Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank ({0})
- Drucksache 12/1869 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({1})
Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank
- Drucksache 12/988 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({2})
Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß
Nach der Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Bundesminister Waigel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser spannenden Morgenstunde beraten wir über ein wichtiges Thema, das es eigentlich verdient hätte, stundenlang eingehend diskutiert zu werden, vor allen Dingen weil ich weiß, daß es sich um einen sehr intelligenten Entwurf handelt, den die Bundesregierung in diesem Zusammenhang einbringt, was auch von der Opposition kaum bestritten werden wird.
({0})
- So ist es, wobei das Gold hauptsächlich bei den Landeszentralbanken lagert, weshalb sich auch in diesem Zusammenhang immer wieder sehr teure Bauten als erforderlich erweisen.
({1})
Mit unserem Vorschlag zur Novellierung des Bundesbankgesetzes wollen wir die Bestimmungen des Einigungsvertrages zur Geld- und Währungsordnung verwirklichen. Die Stärkung und Straffung der Organisation der Deutschen Bundesbank ist zugleich Vorbereitung auf die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, die wir spätestens bis zum Ende dieses Jahrhunderts verwirklichen wollen. Herr Kollege Meister, ich habe einerseits viel Verständnis für die Bedenken der Länder, möchte aber auf der anderen Seite fragen: Wer würde es verstehen, wenn wir in diesem Stadium dessen, was sich an Europäischer Wirtschafts- und Währungsunion ankündigt und abzeichnet, fünf neue Landeszentralbanken neu errichten und damit 16 insgesamt in Deutschland etablieren wollten? Ich glaube, niemand hätte dafür Verständnis.
Mit der von uns vorgesehenen Errichtung von neun Hauptverwaltungsbezirken wird eine Übergangsregelung beendet. Künftig werden alle 16 Bundesländer gleichberechtigt in die Bundesbankorganisation einbezogen. Wir wollen im wiedervereinigten größeren Deutschland die Wirtschaftlichkeit und Flexibilität der Bundesbankorganisation sicherstellen. Deshalb sind auch im Bereich der alten Länder Anpassungen erforderlich. Es wäre mit letzter Sicherheit verfassungsrechtlich nicht möglich, nur den neuen Ländern zuzumuten, daß sie keine neue Bank bekommen, es aber bei den alten Ländern völlig beim alten zu lassen.
Künftig wird der Zuständigkeitsbereich der meisten Landeszentralbanken mehrere Bundesländer umfassen. Durch diese Zusammenfassung von alten und neuen Bundesländern in Hauptverwaltungsbezirke wird zugleich die Kooperation und das Gefühl der Zusammengehörigkeit im wiedervereinigten Deutschland gestärkt.
Die im Entwurf des Bundesrates vorgesehene Erweiterung der Zahl der Landeszentralbanken von 11 auf 16 wäre zwar der Weg des geringsten Widerstandes. Sie würde jedoch weder dem Gedanken der deutschen Einheit noch der europäischen Integration Rechnung tragen.
Wir haben im Dezember in Maastricht beschlossen, spätestens bis zum Ende dieses Jahrzehnts eine gemeinsame europäische Währung zu schaffen. Wir
sind dabei, eine Europäische Zentralbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank zu errichten. Was wir heute im Bereich der nationalen Geld- und Währungspolitik und ihrer Institutionen entscheiden, steht eben, wie ich sagte, auch im Zusammenhang mit der europäischen Stabilitätsgemeinschaft. Die Aufsplitterung der regionalen Bundesbankorganisation in 16 Landeszentralbanken wäre angesichts der Entscheidungen von Maastricht ein Anachronismus. In der Europäischen Währungsunion wird es die Bundesbank sein, die im Kreis der nationalen Zentralbanken über die europäische Geld- und Währungspolitik mit entscheidet. Deshalb müssen innerhalb der Bundesbank die Entscheidungsgremien eher verkleinert als vergrößert werden. Nur so ist eine schlagkräftige Wahrnehmung der deutschen Stabilitätsinteressen tatsächlich möglich.
Die Erhöhung der Zahl der Landeszentralbanken auf 16 würde auch eine Erweiterung des Direktoriums notwendig machen. Damit würde der Zentralbankrat auf über 30 Mitglieder anwachsen. Selbst wenn wir die Arbeit eines solchen Gremiums, wie der Bundesrat es vorschlägt, durch die Bildung von Ausschüssen straffen, ist die Gefahr von Entscheidungsverzögerungen nicht von der Hand zu weisen. Damit wäre auch die umfassende Sicherung der Währungsstabilität beeinträchtigt.
Durch die Schaffung von neun wirtschaftlich annähernd gleichwertigen Hauptverwaltungsbezirken erreichen wir auch mehr Wirtschaftlichkeit. Das ist gerade in dieser Zeit äußerster Anspannung bei allen öffentlichen Haushalten von großer Bedeutung. Wir haben es uns angewöhnt, nur noch in Milliardenbeträgen zu diskutieren.
({2})
- Nein, wir alle. Das ist auch notwendig; es geht gar nicht anders. - Aber auch die mögliche Einsparung von Verwaltungsausgaben in Höhe von 70 Millionen DM ist für die Öffentlichkeit ein sichtbarer Beweis für unsere Anstrengungen bei der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben. - Kein Beifall?
({3})
- So ist es eben in dieser Morgenstunde.
({4})
Wenn schon von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, kein Beifall kommt, muß er doch wenigstens von den eigenen Kollegen kommen.
({5})
- Sie strömen zur Stunde noch in Massen herein.
({6})
In diesem Zusammenhang ist es widersprüchlich, daß zum Beispiel der Finanzminister von Rheinland-Pfalz die Kosten der Pensionierung der Vorstände von einigen Landeszentralbanken beklagt; denn auf Dauer ist die auch von Rheinland-Pfalz unterstützte
Ausweitung auf 16 Landeszentralbanken die wesentlich kostspieligere Alternative.
Unser Vorschlag zur Neustrukturierung der Bundesbankorganisation wird in keiner Weise den in Deutschland außerordentlich erfolgreichen Föderalismus in Frage stellen. Das Prinzip der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Direktorium und Landes-zentralbankpräsidenten bleibt unangetastet. Da gleichzeitig das Direktorium auf acht Mitglieder verkleinert wird, behalten die Landeszentralbanken ein zahlenmäßiges Übergewicht.
Zum föderalistischen Aufbau der Bundesbank gehörte allerdings zu keinem Zeitpunkt ein Mitspracherecht der Landesregierungen im Bereich der Geld- und Währungspolitik. Jedermann weiß: Geld- und Währungspolitik kann man nur zentral machen, entweder national zentral oder supranational, aber auch dann wieder zentral. Deshalb können die Rechte der Länder durch unseren Neugliederungsvorschlag auch nicht eingeschränkt werden. Wie bisher kann es nur eine einheitliche Geld- und Währungspolitik für ganz Deutschland und bald für ganz Europa geben.
Auch die Zusammenfassung des Vorschlagsrechts mehrerer Länder bei der Ernennung von Landeszentralbankpräsidenten bedeutet keine Aushöhlung der Länderinteressen und der Länderrechte. Beim Internationalen Währungsfonds finden sich zum Beispiel jeweils mehrere Nationalstaaten bei der Ernennung eines IWF-Direktors in sogenannten Constituencies zusammen. Auch diese Staaten sehen sich nicht in ihrer nationalen Souveränität beschränkt. Was im internationalen Maßstab möglich ist, muß auch in einem föderalistischen Staat Zustimmung finden können.
({7})
Die Länder werden ihre Vorschläge zur Ernennung von Landeszentralbankpräsidenten nur einvernehmlich beim Bundesrat einbringen können. Deshalb wird es auch nicht, wie behauptet wird, Länder zweiter und dritter Klasse geben. Da der Bundesrat in seinem Gesetzentwurf selbst eine entsprechende Regelung für den Fall einer freiwilligen Zusammenlegung von Landeszentralbanken vorgesehen hat, kann es eigentlich keine ernsthafte Kritik am Vorschlag der Bundesregierung geben.
Bei der Zusammenlegung von Landeszentralbanken werden umfangreiche Verwaltungen der Bundesbank an den bisherigen Standorten verbleiben. Sie werden die umfassende Versorgung ihrer jeweiligen Regionen mit Leistungen der Notenbank sicherstellen. Befürchtungen, Bankplätze an den bisherigen Standorten von Landeszentralbanken würden gefährdet, sind deshalb unbegründet.
Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wollen wir keine Diskussion über die Neugliederung des Bundesgebietes beginnen.
({8})
Die Befürchtungen der Länder sind hier unbegründet. Das Bundesbankgesetz wäre ein schlechtes Instrument, um eine solche Initiative auf den Weg zu bringen.
({9})
- Leise, aber richtige Zustimmung bei der SPD.
Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit unseres Gesetzentwurfes befaßt. Die Ihnen zur ersten Beratung vorliegende Fassung enthält keine Vorschrift, die nach dem Grundgesetz zustimmungsbedürftig wäre. Auch ändert der Gesetzentwurf keine die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden anderen Vorschriften.
Schon in seinem Urteil vom 24. Juli 1962 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, der Bundestag dürfe ohne Zustimmung des Bundesrates Änderungen und Ergänzungen des Bundesbankgesetzes vornehmen. Dies gilt auch bei einer Änderung der Organisationsstruktur der Deutschen Bundesbank. Die Rechtslage ist aus unserer Sicht eindeutig. Ich würde mir jedoch, unabhängig von dieser Rechtslage, die Zustimmung des deutschen Bundesrates wünschen. Ich habe auch versucht - auch der Bundeskanzler hat dies mit den Ministerpräsidenten versucht -, mit den Ländern immer wieder darüber zu sprechen und möglichst einvernehmliche Lösungen vorzuschlagen. Vor allen Dingen auch mit der Bundesbank selber haben wir uns bemüht. Sie wissen, daß dieser Vorschlag jedenfalls auch die Zustimmung des Direktoriums der Deutschen Bundesbank gefunden hat.
Denn es geht um die Verwirklichung der deutschen Einheit in einem der wichtigsten Bereiche unserer staatlichen Organisation. Die deutschen Bundesländer standen am Anfang der Entwicklung zur zweiten deutschen Demokratie. Die deutsche Wiedervereinigung wurde auf dem föderalistischen Weg über den Beitritt der fünf jungen Bundesländer am 3. Oktober 1990 verwirklicht.
Der Föderalismus bleibt auch in der Europäischen Union ein entscheidender politischer Faktor. Wir müssen die Voraussetzungen für die Erfüllung unserer gemeinsamen Aufgaben an die neuen Realitäten in Deutschland und in Europa anpassen. Diesem Ziel dient der vorliegende Gesetzentwurf zur Neufassung des Bundesbankgesetzes. Ich bitte den Deutschen Bundestag deshalb, diesen Entwurf der Bundesregierung zu unterstützen.
Ich danke Ihnen.
({10})
Als nächster spricht der Minister der Finanzen des Landes RheinlandPfalz, Herr Meister.
Staatsminister Edgar Meister ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bedanke mich, daß ich bei der ersten Lesung des Gesetzes Gelegenheit habe, zu Ihnen zu sprechen. Es liegen zwei Gesetzesinitiativen vor - von der Bundesregierung und vom Bundesrat -, die auf die veränderte Situation in Deutschland eingehen. Ich will darauf verzichten, Argumente, die bereits in der Vergangenheit ausgetauscht worden sind, zu wiederholen. Ich verweise aber auf das, wie ich meine, vorzügliche Papier des Präsidenten der Landeszentralbank in Nordrhein-Westfalen, Professor Jochimsen.
Meine Damen und Herren, die Notenbankverfassung ist für den Staat von grundlegender Bedeutung. Dies gilt insbesondere, wenn - wie bei uns - die Geldpolitik einer unmittelbaren parlamentarischen Kontrolle entzogen und die Notenbank im Kernbereich ihrer Aufgaben unabhängig ist. Schon deshalb ist die Frage nach der richtigen Verfassung der Bundesbank keine Frage, die allzu schnell und mit allzu glatten Argumenten beantwortet werden sollte. Vor allem sollte die Struktur der Notenbank zwischen Bund und Ländern letztlich nicht streitig geregelt werden. Niemandem wäre damit gedient, wenn ein Gesetz verabschiedet werden würde, über dem das Damoklesschwert einer Verfassungsklage hängt.
Wie die Entstehungsgeschichte des Bundesbankgesetzes zeigt, lohnt es sich durchaus, statt der schnellen Lösung eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Die erfolgreiche Tätigkeit der Bundesbank beruht sicher auch darauf, daß ihre Verfassung nach langer Diskussion in diesem Parlament und zwischen Bund und Ländern in großer Übereinstimmung geschaffen worden ist. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß auch die anstehenden Strukturveränderungen schließlich im Wege des Konsenses und nicht gegen den Willen bedeutender Teile dieses Hauses und der Länder durchgesetzt werden können.
Meine Damen und Herren, die Frage der Notenbankstruktur ist nach Maastricht nicht mehr allein mit nationaler Brille zu sehen.
({1})
- Danke schön. - Wir müssen, was die Frage der Notenbankverfassung betrifft, schon jetzt die Entwicklung auf europäischer Ebene im Auge haben.
({2})
- Ich komme allerdings zu einem anderen Ergebnis, Herr Abgeordneter.
Anfang 1994 nimmt das Europäische Währungsinstitut seine Arbeit auf. Eine der wichtigsten Aufgaben des Instituts wird es sein, das Instrumentarium der europäischen Notenbanken zu harmonisieren. Das wird höchstwahrscheinlich zu Änderungen im Instrumentenkasten der Bundesbank führen. Die Kassenkredite an den Staat, die Mindestreservepolitik und der Wechselkredit sind in Frage gestellt. Es ist also durchaus denkbar, wenn nicht sogar wahrscheinlich, daß wir uns schon gegen Ende dieser Legislaturperiode erneut mit einer Änderung des Bundesbankgesetzes befassen müssen.
({3})
Nachdem sicher ist, daß spätestens 1999 die Europäische Zentralbank ihre Arbeit aufnimmt, müßten in der nächsten Legislaturperiode entsprechende Konsequenzen für den organisatorischen Unterbau gezogen werden. Noch ist unklar, welche Aufgaben und welche Geschäfte den nationalen Notenbanken dann verbleiben. Klar ist, daß die Organisation der Notenbank unter funktionalen Gesichtspunkten erfolgen wird. Das sind aber nicht die gleichen Gesichtspunkte, welche die Bundesregierung jetzt zugrunde legt. Die Bundesregierung konzentriert sich darauf, Herr Bun6006
Staatsminister Edgar Meister ({4}) desfinanzminister, jetzt die regionale Struktur zu verändern. Aber mit Blick auf Europa ist eine Funktionalreform nötig, deren regionale Auswirkungen sich im Augenblick noch nicht übersehen lassen.
Fraglich wird sein, ob wir uns künftig ein dreistufiges Zentralbanksystem leisten können. Da die Europäische Zentralbank ein eigenes Direktorium mit dazugehöriger Dienststelle erhält, werden sich auch für das Direktorium der Deutschen Bundesbank zwangsläufig Auswirkungen ergeben. So verstehe ich auch die Äußerung des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Herrn Professor Schlesinger, daß die Errichtung einer Europäischen Zentralbank naturgemäß die Beendigung einer eigenständigen Politik der als regionale Niederlassungen weiterbestehenden nationalen Notenbanken zur Folge hat. Mit anderen Worten: Die Bundesbank wird auf den Status einer Landeszentralbank zurückgeführt.
({5})
Wir wissen das und schaffen trotzdem neue Landeszentralbanken.
({6})
- Ich glaube, es lohnt sich, etwas zu warten. Ich wollte dazu noch etwas sagen.
Folgerichtig bietet es sich für die Umsetzung der europäischen Geldpolitik in der Fläche an, nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzugehen und eine dezentrale Organisation vorzusehen, insbesondere dann, wenn die Bundesrepublik Deutschland, wie wir alle hoffen, den Sitz der Europäischen Zentralbank erhalten wird.
Die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagene Neuorganisation kann mit großer Sicherheit nicht die endgültige Struktur unter den Bedingungen einer Europäischen Zentralbank sein. Dazu fehlen noch zu viele Informationen über die künftige Geschäftstätigkeit der Bundesbank. Würden die Länder der Bundesregierung folgen, bestünde die große Gefahr, daß die Kosten einer Umorganisation zweimal anfallen, und das in einer Zeit, in der die finanzielle Lage von uns allen äußerste Sparsamkeit fordert.
({7})
Herr Bundesfinanzminister, es handelt sich hier um Beträge, die höher als die Beträge sind, die Sie bezüglich dessen genannt haben, was an Effizienzeinsparung möglich sein wird.
Auch für die Mitarbeiter der Bundesbank ist ein Hin und Her von Strukturentscheidungen innerhalb weniger Jahre nicht zumutbar. Deswegen sollten wir die gewachsene Struktur der Bundesbank jetzt nicht umstoßen, sondern ohne Zeitdruck die neue Organisationsstruktur auf die Europäische Zentralbank hin planen.
Es stellt sich daher die Frage, wie die Zeit bis zur dritten Stufe der Währungsunion überbrückt werden kann, ohne daß jetzt voreilig Strukturen geschaffen werden, die später nicht durchzuhalten sind. Ich denke, am besten bewahren wir das bis dahin Bewährte und entwickeln es lediglich fort.
Dazu weist die Initiative des Bundesrates den Weg. Sie enthält entgegen Ihren Äußerungen politische Handlungsspielräume, die eine Verringerung der Zahl der Landeszentralbanken ermöglichen. Leider hat die Bundesregierung bislang nicht ernsthaft versucht, diese Spielräume zu nutzen, sondern hat von Anfang an einen auf Konfrontation mit den Ländern angelegten Kurs bevorzugt. Sonst hätte es der Bundesregierung auch nicht unbekannt bleiben dürfen, daß einige ostdeutsche Länder dem Gedanken länderübergreifender Landeszentralbanken durchaus offen gegenüberstehen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung lehnt die Vorstellungen des Bundesrates mit dem Argument ab, daß die Entscheidungsstrukturen im Zentralbankrat dann nicht mehr effizient genug seien. Das stimmt so nicht. Die Länder wollen gleichermaßen effiziente Entscheidungsstrukturen. Offenbar verkennt die Bundesregierung jedoch, daß der Zentralbankrat nicht der Vorstand einer Großbank ist, der täglich wichtige geschäftspolitische Entscheidungen zu treffen hat. Im übrigen läßt sich die Effizienz einer Notenbank - das wird sicherlich die Bundesregierung für ihre Arbeit auch in Anpruch nehmen wollen - nicht an der Zahl ihrer Mitglieder messen, sondern zuvorderst an ihren stabilitätspolitischen Erfolgen.
({8})
Die Bundesregierung lehnt die Vorstellungen der Bundesländer zur Struktur der Bundesbank auch und gerade mit dem Argument ab, der Vorschlag fünf neue Landeszentralbanken aufzubauen, wäre aus personellen und sachlichen Gründen erst nach Jahren realisierbar. Dieses Argument stimmt nicht. Bereits früher, nachzulesen in der „Börsenzeitung" vom 30. November 1991, habe ich weitere Möglichkeiten aufgezeigt. Es kann keine Rede davon sein, daß irgend jemand fordert, sofort fünf neue Landeszentralbanken nach dem bisherigen Strickmuster zu errichten. Vielmehr würde es doch ausreichen, diese neuen Landeszentralbanken zunächst als Kerninstitute zu gründen.
Es kommt vor allem darauf an, die Anliegen der neuen Länder in das höchste Entscheidungsgremium der Bundesbank, den Zentralbankrat, z. B. durch von ihnen selbst vorgeschlagene Direktoren, einzubringen. Vom Grünen Tisch in Frankfurt aus mag manches - theoretisch vielleicht wunderbar begründet - anders aussehen, als es der Wirklichkeit in den neuen Ländern entspricht.
Zur Beteiligung an der Geldpolitik benötigen die in den neuen Ländern zu berufenden Repräsentanten aber keinen umfangreichen Personalkörper, sondern zunächst nur einen relativ kleinen, qualifizierten Stab. Bei der Erfüllung der weiteren, eher auf die Geschäfte der Bank ausgerichteten Funktionen könnten die neuen Kerninstitute auch für längere Zeit von den Altlandeszentralbanken mit den notwendigen Dienstleistungen versorgt und begleitet werden.
Ich weiß, daß die bestehenden Landeszentralbanken dazu bereit und in der Lage sind. Die Landeszentralbanken haben ihre Bereitschaft und Fähigkeit bereits bei der Einführung der Deutschen Mark und beim Aufbau der Bankfilialen in den neuen BundesStaatsminister Edgar Meister ({9})
Ländern erfolgreich nachgewiesen. Meine Damen und Herren, Sie sehen also, daß mit gutem Willen und etwas Phantasie einvernehmliche Lösungen durchaus gefunden werden können.
Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes anmerken: Auch die Länder sind bereit, in wirtschaftlichen Kategorien und in neuen Wirtschaftsräumen zu denken, wenn dies mit den föderativen Grundsätzen des Bundesbankgesetzes einhergeht. Wozu das Bundesbankgesetz allerdings nicht taugt, ist - ich freue mich, daß der Bundesfinanzminister dies nochmals ausdrücklich festgestellt hat -, als Versuchsobjekt für eine Neugliederung der Länder herzuhalten. Vor wenigen Tagen hat der Abgeordnete Scholz, Vorsitzender des Verfassungsausschusses, bestätigt, daß solche Befürchtungen nicht ganz unbegründet sind.
Maastricht ist ein Neubeginn in der europäischen Währungslandschaft mit tiefgreifenden Einschnitten. Warum wollen Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, hier und jetzt und nach dem Motto „Koste es, was es wolle" gegen den Willen des Bundesrates und gegen geltendes Recht einen Gesetzentwurf durchboxen, der mit Sicherheit nur wenige Jahre Bestand haben kann? Der Beschluß von Maastricht über den Beginn der Europäischen Währungsunion spätestens 1999 hat die Geschäftsgrundlage für das Bundesbankgesetz verändert, jedenfalls sofern Deutschland dann die Qualifizierung erfüllt.
Ich appelliere daher nochmals an die Bundesregierung und an die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, die anstehenden Änderungen des Bundesbankgesetzes nicht im Streit durchzusetzen. Die Länder sind dialogbereit und dialogfähig, und sie machen dieses Angebot aus einer komfortablen Mehrheitsposition heraus.
Vielen Dank.
({10})
Als nächster spricht der Abgeordnete Martin Grüner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, daß es völlig richtig ist, wenn Herr Finanzminister Meister auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, im Zuge der Schaffung einer Europäischen Währungsunion zu neuen Organisationsstrukturen zu kommen, und daß es auch des Schweißes der Edlen wert ist, unter föderalen Gesichtspunkten darüber nachzudenken, wie eine solche Organisation in Zukunft aussehen könnte. Wahrscheinlich wird sie dann sogar die nationalen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland verlassen.
Aber es ist widersprüchlich, nun mit der Begründung, wir würden in Zukunft, wenn die Europäische Währungsunion hergestellt ist, eine Funktionsreform brauchen, hier eine Ausweitung, Verkomplizierung und Verteuerung der bei uns heute schon bestehenden Funktionen zu fordern. Die jetzt gegebene Chance, für eine beschränkte Zeit die Neuorganisation der Bundesbank auch im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Reorganisation zu nutzen, sollte nicht vertan werden.
Diese Chance wird so bald nicht wiederkommen. Durch die Zusammenlegung der Landeszentralbanken zu neun wirtschaftlich gleich großen Hauptverwaltungsbereichen werden sich die Verwaltungsaufwendungen der Deutschen Bundesbank vermindern. Der Aufbau von fünf zusätzlichen Landeszentralbanken in den neuen Bundesländern würde erhebliche zusätzliche personelle und sachliche Ressourcen beanspruchen, die man besser an anderer Stelle verwenden könnte. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier klare Zahlen genannt.
