung und Erhöhung der Transparenz der Treuhandanstalt.
Schließlich vermisse ich auch die Verpflichtung zur Rückübertragung des bis 1952 bestehenden Landeseigentums an land- und forstwirtschaftlichem Boden in die Regie der Länder, um es selbst, vor allem im Interesse der ortsansässigen Bauern und der Länderfinanzen, zu verwerten. Bekanntlich ist das eine Forderung der Regierung Brandenburgs, die vom Grundsatz her auch in unserem Gesetzentwurf enthalten ist. Sollte das etwa der Grund sein, warum die SPD Herrn Stolpe, ihren einzigen vor Ort agierenden Ministerpräsidenten, in dieser Frage im Regen stehen läßt?
({7})
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie werden es voraussichtlich nicht tun. Ich meine,
({8})
die Frage der Treuhandanstalt wird nicht vom Tisch dieses Parlaments kommen. Wir werden diese Frage in wenigen Monaten anders lösen müssen, als sie jetzt gelöst worden ist.
Ich danke Ihnen.
({9})
Ich erteile als nächstem das Wort dem Abgeordneten Werner Zywietz.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine zunächst geplante Redezeit ist geschrumpft. Das entwertet meine schriftlichen Vorbereitungen, nicht die gedachten. Ich muß also kürzen.
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Nach dem, was ich vom Vertreter der PDS, Herrn Kollegen Professor Heuer, gehört habe, möchte ich auch alles andere beseite lassen und ein bißchen aktueller einsteigen.
Die Treuhanddebatte, die wir heute auf dem Hintergrund von fünf vorliegenden Anträgen führen, findet statt angesichts der Erkenntnis, daß die Bewältigung der Wiedervereinigung Deutschlands auch und gerade in ihren ökonomischen und sozialen Aspekten die größte Herausforderung - jedenfalls
unseres Erachtens - an die deutsche Politik seit 1945 ist.
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Hier geht es nicht um Bagatellen und schnelle Rechthaberei in dem Sinne: Man müßte das eine ein bißchen so oder ein bißchen so machen. Wir sollten einmal davon ausgehen, daß es die gewaltigste Aufgabe ist, die alle - egal, wo man parteilich steht -, zu bewältigen haben.
Die Treuhandanstalt ist eine Anstalt des Bundes, die der Bund eingerichtet hat, für die er haftet. Aber, Herr Kollege von der PDS, auch wenn Sie sich gerade mit Ihren verbliebenen Kollegen unterhalten - allzu viele sind es ja ohnehin nicht mehr; Gott sei Dank, möchte man sagen -: Das alles entbehrt ja nicht einer doppelten Ironie. Sie sind der Bankrotteur, der sich als Berater überhaupt nicht eignet.
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Den Bankrotteur, den Verursacher dieses SED-Staatsbankrotts
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brauchen wir nicht, auch wenn Sie sich mit sehr einschmeichelnden Worten und mit Miniquentchen an Wahrheit in ein besonders angenehmes Licht zu stellen versuchen. Es lohnt wirklich nicht. Ich will die Zeit nicht darauf verwenden, weil es verschwendete Zeit wäre, auf die Einzelheiten Ihrer Anträge einzugehen.
Sie sprachen eben davon, daß die Arbeit der Treuhand, dieser Staat und die die Treuhand tragende Regierung die Bürger in der Ex-DDR um 40 Jahre ihres Erarbeiteten, ihres Vermögens - so sagten Sie - brächten. Alle, die bisher gesprochen haben, reden von Schulden, von immensen Schulden, von der Notwendigkeit, mit dieser Bankrotthinterlassenschaft fertigzuwerden.
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Und Sie haben die Stirn, hier locker, flockig hinzutreten und zu meinen, hier werde jemandem etwas vorenthalten. Wenn wir etwas rückübertragen, was Sie irrigerweise Vermögen nennen, dann übertragen wir Schulden, Verpflichtungen an die Burger, die unter Ihnen gelitten haben.
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Das ist die Wahrheit. All die elegante Rederei führt nicht an diesen Dingen vorbei.
Nun weiß ich auch, daß die Aufgabe, die vor uns steht, schwer ist. Es ist gut vorzeigbar, was von der Regierung, von der Treuhandanstalt, ihren Mitarbeitern und ihrer Leitung geleistet worden ist. Ich weiß aber auch, daß das nicht kritikfrei oder nicht verbesserungswürdig ist. Die Aufgabe ist viel zu schwer, als daß alles von vornherein in Ordnung sein könnte. Abel, verehrter Kollege, die Richtung stimmt. Ratschläge von Ihnen - ich wiederhole - sind unangebracht. Der Bankrotteur ist nicht der Marktwirtschaftliche Chefberater beim Wiederaufbau. Das verbietet sich von selbst.
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Ich komme zu einem anderen Punkt, zu dem von der Regierung vorgelegten Gesetz und der Absicht, den Finanzierungsrahmen zu erhöhen. Das ist sicherlich kein Traumgesetz, aber auf dem Hintergrund dessen, was Sie verursacht haben, leider auch in diesem Ausmaß unvermeidlich. Faktum ist auch - das ist gesagt worden -, daß vermutlich per Bilanz zum 31. Dezember dieses Jahres die Treuhand bei ihren Bemühungen, Staatseigentum, das, was sie an Flächen, an Gewerbe, an Unternehmen übernommen hat, an private Eigentümer zu überführen, mit den Kaufpreisen, den Abgabepreisen die Verpflichtungen nicht decken konnte. Wir haben eine Treuhandhaftung, die letztlich eine Staatshaftung, eine Steuerzahlerhaftung ist, von 150 Milliarden DM bereits mit Ablauf dieses Jahres.
Wir sprechen darüber, ob wir der Treuhandanstalt für ihre Aktivitäten in den nächsten drei Jahren einen weiteren Arbeitsrahmen, einen Kreditermächtigungsrahmen in der Größenordnung von dreimal 30 Milliarden DM zur Verfügung stellen, also noch einmal in der Grobschätzung knappe 100 Milliarden DM. Das wird gemacht, weil die Hinterlassenschaft so mies war, und nicht aus Freude, weil wir gerne Kredite einräumen oder Schulden machen. Das ist der Punkt.
Diese Ermächtigung ist richtig. Über Einzelheiten werden wir noch zu reden haben. Bislang hat es eine Ermächtigung über den Einigungsvertrag gegeben, und zwar in einer Größenordnung von 25 Milliarden DM. Das wird mehr werden. Ob wir dies gleich für drei Jahre machen müssen, welche Gegenerwartungen bestehen, die bei Vorrednern in bezug auf Information und Mitwirkung des Parlaments anklangen - dies ist heute erst die erste Lesung -, muß im weiteren noch sorgfältig abgeschmeckt werden. Die Summe von 30 Milliarden DM jährlich, und das für drei Jahre, ist als Wunsch und Wille, als Vorstellung und Notwendigkeit zu groß, als daß sie ohne parlamentarische Gegenerwartungen und Gegenkonditionen verabreicht werden könnte. Das kann in der soliden Haushaltsberatung aber noch untersucht werden. Die Richtung ist damit jedoch angedeutet, in der zu denken und zu arbeiten ist.
Das Kapitel PDS ist damit für mich abgehandelt.
Lieber Helmut Esters, die SPD muß in diesem Zusammenhang auch angesprochen werden.
({7})
- Das tue ich gern. Freut euch nicht zu früh. So solide seid ihr auch nicht dabei.
Ingrid Matthäus-Maier - sie hat ja eine passable, virtuose Grundausbildung bei der F.D.P. genossen - verlangt ja immer den Striptease der Staatsschulden.
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Da wir in zwei Bundesländern derzeit Wahlkampf haben, verlangen das auch andere. Man fordert immer: Schulden-Striptease, Kassensturz, Hose runter, Theo Waigel. Ich weiß gar nicht, was Sie alles sehen wollen.
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In der Zeitung lese ich: Alles soll auf den Tisch. Ich will das nicht weiter ausmalen.
Die Finanzierung des ökonomischen Teils - es gibt auch andere Komponenten, die mindestens ebenso wichtig sind, aber wir sprechen jetzt bevorzugt über den ökonomischen Teil - ist eine sehr ambitionierte und ökonomisch aufwendige Angelegenheit. Wer dies alles beklagt und in solch einer genüßlichen Form den Schulden-Striptease verlangt, soll doch nicht einen Antrag stellen und sagen: Wir erlassen alle Altschulden nach dem Motto Pi mal Daumen.
({10})
Wir machen das jetzt im Einzelfall. Das sind schon über 70 Milliarden DM. Wer das großzügig Pi mal Daumen, also pauschal machen will - gleichgültig, ob es sich um gut verkaufbares Meißener Porzellan oder um die notleidende Werftindustrie handelt -, erhöht die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung auf einen Schlag um rund 30 Milliarden DM.
Das, lieber Helmut Esters, kann nicht für eine sehr schlüssige und überzeugende Politik, wie ich vorsichtig sagen möchte, gehalten werden. So kann man es nicht handhaben.
Meine Redezeit ist offensichtlich noch kürzer, als sie mir vor Beginn meiner Anmerkungen zugeteilt worden ist.
Sie ist so gut wie beendet.
Definieren Sie es doch etwas wohlwollend, Herr Präsident.
Ich möchte nur noch drei Sätze aus der Sicht der F.D.P. sagen. Die Leitlinie „Privatisieren, Sanieren und auch Stillegen" ist vom Grunde her nötig. Da wir aber nicht mehr am Start, sondern bezüglich der Treuhanderfahrungen auf der Strecke sind, müssen die Akzente anders gesetzt werden. Die einfache Privatisierungsphase ist weitgehend vorbei. Wir müssen mehr Wert auf eine gute Vorbereitung der noch verbliebenen Unternehmen legen.
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Eine Führungs- und Sanierungsarbeit ist vonnöten. Wir haben Unternehmen sozusagen in kleine mittelständische Proportionen aufgeteilt, um sie besser verkaufen zu können. Wenn sie hier und da - bildhaft gesprochen - noch etwas zu unappetitlich sind, dann müssen wir sie gut verpacken, auch ein bißchen putzen. Wenn die Äpfel, die vom Baum fallen, nicht in Ordnung sind, muß man sie putzen.
Herr Kollege Zywietz, jetzt müssen Sie aber Schluß machen.
Das heißt, wir wollen eine Vorbereitung der verbliebenen Unternehmen, aber nicht um sie in eine Staatsholding einzubringen, sondern um sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu privatisieren.
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Mit dieser Akzentverlagerung begrüßen und begleiten wir die weitere Arbeit der Treuhand.
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Es ist so, meine Damen und Herren: Einige weniger erfahrene Kollegen wissen noch nicht, daß das Aufleuchten des gelben Lichts bedeutet, daß der Redner noch eine Minute Redezeit hat. Einige besonders erfahrene Kollegen - der Kollege Zywietz hat gerade ein Beispiel dafür geboten - schauen von dem Augenblick an, in dem das gelbe Licht aufleuchtet, grundsätzlich in die andere Richtung.
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Herr Kollege Grünbeck, es war keine Unfreundlichkeit von mir, Ihnen eben die Zwischenfrage nicht zu erlauben. Die Redezeit von Herrn Zywietz war aber schon abgelaufen; dann ist eine Zwischenfrage nicht mehr möglich.
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Kurt Rossmanith das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, daß der Kollege Zywietz bei Gelb wegschauen soll. Offensichtlich war es aber so. Lieber Kollege Zywietz, mir geht es allerdings genauso: Der Präsident hat mir durch seine Ausführungen offensichtlich eine Minute Redezeit weggenommen. Ich muß also auch versuchen, meine Rede etwas flott über die Bühne zu bekommen.
Die Treuhand hat nach wie vor die schwierige Aufgabe, ihren gesetzlichen Auftrag zur Förderung der Strukturanpassung der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu erfüllen. Sie wird das - Gott sei es geklagt - noch eine ganze Zeitlang zu tun haben.
Ich glaube, wir sollten uns bei aller Kritik immer vor Augen halten, daß die bisherige Bilanz mit rund 5 600 Privatisierungen, mit Investitionszusagen von rund 120 Milliarden DM und mit der Absicherung von knapp 1 Million Arbeitsplätzen - das sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen - durchaus beachtlich und mit Blick auf die Zukunft ermutigend ist,
({0})
um den eingeschlagenen Weg der zügigen Privatisierung, der entschlossenen Sanierung und, wo es erforderlich ist, natürlich auch der behutsamen Stillegung konsequent fortzusetzen.
({1})
- Seien Sie doch einmal ganz still. Ich kann es nur
wiederholen: Wenn sich der Brandstifter jetzt zum
Feuerwehrhauptmann aufspielt, dann habe ich dafür
keinerlei Verständnis mehr. Sie sollten mit Ihren Worten behutsam umgehen. Sie haben das zu verantworten; Sie sind der Verursacher. Sie haben das verschuldet. Sie sind der Bankrotteur dieses ehemaligen DDR-Staates. Sie haben diese Menschen 40 Jahre lang in schlimmster Art und Weise ausgebeutet. Sie spielen sich so auf, als wenn das überhaupt nicht gewesen sei, und sprechen nur noch von der Zukunft. Sie haben doch Sozialismus in Reinkultur betrieben; Sie haben uns 40 Jahre lang etwas vorgegaukelt. Die Folgen sind noch wesentlich schlimmer - wir hatten schon Schlimmes erwartet - als das, was wir erwartet hatten. Das sind doch die Ursachen dafür, weshalb wir uns heute mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen.
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Herr Kollege Rossmanith, ich muß Sie eine Sekunde unterbrechen.
Ich nehme jetzt eine Interpretation vor. Wenn Sie der zustimmen, ist die Sache in Ordnung; wenn nicht, wird es ein bißchen schwierig. Ich gehe davon aus, daß Sie, wenn Sie „sie" sagen und von Brandstifter, Bankrotteur und Verursacher reden, die politische Richtung und nicht die Person, d. h. den Kollegen der PDS/Linke Liste meinen, der vor Ihnen gesprochen hat. Ist diese Interpretation korrekt, oder haben Sie die Person gemeint?
Ich ergänze diese Interpretation mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, dahin gehend, daß ich damit das sozialistische System und die SED-PDS gemeint habe.
({0})
- Aber Sie sind die Nachfolgeorganisation. Gerade was Vermögen anbelangt, sollten Sie doch erst einmal Klarheit schaffen, bevor Sie über die Schulden anderer sprechen, die Ihre Vorgängerorganisation zu verantworten hat.
Ich betone noch einmal: Wir haben uns heute mit einem Gesetz zu befassen, das, lieber Kollege Esters, in seiner Ausführung - sprich: die 30 Milliarden DM, unter Umständen auch die 8 Milliarden DM, die dazukommen sollen - der Zustimmung des Haushaltsausschusses bedarf. Es ist damit logischerweise der parlamentarischen Kontrolle nicht entzogen. Somit stellen wir heute der Regierung keinen Blankoscheck für eventuelle Kreditermächtigungen aus.
Herr Kollege Rossmanith, Herr Kollege Dr. Heuer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Selbstverständlich.
Herr Abgeordneter, ich habe die Frage aufgeworfen, ob es richtig ist, von „behutsamer Stillegung " zu sprechen. Meinen Sie nicht, daß es das legitime Recht eines Abgeordneten ist, eine solche Frage unabhängig davon aufzuwerfen, was irgend jemand vorher gemacht hat?
Ich möchte sagen: Die Frage, ob sich die Stillegung behutsam vollzieht oder nicht, ist ganz wichtig. Sie wissen, was gegenwärtig in Ostdeutschland geschieht. Man kann dort in sehr vielen Fällen wirklich nicht von behutsam sprechen. Ich meine, daß ich als gewählter Abgeordneter das Recht habe, so etwas zu sagen, und daß Sie nicht das Recht haben, mir das abzusprechen.
Herr Kollege Heuer, Sie wollten eine Zwischenfrage stellen.
Ich wollte fragen, ob Sie das auch so wie ich sehen.
Herr Präsident, zunächst gehe ich davon aus, daß mir diese Zwischenfrage nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.
So ist es.
Zum zweiten, Herr Kollege Heuer: Ich stimme Ihnen natürlich zu, daß ich von behutsamer Stillegung gesprochen habe. Sie haben das aber in Frage gestellt. Es ist Ihr gutes Recht, das zu tun.
Unsere Aufgabe und unsere Verpflichtung, die wir der Treuhand gegenüber im Haushaltsausschuß und im Unterausschuß Treuhand gerade jetzt immer wieder zur Sprache bringen, ist: Natürlich müssen Stillegungen dort, wo sie nicht abzuwenden sind, so behutsam wie möglich durchgeführt werden. Wenn Sie mir hier zustimmen, kann ich das nur dankend zur Kenntnis nehmen.
Wir haben uns - ich will das noch einmal betonen - mit dem Gesetz zu beschäftigen, das die Treuhand auf diesem Weg in die Lage versetzen soll, den Umbau der Wirtschaft in den neuen Bundesländern entsprechend fortzusetzen. Für mich steht es außer Frage, daß der hierfür am besten geeignete Weg nach wie vor die Privatisierung möglichst vieler Unternehmen ist. Der Sachverständigenrat hat ja in seinem letzten Gutachten gerade für den Bereich mittlerer und kleiner Unternehmen auch festgestellt, daß das Privatisierungspotential noch nicht vollständig ausgeschöpft ist.
Es steht für mich auch fest: Um den dynamischen Prozeß der Privatisierung fortzusetzen, sind wettbewerbliche , transparente Ausschreibungsverfahren wichtig und notwendig. Die vermehrte Einschaltung nationaler und internationaler Unternehmensvermittler mit dem Ziel, gerade ausländische Investoren zu gewinnen, wird deshalb von uns allen ausdrücklich begrüßt. Auch Beteiligungsgesellschaften sollen ja verstärkt eingeschaltet werden.
Demgegenüber - jetzt, Herr Kollege Esters, muß ich doch mit einem kurzen Satz auf Ihre Ausführungen eingehen - ist das, was Ihre Partei will, nämlich einen generellen Schuldenerlaß für Treuhandunternehmen einzuführen, natürlich schon angesichts der schwierigen Haushaltslage sicherlich nicht finanzierbar. Ich will nicht wiederholen, was Kollege Zywietz zu diesem Teil schon gesagt hat. Hier würden wir einen
wesentlich gefährlicheren Blankoscheck unterschreiben, als wenn wir die gesetzliche Regelung, die die Bundesregierung auf den Weg bringen will und die in das parlamentarische Verfahren Eingang finden wird, mit der weiteren Kontrolle des Haushaltsausschusses beschließen.
Beschlüsse über Altschulden können sicherlich nur im Einzelfall gefaßt werden. Dabei ist festzustellen, daß die Treuhandanstalt in zahlreichen Fällen Unternehmen von ihren Altschulden ganz oder teilweise befreit hat, soweit diese Altschulden einer erfolgreichen Entwicklung im Wege standen. Ich glaube, das muß auch für die Zukunft das Kriterium sein.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Nach meinem Informations- und Kenntnisstand ist an der Frage der Altschulden bislang noch kein Verkauf und keine Privatisierung gescheitert. Ich glaube, auch das ist ganz wichtig.
