Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Sondersitzung.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Kollegen Martin Grüner, der am 19. Juli seinen 65. Geburtstag beging, nachträglich die besten Glückwünsche des Hauses aussprechen.
({0})
Dann möchte ich Sie wissen lassen: Als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Kollegen Joachim Graf von Schönburg-Glauchau hat der Abgeordnete Lothar Handschack am 1. Juli 1994 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich.
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Die heutige Sitzung habe ich nach Art. 39 des Grundgesetzes auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. einberufen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
„Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994"
b) Beratung des Antrags der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an Maßnahmen von NATO und WEU zur Durchsetzung von Beschlüssen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Adria-Embargo und Flugverbot über Bosnien-Herzegowina"
- Drucksache 12/8303 -
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD „Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur Embargoüberwachung in der Adria sowie zur Überwachung und Durchsetzung des Flugverbots über dem Luftraum von Bosnien-Herzegowina"
- Drucksache 12/8320 Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über den Antrag der Bundesregierung und über den Antrag der Fraktion der SPD namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung zweieinhalb Stunden vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir können so verfahren.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli hat zur Frage der Auslandseinsätze unserer Bundeswehr Klarheit geschaffen. Deutsche Soldaten können in Zukunft sicher sein: Ihr Einsatz außerhalb des NATO-Gebiets ist von unserer Verfassung gedeckt, auch der bewaffnete, wenn der Bundestag dem mit einfacher Mehrheit zustimmt.
({0})
Ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Ziel der Bundesregierung ist damit erreicht. Nach Wiedervereinigung und Wiedererlangung unserer vollen Souveränität ist deutsche Außen- und Sicherheitspolitik voll handlungs- und bündnisfähig.
({1})
Das gilt im Rahmen der UNO wie für NATO, Europäische Union und WEU.
Die Karlsruher Entscheidung ist nicht nur bei uns, sondern ebenso im Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Ihr Inhalt entspricht nicht nur dem politischen Ziel der Bundesregierung, sondern auch der Erwartung der Völkergemeinschaft sowie unserer Partner und Freunde, daß das wiedervereinte Deutschland mehr weltpolitische Verantwortung übernimmt.
Die Bundesregierung ist wegen der Einberufung dieser Sondersitzung kritisiert worden.
({2}) - Zu Unrecht.
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Wir sind ein Rechtsstaat. Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit für unsere Soldaten im Adria- und AWACS-Einsatz verlangen unmittelbare Reaktion.
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Es ist nicht vertretbar, unsere Soldaten auch nur einen Tag länger als unbedingt notwendig in einem Einsatz zu belassen, für den die erforderliche Zustimmung des Parlaments gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht vorliegt.
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Im übrigen würde ich all denen, die das kritisiert haben, gern sagen: Es hat wahrlich in der Vergangenheit aus nichtigerem Anlaß Sondersitzungen des Deutschen Bundestages gegeben.
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Diese Sitzung gibt auch die Möglichkeit, die Einsatzregeln für unsere Soldaten in beiden Fällen denen unserer Partner anzugleichen. Auch das muß umgehend geschehen, und zwar nicht, weil uns irgend jemand gedrängt hat oder gedrängt hätte, sondern weil wir selbst unserer Verantwortung voll gerecht werden wollen.
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Meine Damen und Herren, zur herausragenden politischen Bedeutung des Bundesverfassungsgerichtsurteils stellt die Bundesregierung folgendes fest. Erstens. Die Entscheidungen fiber wesentliche Fragen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik werden wieder dort getroffen, wo sie in einer Demokratie hingehören - in Regierung und Parlament.
({8})
Genau das wollte im übrigen die Bundesregierung. Ihr Vorschlag zu einer Verfassungsänderung, dem die Opposition nicht zugestimmt hat, enthielt das Erfordernis der parlamentarischen Zustimmung. Das wollten wir also.
({9})
Zweitens. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeutet politisch eine klare Absage an einen deutschen Sonderweg. Das Bundesverfassungsgericht hat mit aller Deutlichkeit festgestellt, daß auch friedensschaffende Maßnahmen oder Kampfeinsätze vom Grundgesetz gedeckt sind. Das ist der politische Kern des Urteils, auch wenn die SPD das jetzt wieder hin und her und vor und zurück zu interpretieren versucht.
({10})
Die Ablehnung dieser Art von Einsätzen durch die SPD war der Grund dafür, daß diese Frage in Karlsruhe entschieden werden mußte. Mit dieser Haltung, die sie auch jetzt, nach dem Urteil, aufrechterhält, stellt sie sich ins Abseits - in den Vereinten Nationen wie in Europa.
({11})
Die Koalition wollte, unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtsgrundlage, von Anfang an friedenserhaltende und friedensschaffende Einsätze der Bundeswehr. Das war, ist und bleibt der Unterschied zur SPD.
({12})
Die Bundesrepublik Deutschland ist seit dem Kriege mit Erfolg im Konvoi der euroatlantischen Völkerfamilie gefahren. Bündnis- und Partnerschaftsfähigkeit waren und sind die Grundmaximen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Auch in Zukunft kommen für uns nationale Alleingänge nicht in Frage.
({13})
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts stellen sich die gemeinsamen Friedensaufgaben für NATO, Europäische Union und WEU jedoch neu. Neben die Bündnisverteidigung ist die Mithilfe bei der regionalen Konfliktvorbeugung und Konflikteindämmung getreten. Den Vereinten Nationen und der KSZE wurden neue Chancen für Friedenssicherung und Friedensschaffung eröffnet. Wer heute weiter im multinationalen, multilateralen Konvoi fahren will - niemand ist mehr darauf angewiesen als Deutschland -, der muß nicht nur die Rechte, sondern eben auch die Pflichten eines UNO-Mitglieds voll übernehmen, einschließlich der in der UNO-Charta vorgesehenen militärischen Zwangsmaßnahmen.
({14})
Karlsruhe hat das für Rechtens erklärt und den Weg dafür freigemacht. Deutschland kann von jetzt an zusammen mit seinen Freunden und Partnern im Rahmen der Vereinten Nationen notfalls - notfalls! - auch mit bewaffneten Bundeswehreinsätzen Frieden sichern und Menschenrechte schützen.
An die Adresse der SPD sage ich: Die Staatengemeinschaft lebt nicht nur davon, daß ihre Mitglieder Aggressionen unterlassen, sondern davon, daß sie mithelfen, das Völkerrecht und Menschenrechte zu schützen. Es geht darum, die Stärke des Rechts durchzusetzen, damit nicht das Recht des Stärkeren gilt.
({15})
Bei dieser Verantwortung für Frieden und Menschenrechte darf niemand abseits stehen, auch wir nicht. Gerade weil Deutschland in der Vergangenheit den Frieden gebrochen hat, ist es moralisch-ethisch verpflichtet, sich an der Verteidigung des Friedens jetzt mit ganzer Kraft zu beteiligen.
({16})
Wenn sich aus der Zeit des Nationalsozialismus eine Lehre geradezu aufdrängt, dann ist es doch die, daß Gewalt eben leider manchmal nur mit Gegengewalt beseitigt werden kann. Hätten die Alliierten Hitlers Aggressionen denn tatenlos zusehen sollen? Soll das der nachträgliche Rat von uns Deutschen an unsere heutigen Freunde sein?
Wer sich wie die SPD verweigert, darf sich nicht als Hüter der Menschenrechte aufspielen.
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Wer gegen Krieg ist - das sind wir alle -, aber nicht bereit ist, dem Kriegstreiber notfalls auch militärisch zu widerstehen,
({18})
kann weder Frieden stiften noch Menschenrechte schützen. Er macht nur Politik der Worte.
({19})
Wer der Bundesregierung vorwirft, sie strebe eine Militarisierung, interventionistische Aktionen an, der stellt nicht nur die UNO-Charta, der stellt das gesamte neue kollektive Sicherheitssystem unter UNO- und KSZE-Dach in Abrede und - was für meine Begriffe viel unangenehmer ist - diffamiert auch unsere Partner, die ihre Soldaten uneingeschränkt weltweit im Dienste des Friedens im Einsatz haben.
({20})
Damit uns, damit mich niemand falsch versteht: Die Bundesregierung wünscht solche Kampfeinsätze nicht. Das wollen wir sowohl unseren Soldaten als auch denen anderer Länder, wenn es irgendwie geht, ersparen.
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Solche Einsätze waren im übrigen auch nie die Normalität, und sie werden es auch in Zukunft nicht sein. Keine der derzeit 16 Friedensmissionen der UNO, an denen sich immerhin 68 truppenstellende Länder mit mehr als 70 000 Soldaten beteiligen, ist ein Kampfeinsatz. Im Augenblick ist nicht ein einziger Einsatz der UNO ein Kampfeinsatz! Was aber nach Auffassung der Bundesregierung mit einer verantwortungsbewußten Außenpolitik nicht zu vereinbaren ist, ist die Weigerung der SPD, an friedensschaffenden UNO-Missionen teilzunehmen.
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Meine Damen und Herren, der europäische Aspekt des Karlsruher Urteils ist nicht minder bedeutsam. Damit wurde ein ernsthaftes Hindernis für unsere Bündnis- und Partnerschaftsfähigkeit in der Allianz, in der Europäischen Union und in der WEU beseitigt und der Weg für den Aufbau einer europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik geebnet. Denn eines steht doch wohl fest: Ohne unsere volle Mitwirkung kann eine solche europäische Gemeinsamkeit nicht entstehen.
Wie dringend notwendig diese ist, schlägt uns doch jeden Abend wahrhaftig aus den Nachrichten entgegen. Man muß, so glaube ich, nicht unbedingt am Tisch der Außenministerräte der Europäischen Union gesessen haben, um zu sehen: Die mit diesem Urteil jetzt eröffnete Normalisierung unserer außenpolitischen Handlungsfähigkeit ist auch ganz wesentlicher, wichtiger weiterer Schritt hin zum vereinten Europa, das wir ja alle anstreben,
({23})
und ein Riegel gegen alle Bestrebungen einer Renationalisierung der Außen- und Sicherheitspolitik.
Die Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich zu der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie ist ein unverzichtbares Element einer freien und handlungsfähigen Europäischen Union und eine Vorbeugung gegen Nationalismus und ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen. Eine Sonderrolle unserer Bundeswehr, wie sie die SPD nach wie vor verlangt, wäre damit - das muß man auch klar und deutlich sagen - unvereinbar.
Drittens. Auch nach dem Urteil bleibt es bei der bewährten Kultur der Zurückhaltung. Wir werden uns nicht nach vorne drängeln. Außen- und sicherheitspolitische Normalität, das heißt, nicht den Weltpolizisten spielen, das heißt, nicht deutsche Soldaten überall dorthin zu entsenden, wo es brennt. Einen Automatismus für eine deutsche Beteiligung wird es nicht geben.
Worum es aber geht, ist: Regierung und Parlament haben jetzt die Möglichkeit, im Einzelfall und nach sorgfältigster Abwägung unserer Interessen, Verpflichtungen, Möglichkeiten und Grenzen ja oder nein zu sagen. Genau das und nicht mehr will die Bundesregierung.
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Der Ruf nach Beistand und Hilfe wird vermutlich immer stärker sein als die Fähigkeit der Staatengemeinschaft, zu helfen. Auch wir werden, weil wir Not und Elend dieser Welt nicht allein oder mit anderen schultern können, künftig öfter nein als ja sagen müssen.
Die Entscheidung hierüber kann nicht nach einem vorgegebenen Raster getroffen werden, sondern nur nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Wie auch bei unseren Partnern gibt es eine Reihe von Parametern, die in einem bestimmten Fall für oder gegen eine deutsche Beteiligung sprechen können.
Eine Beteiligung an einer internationalen Friedensmission kommt für uns nur in Frage, wenn sie völkerrechtlich eindeutig zulässig ist. Je höher das Risiko für unsere Soldaten, uni so höher muß die Meßlatte sein. Je mehr es in Richtung Kampfeinsätze geht, um so zwingender müssen die Gründe für eine deutsche Beteiligung sein: klares Mandat für den Einsatz, Erfüllbarkeit des militärischen Auftrages, Einbettung der militärischen Komponente in ein überzeugendes politisches Lösungskonzept. Auf all diese Erfordernisse wird es ankommen. Die Somalia-Mission war hier in mancher Hinsicht ein Fingerzeig.
Viertens. Auch nach diesem Urteil gilt: Eine Militarisierung deutscher Außenpolitik wird es nicht geben. Militärischer Zwang kann bei der internationalen Friedenssicherung immer nur Ultima ratio sein.
({25})
Europa- und weltpolitische Verantwortung wird für uns auch zukünftig in erster Linie politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit bedeuten in Richtung unserer neuen demokratischen Nachbarn im Osten, aber auch in Richtung Süden zur Bekämpfung von Armut, Umweltzerstörung und Bevölkerungsexplosion. Mit Panzern und Soldaten kann man diese
eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit nicht bewältigen.
({26})
Deutschland trägt jetzt bereits politisch und wirtschaftlich erheblich zur weltweiten Sicherheit und Entwicklung bei. Wir sind drittgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und haben etwa zwei Drittel der westlichen Hilfe für Mittel- und Osteuropa und die GUS-Staaten aufgebracht. Damit haben wir trotz unserer außergewöhnlichen Kräfteanspannung im Innern einen enormen, auch von der Welt anerkannten Beitrag zur weltweiten Sicherheit jetzt schon geleistet.
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Fünftens. Die Bundesregierung sieht in dem Urteil einen Ansporn, ihre multilaterale Friedenspolitik verstärkt fortzusetzen. Die Anstrengungen auf dem Gebiet der präventiven Diplomatie, der vertrauensbildenden Maßnahmen, der Tatsachenermittlung und der Früherkennung von Konflikten müssen verstärkt werden. Die zentrale Aufgabe der internationalen Organisation muß die Brandverhütung im Vorfeld bleiben; sie darf nicht das nachträgliche Löschen sein.
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Künftige deutsche Friedenspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen wird an das kontinuierliche Engagement aller Bundesregierungen der vergangenen 20 Jahre anknüpfen. Ich erinnere an das deutsche Engagement für eine politische Lösung in Namibia, an unsere Unterstützung der UN-Organisation im Libanon oder in Zentral- oder Lateinamerika, an Kambodscha, Somalia, den Westsahara-Konflikt und an das ehemalige Jugoslawien.
Wir haben uns für die nächsten beiden Jahre um einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat beworben. Für unseren Wunsch nach einem ständigen Sitz haben wir in den Vereinten Nationen breite Unterstützung gefunden, so wie wir die Wünsche einzelner großer und wichtiger Länder der Dritten Welt nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat voll und ganz unterstützen.
Mehr Mitverantwortung verlangt auch mehr Mitsprache. Deshalb wollen wir dort präsent sein, wo heute die wichtigsten Entscheidungen über den Weltfrieden fallen. Das hat nichts mit Großmachtstreben oder mit „Wir sind wieder wer" zu tun.
({29})
Zusammen mit meinem niederländischen Kollegen Kooijmans habe ich am 17. Mai in Wien Vorschläge für das nächste KSZE-Gipfeltreffen in Budapest vorgelegt. Diese Vorschläge zielen auf ein engeres Zusammenwirken zwischen KSZE und Vereinten Nationen ab. Ohne stärkeren Beitrag der Regionen ist die UNO überfordert. Der gemeinsame deutsch-niederländische Vorschlag sieht deshalb in Europa den Vorrang der KSZE bei der Konfliktvorbeugung vor. Die KSZE soll dem Sicherheitsrat künftig Vorschläge für Zwangsmaßnahmen auch ohne Zustimmung der direkt beteiligten Staaten unterbreiten können.
Die KSZE hat sich mit ihren Langzeitmissionen und dem Hochkommissar für nationale Minderheiten neue und durchaus wirkungsvolle Instrumente geschaffen. In Helsinki hat sie aber auch das Mandat für eigene friedenserhaltende Operationen erhalten. Zu einem solchen Einsatz könnte es erstmals im Berg-Karabach-Konflikt kommen. Die Bundesregierung hat auf Anfrage der KSZE beschlossen, sich an einer eventuellen Beobachtermission mit bis zu fünf Bundeswehrsoldaten zu beteiligen.
Die jüngste Erfahrung der Zusammenarbeit zwischen NATO, WEU und Vereinten Nationen zeigt, wie wichtig es war, die euroatlantischen Sicherheitsinstrumente auf die Erfordernisse der neuen Weltlage aus- und einzurichten. Dieser Prozeß ist insbesondere in seiner europäischen Dimension noch längst nicht abgeschlossen. Die Vereinigten Staaten werden ihr Engagement auf dem Kontinent, das Europa so sehr braucht, nur aufrechterhalten, wenn die Europäer größere Eigenverantwortung übernehmen. Der Ausbau der operativen Fähigkeiten der WEU und die Schaffung des Eurokorps waren wichtige Schritte auf diesem Weg.
Meine Damen und Herren, am französischen Nationalfeiertag defilierten auf den Champs-Élysées neben ihren französischen, spanischen, belgischen und luxemburgischen Kameraden auch 200 deutsche Soldaten. De Gaulle hat einmal die deutschfranzösische Aussöhnung als das eigentliche Wunder der Nachkriegszeit beschrieben. Am 14. Juli dieses Jahres wurde dieses Wunder in Paris auf bewegende Art und Weise sichtbar.
({30})
Krieg ist in der Europäischen Union Gott sei Dank undenkbar geworden. Die historische Aufgabe ist es nun aber, diese neue Kultur europäischen Zusammenlebens auf den gesamten Kontinent auszudehnen. Deutschland wird der Anwalt einer schnellen Heranführung unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn an den Stabilitätskern Europäische Union, NATO und WEU bleiben. Das muß jedoch durch enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland, der Ukraine und den anderen GUS-Staaten flankiert werden. Wir haben die alten Trennlinien nicht abgebaut, um an anderer Stelle wieder neue zu errichten.
Meine Damen und Herren, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich für Bundestag und Bundesregierung eine Reihe praktischer Konsequenzen.
Erstens. Es gibt nun keinen erkennbaren Grund mehr, an den seinerzeit beschlossenen Einsatzbeschränkungen bei den Adria- und AWACS-Operationen festzuhalten. Das heißt: In Zukunft sollten sich die deutschen Schiffe auch an der Aufbringung von Embargobrechern beteiligen und die dafür vorgesehenen Einsatzregeln anwenden können. Zur Durchsetzung des Flugverbotes sollten deutsche Soldaten im Rahmen des NATO-AWACS-Verbandes auch bei Flügen außerhalb des NATO-Territoriums mitfliegen können.
Im Interesse der Handlungs- und Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland bittet die BundesreBundesminister Dr. Klaus Kinkel
gierung den Deutschen Bundestag um Zustimmung zu diesen Beschlüssen.
Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht verlangt, aber nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es Sache des Gesetzgebers ist, Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr näher auszugestalten. Das eilt nicht unmittelbar.
Wir sollten uns gemeinsam das Ob und das Wie gründlich überlegen und prüfen.
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Meine Damen und Herren, vor nicht ganz einem Jahr haben wir den 20. Jahrestag unseres Beitritts zu den Vereinten Nationen begangen. Ich habe damals vor der Generalversammlung in New York daran erinnert, daß Willy Brandt 1973 den Beitritt mit dem festen Willen der Deutschen begründet hat, zum Frieden in der Welt beizutragen.
Die Bundesregierung hat immer wieder in New York ihre Absicht erklärt, die innenpolitischen Voraussetzungen für eine volle Übernahme aller Rechte und Pflichten eines UNO-Mitglieds zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür die rechtsstaatlichen Voraussetzungen geklärt und den Ball wieder an die Politik zurückgespielt. Jetzt ist es Sache von Bundesregierung und Bundestag, ihrer außen- und sicherheitspolitischen Verantwortung für unser Land nachzukommen.
Mit dem Jahrhundertgeschenk der Wiedervereinigung hat Deutschland den Hauptgewinn aus dem Ende des Ost-West-Konflikts, aus dem Wegfall der bipolaren Welt gezogen. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik ist neues Denken und Handeln verlangt. Die Zeit des „Wenn und Aber" ist vorbei; nun geht es darum, von unserem größeren Gewicht ohne Großmannssucht, aber auch ohne falsche Selbstverleugnung vernünftigen und verantwortungsbewußten Gebrauch zu machen. Das sind wir uns selbst schuldig. Das erwarten auch unsere Partner und Freunde. Das erwartet die Völkergemeinschaft von uns. Dafür erbitte ich die Mithilfe des Deutschen Bundestages.
Vielen Dank.
({32})
Als nächster spricht der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Rudolf Scharping.
({0})
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({1}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und den daraus zu ziehenden Konsequenzen will ich sieben Bemerkungen machen.
Erstens. Dieses Urteil beendet einen verfassungsrechtlichen Streit und sagt sehr deutlich, in welchem
Raum die Politik, d. h. dieses Parlament und die Bundesregierung, zu entscheiden haben.
({2})
Die Beendigung dieses verfassungsrechtlichen Streites ist ausdrücklich zu begrüßen, nicht zuletzt im Interesse der Soldaten, nicht zuletzt im Interesse der Bundeswehr, nicht zuletzt auch im Interesse der Familienangehörigen der Soldaten.
({3})
Zweitens. Ohne die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wäre diese Sitzung nicht zustande gekommen.
({4})
DaB sie heute stattfindet, ist nicht besonders notwendig gewesen.
({5})
- Sie werden Ihre Freude noch deutlich reduzieren.
Ich will gerne noch einmal wiederholen: Ohne die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wäre diese Sitzung nicht zustande gekommen. Daß sie heute stattfindet, ist überflüssig. Das hat die Rede des Bundesaußenministers sehr nachdrücklich bewiesen.
({6})
- Das will ich Ihnen noch ein bißchen genauer begründen, damit Sie weiter Grund zur Freude und zum Lachen haben, wenn Sie denn Lust dazu verspüren.
Im Vorfeld dieser Sitzung ist gesagt worden, sie sei wegen des Drängens der NATO-Partner notwendig geworden. Die haben sich sofort dagegen gewehrt. Herr Bundesaußenminister, Sie werden nicht glaubwürdiger dadurch, daß Sie im Kabinett das eine behaupten und es dann hier im Parlament selbst dementieren.
({7})
Das Zweite ist: Innerhalb dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Feststellung von besonderer Bedeutung: Entscheidungen über den Einsatz der Bundeswehr - in welchem Maß, in welchem Umfang und zu welchen Zielen im einzelnen auch immer - müssen unter Beteiligung des Parlaments auf der Grundlage seiner konstitutiven Zustimmung getroffen werden. Das Gericht sagt ausdrücklich, die Bundeswehr sei ein Parlamentsheer. Das halte ich für einen großen verfassungspolitischen Gewinn.
({8})
Das gilt auch im Zusammenhang mit denen, die in Karlsruhe im übrigen geklagt haben. Herr Bundesaußenminister, wenn ich es richtig weiß, ist Ihre Partei diejenige gewesen, die es in der deutschen Parlamentsgeschichte als erste und bisher einzige fertiggebracht hat, in einer Regierung bei Entscheidungen
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({9})
dabeizusitzen und mit ihrer Bundestagsfraktion gegen die gleichen Entscheidungen zu klagen.
({10})
Im übrigen hat diese Bundesregierung in ihren Schriftsätzen in Karlsruhe behauptet, die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr gehöre zum Kernbereich der exekutiven Verantwortung, zum Kernbereich der außen-, verteidigungs- und sicherheitspolitischen Gestaltungsfähigkeit. Auch die Fraklion der CDU/CSU hat in Karlsruhe vorgetragen, mit diesen Entscheidungen habe das Parlament nichts zu tun. Daß jetzt im Parlament entschieden wird, ist auf der Grundlage der Entscheidung von Karlsruhe überhaupt erst möglich geworden - gegen Ihren Willen.
({11})
Daß der Streit über diese Frage - ich füge hinzu; leider - bei Ihnen noch nicht beigelegt ist, zeigt die Diskussion darüber, ob man ein sogenanntes Entsendegesetz erlassen sollte oder nicht.
Es ist jetzt klargestellt, daß es keine verfassungsrechtlichen Schranken gegen eine Beteiligung der Bundeswehr im Rahmen von Aktivitäten der Vereinten Nationen gibt, auch dann nicht, wenn sie in deren Auftrag von der NATO, der WEU oder anderen durchgeführt werden.
({12})
Das aber wirft die Frage auf, was denn in Zukunft die Außenpolitik prägen soll.
({13}) Darauf bezieht sich meine dritte Bemerkung.
So leidenschaftlich wir dafür streiten, daß die Bundesrepublik Deutschland in Europa integriert ist, daß Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt, daß die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gestärkt wird: Die Entscheidung aus Karlsruhe wird uns für absehbare Zeit nicht davon befreien, auf dem Weg hin zu einer tieferen europäischen Integration und bei der Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eigenständige Entscheidungen zu treffen. Dafür ist Bündnis- und Partnerfähigkeit ein wichtiger Gesichtspunkt,
({14})
aber nicht der alleinige.
({15})
So leidenschaftlich wir dafür streiten, daß die transatlantische Partnerschaft erweitert und vertieft wird: Wir wehren uns genauso wie bei der europäischen Integration dagegen, daß diese Entwicklung zunächst aus den Kategorien der Sicherheitspolitik und des militärischen Einsatzes betrachtet wird.
({16})
Diese Bündnisse waren und sind Konsequenz friedlicher Entwicklung, und das soll so bleiben.
So leidenschaftlich wir dafür streiten,
({17})
daß es eine neue Ostpolitik gibt, die nicht nur den Staaten des östlichen Mitteleuropa und anderen für ihren großen Beitrag beim Einreißen des Eisernen Vorhanges auf die Schulter klopft, so notwendig wäre es, ihnen in der sicherheitspolitischen Architektur, aber gerade auch in der kulturellen, sozialen und ökonomischen Zusammenarbeit eine klarere Perspektive ihrer Zugehörigkeit zu Europa zu bieten, als es heute der Fall ist.
({18})
Schon die Wortwahl, Herr Bundesaußenminister, kann bezeichnend sein. Ich habe die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union und im transatlantischen Bündnis noch nie als die Mitgliedschaft in einem Konvoi empfunden, noch nie!
({19})
Jeder weiß ja, wie Konvois zustande kommen.
Man kann ja sagen, daß die deutschen Soldaten auf den Champs-Elysées ein bewegendes Bild gewesen sind.