Es würde außerdem geraume Zeit kosten, bis die neuen Landeszentralbanken funktionieren, und wir hätten es auf Jahre mit einer unvollständigen Bundesbankstruktur zu tun, und das in einer Phase, wo wir in neue Dimensionen vorstoßen, und zwar in neue Dimensionen, von denen ich persönlich glaube, daß sie die Landesgrenzen und die nationalen Grenzen im Sinne eines föderalen Aufbaus in Europa sprengen werden und sprengen müssen. Ich meine, daß es wichtig wäre, daß die Bundesländer in ihrem sehr berechtigten Anliegen, Europa auch zu einem Europa der Regionen zu machen, auf diesem Felde allen Anlaß hätten, darüber nachzudenken, ob die künftige Struktur einer Zentralbank nicht auch auf diesem Gebiet Ansatzpunkte bietet.
Die europäische Integration schreitet voran. Die EG-Notenbank-Gouverneure haben ein Statut für das künftige europäische Zentralbanksystem entworfen, für das im wesentlichen das Modell der Bundesbank Pate gestanden hat. In diesem künftigen europäischen Zentralbanksystem werden die geldpolitischen Kompetenzen voll auf diese neue Institution übergehen. Die Bundesbank wird tatsächlich zur Verwaltungseinheit absinken, und die Bedeutung der derzeitigen Landeszentralbanken wird zusätzlich zurückgehen. Mit 16 Landeszentralbanken in eine Währungsunion zu gehen, das ist tatsächlich eine provinzielle Vorstellung, vor allem wenn sie gerade jetzt neu geschaffen würden.
Es verdient deshalb das Reformmodell der Bundesregierung eindeutig den Vorrang. Es hat zusätzlich den Vorteil, daß einige der neuen Bundesländer in bestehende Verwaltungsstrukturen eingebunden werden könnten, was nach meiner Überzeugung mehr Mitwirkungsmöglichkeiten und mehr Einflußmöglichkeiten der neuen Bundesländer bietet, als wenn sozusagen Konkurrenzorganisationen aufgezogen würden.
Der Bundesrat verläßt mit seinem Ansatz zudem den Grundsatz, daß Geldpolitik als zentralstaatliche Aufgabe nur ungeteilt möglich ist und nicht regionalisiert werden kann. Eine Berücksichtigung von länderspezifischen Interessen würde nach Auffassung der FDP-Fraktion die Einheitlichkeit der Währungspolitik gefährden. Auch ist die Bundesbankorganisation kein geeignetes Instrument der regionalen Strukturpolitik.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verstößt nicht gegen das föderale Prinzip. Er entspricht vielmehr dem Grundsatz, daß Geldpolitik ausschließlich eine zentralstaatliche Aufgabe ist. Die Landeszentralbanken sind deshalb keine selbständigen Landesbehörden, sondern rechtlich unselbständige Teile der
Bundesbehörde Bundesbank. Das muß man in diesem Zusammenhang einfach deutlich sagen.
Es könnte uns allerdings wirklich nichts Schlimmeres passieren, als das die Bundesbank Gegenstand jahrelanger verfassungsrechtlicher Auseinandersetzungen würde. Fragen der Geldverfassung müssen aus den von den politischen Interessenlagen geprägten Auseinandersetzungen herausgehalten werden. Alles andere würde dem Ansehen der Bundesbank Schaden zufügen, was in niemandes Interesse liegen würde. Wir brauchen deshalb schnell eine Entscheidung, so wie der Einigungsvertrag es vorsieht. Deshalb ist es ein Anliegen der FDP-Bundestagsfraktion, auch an die Länder noch einmal zu appellieren, sich mit der geltenden Rechtslage abzufinden,
({0})
natürlich bei vollem Verständnis für die Interessenlage der Länder, über die ich jetzt im einzelnen nicht sprechen will. Aber ich bitte doch um Gottes willen, das nicht zum Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung zu machen.
({1})
Als nächster spricht der Abgeordnete Werner Schulz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist schon eine merkwürdige Debatte, die heute dieses Hohe Haus beschäftigt. Es ist nicht ganz leicht nachzuvollziehen, wer mit welchen Gründen auch immer mit welchen Argumenten aufwartet. Jedenfalls geht es offenbar um mehr als um die Anpassung des Bundesbankgesetzes, wie es der Einigungsvertrag vorsieht. Nun ist nicht zu verkennen, daß die Struktur der Deutschen Bundesbank im Hinblick auf die europäische Währungsunion überdacht werden sollte.
Da die Bundesbank demnächst wohl selbst in den Rang einer europäischen Landeszentralbank zurückfällt, ist die Frage schon berechtigt, ob die Erhöhung der Zahl der Hauptverwaltungen auf 16 unbedingt der Weisheit letzter Schluß ist. Daß sie geldpolitisch zwingend ist, ist schon unter den heutigen Verhältnissen nur schwerlich zu begründen.
Dennoch können wir es keineswegs mittragen, daß hier an den Ländern vorbei und über sie hinweg Fakten geschaffen werden sollen. Auch wenn es sich um eine Bundeseinrichtung handelt und wenn es darum geht, ein Bundesgesetz zu verändern, so sind doch eindeutig die Interessen der Länder von einer solchen Entscheidung berührt und zu berücksichtigen.
Es geht schon überhaupt nicht, daß die Neuregelung, wie sie der Bundesbank und der Bundesregierung vorschwebt, auf dem Rücken und zum Nachteil der ostdeutschen Bundesländer durchgezockt werden soll. Mir kommt das Wort eines Frankfurter Kursmaklers in Erinnerung, der mit Blick auf das Beitrittsgebiet von den fünf neuen Provinzen sprach. Genau dieser Eindruck drängt sich auf: Drei der fünf sogenannnten neuen Länder - die, nebenbei gesagt, alte Länder sind -, nämlich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, sollen nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministers vom Westen aus verwaltet werden. In der Begründung Ihres Gesetzentwurfes heißt es, durch die Neurelung sollten annähernd gleichgroße Landeszentralbanken geschaffen werden. Ich als Sachse könnte mich nun freuen, daß Sie meinem Land eine Extrawurst gestatten. Als einziges unter den kleineren Bundesländern soll der Freistaat Sachsen mit seinen knapp fünf Millionen Einwohnern von allen Zusammenlegungsplänen verschont werden. Gilt diese Bevorzugung nun dem Freistaat,
({0})
oder dient sie lediglich dem Ziel, die Mehrheit der Länder gegen dieses Gesetz aufzubrechen?
Hinter den Vorschlägen für eine Neugliederung der Bundesbank steht die immer wieder auflebende Forderung nach einer Neugliederung der deutschen Bundesländer. Dafür mag es Gründe geben; darüber kann man diskutieren. Aber diese Debatte und dieser Gesetzentwurf bieten leider nicht den ausreichenden und geeigneten Rahmen für diese Erörterungen.
Ich beschränke mich deshalb auf einen Hinweis zu diesem Thema: Die Kanzlermehrheit hat es bewußt abgelehnt, den konstitutionellen Weg der deutschen Vereinigung zu gehen. Dieser Weg hätte auch die Möglichkeit einer Neugliederung der Länder eröffnet. Aber eine Überprüfung der Verhältnisse im Westen angesichts der Vereinigung Deutschlands war das letzte, was diese Mehrheit wollte; sie will es auch heute nicht.
Sie sind den Weg des Beitritts nach Art. 23 gegangen, den Weg der Übertragung der westdeutschen Strukturen auf die ostdeutschen Länder. Also bitte, dann wollen wir jetzt auch in der Frage der Landeszentralbanken genauso behandelt werden wie die westlichen Länder.
({1})
Von dieser Ausgangsposition aus können wir dann gemeinsam überlegen, wie Neuregelung, Verwaltungsvereinfachung und die Einsparung überflüssiger Gehälter erreicht werden können.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates bietet mit der Option der freiwilligen Zusammenlegung der Hauptverwaltungen mehrerer Bundesländer hierfür geeignete Ansatzpunkte. Wir werden Ihren Gesetzentwurf, Herr Waigel, ablehnen und dem Gesetzentwurf des Bundesrates zustimmen.
({2})
Als nächster spricht der Abgeordnete Eike Ebert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, daß Geld und Währung ein sehr sensibler Bereich sind. Ich möchte deshalb den Appell von Finanzminister Meister unterstützen, daß wir versuchen, hier eine Konsenslösung zu erreichen, und zwar eine Konsenslösung, die zwischen den Ländern und dem Bund, aber
auch im Verhältnis zwischen den alten Bundesländern und den neuen Bundesländern ausgewogen sein muß; denn es wäre sicherlich fatal, wenn irgendwo der Eindruck einer Benachteiligung bestimmter Ländergruppen entstünde und damit die Vorurteile der neuen Bundesländer gegenüber den alten eine Stütze finden könnten.
Im Einigungsvertrag ist vorgesehen, daß eine Anpassung der Strukturen der Bundesbank an die veränderten gebietlichen Gegebenheiten erfolgen soll. Wir haben aber von der Opposition den Eindruck, daß diese Gelegenheit benutzt wird, um ganz massiv in die Strukturen der Landeszentralbanken und damit der Bundesbank einzugreifen. Meine Damen und Herren, es ist sicherlich richtig, wenn man da sehr hellhörig wird und sehr genau hinschaut.
Wir sind uns alle darüber einig, daß die Bundesbank auf Grund ihrer Strukturen - das ist eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür - international einen hervorragenden Standard erreicht hat und Vorbild geworden ist. Wir alle haben im Vorfeld von Maastricht gemeinsam gefordert, daß die Strukturen der Bundesbank Grundlage für eine europäische Zentralbank sein müssen. Dabei geht es vor allen Dingen um die Unabhängigkeit dieser Bank von Regierungspolitik.
Ich freue mich, daß wir uns hier darüber einig sind, daß das föderative Element in der Bundesbank, obwohl es insgesamt eine Bundesbehörde ist, auch soweit es um die Landeszentralbanken geht, nicht verändert werden darf. Meine Damen und Herren, in bezug auf dieses föderative Element geht es gar nicht um die Frage, ob man auf der Länderebene eigene Geldpolitik betreiben kann, sondern es geht darum, daß die einzelnen Regionen im Zentralbankrat Sprecher haben, die deren Interesse vertreten, und daß die Daten und Informationen aus den einzelnen Ländern dort herüberkommen und gehört werden.
({0})
Ich denke, daß insofern nicht nur die formell postulierte Unabhängigkeit in bezug auf die Struktur unserer Bundesbank ein wichtiger Punkt ist, sondern daß es auch bedeutsam ist, daß eine Ausgewogenheit vorhanden ist, die aber nicht allein durch das Direktorium, das letztlich von der Bundesregierung bestellt wird, zustande kommt, und daß es eine Ergänzung von der Länderseite, nämlich von den Landeszentralbankpräsidenten, hergibt.
Wir sind uns, wie ich dem Entwurf der Bundesregierung entnehme, auch darüber einig, daß nichts daran geändert werden soll, daß ein gewisses Übergewicht der Landeszentralbanken im Zentralbankrat über das Direktorium vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, ich frage mich aber - das ist der Punkt, über den wir wahrscheinlich miteinander reden müssen -, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um an eine solche Veränderung heranzugehen. Der Grundsatz, daß jedes Land eine eigene Zentralbank hat, ist ein Bestandteil der Organisation der Bundesbank. Warum soll dieser Grundsatz im Augenblick aufgegeben werden? Sie können sicherlich mit der SPD darüber reden, daß es im Prinzip richtig ist,
daß man Gremien nicht allzugroß werden läßt; dafür haben wir Verständnis.
({1})
- Das ist ein wichtiges Argument; da sind wir uns einig; Gremien dürfen nicht allzugroß werden. Allerdings frage ich mich, wie der Bundesfinanzminister zu seiner Rechnung bezüglich der 30 Positionen gekommen ist, die dann in Zukunft im Zentralbankrat vertreten wären. Das ist im Augenblick nicht der Fall, und das ist auch bei einer Verwirklichung des Gesetzentwurfs, den die Bundesregierung vorgelegt hat, nicht der Fall. Wir hätten maximal 16 LZB-Präsidenten, und im Augenblick sind im Direktorium nur sechs Positionen besetzt. Somit kommen wir derzeit auf 22. Wenn Sie die Zahl erhöhen wollen, werden wir 24 haben. Aber die 30, die Herr Waigel hier angesprochen hat, sehen wir unter gar keinen Umständen.
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- Sie sagen „proportionale Erhöhung". Sie sprechen davon, daß es darum geht, Kosten zu sparen. Daher gibt es doch keine Notwendigkeit, in dieser Phase unbedingt die Zahl der Direktoriumsmitglieder an die Zahl der Landeszentralbankpräsidenten anzupassen. Denn ich gehe einmal davon aus, daß Ihre Partei unter den Landeszentralbankpräsidenten so ausreichend vertreten ist, daß Sie nicht damit rechnen müssen, daß das Direktorium quasi als Regierung auf der einen und die Landeszentralbankpräsidenten als Opposition auf der anderen Seite stehen. Es ist immer schon so gewesen - ich wiederhole das -, daß die Anzahl der LZB-Präsidenten höher gewesen ist als die der Direktoriumsmitglieder.
Zwischen uns bestand vorhin doch, wenn ich es richtig sehe, Einigkeit darüber, daß es um eine Übergangszeit geht. Daher spielt es auch keine Rolle, wenn sich das Verhältnis von LZB-Präsidenten und Direktoriumsmitgliedern einmal etwas verschiebt.
({3})
- Das ist ein wichtiger Hinweis. Denn man hätte angesichts der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung, woraus man schließen kann, daß ein Gremium schon bei 24 oder 25 Mitgliedern nicht mehr arbeitsfähig ist, natürlich schon längst einmal an das Bundeskabinett herangehen müssen.
({4})
Ich frage mich, wieso Sie im vergangenen Jahr die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre auf 36 erhöht haben.
({5})
- Das war der Druck aus Ihrer Fraktion, Herr Dr. Faltlhauser. Es mußten Leute befriedigt werden. Es mußten irgendwie noch Möglichkeiten geschaffen werden, um den innerfraktionellen Konsens hinzubekommen.
Meine Damen und Herren, wenn es um die Kosten geht, die vom Herrn Bundesfinanzminister so sehr in den Vordergrund gestellt worden sind, dann, denke ich, ist hier ein Bild von den Landeszentralbanken gezeichnet worden, das einseitig ist. Die Landeszentralbanken sind ja nur die Kopfstellen der Bundesbank-Organisation in dem jeweiligen Land. Sie brauchen darüber hinaus ja ein dichtes Netz von Niederlassungen, das einfach notwendig ist, um die Geldversorgung sicherzustellen. Dieses dichte Netz brauchen sie auch in Zukunft in den neuen Bundesländern. Ob eine dieser Niederlassungen dann die Funktion einer Landeszentralbank bekommt, kann ja wohl nicht der entscheidende Kostenfaktor sein.
Wir sind der Auffassung, daß gerade in den neuen Bundesländern, wo viele Kreditinstitute tätig sind, die noch nicht über die eingefahrene innere Organisation wie die in den alten Bundesländern verfügen, diese weitere Funktion der Landeszentralbank, die sich ja auch in einer Beratungstätigkeit, in einer Aufsichtstätigkeit und in einem sich in die Organisationsstruktur der einzelnen Kreditinstitute hineinwirkenden Weise bemerkbar macht, besonders wichtig ist.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie haben - das hier deutlich geworden - von Gleichbehandlung gesprochen. Ich denke schon, daß die neuen Bundesländer den Eindruck haben müssen, daß sie in diesem Fall nicht gleichbehandelt werden, denn Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf eine etwas eigenartige Pensionierungsstruktur festgelegt. Warum soll der LZB- Präsident in Hessen und in einem anderen Bundesland, dessen Name mir im Moment nicht präsent ist, nicht pensioniert werden, während diese Funktion in anderen Ländern aufgelöst werden soll? Ich denke, das sind Ungereimtheiten, über die man im weiteren Gesetzgebungsverfahren gemeinsam reden sollte. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren zu versuchen, im Konsens darüber zu reden.
Wir meinen, daß es gerade im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen im europäischen Rahmen zur Zeit nicht sinnvoll ist, an dem Grundsatz „Jedes Bundesland eine Landeszentralbank" zu rütteln. Wir sind der Auffassung, daß man das für eine Übergangszeit so tolerieren könnte. Wir bitten Sie deshalb, im bevorstehenden Beratungsverfahren noch einmal darüber nachzudenken, ob Sie Ihren Gesetzentwurf in diesen Punkten ändern oder insgesamt zurückziehen sollten.
Danke schön.
({7})
Ich erteile jetzt der Abgeordneten Barbara Höll das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe reagieren in unterschiedlicher Weise auf die dem Gesetzgeber aus dem Einigungsvertrag erwachsende Verpflichtung, innerhalb von zwölf Monaten nach dem Anschluß der
DDR an die Bundesrepublik das Gesetz über die Deutsche Bundesbank anzupassen.
Während der Bundesrat seinen Entwurf bereits Ende April 1991 vorlegte, ließ sich die Bundesregierung sehr viel Zeit mit der Umsetzung dieser Bestimmung des Einigungsvertrages. Offenbar bestehen zwischen der Bundesregierung und den Ländern auch Unterschiede hinsichtlich der Interpretation dessen, was unter einer „Anpassung" des Bundesbankgesetzes zu verstehen ist. Während die Länder konsequent das föderalistische Prinzip beibehalten und nach Möglichkeit in jedem Bundesland eine Landeszentralbank einrichten wollen, strebt die Bundesregierung danach, die Zahl der Landeszentralbanken auf neun zu begrenzen. Die Bundesregierung behauptet, sie sei sowohl bestrebt, „effiziente Entscheidungsstrukturen" beizubehalten, als auch daran interessiert, die neuen Länder in die Infrastruktur der Bundesbankorganisation zu integrieren. Würde Ihr Entwurf Gesetzeskraft erlangen, gäbe es jedoch Länder erster, zweiter und dritter Klasse, und zwar solche, in denen die Bundesbank eine Landeszentralbank unterhält, solche, die zusammen mit einer Landeszentralbank ausgestattet werden, und solche, die sich eine Landeszentralbank gewissermaßen dritteln können.
In seiner Hochglanzbroschüre über „Das Bankwesen in Deutschland" informiert der Bundesfinanzminister interessierte Bürgerinnen und Bürger auf Seite 43 darüber, daß das wichtigste Entscheidungsgremium der Bundesbank in währungs- und kreditpolitischen Fragen der Zentralbankrat ist, dem unter anderem die Präsidenten der Landeszentralbanken angehören. Gleichzeitig ist Herr Waigel federführend an Plänen beteiligt, die Zusammensetzung dieses Gremiums zuungunsten der Bundesländer zu verändern. Niemand bestreitet, daß die Geldpolitik nach derzeit geltendem Recht eine zentralstaatliche Aufgabe ist. Muß das aber in der Konsequenz bedeuten, daß im Umgang mit den Bundesländern der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wird? Warum zieht die Bundesregierung nicht ehrlicherweise gleich voll durch und ändert das Bundesbankgesetz so, daß der Zentralbankrat nur noch aus dem Direktorium der Bundesbank besteht?
Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung der Zustimmung der Länderkammer bedarf oder ob er unter die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 73 des Grundgesetzes fällt, bleibt festzuhalten, daß die währungspolitischen Befugnisse der Bundesbank schon im Zusammenhang mit Art. 109 Abs. 2 des Grundgesetzes und mit § 1 des Stabilitätsgesetzes gesehen werden müssen. Unbestritten ist die Verwaltungszuständigkeit des Bundes. Aber Bund und Lander sind an Maßnahmen zur Währungssicherung beteiligt und führen diese aus.
Die PDS/Linke Liste fordert deshalb vom Finanzminister, daß er von seinem Gesetzentwurf Abstand nimmt und statt dessen die Bundesratsinitiative unterstützt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erteilt nicht nur dem föderalistischen Prinzip eine Absage, sondern ist offenbar auch als Versuchsballon gedacht, um eine Neuordnung der Bundesländer vorzubereiDr. Barbara Höll
ten. Der Entwurf der Regierung liest sich wie die Rohskizze eines Drehbuches. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen sollen in ihrem Bestand erhalten bleiben. Berlin wird mit Brandenburg vereinigt. Hessen annektiert Thüringen. Und Rheinland-Pfalz schließt mit dem Saarland einen Einigungsvertrag ab. Die Nordschiene bilden Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, gefolgt von Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Es ist doch ein Hohn, wenn die Bundesregierung ein solches Szenario entwirft und zugleich davon spricht, die neuen Länder würden in die Organisation der Bundesbank gleichwertig eingebunden werden. Es trifft auch nicht zu, daß der Regierungsentwurf durch Reduktion der Zahl der Landeszentralbanken annähernd gleich große Verwaltungsbezirke schaffen wird. Vergleichen Sie nur einmal den Bereich der künftigen Landeszentralbank Sachsen mit dem der Landeszentralbank in Düsseldorf.
Die Bundesländer haben ein berechtigtes Interesse daran, sowohl über die Beiräte bei den Landeszentralbanken als auch über die Mitgliedschaft der Präsidenten dieser Institutionen im Zentralbankrat ihre landes- und regionalspezifischen Argumente bei den Entscheidungen über die Währungs- und Kreditpolitik einzubringen. Dieses Interesse berücksichtigt der Entwurf der Bundesregierung in keiner Weise. Eine Neuorganisation der Bundesbank sollte nicht gegen die Interessen der Länder durchgezogen werden. In ihrem Gesetzentwurf haben die Länder ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, eine Hauptverwaltung als eine Landeszentralbank für mehrere Länder einzurichten, sofern die betroffenen Bundesländer zustimmen.
Die Bundesregierung will unsere Blicke auf die weitere Perspektive lenken, d. h. auf die Gründung einer europäischen Zentralbank. Ich frage mich: Warum hat die Bundesregierung in Maastricht Vereinbarungen zugestimmt, die einem europäischen Zentralbankensystem - beachten Sie den Plural: Banken -, bestehend aus einer europäischen Zentralbank und Zentralbanken der Mitgliedstaaten, gelten? Befürchtet die Bundesregierung europaweit keine Zersplitterung der Bankorganisation?
Die PDS/Linke Liste unterstützt den föderalistisch orientierten Entwurf des Bundesrates und erteilt dem Zentralismus der Bundesregierung eine klare und eindeutige Absage.
Ich danke Ihnen.
Als letzter zu diesem Tagesordnungspunkt spricht der Abgeordnete Gunnar Uldall.
Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Der Bundesfinanzminister ist Vorsitzender einer Partei, die bis in die Knochen föderativ aufgebaut ist. Gerade von einem CSU- Politiker zu erwarten, daß er einen Angriff auf die föderative Verfassung machen würde, grenzt geradezu an einen Witz.
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Deswegen brauche ich auf diesen Aspekt, der von dem geschätzten Kollegen Ebert gebracht worden ist, nicht weiter einzugehen.
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Ich möchte aber doch etwas Grundsätzliches zum Aspekt der föderativen Verfassung sagen. Die politische Stabilität und damit natürlich auch der Wohlstand, in dem wir in Deutschland leben, beruht zu einem ganz großen Teil auf unserem fein austarierten föderativen Machtverteilungssystem innerhalb Deutschlands zwischen Bund und Ländern. Wir verfügen in Deutschland über eine effizient operierende föderative Verfassung. Wer jedoch föderative Elemente auf Gebieten fordert, wo sie nicht wirkungsvoll arbeiten können, der stärkt den Föderalismus nicht, sondern der wird langfristig den Föderalismus schwächen, meine Damen und Herren.
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Der Föderalismus darf nicht zu einem Selbstzweck verkommen. Ich bitte Sie alle, bei allem Engagement für den Föderalismus, immer im Auge zu behalten, was langfristig dem Föderalismus dient und was langfristig dem Föderalismus schadet.
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Geld- und Währungspolitik, meine Damen und Herren, sind zentralstaatliche Aufgaben. Deswegen wird von der Bundesbank auch als einer Zentralbank gesprochen. Es gibt keine Geld- und Währungspolitik des Saarlandes, des Landes Rheinland-Pfalz oder sonst irgendeines Bundeslandes. Ja, wir erkennen sogar, daß auch auf nationaler Ebene allein Geld- und Währungspolitik nur bedingt durchzuführen ist. Deswegen wird konsequenterweise ein Europäisches Zentralbanksystem angestrebt.