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- Das gehört in diesem Rahmen mit dazu, Herr Kollege Kuessner. Aber das ist für mich das entscheidende Kriterium. Wir werden uns ja im Laufe der weiteren Beratungen noch mit diesem Thema befassen.
Ich halte es für richtig - um das abschließend noch einmal zu sagen -, dieses Gesetz so zu beschließen. Damit geben wir der Treuhandanstalt einen weiteren Kreditrahmen, und gleichzeitig haben wir eine verstärkte generelle Kontrolle, also nicht nur über den Betrag von 30 Milliarden DM. Insoweit unterstreiche ich Ihre Ausführungen, Herr Kollege Esters, ausdrücklich.
Herr Kollege Rossmanith, Sie sind weit über Ihrer Redezeit.
Herr Präsident, ich beende meine Ausführungen.
Ich will nur noch anfügen, daß wir diese verstärkte Kontrolle auch wahrnehmen und erforderlichenfalls im Gesetz verankern müssen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich sage ja nicht aus Gaudi, daß die Redezeit beendet ist. Das Licht leuchtet auch auf. Wenn Sie mit der Einleitung „Lassen Sie mich als letzten Satz sagen" noch anderthalb Minuten reden, ist das eine Sache, die Sie vor Ihren Kollegen zu vertreten haben; denn das wird dem nächsten Redner Ihrer Fraktion abgezogen. Die Parlamentarischen Geschäftsführer vereinbaren das. Ich bitte doch herzlich, das Licht zu beachten und sich an die Redezeiten zu halten.
Als nächstem erteile ich das Wort dem Abgeordneten Werner Schulz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann viel zur PDS, aber relativ humorvoll, relativ wenig zum Thema sagen. Kollege Zywietz hat das insbesondere demonstriert.
Die Bilanz der Treuhandanstalt ist beeindruckend. Die Zahlen der Privatisierung und der damit verbundenen Zusagen für Investitionen und Arbeitsplätze vermitteln den Eindruck, daß es stetig aufwärtsgeht. Ich will die Erfolge der Treuhandanstalt bei der Privatisierung gar nicht schmälern. Sie hat mehr Unternehmen verkauft, als es zu erwarten war. Dennoch, das monatliche Zahlenfeuerwerk täuscht über die tatsächliche Entwicklung in den ostdeutschen Unternehmen, namentlich im verarbeitenden Gewerbe, hinweg. Dort geht es nämlich nicht aufwärts, sondern immer noch bergab.
Mittlerweile hat sich die Produktion zwar stabilisiert - wenn auch auf erschreckend niedrigem Niveau -, doch der Abbau von Arbeitsplätzen ist noch immer voll im Gange, und zwar nicht nur in der Industrie, sondern gleichermaßen in der Landwirtschaft. Selbst im Dienstleistungssektor, auf den die größten Hoffnungen gerichtet waren, ist die Arbeitsplatzbilanz negativ. Ohne industrielle Basis wird es auch hier entgegen den geweckten Erwartungen keine durchgreifende Besserung geben.
Das ist zu einem beträchtlichen Anteil darauf zurückzuführen, daß die Treuhand bei der Sanierungsaufgabe bisher versagt hat. Die vielfältigen Initiativen, das zu ändern, sind von der Bundesregierung immer wieder abgeblockt worden, obwohl auch in den Reihen der Koalition die Kritik an der Passivität bei der Sanierung nicht abreißt.
Erst jetzt - viel zu spät - unternimmt die Treuhandanstalt mit der Schaffung von Management-KG s zaghafte Anläufe, auch jenseits der Privatisierung in aktive Sanierungspolitik einzusteigen. Doch wenn Sie sich, meine Damen und Herren, den Jahresplan der Treuhandanstalt für das laufende Jahr einmal ansehen, werden Sie feststellen, daß bei den dort gemachten Vorgaben eine aktive Sanierung in nennenswertem Umfang überhaupt nicht möglich ist. Zwar werden von der Treuhandanstalt ca. 20 Milliarden DM für Sanierung und Rekonstruktion ausgewiesen - oder für das, was die Treuhand dafür hält -, doch bei genauerem Hinsehen verflüchtigen sich die Zahlen.
Für Investitionen und Eigenkapitalaufstockung sieht der Jahresplan nur ca. 5 Milliarden DM vor. Das ist völlig unzureichend. Das entspricht gerade einmal 3 200 DM pro Arbeitsplatz oder anders gerechnet: Mit dieser vorgesehenen Summe lassen sich etwa 27 000 Arbeitsplätze finanzieren bzw. erhalten, wenn man die Kosten zugrunde legt, die für die Schaffung eines Arbeitsplatzes heutzutage gerechnet werden. Das ist angesichts von 1,4 Millionen Arbeitsplätzen in Treuhandunternehmen, die zum größten Teil gesichert werden müssen, viel zuwenig.
Die für die Sanierung ökologischer Altlasten vorgesehenen ca. 900 Millionen DM verfehlen die Dimension des Problems ebenfalls.
Herr Kollege Kriedner, Sie weisen darauf hin, niemand habe ein Finanzierungskonzept vorzulegen. Ich ersehe daraus nur, daß Sie unseren Gesetzentwurf nicht gelesen haben. Aber Sie haben auch den Spiritus rector der Sozialen Marktwirtschaft, Ihren Altvater Ludwig Erhard, nicht gründlich gelesen. Denn spätestens bei ihm wären Sie auf das Investitionshilfegesetz
Werner Schulz ({0})
von 1952 gestoßen, das Ihnen den für die Sanierungsaufgabe erforderlichen Finanzierungsschub verdeutlicht hätte. Aber vielleicht gibt Ulf Fink Ihnen etwas Nachhilfe.
Die von der Treuhandanstalt verbürgten Liquiditätskredite und hohen Sozialplankosten haben überhaupt nichts mit Sanierung zu tun. Anscheinend soll mit großen Public-Relation-Tricks verdeckt werden, daß die Treuhand ihre unternehmerische Eigentümerverantwortung für die noch nicht privatisierten Firmen völlig ungenügend wahrnimmt.
Herr Kollege Schulz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kriedner?
Ja, natürlich.
Herr Kollege Schulz, stimmen Sie mir darin zu, daß auch ein Investitionshilfegesetz lediglich aus den Staatsfinanzen zu finanzieren ist und sich die Staatsschulden damit gegebenenfalls um genau den Betrag erhöhen würden, den Sie beklagen? Das heißt für mich, daß das, was Sie uns da vorlegen, kein Rezept ist. Sie gehen damit lediglich denselben Weg, der hier etwas anders beschritten wird.
Herr Kollege Kriedner, ich gehe darauf gern ein. Das Investitionshilfegesetz von 1952 ist, wenn man es genau betrachtet, eine Zwangsanleihe gewesen. Damit ist in den 50er Jahren 1 Milliarde DM zusammengetragen worden, um der in Not geratenen Industrie - der Stahlindustrie, dem Kohlebergbau - zu helfen. Sie müßten das heute natürlich kreativ anwenden.
Wie gesagt, ich würde Ihnen empfehlen, sich innerhalb Ihrer Partei einmal mit Ulf Fink auseinanderzusetzen. Der hat es für meine Begriffe sehr gut modifiziert, indem er sagt: Wir müssen dafür sorgen, daß diejenigen, die aus dem Osten nur Gewinne ziehen, dort aber keine Arbeitsplätze schaffen, nun endlich zur Kasse gebeten werden und ihnen dieses Geld abgezogen wird, um beispielsweise die industrielle Substanz im Osten zu erhalten. Das halte ich für sehr vernünftig. Das ist ein Vorschlag, den auch wir unterstützen. Ich denke, dafür ließe sich sogar im Bundestag eine breite Mehrheit gewinnen.
({0})
- Sie müssen ja nicht überzeugt werden, aber Teile Ihrer Partei könnten das durchaus.
({1})
Meine Damen und Herren, die Treuhand muß in eine aktive und energische Sanierung einsteigen. Die Einwände, die immer wieder gegen diese Forderung erhoben werden, gehen, so berechtigt sie im einzelnen sein mögen, angesichts fehlender Alternativen ins Leere.
Nun hat in dieser Woche die SPD ihr lange angekündigtes Treuhandgesetz vorgestellt. Wir stimmen, wie Sie wissen, weitgehend überein. Aber zwei Dinge müssen dazu doch gesagt werden: Zum einen ist es für mich unfaßbar, warum in der SPD-Fraktion diese für den Aufbau in Ostdeutschland zentrale Initiative ein ganzes Jahr lang verschleppt worden ist. Zum zweiten muß ich feststellen, daß der Lohn der Mühen mehr als dürftig ausgefallen ist.
Der Ausgewogenheit halber möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, daß in der Sanierungsfrage die Abgeordneten der Ost-CDU ebensowenig Grund haben, sich auf die Schulter zu klopfen. Von ihrer Forderung nach einer anders angelegten Treuhandpolitik ist nach einigen Kanzlergesprächen kaum mehr als nichts übrig geblieben. Wenn Sie, die Abgeordneten der Ost-CDU, sich hier in Bonn fortwährend über den Tisch ziehen lassen, dann tun Sie mir bitte den einen Gefallen und spielen Sie sich zu Hause in Ihren Wahlkreisen nicht als die großen Treuhandkritiker auf.
Meine Damen und Herren, den Antrag auf Einsetzung eines Vollausschusses Treuhandanstalt unterstützen wir. Auch der Wechsel im Vorsitz des Unterausschusses hat an der mangelnden Effizienz dieses Gremiums nichts geändert. Mit der Einsetzung eines Vollausschusses allein ist es aber nicht getan. Der Ausschuß muß wirklich kontrollieren und wirksamen Einfluß ausüben und nicht wie bisher Entwicklungen lediglich nachvollziehen und zur Kenntnis nehmen. Der Ausschuß in seiner jetzigen Form wird immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt und verschaukelt.
Einige Bemerkungen zum Kreditaufnahmegesetz:
Erstens. Der vorgesehene Kreditrahmen von 30 Milliarden DM jährlich berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße den Finanzierungsbedarf für Investitionen in den Treuhandunternehmen und für die ökologische Sanierung.
Zweitens. Nach heutiger Kenntnis ist in einigen Jahren mit einer Verschuldung der Treuhand von mindestens 250 Milliarden DM, wahrscheinlich sogar deutlich darüber, zu rechnen. Diese Verschuldung kommt zum großen Teil auf den Bund zu. Für die Finanzierung ist Vorsorge zu treffen. Darauf müssen die künftigen Haushalte durch entschlossenen Rüstungs- und Subventionsabbau vorbereitet sein. Der jüngste Monatsbericht der Bundesbank unterstreicht das ausdrücklich.
Drittens. Die Kreditaufnahme muß unseres Erachtens an die Zustimmung des Bundestages zum jeweiligen Jahresplan der Treuhandanstalt gebunden werden. Das wäre ein Beitrag, das Ausufern der Schattenhaushalte und die damit betriebene Aushöhlung des Haushaltsrechts einzudämmen.
Doch, meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor. Es geht nicht nur um das knappe öffentliche Geld, um die reine Lehre der freien oder meinetwegen Sozialen Marktwirtschaft und des Privateigentums. Der Privatisierungswahn und die Verweigerung aktiWerner Schulz ({2})
ver Sanierung haben andere Ursachen. Es geht offenbar darum, daß im Osten mittelfristig keine Firmen entstehen sollen, die mit staatlicher Unterstützung Westfirmen auf den gleichen Märkten Paroli bieten können.
({3})
Eines von vielen Beispielen, die mich jüngst erreicht haben, ist der Verdrängungsfeldzug des Weltkonzerns Beiersdorf AG gegen die kleine Verbandspflasterfabrik GOTHAPLAST.
({4})
Auf einigen Vorstandsetagen wird der Aufschwung offensichtlich als Leberhaken Ost geplant.
({5})
Herr Kollege Hinrich Kuessner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Kohl brachte 1990 viele Hände im Osten in Bewegung. Sie klatschten ihm Beifall. Nach der Bundestagswahl verordnete er mit seiner Politik diese Hände zur Untätigkeit.
Ich erlebe in meiner Wohngegend in Vorpommern immer mehr Resignation und Wut. Beides ist für die Gestaltung von Zukunft unbrauchbar.
({0})
Die Politik der Regierung schafft im Osten keine Aktivitäten, keine schöpferische Unruhe. Die Menschen wollten loslegen. Aber sie wurden durch falsche politische Rahmenbedingungen daran gehindert.
({1})
- Kommen Sie einmal zu uns nach Vorpommern. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns in Greifswald einmal gemeinsam mit den Menschen unterhalten könnten.
({2})
Es ist sehr einfach, in Bonn „Ha! Ha! Ha!" zu sagen. Kommen Sie vor Ort! Man merkt immer stärker, daß CDU-Politik für den Osten von Westdeutschen gemacht wird, die kaum Kontakt zu den Menschen bei uns haben. Wenn sie Kontakt haben, dann wissen sie schon vorher, was das Richtige ist. Ihre Politik wird vor allem von den Interessen und auch von Ideologien der Menschen im Westen bestimmt. Ihre vielen Regelungen und Gesetze setzen die Menschen in den neuen Ländern in die zweite Reihe.
Einige Beispiele: Der Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung bevorzugt besonders die Alteigentümer aus dem Westen vor den Einheimischen. Alteigentümer kommen vor allem aus dem Westen. Wir haben nichts gegen sie, aber das, was passieren muß, ist, daß diese Entscheidungen nicht einseitig zu Lasten derer, die bei uns wohnen, fallen.
Mit kurzfristigen Pachtverträgen kann in der Landwirtschaft nicht gewirtschaftet werden. Umstrukturierte LPG können so keine Sanierungspläne verwirklichen. Bei Einjahresverträgen geben Banken keine Kredite.
Beim Siedlungskauf braucht der Erwerber Kapital für das Land und für die Investitionen. Dies haben in der Regel nur die Menschen im Westen. Nur „Privatisierung vor Sanierung" gibt den Menschen im Osten keine Chance, Eigentümer und Geschäftsführer zu werden.
Man sagt, es sind keine Menschen aus den neuen Ländern da, die Verantwortung übernehmen wollen. Falsch ist das! Vielmehr ist es so, daß die Politik den Menschen nicht die Möglichkeit gibt, zu zeigen, was sie können. Wenn ich keinen Kredit bekomme, kann ich nicht starten.
Natürlich gibt es positive Ansätze. Es hat sich manches verändert. Aber die Grundstimmung ist schlecht. Es verstärkt sich das Wissen: Diese Regierung hat keine Vision für die Zukunft im Osten. Es werden nur billige Bilder von blühenden Landschaften gemalt. Es kommt das nicht herüber, was werden soll und wie sich die Menschen einbringen können. Es wird alles so geschäftsmäßig abgehandelt. Anträge über Anträge werden ausgefüllt und überschwemmen die Schreibtische. Das Nichtstun wird organisiert, aber nicht das Tätigsein.
Der Freude über die Einheit folgte der Frust über das Nicht-mehr-gebraucht-werden. Wenn Sie z. B. nach Greifswald oder in andere Teile der neuen Länder kommen und sich in das Gespräch mit Menschen einlassen, werden Sie dies gerade sehr stark spüren.
({3})
- Hören Sie dort auch zu? - Ich würde uns wünschen, daß wir an diese Probleme gemeinsam herangingen und versuchten, das Positive herüberzubringen.
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- Ja, ich diffamiere nicht.
Die Umstrukturierung der Gesellschaft und der Wirtschaft braucht Politiker, die gestalten können. Mit schneller Privatisierung allein ist die Umstrukturierung nicht zu machen. Darum wird die SPD immer wieder eine Strukturpolitik von der Bundesregierung einfordern, eine Strukturpolitik, die den Menschen vor Ort einbezieht, die nicht kurzfristig nur darauf zieht: Was kostet mich das?
Keine Industrie und viel Arbeitslosigkeit, das wird auf Dauer teuer und erzeugt soziale Spannungen. Es ist doch nicht normal, daß Tausende Tag für Tag arbeitslos werden und daß „Abwicklung" das prägende Wort der Wirtschaftspolitik geworden ist.
Deshalb können wir unseren Antrag auf Unterstellung der Treuhandanstalt unter das Wirtschaftsministerium nicht mehr guten Gewissens aufrechterhalten, weil Minister Möllemann gerade dies vermissen
läßt. Aktivitäten für Strukturpolitik erleben wir bei ihm nicht. Das letzte Beispiel war die Werftenfrage.
({5})
- Danke schön, daß Sie mir in diesem Fall recht geben.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Chance für eine Trendwende vertan.
({6})
Die Diskussion um die Werften auf Bundes- und Landesebene in der Koalition ist chaotisch. Sie dient nicht der Zukunft des Landes, sondern allein der. Machterhaltung in Schwerin.
({7})
Sie hinterläßt bei vielen Menschen Unsicherheit hinsichtlich ihres Arbeitsplatzes. Dabei hätte man von den Werften aus in Mecklenburg-Vorpommern die Erneuerung gestalten können. Um die Werftenstandorte könnte sich anderes ranken. Von den Werften können Zulieferer mit Aufträgen rechnen. Daraus kann man allgemeine Industriestandorte entwikkeln.
({8})
- Wir hätten uns viel besser auf das Sanierungskonzept der DMS einlassen können; dann hätten wir eine ganz andere Diskussion geführt. Was dann privat zu einem späteren Zeitpunkt daraus geworden wäre, hätte man dann sehr gut überdenken können.
Der Treuhandunterausschuß hat sich leider mit dieser Frage im Vorfeld kaum beschäftigt, obwohl wir das mehrfach verlangt haben.
({9})
- Aber zu einem sehr, sehr späten Zeitpunkt, als die Entscheidungen längst gefallen waren. Erst als der Graf und als Krause schon gesprochen hatten, sind wir mit der Frage in Berührung gekommen.
({10})
Die Uhr des Redners läuft!
Die erste ausführliche Information wurde von der Regierung im Ausschuß erst gegeben, als schon alles gelaufen war.
Aber nicht nur bei diesem Thema mußten Abgeordnete aller Fraktionen die Informationspolitik der Regierung in Sachen Treuhandanstalt kritisieren. Die Forderung der SPD nach einem Vollausschuß macht schon Sinn.
({0})
Sie wird aber vom Parlament nicht ernst genommen, wie sich gerade jetzt wieder durch Ihr „Nein" zeigt. Mir ist es nach den Erfahrungen im Treuhandunterausschuß völlig unverständlich, daß die Koalition unseren Antrag auf Einsetzung eines Vollausschusses ablehnt. Auch die Vertreter der Koalition kritisieren gerade, daß im Vorfeld zuwenig Information kommt.
Herr Kollege Kuessner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rossmanith?
Gerne.
Herr Kollege, sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, daß gerade durch die Konstruktion, daß der Treuhandausschuß ein Unterausschuß des Haushaltsausschusses ist, die parlamentarische Kontrolle verstärkt gegeben ist, weil dieses Thema dann nicht gänzlich losgelöst vom Haushaltsausschuß, sprich vom Finanzgebaren des Staates, ist? Sie haben gesagt, wir dürften nicht fragen, was uns das kostet, denn diese Frage sei mehr oder weniger nicht erlaubt, während Ihr Fraktionskollege Helmut Esters in die Debatte eingeworfen hat, daß die Verschuldung überhandnehmen würde und überhaupt nicht mehr tragbar wäre?