({20})
Ich füge allerdings für mich persönlich hinzu: Es gibt wesentlich bewegendere Bilder der Zusammenarbeit und der Völkerverständigung als gemeinsam paradierende Soldaten, selbst wenn sie dazugehören.
({21})
Wenn wir schon über die Frage reden, was denn deutsche Außenpolitik in Zukunft prägen soll, dann will ich Ihnen einmal eine Frage stellen, die ich ja nicht alleine für meine Person stelle, sondern die viele, viele hunderttausend Menschen in diesem Land stellen: Was ist von der Außenpolitik eines Landes zu halten, das 10 Millionen DM für eine Maßnahme des Technischen Hilfswerkes in Afrika oder andernorts nicht aufbringt, aber relativ schnell und unproblematisch bereit ist, Milliarden zur Finanzierung des Golfkrieges aufzuwen den?
({22})
Wie wirkt dies auf das Engagement von Menschen? Welche Signale geben wir, wenn das Wort von den globalen Herausforderungen wirklich ernstgemeint ist? Uns ist es damit ernst. Dann wäre die erste außenpolitische Verpflichtung, in einem solchen Zusammenhang dafür zu sorgen, daß Deutschland endlich wieder Schritte geht, um die globale Entwicklung voranzubringen und um z. B. das 0,7-%-Ziel zu erreichen und damit in der internationalen Staatengemeinschaft ein Vorbild zu geben.
({23})
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({24})
Wenn es wirklich ernstgemeint ist mit der globalen Entwicklung, mit der Bekämpfung von Hunger und Bevölkerungsexplosion
({25})
- ich sehe, Sie haben keinen Grund zum Lachen mehr -, dann, meine Damen und Herren, frage ich mich, warum es in diesem Bundestag noch im letzten Jahr abgelehnt wurde, ein Gesetz über die Gründung eines deutschen Umwelt- und Katastrophenhilfswerkes auf den Weg zu bringen.
({26})
Das ist hier abgelehnt worden. Es wäre aber ein gutes Signal dafür gewesen, daß Deutschland seine internationale Verantwortung auf friedliche Weise wahrnehmen will.
({27})
Wenn schon der Bundesaußenminister - ich habe das in einem anderen Zusammenhang hier schon einmal gesagt - aus gewissen diplomatischen Rücksichtnahmen, die ich respektiere, zu bestimmten Themen nichts sagt, dann erwarte ich jedenfalls, daß die zur Zeit die Regierung noch tragenden Parteien zu einem Thema etwas sagen, das mindestens genauso viele Menschen bewegt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - so schön und wichtig eine Mitgliedschaft Deutschlands in ihm auch sein mag - wird dadurch nicht glaubwürdiger, daß die Staaten, die dort Mitglied sind, fast allein verantwortlich für den internationalen Waffenhandel sind und dadurch die wesentlichen Bedingungen dafür mit setzen, daß Kriege auf der Erde überhaupt geführt werden können.
({28})
Die vorsorgende Sicherung des Friedens ist immer wichtiger als seine Erzwingung!
({29})
Im übrigen wissen wir, wie schwierig es werden kann, internationale Verantwortung ausschließlich unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu betrachten, so klar und fest wir auch in der Überzeugung sind, daß auf sicherheitspolitische Aspekte jeder Außenpolitik Deutschlands nicht verzichtet werden kann.
({30})
Aber zunächst geht es darum, friedliche Möglichkeiten auszuschöpfen und dafür zu sorgen, auch die innere Stabilität der Staaten zu festigen, weil ihre innere Stabilität sehr über ihre außenpolitische Verläßlichkeit entscheidet.
({31})
Meine Damen und Herren, ich will eine vierte Bemerkung machen. Sie bezieht sich auf das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen, dem das Gewaltmonopol gegenübersteht. Wir treten dafür ein,
({32})
auf der Grundlage des Gewaltverbots der Charta der Vereinten Nationen und des sich daraus begründenden Gewaltmonopols die Vereinten Nationen zu stärken. Unsere Mitgliedschaft in der NATO und unsere Mitgliedschaft in der Europäichen Union sind der kluge Verzicht auch auf Rechte eigener Souveränität.
({33})
Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen beinhaltet keinen Verzicht auf Souveränität, wohl aber die Verpflichtung, nach Treu und Glauben und auf der Grundlage der Charta zu prüfen, ob und wie man sich an Aktivitäten der Vereinten Nationen beteiligen will.
In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, daß der Bundesaußenminister die Agenda für den Frieden des Generalsekretärs der Vereinten Nationen überhaupt nicht erwähnt hat. Es wäre allerdings für den inneren Zusammenhang von Außenpolitik von entscheidender Bedeutung, klarzumachen, daß die Vereinten Nationen, selbst wenn sie es hier und da müssen und entsprechend entscheiden, von ihrer Grundidee her nicht ein Mittel der militärischen Schlichtung von Konflikten gewesen sind
({34})
und daß von Dag Hammarskjöld über viele andere Überlegungen bis hinein in die Agenda für den Frieden des derzeit amtierenden Generalsekretärs Fragen der Prävention, der Bekämpfung von Konflikten durch Bekämpfung ihrer Ursachen und des vorsorgenden Krisenmanagements wesentlich höher zu bewerten sind als im Zweifel notwendige, aber nicht wünschenswerte, nur als Ultima ratio einzusetzende militärische Mittel.
({35})
Meine fünfte Bemerkung bezieht sich auf die Frage der kollektiven Sicherheit. Sie muß Normalität der deutschen Außenpolitik bleiben. An dieser Stelle, Herr Bundesaußenminister, stimme ich Ihnen ausdrückllich zu. Nicht die Größe oder die Lage eines Staates sollen über seine Selbstbestimmung oder über seine Sicherheit entscheiden, sondern ausschließlich das von der Völkergemeinschaft oder von regionalen Zusammenschlüssen wie der KSZE oder anderen garantierte Recht auf uneingeschränkte Selbstbestimmung des einzelnen Volkes, unabhängig von der Größe oder der Lage des Staates, in dem es lebt.
({36})
Deshalb nenne ich den Verzicht auf eigene Souveränität in solchen integrierenden, zusammenführenden, gemeinsame Interessen vertretenden Bündnissen die Normalität der deutschen Außenpolitik.
Sie hat Konsequenzen im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Nicht der einzelne Staat alleine wird im Auftrag der Vereinten Nationen tätig werden, auch nicht eine beliebig
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({37}) zusammengesetzte Gemeinschaft von Staaten. Es kann die Frage auftauchen - vermutlich wird sie bald auftauchen -, daß - über Jugoslawien hinaus - bestehende Verteidigungsbündnisse im Auftrag der Vereinten Nationen Aufgaben übernehmen sollen. Auch dann werden wir vor der Frage stehen, ob und in welchem Umfang wir uns daran beteiligen. Im Zweifel sind dann Verträge besser. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auch mit der Frage beschäftigt hat, wie eine faktische Weiterentwicklung z. B. des Vertrages, der die Grundlage der NATO bildet, zu beurteilen sein würde.
Meine Damen und Herren, ich habe immer die Auffassung vertreten, daß der Konsens fiber Grundorientierungen der Außenpolitik eines Landes im Interesse des Landes selbst von hoher Bedeutung ist.
({38})
An dieser Auffassung halte ich fest. Weil wir den Konsens in Fragen der Grundorientierung der Außenpolitik für sinnvoll und notwendig halten - wegen der langfristigen Berechenbarkeit unserer Außenpolitik, wegen der Verläßlichkeit und Berechenbarkeit deutscher Politik -,
({39}) ist es von ganz zentraler Bedeutung,
({40})
daß wir uns immer darauf besinnen, Maßnahmen der Sicherheit gemeinsam mit anderen zu organisieren, vertraglich zu vereinbaren und sie nicht auf alleinigem Wege erreichen zu wollen.
({41})
Das hat praktische Konsequenzen auch im Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr in der Adria, in den AWACS-Flugzeugen, und es hätte sie, wäre der Einsatz nicht schon beendet, auch im Zusammenhang mit Somalia. Es ist wahr, durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht jetzt - einen entsprechenden Beschluß des Parlaments vorausgesetzt - Rechtssicherheit. Das kann niemand bestreiten.
({42})
Aber es läßt sich auch nicht bestreiten, daß diese Rechtssicherheit herbeigeführt werden mußte und daß für die zwei Jahre des Einsatzes und für die Bedingungen, politisch wie rechtlich, unter denen er stattfand, Sicherheit für die Soldaten und ihre Familienangehörigen eben nicht, jedenfalls nicht in ausreichendem Maße, bestand.
({43})
Diese Rechtssicherheit ist jetzt vorhanden. Es bleibt die Frage, was politisch zu entscheiden ist.
Meine Partei ist der Auffassung, daß sich Deutschland neben dem Geschilderten im Zusammenhang mit Aktivitäten der Vereinten Nationen, soweit sie Ultima ratio sind und militärische Dimensionen
umfassen, konkret auch daran beteiligen sollte, daß aggressive Staaten wirtschaftlich blockiert werden, daß diese Blockade nicht nur auf Resolutionen beruht, sondern auch überwacht und im Zweifel und nötigenfalls auch militärisch durchgesetzt wird. Also stimmen wir dem Einsatz der Bundeswehr in der Adria mit den entsprechenden Regelungen zu.
({44})
- Das geschieht nicht zwei Jahre später. Unabhängig von der Klärung verfassungsrechtlicher Fragen sollten Sie, selbst wenn der Wahlkampf Sie daran hindert, hier und da das Gehirn mit der nötigen Sorgfalt zu benutzen,
({45})
doch zur Kenntnis genommen haben, daß die Sozialdemokratie diese ihre Auffassung seit langem öffentlich vertritt
({46})
- es ist so, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht - und daß dies die logische parlamentarische Konsequenz ist, die wir auch aus unseren eigenen Beschlüssen ziehen.
({47})
Das gleiche gilt für die Überwachung von Schutzzonen und für die Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina.
({48})
Die Beteiligung von deutschen Soldaten in den Flugverbänden halten wir für politisch vertretbar und deshalb auch für zustimmungsfähig.
({49})
Meine Damen und Herren, da es Sie so außerordentlich freut, will ich bei dieser Gelegenheit auf eines aufmerksam machen. Es ist mir lieber, wenn in einer Partei wie der meinen über Fragen der praktischen Konsequenzen aus außenpolitischen Grundorientierungen sorgfältig geredet und debattiert und dann entschieden wird, anstatt es im Hauruckverfahren zu machen und in Entwicklungen hineinzulaufen, deren Konsequenz am Ende niemand übersieht.
({50})
Das sage ich auch deshalb, weil meinem Eindruck nach in der Debatte in Deutschland über die Frage der Beteiligung Deutschlands an Aktivitäten der Vereinten Nationen mit einem Akzent diskutiert wird, der uns von internationalen Entwicklungen abzukoppeln droht.
({51})
Jeder von uns weiß, daß nach den Erfahrungen des Einsatzes in Somalia nicht mehr damit zu rechnen ist,
({52})
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({53})
daß in naher Zukunft die Vereinten Nationen nach den Vorschriften ihrer Charta das militärische Oberkommando über solche oder vergleichbare Operationen übernehmen. Wer aber die Stärkung der Vereinten Nationen wünscht, wie wir das tun, der wird ihnen auch die Möglichkeiten zur Verfügung stellen müssen, damit die Vereinten Nationen selbst und nicht auf Dauer alleine mit dem Hilfsmittel regionaler Organisationen in der Lage sind, Frieden zu schaffen und ihn nötigenfalls auch durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr sicher, daß viele dieser Einzelfragen, auch die Frage, ob es einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung für den Einsatz der Bundeswehr auf der Grundlage und im Rahmen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bedarf, besser frei von den Bedürfnissen und möglicherweise auch Leidenschaften eines Wahlkampfs diskutiert werden. Für uns bleibt, daß die internationale Verantwortung Deutschlands vielleicht nicht unbedingt gewachsen ist - darüber kann man streiten -, aber auf jeden Fall auf andere Weise wahrgenommen werden muß und kann als in der Zeit der Blockkonfrontation.
Außenpolitische Grundorientierungen waren in Deutschland heftig umstritten, so bei der Westintegration Deutschlands in den 50er Jahren.
({54})
Da ich daran schon auf Grund meines Alters nicht persönlich beteiligt war, kann ich daran zwei Feststellungen knüpfen: Die SPD hat um des Ziels der deutschen Einheit willen diese Westintegration bekämpft, und das hat sich später als politisch falsch herausgestellt. Warum sollte man das nicht aussprechen? Heute ist es allerdings so, daß wir in manchen Einzelfragen die Bedingungen der Westintegration, nämlich die nichtmilitärischen, zivilisatorischen und humanitären Antriebe der Westintegration, gegen manche nationalistische Versuchung aus der Partei verteidigen müssen, die die Westintegration bewirkt hatte.
({55})
Am Ende der 60er und am Anfang der 70er Jahre war die Frage der Ostpolitik heftig umstritten.
({56})
Wenn Sie ehrlich und sauber argumentieren, werden Sie sagen: Damals waren wir dagegen, und auch das hat sich als falsch herausgestellt. - Es war nämlich ein großer Gewinn für Deutschland, daß diese Politik durchgesetzt werden konnte.
({57})
Es geht mir aber nicht darum, wer nach einer bestimmten historischen Entwicklung von sich sagen kann, er habe recht gehabt. Viel wichtiger ist, daß auf der Grundlage dieser Politik gemeinsame Grundorientierungen für die Außenpolitik unseres Landes
entstanden sind, die wir auch gemeinsam bewahren sollten
({58})
- allem Wahlkampf zum Trotz.
({59})
Über einige dieser Grundorientierungen habe ich auch deshalb gesprochen, weil ich sie in der Rede des Bundesaußenministers vermißt habe. Über andere wäre weiter zu reden, möglicherweise nicht im Rahmen dieser Debatte, aber ganz sicher nach dem 16. Oktober.
Wir jedenfalls wollen erreichen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre - möglicherweise gewachsene, ganz sicher aber veränderte - internationale Verantwortung als die Aufgabe, die Notwendigkeit und die Herausforderung begreift, die friedlichen Möglichkeiten unseres Landes in Europa, im Westen und Osten unseres Kontinentes, konsequent zu entfalten und sie der Entwicklung auch auf der südlichen Hemisphäre der Erde zur Verfügung zu stellen.
({60})
Wir wollen veränderte, möglicherweise gewachsene internationale Verantwortung zuerst als Aufforderung verstehen, an den bewährten Grundorientierungen der deutschen Außenpolitik festzuhalten und das Prinzip der kollektiven Sicherheit an die erste Stelle der Sicherheitspolitik Deutschlands zu setzen.
({61})
Wir wollen daran festhalten, daß Deutschland nicht zuletzt wegen der Erfahrungen seiner eigenen Geschichte eine Verpflichtung hat, bei der Bekämpfung der Ursachen von Konflikten,
({62})
bei der Prävention, bei der Beseitigung von Hunger, Bevölkerungsexplosion und globalen Umweltgefahren seine erste internationale Verantwortung wahrzunehmen, und zwar nicht nur durch Erklärungen und schöne Worte, sondern nachprüfbar bis hin in die Zahlen eines Haushaltes.
({63})
Weil die Welt nie so ist, wie sich das Parlamente in Beschlüssen oder Parteien auf ihren Parteitagen vorstellen:
({64})
Es wird nie auszuschließen sein, daß wir uns auch an Maßnahmen der Vereinten Nationen beteiligen.
({65})
Wenn wir das tun, dann sollten dieselben Prioritäten gelten: Konfliktverhütung, Prävention und Beseitigung von Konfliktursachen. Wenn die Vereinten Nationen gestärkt sind - das hoffen wir sehr - und auf dem Weg dorthin sind, wäre es gut, wenn sich die Bundesrepublik Deutschland nicht nur um den Aufbau von Krisenreaktionskräften in der NATO bemü21174
Ministerpräsident Rudolf Scharping ({66})
hen und sich daran beteiligen würde, sondern wenn sie auch den Vereinten Nationen speziell ausgebildete und speziell ausgerüstete Soldaten für ihre Aktivitäten zur Verfügung stellen würde.
Im Kern bleibt es bei einer festen Grundorientierung: Deutschland kann und darf unter Berücksichtigung und in kluger Würdigung seiner eigenen Interessen nicht den ersten und übrigens auch nicht den zweiten Akzent auf die militärische Erzwingung von Frieden setzen.
({67})
Deutschland muß immer ein Land bleiben, das aus seiner Geschichte, aus der Erfahrung seit dem Zweiten Weltkrieg, wegen seiner europäischen Integration sowie ihrer notwendigen Vertiefung und Erweiterung seine Kräfte darauf konzentriert, die friedlichen Möglichkeiten des eigenen Landes und der Welt zu entfalten und darauf seine Priorität zu setzen.
({68})
Als nächster spricht der Kollege Michael Glos.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bewundere den Mut des Ministerpräsidenten von RheinlandPfalz, der gestern dank der Hilfe der PDS einen neuen Kollegen in Sachsen-Anhalt bekommen hat,
({0})
an dieser Stelle von Berechenbarkeit zu sprechen und Berechenbarkeit einzufordern.
({1})
Ich frage Sie, Herr Scharping: War es für die Wählerinnen und Wähler nach Ihrer Rede bei dem Parteitag in Halle berechenbar, daß Sie kurz darauf initiieren, daß ein Ministerpräsident in diesem Land mit der Hilfe der Altkommunisten an die Macht kommen sollte?
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäre heute nach dem gestrigen Skandal - ich halte das für einen gewaltigen Skandal ({3})
sehr viel wichtiger, eine Debatte über den künftigen politischen Weg Deutschlands anzustellen
({4})
als über die Berechenbarkeit der Außenpolitik von CDU/CSU und F.D.P. Die Berechenbarkeit dieser Außenpolitik zum Wohle Deutschlands war stets gegeben.
({5})
Es geht im Kern darum: Bleibt das geeinte Deutschland außenpolitisch handlungsfähig? Bleiben wir bündnisfähig und fähig zu tragfähigen Partnerschaften? Geht Deutschland einen Sonderweg mit der Gefahr der Isolierung, so wie es Ihre Partei gewollt hat? Ich freue mich, wenn Sie heute das alles ein Stück zurechtgerückt haben.
({6})
Es bleibt aber auch immer wieder die Frage, vor allem dann, wenn die Biskys und Gysis Einfluß auf die deutsche Politik bekommen: Wollen wir wieder eine gefährliche Sonderrolle, die uns in der Vergangenheit nicht gut bekommen ist? Nutzt Deutschland die historische Chance der Einheit, zu einer außenpolitischen Normalität zu finden, die uns durch 40 Jahre Teilung infolge des Zweiten Weltkrieges versagt worden war?
({7})
Unser Land ist heute ein ganz normales Mitglied der Völkergemeinschaft - gleichberechtigt, gleichwertig, mit den gleichen Rechten und Pflichten wie andere Mitglieder. Jedes andere Verständnis der Rolle Deutschlands würde über kurz oder lang zu einer Entfremdung von unseren Freunden und Partnern führen. Die unausweichlichen Folgen wären: Beeinträchtigungen unserer äußeren Sicherheit, unseres wirtschaftlichen Wohlstandes und unserer innerstaatlichen Stabilität.
Deutschland muß bereit sein, gerade auch entsprechend seinem wirtschaftlichen Gewicht Verantwortung zu übernehmen, um Frieden und Freiheit in Europa und in der Welt zu sichern.
({8})
Auch der amerikanische Präsident Bill Clinton, der in der letzten Woche hier zu Besuch war, hat dies noch einmal eindeutig von den Deutschen eingefordert.
Niemand kann sich dem eindeutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes entziehen. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Ich freue mich, daß Sie heute beginnen, Farbe zu bekennen, nachdem Sie jahrelang in dieser Frage versagt haben.
({9})
Das Urteil des höchsten deutschen Gerichtes hat die außenpolitische Handlungsfähigkeit und damit die Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eindrucksvoll bestätigt. Deswegen war der 12. Juli ein guter Tag für eine friedliche Zukunft, für das Ansehen und für die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.
({10})
Ich bedanke mich bei allen, die diesen Rechtsstandpunkt stets vertreten und durchgesetzt haben. Ich erwähne ganz besonders meinen Vorgänger, Wolfgang Bötsch, aber auch Wolfgang Schäuble, dem ich von hier aus gute Besserung zurufe.
({11})
Jetzt stünde auch ohne diese Sondersitzung das fest, was wir immer gesagt haben: Die Beteiligung der Bundesmarine an der Überwachung des UN-Embargos in der Adria, die Teilnahme unserer Soldaten der Bundesluftwaffe an der AWACS-Flugüberwachung über dem Balkan und die Teilnahme unserer Streitkräfte an UNOSOM II in Somalia stehen eindeutig im Einklang mit unserer Verfassung.
({12})
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei allen Soldaten für ihre mutigen Einsätze zu bedanken. Sie dienen damit auch der Sicherung des Friedens in Deutschland.
({13})
Die Bundesregierung hat dem Parlament einen Beschlußvorschlag zugeleitet, der die Routen, die die AWACS-Maschinen fliegen dürfen, und gleichzeitig auch den Auftrag der Schiffe in der Adria zur Durchsetzung des Embargos erweitert. An der Zustimmung der Koalitionsfraktionen dazu hat es nie einen Zweifel gegeben. Ich freue mich, daß Sie, Herr Scharping, nun signalisiert haben, daß auch Ihre Fraktion dies tut. Es hat lange gedauert, bis dieser Erkenntnisprozeß bei der SPD gedämmert ist.
({14})
Es war ein bemerkenswert schwieriger Lernprozeß. Es ist gut, wenn die SPD jetzt endlich nicht mehr will, daß deutsche Offiziere und Soldaten in den integrierten Verbänden abseits stehen und sich in den Augen ihrer Kameraden lächerlich machen.
({15})
Sie haben versucht, davon abzulenken. Ich komme noch zur Parlamentszustimmung.
Im Grunde ist die Karlsruher Entscheidung eine dramatische Niederlage, ja sogar eine Ohrfeige für die SPD,
({16})
die in zentralen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik versagt hat. Diese Niederlage reiht sich in eine Kette vieler Fehler ein: die Ablehnung der Westintegration der Bundesrepublik, der Widerstand gegen den Aufbau der Bundeswehr - auch daran muß erinnert werden -, der Sturz von Helmut Schmidt im Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluß
({17})
- Sie haben Helmut Schmidt gestürzt, weil Sie seine Politik nicht mehr mitgetragen haben ({18})
und jetzt die Weigerung - ich habe immer noch kein klares Wort zu Kampfeinsätzen gehört -, gleichgewichtig deutsche Verantwortung für Friedenssicherung zu übernehmen.
Die SPD steht als Partei der Neinsager mit einer solchen außenpolitischen Erblast als nicht regierungsfähig da.
({19})
Ein SPD-Kanzler, der das Bundesverfassungsgericht braucht, um für Deutschland nötige Entscheidungen zu treffen, wäre eine Gefahr für die Zukunft Deutschlands.
({20})
Herr Scharping hat bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten davon gesprochen, daß es zwischen der Außenpolitik der Regierung Helmut Kohl und seiner Politik keine Unterschiede gäbe. Er wäre glaubwürdig geworden, wenn er nach Hause gegangen wäre und die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zurückgenommen hätte.
({21})
Das Verfassungsgericht hat jetzt klar entschieden. Wir begrüßen diese Entscheidung. Mit der Auflage, daß jetzt die konstitutive Zustimmung des Parlaments nötig ist, können wir sehr gut leben. Wir haben Ihnen schon sehr viel früher angeboten, das Parlament daran zu beteiligen.
({22})
Wir hatten in unseren Fraktionen nie Probleme damit, geschlossene Zustimmungen für die friedenssichernden Einsätze zu finden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es war doch die Angst vor Ihren eigenen Reihen, die Sie davon abgehalten hat,
({23})
diese Themen im Parlament zur Abstimmung zu stellen.
({24})
Mit diesem Urteil und mit dieser Auslegung der Verfassung ist das Bundesverfassungsgericht allerdings auch ein Stück weit von seiner bisherigen Rechtsprechungspraxis zu diesen Fragen abgerückt. Noch bei der Entscheidung über die Stationierung der Pershing-Raketen war es der Meinung, daß die Bundesregierung, nachdem sie - genau wie das Parlament - den NATO-Beitritt ratifiziert hat, eigenständig entscheiden kann. Auch bei der Vorabentscheidung beim Eilantrag war noch nicht sichtbar, daß die konstitutive Zustimmung des Parlaments eingeholt werden soll. Wenn das nun so vorgeschrieben ist, können wir damit gut leben. Wir werden auch heute aus unseren Reihen eine geschlossene Zustimmung bringen.
({25})
Aber eines ist auch sicher: Nach dem Urteil besteht kein Anlaß mehr zu einer Grundgesetzänderung. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt: Zur Beschlußfassung im Deutschen Bundestag
über Auslandseinsätze genügt die einfache Mehrheit. Daran werden wir uns auch künftig halten.
({26})
Wir wollten in dieser Frage Einigkeit mit der Opposition. Es ist ja nicht so, daß wir nicht gutwillig gewesen wären. Ursprünglich wären wir bereit gewesen, für bestimmte Einsätze eine Zweidrittelmehrheit vorzusehen. Sie haben auch dazu nein gesagt, und jetzt besteht kein Grund mehr, das Grundgesetz zu ändern.
({27})
Deswegen ist auch heute das, was im Vorfeld von Sozialdemokraten zu dieser Sondersitzung gesagt worden ist, vollkommen unglaubwürdig.
({28})
Es steht fest, daß die SPD bisher eine Einigung im Parlament nicht gewollt hat. Sie haben nicht das Parlament gefragt, sondern Sie haben das Bundesverfassungsgericht gefragt.
({29})
Ich kann verstehen, warum die SPD heute nicht gern nach Bonn gekommen ist, denn sie ist auch nach dem Urteil weiter in dieser grundsätzlichen Frage der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik innerlich tief gespalten.
({30})
Ich bin gespannt, wie Sie die heutige Zustimmung mit Ihren Parteitagsbeschlüssen von Wiesbaden in Einklang bringen, bei denen die Solidarität unter Genossen höhergestellt wird als die Solidarität mit unseren Soldaten in UN-Missionen.