Der Einigungsvertrag verlangt nun vom Gesetzgeber, innerhalb eines Jahres nach Herstellung der Einheit eine Reorganisation der Bundesbank vorzunehmen, die Organisation den Verhältnissen, wie wir sie jetzt in Gesamtdeutschland vorfinden, anzupassen.
Bisher verfügte jedes Bundesland über eine eigene Landeszentralbank. Die elf Präsidenten der Landeszentralbanken bilden gemeinsam mit dem Direktorium der Bundesbank den Zentralbankrat, der alle wichtigen Entscheidungen unserer Geld- und Währungspolitik trifft.
Es gibt nun zwei Vorschläge, den Bundesratsvorschlag, der analog der bisher bestehenden Regelung auch in den fünf neuen Bundesländern Landeszentralbanken einrichten möchte, so daß wir insgesamt 16 Institute hätten, und den Regierungsvorschlag, der nicht nur nicht die Zahl der Landeszentralbanken beibehalten, sondern sie sogar auf neun reduzieren will. Zugleich soll das Direktorium von acht auf sechs Mitglieder zurückgeführt werden.
Nach meiner Einschätzung sprechen für die Vorschläge der Bundesregierung eine Reihe von Gründen, die ich Ihnen darlegen möchte:
Erstens. Die Größe der einzelnen Landeszentralbanken wird bei der Rückführung der Anzahl auf neun Institute ausgewogener. Heute ist die Einwoh6012
nerzahl im Bereich der größten Landeszentralbank, der Nordrhein-Westfalens, mehr als 20mal so groß wie die im Bereich der kleinsten Landeszentralbank, der in Bremen. Auch im Geschäftsvolumen zeigen sich gewaltige Größenunterschiede. Einige Zahlen für das Geschäftsjahr 1990 sollen das verdeutlichen.
Schecks und Lastschriften im vereinfachten Verfahren wurden in Bremen in einer Größenordnung von 13 000 Stück eingelöst; in Nordrhein-Westfalen waren es 420 000 Stück, also mehr als 30mal soviel.
Über die Landeszentralbank des Saarlandes liefen 36 000 Überweisungen im vereinfachten Verfahren; in Nordrhein-Westfalen waren es 569 000 Stück.
Vereinfachter Einzug von Auslandsschecks fand in Berlin 891mal statt, in NRW 16 000mal.
In Schleswig-Holstein wurden 410 000 Wechsel und Schecks eingeliefert, in Bayern über 10 Millionen.
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- Sie sehen, ich habe für jedes Land eine schöne, passende Zahl herausgesucht, Herr Kollege.
Diese Zahlen zeigen, wie gewaltig die Unterschiede im Aufgabenanfall bei den einzelnen Landeszentralbanken sind. Keiner wird behaupten wollen, daß bei so gravierenden Größenunterschieden eine gleiche Organisationsform gerechtfertigt ist. Der Vorschlag des Bundesrates schreibt aber diese Größenunterschiede fort. Der Vorschlag der Bundesregierung strebt dagegen eine organisatorisch sinnvolle Angleichung an.
Herr Minister Meister, es ist nicht zu erkennen, daß die angestrebte Neuorganisation einer grundsätzlichen Neugliederung, die im Zuge der Europäischen Währungsunion und des Europäischen Zentralbanksystems kommen könnte, entgegenstehen könnte. Im Gegenteil, wenn wir jetzt 16 LZB schafften, würden wir später noch stärkere Widerstände zu überwinden haben, weil dann die Besitzstände noch größer geworden wären, die es zu verteidigen gelten würde. Mit diesen Widerständen müßten wir deswegen fertig werden. Wer also heute nicht die ersten Schritte in Richtung einer Reorganisation tut, Herr Meister, wird es später nicht einfacher, sondern sehr viel schwerer haben. Deswegen muß bereits heute gehandelt werden.
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Der zweite Grund, weshalb die Befolgung der Vorschläge der Bundesregierung eher zu empfehlen ist als die Realisierung der Bundesratsvorschläge, ist folgender. Nach dem Bundesratsvorschlag wird der Zentralbankrat als Entscheidungsgremium einfach zu groß. Der Kollege Ebert hat schon gesagt, daß man mit einem großen Gremium keine richtigen Entscheidungen treffen kann.
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- Hören Sie erst einmal zu, wie groß der Zentralbankrat würde. Wenn die Zahl der Landeszentralbankpräsidenten auf 16 steigt, müßte die Zahl der Direktoriumsmitglieder ebenfalls erhöht werden, auch wenn dieses nicht explizit im Bundesratsentwurf enthalten ist.
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Insgesamt ergäbe sich statt einer Zahl von heute maximal 19 Mitgliedern - wenn ich von acht Direktoriumsmitgliedern ausgehe, wie es nach dem Bundesbankgesetz möglich ist - eine Zahl von rund 30 Mitgliedern, wie Minister Waigel vorhin schon sagte; denn die Zahl der Direktoriumsmitglieder müßte von acht auf leicht unter 16 angehoben werden.
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- Weil Sie die Zahl der Landeszentralbanken ebenfalls auf 16 erhöhen. Es darf ja keine zu große Schieflage entstehen, sondern es muß eine Ausgewogenheit zwischen der Zahl der Direktoriumsmitglieder und den 16 LZB-Mitgliedern bestehen. Wenn man von 14 oder 15 Direktoriumsmitgliedern plus der Zahl von 16 LZB-Mitgliedern ausgeht, kommt man auf eine Zahl von insgesamt ca. 30 Personen. 30 Mitglieder in einem Entscheidungsgremium sind aber zuviel. Dieses Gremium wäre nicht mehr in der Lage, effizient zu arbeiten.
Drittens. Die Kosten für die Erweiterung der Bundesbankorganisation würden gewaltig steigen. Berechnungen zeigen, daß der Bundesratsvorschlag in bezug auf die laufenden Verwaltungskosten um rund 60 Millionen DM teurer wäre als das reduzierte Modell der Bundesregierung. Diese Zahl ist leicht verständlich, wenn man sich vor Augen hält, daß in jeder der fünf neuen Landeszentralbanken knapp 200 zusätzliche Mitarbeiter beschäftigt würden. Es müßten also summa summarum rund 1 000 Stellen zusätzlich geschaffen werden.
Jede neue Landeszentralbank müßte einen Präsidenten haben, sie müßte eine Organisationsabteilung haben, sie müßte eine Verwaltungsabteilung haben, sie müßte eine Kreditabteilung haben, und sie müßte eine Bankabteilung haben. Diese Abteilungen müßten sich mit den gleichen Abteilungen anderer Landeszentralbanken und der Dienststelle des Direktoriums eng abstimmen. Natürlich müßten neue Gebäude erstellt werden. Da die Banken nur selten in bescheidenen Räumlichkeiten untergebracht sind, ist eine Schätzung von einer halben Milliarde DM für Neubauten von Landeszentralbanken nicht untertrieben.
Zusammen mit dem Kapitaldienst und den Abschreibungen bin ich dann bei einer Summe von weit über 100 Millionen DM an zusätzlichen Kosten. In dieser Größenordnung wäre die Realisierung des Bundesratsvorschlags teurer als die Realisierung des Vorschlags der Bundesregierung.
Können wir es uns angesichts des enormen Finanzbedarfs in Ostdeutschland erlauben, soviel Geld in eine Verwaltungsstruktur zu stecken, die von der Aufgabenstellung her eigentlich nicht notwendig ist?
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Für mich ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, wie wir an die Lösung unserer Finanzprobleme herangehen.
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Nicht alles, was wünschenswert ist, ist angesichts der großen finanziellen Herausforderungen auch machbar. Wir müssen es zurückstellen.
Herr Abgeordneter Uldall, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Gern.
Herr Kollege Uldall, können Sie mir erklären, wie Sie bei Ihrer Rechnung - unabhängig davon, ob sie stimmt oder nicht -, darauf kommen, daß dieses unmittelbar dem Bundeshaushalt zugute kommt? Immerhin ist die Bundesbank eine selbständige Institution. Die Frage, was die Bundesbank aus ihrer Organisationsgewalt heraus tut, liegt wohl nicht in der Entscheidung des Bundeskabinetts, und die finanziellen Folgen gehen auch nicht in den Bundeshaushalt ein.
Dieses ist natürlich nur auf den ersten Blick richtig, Herr Wieczorek. Sie als geschulter Finanzpolitiker, der immer wieder mitbekommen hat, wie der Bundeshaushalt beraten wird, wissen, daß der Bundesbankgewinn, wenn er die Grenze von 7 Milliarden DM überschreitet, benutzt wird, um die Altschulden des Bundes zu tilgen. Das bedeutet: Wenn Sie über 100 Millionen DM zusätzlich ausgeben, muß - und das weiß jeder Banker wie Sie und Herr Ebert genau - der Überschuß der Bundesbank, der über 7 Milliarden DM hinausgeht, nach Adam Riese entsprechend reduziert werden. Das heißt: In diesem Umfang werden die Schulden des Bundes weniger getilgt. Nun frage ich Sie, lieber Herr Wieczorek: Können Sie es verantworten, daß die Bundesschulden in diesem Umfang geringer getilgt werden, nur weil hier eine überflüssige Verwaltungsstruktur aufgebaut werden soll?
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Wenn sie zur Erhellung dieses Sachverhaltes beiträgt und Herr Wieczorek meine an ihn gestellte rhetorische Frage beantworten möchte, gern.
Es würde mich sehr reizen, Ihnen eine Antwort auf die Frage zu geben, was im Bundeshaushalt zu verantworten oder nicht zu verantworten ist. Aber das wäre eine andere Debatte.
Sie haben vorhin aufgezählt, was in den neuen Bundesländern an Institutionen der Bundesbankverwaltung notwendig ist. Auch haben Sie Rechnungen aufgemacht, die, wie ich meine, nur die Bundesbank anstellen kann, bezüglich derer man jedoch nicht darauf spekulieren kann, daß die Beträge in den
Haushalt eingestellt werden, wie Sie es in Ihrer Antwort soeben getan haben.
Meine Frage ist die, Herr Kollege Uldall: Können Sie mir bitte sagen, wie Sie eine ordnungsgemäße Verwaltung der Deutschen Bundesbank in den neuen Ländern ohne einen Teil dieser Abteilungen sicherstellen wollen? Sie brauchen eine Abteilung für den Geldverkehr, Sie brauchen eine Kreditabteilung zur Feststellung der Diskontfähigkeit, Sie brauchen Bankabteilungen zur Überwachung - all das, was jetzt provisorisch geregelt ist. Ich möchte gern einmal wissen, wie Sie das unter den Aspekten, die Sie genannt haben, regeln wollen, wenn Sie diese Abteilungen nicht schaffen wollen und die dadurch eingesparten Beträge in den Bundeshaushalt einstellen wollen.
Unterhalb der Ebene der Hauptverwaltung der Bundesbank, also unterhalb der Ebene der Landeszentralbank, besteht ein Unterbau von vielen Dienststellen. Diese arbeiten bereits heute in den neuen Bundesländern. Und hier muß man einmal feststellen: Die Geldversorgung bei der Währungsumstellung in Ostdeutschland hat hervorragend geklappt. Bisher ist nirgendwo eine Beschwerde auf den Tisch gekommen, daß die Bundesbank bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Ostdeutschland versagt hätte. Also, der Unterbau funktioniert also.
Worum es jetzt geht, ist die Schaffung von fünf neuen Landeszentralbanken, von Präsidien. Die 70 Millionen DM, die ich als Differenzbetrag genannt habe, sind exakt die Summe, die nicht durch eine Änderung im Unterbau entsteht, sondern allein dadurch, daß Sie neue Wasserköpfe schaffen, Herr Wieczorek. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und dafür plädieren, daß neue Wasserköpfe geschaffen, daß neue Präsidenten eingesetzt werden: mit Dienstwagen, mit Sekretärinnen usw. Man kann doch beim besten Willen nicht erwarten, daß wir in Ostdeutschland jetzt zunächst Geld für die LZB-Präsidenten ausgeben und neue LZB-Gebäude schaffen. Wer will denn rechtfertigen, daß in einer Stadt wie Schwerin zwar ein neues LZB-Gebäude gebaut wird, aber für das notwendige Landeskrankenhaus dort die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung stehen?
({0})
Wollen Sie so etwas verantworten, können Sie der dortigen Bevölkerung so etwas erklären, Herr Wieczorek?
({1})
Meine Damen und Herren, man kann Geld nur einmal ausgeben. Selbst dieses „Töpfchendenken" kann nicht verwischen, daß hier Geld für Dinge ausgegeben werden soll, bei denen das nicht gerechtfertigt ist.
Meine Damen und Herren, die drei Punkte, die ich genannt habe - Nichtarbeitsfähigkeit des Entschei6014
dungsgremiums, überzogene Kosten und vor allen Dingen Bezogenheit einer Bank auf die Gesamtstaatlichkeit -, zeigen, daß wir dem Entwurf der Bundesregierung den Vorzug vor dem des Bundesrates geben sollten.
Die Motivation für den Vorschlag der Länder kann entweder Prestigedenken sein - dafür ist dieser Vorschlag aber zu teuer -, oder ihm kann die Vorstellung zugrunde liegen, daß die Interessen des Landes im Zentralbankrat besser wahrgenommen werden können, wenn es einen eigenen LZB-Präsidenten in den Zentralbankrat entsendet. Gerade dies aber wäre der falsche Ansatz. Der Präsident einer Landeszentralbank soll im Zentralbankrat nicht die Interessen eines Bundeslandes vertreten, sondern das gesamtwirtschaftliche Geld- und Währungsgeschehen im Auge behalten.
({2})
Die Bundesbank muß unabhängig bleiben. Die Bundesregierung darf nicht in den Zentralbankrat hineinregieren. Es darf aber auch keine Landesregierung über ihren LZB-Präsidenten Einfluß zu nehmen versuchen. Gerade weil der Grundsatz dieser völligen Unabhängigkeit ein unbestrittenes Prinzip aller im Bundestag vertretenen Parteien ist - Herr Kollege Ebert hat ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen -, wäre auch diese zweite Möglichkeit für die Begründung des Bundesratsvorschlags von uns als Bundesparlament zurückzuweisen.
Schließlich ist ein weiterer Punkt nicht zu übersehen. Natürlich binden die Landeszentralbanken sehr viel Fachpersonal. Beim Aufbau der Finanzverwaltung stellen wir immer wieder fest, wie eng die Personaldecke an guten Finanzfachleuten in Ostdeutschland ist. Attraktive Positionen in den Landeszentralbanken würden Mitarbeiter anziehen, die wir beim Aufbau in den neuen Bundesländern an anderer Stelle, z. B. in der Finanzverwaltung, viel, viel dringender benötigen.
Das Argument, mit der Neugliederung der Bundesbank würde ein erster Schritt zur Neugliederung der Bundesländer generell erfolgen, ist für unsere Fraktion nicht akzeptabel. Wir weisen darauf hin, daß es sich hier nur um eine organisatorische Gliederung der Bank handelt.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Es wird immer wieder gefordert, die Wiedervereinigung zu nutzen, um neue Strukturen überall in Deutschland zu verwirklichen. Eine solche Chance bietet sich uns bei der Neufassung des Bundesbankgesetzes. Nutzen wir diese Chance! Stimmen wir dem Vorschlag der Bundesregierung zu!
Vielen Dank.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 12/1869 und 12/988 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Die Überweisung ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Willfried Penner, Gerd Wartenberg ({0}), Angelika Barbe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern
- Drucksachen 12/176, 12/916 Nach der Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster nimmt der Abgeordnete Rolf Schwanitz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute morgen über den Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern reden, so tun wir das in diesem Haus nicht zum ersten Mal.
Wir sind uns alle darüber einig, daß eine in 40 Jahren gewachsene zentralistische Verwaltungsstruktur nicht über Nacht in ein rechtsstaatliches Gefüge verwandelt werden kann. Ein öffentlicher Dienst, der sich als Leistungsbereich für die Bürger versteht, und die kommunale Selbstverwaltung müssen erst erlernt werden.
Um so stärker steht jedoch diejenige Seite in der Pflicht, die Erfahrungen und materielle und personelle Ressourcen besitzt und dem Lernenden obendrein die Verwaltungsregeln, sprich die gesetzlichen Grundlagen, mitbringt.
Eine der größten Defizitposten beim Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern liegt nach wie vor beim Polizeiaufbau. Vor fast einem Jahr erhielten wir von einem Polizeiangehörigen aus dem Bundesland Sachsen-Anhalt, der seit etwa 19 Jahren Polizeidienst versieht, folgende Darstellung:
Hier sind wir einschließlich Leiter sieben Polizeiangestellte für ca. 30 000 Einwohner.
An anderer Stelle:
Wir haben keine Dienstfahrzeuge zur Verfügung. Wir benutzen unsere Trabis, um zu den Tatorten oder Unfallorten zu fahren, und das öfter am Tage.
({0})
Hierzu erhalten wir keinerlei Aufwandsentschädigung oder ein sogenanntes Benzinlimit.
Sicher hat sich an dieser Situation einiges verbessert. Doch der Aufbau der Landespolizeibehörden gehört nach wie vor zu den größten Schwachpunkten beim Verwaltungsaufbau. Sowohl die geringe Bezahlung, beispielsweise im Vergleich zur freien Wirtschaft, als auch die unklaren und unsicheren Dienstverhältnisse haben zu drastischen Prozessen der Abwanderung aus den Polizeibehörden geführt.
Der notwendige Zeitraum und die erforderlichen Bemühungen für den Aufbau leistungsstarker und
demokratischer Polizeibehörden sind im deutschdeutschen Vereinigungsprozeß völlig unterschätzt worden. Mehrere Landtage sind, allein was die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen betrifft, nicht mit dem ausgekommen, was der Einigungsvertrag hierfür vorgesehen hat. Das Polizeiaufgabengesetz der Volkskammer, welches nach dem Einigungsvertrag als weiter geltendes Recht bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft war, wurde von mehreren Landtagen provisorisch durch Vorschaltgesetze verlängert, um wenigstens ausreichend Zeit für die Landesgesetzgebung zu haben.
Doch wie sieht jetzt die personelle und materielle Situation, wie sieht der Aufbau der Polizeibehörden in den neuen Bundesländern aus? Immer noch - auch nach eineinhalb Jahren nach dem Tag der deutschen Einheit - erwächst allein aus der personellen Unterbesetzung ein enormes Sicherheitsdefizit. Nach Aussagen der Landesregierungen bzw. von Landtagsabgeordneten fehlen bei der Polizei im mittleren Dienst in Mecklenburg-Vorpommern ca. 900 Beamte, in Sachsen-Anhalt ca. 1 000 Beamte und in Thüringen sogar 1 700 Beamte, und das alles in einer Situation, in der die Kriminalitätsrate in den neuen Bundesländern enorm angestiegen ist, das vor allem bei Straftaten wie Raub, Erpressung, Brandstiftung, Diebstahl oder Unterschlagung.
Da kann es nicht verwundern, wenn nach einer Infas-Umfrage in den neuen Bundesländern 88 % der Befragten eine stärkere Präsenz der Polizei für notwendig halten oder wenn sich sogar 91 % der Befragten mehr Verkehrskontrollen in den neuen Bundesländern wünschen.
Doch schauen wir nicht nur auf das Personal. Ohne eine anforderungsgerechte Ausstattung mit Uniformen, mit Technik oder mit Gerät ist eine vernünftige und wirkungsvolle Polizeiarbeit nicht denkbar. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD- Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern von Ende Oktober 1991, also aus dem letzten Jahr, hören wir von der Landesregierung recht aufschlußreiche Worte. Zur Ausstattung mit Kraftfahrzeugen heißt es da beispielsweise - ich zitiere -:
Der vorhandene Fahrzeugbestand der Landespolizei bietet nicht die Gewähr, die notwendigen
polizeitaktischen Maßnahmen zu verwirklichen.
Oder führen wir das einmal an Zahlen aus: In Mecklenburg-Vorpommern konnten zur Auffrischung des völlig maroden Fahrzeugbestandes auf Grund der Finanzlage des Landes im letzten Jahr insgesamt 125 Fahrzeuge neu bestellt werden. Die Regierung schätzt jedoch - ich zitiere -:
Um die Fahrzeugausstattung auf den erforderlichen Stand zu bringen, wären im Lande derzeit ca. 700 Fahrzeuge notwendig.
Oder an anderer Stelle:
Eine Neuausstattung der Landespolizei mit Fahrzeugen kann daher nur schrittweise im Laufe der nächsten fünf Jahre erfolgen.
Ich weiß nicht, wie lange wir und die Bundesregierung sich das noch leisten können. Die innere Sicherheit sollte kein Gegenstand einer mittelfristigen Entwicklungsplanung sein, auch nicht der Landesregierungen in den neuen Bundesländern. Dort hilft auch kein Verstecken hinter verfassungsmäßigen Zuständigkeiten nach dem Motto „Polizeiaufgabe ist Landessache"
({1})
Keinem Bürger in Ostdeutschland ist zu vermitteln, weshalb ihm in Not und Bedrängnis polizeilicher Beistand versagt bleiben muß, während gleichzeitig in westdeutschen Kasernen, beispielsweise beim Bundesgrenzschutz, Technik bereitsteht, fleißig gewartet und entstaubt wird, aber dort, wo sie am dringendsten benötigt wird, nicht zum Einsatz kommt. Hier sollte endlich eine umfangreiche und schnelle Unterstützung der ostdeutschen Polizeibehörden zumindest im materiell-technischen Bereich einsetzen, und zwar eine, die in Bundesverantwortung steht und von dieser organisiert wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Polizei im Osten hat genauso wie der sonstige öffentliche Dienst aber nicht nur ein Aufbauproblem zu lösen. Es geht vielmehr auch um das Herauslösen jener Teile, die auf Grund ihrer früheren Tätigkeit im öffentlichen Dienst des Rechtsstaates nichts mehr - beispielsweise auf Grund ihrer Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst - zu suchen haben, dort nicht mehr eingesetzt werden können. Diese Personalüberprüfungen sind eine zusätzliche, aber notwendige Belastung des Verwaltungsaufbaus im Osten. Zur Bewältigung dieses Erbes aus der kommunistischen Diktatur sollte der westliche Teil unseres Landes zusätzliche Unterstützung leisten. Allein im Bereich der Polizei der neuen Bundesländer fallen bei diesen Überprüfungen ca. 30 % der Polizeiangehörigen durch, so daß der Bedarf an Personal und Ausbildung zusätzlich durch diese notwendigen Prozesse erhöht wird.
Doch eine solche Unterstützung aus dem Westen sollte nicht nur eine materielle Seite - auch den Bildungsbereich betreffend - haben; es geht auch um die innere Annahme des Problems. Bis zum heutigen Tage vermissen wir einheitliche Maßstäbe für diese Personalüberprüfungen im öffentlichen Dienst auf Bundesebene. Es kann nicht angehen, daß Verhaltensweisen in der DDR-Vergangenheit im öffentlichen Dienst auf Bundesebene mit zweierlei Maß gemessen werden.
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Vor allem muß auf Transparenz und Öffentlichkeit bei diesen Überprüfungsmaßstäben Wert gelegt werden, sei dies nun bei Überprüfungen des Bundesgrenzschutzes-Ost, beim Zoll, also im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministers, oder in den jeweiligen Arbeitsämtern, die sich in den neuen Bundesländern befinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verwaltungen in den neuen Bundesländern müssen nicht nur im allgemeinen Sinne aufgebaut werden; sie brauchen auch eine gesellschaftliche Akzeptanz in den Augen der Mitbürger, nicht zuletzt auch dann, wenn im Arbeitsamt oder bei den Sozialämtern oder im Zusammenhang mit offenen Vermögensfragen bittere Informationen von den Mitbürgern entgegen6016
genommen werden müssen. Sowohl mit der allgemeinen Gesetzgebung als auch mit der gewährten oder verweigerten Verwaltungshilfe hat der Bundestag, aber vor allem die Bundesregierung Mitverantwortung für die Situation im Osten Deutschlands. Dieser Verantwortung sollte sich die Bundesregierung endlich in vollständigem Maße zuwenden.