Sie hätten bei meiner Rede etwas genauer hinhören müssen.
({0})
Ich habe nicht gesagt, daß es mir egal sei, was das kostet, sondern habe nur gesagt, daß das nicht immer der einzige und auch nicht immer der erste Gesichtspunkt sein kann. Die Psychologie spielt in der Politik eine ganz erhebliche Rolle. Für mich ist es überhaupt keine Frage, daß der Treuhandausschuß ganz eng mit dem Haushaltsausschuß verbunden sein muß. Die Frage ist nur, ob die Aufgabe jetzt in einem so kleinen Ausschuß von stark belasteten Haushaltspolitikern richtig wahrgenommen werden kann. Es zeigt sich ja auch, daß wir in diesem Frühjahr wesentlich sinnvoller und effektiver arbeiten; im Herbst werden wir wieder größere Schwierigkeiten bekommen. Ich denke, daß es in diesem Ausschuß eine Mischung von Politikern geben muß. Neben den Haushaltspolitikern müssen die Wirtschaftspolitiker im Ausschuß vertreten sein; dann würde das Ganze sehr viel Sinn machen.
({1})
Die Überlegungen, wie das strukturiert wird, müssen sicher weitergeführt werden. Unter einem Minister Möllemann macht das Ganze keinen Sinn; da sind wir mit der CDU ja einer Meinung.
Der Markt braucht die Arbeitskraft der Menschen im Osten kaum. Das ist ein Erlebnis, das wir in den neuen Ländern erst einmal verkraften mußten. Im Westen stellt man fast alles besser und billiger her; den Osten kann man mitversorgen. Wer dieser These nicht folgen will, muß aktive Strukturpolitik machen, und das wollen wir.
Nach unserer Auffassung darf Sanierung nicht erst dann ansetzen, wenn Unternehmen privatisiert werden. Sie muß bei den Unternehmen, die als langfristig sanierungsfähig und volkswirtschaftlich förderungswürdig eingestuft werden, jetzt beginnen, auch wenn diese nicht verkauft werden können. Dazu müssen individuelle Sanierungskonzepte aufgestellt werden. Man sollte Unternehmen bis zu vier Jahren diese Chance geben.
Kernpunkte aktiver Sanierung sind für uns: Den Unternehmen muß Kapital zur Verfügung gestellt werden. Hier können z. B. die Finanzhilfen, die Unternehmen auch bei der Privatisierung zur Verfügung gestellt werden, zum Maßstab genommen werden. Bei den Werften sind das ganz erhebliche Beträge. Bei drei Betrieben geht man von ca. 3 Milliarden DM aus, beim Rest von nochmals einer Milliarde. Damit läßt sich in der Sanierung sehr viel machen.
Die Entschuldung muß grundsätzlich geregelt werden. Das gilt ganz besonders für die Landwirtschaft. Der Kreisbauernverband Angermünde schreibt in einem Brief:
Die Existenz aller Betriebsformen, die aus LPG mit Altschulden gebildet wurden, ist gefährdet, wenn die Entschuldung der Altkredite nicht .. . mit teilweiser Schuldenstreichung und „ Besserscheinmethode " realisiert wird.
Das geht ja noch weiter: Die fehlende Entschuldung gefährdet die Auszahlung der Inventarbeiträge in den umstrukturierten LPGs. Dies ist wieder für die Wiedereinrichter betriebsgefährdend, weil sie nicht an das notwendige Kapital für den Aufbau ihrer Betriebe kommen. Das sind schwierige Zusammenhänge, die man richtig nur erkennt, wenn man vor Ort mit Betroffenen ins Gespräch kommt.
Es geht bei der Sanierung nicht nur um Geld. Im Sanierungsprozeß ist die Rolle der Treuhand als Dienstleister gefragt. Dabei spielen vor allem eine Rolle: Hilfe zur Erstellung der Unternehmenskonzepte, Managementhilfen, Unterstützung bei Beschaffung notwendiger Finanzhilfen, Hilfen zur Einrichtung neuer, marktgerechter Produktionslinien, Lösung sanierungshemmender vermögensrechtlicher Fragen. Für die Dauer des Sanierungsprozesses müssen die Geschäftsführer bzw. die Vorstände weitgehend eigenverantwortlich arbeiten können. Es darf hier kein Zentralismus betrieben werden; denn er verhindert - das wissen gerade wir, die wir in der DDR gelebt haben - marktgerechtes Verhalten.
({2})
Ziel der Sanierung ist für uns die Privatisierung, wobei wir staatliche Beteiligungen nicht ausschließen. Ein sehr gutes Beispiel ist für uns immer wieder Bayern. Ich habe das schon einmal in einer anderen Rede hier genannt und brauche das darum nicht auszuführen.
Das wichtigste Ziel unserer Politik ist: Die Initiative und Energie der Menschen im Osten soll freigesetzt werden. Wir wollen nicht nur für unsere Bürgerinnen und Bürger, sondern mit ihnen Zukunft gestalten. Sofortige Sanierung bei Betrieben, die sich jetzt nicht privatisieren lassen, wird bei uns Menschen motivieren, für ihren Arbeitsplatz alles einzusetzen.
Heute existieren in den neuen Ländern nur noch ca. 250 Industriebetriebe mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Ohne Industriestandorte wird es aber nicht den erhofften Aufschwung Ost geben. Von dieser Politik hat keiner etwas, weder die Menschen im Osten noch die Menschen im Westen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, selbst diesen Anträgen nicht zustimmen wollen, so bringen Sie doch endlich eigene ein, die den Menschen im Osten Zukunft eröffnen. Mir ist es gleichgültig, welche Partei die richtigen und mehrheitsfähigen Anträge einbringt. Nur muß es jetzt passieren! Sonst werden wir alle später den Scherbenhaufen wegzuräumen haben.
Danke.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dietrich Austermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch wenn man das Thema der Debatte verfehlt, darf man sich nicht erlauben, zu versuchen, die Dinge völlig auf den Kopf zu stellen. Wir reden heute über verschiedene Dinge der Kreditfinanzierung und der Organisation der Arbeit der Treuhand. Der Kollege Kuessner hat die Situation aber in einer Weise beschrieben, die schon etwas merkwürdig ist.
Herr Kuessner, ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, den Eindruck zu erwecken, daß für die gegenwärtige Situation in den neuen Bundesländern die Bundesregierung die Verantwortung trägt. Die Verantwortlichen sind ganz klar diejenigen, die die Situation verursacht haben.
({0})
Dies soll man auch nicht verdrehen. Und darüber täuschen Sie auch nicht dann hinweg, wenn Sie versuchen, das am Beispiel der Werften festzumachen.
Weil eine große Zahl Zuhörer hier ist, will ich noch einmal ganz deutlich machen, wie sich das abgespielt hat.
(Konrad Gilges [SPD]: Es geht darum, wie das
Problem gelöst wird}
- Natürlich auch, wie es gelöst wird. - Die erste Entscheidung der Treuhandanstalt zu den Werften wurde von maßgeblichen Gewerkschaftsvertretern mitgetragen.
({1})
Wir haben das noch einmal nachgelesen: Maßgebliche Gewerkschaftsbosse, die im Verwaltungsrat saßen, waren daran mitbeteiligt. Dafür, daß der DGB- Vorsitzende selber für diesen wichtigen Termin keine Zeit hatte, können wir nichts. Aber die anderen waren da. Bis auf den Vertreter der IG-Metall haben alle zugestimmt. Die Arbeitnehmer in den Werften haben selbst begrüßt, welche Entscheidung dabei herausgekommen ist. Sie sagten, ihnen falle ein Stein vom Herzen, daß die Entscheidung so gefallen ist.
Da können Sie doch nicht den Eindruck erwecken, es ginge alles abwärts. Daß die Hälfte der Werften damit noch nicht gesichert ist, ist ganz klar. Das soll aber geschehen, und es soll nach dem gleichen bewährten Modell geschehen: Privatisierung ist die beste Sanierung. Es kann doch nicht richtig sein, daß der Staat unrentable Betriebe weiter aufrechterhält.
({2})
Das haben sie 40 Jahre gemacht und wollen das jetzt fortführen. Wo kein Markt ist, wo kein Käufer ist, wo kein intakter Betrieb besteht, kann aber auch der Staat keinen Betrieb aufrechterhalten.
({3}) Dies ist, glaube ich, ganz klar.
Heute ist natürlich der Staat mit gewaltigen Beträgen in der Verantwortung. Für die Werften, für die jetzt entschieden worden ist, stellt der Staat 3,5 Milliarden DM zur Verfügung, um überhaupt einen Käufer zu finden. Der Käufer zahlt keinen Preis; nein, er bekommt 3,5 Milliarden DM, um in diesen Werften 7 000 Arbeitsplätze zu übernehmen. 3,5 Milliarden DM für drei Betriebe - ich glaube, dies macht die Anstrengung deutlich.
({4})
Und dann die zweite Forderung, Frau MatthäusMaier, die Sie dauernd stellen: Sie stellen sich doch dauernd her und erzählen Märchen über die Situation der Staatsverschuldung. Dann kann man doch nicht dauernd Forderungen erheben, die in dreistellige Milliardenhöhe gehen, um den Staat zu plündern und hinterher zu sagen: Ihr habt eine viel zu hohe Verschuldung.
({5})
Ich möchte etwas zur Frage der Organisationsform sagen. Die SPD will die Fach- und Rechtsaufsicht übertragen. Das heißt, sie wollte es, bis der Kollege Kuessner eben gesprochen hat. Also brauchen wir uns damit nicht auseinanderzusetzen. Das erinnert auch so ein bißchen an die alten Pläne, daß man Wirtschafts- und Sozialräte einrichtet, daß man staatlich alles in der Wirtschaft lenken kann. Natürlich, nichts anderes steht doch dahinter, als daß hier zentrale Einflußnahme stattfinden soll.
Was die PDS will, nämlich „reorganisieren", verharmlost einfach nur die tatsächliche Situation. Es geht hier nicht um Reorganisation, sondern urn Wiederaufbau. Die Überalterung der baulichen und maschinellen Anlagen, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit wegen nicht marktfähiger Produkte, hoher Produktivitätsrückstand sowie enorme ökologische und ökonomische Altlasten, das läßt sich nicht einfach mit dem Wort „Reorganisation" beiseite räumen, sondern erfordert gewaltige Milliardenbeträge. Dieses Problem kann man auch nicht dadurch lösen, daß man sagt: Wir müssen nun im Verwaltungsrat 50 % Gewerkschafter haben. Was das bedeutet, wissen wir seit Co op und Neue Heimat. Wir sind der Meinung,
daß kaufmännisches Management die Führung der Treuhand übernehmen sollte.
({6})
Da reicht auch Brüllen nicht aus. Das ist, glaube ich, auch klar.
({7})
Auch der Wunsch, ein verbrieftes Anteilsrecht am ehemaligen volkseigenen Vermögen einzuräumen, dürfte nicht auf Interesse der Landsleute in den neuen Bundesländern stoßen. Wir haben einmal ausgerechnet: Die Schulden, die bisher aufgelaufen sind, und das, was wir an Kreditrahmen der Treuhand jetzt zur Verfügung stellen, summiert sich auf einen Betrag von etwa 230 bis 250 Milliarden DM. Wenn man das auf die 16 Millionen ehemaligen DDR-Bürger am 3. Oktober 1990 umverlagert, hat jeder 13 000 DM Schulden. Wenn nur dies das Ergebnis der Belastung von 40 Jahren Sozialismus wäre, wäre es ja noch zu ertragen. Es kommen aber viele andere Lasten noch dazu.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir auch deutlich machen müssen, daß die Treuhand beim Bundesfinanzminister gut aufgehoben ist. Es war seit jeher der Fall, daß industrielles Bundesvermögen vom Finanzministerium verwaltet wird. Bundesvermögensämter sind geübt in derartigen Angelegenheiten. Die Größenordnung der Verschuldung der Treuhandanstalt läßt sich mit dem Schuldenmanagement des Finanzministeriums am besten regeln. Man muß auch deutlich sagen, daß die Vorschläge der SPD insoweit keine Verbesserung bringen.
Vielleicht sollte man noch einmal in Erinnerung rufen, wie die Situation in den neuen Bundesländern war, als sie noch DDR hießen. Wir wissen, daß Herr Modrow, dessen Reprivatisierungen inzwischen korrigiert werden müssen, davon sprach, es sei eine Perle des volkseigenen Vermögens vorhanden, das etwa eine Billion Mark beträgt. Jeder weiß inzwischen, daß das eine vorsätzliche Täuschung war. Der zuständige SED-Mann in der Stasi hat im Frühjahr 1989, vor der Wiedervereinigung, vor der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, davon gesprochen, daß in der DDR ein Sanierungsbedarf von 500 Milliarden Mark vorhanden sei. Dies hat übrigens auch Mielke später einmal bestätigt. Das macht vielleicht auch deutlich, daß die PDS als Nachfolgeorganisation der SED die letzte ist, die uns etwas über blühende Wirtschaft und blühende Landschaften, die es damals gegeben habe, erzählen könnte.
Um Fehlentwicklungen und falsche Informationen, wie sie in den letzten Wochen in Sachen Werften zu verzeichnen sind, künftig zu vermeiden, halten wir es für erforderlich, daß Fälle von dieser Bedeutung - da sind wir uns, glaube ich, mit der SPD einig - vorher zumindest im Treuhandausschuß erörtert werden sollen, auch damit einer gezielten Fehlinformation der Bürger und der Betroffenen entgegengewirkt werden kann. Wir halten das für dringend erforderlich und hoffen, daß die Beratung der entsprechenden Anträge in den Ausschüssen auch zu einer stärkeren inhaltlichen Beteiligung des Treuhandausschusses führt,
ohne daß wir unsere Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der Treuhand setzen wollen.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Ulrich Briefs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Handhabung des Wirtschaftsaufbaus im Osten durch Bundesregierung und Treuhandanstalt gerät zur Tragödie, zur Tragödie für immer mehr Menschen, die in die Arbeitslosigkeit, den Verlust der Existenzgrundlage und den Sinnverlust für ihr restliches Leben abgedrängt werden.
Es gibt kein drängenderes, kein drückenderes Problem, wie ich immer wieder in zahlreichen Gesprächen in Ostdeutschland vernehme, als den Verlust des Arbeitsplatzes oder die Sorge, was denn sein wird, wenn die ABM-Stelle, die man jetzt noch hat, ausläuft.
Die Treuhandanstalt hat hieran nicht die Alleinschuld. Hauptschuldiger ist die Bundesregierung mit ihrer Plan- und Konzeptionslosigkeit. Aber die Treuhand hat ein gerüttelt Maß an Mitschuld. Über ein Jahr Privatisierung durch die Treuhandanstalt liegen nun hinter uns. Das Ergebnis ist katastrophal: über 1,3 Millionen Arbeitslose, 500 000 Kurzarbeiter; weitere 300 000 bis 600 000 Entlassungen in Treuhandbetrieben sind im kommenden Sommer abzusehen.
Übrigens: Nichts ist geschehen, als wir im vorigen Sommer vor dem Abbau von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen im gerade vergangenen Winter - wie es dann tatsächlich auch geschehen ist - gewarnt haben.
Die Produktion im Osten kommt nicht in Gang. Der Osten der neuen Bundesrepublik Deutschland droht auch dank der Treuhandanstalt zur perspektivlosen Dauerdepressionszone zu werden. Die Produktion im Osten kommt übrigens deshalb nicht in Gang, weil wir im Westen und weltweit, z. B. im Stahlbereich, bei den Werften und in anderen größeren Wirtschaftszweigen, seit Jahren, zum Teil seit mehr als einem Jahrzehnt, Überkapazitäten haben. Das ist der entscheidende Punkt.
Daran scheitert auch die Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt, wenn man sie an den Zielen des Produktionsaufbaus und der Arbeitsplatzbeschaffung mißt. Welche Werftengruppe, welcher Stahlkonzern, in der Zukunft welches Chemieunternehmen wird in Ostdeutschland neue Kapazitäten aufbauen, wenn die eigenen hochmodernen Kapazitäten im Westen nicht ausgelastet sind?
Der Aufschwung scheitert aber auch an der verfehlten Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Die Verschuldungsorgie dieser Bundesregierung hat dazu beigetragen, die Zinsen auf eine solche Höhe zu drücken - wie wir alle wissen -, daß auch die interne Verzinsung in den Unternehmen das ist der wesentlichste Bestandteil der mit Investitionen planmäßig zu erwirtschaftenden Profitrate - erheblich nach oben
gehen mußte. Das schreckt natürlich zusätzlich von Investitionen gerade im Osten ab.
An dieser Grundtatsache scheitert auch der marktradikale Anspruch - wenn er überhaupt mehr als politische Rhetorik ist -, im Osten das Wirtschaftswunder der 50er Jahre im Westen zu kopieren.
Was daher in bezug auf die Treuhandanstalt her muß, ist ein Wechsel der Grundkonzeption. Das setzt aber wiederum voraus, daß die Bundesregierung von ihrem Credo „Die Marktwirtschaft wird's schon richten" abläßt und eine aktive Industriepolitik mit sozialen und ökologischen Prioritäten entwickelt.
({0})
Zu unterstützen ist die Forderung nach der Veränderung der Ziele der Treuhandanstalt. Sanierung muß durchlaufendes Ziel werden. Soziale, ökologische und volkswirtschaftliche Kriterien müssen neben die betriebswirtschaftlichen Ziele treten. Betriebswirtschaftliche Ziele Rentabilität, Wirtschaftlichkeit, Produktivität - müssen in der Form zur Geltung gebracht werden, daß sie soziale, ökologische und volkswirtschaftliche Ziele unterstützen. Ein marktradikales Weitermachen durch die Treuhandanstalt wird dagegen eine Industriewüste im Osten schaffen.
Insofern brächte die Unterstellung der Treuhandanstalt unter die Fach- und Rechtsaufsicht des marktradikalen Bundeswirtschaftsministeriums in der Tat nichts.
Verbundlösungen, wie bei den Werften von der IG Metall gefordert, müssen auch in der Zukunft und sicherlich in noch viel stärkerem Maße her. Nur, dann wäre es zumindest problematisch, die Treuhandanstalt aufzuteilen und den Landeswirtschaftsministern zu unterstellen, wie im PDS-Gesetzentwurf gefordert. Jeder Produktionsverbund und jeder Unternehmensverbund über die Landesgrenzen hinweg würde zu endlosem Tauziehen zwischen den Ländern führen, und zwar zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Deshalb ist diese Form der Regionalisierung abzulehnen.
Die Treuhandanstalt sollte sich intern wegorientieren von einer „Vermögens-noch-Verwaltungs-und-möglichst-schnell-Verscherbelungs-Gesellschaft" und statt dessen den Treuhandbetrieben Hilfestellung geben, und zwar im Zusammenhang mit der Anbahnung von Übernahme- und Kooperationsbeziehungen, Hilfestellung bei der Geschäftsfelderentwicklung, bei der Diversifikation, bei der Umstellung auf neue Produkte und Verfahren sowie bei der Entwicklung zweckmäßiger regional orientierter Produktionsstrukturen.