({31})
Wir vergessen auch nicht, wie führende Sozialdemokraten nach der Entscheidung der Bundesregierung zur Adria- und zur AWACS-Beteiligung Bundeskanzler Kohl in scharfer Form Verfassungsbruch vorgeworfen haben. Die SPD hat damals allerschlimmste Verdächtigungen in die Welt gesetzt. Nachdem Sie es nicht getan haben, Herr Ministerpräsident, erwarte ich vom nachfolgenden Redner, der für den Bundestag sprechen wird, daß Sie sich vor dem Deutschen Bundestag bei Bundeskanzler Helmut Kohl entschuldigen.
({32})
- Frau Matthäus-Maier, zu Ihnen komme ich noch.
({33})
Besonders übel ist die Unterstellung von seiten der SPD, die Bundeswehr solle künftig eine Interventionsarmee werden und im Ausland in Kriegseinsätzen verheizt werden. Solche Äußerungen kamen doch aus Ihren Reihen.
Sie, Frau Matthäus-Maier, haben selbst noch nach dem Urteil, nämlich am 16. Juli, im „Mitteldeutschen Expreß" gesagt - Sie sind ja bekanntlich eine anerkannte Verteidigungsexpertin -, ich zitiere:
({34})
„Für die Bundesregierung scheint die Frage Vorrang zu haben: Wie schicke ich möglichst schnell unsere Jungs rund um den Globus?"
({35})
Wer so reagiert, der hat das ganze so wenig verstanden wie Herr Opel, der in einer Presseerklärung am 12. Juli gesagt hat: „Karlsruhe hat die Interventionsträume der Koalition gestoppt".
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben keine Interventionsträume. Wir wollen nicht, daß die Bundeswehr eine Interventionsarmee zu Einsätzen überall und in der ganzen Welt wird. Jeder mögliche Einsatz wird sorgsam geprüft und sorgsam erwogen. Es muß feststehen, ob er deutschem Interesse dient.
Ohne Bezug zu Tatsachen wird bewußt verdreht. Die Bundesregierung hat bisher jede Bitte der Vereinten Nationen um militärische Unterstützung verantwortungsbewußt, vor allen Dingen auch im Blick auf die Sicherheit unserer Soldaten geprüft. Dabei hat die Bundesregierung - und sie wird es weiterhin tun - jede nur denkbare Sorgfalt walten lassen.
({36})
In Ruanda haben belgische Fallschirmjäger eingeschlossene Deutsche ohne Zögern gerettet. Ich will Sie - oder den nächsten Redner, der jetzt antwortet - konkret fragen: Sollen deutsche Soldaten nach dem Willen der SPD in Zukunft untätig bleiben, wenn die Chance besteht, belgische Mitbürger zu retten?
({37})
Was will die SPD tun, wenn Deutsche wiederum in Gefahr sind?
Der feinsinnigen, mehr SPD-internen Unterscheidung zwischen friedenserhaltenden Blauhelmeinsätzen und friedensschaffenden Aktionen hat das Bundesverfassungsgericht eine bemerkenswert klare Absage erteilt - ich zitiere aus dem Urteil -:
Eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Einsatzformen von Friedensgruppen verbietet sich, weil die Grenzen zwischen den traditionellen Blauhelmeinsätzen und solchen mit der Befugnis zu bewaffneten Sicherungsmaßnahmen in der Realität fließend geworden sind.
Vielleicht hat die SPD auch den Kommentar von Herrn Prantl in der „Süddeutschen Zeitung", der schreibt:
Nach dem Urteil soll Art. 24 der Bundeswehr sogar die Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta gestatten.
Dies ist das selbstverständliche Recht auf internationale Nothilfe. Aber die SPD verneint bisher kategorisch auch diese Nothilfe. Ich bin gespannt, ob man
anschließend von weiteren Rednern Klarheit bekommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bedeutet das Urteil keineswegs die generelle Freiheit für die Beteiligung der Bundeswehr an möglichst vielen Blauhelmeinsätzen. Vorrangige Aufgabe unserer Streitkräfte bleibt die Landesverteidigung und die Verteidigung der NATO-Partner. Deutschland hat sich im Blick auf die Aufgabenstellung seiner Streitkräfte in den vergangenen Jahrzehnten politische Zurückhaltung auferlegt. Dies steht unserem Land auch bei künftigen Einsatzentscheidungen gut an.
({38})
CDU und CSU werden an dieser Praxis festhalten.
({39})
Für die Einsätze der Bundeswehr gelten für uns klare Grundsätze. Obenan steht der Schutz der Sicherheit unserer eigenen Bürger und der Bürger der mit uns verbündeten Länder. Wir sehen für unsere Streitkräfte vor allen Dingen unsere Rolle in Europa. Bei entfernter gelegenen Krisenherden ist zunächst einmal die Frage zu stellen und zu erörtern, ob nicht andere Länder mit größerer geographischer Nähe Verantwortung übernehmen können und sollen.
Das gilt - ich spreche jetzt stärker für mich und für die CSU-Landesgruppe; aber ich glaube, auch da können wir Konsens finden - beispielsweise für Ruanda, wo wir selbstverständlich im nötigen Umfang humanitäre Hilfe leisten. Ich bedanke mich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich beim Bundesverteidigungsminister, daß er so schnell tatkräftige Hilfe geleistet hat, indem Hilfsgüter nach Zaire für die Flüchtlinge dort geflogen werden.
({40})
Wir wissen auch, daß Deutschland als Regionalmacht nicht die Rolle eines Weltpolizisten übernehmen kann. Wir wissen, daß wir künftig sehr oft nein sagen müssen, wenn wir gefordert werden. Aber wir dürfen uns nicht generell verweigern, so wie Sie es bisher getan haben, wenn eine Chance besteht, durch unser Eingreifen Leben und Freiheit von Menschen schützen zu können und dies besser tun zu können als es andere tun können.
({41})
Es besteht - lassen Sie mich das bitte noch abschließend sagen - auch für uns kein Grund, jetzt abstrakte Regelungen durch den Deutschen Bundestag aufzustellen. Heute geht es um die Anpassung der Einsatzregeln in zwei ganz konkreten Einsatzfällen, über die das Verfassungsgericht entschieden hat. In welcher Form die Beteiligung des Parlaments im einzelnen künftig ausgestaltet ist, erfordert sorgfältige Beratung. Ich glaube, das bleibt dem nächsten Bundestag vorbehalten. Insofern weiß ich mich auch mit der Bundesregierung einig.
Maßgeblich ist die flexible und zügige Entscheidung im Einzelfall. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen. Es läßt eine einfache Mehrheit genügen. Vor allen Dingen besteht kein Grund,
die grundsätzliche außenpolitische Handlungsfreiheit der Bundesregierung durch starre Gesetze weiter auszuhöhlen und einzuschränken. Das wird für uns der Maßstab auch für künftige Regelungen sein.
({42})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umstrukturierung der Bundeswehr, insbesondere der Aufbau von Krisenreaktionskräften, schafft die nötigen Voraussetzungen dafür, daß die Bundeswehr gemeinsam mit unseren Verbündeten Frieden und Freiheit auch in Zukunft sichert. Eine Teilnahme von Wehrpflichtigen an Krisenreaktionskräften und bei Einsätzen der Bundeswehr auf Grund der UNO-Charta wird allein auf freiwilliger Grundlage erfolgen.
({43})
Ich appelliere deswegen heute an alle Seiten dieses Hauses, hinter unserer Bundeswehr, hinter diesem Friedensdienst und vor allen Dingen hinter dem, was die Bundesregierung bisher veranlaßt hat, zu stehen und da, wo Irrtümer vorhanden waren, auch diese Irrtümer einzugestehen und auf diesem falschen Weg umzukehren.
({44})
Als nächster hat der Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Dr. Hermann Sohns, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik an der Einberufung der Sondersitzung heute ist gänzlich unberechtigt.
({0})
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil eindeutig gesagt, daß für die Rechtmäßigkeit des Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb des Bündnisgebietes nicht nur der Beschluß der Bundesregierung, sondern auch die Zustimmung des Deutschen Bundestages notwendig ist.
({1})
Wenn das so ist, dann ist die Rechtssicherheit eben dann nur gegeben, wenn Sie beide Elemente vorher geschaffen haben. Sie können es, wenn Sie es mit dem Rechtsstaat ernst meinen, nicht zulassen, daß die Soldaten weiter bei AWACS und in der Adria eingesetzt werden, ohne daß Sie die Voraussetzungen geschaffen haben, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich vorgeschrieben hat.
({2})
Das kann man eben nicht irgendwann tun, wann es gerade bequem ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt: Macht das irgendwann einmal, sondern es hat gesagt: Es muß gemacht werden, damit die verfassungsrechtliche Absicherung für die Soldaten
- und im übrigen auch für ihre Familien, Herr Ministerpräsident Scharping - geschaffen ist.
({3})
Die Soldaten sind nun weiter eingesetzt, und ihre Absicherung ist notwendig. Das ist die einzig legitime Begründung für diese Sondersitzung.
Herr Ministerpräsident Scharping, der Vorwurf an Herrn Kinkel, er habe die NATO-Partner für die Einberufung dieser Sondersitzung in Anspruch genommen, ist nun wirklich falsch. Das haben andere getan. Er war es nicht.
({4})
Als Parteivorsitzender der F.D.P. und früherer Justizminister ist es völlig selbstverständlich, daß es ihm mehr und entschlossener
({5})
um den Rechtsstaat und um die rechtliche Absicherung der Soldaten geht und nicht um andere Argumente.
({6})
Meine Damen und Herren, man kann jetzt keine vordergründige Polemik führen, die Einberufung sei zu teuer und störe den Urlaub. Ich habe gestern abend im Fernsehen gehört, Herr Struck sei in Anspruch genommen worden und habe tatsächlich drei Stunden Autofahrt benötigt, um wegen der Sondersitzung von Lothringen hierher zu kommen. Als ob das nicht zumutbar wäre, meine Damen und Herren!
({7})
Sie können den Rechtsstaat nicht billig haben. Er ist nicht preiswerter zu haben, als er ist. Entweder Sie haben ihn ganz oder gar nicht.
({8})
Im übrigen haben auch Sie mit Ihrer eigenen Klage beim Bundesverfassungsgericht bewirken wollen,
({9})
- ja, sicher haben wir geklagt; darauf komme ich gleich zurück -, daß rechtliche Klarheit hergestellt wird. Es wäre doch eigentlich nur konsequent, wenn Sie, auch wenn Ihnen das Urteil in vielen Passagen nicht paßt, das, was das Bundesverfassungsgericht als zwingend notwendig erachtet, umgehend realisierten.
({10})
Ich verstehe allerdings, meine Damen und Herren, daß die Sozialdemokraten diese Debatte heute nicht haben wollten. Sie wollten sich die innere Auseinandersetzung mit dem Urteil ersparen.
({11})
Als ich die Rede des Parteivorsitzenden der SPD
aufmerksam angehört habe, war zwischen den Worten herauszuhören, daß er sich um die eigentliche Stellungnahme zur wirklichen Problematik herumgedrückt hat.
({12})
Er hat laufend neue Nebenkriegsschauplätze eröffnet, als würden wir eine entwicklungspolitische oder eine umweltpolitische Debatte führen,
({13})
sich aber um die eigentliche klare Beantwortung des
Themas und die Einstellung der sozialdemokratischen Partei und Bundestagsfraktion dazu gedrückt.
Ich kann das auch verstehen. Ich weiß nämlich, daß es unter den Sozialdemokraten viele gibt, die dieses Urteil prima finden. Jemand, der verantwortlich handelt und gegebenenfalls auch Regierungsverantwortung übernehmen will, kann eigentlich nur dankbar sein, daß ihn das Bundesverfassungsgericht davon befreit hat, mit der populistischen Mehrheit der SPD den Weg zur vollen Handlungsfähigkeit deutscher Politik zu verhindern.
({14})
Also, Herr Scharping, es wäre möglicherweise unzumutbar, von Ihnen zu fordern, klar zu sagen, ob Sie das Urteil gut finden oder nicht. Ich kann mir aber vorstellen, daß Sie in Ihrer Position nicht ganz unzufrieden sind mit dem, was das Bundesverfassungsgericht ausgesagt hat.
({15})
Eines aber muß unmißverständlich klar sein: Diese Sondersitzung ist notwendig. Die Rechtsklarheit kann nur so hergestellt werden. Wir können es nicht verantworten, daß die Soldaten ohne diese Klarstellung weiter in den Einsatzgebieten tätig sind.
({16})
Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, die „rules of engagement" seien geändert worden. Sie werden nicht geändert. Das einzige, was getan wird, ist: Die Einschränkungen, die gegenwärtig für deutsche Soldaten gelten, werden aufgehoben, so daß deutsche Soldaten nun gleichberechtigt mit den anderen Streitkräften der NATO-Staaten sind und nicht umkehren müssen, wenn es unangenehm wird.
Meine Damen und Herren, die F.D.P. als Partei der Legalität
({17}) - der Legalität ({18})
nimmt des weiteren den Auftrag des Gerichtes ernst, daß es Sache des Gesetzgebers ist - ich zitiere hierbei aus dem Urteil, weil das ein Thema ist, das uns gemeinsam noch beschäftigen wird -, „jenseits der im Urteil dargelegten Mindestanforderungen und Grenzen des Parlamentsvorbehalts für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte die Form und das Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung näher auszugeDr. Hermann Otto Solms
stalten". Hierbei handelt es sich um einen vom Parlament sehr ernsthaft und gewissenhaft zu prüfenden Hinweis.
Die F.D.P. ist der Auffassung, daß es der intensiven und besonnenen Klärung bedarf, in welcher Form die notwendige parlamentarische Mitwirkung, beispielsweise durch ein Gesetz, künftig näher ausgestaltet werden sollte. Die F.D.P. strebt in dieser Frage auf jeden Fall einen möglichst breiten Konsens mit beiden Seiten in diesem Hause an; denn es geht um eine grundlegende zukunftsweisende Entscheidung deutscher Politik und deutscher Außenpolitik.
({19})
Es ist richtig, bei einer solchen Entscheidung, die weit über den Horizont von Legislaturperioden hinausgeht, zu versuchen, die allgemeine Zustimmung der demokratischen Parteien zu erreichen.
({20})
Dabei wird es angesichts des komplizierten Sachverhaltes sicherlich erst in der nächsten Legislaturperiode zu einer abschließenden Bewertung kommen.
({21})
Das kann in einer halben Sitzungswoche, die wir noch haben, sicher nicht geregelt und geklärt werden.
Frau Matthäus-Maier, da kann ich Sie beruhigen: - ({22})
- Entschuldigung, Frau Fuchs war es. Da kann ich Sie beruhigen: Die F.D.P. wird dem nächsten Bundestag angehören, und zwar mit mehr Abgeordneten, als Sie es gegenwärtig glauben.
({23})
Sie wird in der nächsten Legislaturperiode wieder bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin sicher, daß die Mehrheiten für die Koalition dafür ausreichen werden.
({24})
Meine Damen und Herren, wir werden immer wieder gefragt, und ich als Klageführer werde immer wieder von Bürgern, die die Zusammenhänge nicht so genau beurteilen können, weil sie die Hintergründe nicht so kennen, gefragt,
({25})
warum wir denn diese Verfassungsklage gegen die eigene Bundesregierung angestrengt haben. Dazu will ich einige Bemerkungen machen. Die F.D.P. als Partei, die sich zuallererst als Hüterin der Verfassung versteht, sah sich daran gehindert, einen Rechtsstandpunkt aufzugeben, nach dem Auslandseinsätze der Bundeswehr vom Grundgesetz nicht gedeckt seien. Es lag nicht allein in unseren Händen, einen Standpunkt aufzugeben, der über Jahrzehnte die Haltung sämtlicher Bundesregierungen war, und zwar aus wohlerwogenen rechtlichen und politischen Gründen.
({26})
Zu erinnern ist vor allem an die beiden Beschlüsse des Bundessicherheitsrates vom September und November 1982. Bekannterweise war der erste Beschluß noch getragen von der Regierung Schmidt/Genscher und der zweite von der Regierung Kohl/Genscher. In beiden Sitzungen ist die genannte Rechtsauffassung bestätigt, jedenfalls nicht bestritten worden.
Der damalige Innenminister und damit Verfassungsminister Zimmermann - das richte ich jetzt an den Kollegen Waigel, der uns und Herrn Kinkel öffentlich kritisiert hat - hat damals diese Haltung bestätigt. Deswegen ist die Kritik, die öffentlich erhoben worden ist, völlig unberechtigt.
({27})
Nur deshalb ist vor gut einem halben Jahr die F.D.P. den der Öffentlichkeit schwer verständlich zu machenden Weg gegangen, den sie als Hüterin der Verfassung und auch der Interessen unserer Soldaten gehen mußte. Wir konnten eine aktive Politik der internationalen Mitverantwortung nur auf eindeutiger rechtlicher Grundlage befürworten. Aus diesem Grunde mußte sie durch eine Klage gegen den AWACS-Einsatz den Weg für eine einstweilige Anordnung freimachen, welche dieses dann auch gestattet hat.
({28})
- Ja, und zwar deshalb in der Regierung bleiben, weil unsere politische Zielsetzung identisch war. Wir wollten es aber nicht verantworten, Soldaten mit dem Risiko einzusetzen, dabei Verfassungsbruch zu begehen.
({29})
Es gibt eben nur zwei Wege dieses auszuschalten. Der natürliche geborene Weg ist der, eine Verfassungsänderung herbeizuführen.
({30})
Dieses Angebot haben wir Ihnen in vielerlei Gesprächen - Herr Klose, Sie erinnern sich ja - gemacht, mit weitgehendem inhaltlichen Entgegenkommen. Sie haben den Kompromißvorschlag, die goldene Brücke hin zu einer Verfassungsänderung, die wir Ihnen gebaut haben, nicht akzeptiert. Sie haben diesen Weg nicht mitbeschritten. Deswegen blieb kein anderer Weg, als die Klage zu führen.
({31})
Das Ergebnis dieser Klage und des Urteils stellt uns nachträglich zufrieden, denn wir sind auch ganz persönlich ein ganz erhebliches und großes Risiko bei diesem gewagten Manöver eingegangen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht die zentralen Zielsetzungen, die wir uns vorgenommen hatten, bestätigt.
Das erste war
({32})
- das Urteil des Verfassungsgerichts sagt es ja
eindeutig aus -: Deutsche Soldaten dürfen bei Friedenseinsätzen der Völkergemeinschaft auch außer21180
halb des Bündnisgebietes mitwirken. Damit ist die volle Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik hergestellt. Das ist auch notwendig, weil wir seit März 1991 ein souveräner Staat sind. Alles andere wäre nicht akzeptabel.
({33})
Zweitens. Wir haben erreicht, daß die Notwendigkeit der Mitwirkung des Bundestages vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist. Damit haben wir das erreicht, was wir als wichtigstes Ziel wollten, daß nämlich über Einsätze, wo es auch um Leben und Tod gehen kann, nicht nur die Regierung allein entscheiden kann, sondern die Volksvertretung dem zustimmen muß.
({34})
Schon vor mehr als einem Jahr hatten Sie die Möglichkeit, mit uns gemeinsam eine Verfassungsänderung durchzuführen. Sie haben das nicht gemacht. Nun haben Sie weniger bekommen, als Sie damals hätten bekommen können. Das ist nun einmal die Ironie der Geschichte.
({35})
Trotzdem - und das habe ich vorhin gesagt - wollen wir mit Ihnen über das, was in Zukunft zu tun ist, zu Gesprächen kommen - das wird in der nächsten Legislaturperiode notwendig sein -, um abzustimmen, wie wir gemeinsam dieser Politik in diesem Bereich gestalten.
Ich möchte doch noch einmal an das erinnern, was Willy Brandt in seiner Rede anläßlich des Beitritts zu den Vereinten Nationen gesagt hat - ich zitiere -:
Wir sind gekommen, um - auf der Grundlage unserer Überzeugungen und im Rahmen unserer Möglichkeiten - weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, jetzt ist möglich, was ein dem deutschen Volk sein Leben lang verpflichteter Bundeskanzler und Patriot damals als Programm verkündet hat: Deutschland kann sich diese Aufgabe in vollem Umfang und mit voller Souveränität stellen. Wenn dies nun der Fall ist, so ist dies in überwiegendem Maße auch Erfolg der von der F.D.P. geführten Außenpolitik der verschiedenen letzten Regierungen.
({36})
Allerdings muß die Politik jetzt entscheiden zwischen „Ja, wir tun etwas" oder „Nein, wir lehnen es ab". Die Politik wird dadurch nicht leichter, sie wird schwerer. Das müssen wir wissen. Beide Haltungen sind von vornherein möglich. Die jeweilige Entscheidung muß mit großer Ernsthaftigkeit und im Bewußtsein um die Verantwortung für Leben und Sicherheit der Soldaten getroffen werden.
Für die F.D.P. geht es jetzt gerade darum, eine Kultur der Zurückhaltung zu entwickeln, die objektive Hürden für eine deutsche Beteiligung hoch hält; denn nur in ernstesten Fällen - und ich freue mich, daß wir hier völlig übereinstimmen - kann der
Einsatz deutscher Soldaten als eine Art Ultima ratio in Frage kommen.
({37})
Ein automatisches Nein aber, wie es von Teilen der SPD, den GRÜNEN und der PDS proklamiert wird, kommt für uns nicht in Frage und ist durch das Gericht auch in Zukunft ausgeschlossen. Diese Diskussion ist beendet. Und viele in der SPD sind in Wirklichkeit froh darüber, daß das Urteil so ausgefallen ist.
Wir fordern die Führung der SPD im Interesse eines möglichst breiten politischen Konsenses in dieser für die Zukunft unseres Landes äußerst bedeutsamen Frage auf, die Sozialdemokratische Partei endlich wieder als Ganzes in den Kreis der handlungsethisch verantwortlichen Politikauffassung der westlichen Demokratien zurückzuführen. Ich glaube, dafür ist die Zeit jetzt gegeben.
({38})
Ich will abschließend sagen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich bin der festen Überzeugung, daß die zentrale Position der liberalen Partei in der Mitte des politischen Spektrums kaum besser bewiesen werden konnte als durch unser erfolgreiches Eintreten für die Herbeiführung höchstrichterlicher Klarheit zu diesem bedeutsamen Aspekt unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Die F.D.P. und die F.D.P.-Bundestagsfraktion sehen ihre politischen Ziele mit diesem Urteil nachhaltig bestätigt. Wir werden in Zukunft in großer Verantwortung an der Ausfüllung dieses Urteils mitwirken.
Zuallererst möchte ich sagen: Ich hoffe, daß zukünftige Regierungen nicht getragen oder abhängig sein werden z. B. von der Person, die jetzt nach mir hier sprechen wird.
Vielen Dank.
({39})
Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Glos hat sich hier bemüßigt gefühlt, als erstes zu der Wahl des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt Stellung zu nehmen,
({0})
und hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Berechenbarkeit und andere Dinge auf gegeben worden sind. Ich glaube, Sie haben einfach Schwierigkeiten, Wahlergebnisse zu akzeptieren.
({1})
Das Problem ist nämlich, daß die CDU-Regierung in Sachsen-Anhalt abgewählt worden ist. Das ist das Entscheidende, und Sie sind nicht bereit, das zur Kenntnis zu nehmen.
({2})
Die F.D.P. ist ja nun ganz und gar aus dem Landtag hinausgewählt worden und sollte sich darüber vielleicht einmal Gedanken machen.
Das zweite: Sie haben ja von „Altkommunisten" gesprochen.
({3})
Ich darf Sie vielleicht darauf hinweisen, daß die Gruppe PDS/Linke Liste im Altersdurchschnitt wesentlich jünger ist als die Fraktion der CDU/CSU. Darüber sollten Sie einmal nachdenken und auch darüber, daß sehr viele junge Menschen die PDS nicht zufällig wählen, besonders in den neuen Bundesländern, aber nicht nur dort. Daß Sie das stört, verstehe ich; ändern werden Sie es nicht können, und schon gar nicht durch Ihre gegenwärtigen Aktionen.
Drittens. Ich verstehe einen Kritikpunkt der SPD nicht, nämlich den Hinweis darauf, daß diese Sitzung überflüssig sei. Wenn man in seinem Antrag als erstes rügt, daß die Bundesregierung die Parlamentsrechte verletzt hat und das als entscheidende Kritik formuliert, kann man sich ja nicht im Ernst darüber aufregen, wenn dann die Parlamentsrechte wiederhergestellt werden, auch wenn das geschieht unter Inkaufnahme der Unterbrechung des Urlaubs, was ich für nicht so katastrophal halte. Wenn das die Hauptkritik der SPD wäre, müßte sie eigentlich die Sondersitzung begrüßen.
Natürlich kann man sagen: Da die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sowieso klar sind, weiß man ja, wie der Antrag hier beschieden werden wird; so gesehen ist die Sondersitzung überflüssig. Das gälte dann aber für fast alle Plenartagungen des Deutschen Bundestages, denn es steht vorher schon immer fest, wie abgestimmt wird,
({4})
von ganz wenigen Ausnahmen, wie die Entscheidung über den Berlin-Umzug und über § 218 oder ähnlichem, einmal abgesehen. Das sind ja dann auch die wenigen sogenannten Höhepunkte des Parlamentslebens, nämlich dann, wenn man noch ein bißchen bibbern darf, wie das Ganze ausgehen wird.
Allerdings ist doch das Entscheidende an dem Antrag der SPD der Punkt 3. Dort heißt es, daß alle von der Bundesregierung am 15. Juli 1994 beschlossenen Maßnahmen vom Parlament gebilligt werden sollen. Das heißt, in der Kernfrage des Einsatzes des Militärs zur Lösung internationaler oder auch nationaler Konflikte gibt es doch gar keinen Widerspruch. Das ist meine eigentliche Kritik an der SPD, daß sie eben in dieser Frage keine Oppositionsrolle spielt, sondern nur die Verletzung von Parlamentsrechten rügt, aber eben nicht den internationalen Einsatz des Militärs.
Nach Wegfall des Ost-West-Konflikts ist der sogenannte Konflikt mit der Dritten Welt zur eigentlichen Herausforderung geworden. Das ist wahr. Wie begegnet nun der Westen, wie begegnen die führenden Industriestaaten dieser wirklichen Herausforderung? Was ist überhaupt Gegenstand und Inhalt dieser Herausforderung? Es handelt sich doch um einen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und letztlich auch um einen zivilisatorischen Konflikt. Das Problem ist, daß einem solchen Konflikt und einer
solchen Herausforderung auch nur politisch, ökonomisch, sozial, kulturell und zivilisatorisch begegnet werden kann und genau nicht militärisch.