Danke schön.
({3})
Als nächster spricht der Abgeordnete Werner Skowron.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu meinem Text komme, muß ich eine Erwiderung an Herrn Schwanitz loswerden. Die Polizei ist ein sehr wichtiges und sensibles Feld in den neuen Bundesländern. Sie haben auch zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig und notwendig es ist, die alten Strukturen zu überprüfen. Es ist möglich, wenn wir eine demokratische Polizei bekommen wollen, daß das vielleicht immer etwas zu lange gedauert hat. Sie haben 30 % als Ausgliederungsrate genannt; ich kenne da noch eine andere Zahl. Es ist also letzten Endes schwierig, diesen Aufbau auf dieser Strecke schneller zu forcieren. Der Gerechtigkeit halber möchte ich das einfach sagen; es gäbe noch viel mehr zu sagen. Ich weiß als Berliner, daß wir auch riesige Schwierigkeiten haben. An der Stelle sei das aber noch einmal gesagt.
Zu meinen Ausführungen: Der Aufbau einer funktionsfähigen Verwaltung in den neuen Bundesländern ist unabdingbar erforderlich bei der erfolgreichen Verwirklichung der deutschen Einheit. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, die wir hier in diesem Zusammenhang zu bewältigen haben. Es geht um das Thema, das alle gesellschaftlichen Sphären tangiert und sich im administrativen Sinne auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen mit jeweiliger Spezifität präsentiert.
Meine Damen und Herren von der Opposition, halten Sie sich doch einmal vor Augen, welche Erfolge dabei im zurückliegenden Jahr erzielt wurden, und orientieren Sie sich an den Fakten. Waren es Mitte des vergangenen Jahres noch ca. 7 500 westliche Bundesbedienstete, die auf Abordnungs- und Versetzungsbasis ihren 470 000 aus der Verwaltung der ehemaligen DDR übernommenen Kolleginnen und Kollegen der neuen Bundesländer nicht nur Amtshilfe leisteten, sondern zu einem großen Teil auch wahre Pionierarbeit beim Aufbau einer den Erfordernissen gerecht werdenden Administration erbrachten, so hat die Zahl dieser Beamten und Angestellten im Bereich der Bundesverwaltung bis zum Jahresende 1991 einen Zuwachs von fast 50 % erfahren
({0})
und ist - Stand 30. November 1991 - auf fast 13 000 angewachsen. Dabei sind 4 200 Bundesdienststellen zu bedienen. Das muß man einmal herausstellen; das ist eine ganze Menge.
Völlig klar ist dabei auch, daß diese personelle Unterstützung nur dadurch greifen konnte, daß im Jahr 1991 75 000 Bedienstete des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes mit einem breiten Konzept der Ausbildung und Fortbildung geschult bzw. auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden. Hinzu kommen zahlreiche Schulungen und Praktika der einzelnen Bundesressorts; das wissen Sie alle. Auch hier haben sich die Zahlen gegenüber 1990 verdoppelt.
Lassen Sie uns nicht die finanzielle Seite vergessen. 9 bis 11 Milliarden DM jährlich und weitere Zuschüsse für die neuen Länder und deren Kommunen wie z. B. für den Personaltransfer - wir haben darüber ja im Innenausschuß gesprochen -, für den 1992 ein Volumen von 100 Millionen DM angesetzt wurde, stellen meines Erachtens angesichts der angespannten Haushalte eine beträchtliche Leistung der Bundesregierung dar.
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- Ich korrigiere: der Bundesrepublik.
Meine Damen und Herren, diese Auflistung ließe sich äquivalent für die Länder und die Kommunen fortsetzen. Doch lassen Sie mich an dieser Stelle abbrechen. Die Fakten hierzu sind in einer ganzen Reihe von Sachstandsanalysen des BMI nachlesbar und sehr inhaltsreich. Statt dessen möchte ich den Prozeß des Verwaltungsaufbaus von einer Seite beleuchten, die mich als Abgeordneten der neuen Bundesländer und noch mehr der Hauptstadt und des Sitzes von Parlament und Regierung besonders berührt und die ich eingangs meiner Ausführungen mit dem Terminus der besonderen Sensibilität zu erfassen suchte.
Oftmals ergeben sich nicht unwesentliche Schwierigkeiten bei der Integration von Bundesbediensteten der alten Bundesländer. Dafür gibt es gleichermaßen objektive wie subjektive Ursachen. Seit Herstellung der staatlichen und der politischen Einheit Deutschlands befinden sich die Menschen in den neuen Bundesländern in einer großen Erwartungshaltung, wobei sich die Erfüllbarkeit der Erwartungen oftmals an den Grenzen des derzeit Möglichen bewegt.
Hier möchte ich betonen: Eine verantwortungsbewußte und bürgernahe Politik der Bundesregierung, aber auch ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Einsicht der Menschen in den neuen Bundesländern haben es ermöglicht, die Entwicklung positiv verlaufen zu lassen. Jetzt kommt es darauf an, wichtige Grundsatzprogramme wie, bezogen auf die heutige Thematik, den Berlin-Beschluß in Geist und Buchstaben umzusetzen und im Sinne der Verwirklichung der Einheit Deutschlands weiter zu qualifizieren.
Hier geht es um Glaubwürdigkeit und Überzeugung der Menschen von der Richtigkeit der Politik, und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, täten gut daran, sich an diesem Vorhaben mit mehr Konstruktivität zu beteiligen.
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Jawohl, die Bundesregierung hat durch den Einheitsvertrag Verpflichtungen übernommen, und sie kam ihnen auch schon weitgehend nach.
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Sich aber hierherzustellen, einen unzureichenden Sachstand bei der Bewältigung der anstehenden Probleme zu konstatieren und auf der anderen Seite, wie bei Haushaltsdebatten oft genug erlebt, mit völlig irrealen Forderungen in Erscheinung zu treten ist symptomatisch für Ihre Politik, meine Damen und Herren.
Aufmerksam machen möchte ich aber auch auf die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit dem erwähnten Problem entstehen, die sich gravierend auf das Arbeitsklima und damit auf die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auswirken, die zum größten Teil unberechtigt sind und die es vordringlich zu beseitigen gilt. Das richtet sich an uns alle, aber insbesondere an die Bundesregierung. Dazu gehören - und das sind die Sensibilitäten, die ich angesprochen habe - die erheblichen Unterschiede in der Bezahlung zwischen Bediensteten der alten und der neuen Bundesländer.
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Übrigens hat die Bundesregierung selbst schon eine entsprechende Schlußfolgerung gezogen.
Zweiter Punkt. Der als Zurücksetzung der einheimischen Bediensteten empfundene vorwiegende Einsatz westlicher Bediensteter in Leitungen von Behörden - wobei ich auch selbst aus eigenem Ermessen weiß, daß bei den Einheimischen Fähigkeiten durchaus vorhanden sind -, teilweise unsensibles Auftreten Bediensteter der alten Bundesländer oder die manchmal anzutreffende ungenügende Kenntnis - nach dreimal dasein - der historisch-politischen und gesellschaftlichen Hintergründe in den neuen Bundesländern wurden vom Bund in den Analysen, die uns vorliegen, frühzeitig als Unzulänglichkeiten erkannt, und es wird zielstrebig an der Beseitigung gearbeitet. Ich bin der Auffassung, daß das sicher noch ein ganz schöner Weg ist, wenn ich mich an das Denken in den Köpfen erinnere.
Als Berliner Abgeordneter kann ich Ihnen berichten, daß der Senat auf der Grundlage einer bereits im April 1991 zur Beschlußfassung gebrachten Vorlage Unterstützung beim weiteren Aufbau der Verwaltung in den elf Ost-Berliner Bezirken leistet, dabei auf die Mißstände eingeht und zu arbeitnehmerwirksamen Erfolgen gelangte. Als eine der wichtigsten Aufgaben wurde erkannt, eine schnelle Angleichung der Einkommen der Mitarbeiter in östlichen und westlichen Verwaltungen zu erreichen. Das ist ein spezifisches Berliner Problem, dessen Lösung ungeachtet der außerordentlich schwierigen Finanzsituation Berlins für die Sicherung des sozialen Friedens in der Stadt unerläßlich ist. Die Zielsetzung des Senats ist, ab 1992 einen Anteil von 80 % der Westbezüge zu erreichen. Ferner ist zu erwähnen, daß sich das Landesbeamtenrecht ab 1. Januar 1992 auf die östlichen Bezirke erstreckt und daß seit 1. Dezember 1991 der Tarifvertrag über die Anrechnung von Beschäftigtenzeiten gilt. Das ist über die Landesgrenze von Berlin bekannt. Das Wirksamwerden dieser gesetzlichen
Grundlage ist an eine Reihe verwaltungstechnisch äußerst aufwendiger Voraussetzungen gebunden, wird aber flankiert von Maßnahmen einer breiten Qualifizierungsoffensive und der Weiterführung des Personalaustausches mit dem Ziel der Gestaltung effektiver wirtschaftlicher und bürgernaher Verwaltungsstrukturen und Handlungsabläufe. Instrumentarien wie die Koordinierungsgruppe Verwaltungseinheit im Senatsbereich für Inneres haben sich dabei als sehr wertvoll erwiesen. Hier hat Herr Heckelmann, der Senator für Inneres, eine großartige Leistung vollbracht.
Sehr geehrte Damen und Herren, am Ende meiner Ausführungen möchte ich nochmals betonen: Die Schaffung leistungsfähiger Verwaltungen und Verwaltungseinheiten in den neuen Bundesländern ist eine Aufgabe mit vorrangigem Stellenwert. Es wurde auf diesem Gebiet schon Beträchtliches erreicht. An der Stelle möchte ich einen Dank an die alten Bundesländer, die tatkräftig geholfen haben, einfügen.
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Ohne sie wäre es nicht gegangen. An der Stelle kann ich mich entsinnen, daß auch Bayern mit an der Spitze steht.
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- Ja, Nordrhein-Westfalen auch. - Es gibt aber keinen Grund, sich auf diesem Stand auszuruhen. Meine Fraktion wird der Bundesregierung alle nur denkbare Unterstützung geben, um diese Politik in der skizzierten Richtung weiterzuführen.
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Ich hoffe, werte Opposition, daß Sie sich diesem anschließen werden.
Ich danke sehr.
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Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Dietmar Keller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz des Zweckoptimismus meines Vorredners kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren,
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das die Bundesregierung, aber auch die Regierungen der Altbundesländer den Stellenrang des Verwaltungsaufbaus sowie den tatsächlichen Umfang der dabei zu leistenden Unterstützung von Anfang an unterschätzt haben.
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Ich frage mich: Wie konnte es eigentlich geschehen, wenn Sie das alles so einschätzen, daß im Einigungsvertrag die Verwaltungshilfe westdeutscher Lander und Kommunen für ihre ostdeutschen Partner lediglich bis zum 30. Juni 1991 befristet wurde?
Fakt ist: Auch heute, 15 Monate nach Vollzug der staatlichen Einheit, bestehen in den neuen Ländern einschließlich Ost-Berlin kaum funktionierende Kom6018
munalverwaltungen. Im Gegenteil, vor allem auf der Ebene der Städte, Gemeinden und Landkreise haben sich die Probleme weiter zugespitzt. Der Zustand so mancher Kommunal- und Kreisverwaltung in den neuen Ländern liegt im Spannungsfeld zwischen Hilflosigkeit und Ratlosigkeit einerseits und - zahlreiche Fälle belegen es - einer geradezu erschrekkenden Leichtgläubigkeit gegenüber wohlfeilen Erfolgsversprechungen dubioser Geschäftemacher. Leidtragende sind in erster Linie die ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ihren vielfältigen Anliegen an die Verwaltungen wenden und auf deren Rücken in der Regel die Mängel und Tücken der Verwaltungsmisere ausgetragen werden.
Da nach wie vor keine funktionierende Verwaltung auf kommunaler und Landkreisebene in den neuen Ländern besteht,
({2})
werden auch zunehmend ernstzunehmende Investoren von ihrem wirtschaftlichen Engagement abgeschreckt. Die Kommunen und Landkreise stehen vor der Aufgabe, ihre vorhandenen Verwaltungen im Prinzip mit weitgehend dem gleichen Personal völlig umzustrukturieren und dabei für sie völlig neue Rechtsvorschriften anzuwenden.
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-Das hat auch keiner gefordert. Beschäftigen Sie sich doch mit Ihren eigenen Problemen, nicht nur mit der Geschichtsbewältigung! Sie tragen doch heute Verantwortung; und Sie erweisen sich unfähig, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das müssen Sie endlich einmal begreifen.
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Als Basis stehen den Kommunalverwaltungen Gesetzestexte mit Erläuterungen, Arbeitshilfen, diverse Informationsveranstaltungen, Info-Dienste zur Verfügung. Das bedeutet in der Regel aber keineswegs, daß damit auch das Problem der Umsetzung dieser Vorschriften in der täglichen Verwaltungspraxis bereits gelöst ist. Die ostdeutschen Kommunal- und Kreisverwaltungen werden von der genannten Informationsflut faktisch zugeschüttet, fehlen doch vielerorts auch jetzt noch elementare Organisationsstrukturen sowie Dienstwege-, Postlauf- und Registraturordnungen.
Der Aufbau der grundgesetzlich verankerten kommunalen Selbstverwaltung verläuft in den neuen Ländern schleppend und widersprüchlich. Die von der Bundesregierung und den Parteien der Koalition wiederholt lauthals verkündete Vorstellung, mit einer über 40 Jahre völlig anders strukturierten Verwaltung im Eilzugstempo Selbstverwaltung nach westdeutschem Vorbild aufzubauen, ist bisher nicht realisiert.
Diese Vorstellung gehört nach Auffassung des Deutschen Städtetages - das ist keine Einschätzung der PDS - zu den Fehleinschätzungen im Prozeß der
deutschen Einheit. Grundlegende Züge kommunaler Selbstverwaltung wie die Finanz-, Steuer-, Planungshoheit werden in den neuen Bundesländern, wenn überhaupt, dann nur in äußerst bescheidenem Rahmen wirksam.
Wenn es vor diesem Hintergrund nicht zu einem Zusammenbruch der Kommunalverwaltung in den neuen Bundesländern gekommen ist, ist das - ich verwende erneut die Worte des Deutschen Städtetages - ein Wunder. Dank dafür gebührt in erster Linie dem oft bis zur Selbstaufgabe reichenden Einsatz ostdeutscher Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, darunter im übrigen auch 180 Frauen und Männer, die der PDS angehören,
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dem Wirken vieler anderer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in den neuen Ländern, aber auch dem Engagement zahlreicher westdeutschen Kommunen und Landkreise.
Großen Anteil daran haben die kommunalen Spitzenverbände, wie der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag mit ihrem seit Oktober 1990 laufenden Projekt „Hilfe zum Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in den neuen Bundesländern" mit seinen Hauptbestandteilen Information, Beratung sowie Aus- und Fortbildung. Natürlich ist die Qualifizierung der Verwaltungsangestellten das Kernproblem für den Neuaufbau der Verwaltungen. Die an bundesdeutsches Recht gebundenen Verfahrenswege und Entscheidungen erfordern eine Verwaltungsfachfrau oder einen Verwaltungsfachmann, die oder der nach diesem Recht ausgebildet ist und über entsprechende Berufserfahrung verfügt. Dieses generelle Defizit wird natürlich, realistisch betrachtet, noch einige Zeit bestehenbleiben. In dieser Beziehung können Beraterinnen und Berater aus westdeutschen Partnerländern und -kommunen natürlich hilfreich sein.
Wir übersehen dabei nicht, daß es sich hier um eine doch völlig neuartige Aufgabe handelt, bei der beide Partner erst Erfahrungen sammeln mußten. Anfangs bestand die Beratung vielfach in tage- oder wochenweisen Aufenthalten einzelner westdeutscher Fachkräfte. Das oft verwandte Schlagwort vom „Besserwessi" charakterisiert die dabei häufig auftretenden psychologischen Probleme der Beratertätigkeit. Die für den Neuaufbau der Verwaltung notwendigen tiefgreifenden Wandlungen in der Denk- und Arbeitsweise ostdeutscher Verwaltungen können durch solche beliebigen und kurzfristigen Beratungen kaum bewirkt werden.
Inzwischen beginnt sich, wenn auch langsam, die Erkenntnis durchzusetzen, daß eine solche mehr oder weniger zufällige Entsendung von Westberaterinnen und -beratern nicht ausreichend ist, sondern daß vor allem entscheidungskompetente Persönlichkeiten mit westdeutschen Verwaltungserfahrungen über einen längeren Zeitraum, möglichst aber dauerhaft, von den ostdeutschen Kommunen und Landkreisen angestellt werden sollten. Diese Art der Beratertätigkeit kann gerade den Prozeß der Umsetzung der zahlreichen Arbeitshilfen und Informationsmaterialien in der Verwaltungstätigkeit fördern.
Größte Anstrengungen sind nach unserer Auffassung nach wie vor auch für die Heranbildung eines eigenen Berufsnachwuchses für die Verwaltungen in den neuen Bundesländern notwendig, Heranbildung eines eigenen Berufsnachwuchses in den neuen Ländern, aber auch durch Sammeln von Erfahrungen und Aufenthalt in den Altländern.
Die PDS/Linke Liste vertritt des weiteren die Auffassung, daß für den Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern Kreisgebiets- und Gemeindegebietsreformen, gepaart mit Funktionalreformen der Verwaltung, unerläßlich sind. Die Landkreise, Städte und Gemeinden in der früheren DDR sind gegenwärtig in bezug auf Einwohnerzahl, Wirtschaftspotential und Fläche im allgemeinen zu klein, um ihre Selbstverwaltungsaufgaben kompetent und kostengünstig im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erfüllen zu können. So haben 47,7 % der derzeit insgesamt 7 563 Gemeinden weniger als 500 Einwohner, während diese Zahl für die Altbundesrepublik nur für 20,2 % der Gemeinden zutrifft.
Wissenschaftler und Kommunalpolitiker kommen in einer von unserer Abgeordnetengruppe veranlaßten Studie zum Problemkreis Gebiets- und Verwaltungsreform zu dem Schluß, daß es notwendig ist, die sich mit den Gebiets- und Verwaltungsreformen in den neuen Ländern bietenden Chancen eines kommunalen und regionalen Neubeginns im Interesse der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich zu nutzen, statt sie in einem engstirnigen und kurzsichtigen parteipolitischen Hickhack zu vertun.
Das verlangt nach unserer Erkenntnis, die Erfahrungen der alten Bundesländer bei der Gebiets- und Verwaltungsreform gründlich auszuwerten, Positives zu übernehmen, Ungelöstes zu durchdenken, schematische Übernahmen, wie derzeit leider oft praktiziert, indes zu vermeiden. Den neuen Bundesländern muß zugestanden werden, daß ihre Situation eben auch spezifische Wege zur kommunalen Selbstverwaltung erfordert und ermöglicht.
Wir treten für eine Kreis- und Gemeindegebietsreform in den neuen Bundesländern ein, die die Verwaltung der Kommunen und Landkreise stärkt und von der demokratischen Einbeziehung der beteiligten Städte, Gemeinden, Landkreise und ihrer Bürgerinnen und Bürger getragen ist.
Ich danke Ihnen.
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Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Heinz-Dieter Hackel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns darüber einig, daß der zügige Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern eine wesentliche Voraussetzung dafür darstellt, in naher Zukunft einheitliche Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik herbeizuführen.
Einigkeit besteht auch darüber, daß ein rascher Aufbau nur mit umfangreichen Hilfeleistungen der Altbundesländer vorgenommen werden kann.
Da die Verwaltung in den neuen Bundesländern letztlich von Mitarbeitern aus diesen Ländern getragen werden muß, wurden zunächst dienstrechtliche Regelungen geschaffen, um diese Mitarbeiter stufenweise an die neuen Verhältnisse heranzuführen, so z. B. durch die Warteschleifenregelung, die Tarifverträge, die Besoldungs- und Versorgungsanpassungsverordnungen sowie die Regelung der Bewährungsanforderungen für den öffentlichen Dienst.
Damit die Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern die notwendigen Qualifikationen erwerben können, wurden von den Bundesministerien bereits vielfältige Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt oder gefördert. So haben z. B. bis Ende 1991 ca. 30 000 in Bundesverwaltungen übernommene Bedienstete an den Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen, zuzüglich 35 000 Bedienstete im Bereich der Deutschen Bundespost.
Zumindest übergangsweise bedarf es aber auch personeller Unterstützung aus den alten Bundesländern. Nicht zuletzt durch verschiedene Anreize, die für Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes aus den Altländern geschaffen wurden, konnte qualifiziertes Personal für den Verwaltungsaufbau gewonnen werden. So waren bis Ende November 1991 fast 13 000 Bundesbedienstete in der Bundesverwaltung in den neuen Bundesländern und über 900 in den Landesverwaltungen tätig. Insoweit übernimmt der Bund die durch Abordnung entstehenden Kosten und leistet im übrigen Personalkostenzuschüsse.
Sachlich wurden die neuen Bundesländer durch die Überlassung von Büroausstattungen und Ausrüstungsgegenständen zur Durchführung bestimmter Fachaufgaben, z. B. EDV-Anlagen für Grundbuchämter, unterstützt. Das Bundesinnenministerium hat z. B. die Kommunen mit Bundesrechtssammlungen und die Polizeidienststellen mit Dienstvorschriften und Gesetzeskommentaren ausgerüstet. Des weiteren bietet der „Infodienst Kommunal" anschauliche Arbeitsanleitungen bei der Anwendung neuer Gesetze.
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Schließlich werden Organisationsempfehlungen und -hilfen von den einzelnen Bundesressorts erbracht. So werden der Aufbau der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vom Bundesarbeitsminister und der Aufbau der übrigen Gerichtsbarkeit vom Bundesjustizminister betreut. Finanziell wird der Justizaufbau vom Bund mit mehr als 130 Millionen DM jährlich unterstützt.
Die alten Bundesländer beteiligen sich an den Personalkosten der abgeordneten Beschäftigten und haben personelle Unterstützung mit fast 7 700 Bediensteten geleistet. So sind z. B. in der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt im Mai 1991 rund 400 niedersächsische Bedienstete tätig gewesen.
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Auf Kommunalebene sind mehr als 2 000 Mitarbeiter aus den Altländern beschäftigt. Die Finanzierung wird größtenteils durch die abordnenden Länder und Kommunen getragen. In meinem Wahlkreis Wernigerode/Halberstadt bestehen z. B. Städtepartnerschaf6020
ten mit Goslar und Wolfenbüttel. Diese Partnerstädte haben uns durch Sachbearbeiter für Kreisbehörden und insbesondere Arbeitsämter unterstützt.
Der Bund sowie die Altbundesländer haben somit sicherlich entscheidende Schritte unternommen, um den Verwaltungsaufbau voranzutreiben. Es stellt sich uns daher die Frage, warum in einigen Bereichen von Arbeitsfähigkeit der Behörden dennoch wenig zu spüren ist.
Auf die Notwendigkeit einer beschleunigten Vermögensübertragung an die Kommunen und daher einer erheblichen personellen Verstärkung bei den Oberfinanzdirektionen hat die Bundesregierung bereits ebenso hingewiesen wie auf die notwendige Erhöhung der Effizienz der Ämter für offene Vermögensfragen.
Weitere Sorgenkinder sind die Grundbuchämter. Die Altländer haben zum Aufbau des Grundbuchwesens 165 Rechtspfleger abgeordnet. Des weiteren bestehen Gerichtspartnerschaften, durch die der Aufbau personell unterstützt wird. Auch ein umfassendes Konzept für den EDV-Einsatz ist bereits vorbereitet. Bislang herrscht aber in vielen Grundbuchämtern noch Verwirrung, weil die Grundbuchblätter abenteuerlich abgelegt oder die Bücher nur unregelmäßig geführt wurden. Es ist daher offensichtlich, daß in diesem Bereich weiteres Personal benötigt wird, und zwar dringend.
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Es haben sich aber auch technische Probleme ergeben. So gab es 1991 z. B. ein nicht unerhebliches Kommunikationsproblem in Magdeburg, weil sechs Ministerien des Landes Sachsen-Anhalt nur über eine Telefonleitung zu erreichen waren. Sie können sich sicher vorstellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, daß Sie Ihren Ansprechpartner erreichten.