Wichtiger als die Schaffung eines eigenen Bundestagsausschusses ist nach meiner Auffassung die Entwicklung eines politischen Steuergremiums mit entsprechend ausgreifenden Rechten, das nach dem Muster des „Runden Tisches" zu schaffen wäre, der unmittelbaren Vertretung der Bürger und Bürgerinnen im Osten.
Die Erhöhung des Kreditrahmens - 7154
Herr Kollege Dr. Briefs, Sie haben Ihre Redezeit schon ein gutes Stück überzogen.
Ich komme auch schon zum Ende. - Die Erhöhung des Kreditrahmens der Treuhandanstalt und die riesigen weiteren Mittel, die aufgebracht werden müssen, belegen im Grunde auch, wie dringlich eine Reform der Treuhandanstalt an Haupt und Gliedern ist, schon damit nicht - wie der Kollege Esters zu Recht gesagt hat - aus der Treuhandanstalt das berühmte Faß ohne Boden wird.
Politisch verantwortlich war und ist aber die Bundesregierung. Sie muß eine Vorwärtsstrategie entwickeln; sie muß durchsetzen, daß an die Stelle der Hau-Ruck-Privatisierung durch die Treuhandanstalt wirklich ein auch und gerade sozial und ökologisch orientiertes Aufbauwerk tritt.
({0})
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Klaus Beckmann, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz im Gegensatz zu dem, was mein Vorredner hier gerade geäußert hat, darf ich feststellen: Nach anderthalbjähriger Tätigkeit ist die Zwischenbilanz der Treuhandanstalt positiv. Es ist der Treuhandanstalt nicht nur gelungen, innerhalb kürzester Zeit eine schlagkräftige Struktur mit einer Zentrale in Berlin und 15 regionalen Niederlassungen aufzubauen, sie ist auch in ihrer Umstrukturierungsaufgabe weit vorangekommen.
Die Treuhandanstalt hat ihren Unternehmensbestand durch Abspaltungen und Ausgründungen zwischenzeitlich auf ca. 11 300 Unternehmen erhöht. Davon waren Ende Februar dieses Jahres bereits über 6 000 Unternehmen verkauft. Etwa die gleiche Zahl von Unternehmen befindet sich noch in ihrem Besitz.
Die Treuhandanstalt hat durch den Verkauf Erlöse in Höhe von 20,3 Milliarden DM erzielt, und sie hat - was aus meiner Sicht noch viel wichtiger ist - die Grundlage für ein wirtschaftliches Wachstum in den jungen Bundesländern gelegt. Mit den Privatisierungen wurden nämlich Zusagen zur Sicherung von knapp 1 Million Arbeitsplätzen und Investitionszusagen von fast 120 Milliarden DM verbunden. Hierbei handelt es sich nicht etwa um wohlfeile Versprechungen, sondern um Verpflichtungen, die in den meisten Fällen mit Vertragsstrafen bewehrt und damit durchsetzbar sind.
Meine Damen und Herren, soweit die Unternehmen nicht veräußert wurden, sind sie von der Treuhandanstalt kritisch auf ihre Sanierungsfähigkeit hin überprüft worden. Das ist auf der Basis von Unternehmenskonzepten geschehen, die von den Betrieben selbst entwickelt und der Treuhandanstalt zur Genehmigung vorgelegt worden sind. Ein Team von Wirtschaftsprüfern hat diese Konzepte im Auftrag der Treuhandanstalt sehr kritisch gesichtet, mit dem
Ergebnis, daß etwa 70 % der Treuhandunternehmen als sanierungsfähig einzustufen sind.
Bei den meisten dieser Unternehmen hat die Treuhandanstalt zwischenzeitlich die D-Mark-Eröffnungsbilanz festgestellt und durch Befreiung von Altlasten oder durch Zufuhr von frischem Kapital eine Eigenkapitalausstattung hergestellt, wie sie in der jeweiligen Branche in den alten Bundesländern üblich ist. Darüber hinaus stellt die Treuhandanstalt für Investitionen im Rahmen des genehmigten Unternehmenskonzepts Bürgschaften bzw. Kredite zur Verfügung.
Damit sind jetzt entscheidende Weichen für eine wirtschaftliche Gesundung und spätere Privatisierung dieser Unternehmen gestellt. Ich verkenne dabei aber nicht, meine Damen und Herren, daß es noch offene Probleme insbesondere bei den Großunternehmen gibt; hier sind jetzt rasche Entscheidungen erforderlich.
Nicht privatisierbare und nicht sanierungsfähige Unternehmen sind abzuwickeln. Je nach Gestaltung des Einzelfalls hat die Treuhandanstalt dazu im Wege der stillen Liquidation oder der Gesamtvollstreckung vorzugehen. Von den bisher 1 100 stillgelegten Treuhandunternehmen wurde für die große Mehrheit - nämlich für über 900 Unternehmen - der Weg der stillen Liquidation gewählt. Durch Ausgründungen und durch den Erhalt rentabler Kernbereiche war es so immerhin möglich, ca. 28 % der betroffenen Arbeitsplätze zu erhalten. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß freiwerdende Grundstücke und Produktionseinrichtungen oft eine Keimzelle für die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie darstellen.
Meine Damen und Herren, dieser Kurs der Treuhandanstalt muß fortgesetzt werden. Dazu gehört eine angemessene Finanzausstattung. Die Bundesregierung hat hierzu ein Gesetz vorgelegt, das die Kreditaufnahme der Treuhandanstalt regeln soll, das ihr den erforderlichen finanziellen Spielraum in diesen und in den beiden folgenden Jahren einräumt: Dieses Geld ist gut investiert. Wichtig ist, daß die Treuhandanstalt dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Unternehmen je nach Lage des Einzelfalles jedenfalls so weit von Altverbindlichkeiten und Umweltaltlasten zu befreien, wie diese einer erfolgreichen Entwicklung im Wege stehen. Eine vollständige Entschuldung aber, wie sie von der SPD gefordert wurde, erscheint vor diesem Hintergrund weder erforderlich noch gar finanzierbar.
Es entspricht auch keineswegs den Tatsachen, daß die Treuhandanstalt unzureichend beaufsichtigt würde. Der Unterausschuß Treuhandanstalt des Haushaltsausschusses kümmert sich ja sehr eingehend um die Tätigkeit der Treuhandanstalt. Hinzu kommt: Die gemeinsame Fachaufsicht des Bundesministers der Finanzen und des Bundeswirtschaftsministers hat sich bewährt.
Ich will damit keinesfalls beschönigen, daß es in Einzelfällen auch zu Pannen und Fehlentscheidungen gekommen sein mag. Die Medien berichten hierüber nur allzu gerne, stellen diese Einzelfälle aber zu selten in den Kontext der zwischenzeitlich über 6 000 erfolgreich vorgenommenen Privatisierungen.
Meine Damen und Herren, die SPD-Anträge zur Änderung der parlamentarischen bzw. dienstrechtlichen Aufsicht der Treuhandanstalt erscheinen mir daher vordergründig. Politisch-taktische Gesichtspunkte haben hier wohl eine größere Rolle gespielt.
({0})
- Lieber Helmut Esters, ich unterstelle das einfach.
Eine klare Ablehnung verdient der PDS-Antrag mit dem Ziel einer Novellierung des Treuhandgesetzes. Hier wird ja lediglich das Ziel verfolgt, den erfolgreichen Privatisierungskurs zu beenden und die Treuhandanstalt mit der dauerhaften Führung der Unternehmen zu beauftragen. Das wäre ein Schritt zurück in die Vergangenheit in Richtung des Aufbaus einer neuen Staats- und Planwirtschaft.
({1})
Meine Damen und Herren, unser Ziel ist es, die Unternehmen in einem wettbewerblichen Umfeld möglichst rasch an private Investoren zu übergeben, die dann voll die unternehmerische Verantwortung übernehmen. Hierfür, so denke ich, weist das Treuhandgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung den richtigen Weg. Wir werden die Treuhandanstalt in diesem Sinne auch politisch begleiten.
Vielen Dank.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 12/2217 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/1203, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/433 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Entschuldung der Treuhandunternehmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/1204, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/615 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/1205, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/618 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Wenn das zulässig
wäre, würde ich sagen: Der Antrag ist bei einigen interessanten Enthaltungen abgelehnt.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/552. Der Rechtsaussschuß empfiehlt auf Drucksache 12/2139 den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/552 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe die Zusatzpunkte 8 und 9 auf:
ZP8 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({1})
Sammelübersicht 53 zu Petitionen - Drucksache 12/2294 ZP9 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({2})
Sammelübersicht 54 zu Petitionen - Drucksache 12/2295 Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlußempfehlungen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Christian Lenzer, Dirk Fischer ({3}), Erich Maaß ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Jürgen Timm, Manfred Richter ({5}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Elektrofahrzeuge
- Drucksachen 12/1361, 12/2247 Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Bärbel Sothmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Smog-Alarm in Los Angeles und Athen, vor kurzem noch in Mexiko-City, gehört schon längst zum sommerlichen Alltag und dies zunehmend auch in deutschen Ballungsgebieten, in Berlin, im Ruhrgebiet.
Hauptverursacher ist der Autoverkehr. Er ist in der Bundesrepublik für ca. 20 % der CO2-Emissionen, für 40 % der Stickoxid-Emissionen und rund die Hälfte der gesundheitsschädlichen organischen Luftschadstoffe verantwortlich.
Er trägt außer zum Sommer-Smog in Ballungsgebieten erheblich zum Treibhauseffekt und zum sauren
Regen bei. Verkehrsexperten schätzen die ökologischen Folgekosten des Kraftfahrzeugverkehrs allein in der Bundesrepublik bereits heute auf jährlich 40 bis 80 Milliarden DM. Tendenz steigend.
Im Verkehrssektor ist also eine Neuorientierung notwendig. Zielvorgabe: ein möglichst umwelt- und klimaverträgliches Verkehrssystem. Die Weichen für eine Neuordnung, meine Damen und Herren, müssen auf allen Ebenen gestellt werden, denn eine Patentlösung gibt es nicht.
Über eines müssen wir uns dabei jedoch im klaren sein. Der Mensch wird am Auto festhalten. Darauf müssen wir uns einfach einstellen.
Neben Verkehrsreduzierung, Verkehrsverlagerung und Verkehrslenkung gilt es das technische Emissionsminderungspotential auszuschöpfen. Das Elektrofahrzeug muß deshalb ein wichtiger Baustein in einem neuen umweltfreundlichen Verkehrssystem sein.
In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/ CSU- und der F.D.P.-Bundestagsfraktion teilt die Bundesregierung unsere Auffassung, daß der Förderung von Entwicklung und Einsatz von konkurrenzfähigen Elektrofahrzeugen zukünftig eine wachsende Bedeutung zukommt.
Deren Vorteile liegen auf der Hand. Am Einsatzort gehen von diesen Fahrzeugen keine direkten Schadstoff - und nur geringe Lärmemissionen aus. Dadurch sind sie prädestiniert für den Einsatz in geschlossenen Räumen wie z. B. Lagerhallen, in stark umweltbelasteten Gebieten wie Innenstädten, in umweltsensiblen Gebieten wie Kurorten und natürlich beim Smog-Alarm.
Das Recycling von Blei- und neuartigen Hochenergiebatterien stellt technisch kein Problem dar. Je größer die Effizienz des Kraftwerks und je höher der Anteil an CO2-freien bzw. -armen Energieträgern bei der Stromerzeugung ist, desto positiver wirkt sich auch das auf die Öko-Bilanz der Elektrofahrzeuge aus.
Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung dieser Fahrzeuge ist ihre Einsatzreife, d. h. die Erfüllung bestimmter Kriterien wie Crash-Sicherheit, ausreichende Kapazität, Mindestreichweite und Großserientauglichkeit.
Meine Damen und Herren, es kann nicht Aufgabe des Staates sein, einsatzreife Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Es ist jedoch Aufgabe des BMFT, alle Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten so zu bündeln und zu koordinieren, daß die genannten Voraussetzungen möglichst schnell realisiert werden.
Erste umfassende Ergebnisse hierzu erwarten wir von dem großangelegten Flottenversuch „Elektrofahrzeuge der neuesten Generation auf der Insel Rügen", der von unserer Fraktion beantragt wurde. In diesem Sommer wird er in Mecklenburg-Vorpommern anlaufen. Der Flottenversuch dient der Erprobung der technischen Einsatzreife sowie des weiteren technischen Entwicklungspotentials von Elektrofahrzeugen. Er wird bis 1995 laufen und wird vom BMFT mit 20 Millionen DM gefördert.
Die Entwicklung von umweltfreundlichen Hochleistungsbatterien, bei der die Bundesrepublik weltweit führend ist, wird 1992 ebenfalls mit 3 Millionen DM gefördert. Die Elektrofahrzeuge der zweiten Generation haben inzwischen eine Reichweite von über 200 km bei einer Spitzengeschwindigkeit von rund 120 km/h. Der Energiebedarf ist niedrig und beträgt 15 bis 20 KWh je 100 km, entsprechend 1,7 bis 2,2 1 Benzin je 100 km.
Die heutigen Elektrofahrzeuge stellen außerdem eine Ausgangsbasis für weitere Entwicklungen dar, nämlich für batteriebetriebene Fahrzeuge mit mobilen Brennstoffzellen.
Meine Damen und Herren, Einsatzmöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ergeben sich u. a. im innerstädtischen und innerbetrieblichen Transportwesen. Wissenschaftler haben errechnet, daß bereits heute auch rund 15 % der Pkw, das sind 4,5 Millionen in den alten Bundesländern, durch Elektrofahrzeuge ohne Einschränkung der Mobilität substituiert werden könnten, dies im wesentlichen bei Zweit- und Drittwagen. Bis zum Jahre 2010 wird sich das Einsatzpotential in ganz Deutschland sogar auf rund 20 % erhöhen.
Ein Markt für Elektrofahrzeuge wäre also vorhanden. Allerdings ist deren erfolgreiche Markteinführung wegen der hohen Kosten sehr problematisch.
Damit das Elektrofahrzeug kein teures Luxusspielzeug wird, sind unbedingt flankierende gesetzliche Maßnahmen zur Förderung der Markteinführung notwendig.
Bereits jetzt bekommen Halter von Elektrofahrzeugen eine Steuerbefreiung in den ersten fünf Jahren sowie weitergehende Steuerprivilegien in den Jahren danach. Städte und Gemeinden sind berechtigt, Fahrverbote beispielsweise in Innenstädten und bei Smogalarm zu erlassen, und können Elektrofahrzeuge davon ausnehmen.
Die USA haben drastischere Maßnahmen ergriffen, um die Markteinführung von Elektrofahrzeugen zu sichern. Der Staat Kalifornien hat 1991 gesetzlich festgelegt, daß ab 1998 2 % und ab dem Jahre 2003 sogar 10 % aller neu zugelassenen Fahrzeuge „zero emission vehicles", also emissionsfrei, sein müssen. Dieses Kriterium können nach heutigem Stand der Technik nur Elektrofahrzeuge erfüllen. Elf weitere US-Bundesstaaten wollen die kalifornische Gesetzgebung demnächst übernehmen.
Meine Damen und Herren, angesichts der Tatsache, daß die Elektrofahrzeuge nur bei einem hohen Marktanteil den erwarteten Beitrag zur Entlastung der Umwelt erbringen können, stellt sich auch für uns in Deutschland die Frage, ob das kalifornische Modell ein gangbarer Weg ist. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Antwort auf die Große Anfrage Elektrofahrzeuge zu diesem Punkt nicht eindeutig geäußert. Sie stellte fest, daß eine Quotenregelung für Elektrofahrzeuge bei der Zulassung von Kraftfahrzeugen nicht vorgesehen sei, ohne jedoch dabei direkt auf die amerikanische Gesetzgebung einzugehen. Im Zusammenhang mit dieser verwies die Bundesregierung lediglich darauf, daß vor einer obligatorischen Einführung von Elektrofahrzeugen eine entsprechende EG- Regelung durchgesetzt werden müsse.
Für eine der kalifornischen entsprechende europäische Gesetzgebung spräche zwar die Tatsache, daß die gesetzlichen Vorschriften in Kalifornien bereits jetzt bemerkenswerte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in der Automobilindustrie und in anderen Branchen ausgelöst haben, da sie der Pkw- und Batterieindustrie die Sicherheit eines Marktes geben.
Gegen das kalifornische Modell spricht jedoch, daß staatliche Reglementierungen immer einen gravierenden Eingriff in den Wettbewerb darstellen. Außerdem widerspräche es unserem erfolgreichen Prinzip, Umweltpolitik im Einklang mit der Wirtschaft umzusetzen.
Unabhängig davon, ob der amerikanische Weg von uns nachvollzogen wird oder nicht, können die bisherigen Maßnahmen dem Elektrofahrzeug in der Bundesrepublik nicht zum Durchbruch verhelfen.
Industrie und Bundesregierung sind deshalb aufgefordert, kurzfristig gemeinsam überzeugende Konzepte für die erfolgreiche Markteinführung von Elektrofahrzeugen zu entwickeln und auch durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen die Elektrofahrzeuge als Baustein in einem neuen, umweltfreundlichen Verkehrssystem.
({0})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Siegmar Mosdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich im Juni dieses Jahres die Staats- und Regierungschefs in Rio zum „Earth Summit" treffen, dann werden sich die Industrieländer nicht wie der reiche Onkel aus Amerika darauf zurückziehen können, daß sie sagen: Wir beklagen die Abholzung der Tropenwälder. Dann müssen wir konkrete Ideen, Konzepte und einen Maßnahmenkatalog in den Industrieländern vorlegen, mit dem wir überzeugen können und unsere Position glaubwürdig einbringen.
Einer der Hauptverursacher der Umweltbelastung in den Industrieländern ist der Verkehr. Das Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstitut kommt zu dem Ergebnis, daß der Verkehr einen hohen Anteil an den verursachten Umweltschäden hat. 1989 lag z. B. der Anteil des Verkehrs an den Kohlenwasserstoffemissionen über 50 %, an den Stickoxiden über 63 %, an den Kohlenmonoxiden sogar bei 70 %.
Der Verkehr von heute war die gesellschaftliche Antwort auf die Mobilitätswünsche von gestern, und damals war das auch mit Freiheitswünschen verbunden, Freiheit in dem Sinne, daß man sich frei bewegen, frei reisen wollte. Diese Dimension der Freiheit hat sich für viele Menschen durch die Wohlfahrtsentwicklung und, ganz praktisch, durch die Entwicklung der Bewegungsmittel erfüllt. Das Motorrad, das Schiff, die Eisenbahn, das Flugzeug und vor allem das Auto haben dazu beigetragen.