({5})
Dieser Dritte-Welt-Konflikt wird sich militärisch nicht lösen lassen. Das ist der Versuch, den die Bundesregierung im Bündnis mit anderen Regierungen der westlichen Welt unternimmt. Das hat sich beim Golfkrieg gezeigt, das zeigt sich in Ruanda; das zeigte sich in Somalia und auf den verschiedensten anderen Schauplätzen dieser Welt.
Krieg ist leider wieder zu einem normalen Mittel der Politik geworden, und die Bundesregierung sagt: Auch wir wollen dieses normale Mittel der Politik einsetzen dürfen. Hier wird kein deutscher Sonderweg formuliert. Aber vielleicht ist deutsche Zurückhaltung in militärischen Fragen schon aus historischen Gründen geboten und gerechtfertigt.
({6})
Wenn Sie keinen deutschen Sonderweg gehen wollen, dann sage ich Ihnen: Die meisten Staaten dieser Erde sind gar nicht an militärischen Konflikten beteiligt; nur die führenden westlichen Staaten führen in erster Linie militärische Operationen durch. Daran wollen Sie beteiligt werden, also einer Art militärischer Elite angehören und nicht dem militärischen Normalfall zugerechnet werden.
Sie diskutieren ja nicht einmal die Frage, die Boutros-Ghali hinsichtlich wirklich internationaler Streitkräfte aufgeworfen hat. Dabei kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein. Ihnen geht es ja um die Entsendung nationaler Kontingente, damit deutsche Interessen, wie mehrfach vom Außenminister, auch vom Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz betont wurde, dabei berücksichtigt werden können. Ich frage: Welche sollen denn das eigentlich sein in Somalia, in Ruanda und anderswo? Das würde ich schon gern erfahren.
Was hat das G-7-Treffen, sozusagen der Weltgipfel der führenden westlichen Staaten, eigentlich hinsichtlich dieser Herausforderungen, die es in der Welt gibt, wirklich verändert? Gibt es nicht andere Wege, Frieden zu schaffen, als den Einsatz des Militärs? Wie kann man denn der Herausforderung dieser sogenannten Dritten Welt begegnen? Wann wird denn nun endlich einmal die Entschuldung der ärmsten Länder dieser Welt beschlossen? Wann endlich werden die Märkte für diese Länder wirklich geöffnet? Wann garantieren wir ihnen hinsichtlich ihrer Monokulturen wirklich Abnahmemengen und Abnahmepreise, damit sie eine Volkswirtschaft überhaupt gestalten können? Nichts dergleichen geschieht. Das einzige, worüber hier seit vier Jahren diskutiert wird, ist der Einsatz der deutschen Bundeswehr weltweit. Das ist das Hauptthema der deutschen Außenpolitik nach der Vereinigung geworden. Damit sind viele vorhandene und gegebene Chancen nicht genutzt worden.
Es war der Verteidigungsminister Rühe, der hier in der Asyldebatte ganz klar gesagt hat: Wenn wir das Asylrecht einschränken - oder auch faktisch abschaffen -, würden wir sehr viel Geld sparen. Dieses Geld könnte sehr viel nutzbringender für Entwicklungs21182
hilfe ausgegeben werden. Nun haben Sie das Asylrecht faktisch abgeschafft.
({7})
Nichts von dem dadurch eingesparten Geld ist in Entwicklungshilfe gegangen. Im Gegenteil: Die absoluten Zahlen sind sogar kleiner geworden. Das ist die Realität.
({8})
- Aber die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist erheblich zurückgegangen. Darauf waren Sie doch so wahnsinnig stolz. Damit haben Sie angeblich soviel Geld eingespart. Wo ist es geblieben? Für Entwicklungshilfe ist es auf jeden Fall nicht ausgegeben worden. Hier gibt es eben den Zusammenhang.
Bei der Herausforderung, vor der wir stehen, können Sie die unterschiedlichen zivilisatorischen Bedingungen nicht so belassen, wie sie gegenwärtig auf dieser Erde sind. Allen ist klar, daß die Ökologie ein globales Problem ist und auch nur planetar angegangen werden kann. Aber Sie können nicht auf einem einzigen Gebiet allein den Herausforderungen begegnen. Dazu müssen Sie auch die soziale Frage weltweit lösen.
({9})
Das werden Sie nicht schaffen, indem Sie zwei Wege gehen, nämlich sich abschotten gegenüber den in Not geratenen Menschen, indem Sie das Asylrecht faktisch abschaffen, und das Militär einsetzen. Wer so den Herausforderungen mit der Dritten Welt begegnen will, richtet nicht nur dort großen Schaden an, sondern gefährdet auch seine eigene Bevölkerung. Das ist eine Tatsache.
Kommen Sie mir nicht mit dem Argument Geld! Sie haben für Sozialleistungen innerhalb dieser Gesellschaft kein Geld, Sie haben für Entwicklungshilfe kein Geld. Aber wenn ein Golfkrieg ausbricht, haben Sie im Nu zig Milliarden DM zur Verfügung, von denen man vorher gar nicht wußte, daß es sie überhaupt gibt. Das ist die Realität in dieser Gesellschaft.
({10})
Es gibt nicht zuwenig Geld, es wird nur ungerecht verteilt, sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch nach draußen. Verwenden Sie dieses Geld nicht für die Entwicklung von Militär, verwenden Sie es für wirksame Entwicklungshilfe, für die Öffnung der Märkte, für wirkliche Hilfe in der sogenannten Dritten Welt!
Ich sage Ihnen als letztes: Für mich ist und bleibt es Ausdruck einer besonderen Heuchelei - es ist schon interessant, daß Sie zu dieser Frage hier überhaupt nicht Stellung genommen haben -, daß die Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung vom vierten auf den dritten Platz der waffenexportierenden Länder vorgerückt ist. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland verkauft in großen Mengen Waffen in die gesamte Welt. Sie liegt nach den USA und Rußland an dritter Stelle.
({11})
Ich sage Ihnen: Wer weltweit Waffen verkauft, mit denen immer Krieg oder Bürgerkrieg geführt wird, ist besonders heuchlerisch, wenn er anschließend seine Soldaten friedenstiftend hinterhersenden will.
({12})
Als nächster hat der Kollege Gerd Poppe das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dieser Sondersitzung wurde von mehreren Seiten und mit unterschiedlichen Argumenten - auch aus den Reihen der Koalition, Herr Solms - gesagt, daß sie überflüssig sei. Dem kann ich mich im Gegensatz zu meinem Vorredner nur anschließen. Denn die eigentlichen Aufgaben, die dem Bundestag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zukommen, kann er vor dem 16. Oktober nicht mehr lösen.
({0})
Was mit der heutigen Sitzung geleistet wird, ist nicht, wie behauptet wurde, die Verhinderung eines Sommertheaters zum unpassenden Thema, sondern diese Sitzung ist Bestandteil des Sommertheaters, die parlamentarische Garnierung von Wahlkampfauftritten vor allem des F.D.P.-Vorsitzenden. Herr Kinkel, Ihre Regierungserklärung war in weiten Teilen keine Regierungserklärung, sondern ein einfacher Wahlkampfauftritt.
({1})
Wenn es nur um die Absegnung bisheriger Adria- und AWACS-Einsätze ginge, so hätte dafür sicher eine reguläre Sitzung gereicht,
({2})
zumal beides für den Verlauf des Krieges im ehemaligen Jugoslawien vergleichsweise irrelevant gewesen ist.
({3})
Von Einzelfällen abgesehen ist weder das Flugverbot über Bosnien-Herzegowina noch das Embargo gegenüber Restjugoslawien durchgesetzt worden. Beides diente eher der Selbstbeschwichtigung westlicher Politik. An der letztendlichen Akzeptanz der Ergebnisse der serbischen Aggression hat sich dadurch nichts geändert.
Werden nun vielleicht zwei relativ unwirksame Maßnahmen durch den zur Bestätigung durch den
Bundestag vorgelegten Kabinettsbeschluß zum Vehikel für zukünftige Formen von Interessendurchsetzung gemacht? Was bedeutet die im Antrag der Bundesregierung geforderte deutsche Teilnahme an der „Durchsetzung" des Adria-Embargos und des Flugverbots? Was bedeutet der Einsatz, der Wegfall der Beschränkungen konkret? Bedeutet er z. B. die deutsche Beteiligung an Zwangsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Waffenembargos gegen BosnienHerzegowina? Bedeutet andererseits die verschwommene Formel „unter Nutzung der gesamten Gebiete der NATO/WEU-Operationsplanung" den möglichen Einsatz deutscher Soldaten im Luftraum des ehemaligen Jugoslawiens, womit der bisher stets formulierte Konsens, deutsche Soldaten hätten in jener Region schon aus historischen Gründen nichts zu suchen, verlassen würde?
Wir können Nr. 3 des SPD-Antrags unsere Zustimmung nicht geben. Den Antrag der Bundesregierung müssen wir ablehnen. Einen Blankoscheck für diese Einsätze kann es nicht geben, weil die Konsequenzen des Einsatzes weitgehend unklar bleiben.
Herr Kollege Poppe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Irmer?
Bitte, Herr Irmer.
Herr Kollege Poppe, nachdem Sie die Sondersitzung für überflüssig halten: Hätten Sie denn dafür plädiert, daß die deutschen Soldaten dem rechtswidrigen Zustand, in dem sie sich jetzt befinden, dadurch entzogen worden wären, daß man sie aus den Einsätzen zurückgeholt hätte, um sie im September nach einer ordentlichen Sitzung dieses Hauses dann wieder dorthin zu schicken, und haben Sie sich darüber hinaus einmal überlegt, wieviel Kosten dies im Vergleich zu den Kosten der Sondersitzung verursacht hätte, ganz abgesehen von dem internationalen Schaden für unsere Zuverlässigkeit als Deutsche in der Welt?
({0})
Herr Irmer, das Problem für mich besteht nicht in dem bisherigen Einsatz zur Beobachtung der Adria, auch durch die AWACS-Flüge. Das Problem besteht für mich in den Konsequenzen der Erweiterung des Kabinettsbeschlusses vom 15. Juli, nämlich die sogenannten Beschränkungen aufzuheben. Dies ist gegenüber dem Vorherigen eine ganz gravierende Veränderung, und dies wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen.
({0})
Meine Damen und Herren, es gibt weitergehende Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Was sie betrifft, gehen sie erheblich über das Adria-Embargo und AWACS hinaus. Das
Urteil ist gerade etwas über eine Woche alt, und schon gibt es zu seinen Leitsätzen eine ähnliche Zahl kontroverser Meinungen und Interpretationen wie zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts. Von einer einzigen Klärung abgesehen, nämlich der, daß der Bundestag in jedem Falle zustimmen muß, bleiben die wichtigen Fragen weiter offen. Das Bundesverfassungsgericht hat wesentliche Aufgaben an das Parlament zurückgegeben.
({1})
Der Verlauf der Verfassungsdebatte seit der deutschen Einheit hat gezeigt, daß es gegenwärtig keine ausreichende Mehrheit dafür gibt, der veränderten Weltlage mit einer angemessenen Präzisierung und Erneuerung des Grundgesetzes gerecht zu werden. Nun zeigt sich einmal mehr die äußerst begrenzte Möglichkeit, Vorgaben für politisches Handeln durch eine Verfassungsinterpretation zu erreichen. Entscheidend bleibt der politische Wille, und den formuliert nicht das Bundesverfassungsgericht.
Der politische Wille aber, in Grundsatzfragen einen Konsens zu erreichen, ist gegenwärtig nicht vorhanden. Das sei einfach am Beispiel der gegenwärtigen Debatte geschildert. Die einen argumentieren, die Entscheidung sei vor allem durch die Bundesregierung nach ihrer jeweiligen Interpretation der deutschen Interessen zu treffen, ein internationales Mandat müsse nicht durch den UN-Sicherheitsrat erteilt werden, und im Bundestag genüge jeweils die einfache Mehrheit.
Eine Gegenposition, der ich eher zuneigen würde, lautet: Ein Einsatz deutscher Soldaten kann außer zur Landesverteidigung und im Bündnisfall nur im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen, d. h. auf der Grundlage von Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates und unter UNO-Kontrolle. Die Empfehlung, daß die parlamentarische Mitwirkung durch die Gesetze auszugestalten ist, bedeutet gerade, daß verschiedenartige Einsätze auch unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse voraussetzen.
Das Verfassungsgerichtsurteil und die aktuelle Diskussion verweisen auf eine Reihe offener Fragen, von denen ich nur wenige andeuten will. Eine Frage könnte lauten: Was sind denn überhaupt die deutschen Interessen? Auf die Spitze getrieben kann diese Frage auch so gestellt werden: Würden z. B. Wirtschaftsinteressen, vorausgesetzt, sie stimmen mit denen der Verbündeten überein, Out-of-area-Einsätze ermöglichen? Was bedeutet es, wenn der Bundesaußenminister in einer Zeitung so zitiert wird:
Für solche Einsätze müßten die deutschen Interessen, die außenpolitischen Verpflichtungen und moralisch-ethische Prinzipien berücksichtigt werden.
Gibt es denn deutsche Interessen, die den eingegangenen außenpolitischen Verpflichtungen und den moralisch- ethischen Prinzipien zuwiderlaufen? Wer formuliert die deutschen Interessen z. B. im Falle des Li Peng-Besuches zutreffender: der Bundeskanzler, der Bundesaußenminister, die Firma Siemens oder die
Demonstranten, die Herrn Li vom Brandenburger Tor fernhielten?
({2})
Liegt das deutsche Interesse nicht gerade in der Sicherung der Menschenrechte und in der festen Einbindung in ein System kollektiver Sicherheit?
Was aber - so eine weitere Frage - ist ein System kollektiver Sicherheit? Nach meinem bisherigen Verständnis wird es von Staaten gebildet, die voreinander Schutz suchen, nicht aber von Militärbündnissen, die sich gegenüber einem potentiellen Gegner zusammenschließen.
({3})
Wenn das Grundgesetz in seiner jetzigen Form eine solch eindeutige Definition nicht enthält - vergleiche die unverständliche Gleichsetzung durch das Bundesverfassungsgericht -, so kann und muß auch diese Frage vorrangig politisch beantwortet werden.
Wäre es angesichts der brisanten Lage in vielen Teilen der Welt nicht angebracht, Systeme kollektiver Sicherheit wie die UN entschiedener zu stärken? Wir wollen das, während Sie, Herr Bundesaußenminister, die Rolle Deutschlands in den UN stärken wollen. Wäre es nicht angebracht, ein entsprechendes europäisches System unter Zugrundelegung der KSZE-Strukturen zu entwickeln, die Aufgabenbereiche der militärischen Bündnisse dagegen nicht zu erweitern, sondern diese so umzugestalten, daß sie schrittweise durch kollektive Sicherheitssysteme ersetzt werden? Der Hinweis auf die Verpflichtung von Verteidigungsbündnissen zur Friedenswahrung kann nicht ausreichen. Insoweit genügt es, sich die Entstellung des Friedensbegriffs in diesem Jahrhundert in Erinnerung zu rufen.
Zuletzt eine zugegebenermaßen rhetorische Fragestellung: Wo ist das dem Umbruch von 1989/90 angemessene außen- und sicherheitspolitische Konzept der Bundesregierung? Wir haben vergeblich darauf gewartet und in den letzten zwei Jahren nur zunehmend das Getöse vernommen, mit dem die sogenannte neue Rolle Deutschlands beschworen wurde, deren wesentliches Kriterium die Handlungsfähigkeit deutscher Soldaten in anderen Teilen der Welt zu sein scheint.
Hätten Sie doch einmal, meine Damen und Herren von Bundesregierung und Koalition, gleichermaßen vehement die Rolle Deutschlands beim Setzen neuer Prioritäten betont, z. B. der präventiven, nichtmilitärischen, gewaltfreien Konfliktbearbeitung! Ein solches Konzept, beinhaltet den weitgehenden Verzicht auf nationalstaatliche Interessenpolitik, die Weiterentwicklung von Systemen kollektiver Sicherheit, den Vorrang nichtmilitärischer Konfliktbehandlung in Verbindung mit dem konsequenten Einsatz für die Menschenrechte, erwarten wir von dieser Bundesregierung nicht mehr. Wer es wie wir durchzusetzen
wünscht, sollte am 16. Oktober eine entsprechende Entscheidung treffen.
({4})
Als nächster spricht der Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise wollte ich nicht auf Herrn Gysi eingehen, aber es ist schon dreist, was er über Deutschland als angeblich führenden Waffenlieferanten gesagt hat. Herr Gysi, die internationalen Statistiken, die Sie erwähnt haben, sind deswegen entstanden, weil wir das exorbitante Ausmaß an Waffen, das wir von der DDR geerbt haben und das die SED angeschafft hat, abrüsten müssen. Wir haben einigen NATO-Ländern Waffen gegeben. Es ist wirklich dreist, wenn von der SED angeschaffte Waffen von der PDS jetzt nachträglich beklagt werden. Damit kommen Sie nicht durch.
({0})
Wir haben die Waffen zuverlässigen Ländern wie Schweden und Finnland innerhalb des Bündnisses gegeben. Als Verteidigungsminister gebe ich bei knappen Kassen im Augenblick 500 Millionen DM aus, um die Waffen zu zerstören, die Sie und Ihre Leute - SED und PDS - angeschafft haben.
({1})
Ich muß auch einiges von dem, was der im Augenblick nicht anwesende Ministerpräsident Scharping gesagt hat, ansprechen.
({2})
Herr Scharping, Sie versuchen, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Sie haben gesagt, Sie wollten Rechtssicherheit herbeiführen; deswegen hätten Sie sich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gewandt.
({3})
Das mag vielleicht noch für den Einsatz in Somalia gelten, zu dem es von einigen Sozialdemokraten durchaus zustimmende Erklärungen gegeben hat. Aber in den beiden anderen Fällen - bei AWACS und dem Einsatz in der Adria - waren Sie in der Sache ganz anderer Meinung und wollten diese Einsätze in der Sache stoppen. Das darf nicht vertuscht werden.
({4})
Das wird Ihnen unangenehm sein, aber ich darf an die Ausführungen des Generalsekretärs Verheugen erinnern. Er hat mir in der einschlägigen Debatte des Deutschen Bundestages Kanonenbootpolitik à la Wilhelm II. vorgeworfen. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, wir hätten uns an der Überwachung des Embargos in
der Adria nicht beteiligt. Es ist wenig genug, was wir in Jugoslawien erreicht haben. Aber wenigstens haben wir erreicht, daß in Sarajevo nicht mehr geschossen wird. Das war nur möglich, weil wir an Bord der AWACS-Flugzeuge waren und weil wir in der Adria waren. Das wollten Sie verhindern. Das ist Ihr historisches Versagen.
({5})
Genauso waren Sie in der Sache gegen den AWACS-Einsatz.
({6})
Sie haben gesagt, das sei ein Kampfeinsatz, was er im übrigen auch ist, Herr Bundesaußenminister. Natürlich sind erst recht die Einsätze der Jagdflugzeuge Kampfeinsätze, die im Namen der Vereinten Nationen durchgeführt werden. Deutsche Soldaten an Bord der AWACS-Flugzeuge werden sich nach denselben Regeln wie alle anderen beteiligen, auch an dem möglichen Einsatz von Jagdflugzeugen. Dies ist auch notwendig, damit wenigstens die Chancen auf Frieden in diesem Teil der Welt gewahrt werden. Das haben Sie bekämpft. Wenn sich diese Politik durchgesetzt hätte, dann sähe es in Jugoslawien noch viel düsterer aus, als es leider heute noch immer aussieht.
({7})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Karsten Voigt?
Ja.
Herr Minister, ich bitte um eine Klarstellung zu dem, was Sie soeben gesagt haben. Das, was Sie gesagt haben, ist zutreffend, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Da besteht für uns kein Problem. Wir sind bereit, dem zuzustimmen. Das bedeutet, daß die Bundeswehrsoldaten in den AWACS-Flugzeugen an den normalen Verfahren inklusive der Leitung von Einsätzen beteiligt sind. Aber bedeutet Ihre Erklärung soeben, daß es deutsche Soldaten gibt, die selber in Jagdflugzeugen sitzen und fliegen und daß dies etwa Teil des Beschlusses sein sollte? Denn dann würden wir dem vehement widersprechen.
Nein, natürlich nicht. Entschuldigung, ich glaube, man braucht nur zuzuhören. Es geht um den Einsatz in den AWACS-Flugzeugen.
({0})
Dort werden deutsche Soldaten gleichberechtigt teilnehmen, auch wenn es um die Steuerung von Jagdflugzeugen von NATO-Verbündeten geht.
({1})
Ich glaube, das ist völlig eindeutig.
Aber die entscheidende Frage ist, nachdem Sie in der Vergangenheit Fehler gemacht haben, wirklich: Wie geht es in der Zukunft weiter mit den Sozialdemokraten? Hier muß ich sagen, daß der Ministerpräsident Scharping versucht hat, philosophisch und ideologisch eine deutsche Sonderrolle aufzubauen.
({2})
Deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Er hat gesagt, man dürfe nicht im Konvoi fahren. Er ist fortgefahren, wir müßten unsere Verantwortung auf friedliche Weise wahrnehmen, das Militärische sei nur die Ultima ratio. Jetzt nennen Sie mir ein europäisches Land, für das das Militärische nicht die Ultima ratio ist! Es ist doch eine anmaßende Selbstgerechtigkeit, wenn Sie so tun, als ob Sie hier andere Prioritäten hätten.
({3})
Natürlich gilt das auch für jeden deutschen Politiker.
Wenn er im übrigen gesagt hat, wichtiger sei die Entwicklungshilfe, dann kann ich darauf nur antworten: Dem stimmen wir zu, auch der Prävention vor der militärischen Erzwingung.
({4})
Aber in Somalia war doch die Entwicklungshilfe zusammengebrochen, und erst der Einsatz von Soldaten hat die humanitäre Versorgung ermöglicht.
({5})
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Zapf?
Ja.
Herr Minister, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß Herr Scharping sehr detailliert den von der NATO und auch von Ihnen selber in Ihren eigenen Papieren definierten neuen, erweiterten Sicherheitsbegriff so ausgeführt hat, wie ihn Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verstehen, und daß er sich damit sehr wohl von einer Diskussion abgesetzt hat, in der die konservativen Parteien eher auf die militärische und geographische Komponente im Zusammenhang mit diesem erweiterten Sicherheitsbegriff abgehoben haben?
Aber, entschuldigen Sie, der erweiterte Sicherheitsbegriff ist von uns erfunden worden. Und natürlich stehen für uns alle die politische Stabilisierung und die wirtschaftliche Stabilisierung - etwa der neuen Demokratien - auch aus sicherheitspolitischen Gründen im Vordergrund. Aber es kann eine Situation entstehen - darüber reden wir hier, und darüber reden unsere Nachbarn -, in der Sie nur durch Einsatz des Militärs Frieden erhalten können oder Frieden schaffen können. Ich verwahre mich dagegen, daß Sie unseren europäischen Kollegen unterstellen, daß sie das Militärische nicht als Ultima ratio
betrachten. Das ist deutsche Anmaßung. Damit steuern wir weiterhin in eine Sonderrolle hinein.
({0})
Jetzt will ich auf die Champs-Élysées zu sprechen kommen, weil mich das sehr betroffen gemacht hat, was Sie hier gesagt haben. Sie haben gesagt, das Militärische dürfe nicht so sehr im Vordergrund stehen, und Sie könnten sich bewegendere Bilder vorstellen als die auf den Champs-Élysées.
({1}) - Warten Sie, ich gehe darauf ein.
Ich war auf den Champs-Élysées und gestern auch in Brüssel, wo zunächst die Veteranen waren, die den Kampf gegen Nazi-Deutschland geführt haben. Wenn man dann die Reaktion gespürt hat, als das Eurokorps zusammen mit den deutschen Soldaten kam, dann sollte man nicht sagen, das ist militärisches Gepränge. Hier haben Menschen empfunden, welch ungeheuren Fortschritt wir in Europa gemacht haben. Das kann man an dieser Stelle besonders spüren.
({2})
Das militärische Gepränge stand nicht im Vordergrund.
({3})
Aber ich will das Bild aufgreifen, wenn Sie sagen, das Nichtmilitärische beeindruckt Sie mehr. Nehmen wir deutsch-französische Jugendtreffen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß es ein bewegendes Bild ist und Gott sei Dank war - denn das ist lange Realität geworden -, wenn sich junge Leute aus Deutschland und Frankreich treffen. Nur, wenn Sie dann dem jungen Franzosen sagen: „Aber wenn du mal für die Sicherheit Europas sorgen mußt, dann bin ich nicht an deiner Seite", kann ich nur sagen: Dann sind das keine bewegenden Bilder mehr. Deswegen kommt es darauf an, das im Zusammenhang zu sehen.
({4})
Wenn die junge Generation gefordert ist, sich für Menschenrechte einzusetzen, für Freiheit und für Sicherheit in Europa, dann müssen junge Deutsche und Franzosen zusammenstehen und nicht nur gemeinsam Ferien machen, Herr Scharping. Darum geht es.
({5})
Ich will Ihnen ein anderes Beispiel geben, weil die Politik ja immer konkret ist. Ich war am Montag zusammen mit dem französischen Verteidigungsminister in Warschau. Wir haben mit dem polnischen Verteidigungsminister über die Zusammenarbeit von polnischen, deutschen und französischen Soldaten gesprochen. Wir werden im Oktober in Südfrankreich die ersten Übungen für gemeinsame Einsätze, Friedenseinsätze, unter dem Dach der Vereinten Nationen von deutschen, französischen und polnischen Soldaten haben.
({6})
Jetzt stellen Sie sich mal vor, ich hätte gesagt: „Aber ich fordere hier eine deutsche Sonderrolle." Hier wird doch deutlich, daß Ihre Politik dem europäischen Einheitsprozeß entgegensteht und daß es wirklich um
die Schaffung von mehr Gemeinsamkeit in Europa geht.
({7})
- Doch, das ist der entscheidende Punkt: Es gäbe nirgendwo Verständnis für die Haltung der SPD, wenn sie auch weiterhin versuchen würde, hier eine deutsche Sonderrolle zu beanspruchen, nirgendwo.