Des weiteren gab und gibt es nach wie vor die bereits bekannten Probleme, die in der Person, sprich: der Vergangenheit der Mitarbeiter begründet sind - Stichwort „Seilschaften". Insoweit sollten wir auch daran denken, daß die Bevölkerung der neuen Länder sicherlich nicht das wünschenswerte Vertrauen in die Behörden setzen wird, solange alte Funktionäre wieder wichtige Positionen innehaben. Solange dies der Fall ist, wird es immer einige Hemmschuhe in diesen Bereichen geben.
Danke schön.
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Als nächster spricht der Abgeordnete Jochen Welt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Hackel sehr dankbar, daß er vorhin die Notwendigkeit einer effizienten Verwaltung, den in diesem Zusammenhang sicherlich vorhandenen Konsens in diesem Hause und dessen Bedeutung als wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland unterstrichen hat.
Einigkeit, so denke ich, dürfte auch insoweit bestehen, als die Schwierigkeiten dieser Aufgabe das Ergebnis einer totalitären, von zentralistischer Mißwirtschaft geprägten 40jährigen SED-Mißwirtschaft sind.
Ein Teil der staatlichen Verwaltung, die kommunale Selbstverwaltung, mit der ich mich an dieser Stelle beschäftigen möchte, war in der ehemaligen DDR so gut wie nicht existent. Die allmächtige und allgegenwärtige SED verhinderte jeden Pluralismus, der auch auf kommunaler Ebene eine Voraussetzung für Meinungsvielfalt und einen gesunden Wettbewerb unterschiedlicher Interessen ist.
Ich persönlich erinnere mich mit einem beklemmenden Gefühl an die Verhandlungen, die ich als Bürgermeister von Recklinghausen mit dem SED- Bürgermeister von Schmalkalden im Sommer 1989, also noch vor der Wende, zum Partnerschaftsvertrag zwischen Recklinghausen und Schmalkalden führte. Kein Satz dieses Vertrages war selbstbestimmt. Keine neue Formulierung erfolgte ohne Rückruf bei der Zentrale.
Jetzt haben wir den schwierigen Weg vom Zentralismus zum Föderalismus, von der Bevormundung der Menschen zur Bürgerbeteiligung zu gehen. Dabei, so denke ich, muß man zunächst an die Menschen denken, die diesen mühsamen Weg des Umdenkens beschreiten müssen.
In diesem Zusammenhang gilt es mit einem Vorurteil aufzuräumen: Die Menschen wären nicht lernwillig oder leistungsbereit, so sagt man. Ich habe gerade im Rahmen unserer Partnerschaft mit Schmalkalden bei Schulungen, Praktika, bei Ausbildungen und den regelmäßigen Arbeitsgesprächen, die inzwischen stattfinden, hochmotivierte und engagierte Menschen kennengelernt.
({0})
Ich denke, diesen Menschen, die unter den ungünstigen Voraussetzungen oftmals mehr als die Pflicht getan haben, gilt unser ganz besonderer Dank.
Die SPD-Bundestagsfraktion wollte mit Ihrer Anfrage der Bundesregierung die Chance zu einer kritischen Bestandsaufnahme geben, was den Stand des Verwaltungsaufbaus in den neuen Bundesländern betrifft. Die Bundesregierung hat diese Chance leider nicht genutzt. Die vorgelegte Antwort stellt eine Offenbarung ihrer Hilflosigkeit gegenüber den zugegeben wirklich dringlichen und schwierigen Problemen dar. Das Aufzählen einer Vielzahl von Hilfsmaßnahmen auf unterschiedlichsten Ebenen läßt keine wirkliche Koordination von seiten der Bundesregierung erkennen.
Gestatten Sie den Hinweis darauf, daß sich für mich die Antwort der Bundesregierung wie ein gigantischer Jahresbericht eines Fortbildungsunternehmens liest. Die Auflistung von Statistik und Fördermitteln - im übrigen Geld, das vorher dem Steuerzahler mit einer sozial unausgewogenen Steuererhöhungspolitik abgeknöpft wurde ({1})
liest sich wie die Inventurliste eines Großhändlers für Kurzwaren. Was fehlt, ist die Koordination des Mitteleinsatzes durch die Bundesregierung; was fehlt, ist ein klares Konzept der Regierung zum Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern; was fehlt, ist die Lösung von grundsätzlichen strukturellen Fragen, die wir Sozialdemokraten schon lange, sehr lange - nach meiner Einschätzung zu lange - angemahnt haben.
Was nutzen die ganzen Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen? Was bringt die Unterstützung aus Westkommunen, wenn z. B. die Eigentumsfrage nicht zufriedenstellend geklärt wird?
({2})
Trotzig besteht die Regierung auf dem Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung". Inzwischen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist allen Handelnden, allen Kommunalpolitikern in Ostdeutschland klar, daß die nach wie vor ungelöste Eigentumsfrage ein gewaltiger Hemmschuh für notwendige öffentliche und private Investitionen in den Kommunen ist, ein Hemmschuh auch für mögliche Einnahmequellen städtischer Haushalte. Die ungelöste Eigentumsfrage behindert eine rasche Rekonstruktion der öffentlichen Infrastruktur in den Kommunen, und diese wiederum ist Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie den Menschen in Ostdeutschland helfen wollen, dann geben Sie schnell Ihre verkrustete ideologische Position auf. Schaffen Sie eine praktikable Entschädigungsregelung! Dann helfen Sie auch den Verwaltungen in den Gemeinden, und dann helfen Sie den Menschen in Ostdeutschland.
({3})
Was ebenso not tut, ist eine Korrektur der Treuhandarbeit. Nicht Privatisierung um jeden Preis - Gott sei Dank hat sich dies relativiert - ist gefragt, sondern Sanierung und Abstimmung mit einer im Aufbau befindlichen örtlichen Wirtschaftsförderung.
Völlig unbefriedigend ist auch die Situation der kommunalen Haushalte. Die Abhängigkeit vom Tropf der Fördertöpfe und die Abhängigkeit von zentralstaatlichen Dotationen lassen nicht zu, von kommunaler Selbstverwaltung zu sprechen. Kolleginnen und Kollegen, es gilt schon jetzt, im kommunalen Finanzwesen die Eigenverantwortlichkeit zu stärken. Das bedeutet Verstetigung der eigenen kommunalen Einnahmen. Auch deshalb ist es falsch, wenn die Bundesregierung immer und immer wieder an dem Fundament der Gewerbesteuer rüttelt. Wir Sozialdemokraten wollen eine Verbesserung der kommunalen Einnahmen. Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, sollten endlich Ihre Pläne zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer begraben.
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Die großen Probleme des Verwaltungsaufbaus korrespondieren mit der Situation des öffentlichen Dienstes. Es gibt zuwenig qualifizierte Mitarbeiter für die Bereiche der engeren Verwaltung, bei den Liegenschaften, in der Bauverwaltung und in der Kämmerei und die Überbesetzung in den Gemeinden generell durch die Übernahme von volkseigenen Betrieben und deren Einrichtungen. Das führt zu
erheblichen Belastungen des Verwaltungshaushalts und zu Leistungsschwierigkeiten in Bereichen, die für die Zukunftsentwicklung nun einmal entscheidend sind. Wo bleiben die Auffanggesellschaften, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, die den vielen Betroffenen eine Perspektive geben und die Gemeinden entlasten können?
Wir Sozialdemokraten haben sehr frühzeitig den Grundsatz „Qualifizieren statt entlassen" vertreten.
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Die kommunalen Spitzenverbände, die kommunalen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften haben sich in einer gemeinsamen Erklärung nochmals in diesem Sinne geäußert. Es wird Zeit, daß auch die Bundesregierung ihre Politik endlich an diesem Grundsatz „Qualifizieren statt entlassen" ausrichtet.
Zu diesem Problem gehört auch die Besoldungsfrage; sie wurde schon erwähnt. Wen wundert es, wenn Spitzenkräfte abwandern? Es ist wichtig, daß Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst zwischen Ost und West angeglichen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Stellungnahme der Bundesregierung positiv feststellen, daß Sie jetzt endlich die Bedeutung der alten Bundesländer und ihrer Kommunen bei der Hilfe für die Landesverwaltungen und Kommunen im sogenannten Beitrittsgebiet anerkennen. Für diese Erkenntnis haben Sie lange, zu lange, gebraucht. Es war ein schwerer Fehler, daß insbesondere bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag die kommunale Ebene fast gar nicht hinzugezogen wurde.
Die Arbeit der Verwaltungen wird durch fehlendes Know-how erschwert. Das bisherige Verwaltungspersonal ist vielfach schlecht ausgebildet. Es fehlt häufig das Wissen über rechtsstaatliches Handeln gegenüber dem Bürger; es fehlen trotz Grundausstattung und Info-Dienst Informationen über gesetzliche Grundlagen. Ein Crash-Programm bei Information sowie Aus- und Weiterbildung ersetzt keine sorgfältige Analyse und keine umfassende Qualifizierung der Handelnden. Wer sich im Zusammenwirken der Gemeindeordnung nicht auskennt, wer die Finanzverwaltung der Kommunen nicht versteht, wer sich in wichtigen gemeindlichen Aufgabenbereichen, wie öffentliche Ordnung, Schule, Kindergärten, soziale Angelegenheiten, Gesundheitswesen oder Bauverwaltung, nicht zurechtfindet, der kann auch keine effiziente Verwaltung aufbauen.
Die westdeutschen Kommunen haben ihre Bereitschaft zur Hilfe vielfach unter Beweis gestellt, insbesondere dort, wo zwischen ost- und westdeutschen Städten Städtepartnerschaften bestehen. Allerdings ist durch derartige Partnerschaften weder der Bedarf zu decken, noch ist diese Hilfe auf Dauer durch die Gemeinden zu finanzieren. Nur dort, wo, wie in Nordrhein-Westfalen, durch das Land massive Unterstützung geleistet wird, ist effiziente Hilfe auch auf Dauer möglich.
Der Bund hat sich bei der finanziellen Unterstützung bei der Gewinnung von Fachpersonal auffallend lange zurückgehalten. Im Nachtragshaushalt 1990 waren 10 Millionen DM vorgesehen. Das hat sich
inzwischen geändert: 1992 stehen - wie 1991 -100 Millionen DM zur Verfügung.
Die Schwerpunkte der Hilfe werden sich in der Zukunft ändern müssen. Die Zeit, in der nur Berater mit westdeutscher Erfahrung und manchmal auch arrogantem Auftreten zeitweise in den ostdeutschen Kommunen zum Einsatz kommen, ist vorbei. Wichtig sind nun Entscheider, die die Kommunalverwaltung durch einen längerfristigen Aufenthalt in Schwung bringen oder dabei mithelfen. Dabei zeigt sich, daß eine direkte administrative und kommunalpolitische Zuordnung einer westdeutschen zu einer ostdeutschen Kommune wesentlich effektiver ist als die Einrichtung eines anonymen Personalpools auf Länderebene. Das bedingt dann auch eine finanzielle Förderung der entsendenden Gemeinden über einen längeren Zeitraum.
Der beschleunigte Ausbau entsprechender Ausbildungseinrichtungen für den mittleren und gehobenen Dienst ist notwendig, um den Mangel nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu beseitigen. Derartige Initiativen gilt es nun inhaltlich und finanziell zu unterstützen.
Mein Bürgermeister-Kollege aus Schmalkalden - ich erwähnte vorhin unsere Partnerstadt - hat mir in der vergangenen Woche zur Vorbereitung einer Arbeitssitzung, die wir regelmäßig durchführen, eine Problemliste zugeschickt. Ich möchte Ihnen einige Stichworte aus dieser Problemliste nennen: Klärung der Zugehörigkeit von Kindertagesstätten; Übernahme von Kindergärten vom Landkreis; Rationalisierung und Personalanpassung in den Einrichtungen; Übernahme der VEB Gebäudewirtschaft, zirka 2 600 Wohnungen, Umstrukturierung in eine GmbH, Übernahme der Altschulden; starke Überforderung der Stadtverwaltung durch die Privatisierung des Werkzeugkombinats mit ehemals 3 600 und jetzt 1 000 Beschäftigten und des Sportgerätekombinats mit ehemals 1 800 und jetzt 450 Beschäftigten; Belastung durch die Bindung der Treuhand an das Finanzministerium und die damit verbundenen Arbeitsweisen; dringende Qualifizierung im Baudezernat. Weitere Probleme, so schreibt der Bürgermeister, sind die fehlende Kenntnis der Bundesgesetzgebung; Landesgesetze kommen nur langsam. Ortssatzungen werden behindert und kommen nicht auf den Plan. Auch die Umweltgesetzgebung, so schreibt er, steckt erst in den Anfängen.
Ich denke, Kolleginnen und Kollegen, das sind Probleme der Praxis, die wir ernst nehmen sollten und auf die wir eingehen müssen. Die Bundesregierung täte gut daran, wenn sie mehr als bisher die Hilfsmaßnahmen der alten Länder und der Kommunen unterstützen würde.
Ich darf die Forderungen an die Bundesregierung, die sich aus dem Gesagten ergeben, zusammenfassen:
Erstens Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen wie die Klärung der Eigentumsfrage, zweitens gemeindefreundlichere Arbeit der Treuhand, drittens Stärkung der eigenverantwortlichen Finanzwirtschaft, viertens Ausweitung der Unterstützung für Personaltransfers der Länder und Gemeinden, fünftens mehr Freiräume für die westdeutschen Kommunen für Hilfsleistungen bei gleichzeitiger finanzieller Absicherung, sechstens eine langfristig ausgerichtete Qualifizierungsstrategie, siebtens Wahrung des Grundsatzes „Qualifizieren statt entlassen" .
Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ich habe aus dem Brief meines Kollegen aus Schmalkalden vorgetragen. Ich möchte den letzten Satz seines Briefes zitieren. Dort heißt es über die Probleme in Schmalkalden: Lieber Kollege, das sind wohl die wichtigsten Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben. Auch wenn die aufgezählten Fakten das Bild etwas düster erscheinen lassen, so sind wir dennoch mit Optimismus an der Arbeit.
({6})
Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik ist hier, so denke ich am Zug. Lassen Sie uns die Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß sich der zitierte Optimismus und das spürbare Engagement in Wohlfahrt für die Bürgerinnen und Bürger in den fünf neuen Bundesländern umsetzen.
Ich danke Ihnen.
({7})
Als nächster Redner hat der Kollege Hartmut Büttner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verwaltungsaufbau ist ein scheinbar trockenes und langweiliges Thema. Aber auch diese Debatte zeigt, welch zentrale Bedeutung für das Funktionieren der Wirtschaft, das Wohlbefinden der Bürger und die Verwirklichung von Gerechtigkeit eine gut funktionierende Verwaltung hat. Ich sage das bewußt als aktiver Mittelständler und Handwerksmeister. Es soll schon einmal Meinungen aus diesem Umfeld gegeben haben, die kein so positives Licht auf die Arbeitsweise und Arbeitsmoral von öffentlichen Verwaltungen geworfen haben.
Für den Aufbau der Wirtschaft in den neuen Ländern und das Zusammenwachsen in Deutschland sind funktionsfähige Verwaltungsstrukturen unverzichtbar. Wie schleppend und schwerfällig zahlreiche Ämter und Institutionen in den neuen Ländern immer noch arbeiten, ist hier mehrfach vorgetragen worden und bekannt: monatelanges Warten auf Genehmigungen von Bauten, Antragsstau in den Grundbuchämtern, überlange Bearbeitungszeiten bei Entschädigungsansprüchen, Arbeitslosengeld, Wohngeld und andere soziale Fragen. Der Bürger in den neuen Ländern verbringt immer noch ein Mehrfaches an Zeit mit dem Anstehen vor Behördentüren, als in einer modernen Gesellschaft akzeptabel ist. Wenn er dann noch auf ihm gut bekannte Gesichter aus der vordemokratischen Zeit trifft - die hier am Rednerpult schon repräsentiert worden ist -, die im bekannt liebenswerten Tonfall das Verhältnis zwischen Staatsorgan und Untertan zurechtrücken, dann zeigt das deutlich, welche Aufgabe noch vor uns liegt.
({0})
Hartmut Büttner ({1})
Meine Damen und Herren, 471 Tage - ich wiederhole es: 471 Tage - nach Erlangung der deutschen Einheit sei es aber auch gestattet, auf die Ausgangslage am 3. Oktober 1990 und auf die bisher zurückgelegte Wegstrecke hinzuweisen. Die ehemalige DDR war ein bis in die kleinste Gemeinde durchorganisierter sozialistischer Obrigkeitsstaat. Es gab weder eine eigenständige kommunale Selbstverwaltung noch Länder. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden lösten zu diesem Zeitpunkt viele unbelastete Bürger die sachkundigen, eingearbeiteten Kader des Sozialismus ab. Dem kann man natürlich noch ein Paar Krokodilstränen nachweinen, wie hier geschehen. Die Zahl unbelasteter Richter und Rechtsanwälte konnte man mühelos in einer Turnhalle zusammenfassen. Berufe wie der des Rechtspflegers waren zudem in der DDR völlig unbekannt.
({2})
- Ja, ich habe eine kleine Turnhalle gemeint.
Bei diesen Voraussetzungen ist es bemerkenswert und erstaunlich - auch das sollte hier gesagt werden -, was in erst 471 Tagen des neuen Deutschland auf diesem Gebiet geleistet worden ist.
({3})
Der Bund hat einschließlich Bahn, Post und Verteidigung mehr als 4 000 Einrichtungen mit 560 000 Beschäftigten übernommen, umstrukturiert und die bundeseigene Verwaltung aufgebaut. Fünf neue Landesregierungen und die gemeinsame Verwaltung von Berlin wurden völlig neu gebildet und aus dem Boden gestampft. Die Gemeindevertretungen und Kreise bauten ihre Verwaltung erst jetzt nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung um und auf. Fachverwaltungen wie Finanzämter, Arbeitsämter, Versorgungsämter, Kfz-Zulassungsstellen oder Eichämter - ich könnte das noch beliebig ausweiten - mußten umstrukturiert oder völlig neu errichtet werden.
Die Verbände - wir hatten gestern die Rentendiskussion - haben sich in dieser Zeit ebenfalls erst etablieren können. Ich nenne als Stichwort nur die Träger der Sozialversicherung. Tausende von neuen Gesetzen, Verordnungen und Handlungsanweisungen, von Formularen und Vordrucken mußten zunächst beschafft, gelesen, verarbeitet, umgesetzt und schließlich noch angewandt werden.
Liebe Freunde im ganzen Hause, daß angesichts der Herausforderungen der Jahrhundertaufgabe, die deutsche Einheit auch im Innern unseres Landes zu verwirklichen und zu gleichen Lebensverhältnissen zu kommen, das alles noch nicht ausreicht, ist doch eine Binsenweisheit und dürfte von jedermann nachzuvollziehen sein.
Selbst die in 40 Jahren bewährte Verwaltung in den alten Bundesländern würde einen derartigen Umbau der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht ohne größere Verwerfungen bewältigen können. Deshalb bitte ich Bürger und Öffentlichkeit um eine gerechte Einschätzung der Aufbausituation. Wir haben bestimmt noch nicht überall befriedigende Verwaltungsstrukturen und ausreichende Verwaltungsabläufe erreicht. Aber was bisher unter schwierigsten
Vorgaben aufgebaut werden konnte, sollte auch unseren Beifall und unsere Anerkennung finden.
({4}) - Dieser Beifall gilt auch für die Opposition;
({5})
denn angesichts der Tatsachenlawine, meine Damen und Herren, echter Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Bundes für die neuen Länder und Gemeinden klingt die SPD-Kritik, die Bundesregierung habe ihre Verpflichtung nur - ich zitiere wörtlich - „unzureichend erfüllt", kleinkariert und, Herr Welt, ein bißchen besserwessisch.
So waren am 30. November 1991 12 905 Bundesbedienstete aus dem Westen in der Bundesverwaltung im Osten unseres Vaterlandes eingesetzt. Der Bund hat in seinem Verantwortungsbereich 10 000 Jugendliche aus den jungen Bundesländern eingestellt, um der Jugendarbeitslosigkeit vorzubeugen.
({6})
Die Lehrstellenkatastrophe ist, wie wir alle wissen, durch diese und andere Maßnahmen nicht nur völlig ausgeblieben, sondern viele Berufszweige suchen heute händeringend nach Auszubildenden.
Auch die Landesverwaltungen sind vom Bund mit 965 Bundesbediensteten nachdrücklich unterstützt worden. Die alten Bundesländer haben noch zusätzlich 7 682 Mitarbeiter als Verwaltungshilfe zur Verfügung gestellt.
({7})
Der Dank an die Länder ist etwas einzuschränken, gilt aber besonders Bayern - das ist hier schon gesagt worden -, das mit 1 684 Abordnungen die Spitzenposition bei der Hilfeleistung einnimmt, übrigens - weil NRW anklang - weit vor dem volkreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen.
({8})
- Es hat eine SPD-Regierung.
Ich glaube, wenn man das alles sieht, wenn man auch noch die umfangreichen finanziellen und organisatorischen Maßnahmen, Ausbildungs-, Ausstattungs- und Arbeitshilfen hinzunimmt, dann erkennt man, wie überzogen die SPD-Kritik wirklich ist.
({9})
Ich will es mir versagen, den gesamten Katalog der Bundesunterstützung aufzulisten. In Beantwortung der Anfrage der SPD-Fraktion ist hierzu ausführlich Stellung bezogen worden.
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben durch zahlreiche Initiativen dazu beigetragen, die praktischen Schwierigkeiten des Verwaltungsaufbaus auszuräumen oder zu mildern. Sich jetzt auf den erreichten Fortschritten auszuruhen, wäre allerdings verfehlt.
Eine Voraussetzung für funktionsfähige Verwaltungen ist auch eine Vollendung der in fast allen neuen Bundesländern angelaufenen Gebiets- und Verwaltungsreformen. In meinem Heimatland Sachsen6024
Hartmut Büttner ({10})
Anhalt gibt es ca. 1 350 Gemeinden. 1 000 davon haben weniger als 1 000 Einwohner. Ähnlich sieht es in allen neuen Bundesländern aus. Nur wenn es uns hier gelingt, in einer humanen, den Bürger einbeziehenden Weise zu leistungsfähigen Verwaltungsgemeinschaften zu kommen, werden die Menschen und die Unternehmen auch ordentliche Leistungen erhalten können. Wenn in Kleinstgemeinden 80 % des Haushalts von Personalkosten aufgezehrt werden, ist hier, denke ich, dringender Handlungsbedarf.
Bei diesem schwierigen Prozeß einer Gebiets- und Verwaltungsreform wäre allen neuen Bundesländern das Fingerspitzengefühl des Landes Sachsen-Anhalt zu wünschen.
Was eine falsch eingeleitete Reform an Schaden anrichten kann, sollten die negativen Beispiele der letzten 20 Jahre aus den westlichen Bundesländern zeigen. Hierüber sollen ja, meine Damen und Herren, sogar einmal Landesregierungen gestolpert sein.
Je mehr Freiwilligkeit zu neuen Strukturen führt, desto weniger Konfliktpotential bleibt noch für Entscheidungen von oben übrig. Vielleicht finden dann auch die ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker wieder mehr Spaß an ihrer Arbeit und mehr Motivation für sie. Denn ich sehe mit Erschrecken, daß in vielen Gemeinden die Arbeit der Parlamente an personeller Ausdünnung leidet. Eine Verkleinerung der Kommunalparlamente wäre, denke ich, ebenfalls notwendig und anzuraten.
Der Schwerpunkt der weiteren personellen Verbesserung muß in einer vermehrten Ausbildung und Qualifizierung einheimischer Mitarbeiter liegen. So gut die westliche Personalhilfe in der Anfangsphase war, so notwendig sie auch noch heute in vielen Spezialbereichen ist, wo immer es möglich erscheint, sollten Menschen aus den neuen Bundesländern eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist auch ein Abschluß der Überprüfung der Mitarbeiter auf eine etwaige Zugehörigkeit zur unseligen Stasi oder zum Repressionsapparat der untergegangenen DDR. Dort, wo die Überprüfungen abgeschlossen worden sind, zeigt sich auch ein deutlich besseres Arbeits- und Betriebsklima. Die Bürger werden es uns danken.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Der Bund und - bei einigen Differenzierungen - auch die alten Bundesländer und vor allem deren Kommunen sind ihrer Verantwortung für die neuen Länder gerecht geworden. Der Geist der Partnerschaft muß auch weiterhin diese wichtige Aufbauarbeit bestimmen.