In den letzten 150 Jahren hat der Erdball, vor allem in den wohlhabenden Industriegesellschaften, durch die Schaffung vieler neuer Verkehrswege eine ganz
neue Oberflächenarchitektur erhalten. Es wurden aus Wegen Straßen gemacht, aus Flüssen Kanäle, am Himmel entstanden Luftverkehrsstraßen, und quer über die Felder, durch Höfe, Städte und Gemeinden wurden Eisenbahntrassen gezogen. Der Verkehr explodierte und wurde zum zentralen Wachstumsmotor auch der Wirtschaft.
In der Verkehrswirtschaft und der Automobilindustrie gehört die Bundesrepublik Deutschland heute zu den führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Das heißt nicht nur, daß wir von diesem Wirtschaftssektor stark abhängig sind, sondern auch, daß darauf unser Wohlstand basiert. Das heißt auch und vor allem, daß wir auf dem Sektor der Verkehrswirtschaft und der Automobilindustrie eine hohe Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten tragen.
Jeder weiß heute, daß man mit End-of-the-pipeTechnologien die Umweltbelastungen kaum reduzieren kann. Umweltpolitik ist Vorsorgepolitik. Das heißt, wir müssen nicht nur ökologisch produzieren, sondern auch umweltverträgliche Produkte herstellen.
Im Verkehr heißt das vor allem - jetzt zitiere ich -:
Wenn wir Mobilität erhalten wollen, müssen wir nach Möglichkeiten suchen, den Verkehr zu vermeiden.
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Das sagt nicht der fahrradfahrende Lehrer und auch nicht der Dorfpfarrer, sondern das sagt das Vorstandsmitglied von VW Daniel Goeudevert. Ich finde das eine überzeugende Philosophie für einen Autobauer.
Wenn wir die Mobilität erhalten wollen, müssen wir in unseren Innenstädten autofreie Zonen schaffen. Wir brauchen einen besseren ÖPNV. Wir müssen endlich auch unterschiedliche Verkehrsmittel miteinander verknüpfen und sie integrieren.
Außerdem brauchen wir umweltfreundliche Antriebssysteme. Hier hat auch der Elektroantrieb einen Stellenwert. Es wäre aber eine Illusion zu glauben, wir könnten die fundamentalen Verkehrsprobleme, vor denen wir stehen, mit dieser Elektrotechnik lösen. Wenn man das Auto einfach an die Steckdose hängt, dann ist das noch lange kein Fortschritt.
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Das ist unsere Überzeugung. Wir kritisieren, daß Sie auf diesem Feld nicht vernetzt denken, nicht an Systemlösungen arbeiten, sondern im Stile eines naiven Fortschrittsglaubens nur einzelne Techniken fördern. Das entspricht dem alten Denken, dem alten Fortschrittsmodell.
Trotzdem sagen wir, daß wir in unserem neuen Fortschrittsmodell auch Chancen für einen innovativen Elektroantrieb sehen. Angesichts des zunehmenden CO2-Smogs vor allem in den Ballungsräumen und angesichts des Treibhauseffekts muß jeder Strohhalm genutzt werden. Dazu gehört auch dieser Ansatz.
Entscheidend ist aber, ob es uns gelingt, einerseits die Energieeffizienz drastisch zu steigern und andererseits den Energie-Mix so zu verändern, daß die regenerativen Energien einen viel höheren Stellenwert haben als heute. Dann macht auch die breite Einführung von Elektroantrieben, z. B. im Werksverkehr oder auch im Gütertransport oder im öffentlichen Personennahverkehr, bei Bussen, aber auch im Individualverkehr, einen Sinn, weil wir so eben nicht nur den Schadstoffausstoß vom Auspuff auf den Schornstein verlagern, sondern ihn echt reduzieren.
Wir begrüßen deshalb die Anstrengungen der Industrie, durch technologische Innovationen Emissionen zu vermeiden. Wir halten die Anstrengungen allerdings nicht für ausreichend. Deshalb ist die Politik gefordert.
Leider hat die Forschungspolitik der Bundesregierung, Herr Staatssekretär, bisher keinen maßgeblichen Beitrag zu einem umweltverträglichen Autoverkehr geleistet.
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Für den gesamten Bereich des Kraftfahrzeug- und Straßenverkehrs - ich habe es mir gerade noch einmal angesehen - stehen in einem Jahr 9 Millionen DM für Forschungsförderung und 13 Millionen DM für Investitionsförderung zur Verfügung. Das entspricht einem Anteil von 0,23 % am gesamten Forschungsetat, und das bei diesem wichtigen Wirtschaftssektor. Davon geht noch viel - das wissen Sie, Herr Staatssekretär - in die Sicherheitsforschung und nicht in die ökologische Modernisierung.
Wir wollen neue Prioritäten in der Verkehrsforschung setzen. Diese sind dringend notwendig.
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Wir wollen, daß der ÖPNV einen größeren Stellenwert bekommt. Wir wollen auch neue Antriebstechniken fördern. Während die Industrie mit Elektro- und Solarmobilen, mit Hybridantrieben, mit dem Stirling-Motor und anderen Konzepten an der Lösung dieser Aufgabe arbeitet, auch mit alternativen Kraftstoffen experimentiert, beginnt der Forschungsminister jetzt, im Jahre 1992, mit einem Miniversuch - mit 40 Pkw - auf der Insel Rügen. Allein die Stadtverwaltung von Los Angeles hat vor zwei Jahren doppelt soviele Fahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebssystemen und unterschiedlichen Treibstoffen eingesetzt, um zu experimentieren.
Nun erwarten wir von diesem Forschungsminister nach zehn Amtsjahren natürlich keine kühnen Visionen mehr. Aber die Menschen erwarten, daß die Politik endlich wieder Ziele formuliert, die die Techniker und Ingenieure, die Forscher, das Management motivieren, und Ziele setzt, an denen man sich orientieren kann, die auch ein Stück weit Ansporn für eine neue Entwicklung sind. Diese Ziele gibt es bisher leider nicht.
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Wir halten deshalb folgende Grundsatzforderungen jetzt für besonders notwendig. Erstens. Wir fordern ein „Clean-Air-Act-Amendment" nach kalifornischem Vorbild auch für Europa und für die Bundesrepublik
Deutschland, eine „Europäische Luft-QualitätsRichtlinie", die wir durchsetzen wollen.
Zweitens. Wir fordern, daß diese „Europäische Luft-Qualitäts-Richtlinie" für die E-Wirtschaft gilt und klare Ziele formuliert, damit sich der Energie-Mix endlich verändert. Der Anteil der regenerativen Energie muß stufenweise verbindlich erhöht werden,
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von heute 2 % auf 8 % im Jahre 2000 und auf 15 % im Jahre 2010.
Drittens. Mit der „Europäischen Luft-QualitätsRichtlinie " müssen der Automobilindustrie Entwicklungsziele für den Flottenverbrauch, unabhängig vom Antriebssystem, formuliert werden. Heute liegt der durchschnittliche Treibstoffverbrauch pro Pkw bei immer noch über zehn Litern pro 100 Kilometer. In den nächsten Jahren müssen wir den Flottenverbrauch kontinuierlich und ganz systematisch auf acht Liter bis 1995, auf sieben Liter bis zum Jahre 2000 und auf fünf Liter bis zum Jahre 2005 herunterfahren. Hierzu sind unsere Techniker und Ingenieure auch in der Lage; die können das. Aber wir müssen ihnen dieses Ziel vorgeben.
Viertens. Außerdem muß eine „Europäische LuftQualitäts-Richtlinie " die stufenweise Einführung von Null-Emissions-Antrieben nach kalifornischem Vorbild voranbringen. Im Jahre 2000 müssen nach unserer Auffassung 3 % aller Neuwagen mit Null-Emissions-Antrieben fahren, im Jahre 2005 5 % und im Jahre 2010 10 %. Dieser Stufenplan muß aber mit der Veränderung des Energie-Mix' korrespondieren; denn sonst haben wir keinen Umwelteffekt.
Außerdem sagen wir zu dem laufenden Projekt auf Rügen:
Erstens: Wir unterstützen den Modellversuch.
Zweitens: Wir fordern analog dazu einen Modellversuch mit Hybridfahrzeugen in einem Ballungsraum, damit man in der Stadt mit Null-Emission fahren und umschalten kann, wenn man auf längere Strekken geht.
Drittens: Wir verlangen für solche Modellversuche eine Einbeziehung von Umweltforschern, eine begleitende Umweltverträglichkeitsprüfung und selbstverständlich - das ist ganz entscheidend - die Ermittlung einer Energiegesamtbilanz.
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Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang möchte ich eine etwas betrübliche Anfrage formulieren. Ich habe, nachdem wir das im Ausschuß beraten haben, Herrn Riesenhuber am 18. Februar einen Brief geschrieben und darum gebeten, daß das Umweltbundesamt bei dem Projekt Rügen in die Arbeiten des projektbegleitenden Ausschusses einbezogen wird. Ich habe bis heute leider noch keine Antwort bekommen, obwohl das schon fünf Wochen her ist.
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Ich weiß, daß der TÜV Rheinland, die Auto- und Batterieindustrie und die Verkehrshochschule Dresden beteiligt sind, was auch sinnvoll ist. Aber ich bin
der Meinung, daß das Umweltbundesamt gerade bei solch wichtigen ökologischen Projekten dringend einbezogen werden muß.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Massenmotorisierung hat den Fortschritt im wahrsten Sinne des Wortes zur Schnecke gemacht. Wir haben zwar die 35-Stunden-Woche, stehen dafür aber im Durschnitt 69 Stunden lang im Jahr vor Ampeln oder im Stau. Aus der Rush-hour ist eine Stau-hour geworden.
Der französische Architekt und Philosoph Paul Virilio spricht in seiner Beschreibung unserer Gesellschaft nach meiner Auffassung zu Recht vom „rasenden Stillstand" . Daß die Menschen durchaus bereit sind, Konsequenzen zu ziehen, umzudenken, neue Wege zu gehen, das zeigt die Zunahme der Teilnehmer am ÖPNV, das zeigt z. B. aber auch die Resonanz, die die Aktion „Raus aus dem Stau! " eines Hamburger Magazins, die vor zwei Wochen gestartet worden ist, gegenwärtig in der Öffentlichkeit findet - Resonanz bei den Lesern wie auch bei der Wirtschaft.
Das zeigen natürlich auch Bürgerinitiativen, die Fahrgemeinschaften bilden, die Car-Pooling machen, die die zunehmende Übertragbarkeit von UmweltAbos zunehmend nutzen. Das alles ist sinnvoll.
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- Und Fahrradfahren, selbstverständlich!
Das sind wichtige Zeichen dafür, daß die Menschen umdenken wollen. Die Politik darf diesem Bewußtseinswandel im Menschen nicht mit der roten Laterne hinterherlaufen. Die Politik muß vielmehr die Gesellschaft mit neuen Visionen herausfordern. Wenn unsere Gesellschaft endlich eine Vereinbarkeit der Mobilitätswünsche der Menschen mit der ökonomischen und ökologischen Leistungsfähigkeit unserer Verkehrssysteme erreichen will, brauchen wir nicht nur neue Antriebstechniken, sondern vor allem eine ganz neue Verkehrspolitik.
Vielen Dank.
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Herr Kollege Mosdorf, jetzt weiß ich wenigstens, warum zu dieser ungewöhnlichen Parlamentsstunde der Photograph vom „ Stern " da oben sitzt.
Als nächstem erteile ich dem Kollegen Jürgen Timm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe keinen Photographen bestellt und kann deswegen ungehemmt etwas über das sagen, was hier auf der Tagesordnung steht.
Es ist aber zulässig, Herr Kollege Timm.
Zunächst einmal möchte ich der Regierung und den verantwortlichen Mitarbeitern, die die Antwort auf die Große Anfrage gegeben haben, meinen Dank aussprechen. Ich habe den
Eindruck, daß die Antwort sehr sachlich, nüchtern zu einem Problem Stellung nimmt, das noch gar nicht einen absehbaren ausreichenden Erfolg in dem hier schon angesprochenen Sinn haben kann, weil doch verschiedene Dinge ganz einfach aus technischen und forscherischen Gesichtspunkten der weiteren Zukunft überlassen bleiben müssen.
Bisher kennen wir die Reduzierung der spezifischen Verbrauche von Treibstoff bei Kraftfahrzeugen durch entsprechende Motorentechnologien, durch Entgiftung der Abgase, z. B. durch Entbleiung und durch Katalysatoren. Das sind die herkömmlichen Methoden, um die Umwelt von Schadstoffen zu entlasten. Das Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft. Das geht auch aus der Antwort der Bundesregierung hervor. Hier besteht durchaus ein Konkurrenzproblem für die Einführung von Elektrofahrzeugen. Aber gleichwohl darf natürlich der Kreativität für weitere Entwicklungen hier keine Grenze gesetzt werden. Ich frage mich nur, Herr Kollege Mosdorf, ob das alles aus dem Forschungshaushalt bezahlt werden muß. Das meiste von dem, was Sie zu Recht und was auch wir fordern, hat mit Forschung im Prinzip nichts mehr zu tun. Wir müssen wahrscheinlich andere Instrumente anwenden, um zum Erfolg zu kommen.
Wir wollten wissen, in welchem Rahmen Elektroantriebe bei Kraftfahrzeugen ihren Beitrag dazu leisten können, und zwar insbesondere in lokalen Bereichen, den Schadstoffausstoß und den Verkehrslärm drastisch zu reduzieren. Man muß wissen: der gesamte Verkehr ist am Endenergieverbrauch mit etwa 25 beteiligt, und das bei einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 17 %. Das ist zu gering. Da kann man also noch sehr viel mehr tun.
Wir sind uns bewußt, daß in der Gesamtenergiebilanz elektrische Antriebssysteme für mobile Kraftfahrzeuge, d. h. also durch Batterie betriebene, nicht gerade zur Euphorie in Sachen Energieeinsparung und Schadstoffentlastung führen dürften, wenn es insbesondere um die nackten Zahlen geht. Trotzdem ist es eben notwendig, den Sachstand besser kennenzulernen, um daraus die Schlüsse zu ziehen. Es ist auch notwendig, Maßnahmen und Ergebnisse aus anderen Ländern besser zu kennen.
Die Große Anfrage dient diesem Ziel. Wir wollen auch wissen, wie über Substitution der herkömmlichen Treibstoffe unter Anwendung solcher, möglicherweise regenerativer Energien weitere Verbesserungen im Endenergieverbrauch erreicht werden können.
In der Antwort stellt die Bundesregierung fest, daß sie die Intention der Anfrage teilt, daß auch Elektrofahrzeuge in der Zukunft jedenfalls eine gewisse Bedeutung bei der Entlastung von Verkehrsemissionen haben werden. Der TÜV Rheinland hat z. B. Untersuchungen gemacht und festgestellt, daß hier im Prinzip nur in Ballungsräumen ein Erfolg erzielbar ist, und zwar bei einem hohen Verkehrsaufkommen insgesamt. Wenn Fördermaßnahmen und gesetzgeberische Veranlassungen darüber hinaus einen gewissen Druck auf die betroffene Kraftfahrzeugindustrie ausüben, sich intensiver mit der Veränderung der Kraftfahrzeuge in der Zukunft zu befassen, dann hat diese Anfrage und dann haben vor allen Dingen die erheb7160
lichen staatlichen Mittel für entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ihren Sinn schon erfüllt. Umgesetzt werden müssen die Ergebnisse von der Industrie; aber wir müssen unsere Erkenntnisse dazu nutzen, die Rahmenbedingungen zu definieren und durchzusetzen.
Wichtig ist aber auch, daß bereits jetzt ein Einfluß auf die Energiebilanz genommen werden muß. Es reicht nicht aus, mit sauberen Elektrofahrzeugen zwar am Einsatzort eine qualitative Verbesserung für die Umwelt zu erhalten, wenn dafür die Belastung an anderer Stelle erhöht wird. Das trifft sowohl für die Energieerzeugung als auch für die Produktion und Entsorgung der durch neue Technologien entstandenen Energieträger zu, z. B. der Batterien und der Anlagen.
Auch und gerade bei der Diskussion über den Einsatz regenerativer Energien muß klar sein, daß keine Schönschreibung die durchaus vorhandenen Probleme verdeckt. Deshalb wehre ich mich so ein bißchen dagegen, daß wir hier in Deutschland die aus dem Amerikanischen übersetzte Formulierung „NullEmissions-Fahrzeug" übernehmen. Eine solche Bezeichnung ist nur dazu geeignet, die tatsächlich bestehenden Produktions- und Entsorgungsprobleme zu verdrängen.
Im übrigen: Die US-Standards, die auf Papier niedergeschrieben sind, sind ein Teil, die Praxis in den USA ist ein anderer Teil. Wenn man mit offenen Augen kreuz und quer durch das Land fährt, dann sieht man sehr schnell, daß punktuell zwar mit hochentwickelter Technologie und fortgeschrittener Wissenschaft gearbeitet wird, die Ressourcen aber in einer nicht mehr erträglichen Weise verschwendet werden. Das miteinander in Einklang zu bringen ist eine schwierige Aufgabe, die wir hier nicht leisten müssen. Denn unser Prinzip, hier in Schritten vorwärts zu gehen, um Verbesserungen zu erreichen, halte ich für besser.
Einen guten Erfolg mit eben solchen Schritten haben wir in der Bundesrepublik bei der Entwicklung von Hochenergiebatterien durch verschiedene Hersteller zu verzeichnen. Diese Entwicklung, die zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber bereits zur Einsatzreife geführt hat, ist unbedingt erforderlich, wenn man z. B. an Energiespeichersysteme denkt.
Gerade bei der Nutzbarmachung regenerativer Energien für den Kraftfahrzeugbereich gibt es noch ein weites Feld der technologischen Betätigung. Dabei kann es nach Lage der Dinge nicht darum gehen, ob denn insbesondere diese Energien über entsprechende Anlagen für eine direkte Versorgung von Elektrofahrzeugen verfügbar gemacht werden können. Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, gehen alle betroffenen Energieformen heute in die allgemeine Stromversorgung ein. Das ist auch nicht anders zu erwarten und auch im Sinne der Umweltentlastung nicht schädlich.
Eine Trennung der Systeme, d. h. ein gezielter Kraftwerkseinsatz für eine spezielle Verwendung, ist nicht absehbar und wahrscheinlich weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Der Stromverbrauch der Elektrofahrzeuge würde selbst bei einer Zulassung in
Millionenhöhe 0,5 % des erzeugten elektrischen Stroms nicht übersteigen.
Ziemlich deutlich geworden ist in der Antwort der Bundesregierung, daß die Konkurrenz zwischen herkömmlich betriebenen Kraftfahrzeugen und Elektrofahrzeugen bei Ausschöpfung der Kraftstoffeinsparung in Verbrennungsmotoren noch einige Zeit erhalten bleibt. - Ich habe ja eingangs schon gesagt, daß hier noch ein ganz gewaltiges Potential vorhanden ist. - Das soll nun nicht negativ gesehen werden, sondern - im Gegenteil - zu weiteren Anstrengungen bei der Substitution von fossilen Kraftstoffen führen. Diese Substitution muß uns im Hinblick auf den gewaltigen „Generationenraub", den wir mit der Ausbeutung der fossilen Brennstoffe zur Zeit mit steigender Tendenz begehen, sowieso gelingen.