({8})
Ich möchte Ihnen etwas anderes sagen, weil mich das gestern sehr beeindruckt hat - ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel, weil das wirklich eine emotionale Szene war -: Gestern war Ehrenbegleiterin des belgischen Königspaars die Witwe des Kommandeurs der Belgier, der zusammen mit neun weiteren Soldaten in Ruanda gefallen ist. Sie ist geehrt worden - wie überhaupt die belgischen Blauhelme, die in schwierigen Einsätzen für Europa und übrigens auch zur Rettung unserer Staatsbürger in Ruanda tätig waren, dort wirklich frenetisch gefeiert worden sind, nicht von Militaristen an der Strecke, sondern von der belgischen Bevölkerung.
Herr Scharping, ganz konkret stellt sich doch die Frage: Wie sollte man einer solchen Frau erklären, daß auf Dauer belgische Soldaten deutsche Staatsbürger aus Lebensgefahr herausholen sollen? Ich kann das nicht. Können Sie das?
({9})
Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten, notfalls auch mit Gewalt europäische Staatsbürger aus Lebensgefahr zu retten. Die Zeiten sind vorbei, in der sich eine deutsche Regierung an den belgischen oder französischen Verteidigungsminister wenden konnte, um so etwas durchzuführen.
Meine Bitte ist, nachdem Sie sich jetzt auf die Grundlage der Adria- und der AWACS-Einsätze stellen:
({10})
Gehen Sie davon ab, auch in Zukunft eine Sonderrolle für Deutschland in Anspruch zu nehmen!
({11})
Für alle Europäer gilt: Vorbeugung hat Vorrang. Das Militärische ist die letzte Möglichkeit, die Ultima ratio, aber wenn wir politisch in den europäischen Gremien, in den NATO-Gremien, in den UN-Gremien zu der Entscheidung kommen, dann müssen wir uns auch voll daran beteiligen, ohne eine deutsche Sonderrolle. Darum geht es in der Zukunft.
Wenn wir Fehler machen, machen wir die Fehler nicht nur für uns selbst. Auf Grund der besonderen Rolle und der besonderen Lage Deutschlands, würde eine Sonderrolle Europa vielmehr handlungsunfähig machen. Es geht darum, daß wir nicht national eng denken, sondern daß wir begreifen, daß es nicht nur ein Fehler für Deutschland ist, wenn wir uns verweiBundesminister Volker Rühe
gern, sondern daß wir andere daran hindern, europäisch handlungsfähig zu werden.
Wenn Sie mich fragen, was der größte historische Fortschritt nach dem Zweiten Weltkrieg ist, dann würde ich Ihnen dieses Wort mit fünf Buchstaben nennen: AWACS. Das wird Sie vielleicht zunächst erstaunen; das klingt so technisch. Aber dort hat eine europäische Revolution stattgefunden: Zwölf Nationen fliegen dasselbe Flugzeug. Das hat es niemals zuvor in der Weltgeschichte gegeben. Das gibt es an keinem anderen Platz der Welt. In Asien arbeiten die Nationen zusammen, dort gibt es Kooperation. Aber Integration, daß man sein Schicksal in Friedenszeiten unauflöslich miteinander verbindet, das ist der größte historische Fortschritt in Europa. Neben all dem, was wir natürlich vorrangig in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, in allen anderen Bereichen erreicht haben, ist es doch wichtig, daß das auch im militärischen geschieht. Wenn man ein gemeinsames Flugzeug betreibt, dann muß man auch gemeinsam fliegen, wenn es ernst wird. Darum geht es. Deswegen war die Entscheidung so wichtig, an Bord der AWACS-Flugzeuge zu bleiben.
({12})
Sehen Sie: Die Sozialdemokraten haben unsere Entscheidung, Schiffe in die Adria zu schicken, an Bord der AWACS-Flugzeuge zu bleiben, als einen Bruch mit unserer bisherigen Politik empfunden.
({13})
Unsere europäischen Bündnispartner haben das genau umgekehrt empfunden. Sie haben es als einen Bruch empfunden, daß wir bei den neuen Aufgaben von NATO und WEU nicht mehr an ihrer Seite sind - im Unterschied zur Wahrnehmung der Aufgaben in den letzten Jahrzehnten. In diese europäische Psychologie müssen Sie sich hineindenken, wenn Deutschland eine verantwortliche Rolle in der Zukunft spielen will.
({14})
Wir gehören uns nicht selbst. Das mag ein etwas pathetischer Satz sein, aber ich glaube, daß er für die deutsche Politik richtig ist. Wir müssen uns einbinden und auch einbinden lassen. Deswegen kann es keine Sonderregeln geben.
Für mich ist nicht entscheidend, ob wir uns an diesem oder jenem Einsatz in der Dritten Welt humanitär beteiligen. Dazu kann man ja oder nein sagen. Entscheidend für die deutsche Politik ist, daß wir nicht aussteigen, wenn NATO oder WEU beschließen, im Auftrag der Vereinten Nationen Missionen durchzuführen.
({15})
Die Frage an Sie, Herr Ministerpräsident Scharping, lautet: Sind Sie bereit,
({16})
bei den Entscheidungen, die in der Zukunft anstehen, wirklich dafür zu sorgen, daß Deutschland gleiche Risiken und Lasten trägt wie die anderen auch?
Ich bin jedenfalls stolz darauf, daß unsere Soldaten trotz Beschuß immer dann nach Sarajevo geflogen sind, wenn es die Verbündeten auch getan haben. Wir müssen das gleiche Risiko tragen.
({17})
Lassen Sie mich deswegen zum Schluß noch ein Wort an die Soldaten richten. Karlsruhe ist kein Marschbefehl für weltweite Einsätze, wie das immer behauptet wird, sondern es wird verantwortlich in jedem Einzelfall entschieden. Unsere Hauptverantwortung liegt in Europa und in seinem näheren Umfeld. Die Soldaten haben in diesen schwierigen zwei Jahren in großartiger Weise ihre Pflicht getan, trotz der Debatten im politischen Umfeld. Ich finde, an dieser Stelle sollten wir den deutschen Soldaten dafür danken, wie sie in den letzten zwei Jahren auch in Kambodscha, Somalia, in der Adria oder an Bord der AWACS-Maschinen ihren Dienst getan haben. Sie haben damit unserem Lande gedient.
Ich hoffe, daß es in Zukunft für diese notwendigen Aufgaben im Interesse unserer und der europäischen Sicherheitspolitik mehr Unterstützung geben wird.
Vielen Dank.
({18})
Bevor ich dem Abgeordneten Gysi das Wort zu einer Kurzintervention erteile, möchte ich Ihnen noch folgendes mitteilen: Mir ist eben ein Auszug aus dem Protokoll vorgelegt worden. Während der Rede des Abgeordneten Gysi, die ziemlich scharf war, kamen eine Reihe von Zwischenrufen, unter anderem ein Zwischenruf des Kollegen Lattmann, der sich schon außerhalb des parlamentarischen Sprachgebrauchs bewegt hat.
({0})
Ich muß diesen Hinweis machen und bitten, daß wir uns auch dann, wenn die Emotionen hochgehen, in unserem Sprachgebrauch an die parlamentarischen Usancen halten.
Herr Abgeordneter Dr. Gysi zu einer Kurzintervention.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser Sache kann ich nichts sagen, weil ich den Zwischenruf glücklicherweise nicht verstanden habe.
Aber zu dem, was hier Herr Bundesminister Rühe am Anfang gesagt hat, möchte ich doch etwas richtigstellen: Sie haben so getan, als ob die Stellung der Bundesrepublik Deutschland als Waffenexporteur damit zusammenhängt, daß die Bundesregierung mehr oder weniger genötigt war, die NVA-Waffen zu verkaufen. Sie verkennen dabei, daß die Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990, als sie noch keine einzige NVA-Waffe besaß, bereits an vierter Stelle der Waffenexporteure der Welt stand.
({0})
Danach ist eine Steigerung erfolgt, die übrigens in erster Linie auf Exportsteigerungen der großen Rüstungskonzerne zurückgeht.
({1})
Zweitens wissen Sie sehr genau, daß noch unter der de Maizière-Regierung versucht worden ist, Waffen der NVA zu verkaufen - was ich übrigens auch nicht gut fand -, und daß auch die Bundesregierung Druck ausgeübt hat, um das zu verhindern, weil sie selbst das Geschäft machen wollte.
Ein bißchen abenteuerlich finde ich Ihr Argument,
({2})
das Ganze sei so teuer, daß es wichtig war, Waffen zu verkaufen, um Geld einzunehmen.
({3})
Wer den Waffenverkauf in erster Linie aus finanziellen Gesichtspunkten heraus betreibt, macht sich mitschuldig an Kriegen und Bürgerkriegen, die mit solchen Waffen geführt werden.
Unter anderem sind diese Waffen in die Türkei verkauft worden. Damit ist Krieg gegen die Kurden in der Türkei geführt worden. Das ist eine Tatsache. Es wäre sinnvoller gewesen, diese Waffen zu vernichten.
({4})
Ich sage noch einmal: Wer so viele Waffen exportiert, ist nicht glaubwürdig als Friedensstifter, wenn er seine Soldaten in die Welt hinterhersendet.
({5})
Herr Bundesminister Rühe zur Replik.
Herr Kollege Gysi, nur damit die falschen Behauptungen hier nicht durchgehen, noch einmal: Ich gebe eine halbe Milliarde DM aus, um NVA-Waffen zu verschrotten.
({0})
10 000 Systeme - Panzer, Artillerie, Flugzeuge - sind als gigantische Überrüstung, die von der SED betrieben worden ist, übriggeblieben. Für die Verschrottung dieser Systeme gebe ich jährlich eine halbe Milliarde DM aus.
({1})
Wir haben diese Waffen in keinem Fall exportiert, um damit Geld zu verdienen. Im übrigen sind das symbolische Beiträge gewesen. Wir haben sie wirklich zuverlässigen Ländern gegeben - wie Finnland und Schweden -,
({2})
bei denen gewährleistet ist, daß sie für defensive Zwecke und im übrigen innerhalb der NATO verwandt werden.
Daß Sie eine andere Vorstellung von der NATO haben als ich, weiß ich, aber das ehrt mich. Denn diese NATO ist ein Verteidigungsbündnis, und deswegen können wir innerhalb der NATO sehr wohl so verfahren. Sie hätten lieber früher dafür sorgen sollen, daß Waffen nicht in diesem Ausmaß in deutschem Namen angeschafft werden, wie das unter der SED der Fall war.
({3})
Das Wort hat der Kollege Walter Kolbow.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rühe, was Ihre Stellungnahme zu der Rede meines Parteivorsitzenden und der Position der SPD angeht, so vermittelten Sie nicht nur streckenweise, sondern fast durchgängig den Eindruck, als ob Sie das Nein der SPD zu den beiden Einsätzen, um die es heute in der Heilung eines Verstosses des Kabinetts gegen unser Grundgesetz geht, erwartet hätten, um es zu kommentieren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß die SPD-Bundestagsfraktion zu diesen Einsätzen nachträglich ihre Zustimmung gibt!
Ich wäre Ihnen auch dankbar, Herr Kollege Rühe, wenn Sie der intellektuellen Redlichkeit die Ehre geben und im Rückblick auf die Diskussion um den AWACS-Einsatz unser Ringen nach der hochpolitischen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dies im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu genehmigen, und unsere Aspekte berücksichtigen und würdigen würden, daß wir eben auch gefordert haben, daß keine erheblichen militärischen Gefährdungen für die Soldaten in den AWACS-Flugzeugen sein dürfen, daß der drohende außenpolitische Schaden auch nachgewiesen sein muß und daß die Gefährdung der Einsatzfähigkeit des AWACS-Verbandes ohne deutsche Besatzung ein Kriterium ist.
Erst nach der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache konnte jetzt dann die Zustimmung folgen, nachdem sie vorher auch nicht von Ihrer Bundesregierung konstitutiv eingehalten worden ist. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
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Sie haben sich teilweise auch der gewohnten Vereinfachung des Kollegen Glos angeschlossen, Herr Bundesverteidigungsminister. Dazu gehört einfach auch, den deutschen Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu sagen, warum Sie denn eigentlich bei der SPD alles falsch finden, was Sie bei der F.D.P. tolerieren oder akzeptieren und für richtig finden.
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Denn die F.D.P. ist doch mit uns vor das Verfassungsgericht aus Gründen gegangen, die hier auch dargelegt worden sind.
Es ist vom Verfassungsgericht natürlich auch zu Recht gerügt worden, daß man da den Umweg über die Parlamentsabstimmung gegangen ist. „Wir werden triumphieren, wenn wir in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht eine Niederlage erleiden werden", hat der Kollege Irmer ausgerufen, und eine Minderheit der Richter hat dies auch zu einem Sondervotum benutzt. So kann man doch mit dem deutschen Parlament und auch nicht mit dem Bundesverfassungsgericht umgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Herr Kollege Kolbow, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Irmer?
Bitte, Herr Kollege Irmer.
Bitte sehr, Herr Kollege Irmer.
Vielen herzlichen Dank. - Herr Kollege Kolbow, wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß, wie es vorhin Herr Solms ausgeführt hat, wir nur deshalb gezwungen waren, zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, weil Sie sich beharrlich geweigert hatten, dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag auf Änderung des Grundgesetzes zuzustimmen,
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daß wir ohne Ihre Mitwirkung das Grundgesetz im Text nicht ändern konnten und daß deshalb bei diesen schwerwiegenden Zweifeln, die verfassungsrechtlicher Natur waren, es für eine rechtsstaatlich denkende Partei gar keine andere Möglichkeit gab, als den Versuch zu unternehmen, vom Bundesverfassungsgericht eine verbindliche Klärung dieser Streitfrage zu erreichen?
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Herr Kollege Irmer, ich war selber vor dem Bundesverfassungsgericht mit Fraktionskolleginnen und -kollegen anwesend. Ich habe gesehen - ich sage es, ohne Ihnen nahetreten zu wollen -, wie schwer Sie sich getan haben, den Bundesverfassungsrichtern Ihren Weg zu begründen. Und es ist unwürdig - auch das nehmen Sie mir bitte nicht übel -, im Stile von Winkeladvokaten mit dem Parlament und mit dem höchsten deutschen Gericht umzugehen.
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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls ist eine tiefe Zäsur in unserer Nachkriegsgeschichte. Sie prägt insbesondere die Zukunft unserer Bundeswehr, ihrer Soldaten und Zivilbeschäftigten und deren Familien.
Für unsere Soldaten ist die Klarheit, in welchem rechtlichen Rahmen sich die Politik bewegen darf, viel, sehr viel. Endlich - und das rechnen wir uns zugute - ist die von der SPD immer geforderte Klarheit erreicht, was die Politik mit der bewaffneten Macht, unserer Bundeswehr, tun darf und was nicht. Die deutsche Wehrverfassung, meine Damen und Herren, ist jetzt durch Richterrecht abschließend geregelt. Nach dieser Wehrverfassung ist die Bundeswehr ein Parlamentsheer. Und das ist gut so.
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Nach der nunmehr beendeten juristischen Auseinandersetzung ist es an der Zeit, über die nachträgliche Zustimmung zu den in Rede stehenden Einsätzen hinaus die politische Diskussion zu führen, wie man künftige Einsätze, wann, wo und mit welchen Zielen machen soll. Über diese Fragen müssen wir in diesem Hause entscheiden, im Parlament und in der Regierung. Auch darüber brauchen unsere Soldaten Klarheit.
Hierzu hat mein Parteivorsitzender die Position der SPD nachvollziehbar und eindrucksvoll dargelegt. Ich darf mich natürlich insbesondere darauf beziehen.
Aber ich darf die Gedanken, weil das immer auch bei Ihnen, Herr Kollege Rühe, durcheinandergeht, zur Politik der Konfliktvermeidung und zu den präventiven Strategien unterstreichen. Sie sind da gar nicht weit weg von uns. Nur, Sie haben den Prozeß von Anfang an nicht mitbegleitet, denn Sie verdrängen KSZE, den Helsinki-Prozeß, immer aus Ihren Gedanken, wenn es auch über Ihre Irrtümer zu sprechen gilt.
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Bei der politischen Diskussion, wie wir unsere Streitkräfte künftig international einsetzen, gibt es zwei Möglichkeiten, diese Debatte zu führen: entweder mit der Zielrichtung, wie sie Hans-Peter Schwarz den Deutschen einzureden trachtete, daß wir nämlich zur Großmacht verdammt seien, daß wir schlechthin an Machtvergessenheit leiden, oder in dem Bewußtsein, daß unser Land eine Mittelmacht war und bleibt, dessen außenpolitische Maxime aus guten Gründen die militärische Zurückhaltung sein sollte. Nicht jede Macht muß alles müssen, folgert daraus Theo Sommer jüngst in der „Zeit". Recht hat er.
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Entweder, liebe Kolleginnen und Kollegen, führen wir die weitere politische Diskussion mit dem Ansatz, wie er in einer Fragestellung des Magazins „Focus" noch vor der Urteilsverkündung unschwer zu erkennen war, nämlich um die Frage, wer denn für die nicht notwendige, jahrelange Selbstfesselung der Außenpolitik in Deutschland verantwortlich sei, oder wir führen sie mit der Überzeugung - das jedenfalls wollen wir -, daß unser Land in der Vergangenheit sehr gut mit dieser Außen- und Sicherheitspolitik der Zurückhaltung gelebt hat und zurechtgekommen ist.
Wir werden uns stellen, wenn die Fragen bezüglich der Einsätze an uns herangetragen worden sind. Das ist aber keine Sonderrolle. Von einer Einzelfallprü21190
fung hat Herr Kinkel gesprochen; genau das ist auch unsere Meinung. Dies stellt keinen Sonderweg dar.
Entweder wird der Streit mit der politischen Interpretation geführt, wie sie in der „Welt" vom 18. Juli zu lesen war, daß Karlsruhe den Horizont von Politikgestaltung auch mit dem Instrument der Streitkräfte erweitert habe, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Hier ist es nur ein kleiner Schritt zu der Auffassung von Clausewitz, die jener Anfang des 19. Jahrhunderts vertreten hat, Krieg sei die Fortsetzung von Politik, nur mit anderen Mitteln. Oder wir führen diese Auseinandersetzung in der Gewißheit - so wollen wir das tun, meine Damen und Herren -, daß die Völkergemeinschaft von Deutschland nicht erwartet, daß es Streitkräfte als ein Instrument der Politikgestaltung einsetzt, sondern damit möglicherweise eher Befürchtungen und schlimme Erinnerungen verbindet.
Herr Kollege Rühe, Sie haben meinen Parteivorsitzenden gerügt, weil er sich erlaubt hat zu sagen, es gäbe bewegendere Bilder als das der deutschen Soldaten auf den Champs-Elysées. Mich haben die deutschen Soldaten auf den Champs-Elysées auch nach einem Besuch des Eurokorps, auch nach einer Diskussion mit den Soldaten und auch aus meiner Erkenntnis der Geschichte, die wir beide nachvollziehen können und müssen, ebenfalls bewegt. Ich kann Ihnen sagen: In mir hat es auch unheimlich gewühlt, als ich unsere Bundestagspräsidentin und Helmuth Becker an der Wolfsschanze in Polen und bei der Ehrung des Widerstandes mit dem polnischen Parlamentspräsidenten gesehen habe. Wollen wir denn gegeneinander aufrechnen, wer die besseren Emotionen hat? Dies weise ich mit Entschiedenheit zurück.
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Einen solchen politischen Versuch haben Sie hier wohl auch schlicht und einfach unter Wahlkampfkategorien eingebracht.
Meine Damen und Herren, ich stelle auch fest - das hat die Debatte wie ein roter Faden durchzogen, auch bei den Beiträgen aus dem Regierungslager -, daß gerade der Satz des Bundeskanzlers, das Motto „The Germans to the front" nicht als Militärdoktrin einzuführen, unsere volle Zustimmung findet. Hoffentlich bleibt dies so. Wir lassen daran keinen Zweifel.
In dem aufgeführten Spannungsfeld aber wird die politische Debatte in unserem Land geführt werden. Die SPD steht dafür, daß Deutschland als ein wichtiges Mitglied der Vereinten Nationen seine Verantwortung für die Wahrung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens übernimmt. Wenn die politischen Voraussetzungen stimmen, wird eine SPD-geführte Bundesregierung bereit sein, mit der Bundeswehr an Friedensmissionen der Vereinten Nationen mitzuwirken. Vorrang aber haben beim Auftrag für unsere Streitkräfte jedenfalls immer die Landes- und Bündnisverteidigung.
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Zum Schluß richtet sich der Dank an die Soldaten, die zivilen Mitarbeiter, die Familien, die vieles hinnehmen müssen, unsere Bundeswehr, die, wie wir wissen, mehr als ihre Pflicht tut.
Ich danke für Ihre Geduld.
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Kollege Karl Lamers, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Daß Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, versuchen würden, die Entscheidung von Karlsruhe als Ihren Sieg oder zumindest als einen halben Erfolg darzustellen, das war zu erwarten.
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Es ist allerdings notwendig, auf die Entstehungsgeschichte von Karlsruhe hinzuweisen und auch darauf, daß es falsch ist, Herr Ministerpräsident Scharping, wenn Sie sagen, die Beteiligung des Deutschen Bundestages an Einsätzen der deutschen Streitkräfte sei gegen den Widerstand der CDU/CSU durchgesetzt worden.
Ich darf Sie daran erinnern, daß wir von der Koalition Ihnen ein sehr weitgehendes Angebot gemacht haben, ein - wie ich hinzufüge - bedenklich weitgehendes, ein Angebot, das die Beteiligung des Deutschen Bundestages beinhaltete. Sie haben das damals empört als Zumutung zurückgewiesen. Das ist die Wirklichkeit.
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Wir haben allerdings - das ist wahr - in Karlsruhe die Auffassung vertreten, daß der Art. 59 des Grundgesetzes nach derzeitiger Rechtslage eine Beteiligung des Bundestages nicht vorsieht. Der Satz, den Sie, Herr Ministerpräsident, hier zitiert haben, steht im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, im sogenannten Pershing-Fall. Das steht darin. Lesen Sie es nach! Das Bundesverfassungsgericht hat hier seine Meinung geändert. Das ist die Wirklichkeit. Ich füge in allem Freimut hinzu: Das ist eine recht kühne Verfassungsinterpretation.
Was mich aber viel mehr beschwert und wovon ich hoffe, daß es auch Sie beschwert, ist, daß diese im Kern absolut politische und nur am Rande rechtliche Frage nicht von uns hier, sondern von Karlsruhe entschieden worden ist. Das haben alleine Sie zu verantworten, alleine Sie!
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Denn sonst hätten Sie eben unser Angebot annehmen müssen. Von der Schuld an dieser Tatsache können Sie sich nicht freisprechen, gerade nachdem wir hier obsiegt haben.
Ich füge hinzu: Wenn es überhaupt einen klaren Sieger vor allen anderen gibt, dann ist es die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, die in dieser Frage eine glasklare Haltung von Anfang an eingenommen hat. Auch und gerade wenn man obsiegt hat, sollte man sich einmal fragen und vielleicht in einer ruhigeren Stunde nach den Wahlen miteinander darüber reden,
ob es angemessen ist, solche Fragen immer und immer wieder nach Karlsruhe zu tragen.
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Es ist ein Versagen der Politik, aber dieses Versagen der Politik haben Sie zu verantworten.
Ich glaube, es lohnt sich ohnehin, Ihr Verhältnis zur Verfassung einmal ein wenig kritischer unter die Lupe zu nehmen, weil es ein - um es vorsichtig zu sagen - sehr verqueres Verständnis ist, jedenfalls ein instrumentelles.
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Man muß daran erinnern, daß der Streit um diese Frage 1988 begann, und zwar ausgelöst durch einen Vorstoß einiger Sicherheitspolitiker aus Ihren Reihen auf dem Parteitag der SPD in Münster, das Grundgesetz zu ändern - angeblich mit dem Ziel, die Einsatzmöglichkeiten der deutschen Streitkräfte zu erweitern.
Die Wirklichkeit war bei näherem Hinsehen eine andere. Einige von Ihnen hatten erkannt, daß die bisherige Behauptung, das Grundgesetz verbiete solche Einsätze, auf äußerst schwachen Füßen stand.
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Sie wollten das, was bislang nur behauptet wurde, durch eine unzweideutige Verfassungsformulierung jetzt Wirklichkeit, unwidersprechbare Wirklichkeit werden lassen. Dieser Trick ist allerdings deswegen mißlungen, weil das den meisten von Ihnen schon zu weit ging. Deswegen sind Sie dann bei der von Ihnen selber nicht geglaubten Behauptung geblieben, das Grundgesetz verbiete solche Einsätze. Das ging dann so weit, daß Sie noch in der Gemeinsamen Verfassungskommission Anträge betreffend sogenannte robuste Blauhelmeinsätze eingebracht haben, die schon deswegen geradezu grotesk detailgenau waren, weil darin u. a. stand, daß die deutschen Streitkräfte nur leicht bewaffnet sein durften. Man muß sich wirklich einmal vorstellen, ein solcher Satz stünde im Grundgesetz, vertreten von Hans-Jochen Vogel,, der auf die politische Ästhetik immer großen Wert legt. Grotesk!
Aber viel interessanter als all das ist gewissermaßen der politisch-psychologische Hintergrund für diese Behauptung, das Grundgesetz verbiete die Teilnahme an Einsätzen der Vereinten Nationen. Dieser Hintergrund ist geradezu die naive oder - noch schlimmer gesagt - die unpolitische Annahme, man könne sich mit dem Hinweis auf solche rechtlichen Hindernisse, die sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nun endgültig als Hirngespinste erwiesen haben, seiner politischen Verantwortung entziehen. Schon vor dem Urteil haben uns unsere Partner gesagt: Erstens können wir ein solches Hindernis in eurer Verfassung nicht feststellen, und zweitens, wenn es denn eines gibt, könnt Ihr es unter den völlig veränderten Umständen beheben. Beheben, damit wir in jedem Einzelfall, ja oder nein, nein oder ja sagen können. Das wird in der Zukunft in der Tat auch notwendig sein. Aber gerade davor wollten
Sie sich schützen, vor der in der Tat im Falle Deutschlands besonders schweren Last der Verantwortung, in jedem Fall ja oder nein, nein oder ja sagen zu dürfen und zu müssen. Das aber zeugt mit anderen Worten von einer fatalen Verantwortungsscheu und Entscheidungsschwäche. Wer eine solche Haltung an den Tag legt, ist nicht geeignet zur Führung der Außenpolitik und damit auch nicht geeignet zur Führung unseres Landes.