Herzlichen Dank.
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Nun hat das Wort der Kollege Dr. Jürgen Schmieder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Stand des Verwaltungsaufbaus in den neuen Ländern analysiert, dann liegt der Schwerpunkt der Betrachtung sicher auf den kommunalen und den Landesverwaltungen, auf die ich gleich zurückkommen werde; aber selbstverständlich verdienen auch
andere öffentliche Verwaltungen in die Betrachtungen einbezogen zu werden.
Ich darf mich hier zuerst einigen konkreten Beispielen aus anderen öffentlichen Verwaltungen zuwenden.
Voranstehen soll eine Einschätzung der Situation in der Behörde des Sonderbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR - kurz: Gauck-Behörde -, denn das scheint mir wesentlich zu sein. Bedingt dadurch, daß seit dem 1. Januar dieses Jahres das Stasi-Unterlagen-Gesetz in Kraft ist, ist diese Behörde wieder einmal in das öffentliche Interesse gerückt. Bei Gauck wurde in den ersten Tagen des Jahres eine große Leistung vollbracht. Die Behörde hat gezeigt, daß sie in der Lage war, die inhaltliche Umsetzung eines neuen, umfassenden Gesetzes vom ersten Tag seiner Gültigkeit an zu ermöglichen.
Welche andere Behörde kann darauf verweisen, daß beim Einführen einer Neuerung am ersten Tag alles klappt? Hierbei muß unbedingt berücksichtigt werden, daß die Behörde im Moment noch weit von ihrer zugebilligten Soll-Stärke entfernt und auf die Unterstützung durch andere Behörden angewiesen ist.
In der Gauck-Behörde arbeiten seit dem 1. Januar rund 940 Mitarbeiter und rund 170 abgeordnete Mitarbeiter; einerseits ist das also noch nicht einmal ein Drittel der Soll-Stärke, andererseits sind unter den genannten Mitarbeitern per 1. Januar 1992 rund 300 neue Mitarbeiter. Es ist also schon verwunderlich, daß die Behörde zu solchen Leistungen fähig ist. Aber die Mitarbeiterzahl verrät natürlich auch, daß die Behörde auf Verschleiß fährt und die Leistungsgrenzen sicher schnell erreicht sind.
Im letzten Jahr gingen fast 330 000 Anträge auf Überprüfung ein, und dieses Jahr sind es täglich zwischen 3 000 und 4 000 Anträge. Beim Aufbau der Behörde besteht also dringend Handlungsbedarf. Da die Zustimmung des Bundesrats zum Stasi-Unterlagen-Gesetz erst am 18. Dezember 1991 erfolgte, konnte erst ab diesem Termin mit dem ernsthaften Aufbau der Behörde begonnen werden.
Hinzu kommt: Die Behörde kann nur in dem Maße wachsen, wie sie auch in der Lage ist, jeder Neueinstellung einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Viele Liegenschaften können noch nicht bezogen werden oder stehen noch nicht zur Verfügung. Hier ist nicht nur die Behörde gefragt, sondern hier geht es auch um die örtliche Unterstützung durch die Landesregierungen und die Regierungspräsidien.
Übrigens: Die Tatsache, daß die Antragsformulare zwischenzeitlich ausgegangen waren, hängt mit der Risikobereitschaft der Behörde zusammen. Ehrlich gesagt: Ich hätte nicht in der Haut des verantwortlichen Beamten stecken wollen, wenn der Fall eingetreten wäre, daß der Bundesrat dem Gesetz rund zehn Tage vor dem Inkrafttreten nicht zugestimmt hätte, von diesem Beamten aber schon vorher der Druck von 100 000 Antragsformularen beantragt wurde. Man konnte eben nicht zwingend davon ausgehen, daß der Bundesrat dem Gesetz vollinhaltlich zustimmt.
Die Antragsteller sollten hierbei beachten, daß die Abarbeitung der schon gestellten Anträge einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Deshalb fallen ein paar Tage Verzögerung bei der bloßen Antragstellung nicht ins Gewicht.
Ärgerlich ist allerdings, daß in einigen Landkreisen keine Anträge zur Verfügung stehen. Hier sollte die Behörde eng mit den Meldestellen der Polizei zusammenwirken, wie es beispielsweise im Regierungsbezirk Chemnitz praktiziert wird. Denn jeder Bürger, der einen Antrag stellen möchte, braucht eine Meldebescheinigung der Polizei und muß diese Stellen daher ohnehin anlaufen. Auf diese Weise entfallen für die Bürger viele Belastungen, die sie sonst auf sich nehmen müßten, nur um in den Besitz eines Antrags zu gelangen.
Bevor ich mich den Kommunen zuwende, noch ein Wort zum Aufbau der Verwaltungen der Staatsunternehmen. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den zügigen Aufbau leistungsfähiger öffentlicher Verwaltungen in den neuen Bundesländern verstärkt zu unterstützen. Wo könnte sie es besser tun als in den von ihr geleiteten Unternehmen? Ich erwähne das Beispiel Deutsche Bundespost: Postdienst und Postbank. Gerade in dieser Woche erhielten wir im Postausschuß großzügig Auskunft über die Steigerung der Leistungsfähigkeit dieser beiden Unternehmensbereiche. Bekannt ist, daß im Bereich der gelben Post in den letzten 40 Jahren in der ehemaligen DDR mit zu vielen Arbeitskräften, primitiven Arbeitsmethoden und vorsintflutlichen Gerätschaften gewurstelt wurde. Also mußten Veränderungen her. Man flüchtete sich in Personalabbau. - Prima!
Was ist das Ergebnis? In der Hauptstadt Berlin wird in einigen Straßen nur alle zwei Tage Post zugestellt. Hier und da werden mehrere Dörfer, die eine gemeinsame Poststelle hatten, durch die Schließung des Postschalters und damit auch durch die Verschließung des einzigen öffentlichen Telefons, das sich im Postraum befand, von der Außenwelt völlig abgetrennt. In Chemnitz werden ganze Neubaugebiete meist erst nachmittags mit Post und Zeitungen versorgt. Die eingeleitete Schrittfolge scheint also nicht gerade die richtige gewesen zu sein.
Die von den Vertretern der Unternehmensbereiche vorgetragenen Vorstellungen waren für mich die besten Argumente für die beschleunigte Durchführung der Postreform II, damit in den Unternehmen endlich marktwirtschaftlich effizient gearbeitet wird.
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Hinzu kommt, daß beide Unternehmensbereiche offenbar keinen leichten Umgang miteinander haben; denn bei der Gewährung von Postbankdiensten an den Postschaltern in den neuen Ländern tut man sich sehr schwer.
Gleichzeitig muß ich noch darauf hinweisen, daß insbesondere in der Unternehmensführung Postdienst bei der Beurteilung der Spezies „Ossi" offenbar von falschen Denkansätzen ausgegangen wird. Der vorexerzierte Umgang mit den Angestellten zeigt, daß man die Ossis als Versuchskaninchen oder, treffender gesagt, als Menschen zweiter Klasse sieht.
Nun zum Aufbau der öffentlichen Verwaltungen in den Kommunen und Ländern. Hier habe ich das Land Sachsen und meine Heimatstadt Chemnitz im Blickfeld. Sicherlich laufen hier großzügige Unterstützungsprogramme, initiiert durch Bund und Länder. Der Bund stellt Mittel zur Förderung des Personalaustausches, zur Durchführung von Aus- und Fortbildungen zur Verfügung. Auch gibt es vielfältige Unterstützung im städtepartnerschaftlichen Bereich. Das alles klingt gut. Aber es bleibt zu beleuchten: Wie wird das alles umgesetzt, und wie fruchtet es?
Der Bund organisiert im Bereich der Justiz die Mitfinanzierung von Abordnungen von Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundenbeamten. Damit werden diese Gremien schrittweise arbeitsfähig. Vor Ort wird aber beklagt, daß immer noch eine erhebliche Unterbesetzung vorherrscht. Außerdem gibt es nicht selten Probleme mit der Unterbringung. Die Kommunen im Osten nehmen die abgeordnete Hilfe vielfach gern an, finden aber meist keine Möglichkeiten der Unterbringung. Die Folge sind erhebliche Belastungen der Beteiligten, bis hin in den persönlichen und familiären Bereich.
Das gilt nicht nur für abgeordnete Mitarbeiter im Bereich der Justiz, sondern leider eben auch für andere Ämter, insbesondere für die Kommunalverwaltungen selbst.
Die abgeordneten und in der Regel hilfswilligen Mitarbeiter finden vor Ort meist verzwickte, unübersichtliche Strukturen und eine weit überzogene Personalstärke vor. Auf Grund dieser Unübersichtlichkeit und anderer Mängel besteht in den Verwaltungen oft die Möglichkeit, daß jeder Amtsleiter bzw. fast jeder Mitarbeiter seine eigenen politischen Entscheidungen trifft, manchmal noch am jeweiligen Parlament vorbei.
Es ist vielfach noch der alte Personalbestand vorhanden, der entweder geblieben ist oder aus anderen Bereichen umgesetzt wurde. Zum anderen wurden oft neue Mitarbeiter eingestellt, die zwar den angewandten Einstellungskriterien entsprachen, aber vorher in völlig anderen Bereichen tätig waren und bestimmte Dinge und Vorgänge nicht beherrschen. Somit wird klar, warum manche Bürgermeister mit ihren Beigeordnetengremien oder an ihren Beigeordnetengremien scheitern müssen.
Zum Beispiel in Chemnitz: Die Stadtverwaltung dieser mit rund 300 000 Einwohnern drittgrößten Stadt im Freistaat Sachsen hat - einschließlich ihrer nachgeordneten Einrichtungen - laut Veröffentlichung der örtlichen Presse -18 000 Mitarbeiter. Eine vergleichbare Stadt im Altbundesgebiet hätte nur etwa 6 000 Bedienstete.
Hinzu kommt in den Kommunen der neuen Länder noch der Parteienkrieg. Oft existieren riesenhafte, für westliches Verständnis unvorstellbare Koalitionen. Nachdem man jetzt fast zwei Jahre koaliert hat, ist man miteinander fertig. Aus dieser Situation heraus ist man selbstverständlich nicht in der Lage, die Struktur in der Verwaltung zu straffen oder sich um die Belange der Bürger zu kümmern, geschweige denn, irgend etwas voranzubringen. Man hat ja mit sich selbst zu tun.
Unter anderem dies nahm die FDP am Anfang dieses Jahres in Chemnitz zum Anlaß, aus der bestehenden Koalition auszutreten, wobei sie auch das bisher Erreichte unter Kritik stellte. Sie sah keine Möglichkeit mehr, mit den bisherigen Partnern zu vernünftigen Veränderungen zu kommen.
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Die einzigen Reaktionen, die eintraten, waren, daß versucht wurde, die FDP-Abgeordneten zu anderen Fraktionen abzuwerben, und daß der Wahlsieger CDU ein Gesprächsangebot der FDP ablehnte.
Herr Kollege, würden Sie bitte zum Schluß kommen.
Zwei Sätze bitte noch. - Chemnitz ist, was die Arbeitsweise der Kommunen betrifft, kein Einzelfall. Schuld daran ist aus meiner Sicht, daß es in Sachsen noch keine Kommunalverfassung gibt und daß die Landesregierung die Kommunen vielfach alleinläßt.
Das war jetzt der zweite Satz.
54 % für eine Partei sind eben doch zuviel. Die Bürger, die die Entscheidung getroffen haben, bekommen jetzt die Quittung dafür.
Danke.
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Nun hat Frau Kollegin Gisela Schröter das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während ich gestern über den besten Einstieg in meinen Redebeitrag nachdachte, fiel mir eine Meldung des Bonner „General-Anzeigers" ins Auge. Dort heißt es:
13 von 19 Bundesministerien haben nach Erkenntnissen des Bundesrechnungshofs insgesamt 51 von 97 kurzfristig bewilligten neuen Personalstellen nicht, wie vereinbart, in den Berliner Außenstellen, sondern in den Bonner Ministerien selbst eingesetzt. Dabei handelt es sich um neue, hochwertige Stellen zugunsten der Ministerien, während in die Außenstellen Mitarbeiter in niedrigeren Besoldungsgruppen geschickt worden seien.
Der Leser nimmt erstaunt zur Kenntnis: Da sind also hochwertige, d. h. gut bezahlte, Stellen, die für den Aufbau der neuen Bundesländer bestimmt waren - denn nichts anderes tun die Außenstellen der Bonner Ministerien in Berlin - klammheimlich zur Anhebung von Beamtenstellen in Bonn abgezweigt worden, während die kleineren Lichter - Sie entschuldigen den Ausdruck - die Arbeit in Berlin machen durften.
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Ohne diese Vorgänge überhaupt moralisch werten zu wollen, machen sie mich sehr nachdenklich. Man muß sich das vorstellen: Da werden unter den Augen der Bundesregierung Steuergelder, die für einen ganz bestimmten Zweck eingesetzt werden sollten, einfach - nonchalant - anders ausgegeben, und erst der Bundesrechnungshof kommt darauf und prüft dieses Verhalten.
Auf Seite 5 des „General-Anzeigers" kann sich der Leser dann auch noch davon überzeugen, daß nicht irgendwelche finsteren Mächte oder das berühmte menschliche Versagen irgendeines untergeordneten Personalsachbearbeiters verantwortlich sind. Der Sprecher eines der großen Ministerien stellt kühl fest, daß die Besetzung der Stellen im Einzelfall der „Organisationsgewalt des Ministers" unterliegt.
Wie gesagt: Ich enthalte mich jeder Wertung des Vorgangs. Aber mich beschleichen massive Ängste, wenn ich an die Verwendung der Steuermittel denke, die die Bundesregierung in dem Hilfsprogramm „Aufschwung Ost" und im Fonds „Deutsche Einheit" für den Aufbau der neuen Bundesländer einsetzt.
In diesen Programmen steckt eine Menge Geld, das, aus welchen Quellen auch immer, letzten Endes aus den Taschen des deutschen Steuerzahlers fließt. Wenn die Bundesregierung noch nicht einmal in ihren eigenen Häusern die genaue Kontrolle über die Verwendung der Steuergelder ausübt - siehe oben -,
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wie will sie diese Kontrolle eigentlich über die Verwendung der Fondsgelder aus den Aufschwung-Programmen ausüben? Sie weist die Verantwortung für das Geld ja sogar verbal weit von sich.
In der Antwort auf die Große Anfrage meiner Fraktion zum Verwaltungsaufbau in den neuen Bundesländern liest man außer einer Menge schöner Worte über die großen Anstrengungen, die gemacht werden müssen, um das Werk voranzubringen, eigentlich nur, daß der Bund lediglich als Geldgeber fungiert. Verantwortlich für das Gelingen sind allein die Länder und vor allen Dingen die Kommunalverwaltungen selber.
Genauso tönt es im Antwortschreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Grünewald aus dem Bundesfinanzministerium auf eine Petition aus meinem Wahlkreis. Da hatte ein Bürgermeister das Dilemma der Kommunen in den neuen Bundesländern genauestens beschrieben. Die Probleme sind so typisch, daß ich Sie Ihnen hier gern auszugsweise wiedergeben will.
Die Gemeinde mit ca. 6 000 Einwohnern - wirtschaftliches Unterzentrum zwischen Halle und Erfurt - verfügte vor der Wende über 4 000 Arbeitsplätze. Davon sind mittlerweile 2 500 abgebaut. Die Abwicklung von weiteren 1 000 Arbeitsplätzen steht bevor. Die Arbeitslosenquote hätte damit den südamerikanischen Wert von ca. 60 % erreicht. Bislang hat man sich noch mit AB-Maßnahmen über Wasser halten können. Auch das wird bald vorbei sein.
Der Bürgermeister scheint ein kluger und tatkräftiger Mann zu sein. Er weiß im Prinzip, wie die Probleme zu lösen sind. Neuinvestitionen zur SicheGisela Schröter
rung der Beschäftigung müssen her. Die kommen aber nicht von alleine. Die Infrastruktur muß verbessert werden. Nichts leichter als das! Das Industriegebiet der Gemeinde wird zu 70 % gefördert. Aber Erschließungs- und Planungsmaßnahmen muß die Gemeinde zunächst einmal selber tragen. Da von der Treuhand verwaltete und stillgelegte Betriebe leider keine Gewerbesteuer zahlen, fehlen hierfür aber die Mittel.
Das gleiche gilt für andere im Prinzip geförderte Projekte, die von der Gemeinde mit 10 % des Gesamtvolumens mitzufinanzieren sind. Das gilt auch für die Straße, die das Industriegebiet an die nächste Bundesstraße anbinden könnte. Ohne Anbindung an das Bundesstraßennetz winkt jeder potentielle Investor müde ab.
Als direkte Folge dieses unlösbaren Dilemmas der leeren Kassen bei vollen Fördertöpfen, wandern Arbeitskräfte, ganze Familien ab und senken damit die Steuereinnahmen und die Kreditwürdigkeit der Gemeinde noch mehr.
Ich könnte noch einige Kapitel derselben Geschichte erzählen, aber ich sehe schon, daß einige von Ihnen genauso mutlose Gesichter machen wie manche der hoffnungsvollen Westbeamten, die in den Osten kamen, um ihren Sachverstand für den Verwaltungsaufbau der neuen Länder zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Probleme, mit denen sie sich konfrontiert sahen, und der Entscheidungen, die ihnen täglich abverlangt wurden, hat viele von ihnen der Schneid schon nach sehr kurzer Zeit verlassen, und sie sind wieder nach Hause gegangen. Ich möchte allen herzlich danken, die trotz aller Widrigkeiten noch immer aushalten.
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All das ficht unseren Finanzminister nicht an:
Die Finanzausstattung der neuen Länder wird sich um fast 6 Milliarden DM verbessern. Von diesen Mitteln werden ihre Kommunen rund 2,2 Milliarden DM erhalten. Ich gehe davon aus, daß mit diesen Hilfen die finanzielle Lage der Haushalte der ostdeutschen Kommunen auch im Jahre 1992 gesichert ist.
So bescheidet er frohgemut den Bürgermeister und fügt auch gleich noch die väterliche Mahnung an:
Die Gemeinden sind zwar Teile der Bundesländer, sie haben jedoch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ein Selbstverwaltungsrecht. Damit sind sie auch für ihre finanzwirtschaftlichen Entscheidungen im Rahmen der Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes selbst verantwortlich. Dazu gehört auch, die eigenen Einnahmequellen - z. B. Steuern, Gebühren, Beiträge, Kredite zur Investitionsfinanzierung - auszuschöpfen und alle Einsparungsmöglichkeiten konsequent auszunutzen.
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Mit der abschließenden Bemerkung, „im übrigen tragen die Länder die Hauptverantwortung für die kommunale Finanzausstattung", stiehlt er sich dann endgültig aus der Verantwortung.
Nein, so einfach sollte man es sich nicht machen.
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Ganz abgesehen davon, daß ich den Finanzbedarf der Kommunen für 1992 nicht gesichert sehe, wenn die Bundesregierung mit ihren Plänen ernst macht, die Vermögensteuer zu senken und die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen - diese Maßnahmen führen nämlich zu Steuerausfällen von 2,5 Milliarden DM bei den Ländern und 5,5 Milliarden DM bei den Gemeinden -, halte ich den Hinweis, die Kommunen seien für ihre finanzwirtschaftlichen Entscheidungen selbst verantwortlich, für unerträglich.
Im Klartext soll das doch wohl heißen: Die Verantwortlichen in den Kommunen sollten sich endlich an vernünftiges Wirtschaften gewöhnen, dann gehe alles wie von selbst.
Unsere Kommunen in den neuen Bundesländern, die übrigens zu einem großen Teil von großen Koalitionen regiert werden, also nicht von Parteiinteressen bestimmt sind, sind in ihren finanzwirtschaftlichen Entscheidungen eben nicht frei. Die meisten tragen ein ganzes Paket von Verbindlichkeiten mit sich, die sie nicht selbst zu verantworten haben und mit denen sie nicht zu Rande kommen.
Da ist zunächst das Problem der Altschulden. Jeder Erbe hat nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit, auf einen Nachlaß zu verzichten, der ihn unnötig belasten würde. Unsere Gemeinden hatten dieses Recht nicht. In meiner Heimatstadt Sondershausen- wahrlich keine Riesenstadt - belaufen sich z. B. die Altschulden der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auf 68 Millionen DM. Die Altschulden der Arbeiterwohnungsbaugesellschaften - AWGs - betragen 50 Millionen DM. Dabei fallen diese Schulden nicht nur für die Errichtung und Unterhaltung von Wohnungen, sondern auch für Schulen und Kindergärten im Kreisgebiet an.
Zwar besteht für die Zinsaufwendungen zur Zeit noch ein Moratorium bis Ende 1993. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Zinsen zu einem in diesem Jahr zweistelligen Prozentsatz auflaufen. Interessant zu wissen, daß die Zinsen bei der Kreditbank anfallen, die laut Bericht der „Demokratischen Gemeinde" zu 97,8 % der Treuhand gehört.
Kann mir eine oder einer von Ihnen im Saal ein Rezept verraten, wie man mit diesem geerbten Pfunde wuchern kann? Ich kann es jedenfalls nicht. Der Wohnungsbestand stellt ja im Augenblick kein Vermögen dar, sondern ist wegen dringenden Sanierungsbedarfs eine zusätzliche Belastung. Sicher werden die Sanierungsmaßnahmen gefördert bis zu einem Höchstbetrag von 70 000 DM pro Wohneinheit. Das ergäbe wieder am Beispiel Sondershausen bei 16 zu fördernden Objekten einen Höchstförderbetrag von 3,2 Millionen DM. Real notwendig zur Sanierung der zum Teil verwahrlosten Altbausubstanz wären aber 6,8 Millionen DM. Da klafft eine gewisse Finanzierungslücke, die die Gemeinde selbst zu schließen hat. Wovon?
Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung ist es völlig unrealistisch, die Mieten für die sanierten Objekte auf die Kostenmiete zu erhöhen. Wir hätten über Nacht ein Heer von Obdachlosen. In
diesem Zusammenhang auf die Leistungen des Wohngeldes zu verweisen erscheint mir auch wenig hilfreich. Das Wohngeld mag eine gewisse Entlastungswirkung für die Mieter haben, zu Gewinnen für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften führt es sicher nicht.
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Unsere Kommunalverwaltungen haben ja nicht nur mit dem Problem der Altschulden zu kämpfen, sondern auch mit ungelösten Eigentumsfragen, mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten wegen der noch immer fehlenden Gebietsreform usw.
Ich stehe aber nicht hier, um eine Jammerarie anzustimmen.
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Mir geht es lediglich darum, aufzuzeigen, wie wenig die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage mit der Realität unserer Kommunen zu tun hat.
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Allein mit vollen Geldtöpfen lassen sich nicht alle Probleme lösen; man muß auch handhabbare Löffel dazulegen. Im Augenblick stellen die Voraussetzungen für die Teilnahme an Fördermaßnahmen für viele Kommunen ein unüberwindliches Hindernis dar. Wenn nicht alles so vorangeht, wie die Bundesregierung prophezeit, liegt es also weder an den wenig gebefreudigen Wessis noch an den faulen und unfähigen Ossis, sondern an einer unrealistischen, schwer zu durchschauenden Förderpraxis, die in manchen Fällen geradezu zu einer Verhinderungspraxis wird.
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Nun hat das Wort der Kollege Dr. Michael Luther.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht vorweg etwas in Richtung der SPD: Ich habe heute von Ihnen viel gelernt, und, Herr Welt, vielleicht kann ich das im folgenden Merksatz zusammenfassen: Der Bundeskanzler Helmut Kohl sollte endlich die Ortssatzung von Schmalkalden machen.