Elektrofahrzeuge können zur Zeit nur bedingt - aber lokal durchaus - einen Beitrag zur Umweltverbesserung leisten. Diesen Ansatz sollten wir nutzen, unsere Forschungs- und Entwicklungspolitik weiterhin in den Dienst der Sache zu stellen. Insbesondere aber sind die Automobilindustrie und die Privatwirtschaft gefordert, den Wettbewerb bei der Herstellung der Wirtschaftlichkeit solcher Fahrzeuge anzunehmen. Es muß ja ein solches Fahrzeug - wie ich es hier in einer Zeitschrift gefunden habe - nicht gerade für die Schokoladenwerbung benutzt werden.
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Aber man kann dem Werbenden schon ein Lob aussprechen. Er hat eine sehr billige Art der Werbung gefunden
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und ein Fahrzeug als Vehikel dazu benutzt. Wenn das dabei hilft, für das Fahrzeug einen breiteren Markt zu schaffen, soll das nur recht sein.
Ganz sicher werden wir nach Abschluß der von uns gemeinsam beschlossenen Durchführung des Flottenversuchs mit Elektrofahrzeugen und Hybridfahrzeugen im Alltagseinsatz weitere wertvolle Erkenntnisse bekommen. Wir sollten alle Erkenntnisse, die wir aus verschiedenenen Unternehmungen gewonnen haben, dazu nutzen, um dafür zu sorgen, daß Elektrofahrzeuge auch in Zukunft in zunehmendem Maße ihren Stellenwert in unserem Verkehrsbereich bekommen.
Danke schön.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Fritz Schumann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entwicklungen auf dem Elektrofahrzeugsektor bleiben nicht ohne Beachtung, zumal sie auch Maßstab technischer Innovation sind. Sie sind natürlich bei weitem nicht die einzige Alternative für denkbare Energie- und Antriebskonzepte. Insbesondere Herr Mosdorf und andere Vorredner haben hier darauf hingewiesen.
Dr. Fritz Schumann ({0})
Die Große Anfrage und auch die hier vorliegende Antwort enthalten neben durchaus interessanten Fragen und Antworten die Intuition, daß die Lösung gegenwärtig so belastender Probleme von Verkehr und Umwelt nun des Elektromobils bedarf. Um es von vornherein zu sagen: Die besten Elektrofahrzeuge sind die elektrischen Schienenfahrzeuge, sind Elektro-Lok, S-Bahn und elektrische Straßen- bzw. U- Bahn. Die Verfasser der Großen Anfrage zu Elektrofahrzeugen sollten sich darüber klarwerden, daß die Lösung der Verkehrsprobleme wie wir sie heute haben, in erster Linie eine Frage struktureller Effizienz und erst in zweiter Linie eine Frage technologischer Effizienz ist. Ein Stau von Hunderten von Elektroautos mag zwar nicht so die Luft verpesten wie einer mit konventionellen Fahrzeugen. Die strukturellen Probleme des motorisierten Individualverkehrs durch Elektroautos jedoch bleiben. Unfallgefahr, Parkplatzprobleme, Belastung der Umwelt durch Fertigung, Betrieb und Verwertung bleiben, sind teilweise sogar höher einzustufen. Ich denke nur an die zur Zeit noch relativ giftigen Hochenergieakkumulatoren.
Vor Ort verbessert sich durch Elektrofahrzeuge zwar die Ökobilanz, da diese Fahrzeuge weniger Lärm verursachen und kaum Schadstoffe emittieren. Durch Abhängigkeit vom Strom aus der Steckdose, bei dessen Bereitstellung derzeit erhebliche Emissionsmengen entstehen, kann von einer Reduzierung von Schadstoffen, insbesondere der Reduzierung von Kohlendioxid, jedoch keine Rede sein.
Nach Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt emittiert ein Mittelklassewagen auf 100 Kilometer 18 bis 20 Kilogramm Kohlendioxid, während ein Elektromobil, dessen Ladestrom von einem Kohlekraftwerk erzeugt wird, für die gleiche Strecke 70 Kilogramm freisetzt.
Nun werden einige sicher anmerken, wir könnten den Strom auch mit Atomenergie erzeugen, also kohlendioxidfrei, wie behauptet wird. Das RWE argumentiert so: Elektrofahrzeuge, die tagsüber fahren, werden nachts an der Steckdose mit verbilligtem Nachtstrom aufgeladen. 40 % davon seien Atomstrom, der ohne Luftschadschoffe erzeugt würde, weshalb der Schadstoffausstoß von Elektrofahrzeugen geringer sei.
Von einer kohlendioxidfreien Erzeugung von Strom aus Atomkraftwerken kann jedoch keine Rede sein. Schon für die Urangewinnung und -aufbereitung werden große Mengen an fossilen Energieträgern verbraucht. Natürlich gehören zu einem auf Atomenergie basierenden Energiesystem auch mit Kohle, Erdgas und 01 betriebene Mittel- und Spitzenlastkraftwerke.
Keinesfalls sollten wir jedoch den Risiken des individuellen Straßenverkehrs weitere Risiken des vermehrten Atomenergieausbaus hinzufügen. Wer möchte als Umweltfreund schon gerne ein Atomauto fahren?
Noch ein Wort zur geplanten Einführung von Elektroautos in den USA. Die strukturellen Verkehrsprobleme sind dort natürlich die gleichen wie bei uns. Die US-Pkw-Flotte verbraucht jedoch im Durchschnitt erheblich mehr Kraftstoff als bei uns. Würde der Treibstoffverbrauch aller US-Kraftfahrzeuge auf westeuropäisches Niveau gesenkt - dieser könnte bekanntlich noch niedriger liegen -, würde eine Erdölmenge eingespart, die dem gegenwärtigen Verbrauch von China, Indien und dem afrikanischen Kontinent zusammen entspricht. Gerade in den USA und in Kanada, den Staaten mit dem höchsten ProKopf-Energieverbrauch der Erde könnten Investitionen in die Effizienzsteigerung der Energieausnutzung erheblich mehr Energie einsparen und Kohlendioxidemissionen vermeiden, als wenn in Elektroautos investiert wird. Wie gesagt: Das sind sicher interessante Entwicklungsrichtungen. Es gibt mehr davon.
Ein Umsteuern in Sachen Verkehrspolitik bleibt jedoch auch in den USA früher oder später unumgänglich. Sinnvoll wäre es allenfalls, in Zukunft Elektrofahrzeuge zu betreiben, die ihren Strom aus regenerativen Energiequellen beziehen, also aus Wind, Wasser und Solarstromerzeugungsanlagen. Das kann jedoch nur der zweite Schritt sein. Im ersten Schritt muß es darum gehen, unsinnige Mobilität zu verringern, den motorisierten Individualverkehr, insbesondere in den Ballungszentren, zurückzudrängen und auf die Schiene zu verlagern, auf elektrische Schienenfahrzeuge, versteht sich. Gestern ist dazu in diesem Haus ausführlich diskutiert,
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zum Schluß aber nur ein parteipolitischer Schlagabtausch geführt worden.
Da möchte ich schon mehr der Frau Bundesbauministerin in ihrer gestern in einem Rundfunkinterview geäußerten Meinung Durchhaltevermögen wünschen. In Auswertung von Experimenten in Berlin und Buxtehude stellte sie fest, daß es in erster Linie darum gehen müßte, Gewerbe- und Wohngebiete wieder näher zusammenzubringen und vor allem die unsinnige Politik der Einkaufszentren außerhalb der Stadt, die nur mit dem Pkw zu erreichen sind, zu beenden. In den neuen Bundesländern hätte dazu die Möglichkeit bestanden. Was ich bisher sehe und erlebe, widerspricht jedoch jeder Vernunft, nicht nur der verkehrspolitischen.
Danke.
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Ich erteile jetzt dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Bernd Neumann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Elektrofahrzeuge stehen im Kontext ihrer gesamten Umwelt- und Energiepolitik. Es ist genau das, was Herr Mosdorf gefordert hat: Es ist keine isolierte Maßnahme, sondern wir sehen es als eine Möglichkeit an, die weiter erprobt werden muß, um möglicherweise am Ende einen Beitrag zur Umweltentlastung zu leisten.
Herr Kollege Mosdorf, wir haben jetzt hier nicht die Zeit, eine verkehrspolitische Debatte zu führen - im übrigen ist ja gerade gestern im Bundestag eine geführt worden -, aber daß es - wie Sie mit Recht angeführt haben - verschiedene Aspekte gibt, mit dem Problem Umwelt und Verkehr fertig zu werden, ist überhaupt nicht umstritten; daß wir sie auch in unserer Politik berücksichtigen - ob ausreichend für Sie, ist eine ganz andere Frage -, ist auch richtig. Natürlich geht es nicht darum, das Verkehrsaufkommen zu erhöhen, sondern Sie wissen, wir geben beträchtliche Mittel dafür aus, um zu einer rationelleren Energieverwendung beizutragen. Wir geben Mittel aus, um den ÖPNV zu verbessern - auch im Forschungsbereich. Auch das Thema Transrapid ist - wenn es auch immer sehr schlaglichtartig diskutiert wird - ein Beitrag in diese Richtung.
Die Bundesregierung kann, was die Umwelt und das Auto angeht, nun wirklich von sich sagen, wenn ich an die Katalysatorenentwicklung denke und an die Tatsache, daß gerade wir - nicht ihre Regierung damals! - bleifreies Benzin eingeführt haben und damit Spitzenreiter in Europa waren. Dies alles sollte gesagt werden, auch wenn es hier speziell um das Elektroauto geht.
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Meine Damen und Herren, unser Engagement gilt nicht nur der Nutzung der Kernenergie, obwohl diese unbestreitbar am wirksamsten die Umwelt entlastet - z. B. beim Kohlendioxid. Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, die einen Beitrag leisten können. Dazu gehören die erneuerbaren Energien - Sonne, Wind, Wasserkraft -, aber auch nachwachsende Rohstoffe. Bei der Förderung der alternativen Energien - das sollten Sie auch noch einmal wissen, bzw. Sie wissen es; ich rufe es Ihnen in Erinnerung - liegt Deutschland zusammen mit den USA und Japan an der Spitze aller Länder, und zwar in absoluten Zahlen. Wir liegen weit vor den anderen europäischen Ländern.
Gerade unter dem Aspekt der CO2-Problematik gilt es in den nächsten Jahren, die langfristigen Potentiale regenerativer Energien aus CO2-freien Energiequellen - Wind, Sonne, Wasser - verstärkt wirtschaftlich zur Energiegewinnung zu erschließen. Deshalb hat die Bundesregierung in den Beschlüssen zur Reduzierung der CO2-Emissionen die wichtige Rolle der erneuerbaren Energien zum Ausdruck gebracht. Sie wissen, daß wir z. B. in Verbindung mit dem Stromeinspeisungsgesetz vom 1. Januar 1991 wichtige wirtschaftliche Impulse zum Ausbau dieser erneuerbaren Energien gegeben haben. Es gibt weitere Maßnahmen wie das Tausend-Dächer-Photovoltaik-Programm - dabei wird die Solarenergie genutzt; inzwischen sind es schon 2 500 solcher Dächer -, und durch das 250-Megawatt-Wind-Programm werden wirtschaftliche Anreize gegeben.
Auch im Bereich der Verkehrstechnik, über den wir heute reden, geht es darum, alle Chancen für die Umwelt zu nutzen. Nach heutiger Erkenntnis ist das Elektrofahrzeug - das wurde hier schon kritisch angemerkt - für sich genommen nicht die Lösung aller vom Verkehr ausgehenden ökologischen Probleme, aber es ist zumindest eine Facette, die es
auszuloten gilt. Insbesondere ist zu erwarten, daß diese Fahrzeuge - Frau Sothmann hat schon darauf hingewiesen - in bestimmten Anwendungsbereichen sinnvoll eingesetzt werden können, in denen ihre besonderen Vorteile zum Tragen kommen.
Elektroautos erzeugen am Ort des Verkehrsgeschehens keine Abgase und erheblich weniger Lärm. Das wird ihnen mit Sicherheit Marktnischen öffnen. Weil die Luftbelastung in innerstädtischen Bereichen ständig ansteigt, weil bei bestimmten Witterungslagen die Schadgaskonzentrationen in Innenstädten mit hohem Straßenverkehrsaufkommen immer öfter gesundheitsschädigende Werte erreichen, weil der Straßenlärm zu bestimmten Zeiten häufig unerträglich wird, erwartet die Bundesregierung von einem verstärkten Einsatz der Elektrofahrzeuge einen entlastenden Effekt für die Umwelt in Städten und Gemeinden.
Vieles, was man für eine rationale Beurteilung des Einsatzes solcher Fahrzeuge wissen muß, ist aber heute noch nicht bekannt; denn wenn alles bekannt wäre, bräuchten wir zumindest keine Forschungsmittel dafür auszugeben.
Es kann nicht sinnvoll sein, auf Grund von Vorurteilen - seien sie positiv oder negativ - Entscheidungen zu treffen. Erst auf der Basis von wissenschaftlich kontrollierten Erfahrungen im Alltagsbetrieb kann beispielsweise sinnvoll diskutiert werden - Frau Kollegin Sothmann, Sie haben es angesprochen - inwieweit die absehbaren Vorschriften in Kalifornien angesichts der bei uns doch anderen geographischen, ökologischen und verkehrspolitischen Verhältnisse auf Europa und Deutschland übertragbar sein können. Herr Kollege Mosdorf, deshalb sind wir auch noch nicht soweit - nicht weil wir es nicht wollten, sondern weil wir glauben, daß es rational noch nicht belegt ist -, bereits bestimmte Auflagen zu machen. Die Umweltsituation in Kalifornien, z. B. in Los Angeles, ist, bezogen auf Smog, eine ganz andere als in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wissen, daß in Los Angeles bei der Smog-Situation die vertretbaren Emissionswerte fast jährlich überschritten werden, und das bei einem ganz anderen Klima, während
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das bei uns eher ein Problem der Fläche ist, wo man mit dem Elektroauto der jetzigen Form nicht soviel anfangen kann. Das schließt zwar nicht aus, daß es trotzdem eingesetzt wird, aber wir sind noch nicht soweit, die amerikanischen Verhältnisse einfach zu übertragen. Deshalb wollen wir auch Versuche machen, die Sie selbst ja übrigens unterstützt haben. Sie sagen zwar, daß es einige Fahrzeuge mehr sein sollten, aber den Versuch machen wir ja immerhin.
Da gibt es zunächst die CO2-Problematik. Elektrofahrzeuge - darin sind sich die Fachleute einig - werden zur CO2-Problematik - das haben Sie, Herr Schumann, gesagt - im Verkehr keinen entlastenden Beitrag liefern können, weil nach heutigen Erkenntnissen ihre CO2-Emissionen in gleichen Größenordnungen wie bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor liegen. Die Emissionen werden zunächst einmal nur in die Kraftwerke verlagert. Trotzdem kann das vor Ort
innerstädtisch einen Wert haben, aber nicht in der Gesamt-Oko-Bilanz.
Berücksichtigt man dies, so haben batteriebetriebene Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Personenkraftwagen mit Ottomotor und geregeltem Katalysator neben etwa gleichen Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen höhere Schwefeldioxidemissionen, jedoch deutlich geringere Emissionen von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen. Es ist klar, daß diese Effekte erst bei einer wesentlichen Durchdringung der heutigen benzin- oder dieselgetriebenen Fahrzeugflotten mit Elektrofahrzeugen eintreten können. Bis dahin werden noch einige Jahre vergehen. Insoweit sind Meldungen, daß die Stromerzeugung mit dem Einsatz von Elektrofahrzeugen in absehbarer Zeit drastisch gesteigert werden müsse und sich dadurch auch die Schadstoffemission der Kraftwerke extrem erhöhen würde, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.
Außerdem ist damit zu rechnen - das ist nicht nur eine Frage der Kernkraft, Herr Kollege Schumann -, daß später durch den Einsatz modernster Kraftwerkstechnik im fossilen wie auch im nuklearen Bereich eine Entlastung der Umwelt auf wirtschaftliche Weise erreicht werden kann. Wenn wir also die Energieerzeugung emissionsärmer machen, bekommt natürlich auch die Benutzung des Elektrofahrzeugs eine ganz andere Dimension und einen neuen Impuls.
Gemeinsam mit der Industrie, die sich daran mit erheblichen Eigenmitteln beteiligt, bereitet der BMFT derzeit einen Großversuch mit Elektroautos auf der Insel Rügen vor. Dabei geht es nicht um einen Test heute lieferbarer Fahrzeuge - das wäre nicht unsere Aufgabe, zumindest nicht der Forschungspolitik, sondern der Industrie -, sondern es geht um Prototypen einer künftigen, neuen Generation von Elektroautos. Diese neue Generation ist durch Innovationen im Antrieb, der Batterie und im Fahrzeugbau gekennzeichnet. Mit der jetzt in der Bundesrepublik Deutschland verfügbaren Natrium-Schwefel-Hochenergiebatterie, mit der unsere Industrie im Augenblick weltweit einen Entwicklungsvorsprung von etwa zwei Jahren hat, besitzt unsere Industrie einen technologiestrategischen Vorteil. Er wurde auch deshalb möglich, weil der BMFT in seinem Förderbereich „Erneuerbare Energien" bisher mehr als 100 Milliarden DM Fördermittel für die Entwicklung neuer Energiespeicher ausgegeben hat, insbesondere für die Entwicklung dieser Batterie.
Da die neue Batterie im Vergleich zu der heute bei den am Markt angebotenen Elektrofahrzeugen der ersten Generation fast ausschließlich eingesetzten Bleibatterie bei gleichem Energieinhalt nur ein Viertel des Gewichts und die Hälfte des Volumens benötigt, wird sie jetzt als Energiequelle einer neuen Generation leistungsfähiger Elektrostraßenfahrzeuge intensiv erprobt werden. Ich möchte nicht das wiederholen, was Frau Sothmann, .so glaube ich, über die Möglichkeiten dieser neuen Generation gesagt hat: Verdoppelung der Reichweite auf über 200 km, Verringerung des Energieverbrauchs usw. Das alles haben Sie gesagt.
Lieber Herr Mosdorf, das ist kein Miniversuch. Wenn Sie die Zahl der Autos, die an dem Versuch beteiligt sind, natürlich im Verhältnis zu denen messen, die es insgesamt in der Bundesrepublik gibt
- aber das kann ja nur scherzhaft gemeint sein -, dann ist es in der Tat ein Miniversuch. Es ist immerhin nicht ein Versuch mit 40, sondern mit 62 Elektroautos auf der Insel Rügen.
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- Herr Kollege Seidenthal, ich möchte einmal eines deutlich machen: Unsere Aufgabe - Sie gehören ja dem Ausschuß für Forschung und Technologie an - ist es nicht, das zu schaffen, was Aufgabe der Industrie, bestenfalls des Wirtschaftsministeriums ist, nämlich den Absatz zu forcieren. Unsere Aufgabe ist es, anhand einer begrenzten Zahl von Autos zu eruieren, was dies bringt. Was bringt es in der Ökobilanz? Was bringt es überhaupt? Deshalb, so meine ich, ist eine Anzahl von 62 Autos durchaus vertretbar. Mehr ist immer besser. Aber dies alles kostet Geld. Für die Forschung - das ist der Aspekt, den ich hier zu vertreten habe - ist das eine ausreichende Größenordnung.