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Nun ist heute wenig darüber gesagt worden - alle Redner der sozialdemokratischen Fraktion haben sich davor gehütet, dieses Thema aufzugreifen -, ob denn nun die Interpretation, die auch Sie, Herr Ministerpräsident Scharping, nach dem Urteil vorgenommen haben, Ihre Auffassung ist, ja oder nein. Sie haben gesagt: Gott sei Dank ist sehr viel Weitergehendes verhindert worden als das, was die Koalition durch das Urteil erreichen wollte. Da gibt es zwei Behauptungen.
Die erste Behauptung ist, es seien nur Einsätze unter einem Kommando der Vereinten Nationen erlaubt. Also, wenn das richtig wäre, dann hätte Karlsruhe natürlich nicht den AWACS-Einsatz für verfassungskonform erklären können, und Sie, Herr Ministerpräsident Scharping, hätten heute nicht verkünden können, die SPD-Fraktion werde dem zustimmen. Das kann also nicht stimmen.
Die zweite Behauptung - eine nicht aktuelle Frage, aber ich will sie hier vorsorglich erwähnen - ist: Einsätze nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen seien durch das Urteil in Karlsruhe verboten worden. Wo steht das eigentlich? Man zeige mir die Stelle, wo das steht. An keiner einzigen Stelle steht es. Es ist immerhin eine Zitation von Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen vorgenommen worden. Wenn überhaupt, dann spricht das eher für das Gegenteil. Auch das war eine Behauptung, die immer wieder aufgestellt wurde. Das erinnert mich, Herr Ministerpräsident Scharping, an das, was Sie zum Gewaltmonopol der Vereinten Nationen gesagt haben. Diese Diskussion haben wir auch einmal in der Koalition geführt. Es gibt das nicht. Lesen Sie doch nach, was in Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen steht! Es stimmt nicht. Ich sage das vorsorglich und möchte Sie warnen, sich selber jetzt schon wieder Hürden auf zubauen, über die Sie eines Tages springen müßten.
Der dritte Punkt ist vor allen Dingen von Volker Rühe hier schon zu Recht angeführt und in den Mittelpunkt gestellt worden. Ich habe immer gesagt, die eigentlich entscheidende Frage bei diesem Thema ist: Ist Deutschland europa- und bündnisfähig? Entscheidend ist nicht die Frage nach Einsätzen, schon gar nicht in aller Welt. Die Frage ist vor allen Dingen: Ist Deutschland zu einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und zu einer gemeinsamen Verteidigung der Europäischen Union fähig?
Nun haben Sie hier doch in bemerkenswerter Weise gesagt: So leidenschaftlich wir dafür sind und so sehr wir auch für den Erhalt und den Ausbau der NATO sind, so sehr sind wir doch weiterhin darauf angewiesen, eine Einzelfallentscheidung und eine nationale
Entscheidung treffen zu können. Demgegenüber sage ich: Entweder ist das eine Selbstverständlichkeit, die nicht erwähnt zu werden brauchte, oder aber es ist ein innerer Vorbehalt. Natürlich ist es das letztere; sonst hätten Sie es gar nicht sagen müssen.
Ich muß nachdrücklich darauf hinweisen, daß es natürlich dann, wenn die Europäer in der Europäischen Union oder der Westeuropäischen Union eine Entscheidung treffen, ungewöhnlich schwerwiegend wäre, wenn sich Deutschland verweigern würde. Das müßte ein exzeptioneller Fall sein, bei dem wir sagen würden: Das widerspricht unseren grundsätzlichen Überzeugungen oder unseren nationalen Interessen. Das letztere halte ich für ausgeschlossen, und das erstere ebenso. Aber genau das ist es ja, was Sie auch in der Vergangenheit immer wieder zu suggerieren versucht haben, nämlich, daß unsere europäischen Partner uns in kriegerische Abenteuer stürzen könnten. Ich erinnere an das, was der Kollege Voigt einmal im Plenum des Deutschen Bundestages gesagt hat und was er heute wahrscheinlich nicht mehr so gerne hören will. Aber es ist eine Tatsache, daß, wenn sich Europa und das Bündnis - in dieser Reihenfolge - entscheiden, eine Maßnahme, nötigenfalls auch mit militärischen Mitteln, durchzuführen, es gegen das nationale deutsche Interesse wäre, wenn wir uns nicht beteiligten.
({7})
Herr Kollege Lamers, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Karsten Voigt?
Bitte sehr.
Herr Kollege Lamers, darf ich aus dieser Äußerung schließen, daß Sie der Meinung sind, wir sollten automatisch deutsche Soldaten nach Ruanda schicken, weil die Franzosen dorthin gehen?
({0})
Oder sind Sie mit mir der Meinung, daß es hier einer nationalen Entscheidung bedarf, nämlich zu überprüfen, ob wir dorthin gehen wollen, und daß die Entscheidung in diesem Fall nach Abwägen aller Umstände eher negativ ausfällt?
Lieber Kollege Voigt, daß diese Frage überflüssig ist, wissen Sie wirklich sehr genau. Erstens haben im Falle Ruandas nicht die Europäer entschieden, sondern die Franzosen. Ich habe davon gesprochen, daß die Europäer, die Europäische Union, die Westeuropäische Union entscheiden.
Zweitens habe ich zu dem Thema Ruanda auch öffentlich meine Meinung gesagt. Ich füge hinzu - ich meine, das müßten wir doch alle gemeinsam sehen -:
Was sich dort abspielt, ist so gräßlich und grauenvoll und übersteigt derart jedes Vorstellungsvermögen,
({0})
daß wir uns sehr genau überlegen müssen, ob wir uns so definitiv und ein für allemal festlegen sollten, so etwas nicht zu machen. Auch ich bin im Augenblick dagegen. Ich weiß sehr gut - so gut wie alle hier im Saal -, wie ungewöhnlich schwer das Unterfangen ist. Die Erfolgsaussichten gehören unbedingt mit zu den Kriterien einer Einsatzentscheidung. Aber daß auf der anderen Seite auch unsere moralische Selbstachtung, unser ideell-moralisches Selbstverständnis auf das tiefste betroffen ist, das, meine ich, müßten wir sehen.
({1})
- Gut. Also eine wirklich überflüssige Frage. ({2})
Herr Kollege Lamers, die Kollegin Zapf würde ebenfalls gern eine Zwischenfrage stellen.
Ja.
Bitte, Frau Kollegin.
Herr Kollege Lamers, beziehen Sie diesen Teilnahmevorbehalt nur auf die Teilnahme an WEU-Operationen, oder würden Sie damit z. B. den Inhalt des NATO-Ministerratsbeschlusses vom 10. Juni 1993 anzweifeln und somit in sein Gegenteil verkehren, der besagt, daß Entscheidungen der NATO, an Operationen der UNO oder der KSZE teilzunehmen, selbstverständlich, was die nationale Beteiligung betrifft, nationaler Entscheidung vorbehalten sei?
Selbstverständlich nicht, Frau Kollegin. Aber, ehrlich gesagt, habe ich den Zusammenhang nicht ganz verstanden.
({0})
Ich habe klipp und klar gesagt: Natürlich bleibt es bei nationalen Entscheidungen. Das kann gar nicht anders sein. Allerdings kann die europäische Einigung eventuell die Perspektive eröffnen, daß es auch in dieser Frage Mehrheitsentscheidungen gibt und nach meiner Überzeugung eines Tages geben muß. Dann wäre ihre Position vollkommen unmöglich.
Jedenfalls sage ich schon für den Augenblick, und das gerichtet auf das, was der Ministerpräsident, der Vorsitzende Ihrer Partei, gesagt hat: Das ist mehr oder minder akademisch, um es genau zu sagen. Wenn sich Europa entschließt, nötigenfalls auch mit militärischen Mitteln etwas zu tun, dann hat es fatale Folgen, wenn sich Deutschland nicht beteiligt. Denn die Grunderkenntnis, zu der Sie noch finden müssen, ist, daß Deutschland nur stark ist und nur dann Einfluß, unter Umständen auch mäßigenden Einfluß ausüben
kann, wenn es mitwirkt. Das ist die Weisheit, zu der Sie, wie ich glaube, noch finden müssen.
Vielen Dank.
({1})
Ich erteile dem Kollegen Dr. Werner Hoyer das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat Klarheit geschaffen, eine Klarheit, nach der wir Liberalen uns gesehnt haben. Denn ohne diese Klarheit über die Rechtsgrundlagen militärischer Einsätze deutscher Soldaten jenseits des Bündnisgebiets wären solche militärischen Einsätze nicht verantwortbar, nicht vertretbar gewesen, selbst dann nicht, wenn man sie in der Sache für wünschenswert und erforderlich halten würde. Denn wir hatten Zweifel, ob die Vorschrift des Art. 24 unseres Grundgesetzes ausreichend sein würde, ob nicht die Rechtsgrundlage für friedensschaffende wie friedensbewahrende militärische Handlungen eher in Art. 87 a des Grundgesetzes gesucht und gefunden werden müßten.
Zweifel hatten wir auch daran, ob es sein könnte, daß im Gegensatz zum Verteidigungsfall bei Entscheidungen in den hier zur Debatte stehenden Fällen der Deutsche Bundestag außen vor bleiben dürfte.
Die Zweifel hinsichtlich der Tragfähigkeit des Art. 24 sind ausgeräumt. Die Zweifel hinsichtich hinreichender Parlamentsbeteiligung sind bestätigt worden. Auf der Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils kann nun konkret entschieden werden.
Wir hätten das alles natürlich einfacher haben können, wenn Bundestag und Bundesrat dem Grundgesetzänderungantrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und F.D.P. zugestimmt hätten, den wir im letzten Jahr eingebracht haben. Dann wäre diese zentrale Entscheidung übrigens dort herbeigeführt worden, wo sie nach meiner Auffassung hingehört, nämlich im Deutschen Bundestag, und nicht vor Gericht.
({0})
Die SPD hat hier eine Riesenchance vergeben, zu dem so oft beschriebenen Minimalkonsens zu gelangen und - nebenbei bemerkt - den Soldaten der Bundeswehr den Rückhalt zu verschaffen, den sie seitens des gesamten Parlaments verdienen.
({1})
Die Bundesregierung hat in einem Punkt die Klage in Karlsruhe verloren. Unsere Klage war nämlich erfolgreich hinsichtlich der Parlamentsbeteiligung. Das Grundgesetz verlangt - so das Bundesverfassungsgericht - die Zustimmung des Parlaments, und zwar durch einen konstitutiven Akt mit einfacher Mehrheit. Alles weitere obliegt der Ausgestaltung des Gesetzgebers bzw., wenn er es denn wünscht, des Verfassungsgebers. Hier besteht kein akuter Handlungsbedarf. Die Rechtsgrundlagen insbesondere für
die Soldaten unserer Bundeswehr sind nun klar. Darauf kam es an.
Wir werden in den nächsten Jahren - aber das wird Zeit haben - gleichwohl eine Diskussion über „checks and balances " erleben. Wer diese in anderen Ländern verfolgt hat, insbesondere im Hinblick auf den sogenannten War Powers Act im Kongreß der Vereinigten Staaten und zwischen Parlament und Regierung der Vereinigten Staaten, der darf nicht verwundert sein, wenn diese Diskussion bei uns eines Tages im Prinzip etwa entlang der gleichen Konfliktlinie verlaufen wird, wie das dort der Fall war.
Passen wir Parlamentarier auf, völlig unabhängig davon, in welchen Parteien wir arbeiten, daß die Volksvertretung dabei nicht unter die Räder kommt!
({2})
Wenn wir in den nächsten Jahren Fragen der Parlamentsbeteiligung bei militärischen Einsätzen diskutieren sollten, dann wird es nicht mehr darum gehen, Zweifel an den Rechtsgrundlagen für konkretes Handeln unserer Soldaten auszuräumen. Denn diese Grundlagen stehen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil unbestreitbar fest. Es wird dann um den Kernbereich des Verhältnisses von Regierung und Parlament gehen, um das Austarieren des Gleichgewichts zwischen Volksvertretung und Exekutive. Lassen wir diese Diskussion dann bitte nicht zu einer platten parteipolitischen Wahlauseinandersetzung verkommen! Nehmen wir uns für diese Diskussion die Zeit! Zunächst einmal kommen wir mit dem Karlsruher Urteil hervorragend aus.
({3})
Das vereinte Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat mit der Einheit und Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands mehr Verantwortung in der Völkergemeinschaft übernommen. Dabei sollten wir übrigens nicht unser Licht unter den Scheffel stellen, wenn es darum geht, auf die Verantwortung hinzuweisen, die wir jenseits der militärischen Sphäre seit Jahren und Jahrzehnten in der Völkergemeinschaft wahrnehmen, - politisch, ökonomisch, entwicklungspolitisch, kulturell, diplomatisch usw.
({4})
Übrigens, Herr Ministerpräsident, da Sie diesen Punkt angesprochen haben: Die Summe für Auslandseinsätze des Technischen Hilfswerks ist von der Koalition im Haushaltsausschuß durchgepaukt worden. Die SPD, insbesondere Herr Schnoor, verlangen hingegen die Auflösung des THW. Sie reden mit zwei Zungen, gerade wenn es um die internationalen Einsätze des THW geht.
({5})
Herr Kollege Hoyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Professor Hornhues?
Bitte.
Herr Kollege Hoyer, können Sie das wiederholen? Ich habe es nicht ganz richtig verstanden.
({0})
Der Haushaltsausschuß muß sich natürlich hin und wieder mit der Bewilligung von Mitteln für Auslandseinsätze wie Inlandsaktivitäten des Technischen Hilfswerks, z. B. Aktivitäten in den neuen Bundesländern, befassen. Da hat die Opposition gegen die entsprechenden Ansätze der Koalition gestimmt. Darüber hinaus verlangt der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Auflösung des Technischen Hilfswerks.
({0})
- Damit können wir diesen Punkt dann beenden, Herr Kollege Hornhues.
({1})
Aber mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wächst die Verantwortung des vereinten Deutschlands in anderer Hinsicht, nämlich nicht in erster Linie nur nach außen, sondern nach innen. Parlament und Regierung haben ein sehr viel höheres Maß an Verantwortung gegenüber den Soldaten unserer Bundeswehr zu tragen, mehr, als uns bisher von anderen Ländern abverlangt worden ist. Uns ist dort bisher sehr viel erspart geblieben. Nunmehr müssen wir in voller Verantwortung in jedem einzelnen Fall militärischen Einsatzes jenseits des Bündnisgebietes darüber entscheiden, ob wir Leib und Leben von Soldaten unserer Bundeswehr aufs Spiel setzen wollen und dürfen. Darauf, auf jeden einzelnen Fall, müssen wir uns dann konzentrieren, nicht auf vordergründiges Geplänkel. Da gilt es, Farbe zu bekennen.
Deshalb ist es töricht, wenn manche so tim, als würden andere nur darauf warten, sich endlich wieder in irgendwelche militärischen Abenteuer stürzen zu dürfen,
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ganz abgesehen davon, daß vernunftbegabte Soldaten keineswegs das Bedürfnis haben, sich leichtfertig in Gefahr und Tod zu stürzen. Sehr viel klarer als bisher, denke ich, muß politischen wie militärischen Entscheidungsträgern in Zukunft die klassische Clausewitzsche Regel in Fleisch und Blut übergehen, daß der Befehl zum militärischen Einsatz die Erfüllung drei notwendiger Bedingungen voraussetzt: Das politische Ziel der Mission muß präzise definiert, durchdacht und begründet sein. Das militärische Ziel, dessen Erreichen der Annäherung an das politische Ziel förderlich sein soll, muß ebenso präzise definiert, durchdacht und begründet sein. Schließlich muß immer klar sein, wie eine militärische Handlung gegebenenfalls beendet werden kann, auch dann, wenn sie nicht erfolgreich gewesen sein mag.
Die verantwortliche Beschäftigung mit dieser Frage setzt aber die Bereitschaft voraus, sich sehr viel intensiver mit den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sonstigen Ursachen von Konflikten und mit Lösungsmöglichkeiten zu befassen, aber eben auch mit der militärischen Option, die immer Ultima ratio sein muß.
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Aber wir in Deutschland haben eine erschreckend geringe Bereitschaft, uns mit militärischen Fragen überhaupt fundiert zu befassen, weil allein schon die Beschäftigung mit ihnen als Einstieg in die Militarisierung der Gesellschaft erscheint. Zumindest scheint es vielen so zu gehen.
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Diese Berührungsangst gilt übrigens für die Politik ebenso wie für Wissenschaft und Publizistik.
Mit der deutschen Einheit und der Wiedererlangung der Souveränität ist Deutschland im Kreis der Völkergemeinschaft als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen worden. Wenngleich im Vorfeld der Einheit bei manchen unserer Freunde, Nachbarn und auch Verbündeten auch gewisse Reserven vernehmbar waren, so haben sich diese zum Teil durchaus verständlichen Vorbehalte nach kürzester Zeit umgekehrt, nämlich in eine Sorge vor dem außenpolitisch nicht handlungsfähigen Deutschland, vor dem Deutschland, das möglicherweise Gefahr läuft, seine Außen- und Sicherheitspolitik der Renationalisierung preiszugeben - das Schlimmste, was uns passieren könnte.
({5})
Unsere Partner haben mittlerweile ein wesentlich unverkrampfteres Verhältnis zu uns Deutschen gefunden, als wir es uns selbst zutrauen möchten. Ich unterscheide in diesem Zusammenhang im übrigen, da ich den Begriff der „Unverkrampftheit" schon vom Bundespräsidenten entliehen habe, zwischen „ Unverkrampftheit " und „Normalität". „Normalität" ist für mich eher ein konservativer Kampfbegriff, der in anderen Zusammenhängen häufig genug mißbraucht wird, um andere auszugrenzen. Liberale stehen für die Verschiedenartigkeit der Menschen, für ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe, für die unterschiedlichen Kulturen. Deswegen sollten wir uns auch als Nation dazu bekennen, daß wir bei jeder unserer zukünftig anstehenden Entscheidungen über militärische Einsätze andere Rücksichtnahmen, andere Belastungen, auch historische Belastungen, andere Fähigkeiten und andere Stärken und Schwächen im Kopf haben müssen und ins Feld führen müssen, wenn wir uns an Entscheidungen herantasten. Das ehrt uns.
Aber wichtig ist, daß wir den Soldaten der Bundeswehr dann, wenn wir uns für einen militärischen Einsatz entschieden haben, nicht länger zumuten müssen, Bündniskameraden zweiter Klasse zu sein,
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ein entdecktes Blockadebrecherschiff in der Adria
zwar identifizieren, aber nicht aufbringen zu dürfen,
ein Bombenflugzeug auf dem Weg nach Sarajevo oder Srebrenica zwar identifizieren zu dürfen, den Feuerleitbefehl aber einem alliierten Kameraden überlassen zu müssen.
Deshalb ist die unverzügliche Bestätigung des Einsatzes der Bundeswehr in der Adria und in dem einzigen wirklich voll integrierten Verband der NATO, dem AWACS-Verband - er ist eine Erfolgsgeschichte dieses Bündnisses -, nicht ausreichend. Wir müssen diesen Soldaten nunmehr erteilen, diesen klar definierten Auftrag mit allen Rechten und Pflichten wahrzunehmen, auch dort, wo er über die bisherigen Begrenzungen hinausgeht. Hier gilt es für das gesamte Haus, vor allem für die sozialdemokratische Opposition, Farbe zu bekennen, obwohl sich heute die alte Erkenntnis erneut gezeigt hat, daß in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Strategen - völlig unabhängig davon, ob sie von militärischer oder politischer Strategie reden - gegenwärtig offenbar schlechte Karten haben.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Andrea Lederer.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil hat vielleicht verfassungsrechtliche Klarheiten geschaffen, aber es ermöglicht gewiß ein sicherheitspolitisches Vabanquespiel. Ich und unsere Gruppe hätten sich gewünscht, die Soldaten der Bundeswehr hätten die rechtliche Klarheit erhalten, daß die Bundeswehr dazu da ist, Landesverteidigung und sonst nichts zu betreiben, und daß dieses Land ansonsten seine unbestrittene internationale Verantwortung rein zivil, nicht militärisch wahrzunehmen gedenkt. Deshalb, weil dieses Urteil genau etwas anderes aussagt, ist es friedenspolitisch eine große Niederlage.
Herr Ministerpräsident Scharping, ich finde es eigentlich besser, wenn man zugibt, daß es sich inhaltlich um eine solche Niederlage handelt. Ich finde es deshalb besser und notwendig, weil es dringend erforderlich ist, letztlich die Gefahren dieser Politik, die Option, die dieses Urteil ermöglicht, überhaupt zu erkennen und dagegen auch in der zukünftigen Politik Barrieren aufzubauen. Dieses Einräumen einer solchen Niederlage habe ich bei Ihnen vermißt.
Das Urteil schreibt ganz klar die Politik der Bundesregierung in den letzten vier Jahren fort, wo sie zunächst mit vorgeschobener Diskussion um humanitäre Blauhelmeinsätze flugs zu Kampfeinsätzen überging und nur ein einziges Ziel verfolgte, nämlich die Beteiligung der Bundeswehr hieran zu ermöglichen.
Man stelle sich einmal vor: Für den Verteidigungsfall ist von jeher eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vorgeschrieben, inklusive der Zustimmung des Bundesrates. Für einen Kampfeinsatz in einem anderen Land kann nun mit einfacher Mehrheit dieses Haus gegebenenfalls nachts um 24 Uhr bei einer Anwesenheit von 15 Abgeordneten seine Zustimmung erteilen. Ich finde, das ist kein Sieg des Parlamentarismus, sondern parlamentarisch eine ganz große Niederlage. Schlimmer hätte es eigentlich in meinen Augen aus Karlsruhe nicht kommen können.
Ich wundere mich, Herr Kollege Poppe, daß Sie so viele Fragen an dieses Urteil haben; denn ich finde, daß es leider schon sehr viele Antworten gibt. NATO und WEU werden in diesem Urteil zu sogenannten Systemen kollektiver Sicherheit geadelt, was bisher nicht der Fall war. Es ist meines Erachtens ein Unterschied, zu überlegen, wie eine Organisation mit der Aufgabenstellung wie der der UNO vorsorgende, präventive, nichtmilitärische Politik zur Sicherung von Frieden leisten kann, oder ob man eine Organisation, ein reines Militärbündnis - wie die NATO und die WEU - flugs zu einem solchen kollektiven Sicherheitssystem erklärt. Ich finde das falsch. Das entspricht auch nicht der Realität in den letzten Jahren.
Es wird in diesem Urteil wieder einmal suggeriert, als sei die Mitgliedschaft in der UNO zwangsweise damit verbunden, sich an militärischen Aktionen der UNO zu beteiligen. Das stimmt nicht.
({0})
Es sind dazu Sonderabkommen notwendig. Es gibt eine Reihe von Staaten, die dies explizit nicht tun. Wenn hier alle behaupten, daß dieses Land militärische Zurückhaltung üben muß, wieso soll sich dann diese Zurückhaltung nicht genau darin ausdrücken, daß das ökonomische, soziale, kulturelle und technologische Potential dieses Landes dafür verwendet wird, in den internationalen Beziehungen auf friedliche, nichtmilitärische Weise zur Sicherung des Friedens beizutragen und darauf zu verzichten, sich an Militäraktionen zu beteiligen?
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Dieses Urteil ermöglicht im Grunde genommen die Verwirklichung dessen, was Verteidigungsminister Rühe schon einmal in die Diskussion geworfen hat, nämlich ein einfaches Entsendegesetz vorzulegen,
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in dem Kriterien festgelegt werden, nach denen die Bundeswehr entsandt werden kann. Es ermöglicht eigentlich auch - wir werden sehen, wie die Debatte in der nächsten Legislaturperiode verläuft - die Variante, die die CDU/CSU zusammen mit der F.D.P.
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in ihrem Antrag zur Änderung des Grundgesetzes formuliert hat, nämlich basierend auf Art. 51 schnell zusammengezimmerte kollektive Sicherheitssysteme zu gründen und diese nach einem angeblichen Hilferuf zur Intervention zu bringen.
Es ist nicht mehr von Anbindung an die UNO oder an das UNO-Kommando die Rede, sondern dieses Urteil öffnet den konservativen Vorstellungen dieser
Bundesregierung leider weitgehend Tür und Tor und somit auch der Willkür.
Noch Anfang 1991, während des Golfkrieges, hat Kanzler Kohl erklärt, ohne Grundgesetzänderung sei eine Beteiligung an den Einsätzen nicht möglich. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Sie machen keinerlei Beschränkungen. Sie stellen nicht einmal in Aussicht, daß Sie als Gesetzgeber dahin gehend tätig werden wollen, wenigstens eine größere Barriere für das Parlament aufzubauen.
Noch im Sommer konnten wir von Ministerpräsident Scharping zu hören bekommen: Mit der SPD gibt es keine Kampfeinsätze. Heute erklären Sie Ihre Zustimmung dazu, daß ein Kampfeinsatz unter Beteiligung der Bundeswehr möglich wird. Wenn Sie das bestreiten, dann erinnere ich Sie an die Aktuelle Stunde, in der es darum ging, daß vier Jagdflugzeuge seitens der NATO abgeschossen wurden.
Frau Kollegin!
Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. - Unisono wurde hier erklärt: Es handelt sich um einen Kampfeinsatz. Genau dazu erklären Sie heute Ihre Zustimmung. Fangen Sie doch heute mit dem an, was Sie möglicherweise - ich kann das nur hoffen- ab 17. Oktober vorhaben! Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Erteilen Sie keine Zustimmung! Fangen Sie damit an, endlich dieses Gerede über militärische Aktionen hier zu beenden und eine Debatte über die Wahrnehmung von Verantwortung dieses Landes im internationalen Bereich zu führen!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Werner Schulz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun hat sich der Bundesaußenminister nach seiner Regierungserklärung bereits in die letzte Reihe zurückgezogen. Vielleicht üben Sie schon einmal, wo Sie künftig als Parlamentarier, also demnächst, Verantwortung wahrnehmen werden. Meines Wissens sind Sie noch kein Parlamentarier. Vielleicht greifen Sie dem Schicksal Ihrer Partei voraus.