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Eine wichtige Säule für die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland ist der Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung.
Ich möchte mich speziell mit dem Thema Aufbau der Justizverwaltung in den fünf Ländern Mitteldeutschlands widmen. Dieser Bereich hatte zu DDR- Zeiten besonders wenig mit dem zu tun, was heute eine Justizverwaltung leisten muß und welche Stellung diese heute einnehmen soll. Wie sieh immer deutlicher zeigt, war die Verstrickung des Justizbereiches mit der SED und dem Stasi am intensivsten, denn Ziel dieses Apparates war es nicht, Demokratie und Recht zu wahren, sondern Diktatur und die Interessen der Diktatoren durchzusetzen. Aber auch das Recht auf Eigentum war in der DDR kein Thema, und die
katastrophale Situation der ungeklärten Eigentumsverhältnisse haben wir heute auszubaden.
Damit stellen sich für den Aufbau einer Justizverwaltung drei Schwerpunkte: Erstens. Die Richter und Staatsanwälte und die alte Justizverwaltung mußten überprüft, personell neu besetzt und erweitert werden. Zweitens. Die Grundbuchämter müssen arbeitsfähig gestaltet werden. Und drittens. Die Verantwortlichen des alten Systems müssen bestraft werden.
Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte sowie des Personals in der Justizverwaltung bezüglich ihrer früheren persönlichen Stellung zum SED- Regime ist eine politische Notwendigkeit; denn niemand wird verstehen, wenn das politisch motivierte Urteil und dessen Aufhebung von ein und derselben Person unterschrieben werden.
Im Ergebnis dieser Überprüfung konnten nur ca. 50 % der Richter und Staatsanwälte übernommen werden. Auch bei der Überprüfung des nichtrichterlichen Personals mußten ca. 10 % der Mitarbeiter aus den genannten Gründen entlassen werden. Somit stand die Justiz Mitte des Jahres 1991 in den Ländern Mitteldeutschlands vor dem Problem, daß die eingehenden Verfahren mit einem deutlich verminderten Personalbestand zeitgerecht abzuwickeln sind. Es bestand das zusätzliche Problem, daß das übernommene Personal qualitativ auf Grund fehlender Rechtskenntnisse nur in mäßigem Umfang in der Lage war, die anstehenden und die eingehenden Verfahren abzuwickeln.
Der Verfahrenseingang zeigt, daß die Entwicklung in den klassischen Rechtsgebieten - Zivil-, Familien- und Strafverfahren - und auch bei Asylverfahren deutlich unter dem westdeutschen Niveau liegt. Den Schwerpunkt der Belastung stellten die Arbeitsgerichtsbarkeit und die Rehabilitationsverfahren dar. Bemerkenswert ist, daß trotz der vielen Anträge bei den Ämtern für offene Vermögensfragen wegen der langsamen Bearbeitung in den Vermögensämtern nur wenige Verfahren bei Gericht anhängig geworden sind.
Letzteres zeigt, daß eine Schwerpunktaufgabe des Justizverwaltungsaufbaus die Fragen der Rechtspflege sind. 1991 gab es in der Justizverwaltung Mitteldeutschlands nur wenig und dazu unzureichend qualifiziertes eigenes Personal. Deshalb waren und sind hier die westdeutschen Bundesländer gefragt, und sie haben auch eine Menge geleistet. Bis zum 3. Oktober 1991 kamen z. B. 545 Richter, 170 Staatsanwälte und 322 Rechtspfleger in die mitteldeutschen Länder.
Mit den in Sachsen insgesamt 852 übernommenen, neu eingestellten und abgeordneten Richtern und Staatsanwälten ist die Pro-Kopf-Belastung der Richter und Staatsanwälte heute geringer als in den westdeutschen Ländern. Das rechtfertigt sich derzeit auf Grund folgender Umstände:
Erstens. Es finden eine ganze Reihe von Schulungsmaßnahmen für übernommene und neu eingestellte Richter und Staatsanwälte statt. Zweitens. Die Richter müssen zum Teil Rechtspflegertätigkeit übernehmen, da der Mangel an Rechtspflegern in Mitteldeutschland sehr groß ist. Drittens. Die Richter müssen bei der
Organisation der Geschäftsstellen mangels entsprechend qualifizierten Geschäftsstellenpersonals mithelfen.
Ein Schwerpunkt der Hilfen beim Aufbau der Justizverwaltung in den mitteldeutschen Ländern bildet die Entsendung von Verwaltungsfachleuten und Rechtspflegern. Diese Hilfe hat für die mitteldeutschen Länder besondere Bedeutung, da häufig nur die westdeutschen Länder über Mitarbeiter verfügen, die die benötigte spezifische Qualifikation besitzen.
Vor diesem Hintergrund haben z. B. die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Aufgabe übernommen, im Wege der Koordinierung die personelle Versorgung der Grundbuch- und Katasterämter in Mitteldeutschland flächendeckend sicherzustellen. Die so gewonnenen Mitarbeiter reichen aber für die Bewältigung der Aufgaben der Grundbuchverwaltung bei weitem nicht aus.
Die fehlenden Rechtspfleger wurden bisher dadurch ersetzt, daß besonders qualifizierte Mitarbeiter auf den Geschäftsstellen eine Kurzausbildung für spezielle Bereiche der Rechtspflegetätigkeit erhalten haben. Derzeit werden bei den meisten Grundbuchämtern, z. B. in Sachsen, Eintragungsanträge mit deutlich investivem Charakter innerhalb sehr kurzer Zeit erledigt. Auskünfte aus den Grundbüchern werden innerhalb weniger Tage erteilt. Rückstände in erheblichem Umfang gibt es bei den Grundbuchberichtigungen, soweit diese nicht durch Eintragung von Anträgen mit investivem Charakter zu erledigen sind.
Leider ist es so, daß in den örtlichen Grundbuchämtern für manche Grundstücke kein Grundbuchblatt vorhanden ist. Dann muß im zentralen Grundbucharchiv in Barby nachgefragt werden. Die durchschnittliche Nachfragezeit von vier Monaten kann - hier gilt mein Dank dem persönlichen Einsatz unseres Kanzlers Helmut Kohl - in Zukunft durch die Einstellung von zusätzlichem Personal reduziert werden.
Zum Jahresende 1991 kann festgestellt werden, daß der erste Schritt zum Umbau- und Neuaufbau der Justiz im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften erfolgreich abgeschlossen worden ist. Die Verfahren werden im Großen und Ganzen zeitgerecht abgewickelt. Probleme gibt es nach wie vor im Bereich der Rechtspflegerzuständigkeiten sowie in der Qualität des sogenannten Unterbaus. Diese Probleme werden durch Aus- und Fortbildungslehrgänge behoben.
Für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland ist es wichtig, daß sie fähig ist, die Verantwortlichen des DDR-Systems zu bestrafen. Die Strafverfolgung von Unrechtstaten des ehemaligen DDR-Regimes ist eine Aufgabe aller Bundesländer. Die westdeutschen Länder und der Bund hatten zugesagt, der Arbeitsgruppe Regierungskriminalität in Berlin insgesamt 60 Staatsanwälte oder Beamte des höheren Dienstes zur Verfügung zu stellen. Diese Verantwortung wurde zum Teil - und hier nenne ich das Beispiel Nordrhein-Westfalen an der Spitze - nur sehr schleppend wahrgenommen. Deshalb freue ich mich, daß die vielseitigen Forderungen endlich dazu geführt haben, daß die geforderten Staatsanwälte zur Verfügung stehen. Ich hoffe und wünsche mir, daß
diese Arbeitsgruppe endlich Ergebnisse auf den Tisch legt. Der Mauerschütze ist nicht unschuldig, aber hauptverantwortlich für die geschehenen Greueltaten sind die Mitglieder des Politbüros und die Mitglieder der alten DDR-Regierung.
Alles in allem kann gesagt werden, daß der Aufbau der Justizverwaltung erhebliche Probleme bereitet hat. Wir sind auf die Hilfe der westdeutschen Länder angewiesen. Man kann sich hinstellen und mehr wünschen, aber wir sehen nicht nur unsere eigenen Probleme, sondern auch die großen Anstrengungen der westdeutschen Länder. An dieser Stelle möchte ich den westdeutschen Ländern - und als Sachse besonders Baden-Württemberg und Bayern - für ihre Hilfe danken. Ich weiß, daß sie uns gerne helfen, und sie sollen wissen, daß diese Hilfe in Sachsen dankbar angenommen wird.
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Nun hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Horst Waffenschmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte für die Bundesregierung meine Ausführungen mit einem ganz herzlichen Wort des Dankes an alle diejenigen beginnen, die aus Bund, Ländern und Kommunen geholfen haben, sich tatkräftig persönlich für den Verwaltungsaufbau in den neuen Ländern eingesetzt haben.
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Hier ist ganz Großartiges geschehen. Als derjenige, der eine große Zahl von Kommunalkonferenzen mit den Kommunalpolitikern in den neuen Ländern durchgeführt hat, möchte ich hier ganz besonders die außerordentliche Leistung der Frauen und Männer hervorheben, die nach den ersten freien Kommunalwahlen in der damaligen DDR Funktionen als Bürgermeister, Landräte, Oberbürgermeister, Mitglieder der kommunalen Vertretungen und in den Verwaltungen übernommen haben. Was hier geleistet worden ist, meine Damen und Herren, ist beispielhaft für Bürgereinsatz zugunsten der Mitbürger.
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Dafür schulden wir ganz großen Dank und Anerkennung. Wenn man einmal sieht, daß dort Menschen durch das Vertrauen der Mitbürgerinnen und Mitbürger Aufgaben übernommen haben, die sicherlich nur kurze Zeit vorher niemals daran gedacht hätten, eine Verwaltung zu führen oder einen Kreistag zu leiten, dann muß man ein ganz herzliches Wort des Dankes herausstellen, auch für den persönlichen Mut, diese Aufgabe in einer Zeit zu übernehmen, wo ganz neue Rechtsvorschriften, neu für die Mitbürgerinnen und Mitbürger in den neuen Ländern, angewendet werden mußten. Was hier geleistet worden ist, meine Damen und Herren - das will ich heute morgen einmal sagen, gerade weil bisweilen auch eine ungerechte Kritik an den Verwaltungen der Kommunen und Länder geübt wird -, ist Grundlage mit dafür gewesen und ist weiterhin Grundlage, daß wir heute, zu Beginn des Jahres 1992, mit guten Gründen davon
sprechen können, daß sich in diesem Jahr Aufwärtsentwicklungen zugunsten der Menschen in den neuen Ländern ereignen. Die Landräte, Bürgermeister und Mitarbeiter vor Ort haben die Weichen gestellt, aber auch die neuen Landesverwaltungen. Dafür ganz, ganz großen Dank! Das muß hier gesagt werden.
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Meine Damen und Herren, mit Recht ist schon erwähnt worden, daß aus den westlichen Bundesländern, aus den alten Bundesländern, rund 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Aufbau und bei der Leistungsfähigkeit von Verwaltungsdienststellen des Bundes, der Länder und der Kommunen in den neuen, in den jungen Bundesländern helfen. An dieser Stelle sollten wir in dieser Debatte auch vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in den alten Bundesländern deutlich machen: Wir sagen auch Dank für die Einsatzbereitschaft, in die neuen Länder zu gehen. Wir sagen auch denen Dank, die es zumindest für eine Zeit übernommen haben, hier Arbeit mit dafür zu leisten, daß andere zu Tausenden in die Aufbauarbeit in die neuen Länder gegangen sind.
Ich will an der Stelle bewußt auch einmal sagen, weil ja immer wieder manche Kritik auch in Richtung öffentliche Verwaltung laut wird: Die öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, in Bund, Ländern und Kommunen hat viele gute Beispiele für die Einsatzbereitschaft, für gegenseitige Hilfe und Unterstützung gesetzt. Dafür gilt Dank in Ost und West.
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Meine Damen und Herren, wir haben aber noch Aufgaben vor uns. Ich sehe den Schwerpunkt der Aufgaben der Verwaltung in den neuen Ländern ganz besonders bei der Regelung all der Probleme und Aufgaben, die mit den Vermögensfragen zusammenhängen. Es geht zunächst einmal um die Anträge, welche die Kommunen stellen. Wir haben ein Sonderprogramm aufgelegt, mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums und des Bundesfinanzministeriums Juristen den Kreisen und Städten anzubieten, damit die Anträge auf Zuweisung der Grundstücke und Liegenschaften schneller und effektiver bearbeitet werden können. Dieses Programm mit über 100 Juristen, zu 90 % aus Bundesmitteln gefördert, ist sehr gut angelaufen. Es muß fortgeführt werden. Ebenfalls muß das sogenannte Rechtsanwälteprogramm fortgeführt werden, das helfen soll, bei den Vermögensämtern die privaten Ansprüche schneller zu regeln, die dort anstehen. Hinter jeder dieser Fragen steht auch ein Problem im Bereich der künftigen Investitionen.
Meine Damen und Herren, wir müssen heute auch zur Kenntnis nehmen, daß uns die Verantwortlichen in Ländern und Kommunen in den neuen Bundesländern sagen: Wir wollen aus guten Gründen unsere eigenen Landeskinder ausbilden, damit sie auch auf Zukunft alles das können, was sie können müssen, um eine leistungsfähige Verwaltung aufrechtzuerhalten und anzubieten.
Es wurde schon erwähnt - aber ich will es ganz offiziell für die Bundesregierung noch einmal sagen -, wir bieten nicht nur den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in den neuen Bundesländern, die bei der Bundesverwaltung tätig sind, sondern auch denen bei den Landes- und Kommunalverwaltungen ein großes Programm an Aus- und Fortbildung an. Wir wollen eng mit den entsprechenden Stellen der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zusammenarbeiten. Wir wollen Zehntausende Plätze für Aus- und Fortbildung haben, damit unsere Kolleginnen und Kollegen in den neuen Bundesländern das alles aus eigener Kenntnis, aus eigener Möglichkeit gestalten können. Das ist unser Ziel.
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Das muß ein Schwerpunkt in den Monaten sein, die vor uns liegen.
Meine Damen und Herren, wir können über das hinaus, was schon in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage stand, zum Wirken in den kommenden Monaten noch einmal herausstellen, daß ungewöhnliche Wege in der Verwaltungshilfe beschritten worden sind. Heute wurde schon einmal als Beispiel der bekannte Info-Dienst „Kommunal" erwähnt. Wann hat es das je gegeben? Ich muß sagen, es war eine gute Sache, daß wir das haben realisieren können. Jede Ausgabe des Info-Dienstes „Kommunal" geht in einer Auflage von 40 000 in die Rathäuser und Kreisverwaltungen. Er wird auf möglichst direkten Wegen nach dort gebracht. Es ist eine Hilfe aus der Praxis für die Praxis. Das werden wir fortsetzen, solange unsere Kolleginnen und Kollegen diese unmittelbare Amtshilfe brauchen. Das hat sich bewährt, und das sollten wir weiter fortführen.
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Meine Damen und Herren, ich habe mit den Landesregierungen, die jetzt Kommunalminister haben, abgesprochen, daß wir auch in diesem Jahr 1992 die Serie der Kommunalkonferenzen fortsetzen. Es war eine gute Sache, daß wir, die entsprechenden Ansprechpartner aus den einzelnen Bundesressorts und aus den kommunalen Spitzenverbänden, uns jeweils viele Stunden lang Zeit genommen haben, den Landesverwaltungen der neuen Länder, den Bürgermeistern, den Landräten, den Kommunal-, Verwaltungs- und Ratsvertretern Rede und Antwort zu stehen.
Lassen Sie mich einmal eines sagen, weit über Verwaltungsthemen hinaus. Was mich bei all diesen Kommunalkonferenzen, die viele Stunden gedauert haben, besonders berührt hat, waren zum einen die große Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern, aber auch - das sage ich mit Betonung vor dem Deutschen Bundestag - die nach wie vor anhaltende Freude und Einsatzbereitschaft, daß wir aus Ost und West in einer geschichtlichen Stunde zusammenarbeiten dürfen, nachdem endlich Freiheit und Einheit für unser Volk und Vaterland gefunden ist. Das ist nach wie vor Impuls und geht weit über Verwaltungshilfen hinaus.
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Lassen Sie mich noch eines ansprechen - ich glaube, davon sollte auch hier berichtet werden -, weil mich das geradezu glücklich gemacht hat. Es war
zu Beginn des Jahres 1991, da haben wir überlegt: Wie können wir denn einen Startschuß für die kommunalen Investitionen geben? Ich habe damals mit einigen Kollegen aus den kommunalen Spitzenverbänden dem Bundeskanzler und dem Bundesfinanzminister den Vorschlag gemacht, jene inzwischen oft angesprochene Investitionspauschale von 5 Milliarden DM zu nehmen, die wir nun ohne jedes Antrags- und Bewilligungsverfahren einfach nach der Einwohnerzahl den Städten, Gemeinden und Kreisen zur Verfügung gestellt haben. Einfacher ist es nimmer gegangen.
Ich sage ganz offen: Mancher ergraute Mitarbeiter in der Ministerialverwaltung hat mir gesagt: So etwas auf diese Weise so einfach zu überweisen, das haben wir noch nie gemacht! Ich habe immer geantwortet: Wir hatten auch noch nie solch historische Aufgaben und solche Vorgänge.
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Ich will an dieser Stelle ausdrücklich dem Bundeskanzler und dem Bundesfinanzminister dafür danken, daß sie auf die Anregungen aus dem kommunalen Bereich eingegangen sind. Die Investitionspauschale von 5 Milliarden DM war eine Initialzündung für viele mittelständische Investitionen. Wir können heute gemeinsam froh darüber sein, daß das so gelaufen ist.
Von der SPD ist der Sicherheitsbereich angesprochen worden. Meine Kollegen haben schon darauf hingewiesen, daß für die Hilfe beim Aufbau der Polizei natürlich in erster Linie die Länder zuständig sind. Aber wir haben ich sage das ausdrücklich - auch mit den Ländern zusammengearbeitet, wie ich überhaupt sage, daß der Bund in all diesen Bereichen über die Clearingstelle, über vielfältige Gespräche in der Ministerpräsidentenkonferenz die Zusammenarbeit gesucht hat.
Aber ich will für den Bund sagen: Wir haben Angebote für den Aufbau der Bereitschaftspolizei in den neuen Ländern gemacht. Wir haben - das wissen die Kollegen im Hause aus ihren jeweiligen Wahlkreisen - da, wo es notwendig wurde und wo es von den Landesregierungen angefordert wurde, auch den Bundesgrenzschutz eingesetzt, um Sicherheit zu gewährleisten. Ich danke ausdrücklich den Beamtinnen und Beamten des Bundesgrenzschutzes, die in zahlreichen Einsätzen geholfen haben, öffentliche Sicherheit mit Recht und guten Gründen für die Mitbürger in den neuen Ländern herzustellen. Ich finde, das war manchmal geboten, und sie haben es gut gemacht.
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Meine Damen und Herren von der SPD, weil Sie die Finanzausstattung angesprochen haben, möchte ich auf eines hinweisen: Wir bleiben ja in der gemeinsamen Verantwortung von Bundestag und Bundesrat, auch 1992 zu helfen. Wenn hier eben ein Brief von Finanzminister Waigel vorgelesen wurde, der die 6 Milliarden DM für die Haushalte der Länder und Kommunen im Jahre 1992 betraf, kann ich nur sagen: Es liegt in Ihrer Hand mitzuhelfen, daß das Geld bald auf den Weg kommt. Geben Sie Ihre Haltung im
Vermittlungsausschuß, die bisher blockiert, auf! Dann gehen die 6 Milliarden DM in die neuen Länder.
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Man kann sich doch nicht hier hinstellen und sagen: „Da kommt zu wenig Geld", und im Bundesrat jammern, daß die Strukturhilfe für die alten Länder aufhört. Meine Damen und Herren, wenn Sie uns so kommen und solche Redner von der SPD hier herschicken, dann müssen Sie hören, daß z. B. die Sozialdemokraten, im Land Brandenburg an der Spitze der Landesregierung stehend, das Gesetz über die Beschleunigung der Verkehrsausbauten nicht unterstützt haben. Man stellt sich hier hin und sagt: Es muß mehr und schneller laufen. Es sind alle eingeladen, daran mitzutun. Ich rufe die SPD auf, in Ländern, Kommunen, aber auch im Bundestag und mit ihrer Mehrheit im Bundesrat dabei zu helfen. Erst dann wird das, was Sie heute hier vorgetragen haben, stimmig.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammengefaßt sagen: Das Jahr 1991 hat viele sichtbare Erfolge für die Menschen in den neuen Ländern gebracht. Das Stimmungsbild, das wir hören und sehen, zeigt uns dies. Es ist eine große Gemeinschaftsleistung. Auch hier will ich wieder sagen: Über manche trennende Ansicht politischer Fraktionen hinweg ist es nach wie vor eine große Gemeinschaftsleistung, die wir sehen können, gerade durch die Verantwortlichen in den neuen Ländern erbracht.
Aber wir stehen vor weiteren Herausforderungen, diese Arbeit 1992 fortzusetzen. Wir haben den wackeren Einsatz der neuen Länder und Kommunen; aber wir brauchen auch weiter den Einsatz des Bundes und der alten Bundesländer. Ich lade alle ein, die Bundesregierung bei der Fortsetzung der Hilfen und der Initiativen für die Verwaltungen und damit für die Mitbürgerinnen und Mitbürger in den neuen Ländern im vereinten Deutschland zu unterstützen. Wir sind bereit, diese Arbeit zielbewußt fortzusetzen.
Herzlichen Dank.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache zu dieser Großen Anfrage und rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Freimut Duve, Wolfgang Thierse, Dr. Willfried Penner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Deutsche Historische Museum
- Drucksache 12/736 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß ({0})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß
Vizepräsidentin Renate Schmidt
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist dafür eine Aussprache von einer halben Stunde vorgesehen. - Dazu gibt es keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Als erster Redner hat unser Kollege Dieter Schloten das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich ein schöner Wochenabschluß, ein Thema aus dem Bereich Kultur und Geschichte am Freitagmittag hier anzusprechen. Wir werden das für heute sicherlich in einer halben Stunde abschließen können.
Die SPD-Fraktion hat den Antrag gestellt, für das Deutsche Historische Museum Konsequenzen aus der deutschen Einigung zu ziehen und es endlich auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Wir alle wissen: Vor dem 3. Oktober 1990 war dies wegen des besonderen Status von Berlin unmöglich. Also suchte man damals eine Hilfskonstruktion und fand die vorläufige Trägerorganisation der „Deutsches Historisches MuseumGmbH".
Derartige Kunstgriffe sind jedoch heute überflüssig. Die SPD-Fraktion will für das Deutsche Historische Museum ein Bundesgesetz. Sie verspricht sich davon mehr Transparenz für die Entscheidungen im Deutschen Historischen Museum und mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für den Deutschen Bundestag. Es reicht nicht aus, daß sich die Leitung des Deutschen Historischen Museums im Aufsichtsrat der GmbH nur einer Phalanx von Vertretern der Exekutive gegenübersieht. Der Deutsche Bundestag bewilligt die Personal- und Sachmittel für das Museum. Er muß daher auch bessere Mitwirkungsmöglichkeiten haben, indem er seine Vertreterinnen und Vertreter in ein ständiges Gremium entsendet. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Museums muß gewährleistet sein.
Ich will hier nicht über die nähere Ausgestaltung des Gesetzes spekulieren. Mit dem Gesetz für das Bonner Haus der Geschichte liegt ein akzeptables Beispiel auf dem Tisch. Wir können uns durchaus vorstellen, daß auch das Deutsche Historische Museum zu einer selbständigen Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt wird. Über das weitere Vorgehen wird man jedoch noch reden müssen. Heute bitte ich Sie nur: Stimmen Sie in den entsprechenden Ausschüssen unserem Antrag zu! Lassen Sie uns gemeinsam unter den neuen historischen Bedingungen, über die wir uns alle freuen, auch eine angemessene gesetzliche Grundlage für das Deutsche Historische Museum finden!