Es geht insbesondere auch um eine Objektivierung der gesamtökologischen Bilanz. Der Standort Rügen eignet sich nicht nur hervorragend für den Einsatz von Windenergie - die an der Küste in besonderem Maße zur Verfügung steht -, er setzt vor allem in den neuen Bundesländern dadurch ein deutliches Signal, daß gerade dort eine Technologie erprobt wird, die für die Zukunft richtungweisend sein könnte.
Ich will auch noch etwas zu dem Atomelektroauto sagen, von dem Sie sprachen, Herr Kollege Schumann. Gerade auf Rügen soll die Forschung unter Einbeziehung alternativer Energien erfolgen.
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- Das haben Sie gesagt. Aber es ist nun wirklich eine Verdrehung des Problems, wenn Sie die Frage der Elektroautos mit der Kernenergie koppeln. Das ist ein ganz anderes Thema. Das betrifft die Frage, wie wir Energie herstellen und woher wir die Energie nehmen. Diese Frage betrifft nicht die Elektroautos. Deswegen möchte ich dem, wenn auch am Rande, noch einmal widersprochen haben.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß die in Rügen erprobten Versuchsfahrzeuge der nächsten Generation in den meisten Fällen noch nicht die Generation von Fahrzeugen sein wird, die danach am Markt in großer Breite angeboten werden. Vielmehr werden die Automobilfirmen anschließend, auf der Basis der Erfahrungen des Rügen-Versuchs, ihre Modelle mit eigenen Mitteln zu noch verbesserten Serienfahrzeugen weiterentwickeln.
Jetzt noch ein paar Bemerkungen zu den Hybridfahrzeugen. Herr Kollege Mosdorf, Sie haben es angesprochen; die SPD hat ja im Forschungsausschuß auch einen dementsprechenden Antrag gestellt. Diese Fahrzeuge sind eine interessante Option. Wir
haben deshalb, wie Sie wissen, in der Vergangenheit derartige Busse mit BMFT-Mitteln gefördert. Aber Hybridfahrzeuge sind nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum sogenannten Null-Emissionsfahrzeug. Sie enthalten nach wie vor den Verbrennungsmotor, bei dem ein Elektromotor zwischengeschaltet wird, so daß die Technik, die in den Hybridfahrzeugen interessant ist, in klassischer Weise mit den reinen Elektrofahrzeugen im Rahmen des Rügen-Versuchs erprobt werden kann. Deshalb machen wir das; denn die Erkenntnisse, die in Rügen zum Vorschein kommen, gelten in gleicher Weise für einen Teil, und zwar den interessanten, des Hybridautos. Deswegen glauben wir: Wenn die Industrie das machen will, soll sie es einsetzen. Aber es ist nicht Aufgabe der Forschung - zumal die Mittel begrenzt sind -, hier zusätzliche Mittel für Hybridfahrzeuge auszugeben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Es wird die Aufgabe der am Bau und Betrieb von Elektrofahrzeugen beteiligten Industrien, Firmen und Wirtschaftszweige sein, im Zuge der Serienvorbereitung und -fertigung schnell preisgünstige Lösungen zu erarbeiten, die die Elektrofahrzeuge der nächsten Generation im Vergleich zum Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor in einigen Verkehrsfeldern konkurrenzfähig machen. Dies ist die Grundvoraussetzung, wenn weltweit sich entwikkelnde Zukunftsmärkte gesichert und Elektrofahrzeuge auch in unserem Lande zunehmend eingesetzt werden sollen.
Lieber Kollege Mosdorf, es ist uns natürlich völlig klar, daß wir mit diesem Bereich nicht die Verkehrsprobleme lösen. Aber es könnte eine Chance sein, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, daß die Umwelt besser wird und daß uns möglicherweise all die Folgen, die auf uns zukommen können, erspart bleiben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt unserem Kollegen Dr. Martin Mayer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch einen Wechsel im Präsidium vor einigen Minuten ist die Frage, ob meine Fraktion im Präsidium oder im Plenum zahlenmäßig stärker vertreten ist, eindeutig entschieden worden. Somit ist auch klar, daß ich hier in diese Richtung reden kann und darf.
Ich möchte zunächst feststellen, daß das Elektroauto nur im verkehrspolitischen Gesamtkontext gesehen werden kann. Eine Reihe von Rednern hat das Thema auch entsprechend angesprochen. Gestern war lange genug Gelegenheit, eine Generalaussprache zu führen. Das muß man heute nicht mehr in aller Ausführlichkeit machen. Ich kann auch feststellen, daß das Thema Elektroauto und Einordnung in die Verkehrspolitik so kontrovers nicht ist, daß wir uns daran sozusagen zerfleischen müßten. Ich stelle im Gegenteil fest, wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten.
Um so mehr hat es mich verwundert, Herr Kollege Mosdorf, daß Sie das gebetsmühlenhaft wiederholt
haben, was Sprecher der SPD-Fraktion über unseren Minister Riesenhuber zu sagen sich angewöhnt haben. Ich finde das abgeschmackt und kann nur sagen: Vielleicht ist es auch ein bißchen der Neid, daß Sie keinen Mann haben; der in der Forschungspolitik solche Visionen hat und der nach wie vor Begeisterung für Forschung wecken kann.
Herr Kollege Mayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?
Bitte, Kollege Mosdorf.
Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie von dem Elan des Ministers persönlich überzeugt sind, weil ich von vielen Kollegen auch im Hause höre, daß der doch merklich nachgelassen hat nach zehn Jahren.
Woher Sie Ihre Informationen haben, ist mir schleierhaft. Ich bin von dem Elan des Ministers begeistert, das kann ich sagen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Bitte, Kollege Mosdorf.
Worauf führen Sie zurück, daß er z. B. Briefe fünf Wochen lang nicht beantwortet?
Das ist eine Frage, die Sie dem Minister und dem Ministerium stellen müssen und nicht mir.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Elektroauto ist ein Auto, das wir im Interesse des Umweltschutzes hier forcieren wollen. In der Tat: Elektroautos fahren lärmarm, und Elektroautos haben am Ort des Fahrens keinen Schadstoffausstoß. Das sind wichtige Gesichtspunkte, die hier in der Umweltdiskussion zu berücksichtigen sind. Natürlich stehen Elektroautos auch in Konkurrenz zu anderen Entwicklungen, Verbesserungen im Umweltbereich bei Verbrennungsmotoren und bei Wasserstoffautos. Weil sie am Ort keine Emissionen bringen, sind Elektroautos auch besonders geeignet für bestimmte Nischen - es ist schon gesagt worden -, für die Innenstädte und für umweltempfindliche Gebiete. Deshalb besteht auch ein Anreiz für kleine Serien, aber nicht nur deshalb. Wir müssen die Weiterentwicklung der Elektroautos auch deshalb betreiben - da ist in erster Linie die Industrie gefordert, aber auch der Staat leistet seinen Beitrag -, damit wir diese Technologie beherrschen und damit Deutschland auch dabei ist, wenn es um den Export dieser Autos geht. Denn weltweit können diese Autos durchaus zusätzliche Bedeutung gewinnen.
Strittig in der politischen Diskussion ist da eher die Frage: Welchen Beitrag können Elektroautos zur Gesamtumweltentlastung leisten? Ist es ein umweltpolitisches Ziel, mit Elektroautos in die Massenproduktion zu gehen? Dazu müßte meiner Meinung nach erstens eindeutig sichergestellt werden, daß von den Batterien bei Unfällen kein zusätzliches SicherheitsriDr. Martin Mayer ({0})
siko ausgeht. Dazu muß zweitens die Frage der Wiederverwertung der Batterien eindeutig geklärt werden, damit hier nicht zusätzliche und neue Schadstoffquellen entstehen. Es ist auf diesem Gebiet Erhebliches geleistet worden. Aber es ist nicht zu verhehlen, daß auch bei verschiedenen Automobilherstellern Skepsis herrscht. Ich zitiere hier eine Studie von Daimler, die feststellt, daß im Jahre 2003 in Kalifornien bei dem dann geschätzten Fahrzeugpark und den anfallenden Batterien 24 Tonnen Cadmium pro Jahr in die Umwelt abgegeben werden. Auch diesen Gesichtspunkt muß man hier natürlich mit in Betracht ziehen.
In der globalen Betrachtung ist die Frage des CO2 und der Luftschadstoffe von der Art der Stromerzeugung abhängig; das ist heute schon mehrmals angesprochen worden. Die meisten Berechnungen gehen dabei von einem Strommix aus. Aber wenn wir das Elektroauto als Massenprodukt betrachten, müssen wir zumindest gedanklich die Arten der Stromerzeugung trennen. Man kann vereinfacht sagen: Einen wirklichen Durchbruch bringt das Elektroauto nur dann, wenn der Strom aus Sonnenenergie oder aus Kernenergie erzeugt wird. Wenn wir den Strom nur in fossilen Kraftwerken erzeugen, bringt das für die Reduzierung des CO2 null, für die Reduzierung der übrigen Schadstoffe verhältnismäßig wenig.
Darum sage ich hier in aller Deutlichkeit: Wer ja sagen würde zu einer Masseneinführung von Elektroautos, müßte gegenwärtig auch ja zur Kernenergie sagen. Deshalb haben im übrigen auch die Umweltverbände eine durchaus gespaltene Haltung zum Elektroauto.
Weil das Elektroauto nach meiner Ansicht in der nächsten Zeit nur für Nischen in Frage kommt, muß unsere Strategie ein schrittweises Vorgehen sein. Das heißt, wir müssen die Anwendungen in den Nischen erweitern. Ich hätte Bedenken gegen ein Vorgehen wie in Kalifornien zum jetzigen Zeitpunkt. In Kalifornien soll das Elektroauto flächendeckend eingeführt werden, während es bei uns um Nischen geht.
Deshalb müssen wir schrittweise vorgehen. Der erste Schritt heißt, die Nischenanwendung erweitern und die Anreize ausdehnen. Das heißt für mich, Steuerbefreiung nicht nur für fünf Jahre, sondern für die ganze Lebensdauer. Das heißt für mich, die Nutzervorteile zu erweitern. München plant beispielsweise, die Innenstadt für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ganz oder teilweise oder zeitweise zu sperren.
In einem weiteren Schritt müssen dann die EG-Regelungen angegangen werden; denn die EG-Regelung läßt zum Teil schon die kleinen Schritte nicht zu. Es mutet mich etwas seltsam an - lassen Sie mich das als europapolitischen Gesichtspunkt hier einbringen -, daß die Einzelstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Gesetzesmaterie einen größeren Spielraum haben als die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Wir sollten einmal darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, daß die EG alles einheitlich regeln kann. Deshalb müßte es der zweite Schritt sein, den Spielraum der Mitgliedstaaten der EG in diesem Regelungsbereich zu erweitern.
Ein dritter Schritt wäre meiner Ansicht nach, daß wir national die Rahmendaten so setzen, daß für die Hersteller und Kunden ein vermehrter Anreiz besteht, auf diese Autos umzusteigen.
Ich möchte abschließend feststellen, daß wir gleichzeitig Anstrengungen unternehmen müssen, um auch bei den Verbrennungsmotoren die Umwelteigenschaften zu verbessern. Die Industrie tut das auch, und sie hat in diesem Bereich bereits gewaltige Fortschritte erzielt.
Wir müssen das Elektroauto fördern, auch wenn es nur in einem Teilbereich dazu dienen kann, die Umwelt zu verbessern. Ich meine, das Elektroauto liefert einen wichtigen Beitrag, um in den Innenstädten und Naturschutzgebieten, in Kurorten und anderen Bereichen die Umwelt zu verbessern.
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Meine Damen und Herren, als vorläufig letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich jetzt das Wort dem Herrn Abgeordneten Bodo Seidenthal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Ihre Reden möchte ich nur mit zwei Sätzen kommentieren: Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Der Elan, mit dem Sie hier Ihre Vorträge gehalten haben, wird auch durch die Beantwortung der Großen Anfrage gekennzeichnet, die Sie selber eingebracht haben.
Nun zu meinen Ausführungen:
Schalter auf Vorwärtsfahrt, „Gaspedal" durchtreten, und in wenig mehr als 6 Sekunden schwimmen wir mit Tempo 50 überraschend mühelos und flott im Münchener Stadtverkehr mit. Ganz komfortabel, ohne Schalthektik, ohne normale lästige Geräuschkulisse und vor allem völlig ohne Abgase. Toll!
So, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liest sich ein Fahrbericht über ein handgefertigtes Einzelelektrofahrzeug, das allerdings kein Serienvorläufer ist, obwohl fahrtüchtig, ausgetüftelt bis ins Detail.
Fest steht - das gibt die Antwort auf die Große Anfrage so auch wieder -: Dies wird noch eine geraume Zeit so bleiben, denn bevor es zu einer Serienfertigung von Elektrofahrzeugen kommen kann, gibt es noch eine Reihe von Problemen zu lösen. Der Herr Staatssekretär hat darauf ja auch hingewiesen. Dazu zählen: Die Lebensdauer der heute verfügbaren Batterien ist noch viel zu kurz. Die Fertigungskosten von Batterie, Elektromotoren und Steuerungen sind noch nicht akzeptabel, und die Wirkungsgrade der Elektromotoren sind noch unbefriedigend.
Was trägt nun die Antwort der Bundesregierung zur Lösung der oben beschriebenen Probleme bei? Ich sage hier klar und eindeutig: Nichts! Denn trotz intensiven Studiums habe ich nur Absichtserklärungen und schwammige Formulierungen gefunden; den Push, den sich viele erhofft haben, wird es durch diese
Anfrage nicht geben. Ich möchte dies an einigen Aussagen festmachen.
Zu Schnelladestationen heißt es:
. . soll die Möglichkeit eröffnet werden, leistungsfähige Elektrofahrzeuge auch im Langstreckenbetrieb einzusetzen.
Und zur kalifornischen Abgasgesetzgebung:
... so stellt sie doch in der Gesamtstrategie zur Umweltentlastung im Verkehr zumindest nur eine begrenzte
- das unterstreiche ich Maßnahme dar.
Zu Entwicklungsarbeiten heißt es:
Hinsichtlich technischer Serienreife und Wettbewerbsfähigkeit stellen die Batterien auch in den USA den wesentlichen Schwachpunkt der Elektrofahrzeugindustrie dar.
Diese Aufzählung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ließe sich zahllos fortsetzen. Mein Kollege Mosdorf hat Ihnen in seinem Beitrag Unterstützung zugesagt; deshalb möchte ich mit Ihnen über diejenigen Probleme reden, die noch nicht gelöst sind, auf die die Bundesregierung in ihrer Antwort auch keine konkreten Lösungsvorschläge gemacht hat und die wir nur gemeinsam angehen können.
Fest steht: Die Abgasgesetzgebung in Kalifornien für Kraftfahrzeuge und die damit verbundene Quotenfestlegung zugunsten eines stufenweise ansteigenden Verkaufsanteils von Elektrofahrzeugen hat die Diskussion über Elektrofahrzeuge auch in Europa neu belebt. Die Lanze, die gerade Sie von den Koalitionsfraktionen - Frau Sothmann, Sie sind leider nur noch allein hier - für die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen brechen, sollten Sie zum jetzigen Zeitpunkt - das ist auch in Ihren Redebeiträgen herausgekommen - lieber in der Hand behalten.
Wo bleibt denn Ihre kritische Aufarbeitung der von den E-Fahrzeugen verursachten Emissionen? Trifft es nicht zu, daß gegen die regionalen Emissionsvorteile des E-Fahrzeuges global die Schadstoffe aufzurechnen sind, die bei der Umwandlung von Primärenergie in elektrischen Strom in Kraftwerken entstehen? Denn rechnet man aus dem gegenwärtigen Spektrum der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland den E-Fahrzeugen die anteiligen Kraftwerksemissionen zu, so sieht gerade das Bundesumweltamt die Gesamtschadstoffbilanz des von Ihnen verfolgten Konzepts als sehr kritisch an.
Trifft es nicht weiter zu, daß eine Senkung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr nur erreichbar ist, wenn sichergestellt werden kann, daß zur Herstellung von Elektrizität nur erneuerbare Energien eingesetzt werden?
Wo bleibt Ihre Antwort auf die Frage nach der Verkehrssicherheit von Elektrofahrzeugen? - Ich unterbreche gern einmal Ihr Gespräch, Frau Sothmann: Beunruhigt Sie es nicht, daß zur Zeit CrashTests mit konventionellen Elektrofahrzeugen noch fatale Folgen für den Benutzer hervorbringen? Darüber können wir beide diskutieren. Muß nicht alle
Energie deshalb in die Entwicklung sogenannter Leichtmobile und verbesserter Rückhaltesysteme gehen? Beunruhigt Sie nicht die Aussage ernstzunehmender Unfallforscher, daß die gesamten konventionellen Elektromobile im Falle eines Unfalls „schwierig" seien? Die Leichtmobile sind ja erst neu in der Entwicklung. Fragen über Fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die uns zu dem Schluß bringen sollten, gemeinsam darüber nachzudenken, ob sich dieser Kraftakt für ein Nischenfahrzeug - Herr Mayer hat es ja gerade dokumentiert - lohnt.
Es wurde heute schon mehrmals festgestellt: Das E-Fahrzeug kann ohne Zweifel positive umwelt- und energiepolitische Auswirkungen haben, insbesondere dann, wenn der Strom umweltfreundlich und insbesondere aus regenerativen Energien erzeugt wird. Nutznießer dieser Vorteile wird im wesentlichen aber die Allgemeinheit sein. Sie und nicht der E-
Mobilbesitzer oder der E-Mobilfahrer muß das E- Fahrzeug wollen. Dieser muß sich hingegen mit den unbestrittenen Nachteilen des E-Mobils herumschlagen, und das ist zuallererst die immer noch relativ geringe Reichweite und dann aber auch die geringe Fahrleistung.
Da Kostenrechnungen ergeben haben, daß ein Elektrofahrzeug auch bei Großserienfertigung immer teurer ist als das vergleichbare Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, liegt noch folgende aussichtslose Situation vor: Man müßte für ein E-Mobil, das nach heutigen Wertmaßstäben weniger leistet als ein konventionelles Auto, mehr Geld ausgeben. Unter diesen Umständen kann sich deshalb kein Markt für E- Fahrzeuge entwickeln. Herr Staatssekretär, das am 13. Februar 1992 vom Bundestag beschlossene Steueränderungsgesetz wird daran auch nicht viel ändern, denn die Anreize reichen einfach nicht aus.
({0})
Wir teilen die Auffassung des VDA, daß die besten Einsatzchancen des Elektrofahrzeuges kurz- und mittelfristig in Kurorten und im Kern der Großstädte liegen. Marktnischen - ich unterstreiche nochmals: Das Fahrzeug wird nur eine Nischenfunktion haben - wird es für das relativ teure Elektrofahrzeug vor allem aber nur dort geben, wo der Umweltschutz absoluten Vorrang hat und der Strom umweltfreundlich erzeugt wird, wie schon mehrmals festgestellt wurde.