({0})
- Nein, das hat nichts mit Arroganz zu tim. Das sind einfach die Regeln in diesem Parlament. Herr Kittelmann, die klagen Sie doch an anderer Stelle pausenlos ein.
Es ist genauso wie mit dieser Sondersitzung. Es ist ein Sommerspektakel, ein Kinkellitzchen, um die sagenhaften Duftnoten und Erfolge, die Sie außenpolitisch landen, zu benennen. Die Partei der Besserverdienenden läßt es sich einige hunderttausend D-Mark kosten, ihren sorgenschweren Parteivorsitzenden noch einmal interessant zu machen.
Wenn sich hier jemand entschuldigen sollte, Herr Glos, dann sind es, glaube ich, diejenigen, die die Öffentlichkeit und das Parlament belogen haben, daß uns angeblich die NATO-Partner zu dieser Sondersitzung gedrängt haben. Es ist ganz anders gewesen.
({1})
Gestatten Sie, bitte, eine Zwischenfrage des Kollegen Hirsch?
Ja
Herr Kollege, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß es in meiner Verantwortung liegt, den Außenminister gebeten zu haben, daß ich ihm drei, vier Minuten etwas zu einer dringenden Menschenrechtsfrage vortragen konnte. Ich bitte um Entschuldigung.
Selbstverständlich, Herr Hirsch. Ich habe das ein bißchen polemisch gemeint. Sie haben das, glaube ich, ganz gut verstanden.
Es gibt keinen plötzlichen Handlungsbedarf. Die Situation ist weitgehend unverändert. Es gibt auch keinen Zeitdruck - Sie alle wissen das -, es sei denn, Kollege Lamers, wir hätten uns heute über Ihre Betroffenheitsbekundung hinaus tatsächlich über Hilfsaktionen für Ruanda hier verständigt. Das hätte Sinn gemacht, auch in meinen Augen.
Andererseits bestreiten wir durchaus nicht, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine ausgiebige Diskussion erforderlich macht. Bis heute ist die Bundesregierung einer Diskussion über die Neuorganisation, über die Aufgaben und Struktur der deutschen Streitkräfte nach Ende des Kalten Krieges weitgehend ausgewichen. Sie hat sich bis heute dem gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft der Bundeswehr verweigert. Aber es geht nicht, daß wir solche grundsätzlichen und politischen Fragen im Instantverfahren, als Schnellösung behandeln.
Was wir nach Karlsruhe jetzt brauchen, meine Damen und Herren, ist vor allen Dingen ein Gesetz über die Bedingungen und Grenzen der Militäreinsätze. Was wir ebenfalls dazu brauchen, ist, glaube ich, ein Volksentscheid, Herr Solms - den ich nicht mehr sehe. Denn nicht der Konsens in diesem Parlament, sondern die Akzeptanz durch unsere Bevölkerung ist das Entscheidende, durch diejenigen, die künftig diese Einsätze tragen müssen und in ihren Familien verkraften müssen. Es ist absurd, wenn sich die F.D.P. der Verfassungsdiskussion verweigert und uns dann hier nach 40 Jahren Bundesrepublik eine andere Lesart des Grundgesetzes aufdrängt und dieser ohne Einschränkung hinterherläuft.
Herr Kollege Schulz, da Sie es heute mit den Kollegen haben, die irgendwo anders sitzen als üblich, darf ich Sie darauf hinweisen, daß der Kollege Sohns durchaus im Raum ist und da oben steht.
Herr Präsident, es ist für einen Redner sehr
schwierig, zu überschauen, wo sich die Kollegen bei einer Sondersitzung im einzelnen aufhalten.
Herr Kollege, deshalb empfiehlt es sich, sich mit diesen Dingen - wer wo sitzt - eigentlich nicht näher auseinanderzusetzen.
({0})
Ich werde mir noch ein Sitzordnungsverzeichnis zulegen, um Ihr Rotationsverfahren zu überwachen. Das ist zumindest sehr interessant.
Ich will einmal ganz kurz sagen, worin ich den Unterschied sehe. Ich denke, daß wir uns in der außenpolitischen Frage vor allen Dingen darin unterscheiden, daß wir die Vereinten Nationen stärken wollen und wirkungsvoll ausbauen wollen, während die Bundesregierung den Ansatz vertritt, die Rolle und Bedeutung der Bundesrepublik in den Vereinten Nationen zu stärken. Das ist, glaube ich, der entscheidende Unterschied.
Zum Abschluß noch einige Worte zur PDS, weil hier einige Irritationen aus Sachsen-Anhalt wahltaktisch von der CDU/CSU aufgeblasen werden. Wir lehnen neben dem Koalitionsantrag auch den Antrag der PDS ab, Gregor Gysi. Es mag zwar für die PDS sehr wichtig sein, daß Sie den Kampfgruppenhelm jetzt blau gefärbt aufs Grabkreuz hängen. Es ist für Ihre Partei vielleicht ganz wichtig, daß Sie diesen Schritt gegangen sind. Doch eine Rückkehr zur ausschließlichen Landesverteidigung verbaut den Weg zum Aufbau eines kollektiven Sicherheitssystems. Internationale Verantwortung verbietet nationale Beschränktheit. Zumindest soviel sollte von Karl Marx an der PDS hängengeblieben sein.
({0})
Herr Bundesminister Kinkel, Sie können zwar keine Kurzintervention machen, aber als Regierungsmitglied jederzeit das Wort ergreifen. Wenn Sie sich dabei kurzhalten, wird das vom Haus sicher begrüßt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist jetzt zum zweitenmal kurz hintereinander passiert, daß hier Dinge behauptet werden, die ich angeblich gesagt hätte, die sich aber anschließend als unzutreffend herausstellen. Ich kann erst jetzt diese kurze Stellungnahme abgeben, weil ich, Herr Ministerpräsident, auf das wörtliche Ausschreiben Ihrer Rede warten wollte. Danach haben Sie heute morgen gesagt, vor dieser Sitzung sei gesagt worden, sie sei wegen des Drängens der NATO-Partner notwendig geworden. Das gilt übrigens auch für Sie, Herr Kollege, soweit Sie das eben angesprochen haben.
({0})
- Ja, Moment.
Herr Bundesaußenminister, Sie werden nicht
glaubwürdiger dadurch, daß Sie im Kabinett das
eine behaupten und es dann hier ... selbst dementieren.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis - das ist jetzt das zweite Mal, daß mir das von der Opposition passiert ist -, daß ich das im Kabinett weder gesagt habe noch daß es solche Forderungen gegeben hat.
({1})
Ich möchte ausdrücklich hier festhalten, daß ich dies im Kabinett nicht gesagt habe.
({2})
Der Herr Ministerpräsident hat erklärt, ich hätte das im Kabinett gesagt und anschließend hier dementiert. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß das unzutreffend ist.
Vielen Dank.
({3})
Ich erteile dem Abgeordneten Professor Dr. Karl-Heinz Hornhues das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wir können nicht bis zur ersten normalen Sitzung nach der Sommerpause warten;
({0})
die Ereignisse warten auch nicht. Wir ... sind jedenfalls davon überzeugt, daß wir unsere Aufgabe verfehlen würden, wenn wir diese Sondersitzung des Deutschen Bundestages nicht beantragt hätten."
({1})
- Das sagte der Abgeordnete Hans-Ulrich Klose am 22. Juli 1992.
({2})
Damals haben wir uns mit der Frage beschäftigt, mit der wir uns immer noch beschäftigen müssen, die an sich im Kern der Debatte hätte stehen können, wenn wir gewollt hätten, nämlich wie wir Not und Elend der Menschen im ehemaligen Jugoslawien, in BosnienHerzegowina hätten beenden können.
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf zum Abschluß der Debatte für meine Fraktion noch einmal feststellen: Wir sind nicht nur froh, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts uns Recht gegeben hat - wer freut sich nicht, wenn er in der Hauptsache gewinnt? -, sondern wir sind froh, weil diese Entscheidung mit der Legende aufräumt, Deutschland seien aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden, wenn humanitäre Hilfe, Friedensbewahrung und Friedensgewinnung auf militärische Mittel angewiesen sind.
Wir sind froh, daß wir sagen können: Es war richtig, daß wir zum Bündnis gestanden haben, als dieses von den Vereinten Nationen aufgefordert wurde, u. a. in der Adria und mit den AWACS-Einsätzen zur Begren21198
zung des Krieges in Bosnien beizutragen. Es war richtig, daß wir den Vereinten Nationen Solidarität bewiesen haben, als es darum ging, das Hungern und Sterben in Somalia zu beenden. Es wäre ein Verhängnis für unser Land, vor allen Dingen aber ein beschämendes Zeugnis gegenüber dem Elend und der Not in Somalia, in Bosnien-Herzegowina gewesen, wenn wir dem Ohne-mich-Standpunkt, der Ihre Meinung geprägt hat, nachgegeben hätten und uns Ihnen angeschlossen hätten.
Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß es - ich habe es eben schon angedeutet - richtig war, daß die Bundesregierung den Antrag auf Zustimmung des Bundestages zu den Adria- und AWACS-Einsätzen unverzüglich gestellt hat. Herr Ministerpräsident Scharping hat heute morgen kritisiert, das sei ein Hauruckverfahren. Herr Ministerpräsident, ich weiß nicht, wann Sie sich zum erstenmal in die Debatte um diese Frage eingeschaltet haben, aber ich darf daran erinnern, daß wir schon am 22. Juli 1992 über diese Fragen diskutiert haben. Hier kann von Hauruckverfahren überhaupt keine Rede sein, sondern wir ziehen die Konsequenzen so schnell wie verantwortbar. Denn wir sind es den Soldaten und ihren Angehörigen schuldig, daß sie wissen, daß der Deutsche Bundestag hinter ihrem Einsatz steht und daß dieser Einsatz ein wichtiger Beitrag ist, endlich doch noch zu Frieden, zur Beendigung von Mord und Totschlag im ehemaligen Jugoslawien zu kommen.
Alle Ihre schönen Reden, Herr Ministerpräsident Scharping, wie man das an sich besser machen könnte, mit einer optimalen UNO, mit einer optimalen Weltfriedensordnung, mit optimalen Entwicklungsergebnissen, ändern nichts an der Tatsache, daß die Ereignisse kommen, wie sie wollen, und nicht, wie die SPD es gerne hätte, wenn sie ihre internen Diskussionen abgeschlossen hat. So mag die Erkenntnis zwar bitter sein, aber sie ist richtig, daß nur die Androhung und Anwendung militärischer Mittel, bezogen auf Bosnien-Herzegowina, bisher überhaupt bei den serbischen Aggressoren, vor allen Dingen bei ihnen, irgendeine Wirkung gezeigt haben. Alles Philosophieren über denkbare Alternativen ist spätestens durch dieses Beispiel leider, so schlimm es ist, ad absurdum geführt worden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt, daß die Bundesregierung unverzüglich Konsequenzen aus dem Urteil zieht und die Beschränkungen der deutschen Soldaten und Einheiten bei den Adria- und AWACS-Operationen aufgehoben hat. Jenseits der Diskussion, ob die Alliierten gefragt oder nicht gefragt haben, glaube ich, daß sie uns seit langem ansehen. Sie haben lange von uns gehört, was alles nicht ginge, weil wir rechtliche Probleme hätten. Ich glaube - insoweit ist der Antrag der Bundesregierung zeitgerecht und richtig -, die Fairneß gegenüber unseren Verbündeten und Partnern gebietet es, dies zu bejahen, da das behauptete Hindernis, das Verfassungsproblem, als nicht existent festgestellt worden ist.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, wir begrüßen es - die Kollegen, die vor mir gesprochen haben, haben dies schon deutlich gemacht -, daß das Bundesverfassungsgericht die notwendige konstitutive
Beteiligung des Bundestages festgeschrieben hat. Politisch war dies für uns immer klar.
Ich will für meine Fraktion noch einmal unterstreichen: Wir haben seit vielen Monaten ein sehr umfängliches, sehr differenziertes, sehr weitgehendes Angebot an die SPD auf dem Tisch liegen gehabt. Sie haben dies abgelehnt. Unser Angebot ist damit vom Tisch. Das Bundesverfassungsgericht hat die notwendige Basisklarheit geschaffen. Es gibt nun nichts mehr. Daß dies so ist, dafür haben Sie von der SPD die Verantwortung zu tragen.
Ich gestehe allerdings - darin stimme ich dem Kollegen Lamers nachdrücklich zu -: Wir sind gar nicht besonders traurig, aus dem Obligo zu sein; denn wir hatten zutiefst Zweifel, ob wir mit unserem Angebot der Differenzierung in verschiedenste Einsatztypen, die sich bei Betrachtung der Wirklichkeit alle als abenteuerlich-willkürlich erwiesen haben, nicht längst zu weit gegangen waren. Wir sollten die Konsequenzen aus unseren bisherigen Erfahrungen ziehen und uns dem Versuch verweigern, der jetzt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, erneut aufkommt, nämlich doch noch irgendwelche robusten oder sonstwie gearteten Mandate - „friedensschaffende Einsätze" oder wie dies auch immer formuliert sein mag -, zumindest gesetzlich, zur Not sogar grundgesetzlich festzuschreiben.
Wenn wir alle eine Lehre zu ziehen haben, dann ist es die, daß beim Fall A - Golfkrieg - sich keiner hat vorstellen können, daß der Fall B, der dann kam, so aussah und solche Anforderungen an uns stellte, wie es der Fall war. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten inzwischen ein Gesetz, welcher Art auch immer, erarbeitet, wäre unser Beitrag vor der Weltöffentlichkeit weiter unverändert geblieben: Während andere darüber nachdenken, wie man ein Problem lösen kann, wie man Menschen in Not und Elend helfen kann, diskutiert der Deutsche Bundestag zum x-ten Mal die Verfassungsmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit oder die Gesetzlichkeit, ob man dies darf.
Wir haben viele Stunden damit zugebracht, die zum Teil selbst geschaffenen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Sie sind wieder dabei, neue Hindernisse aufzubauen; Kollege Voigt, ich wäre dankbar, wenn Sie nach mir das bestreiten würden, was ich sage.
({4})
Ihr Antrag, den Sie uns vorgelegt haben und der zum Inhalt hat, daß Sie auf jeden Fall wollen, daß die Bundesregierung um Gottes Willen nichts tut, was das Parlament nicht beschlossen hat - es fehlt nur der Satz: mit Zustimmung der SPD -, ist der Hinweis darauf, daß Sie wieder auf dem Weg sind, neue Hindernisse zu schaffen, die uns dann, wenn Anfragen der Nothilfe an uns gestellt werden, wieder zwingen, zu sagen: Wir müssen erst einmal rechtlich prüfen, wohin wir welchen Fuß setzen dürfen.
Ich darf Ihnen versichern: Wir werden sorgfältig alles prüfen. Aber wir gehen mit tiefster Skepsis an jede Art dieser Festlegung heran. Ich glaube, meine Fraktion glaubt: Wir sollten den Mut haben, Fall um
Fall, der auf uns zukommt, sehr nüchtern und sachlich konsequent zu prüfen,
({5})
ob wir glauben, daß es sinnvoll und notwendig ist, das Geforderte zu tun. Darm werden wir entscheiden auf der Basis dessen, was unser Basisrecht, das Grundgesetz - ein besseres Recht gibt es gar nicht
vorschreibt. Wir haben ein klares Urteil in der Sache. Wir sollten nicht erneut den Versuch unternehmen, uns Hürden zu schaffen, hinter denen wir uns verstekken, urn den anderen sagen zu können: Macht ihr einmal irgend etwas, wir müssen uns erst mit unseren selbst geschaffenen Hürden beschäftigen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Debatte ist mir zu kurz gekommen - ich habe das mehrfach angesprochen und will es jetzt erneut tun -: Es geht im Kern nicht darum, daß wir eine Militarisierung der Außenpolitik betreiben wollen. Sie von der SPD sollten sich dafür entschuldigen, daß Sie diesen Begriff hier gebraucht haben, wenn Sie jetzt tatsächlich zustimmen wollen. Denn wenn Sie jetzt zustimmen, betreiben Sie ja nach Ihren eigenen Definitionen ebenfalls eine Militarisierung der Außenpolitik. Sie steigen damit in das „Rühesche wilhelminische Kanonenboot" ein. Seien Sie so nett und nehmen Sie alles das, was an Beleidigungen ausgestreut worden ist, wieder zurück, damit wir wieder vernünftig miteinander umgehen können. Wenn der Kollege Rüttgers nicht gerade draußen wäre, würde er mich jetzt dringend auffordern, daß Sie den Kollegen Verheugen bitten, den Begriff „Kriegshetzer" - ihm gegenüber vor ein paar Tagen gebraucht - auch noch in den Papierkorb zu tun.
({6})
In dieser Stunde sollten wir die Bundesregierung als Regierung des Landes, das die Präsidentschaft in der EU innehat, als die Regierung eines der fünf Länder, die sich besonders bemühen, in Bosnien zum Frieden zu kommen, angesichts der Tatsache, daß die Serben erneut den schäbigen Trick anzuwenden versuchen, Zeit zu schinden, um Boden zu gewinnen, erneut auf Krieg zu setzen, um das durch Aggression Erworbene zu erhalten, dringend auffordern, zu tun was machbar ist. Herr Außenminister, Sie sind jetzt ein Stückchen freier und müssen nicht bei jeder Forderung nach verschärfter Durchsetzung der Sanktionen darauf achten, ob Sie etwas an Ihrem rechten oder linken Fuß hindern könnte.
Ich glaube, die Stunde, das Urteil und die Probleme der Menschen gebieten es, daß wir uns bemühen und unsere eigene Regierung auffordern, zu tun, was machbar ist, um im ehemaligen Jugoslawien endlich doch zur Befriedung und zum Frieden zu kommen.
Ich möchte mit dem Dank meiner Fraktion an all diejenigen schließen, die trotz unserer Debatten und trotz Ihrer Vorbehalte ihren Dienst getan haben, den Dienst in den AWACS-Flugzeugen, in der Adria auf den Schiffen und in der Luft. Ich möchte vor allen Dingen denen danken, über die man selten redet, weil sie scheinbar außer Streit sind, die vielleicht den gefährlichsten Einsatz in Sarajevo gemacht haben.
Ich möchte noch einmal den Soldaten danken, die in Somalia waren. Ich möchte aber auch nicht vergessen die Polizisten des Bundesgrenzschutzes und der Länder, die Zollbeamten, die alle miteinander versuchen, zu tun, was möglich ist, um Menschen in dieser fürchterlichen Situation zu helfen. Ich möchte ihnen im Namen meiner Fraktion danken.
Ich möchte all den vielen Hunderten von Helfern des Deutschen Roten Kreuzes, des Johanniter-Hilfsdienstes, des Malteser-Hilfsdienstes, des Technischen Hilfswerkes und vieler anderer privater Organisationen danken, die heute in Ruanda, die im ehemaligen Jugoslawien und überall im Einsatz sind und helfen.
Herr Ministerpräsident Scharping, wir haben den Vorschlag Ihrer Fraktion abgelehnt, neben all die bewährten, mit großem Engagement geführten Organisationen der Hilfe, die wir haben, noch einen bundeseigenen Verein zu setzen, weil wir fürchten, das einzige, was dabei herauskommt, ist weiteres Kompetenzgerangel, ist eine neue Bürokratie und vor allen Dingen am Ende weniger Hilfe tatsächlich für diejenigen, die der Hilfe bedürfen. Diese Hilfe wird in unserem Denken weiterhin im Mittelpunkt stehen.
Es geht darum, angemessen, gemessen und ruhig, aber auch verantwortlich zu handeln für unser Land, aber auch so weitsichtig zu sein, daß wir nicht nur uns, sondern auch den Nachbarn im Auge haben, wenn er in Not ist. Denn wir dürfen nicht mit der Hilfe der Nachbarn rechnen, wenn wir ihnen in der Not keine Hilfe zuteil werden lassen.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Karsten Voigt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein großer Teil Ihres Redebeitrages, Herr Hornhues, war insofern auf die Vergangenheit gerichtet, als er auf Auseinandersetzungen Bezug nahm, die vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine gewisse Rolle gespielt haben mögen. Herr Lamers hat zu Recht gesagt, daß z. B. mein Motiv 1988 gewesen ist, mit dem formalen Argument der Erweiterung faktisch eine Einschränkung von Einsatzmöglichkeiten vorzunehmen. Aber das ist der Schnee von gestern.
Es geht jetzt darum, daß wir diesen tiefen Einschnitt, den das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeutet, politisch verarbeiten. Dazu gehört, daß wir sagen: Die rechtlichen Grundlagen sind geklärt. Jetzt geht es darum, daß wir in diesem Lande entscheiden - nicht, warm es rechtlich möglich ist -, wann wir uns im Einzelfall wirklich beteiligen wollen. Bei solchen Entscheidungen bedarf es einer anderen Kultur der Debatte, als sie heute diese Debatte gehabt hat.
({0})
Das gilt auch gerade für die Koalitionsfraktionen.
Im übrigen möchte ich Herrn Hoyer sagen, daß ich seinen Vorschlag, den ich gestern in der FAZ habe lesen können, daß er jetzt noch für neue Beratungen über eine Grundgesetzänderung ist, auch für überholt
Karsten D. Voigt ({1})
halte. Die Verfassungslage ist geklärt. Wir werden uns nicht auf bessere Formulierungen auf absehbare Zeit einigen können, als sie das Verfassungsgericht zur Klärung gebracht hat. Deshalb brauchen wir auch nicht solche Formulierungen neu zu erarbeiten.
Worauf es jetzt ankommt, ist, ob wir die Kraft haben und den Konsens finden, uns auf ein Bundeswehraufgabengesetz zu einigen, wenn wir es wollen und wenn wir wissen, was wir in ihm gemeinsam formuliert haben wollen.
Dabei ist der entscheidende Maßstab, daß die Bundeswehr keine Regierungsarmee ist, wie es die CDU/CSU hatte haben wollen, sondern daß sie ein Parlamentsheer bleibt und auch bei diesen Aufgaben, die über die Aufgaben der kollektiven Verteidigung hinausgehen, im Sinne der kollektiven Sicherheit stärker wird.
({2})
Herr Kollege Voigt, die Kollegen Hoyer und Lamers würden Ihnen gerne Zwischenfragen stellen.
Wenn es auf meine Redezeit nicht angerechnet wird, dann sehr gerne.
Selbstverständlich nicht.
Wer möchte zuerst?
Kollege Hoyer war der erste, der sich gemeldet hat.
Herr Kollege Voigt, habe ich Sie recht verstanden, daß gegebenenfalls in der nächsten Legislaturperiode - oder wann immer eine solche Verfassungsdebatte zustande kommen könnte - die Sozialdemokraten keinen Wert darauf legen würden, im Deutschen Bundestag über militärische Einsätze mit Kanzlermehrheit mit zu entscheiden?
Wir legen Wert darauf, nicht nur auf eine Kanzlermehrheit, sondern auch auf andere Mehrheiten.
({0})
Aber ich sage Ihnen ganz nüchtern: Bezogen auf diese Sachfrage und nicht auf die künftigen Mehrheiten, wer die Regierung stellt - wir sind natürlich für die Handlungsfähigkeit einer Regierung auch in solchen Fragen -, haben doch die Äußerungen von Herrn Lamers, Herrn Glos und Herrn Hornhues deutlich gemacht, daß Sie nicht über Beschränkungen der Mehrheitsentscheidung, die über das hinausgehen, was uns das Bundesverfassungsgericht angeboten hat, mit sich reden lassen. Da bei Verfassungsänderungen aber eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, ist die Diskussion über eine Verfassungsänderung der Schnee von gestern. Es lohnt sich, in dieser Frage über Kanzlermehrheiten und anderes zu reden, nicht wenn die F.D.P. das in ihr Wahlprogramm aufnimmt, sondern erst wenn die CDU in dieser Frage ihre Meinung ändert. Alles andere ist doch irgendwie l'art pour l'art.
Herr Lamers.
Verzeihung, Herr Kollege Hoyer wollte, glaube ich, eine Nachfrage stellen.
Entschuldigung.
Habe ich, Herr Kollege Voigt, ebenfalls richtig verstanden, daß Sie die programmatischen Absichten der Sozialdemokratischen Partei in dieser durchaus wichtigen verfassungspolitischen Frage von vornherein davon abhängig machen, ob, was völlig legitim ist, die Union signalisiert, daß sie nicht bereit ist, sich in dieser Frage zu bewegen?
Nein, das ist falsch. Unsere verfassungsrechtlichen Einsichten und verfassungspolitischen Absichten haben wir auf unseren Parteitagen formuliert. Soweit es die verfassungsrechtliche Position betrifft, hat das Bundesverfassungsgericht darüber entschieden. Soweit es die Durchsetzung unserer verfassungspolitischen Absichten betrifft, bleiben diese nur handlungsrelevant, nicht nur programmrelevant, wenn es eine Chance für eine verfassungsändernde Mehrheit gibt. Wir haben nicht eine solche Absicht wie die F.D.P., die als Regierungspartei in Wahlkämpfen immer wieder etwas verspricht, was sie anschließend nicht macht, und sich dann auf die CDU beruft.
({0})
Wir wollen gegenüber den Wählern ehrlich sein und sagen, daß die Verfassungsfrage erst relevant wird, wenn sich die CDU bewegt.
Herr Kollege Lamers.
Herr Kollege Voigt, können Sie mir erklären, wie die Tatsache, daß die Koalitionsfraktionen, also auch die CDU/CSU-Fraktion, unbestrittenermaßen einen Antrag zur Änderung der Verfassung eingebracht haben, der eine Zustimmung des Bundestages vorsah, mit Ihrer Behauptung in Einklang zu bringen ist, daß wir eine solche Zustimmung des Bundestages nicht hätten haben wollen?
Sie haben in Ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gesagt, daß eine Zustimmung des Parlaments nicht erforderlich sei. Das war die Position sowohl der CDU/CSU wie auch der Bundesregierung. Darauf beruht diese meine Äußerung.
({0})
Ich fahre fort.
({1})
- Sie haben eine Zusatzfrage? - Entschuldigung.
Das war nicht erkennbar. Herr Kollege Lamers, bitte.
Darf ich Sie fragen, Herr Kollege Voigt, ob Sie vielleicht zufällig meine Argumentation von soeben überhört haben, in der ich sagte, daß wir nach der Verfassungslage, wie wir sie vor dem Urteil gesehen haben, zwar in der Tat der Auffassung waren und uns darin durch das sogenannte Pershing-Urteil auch bestätigt sahen, eine Zustimmung des Bundestages wäre nicht erforderlich, die Einbringung dieses Koalitionsantrags aber natürlich klar zum Gegenstand hatte, daß wir in der Zukunft die Zustimmung einzuholen gedenken?