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit heute auch dazu nutzen, auf ein anderes Problem im Zusammenhang mit dem Deutschen Historischen Museum hinzuweisen, nämlich auf den Bauplatz. Das Deutsche Historische Museum hat in der Zwischenzeit seinen Standort im Zeughaus Unter den Linden gefunden, einem Haus, in das der Bund auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt große Mittel zum Um- und Ausbau steckt und das sich auf Grund seiner Architektur und seiner Geschichte hervorragend zur Unterbringung des Deutschen Historischen Museums eignet. Doch noch immer spuken die Vorstellungen von
einem Neubau herum. Über dessen Standort heißt es in der Gründungsvereinbarung über die Errichtung des Museums zwischen dem Bund und dem Land Berlin - ich darf zitieren -:
Der Bund errichtet das Gebäude des Deutschen Historischen Museums auf dem in der beigefügten Anlage 2 bezeichneten Gelände im Spreebogen.
Den Abgeordneten des Deutschen Bundestages würde es gewiß nicht schaden, wenn das Deutsche Historische Museum in das Zentrum ihres Arbeitsbereiches integriert würde. Aber dieses Museum soll nicht in erster Linie den Volksvertretern, sondern dem Volk zur Verfügung stehen. In das Parlaments- und Regierungsviertel gehören besser zeitgeschichtliche Ausstellungen und Sammlungen, die den Besuchern ein aktuelles politisches Problem veranschaulichen können. Außerdem besitzt der Bund in Berlin zahlreiche Gebäude, auch in unmittelbarer Nähe des Zeughauses - ich erinnere nur an die Gebäude direkt dahinter, zur Zeit noch von der Minol besetzt -, die sich für eine eventuelle zukünftige Erweiterung des Museums eignen würden.
Die SPD-Fraktion hat in der Vergangenheit wiederholt den Standort Spreebogen problematisiert und hierfür städtebauliche Argumente ins Feld geführt. Mein Kollege Conradi warnte am 27. Oktober 1989 an dieser Stelle davor, in den neunziger Jahren den Städtebau der fünfziger Jahre am Reichstag fortzusetzen und neben diesen beziehungslos einen Solitär zu setzen.
Mittlerweile hat es eine neue Entwicklung gegeben. Die SPD steht mit ihrer Skepsis nicht mehr alleine da; denn für den Spreebogen gibt es völlig andere Pläne.
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- Ich glaube, auf den Zwischenruf brauche ich nicht einzugehen.
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- Aber die Tatsache stellen Sie j a nicht in Frage, Herr Rüttgers. - Er gilt seit der Entscheidung für Berlin als Parlaments- und Regierungssitz als möglichen Standort eines neuen Regierungsviertels.
Ich will hier nur auf den Zwischenbericht der Konzeptkommission verweisen, den der Ältestenrat am 12. Dezember 1991 einstimmig verabschiedet hat. Dort steht schwarz auf weiß, die Konzeptkommission neige einer überwiegenden Unterbringung der Neubauten im inneren Spreebogen zu. Begründung - ich darf zitieren -: Man wolle sich die
arbeits- und danach voll funktionsfähige Lösung eines Parlamentes der kurzen Wege auf den eigens dazu freigehaltenen Flächen im Spreebogen ... sichern.
Weiter heißt es:
Ob durch Verzicht auf den Standort des Neubaus
des Deutschen Historischen Museums die z. Z. für
diesen Bau vorgesehene Fläche ebenfalls zur
Verfügung steht, bedarf der Entscheidung der Bundesregierung.
Das heißt: Wenn die SPD erneut den Bauplatz Spreebogen anzweifelt, dann ist das heute um so gerechtfertigter.
Bau- und Konzeptkommission warten dringend auf die schon längst überfällige Entscheidung des Kanzlers. Sie muß deutlich vor der Sommerpause fallen; denn für diesen Zeitpunkt ist geplant, einen städtebaulichen Wettbewerb für den Spreebogen auszuschreiben.
An die Adresse des Kanzlers richten wir daher die Aufforderung: Rücken Sie endgültig von Ihrer Entscheidung ab, das Deutsche Historische Museum im Spreebogen zu bauen! Geben Sie endlich Planungssicherheit! Man kann nicht einerseits Berlin-Planung betreiben, aber andererseits sich selbst im Wege stehen.
Meine Damen und Herren, die SPD hat seinerzeit die Pläne zur Errichtung des Museums kritisch begleitet. Die Konzeption des Museums trägt sie mit, gerade weil viele ihrer Anregungen aufgegriffen worden sind.
Wir hoffen deshalb, daß sich für die heute angesprochenen Probleme einer noch zu schaffenden gesetzlichen Grundlage und des Bauplatzes befriedigende Lösungen finden lassen.
Ich danke Ihnen.
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Nun hat Frau Kollegin Professor Dr. Roswitha Wisniewski das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den siebziger Jahren, als niemand ahnen konnte, daß in weniger als 20 Jahren Deutschland wiedervereinigt sein würde, entstanden Überlegungen, in Berlin ein Deutsches Historisches Museum einzurichten. Eine umfassende Darstellung der deutschen Geschichte sollte im freien Teil Deutschlands eine Heimstatt finden, und dies in klarem Gegensatz zu der marxistischen Geschichtsdarstellung, die im ehemaligen Zeughaus in Ost-Berlin präsentiert wurde.
Im Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation am 27. Februar 1985 kündigte Helmut Kohl an:
Als Geburtstagsgeschenk der Bundesrepublik Deutschland wollen wir in Berlin das Deutsche Historische Museum bauen und einrichten. Ein solches Haus gehört nach Berlin, in die alte Hauptstadt der Deutschen.
Dieses Haus sollte - so hieß es - Stätte der Selbstbesinnung und Selbsterkenntnis sein, und die deutsche Geschichte sollte offen dargestellt werden:
offen für kontroverse Deutungen und Diskussionen, offen für die Vielfalt geschichtlicher Betrachtungsmöglichkeiten; denn in einer freien Gesellschaft gibt es ... kein geschlossenes und schon
gar nicht ein amtlich verordnetes Geschichtsbild.
Niemand ... hat das Recht, anderen seine Sicht und seine Deutung der Geschichte aufzudrängen.
So heißt es in der Regierungserklärung vom 18. März 1987.
Auf dieser Grundlage wurde von einer Sachverständigenkommission eine Konzeption entwickelt, die schließlich im Februar 1988, nachdem die Länder diese Konzeption gebilligt hatten, durch das Bundeskabinett zur geeigneten Grundlage für den Bau des Museums erklärt wurde. Die Vorbereitungen für die Realisierung dieses Vorhabens waren zu jenem Zeitpunkt bereits im Gange.
Im Juli 1987 wurde in Berlin der Gesellschaftsvertrag für die Deutsches Historisches Museum GmbH als vorläufige Trägerorganisation unterzeichnet. Im Herbst 1987 nahm diese GmbH ihren Geschäftsbetrieb auf. Professor Dr. Christoph Stölzl wurde zum Generaldirektor berufen.
Am 28. Oktober 1987 unterzeichneten Bundeskanzler Helmut Kohl und der Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen im Berliner Reichstagsgebäude die Gründungsvereinbarung für das Deutsche Historische Museum. Im Sommer 1988 erhielt der Entwurf von Professor Aldo Rossi aus Mailand den ersten Preis im Architektenwettbewerb für den Neubau des Deutschen Historischen Museums im Spreebogen in Berlin.
Auch die rechtlichen Regelungen wurden mit Nachdruck vorangetrieben. Der GmbH-Vertrag traf nur eine vorläufige Regelung; Ziel der Vertragsparteien war es, daß die vorläufige Regelung spätestens zum 31. Dezember 1990 durch eine endgültige Regelung ersetzt werden sollte. Wesentliche Voraussetzung hierfür war die Klärung, ob und in welcher Form die Länder in der endgültigen Trägerorganisation mitwirken wollten. Zwischen den alten Bundesländern und dem Bund bestand Anfang 1990 Einigkeit darüber, daß als endgültige Trägerorganisation eine öffentlich-rechtliche Stiftung nach Berliner Landesrecht errichtet werden sollte.
Die Verhandlungen standen kurz vor einem Abschluß, als die Herstellung der deutschen Einheit alle Überlegungen über den Haufen warf. Wer wäre nicht glücklich über diese unerwartete Wendung?
Aber die Rechtsfragen müssen nun natürlich neu bedacht werden, weil auch die neuen Bundesländer in den Entscheidungsprozeß eingebunden werden müssen, so wie es unserem föderalen Selbstverständnis entspricht.
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Vor allem aber gab es nach der Wende und nach dem 3. Oktober 1990 plötzlich ein Deutsches Historisches Museum, ebenjenen altehrwürdigen Bau, das ehemalige Zeughaus in Berlin, das noch von der Volkskammer von seiner marxistischen Geschichtsdarstellung befreit worden war, übrigens zum Bedauern vieler Wissenschaftler, die dieses Anschauungsmaterial gern zu Demonstrationszwecken erhalten hätten. Das Haus aber steht nun zur Verfügung, und die Konzep6034
lion einer freiheitlichen Geschichtsbetrachtung und -darstellung kann in ihm verwirklicht werden, sobald es renoviert ist.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, daß das Deutsche Historische Museum nun über einen erheblichen Fundus an Museumsstücken verfügt. Zusammen mit dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wird eine umfassende Darstellung deutscher Geschichte geboten werden können.
Macht diese neue Situation Überlegungen notwendig, wie sie im Antrag der SPD gefordert werden? Ich glaube nicht, daß eine Bundesstiftung als Träger des Deutschen Historischen Museums auf der Grundlage eines Bundesgesetzes die richtige Lösung wäre. Es gehört ganz wesentlich zum zeitgeschichtlichen Bild der Bundesrepublik Deutschland, daß die Kulturpflege in erster Linie Sache der Länder ist und daß diese im Zusammenwirken mit dem Bund die nationalen Aufgaben der Pflege von Kunst und Kultur bewältigen. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ist übrigens ein gutes Beispiel. Es wird als Stiftung des öffentlichen Rechts vom Bund, vom Freistaat Bayern und von der Stadt Nürnberg getragen. Diese Kombination ist dem Nürnberger Museum gut bekommen, wie jeder versichern wird, der sich an seinen Schätzen erfreut oder sie für Forschungsarbeiten benutzt. Eine ähnliche Lösung wäre auch für das Deutsche Historische Museum beispielsweise in Berlin denkbar.
Eine andere Frage ist es, ob der geplante Neubau in Berlin notwendig sein wird oder ob angesichts der grundlegend veränderten Situation eine Umwandlung des Geschenks in Betracht gezogen werden sollte. So manche Gemeinde muß ja infolge der deutschen Einheit kommunalpolitische Konsequenzen ziehen, die nicht immer leichtfallen, obwohl die Einheit Deutschlands voll bejaht wird.
Alle diese Probleme werden zu erörtern sein. Durch die Einrichtung des Unterausschusses Kunst und Kultur übrigens ist die verstärkte Einbindung des Deutschen Bundestages in allen Fragen, die Kunst und Kultur betreffen, gegeben, so daß auch die parlamentarische Begleitung der weiteren Entwicklung des Deutschen Historischen Museums gesichert ist. Aber, wie gesagt, wir sollten diese Fragen in den Ausschüssen eingehend erörtern.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der Überweisung des Antrags an die Ausschüsse natürlich gern zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nun hat Herr Abgeordneter Dr. Dietmar Keller das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel: Der Antrag der SPD ist richtig und notwendig. Ich glaube auch, daß die vorgeschlagene Form, eine selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts zu wählen, richtig ist, weil sich diese Form schon auf anderen Gebieten prinzipiell bewährt hat.
Ich glaube auch, daß die Schaffung eines Deutschen Historischen Museums nicht nur eine Aufgabe von einzelnen Spezialisten sein sollte, sondern daß sie auch die Chance zu einer breiten öffentlichen Diskussion von Problemen deutscher Geschichte bietet, und zwar auch der Geschichte des letzten halben Jahrhunderts, weil das letzte halbe Jahrhundert nicht nur für die Zeitgenossen von Interesse ist, sondern weil es auch im großen historischen Rahmen - über Jahrhunderte hinweg - wichtige Zäsuren gebracht hat und von daher für alle nachfolgenden Generationen von Interesse sein wird.
Wenn man das Geld hat - es ist ja von einem Geschenk gesprochen worden -, wäre es natürlich schön, wenn man neu bauen könnte. Ich denke aber, daß das Zeughaus ein stattliches Haus ist, in dem das Deutsche Historische Museum seinen Platz finden könnte. Ich denke auch, daß die Nachbarschaft zum Alten Museum, zur Nationalgalerie, zur Museumsinsel und zur Deutschen Staatsoper für ein Deutsches Historisches Museum geradezu ideal ist.
Wir unterstützen, daß das Parlament das Vorhaben zur Schaffung des Deutschen Historischen Museums beratend begleitet, und stimmen der Überweisung der Vorlage an die zuständigen Ausschüsse zu.
Nun kommt als nächster der Kollege Dr. Jürgen Starnick.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Grundsätzlichen stimme ich dem Antrag der SPD-Fraktion und dem, was meine Vorredner hierzu gesagt haben, zu. Wir brauchen eine neue Rechtskonstruktion für das Deutsche Historische Museum. Aber es sind noch einige Aspekte zu ergänzen. Ich möchte sie hier vortragen.
Die Idee, die hinter der Gründung des Deutschen Historischen Museums stand und heute noch steht, ist, die Geschichte nicht nur der akademischen Betrachtung von Historikern oder der Bezugnahme durch Politiker zu überlassen, sondern sie einer breiteren Schicht der Bevölkerung zu erschließen. Durch Exponate und Medien sollte sie auch sinnlich erfahrbar werden. Sie sollte deshalb an einem Ort vermittelt werden, an dem es möglich ist, breitere Schichten der Bevölkerung zu erreichen. Das war der Grund, ein neues Deutsches Historisches Museum in Berlin zu errichten, obwohl bereits das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg existierte.
Wenn nun mit Recht für das Deutsche Historische Museum eine neue Rechtsform geschaffen werden soll, so ist dabei auf die Existenz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg Rücksicht zu nehmen. Die beiden Museen dürfen sich nicht als Konkurrenten begreifen, sondern sie müssen sich einer engen Zusammenarbeit verpflichtet fühlen.
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Das Deutsche Historische Museum muß auf den
breiten Fundus des Germanischen Nationalmuseums
zurückgreifen können. Umgekehrt sollte es vom Deutschen Historischen Museum profitieren. Es sind deshalb Überlegungen anzustellen, inwieweit man beide
Institutionen zueinander bringen kann, ohne die AufDr. Jürgen Starnick
gabe des einen oder die Aufgabe des anderen in irgendeiner Weise zu verfälschen.
Unabhängig von der Frage der Rechtsform für das Deutsche Historische Museum haben wir jetzt die Frage nach seinem Standort in Berlin zu entscheiden. Das ist schon angesprochen worden. Diese Frage stellt sich, weil sich die Geschichte schneller ereignet, als sie von uns nachgezeichnet werden kann.
Als Berlin dem Bund das Gelände am Spreebogen als Standort des Deutschen Historischen Museums vorschlug, hatte man nicht erwartet, daß dieses Gelände alsbald eher dafür in Anspruch genommen werden müßte, Geschichte zu machen, als sie zu beschreiben. Als ich noch als Senator in Berlin in der Verantwortung für die Stadtentwicklung stand, habe ich mich selbst sehr für diesen Standort eingesetzt. Ich habe ihn sogar vorgeschlagen und als Alternative zu dem Standort, wo die ehemalige Kroll-Oper stand, präferiert. Das ist auch gelungen. Deshalb glaube ich, daß ich mir heute auch anmaßen kann, ganz deutlich zu sagen - und damit, wenn man so will, mit Ihnen gemeinsam den ersten Stein zu werfen -, daß wir diesen ausgewählten Standort für das Deutsche Historische Museum heute als obsolet bezeichnen müssen.
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Wenn wir in Berlin ein Parlament der kurzen Wege mit dem wichtigsten Bezugspunkt Reichstagsgebäude haben wollen und wenn wir den berechtigten Wunsch des Bundeskanzlers, parlamentsnah zu residieren, respektieren wollen, so wird dieses Gelände für die neue Aufgabe benötigt. Der räumliche Zusammenhalt des Parlaments in enger Tuchfühlung mit Bundeskanzleramt und Bundespresseamt läßt sich nur realisieren, wenn das für das Deutsche Historische Museum ausgewählte Gelände für Parlaments- und Regierungsfunktionen in Anspruch genommen wird. Der Raumbedarf liegt immerhin bei einer Hauptnutzfläche von 275 000 Quadratmetern.
So stellt sich für das Deutsche Historische Museum die Frage nach der Standortalternative. Die Leitung des Deutschen Historischen Museums hat nach der Vereinigung sofort die Chance ergriffen, wie Herr Schloten schon sagte, die in dem Angebot der Übernahme des Zeughauses lag, das zuvor deutsche Geschichte aus der Sicht der DDR präsentierte. So konnte man die Aufgabe des Deutschen Historischen Museums, Geschichte durch Ausstellung zu vermitteln, unmittelbar angehen und brauchte nicht auf die Realisierung eines Neubaus zu warten.
Die Konzeption aber, die von dem Wissenschaftlergremium zur Gründung des Deutschen Historischen Museums erarbeitet wurde, läßt sich mit dem Zeughaus alleine nicht realisieren. Um diese Konzeption weiterzuverfolgen, braucht das Zeughaus bauliche Ergänzungen, die aber im unmittelbaren Umfeld nicht möglich sind, wohl aber auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem Deutschen Historischen Museum. Dabei bieten sich zweierlei Möglichkeiten an. Zum einen muß man feststellen, daß das ehemalige Außenministerium der DDR ein städtebaulicher Mißgriff ist und daß man sich an dieser Stelle durchaus etwas anderes denken kann. Zum anderen halte ich es auch
für denkbar, den Palast der Republik für die Aufgaben des Deutschen Historischen Museums zu nutzen. Ich bin der Meinung, daß der Umgang mit unserer jüngsten Geschichte von uns verlangt, die Tatsache, daß wir in zwei Staaten getrennt waren, auch mit den aus dieser Zeitgeschichte resultierenden Symbolen zu respektieren. Diese Symbole alle plattzumachen, dann gegebenenfalls noch mit einer pseudogeschichtlichen Tünche zu übergießen, entspräche jedenfalls nicht meinem Anspruch, den ich an den Umgang mit unserer jüngsten Geschichte stellen möchte. Dieses Gebäude als Geschichtsdokument im Zusammenhang mit dem Historischen Museum zu erhalten wäre ein Zeichen der Souveränität im Umgang mit unserer jüngsten Geschichte.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nun hat der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin ! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der SPD- Bundestagsfraktion möchte ich nun aus der Sicht der Bundesregierung noch folgendes bemerken: Das Deutsche Historische Museum ist ein Geschenk des Bundes an das Land Berlin. Mit dem Land Berlin und den alten Bundesländern ist deshalb in einer Vielzahl von Besprechungen grundsätzliches Einvernehmen erzielt worden, daß als Rechtsträger eine öffentlichrechtliche Stiftung nach Berliner Landesrecht anzustreben ist. Dies entspricht auch der Aufgabenverteilung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern.
Die Gründungsvereinbarung vom 28. Oktober 1987 geht dementsprechend davon aus, daß der Bund lediglich das Gebäude erstellt und einrichtet. In die weiteren Verhandlungen über den Gesamtkomplex, insbesondere die Finanzierung des Betriebs, müssen deshalb jetzt die neuen Länder einbezogen werden.
Auch in den künftigen Verhandlungen, meine Damen und Herren, besteht allerdings keine Möglichkeit, von dem bisherigen Grundkonsens abzugehen, ohne eine durch nichts gerechtfertigte Belastung des Bund-Länder-Verhältnisses heraufzubeschwören.
Bei dieser Sachlage ist für ein Bundesgesetz zur Regelung der Trägerschaft kein Raum. Auch der Antrag der SPD enthält hierfür keine sachlichen Gesichtspunkte. Von der PDS ist ein hinreichender Grund, von diesem Ergebnis der Gespräche abzugehen, nicht aufgezeigt worden. Insbesondere war bereits bei Gründung der vorläufigen Trägerorganisation der jetzt von der SPD benannte Status Berlins nicht das entscheidende Argument, das gegen die Errichtung einer Bundesstiftung gesprochen hätte. Ausschlaggebend war vielmehr die verfassungsrechtlich gebotene und aus museumsfachlichen Gründen erwünschte Beteiligung der Lander am Betrieb des Museums.
Diesem Gesichtspunkt trägt die Gründungsvereinbarung auch Rechnung, wonach die endgültige Trä6036
gerorganisation für die Mitträgerschaft durch die anderen Länder und deren Mitwirkung offen sein muß.
In diesem Sinne haben die Bundesregierung und der Senat von Berlin untereinander und mit den Regierungen der anderen Länder Verhandlungen über die endgültige Trägerschaft aufgenommen. Diese Gespräche müssen im Hinblick auf die Meinungsbildung der neuen Länder ohne Zeitdruck und auch mit der notwendigen Sorgfalt geführt werden. Dies ist um so eher möglich, als wir die Errichtung des Gebäudes nach dem Entwurf des Architekten Rossi im Gesamtzusammenhang der Planungen des Parlaments- und Regierungsviertels in Berlin sehen müssen.
Hier ist zusätzlich darauf hinzuweisen, daß die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung des Vorhabens, die hier angemahnt worden sind und die das Land Berlin zu schaffen hat, bislang noch nicht vorliegen. Auch steht noch nicht fest, ob auf Grund der neuen Situation in Berlin das Gelände im Spreebogen nicht anderweitig benötigt wird.
Im übrigen hat das Deutsche Historische Museum inzwischen eine vorläufige Bleibe im Zeughaus gefunden.
Die Trägerschaft des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland durch eine öffentlichrechtliche Stiftung nach Bundesrecht ist auch kein Präzedenzfall für eine Regelung der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums. Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik war Teil einer besonderen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, wonach mehrere, zum Teil langjährige Streitfälle zwischen Bund und Ländern im Rahmen einer Paketlösung bereinigt wurden.
Im übrigen handelt es sich auch hier wegen der Schenkung des Deutschen Historischen Museums an das Land Berlin um einen nicht mit dem Haus der Geschichte vergleichbaren Sachverhalt.
Für den Antrag der SPD kann auch nicht der im Grundsatz berechtigte Wunsch sprechen, den Bundestag mehr noch als bisher in die Lage zu versetzen, das Deutsche Historische Museum beratend zu begleiten. Das insoweit als Vorbild genannte Haus der Geschichte befaßt sich spezifisch mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Daraus erklärt sich
auch das besondere Interesse der Parteien an der inhaltlichen Gestaltung dieser Einrichtung zur unmittelbaren Zeitgeschichte. Demgegenüber hat das Deutsche Historische Museum die gesamte deutsche Geschichte zum Gegenstand. Die Zeitgeschichte der Bundesrepublik stellt hier lediglich einen kleinen Teilbereich dar.
Gleichwohl ist der Deutsche Bundestag auch über die Planung und Entwicklung des Deutschen Historischen Museums vielfältig unterrichtet worden, z. B. durch Berichte an die Ausschüsse des Deutschen Bundestags und auch durch Gespräche mit den Berichterstattern. Darüber hinaus ist eine Intensivierung der Mitwirkung des Deutschen Bundestages insbesondere über den zwischenzeitlich eingerichteten Unterausschuß Kultur des Innenausschusses möglich und wird seitens der Bundesregierung auch angestrebt.
Ich meine, meine Damen und Herren, daß damit dem Unterrichtungs- und Beteiligungsinteresse des Deutschen Bundestags Rechnung getragen werden kann. Die Errichtung einer Stiftung nach Bundesrecht ist hierfür nicht notwendig. Im Hinblick auf die rechtliche und politische Einordnung des Deutschen Historischen Museums als Geschenk an das Land Berlin sowie die bisherigen Absprachen mit den Ländern ist dies auch nicht möglich.
Ich danke Ihnen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Damit kommen wir zur Abstimmung. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 12/736 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Dieses ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen ein schönes, nicht zu arbeitsreiches Wochenende und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 22. Januar 1992, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist damit geschlossen.