Ich möchte eine Warnung aussprechen. Ich kenne mich in der Materie auch ein klein wenig aus, denn ich bin, glaube ich, der einzige, der an solch einem Projekt schon einmal mitgearbeitet hat. - Gut, ich nehme das zurück, Frau Sothmann. - Wir sollten nicht den vergeblichen Versuch unternehmen und hinsichtlich Fahrleistungen und Einsatzspektrum den Wettbewerb mit dem konventionellen Fahrzeug suchen, denn es wird dabei aus meiner Sicht nur einen Verlierer geben, und das wird das Elektrofahrzeug sein.
Siegmar Mosdorf hat vorhin schon einige Alternativen zum Elektrofahrzeug angesprochen. Herr Staatssekretär, Sie werden mir verzeihen, aber ich möchte, wie schon im Ausschuß, den Hybridantrieb trotzdem
noch einmal ins Spiel bringen und Sie bitten, sich damit auch einmal ernsthaft auseinanderzusetzen.
Der Gedanke, die Vorzüge verschiedener Antriebsarten zu verbinden und gleichzeitig unerwünschte Wirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten, stand Pate für die Entwicklung des Hybridantriebes.
({1})
- Dazu komme ich gleich. - Bei dieser Technik handelt es sich um die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor in einem Fahrzeug, denn bei geschickter Auslegung können so die Umweltfreundlichkeit des Elektroantriebes und die Vorteile eines schadstoffarmen Verbrennungsmotors - großer Aktionsradius und gute Fahrleistungen - verknüpft werden. Fahrzeuge mit Hybridantrieb haben daher eine Einsatzbreite, die sich von Automobilen mit Verbrennungsmotoren nicht wesentlich unterscheidet. Sie sind deshalb im Vergleich zu reinen Elektrofahrzeugen nicht nur auf eine Nische begrenzt.
Die Arbeitsteilung zwischen beiden Antriebsarten sieht vor, daß der Verbrennungsmotor automatisch anspringt, wenn schnelles Beschleunigen oder Geschwindigkeiten über 50 km/h gefordert werden. Der Elektrobetrieb dagegen ist für gleichmäßiges Fahren mit Geschwindigkeiten bis etwa 60 km/h gedacht. Derart werden die unterschiedlichen Antriebsarten immer dann genutzt, wenn ihr Wirkungsgrad relativ groß ist. Mit seinen beiden Komponenten kann sich der Hybridantrieb auf das vorhandene, gut ausgebaute Energie- und Kraftstoffnetz stützen. Daneben eröffnet der Elektrobetrieb auch die Möglichkeit, wie schon mehrmals festgestellt wurde, zur Nutzung alternativ gewonnener Energie, beispielsweise wenn der Strom in Solarkraftwerken erzeugt wird.
({2})
Das ist ein Beispiel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, bis Elektrofahrzeuge technisch und wirtschaftlich reif für die Serienfertigung sind und wir sie wirklich wollen, werden noch einige Jahre vergehen. Herr Neumann, da stimme ich mit Ihnen überein. Dann können die E-Fahrzeuge aber nur mit kräftiger finanzieller Unterstützung und durch das Bereitstellen eines Marktsegmentes durch die öffentliche Hand eine Ergänzung zum Verbrennungsmotor-Automobil sein, aber kaum eine Alternative.
({3})
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zu Elektrofahrzeugen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nunmehr zum letzten Punkt der Tagesordnung, dem Zusatzpunkt 10:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Norbert Geis, Erwin Marschewski, Horst Eylmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Detlef Kleinert ({0}), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung der Juristenausbildung
- Drucksache 12/2280 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({1}) Innenausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Ich mache schon darauf aufmerksam, daß die beiden Gruppen angekündigt haben, daß sie an der Debatte nicht teilnehmen, und daß es möglicherweise auch Reden gibt, die zu Protokoll gegeben werden.
Zunächst erteile ich das Wort unserem Kollegen Dr. Eckhart Pick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich angenommen, erst einmal auf die Begründung zu diesem Gesetzentwurf eingehen zu können. Es ist sicher nicht meine Aufgabe, den Entwurf der Koalition zu begründen. Ich will mich aber nur auf einige kritische Anmerkungen beschränken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der deutsche Jurist, wie man so schön sagt - oder die Juristin -, endlich auf die Menschheit losgelassen wird, dann ist er meist ein dynamischer 30jähriger, bestenfalls ein dynamischer Endzwanziger. Nach Schule, Abitur, Wehr- und Ersatzdienst studiert er im Durchschnitt fünf bis fünfeinhalb Jahre. Nach dem Studium absolviert er noch die Referendarzeit, zur Zeit zweieinhalb Jahre.
Vorbereitungsdienst wird diese Ausbildung genannt. Die Frage ist: Worauf ist denn eigentlich der Jurist dann vorbereitet? Man sollte meinen: auf eine praktische Tätigkeit - endlich. Dabei ist jedoch Fehlanzeige anzumerken. Egal, welchen Berufszweig der deutsche Jurist ergreift, er muß sich immer in ein spezielles Tätigkeitsfeld einarbeiten, ob er Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsjurist werden will. Das ist das Los des deutschen Einheitsjuristen. Er weiß von vielem ein bißchen, von manchem viel, und er weiß nichts von der Praxis. Dem deutschen Juristen bleibt allerdings der Trost, daß er in Europa Spitzenreiter ist. Er ist Spitzenreiter an Alter, und er ist Spitzenreiter an Allgemeinwissen, nur nicht an Erfahrung.
Welches Fazit haben wir aus dieser Situation zu ziehen? Erstens: Der deutsche Jurist tritt vier bis fünf Jahre später als seine europäische Konkurrenz ins Berufsleben ein. Das bedeutet schon einen strukturellen Nachteil. Zweitens: Die notwendige Spezialisierung beginnt erst mit der Berufswahl. Und drittens: Während des Studiums mangelt es an einer sachgemäßen Festlegung des notwendigen Fächerkanons.
Es hat sich als besonders gravierend herausgestellt, meine Damen und Herren, daß das Europarecht noch immer krass vernachlässigt wird. Die weit vorange7168
schrittene Verwobenheit, nicht nur im öffentlichrechtlichen Bereich, sondern gerade auch im Bereich des Wirtschaftsrechts, wird in der herkömmlichen Juristenausbildung immer noch weitgehend ausgeblendet. Hier sind Umschichtungen des Pflichtausbildungsprogramms sicher notwendig.
Ich sagte, daß die herkömmliche Juristenausbildung zu wenig praxisbezogen ist. Erst im zweiten Ausbildungsabschnitt, zumeist also erst nach fünf oder sechs Jahren Studium, erfährt der Jurist endlich etwas von der Umsetzung der bisher nur theoretisch erworbenen Kenntnisse im Alltag.
Es ist schließlich auch noch ein Mangel, daß ungeeignete Kandidaten und Kandidatinnen erst relativ spät herausgefiltert werden und sehr spät erfahren, ob sie geeignet sind oder nicht.
Alle diese Mängel, meine Damen und Herren, ich hätte beinahe gesagt: waren unseren Vorvätern schon geläufig.
({0})
Aber als ich mich kundig gemacht und die Protokolle der Beratungen 1970/71, Herr Kleinert, durchgelesen habe, habe ich gemerkt, daß Sie damals schon mitgewirkt haben. Deswegen versage ich mir natürlich den Ausdruck Vorväter, Herr Kleinert.
({1})
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß dies offensichtlich eine lange, allzulange, unendliche Geschichte ist.
({2})
Seit Jahrzehnten gibt es diese Diskussion um eine Reform der juristischen Ausbildung.
Wenn man diese Mängel feststellt, ist nun die Frage: Welche Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme trägt denn der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eigentlich bei?
Etwas will er im Bereich des Studiums: Er will die sogenannten studienbegleitenden Ausbildungskontrollen wieder abschaffen, also diese Art Zwischenprüfung, die vor einigen Jahren eingeführt worden ist. Darüber kann man getrost reden. Es ist unverkennbar, daß das Ganze mit einem riesigen Verwaltungsaufwand verbunden ist, der von den Fakultäten oder Fachbereichen kaum noch geleistet werden kann.
Der Entwurf ist allerdings mager, was die notwendige Straffung und Konzentration des Studiums und des Stoffes betrifft. Es bleibt eigentlich alles beim alten. Europa findet genausowenig statt wie bisher. Die Studienzeit soll dadurch verkürzt werden, daß die Freischützenregelung - um einmal bei dieser Oper zu bleiben - bundeseinheitlich eingeführt werden soll. Das heißt, wer nach acht Semestern das erste Examen angeht, der hat, wenn er keinen Erfolg hat, die Möglichkeit, dieses Examen ohne Nachteile zu wiederholen. Zu dieser Regelung muß man sagen: Sie wird in den Bundesländern ja schon praktiziert; also bedürfte es überhaupt keiner Änderung des Richtergesetzes insofern. Von daher frage ich mich, was diese ausdrückliche Regelung jetzt soll. Es gibt sie also
schon, nicht nur in Bayern, sondern auch in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg.
Das Ganze hat aber mit einer inhaltlichen Reform nichts zu tun. Diese müßte nach meiner Auffassung beinhalten: Beschränkung auf das Wesentliche und Vermittlung der Grundlagen von Systematik und Methodik im Studium.
Auch eine Verkürzung des Referendardienstes, des Vorbereitungsdienstes, wie vorgeschlagen, ist eine Sache, über die man nachdenken kann. Insofern entspricht diese Initiative auch dem Entwurf des Bundesrates, der ebenfalls für eine Verkürzung auf zwei Jahre plädiert. - Auch das hatten wir alles schon einmal. Herr Kleinert, Sie haben das ja hautnah miterlebt.
Was ich nicht fein finde, meine Damen und Herren von der Koalition, ist, daß Sie diesen Entwurf jetzt einbringen. Zu gleicher Zeit wird nämlich ein von allen Bundesländern außer Bayern getragener Entwurf des Bundesrates im Schoße der Bundesregierung gewälzt, Herr Staatssekretär. Ich betrachte es im Grunde als einen Affront, daß man in dieser Phase diesen Entwurf eingebracht hat. Ich meine, es hat zumindest den Anschein, als wolle man damit den Entwurf des Bundesrates unterlaufen. Ich halte das auf keinen Fall für länderfreundlich; denn die Länder haben schließlich die Juristenausbildung zu organisieren. Sie haben damit also keine Zeit gewonnen - wenn das ein Motiv Ihrer Initiative gewesen sein mag -; denn beide Entwürfe werden tunlichst miteinander verbunden und auch gemeinsam beraten werden. Deswegen werden Sie sich einer Diskussion über die weitergehenden Vorschläge der Länder nicht entziehen können.
Der Entwurf des Bundesrates enthält meines Erachtens substantiell beachtliche Vorschläge. Während der Entwurf des Bundesrates sich der Erkenntnis nicht verschließt, daß auch die Juristen schon in Europa angekommen sind, bleiben Sie, meine Damen und Herren, mit Ihrem Entwurf in dieser Hinsicht noch auf der Strecke.
Die SPD wird sich trotzdem für eine zügige Beratung einsetzen. Das sind wir übrigens auch den neuen Bundesländern schuldig. Dies sagen wir zu; wir werden das Thema Juristenausbildung mit aller Gründlichkeit, aber, wie gesagt, zügig beraten.
Vielen Dank.
({3})
Der Herr Kollege Dr. Götzer und der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Funke, möchten ihre Reden gern zu Protokoll geben. - Es gibt keinen Widerspruch. Ich stelle Einverständnis fest; dann ist es so beschlossen.
Nun erteile ich das Wort unserem Kollegen Detlef Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bin leider nicht in der Lage, hier eine Rede zu Protokoll zu geben, weil ich nur einige Notizen mitgebracht habe.
Detlef Kleinert ({0})
Herr Pick war ja bereits so liebenswürdig, darauf hinzuweisen, daß wir nicht zum erstenmal über diese Dinge sprechen. Das erleichtert es einerseits, auf gewisse Erfahrungen zurückzugreifen, andererseits macht es auch ein wenig ärgerlich, daß wir zum soundso vielten Male auf der Grundlage von Erkenntnissen, Wünschen und Absichten, die uns alle verbinden können, wieder debattieren müssen, weil die Verhältnisse nicht so sind.
Zu Ihren abschließenden Bemerkungen, Herr Kollege Pick, die sich auf die Einbringung des Entwurfs durch die Koalitionsfraktionen während der Beratung einer Bundesratsinitiative bezogen, möchte ich etwas erklären.
Erstens möchte ich es damit erklären, daß man viele Blumen blühen lassen soll - ein alter, wenn auch nicht immer, so doch in vielen Fällen nützlicher Grundsatz. Darum haben wir uns gesagt: Wenn jemand einen speziellen Entwurf hat, an dem uns verschiedenes - das ist sachlich sehr wichtig - gut gefällt, dann können wir ihn auch mit einbringen.
Zweitens sind wir, wie in früheren Zeiten auch - aber damals hatten wir eine etwas andere Konstellation -, naturgemäß koalitionsfreundlich, und Gründe der Koalitionsharmonie haben uns auch dazu gebracht, den Herzenswunsch von Herrn Kollegen Geis bei dieser Gelegenheit zu unterstützen.
({1})
Drittens aber gibt die Vorgeschichte einiges an Motivation her, denn die Bundesländer waren ja - einige mehr, einige weniger - nie so besonders kooperativ bei den früheren Versuchen, zu einer Reform der Juristenausbildung zu kommen, die diesen Namen wirklich verdient.
Wir haben ja früher sehr gute und wohlerwogene Vorschläge für die Durchdringung von Theorie und Praxis, für studienbegleitende Kontrollen gehabt. Die tollste Idee von allen war, daß studienbegleitende Kontrollen dazu führen könnten, daß der eine oder andere für den Beruf vielleicht nicht so sehr geeignete jüngere Kollege daraus rechtzeitig Konsequenzen ziehen würde. Ein dramatischer Fehlschluß zu Lasten der Überfüllung der Universitäten und der weiteren Ausbildungsgänge, wie sich gezeigt hat.
Aber nicht nur das. In beiden Fällen, bei der Durchdringung von Praxis und Theorie durch die Verwaltung und bei den studienbegleitenden Kontrollen durch Teile der Professorenschaft, ist das, was hier gewollt wurde, systematisch unterlaufen worden. Das ist auch vorher in einer Anhörung des Rechtsausschusses ausdrücklich angekündigt worden, bei der Professoren gesagt haben, sie seien nicht die Büttel solcher Reformen, und sie hätten andere Sachen zu tun, als solche Kontrollen durchzuführen. Unter anderem darauf ist es vielleicht auch zurückzuführen, daß wir jetzt zur Begründung des Bundesratsentwurfs lesen, diese Kontrollen hätten sich nicht bewährt. Wenn man sie halbherzig oder gar nicht durchführt, liegt die Nichtbewährung vergleichsweise sehr nahe.
Daß sich diejenigen, die uns frühere Anläufe nicht gerade erleichtert haben, jetzt ein wenig protokollarisch verstimmt fühlen, kann ich mit Rückblick auf diese Geschichte leichter tragen und verkraften, zumal für den Entwurf, der hier vorliegt, einiges spricht.
Die angesprochenen Punkte sind überschaubar, und sie sind uns auch sympathisch.
({2})
Es ist uns erstens sympathisch, daß das schriftliche Examen aus einem Guß abgelegt und nicht, wie vom Bundesrat vorgesehen, abgeschichtet werden soll. Die Abschichterei in den verschiedensten Studiengängen ist ja eine Mogelpackung, mit der u. a. die konzentrierte Examensanstrengung während einer Woche vermieden wird und damit Belastungen, die auf die Beteiligten im späteren Berufsleben ohne weiteres zukommen, bei dieser Gelegenheit jedenfalls nicht erprobt und damit auch nicht zur Beurteilung mit herangezogen werden können.
Gleichzeitig gebe ich Ihnen vollkommen recht, daß die Stoffülle eher für eine Abschichtung spräche. Ich bin allerdings der Meinung: Dann muß man über den Stoffumfang sprechen und trotzdem bei einer einheitlichen Prüfung bleiben. Man muß die speziellen Gebiete den Studenten auf andere Weise nahebringen, als daß man sie zum Examensthema macht, damit auch wirklich jeder Lehrstuhlinhaber mit besonders speziellen Neigungen und Vorträgen angehört wird, weil ja sein Thema im Wege der Abschichtung zum Klausurfach werden könnte, was andernfalls wohl nicht der Fall wäre. Darauf können wir aber keine Rücksicht nehmen; dafür müssen andere Regulationselemente her.
Mir gefällt auch sehr gut, daß das schriftliche Examen vor der freien Station abgelegt wird und jeder entsprechend seinen Neigungen und seiner Arbeitsmethode die Möglichkeit hat, sich auf die mündliche Prüfung vorzubereiten, so daß hinterher wirklich Schluß ist und die große Pause vermieden wird, die es jetzt zwischen schriftlichem und mündlichem Examen gibt, ohne daß diese Zeit für die Ausbildung verwendet werden könnte.
Ferner gefällt mir der sogenannte Freischuß nach dem achten Semester,
({3})
nämlich daß eine dann erfolglos abgelegte Prüfung als nicht abgelegt gilt, was einen bedeutenden Anreiz darstellt, sich besonders frühzeitig zu melden. Das kann zu einer wirklichen Verkürzung führen.
({4})
Ihr Hinweis, daß das schon gemacht wird, ist berechtigt. Die gleichartige Gestaltung in allen Bundesländern oder vielleicht sogar die Anregung durch das Gesetz wären auch etwas Nützliches, wenn es sich um eine vernünftige Einrichtung handelt, was wir nun einmal glauben.
Detlef Kleinert ({5})
Schließlich wäre auch noch viel zur Praxisbezogenheit zu sagen. Das alles ist schon früher diskutiert worden. Ich wünschte mir, daß ein Richter, der später einmal Landgerichtspräsident wird, an der Universität auch nur annähernd etwas von der Problematik der Leitung einer größeren Behörde mit ihren Verwaltungsabläufen gehört hat oder daß ein Jurist, der später einmal Anwalt wird, auch etwas von Aktenführung, Aktenverwaltung und betrieblichen Abläufen gehört hat. Das muß man sich sonst alles erst mühsam mit vielen Fehlschlägen erkaufen.
({6})
Weil wir nicht nur für Koalitionsharmonie eintreten - das allerdings in erster Linie ({7})
und uns hier nicht nur eine weitere Anregung für die kommende Diskussion erhoffen, sondern natürlich auch mit dem Bundesrat - jedenfalls mit seiner großen Mehrheit - in Harmonie leben wollen, bin ich auch der Meinung, daß wir bei den weiteren Beratungen die Gedanken aus den verschiedenen Entwürfen und vielleicht auch noch aus anderen Quellen so zusammenführen sollten, daß dabei trotz aller im
traurigen Verlauf der Geschichte hervorgetretenen Schwierigkeiten ein einigermaßen vernünftiger neuer Schritt herauskommt.
Herzlichen Dank.
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 12/2280 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen eine erfolgreiche Arbeit hier in Bonn, international und in den Wahlkreisen und auch ein paar erholsame Ostertage.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. April 1992, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.