Herr Lamers, diese Großzügigkeit mit dem Angebot der Parlamentsbeteiligung, die ich damals in meiner Rede gewürdigt habe, war leider mit dem Pferdefuß verbunden, daß wir uns mit einem Abschnitt 4 Ihrer Vorschläge für eine Änderung des Grundgesetzes hätten beschäftigen müssen, der vorsah, daß sich auch ohne einen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates die Bundeswehr weltweit an Kriegseinsätzen hätte beteiligen können.
({0})
Wir wollten die Parlamentsbeteiligung, die wir wünschten, nicht gleichzeitig mit diesem Pferdefuß, dieser Hintertür zu derartigen Militäreinsätzen verbinden.
({1})
Das Entscheidende aber in der heutigen Debatte bleibt, daß die SPD klar und deutlich ja sagt zu den Einsätzen, wie sie vom Bundeskabinett bezüglich Adria und AWACS beschlossen wurden, und daß wir genauso eindeutig daran festhalten, was glücklicherweise auch durch Herrn Bundesverteidigungsminister Rühe bestätigt worden ist, daß jeder darüber hinausgehende Einsatz einer neuen Beschlußfassung im Parlament bedarf und eine Beteiligung Deutscher an Einsätzen von Kampfflugzeugen oder an ähnlichen Aufgaben nicht mit dem gegenwärtigen Beschluß, den wir heute fassen und dem wir zustimmen werden, vereinbar ist.
({2})
Ich möchte mich aber über die Themen der Vergangenheit hinaus auf eine Frage konzentrieren, die Herr Kinkel als Parameter zukünftiger Entscheidungen bezeichnet hat. Ich möchte mehr von einer Liste von Fragen sprechen, die jede Bundesregierung dem Parlament beantworten muß - in Zukunft nicht nur dem Plenum, sondern auch den Ausschüssen -, bevor die Entscheidung über einen Einsatz erfolgen darf.
Das erste ist die Frage, ob ein solches Mandat für einen Einsatz auf einer völkerrechtlich einwandfreien Grundlage beruht. Das ist bei diesen beiden heute zu beschließenden Einsätzen der Fall.
Die zweite Frage: Ob ein Einsatz mit den Auflagen des Bundesverfassungsgerichtes übereinstimmt, muß in jedem Einzelfall geprüft werden. Das stimmt für diese beiden heute zu beschließenden Einsätze.
Drittens eine sehr viel schwerer zu beantwortende Frage: Was steht bei einem derartigen Einsatz für die
Außenpolitik Deutschlands, für die Völkergemeinschaft und für die Europäische Union auf dem Spiel?
Die Amerikaner verkürzen diese Fragestellung auf das Thema: Was sind unsere nationalen Interessen? Ich habe bewußt gesagt: Die Deutschen müssen fragen, was für die deutsche Außenpolitik, aber auch für die Völkergemeinschaft und für die Europäische Union auf dem Spiel steht. Die Verkürzung der Fragestellung auf nationale Interessen im engeren Sinne reicht für uns nicht. Das heißt, wir müssen im Einzelfall nach Prioritäten entscheiden, was sehr, sehr schwer sein wird.
Bei Jugoslawien ist dies wegen der sonst drohenden Flüchtlingsgefahr und wegen der Instabilitiät, die von der Region ausgeht, ohne Frage eine außenpolitische Priorität für Deutschland. Trotzdem kommen wir zu Recht aus anderen Gründen zu der Schlußfolgerung, daß ein Einsatz am Boden für deutsche Soldaten nicht in Frage kommt, weil er kontraproduktiv wäre.
Viertens: Welches sind die Zielsetzungen eines solchen Einsatzes?
Fünftens: Welches sind die Kriterien für den Erfolg oder Mißerfolg eines solchen Einsatzes? Das ist ein Thema, das wir aus Anlaß von Somalia immer wieder strittig behandelt haben. Ich möchte gerne, daß eine Bundesregierung vor Planung und Entscheidung über einen Einsatz sagt, was sie für Erfolg oder Mißerfolg hält, und nicht anschließend einen Mißerfolg noch als Erfolg ausgibt.
({3})
Sechstens: Für uns als Sozialdemokraten bleibt vorrangig, daß wir vorher klären, ob es nichtmilitärische Alternativen zu einem militärischen Einsatz gibt.
({4})
Das ist die ganze Frage der Prävention, der Stärkung der präventiven Fähigkeiten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Ich glaube, daß man hier nicht nur über nichtmilitärische Alternativen verbal reden muß; man muß auch die Fähigkeiten der Europäischen Union und der Vereinten Nationen in diesem Bereich stärken. Darüber haben wir heute von Ihnen in der Praxis sehr wenig gehört.
({5})
Siebtens: Dann wollen wir gerne etwas über die voraussichtliche Dauer eines jeweiligen Einsatzes wissen. Das ist eine Frage, die Sie in bezug auf AWACS und Adria heute nicht beantwortet haben.
Achtens: Wir möchten gerne wissen, welche Konsequenzen ein jeweiliger solcher Einsatz für den Bundeshaushalt hat. Das ist eine Frage, die Sie heute auch nicht beantwortet haben.
Dazu gehört insbesondere auch, daß in Zukunft in einen Bundeshaushalt ein eigener Titel eingestellt gehört, der sich auf solche Einsätze bezieht, damit wir darüber parlamentarisch beraten und auch entscheiden können.
({6})
Karsten D. Voigt ({7})
Das kann sich im Laufe des Jahres andern, weil andere Fälle dazwischenkommen - wie bei der humanitären Hilfe auch. Aber es kann nicht angehen, daß in der Haushaltsfrage keine parlamentarische Entscheidung getroffen wird, also in dieser Frage an dem Parlament vorbei entschieden wird.
({8})
Es darf auch nicht dazu führen, daß der Bundeshaushalt im Verteidigungsbereich wegen dieser Aufgaben erhöht wird. Deshalb muß auch die Bundesregierung in diesem Bereich ihre Prioritäten vor dem Bundestag darlegen.
({9})
Neuntens: Wir müssen wissen, welche jeweiligen Risiken mit einem solchen Einsatz verbunden sind - nicht nur für die Soldaten; da sind die Risiken bei dem AWACS-Einsatz und dem Adria-Einsatz relativ gering, sondern auch für die deutsche Außenpolitik.
Es ist z. B. ein wichtiges Moment, daß wir, wenn wir nach Ruanda oder in die Umgebung von Ruanda gehen würden, in eine afrikanische Außen- und Sicherheitspolitik mit der Präsenz deutscher Blauhelme hineingezogen werden würden - auch wenn es nur friedenserhaltende Blauhelme sind -, womit wir faktisch in der Vergangenheit außerordentlich wenig Erfahrungen gemacht haben. Wir könnten dann sehr leicht in die Situation geraten, als Neokolonialmacht wahrgenommen zu werden, was bisher nicht der Fall war, weil wir dies seit langer Zeit, seit Ende des Ersten Weltkrieges nicht mehr waren.
Deshalb müssen wir in einem solchen Fall sehr genau abwägen, ob unter diesen Gesichtspunkten die außenpolitischen Risiken verantwortbar sind und ob wir nicht die Möglichkeit zur friedlichen Konfliktlösung beeinträchtigen, indem wir uns an der Entsendung von Soldaten dorthin beteiligen.
Zehntens: Dann ist es sehr wichtig, wer sich jeweils am Einsatz beteiligt. Dabei ist es natürlich eine wichtige Fragestellung, ob sich unsere Partner in der Europäischen Union und in der NATO an einem Einsatz beteiligen. Das ist aber nicht allein entscheidend. Es kann nicht die Entscheidung hier im Parlament durch eine Entscheidung in Brüssel, in Washington oder in New York ersetzt werden. Das ist nicht eine Frage des „Sonderweges", sondern so entscheidet jedes vernünftige Parlament im Westen, wenn es über solche Dinge entscheiden kann. Und wenn, wie in Frankreich, das Parlament nicht entscheidet, dann entscheidet der Präsident, ob solche eigenen Kategorien einzuhalten sind.
({10})
Deshalb müssen wir im Einzelfall entscheiden.
Elftens: Dann möchte ich ganz deutlich sagen, daß zu einer Kalkulation bei Beginn des Einsatzes auch gehört, daß man weiß, wie man wieder herauskommt. Das ist ein Punkt, den die Amerikaner besonders bitter erfahren haben. Es reicht nicht, wenn man jeweils auf CNN oder sonstiges Fernsehen guckt und sagt, da ist die Lage schrecklich, und wenn man deshalb sagt, man muß etwas tun. Es reicht nicht, daß man dann jeweils betroffen ist und sagt, man muß „etwas" tun.
Das, was man tun will, muß auch wirken, damit man den Menschen hilft und es nicht bei der Absicht, den Menschen zu helfen, bleibt. Deshalb muß man auch wissen, wie man aus der jeweiligen Situation wieder herauskommt.
({11})
Herr Bundesaußenminister, ich habe es sehr bedauert, daß Sie in Ihrer heutigen Rede nicht erwähnt haben - vielleicht aus Zeitgründen -, wie sehr die Deutschen gerade im ehemaligen Jugoslawien präsent sind, aber mit zivilen Komponenten. Zum Beispiel Hans Koschnick mit seiner Mission in Mostar ist eine deutsche Präsenz, unumstritten in der dortigen Region,
({12})
und sie ist ein Zeichen, daß man, wenn man über Präsenz redet, nicht nur über militärische Präsenz reden muß und reden darf. Wir sind präsent, sogar am Boden präsent, mit Leuten, mit Helfern, mit Hans Koschnick und vielen anderen, die dort akzeptiert sind.
({13})
Wir sind präsent mit den Hilfslieferungen der Flugzeuge. Wir sind präsent mit hunderten von zivilen Hilfsorganisationen, die unter großen Risiken vor Ort sind. Wir sind präsent mit EU-Beobachtern. Wir müssen uns endlich nach der Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen damit auseinandersetzen und es beenden, daß wir unter Präsenz nur militärische Präsenz verstehen.
({14})
Es muß auch in unserer Redeweise die Priorität des Zivilen sichtbar werden, auch wenn das Militärische in bestimmten Fällen unvermeidlich ist; deshalb sagen wir hier auch ja, aber es ist die Ultima ratio.
({15})
Zuallerletzt, Herr Bundesaußenminister: Ich hätte gerne gesehen, daß Sie zu dem faktischen Scheitern des Fünfer-Vorschlages in bezug auf Jugoslawien etwas sagen. Wir entscheiden ja über Jugoslawien. Was bedeutet es, daß die Serben nein gesagt haben? Welche Maßnahmen plant die EU-Präsidentschaft? Sie, Herr Bundesaußenminister, sind EU-Präsident im Rat der Außenminister. Wir möchten gerne wissen, was Sie jetzt planen. Wir möchten nicht, daß wir, wenn wir jetzt wieder in die parlamentarische Sommerpause gehen, plötzlich von irgendwelchen Dingen überrascht werden, weil Sie uns nicht über Absichten informiert haben, die Sie nach dem Nein der Serben haben.
({16})
Ich sage Ihnen ganz deutlich, daß wir in dieser Frage
auf einer umfassenden Information des Parlaments
bestehen und im Notfall auch Sitzungen, zumindest
Karsten D. Voigt ({17})
des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses einfordern werden, denn eine Parlamentsbeteiligung ist auch hinsichtlich der Absichten der Europäischen Union erforderlich, besonders wenn zur Zeit eine deutsche Präsidentschaft besteht.
Ich habe auch Ihre Kritik an der Haltung Griechenlands vermißt. Wir sind beim Embargo an der Adria dabei. Aber das Embargo wird an der griechischen Grenze durchlöchert. Da müssen Sie doch etwas zu einem EU-Partner sagen, nicht nur etwas dazu, was an der Adria gemacht wird, sondern auch zu dem, was an Blockade teilweise verhindert wird.
Es sind doch schlicht und ergreifend - leider - auch zwei EU-Partner, die an der krisenhaften Zuspitzung beteiligt sind. Was macht die neue italienische Regierung gegenüber Slowenien? Was macht die griechische Regierung gegenüber Albanien? Hier sind wir doch gefragt, daß wir vorbeugen, und Sie als EU-Geschäftsführer, wenn ich so sagen darf, Sie als Außenminister und der Bundeskanzler sind doch gefragt, wie man hier vorbeugend wirken kann, damit der Jugoslawien-Konflikt, der sich jetzt in Bosnien konzentriert, nicht erneut explodiert und in Albanien oder im Kosovo oder vielleicht in der jetzt noch friedlichen Zone in Slowenien erneut zum Ausdruck kommt. Diese ganzen politischen Fragen müssen in Zukunft viel mehr in das Zentrum der Diskussion gerückt werden. In diesem Zentrum stehen sie bei uns.
Herr Kollege Voigt, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich wollte zum Schluß noch sagen: Für uns hat die friedliche Konfliktlösung Vorrang vor der militärischen. Wenn die militärische unausweichlich ist, werden wir im Einzelfall prüfen, aber immer mit der gebotenen Zurückhaltung, die der Tradition der Sozialdemokratie entspricht.
({0})
Das Wort hat der Kollege Günther Nolting.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ministerpräsident Scharping hat heute morgen ausgeführt: Ohne Verfassungsgerichtsurteil wäre die heutige Sitzung nicht zustande gekommen. Nein, meine Damen und Herren, die Sitzung ist bisher deshalb nicht zustande gekommen, weil die SPD sich immer wieder verweigert hat. Seit eineinhalb Jahren liegt jetzt ein Antrag der Koalition vor. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hätten die Möglichkeit zur Mitentscheidung gehabt,
({0})
und, Frau Kollegin, Sie hätten Ihre eigenen Vorstellungen einbringen können.
({1})
Sie haben das aber boykottiert; Sie haben sich verweigert. Sie sind in dieser Frage politikunfähig. Sie sind
nicht in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen. Dies geht letztendlich zu Lasten der Soldaten und ihrer Familien, und diese haben das nicht verdient.
({2})
Meine Damen und Herren, letztendlich leidet darunter auch unsere Glaubwürdigkeit. Ministerpräsident Scharping - er ist nicht da; man wird ihm nachreichen, was ich sage - will einen Konsens in der Außenpolitik. So hat er es heute morgen hier gesagt. Das ist gut so. Aber dann muß er auch entsprechend handeln, und zwar nicht nur heute in zwei Meinen Teilschritten.
Ich greife, meine Damen und Herren, einen Satz aus dem SPD-Parteiprogramm auf. Es heißt dort: „Die SPD steht dafür ein, daß die Bundeswehr nicht zu einer frei verfügbaren Interventionsarmee wird." Hier wird doch bewußt die irreführende Behauptung aufgestellt, daß aus der Bundeswehr, die eine Verteidigungsarmee ist und auch bleiben soll, nun eine Interventionsarmee werden soll. Diese Irreführung hat Methode. Denn die SPD will mit diesem Begriff suggerieren, dabei handele es sich um etwas Unrechtmäßiges, um etwas Unzulässiges.
({3})
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wissen, daß diese Aussage falsch ist.
({4})
So wird denn die vorher behauptete Möglichkeit einer Intervention, sprich: die angebliche Unzulässigkeit und Unrechtmäßigkeit eines solchen Einsatzes, dazu benutzt, zukünftige Verweigerungen schon jetzt anzukündigen. Der Konsens, der hier eingefordert wurde, ist damit schon wieder aufgekündigt. Die Antworten, die der Kollege Voigt heute gegeben hat, waren denn ja auch entsprechend nichtssagend und sollten von den eigentlichen Problemen, die Sie haben, ablenken.
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Die Ausführungen, die Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in Ihr Wahlprogramm hineingeschrieben haben, stellen dann auch einen Schlag in das Gesicht aller unserer Verbündeten dar, die z. B. im Verlauf des Golfkrieges den Aggressor Irak unter dem Dach der UN bekämpft haben. Hier wird für jedermann deutlich, was Sie in der Perspektive offensichlich wollen, nämlich den Ausstieg aus der westlichen Solidarität und aus der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik.
Meine Damen und Herren, die gewohnheitsrechtlich entstandene Möglichkeit, daß eine von der UN ermächtigte Koalition gegen einen Rechtsbrecher wie im Falle des Irak vorgeht, lehnen Sie ab. Die ebenfalls nirgendwo schriftlich niedergelegten, sondern ebenfalls gewohnheitsrechtlich entstandenen sogenannten Blauhelmeinsätze dagegen bejahen Sie. In der Realität aber sind die Grenzen zwischen Blauhelmeinsätzen und echten Kampfeinsätzen längst fließend geworden. Auch dies wissen Sie. Unsere Partner, mit
denen wir seit vielen Jahren in so erfolgreichen Wirtschafts- und Verteidigungsbündnissen zusammengearbeitet haben, betrachten kopfschüttelnd und mit tiefstem Unverständnis diese Ihre Diskussion.
Meine Damen und Herren, für die F.D.P. stelle ich fest, daß der erste Auftrag der Streitkräfte die Landes- und Bündnisverteidigung bleibt und daß darüber hinaus Kapazitäten für unausweichliche Erfordernisse des aktuellen Weltgeschehens verfügbar gehalten werden sollten. Wir werden dabei auch in Zukunft in jedem Einzelfall die Möglichkeit und Notwendigkeit unserer Beteiligung an politischen, wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen gegen einen Rechts-und Friedensbrecher sorgfältig prüfen und werden abwägen, was für Deutschland angemessen ist und was nicht.
Deshalb - dies sage ich ganz deutlich - bleiben wir bei der vertrauensbildenden Außenpolitik, der verantwortlichen Zurückhaltung. Diese Außenpolitik ist bei Außenminister Kinkel, bei der gesamten Regierung und der Koalition in guten Händen.
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Herr Präsident, ich möchte zum Abschluß noch zwei Bemerkungen machen.
Frau Kollegin Lederer, Sie haben heute morgen Richterschelte betrieben. Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes massiv kritisiert. Dies spricht fürwahr für die Haltung Ihrer Partei, die die Grundordnung unseres demokratischen Staates mit seiner Gewaltenteilung immer wieder in Frage stellt.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU
Sehr gut!)
Die zweite Bemerkung geht an den Kollegen Schulz von den GRÜNEN. Herr Kollege Schulz, Sie haben heute morgen die angeblich mangelnde parlamentarische Arbeit angesprochen. Ich frage Sie deshalb: Wie ernst nehmen Sie Ihre eigene Arbeit, wenn Sie ausweislich des Protokolls in dieser Legislaturperiode an kaum einer Sitzung des Verteidigungsausschusses teilgenommen haben,
({0})
auch wenn heute anstehende Fragen diskutiert wurden? Bevor Sie sich hier hinstellen und das Parlament und die Regierung - hier insbesondere den Außenminister - beschimpfen, kehren Sie erst vor Ihrer eigenen Haustür!
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ulrich Briefs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich treibt im Zusammenhang mit der heutigen Debatte und dem Verfassungsgerichtsurteil vor allen Dingen die Sorge vor einer Rehabilitierung der deutschen militärpolitischen Tradition um. Deutsche Soldaten bei der Parade zum
14. Juli auf den Champs-Elysées, die Verengung des Widerstands gegen Hitler auf die überwiegend nationalkonservativen Widerständler vom 20. Juli, in der Mehrheit Militärs, und nun die Freigabe des internationalen Einsatzes deutscher Soldaten bis hin zu Kampfeinsätzen: Da kommt schon einiges zusammen, wie man sieht.
Ich kann mir in der Tat bessere Gelegenheiten zur Demonstration von internationaler Solidarität vorstellen als ausgerechnet eine Militärparade in Paris. Bei der Parade am 14. Juli sind aber - das, finde ich, ist doch etwas pikant - immerhin deutsche Soldaten zu Ehren der großen Französischen Revolution paradiert, jener Revolution, die von der deutschen Rechten und dem deutschen Bürgertum in seiner großen Mehrheit eigentlich immer abgelehnt wurde, weil sie mit der von Gott gegebenen Obrigkeit Schluß gemacht hatte und an deren Stelle die bürgerliche Republik gesetzt hatte. Die deutschen Soldaten sind paradiert zu Ehren der Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", die in der Tradition der deutschen Rechten und in der deutschen Militärtradition nun wirklich nie einen Platz hatte.
Der Widerstand der Offiziere des 20. Juli - vor deren Opferbereitschaft und vor deren Leiden wie vor dem Leiden und der Opferbereitschaft der anderen Widerständler wir hohen Respekt haben müssen - muß aber doch Fragen über Fragen aufwerfen: Fragen in bezug auf das Verhalten der deutschen Wehrmacht und des deutschen Offizierskorps in den Jahren von 1933 bis 1945 und vielleicht auch in der Geschichte insgesamt. Warum hat es keinen Protest und keinen Widerstand des Offizierskorps bereits nach dem 30. Januar 1933 gegeben? Denn der NS-Terror - das ist Ihnen doch bekannt - begann am 31. Januar 1933. Warum hat es keinen Widerstand des Offizierskorps gegeben, als Rotterdam und Coventry bombardiert wurden, warum nicht bereits, als Guernica bombardiert wurde? Warum hat das deutsche Offizierskorps Jahre vor dem 20. Juli 1944 nicht Widerstand gegen den planmäßigen doppelten Genozid im deutschen Namen geleistet? Oder war es vielleicht so, wie die neuere militärhistorische Forschung zu belegen scheint, daß die Wehrmacht intensiver und aktiver am doppelten Völkermord beteiligt war, als bisher bekannt war?
({0})
Warum hat es in der Wehrmacht und insbesondere im Offizierskorps offensichtlich kein Verantwortungsbewußtsein dafür gegeben, daß die deutschen Verbrechen künftige Generationen - also auch uns hier und heute - und das Land insgesamt für immer belasten würden? Wo war das Verantwortungsgefühl der Wehrmacht dafür, daß der von dieser Wehrmacht vom Zaun gebrochene und so brutal geführte Krieg uns - ich war bei Kriegsende sechs Jahre alt - eine Kindheit und eine Jugend mit Hunger und Entbehrung, in Not und Trümmern bringen würde? Warum hat es keinen Aufstand des militärischen Gewissens gegeben, als Kinder, Frauen und Männer - zivile, zu schützende Personen - aus deutschen Städten und Dörfern in die Vernichtungslager deportiert wurden? Eine größere Perversion militärischen Selbstverständnisses als in der reichsdeutschen Wehrmacht von vor 1945 ist wohl kaum denkbar.
Fragen über Fragen stellen sich also gerade auch heute. Ich warne vor dem Versuch, diesen Fragen ausweichen zu wollen. Gerade wenn sich Deutschland mit Soldaten an internationalen Einsätzen beteiligt - was nun wohl nicht mehr zu verhindern ist -, muß eine konsequente weitere Aufarbeitung der verhängnisvollen Rolle des deutschen Militärs in der NS-Zeit und auch davor erfolgen. Sie muß auch erfolgen, um dazu beizutragen, daß keine weitere Militarisierung der Politik, speziell der Außenpolitik stattfindet.
Für Stolz auf deutsches Militär, auf deutsche Offiziers- und Militärtradition besteht wahrhaftig kein Anlaß, für tiefe Trauer und Scham dagegen sehr wohl.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rudolf Krause.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen der vorgerückten Stunde werde ich nur die zweite Hälfte meines Manuskripts vortragen.
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Dem Verfassungsgerichtsurteil ist zuzustimmen, daß der Deutsche Bundestag über den Einsatz der Bundeswehr zu entscheiden hat. Friedenschaffende Maßnahmen sind aber - jawohl, Herr Kollege Verheugen, Sie sagten es in dieser Woche - Krieg, sie sind nichts anderes als Töten und Getötetwerden. Aber es gibt auf dieser Welt eben auch gerechte Kriege, Verteidigungskriege, gegen welchen Aggressor auch immer.
Für den deutschen Soldaten stellt sich jetzt die Frage, für wessen Interessen er fernab von unseren Landesgrenzen kämpfen und notfalls auch sterben soll. Denkbar sind solche Einsätze. Ich kann mich erinnern, daß Mitte 1991 die israelische Armee ihre dunkelhäutigen Glaubensbrüder aus Äthiopien ausgeflogen hat. Auch Deutschland muß bereit sein, notfalls so etwas in Mittelasien oder, was Gott verhüten möge, auch in Namibia leisten zu können.
Ich will hier nicht das makabere Wort von den „Voyeuren des Grauens in den Massenmedien" untersuchen. Aber UNO-Beobachter sollten mehr tun, als untätig das Völkermorden zu beobachten, und sie sollten auch mehr tun dürfen.
Blut und Leben unserer deutschen Soldaten darf auch in Zukunft nirgendwo auf der Welt für fremde Interessen geopfert werden, wie es viele Angehörige der Völker der Sowjetunion gegen ihren Willen jahrzehntelang tun mußten. In Europa selbst aber muß unsere Bundeswehr stark und verteidigungsbereit bleiben. Dazu gehört ganz konkret auch, daß die jungen Deutschen, die gerne zwei Jahre in der Bundeswehr dienen wollen, eine Arbeitsplatzgarantie haben. Auch mein Sohn wurde wie viele gedrängt, nur ein Jahr in der Bundeswehr zu dienen, obwohl er gerne zwei Jahre gedient hätte, wenn er eine Arbeitsplatzgarantie bekommen hätte. Hier ist das Verteidigungsministerium im Zugzwang, denn es muß wieder eine gesunde Relation zwischen den Mitteln für Ausrüstung und den Mitteln für das Personal hergestellt werden. Es nützte uns keine deutsche Armee, die
durch verschrottungsreife Waffen inaktiv geworden wäre. Nur wenn, wie ich es als Thomaner oft gesungen habe, „ein starker Gewappneter seinen Palast bewahrt, so bleibt das Seine in Frieden".
Lassen Sie mich zum Schluß etwas noch zum Entschließungsantrag der PDS sagen. Die PDS fordert ein Bleiberecht für alle Deserteure aus allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Meine Damen und Herren Kollegen von der PDS, Sie haben nicht das moralische Recht dazu. Kommunisten haben ihre Deserteure immer an den Grenzen abgeknallt. Ich sage das bewußt. Kranke GULag-Häftlinge wurden millionenfach mit dem Hammer erschlagen. Die jüngste Vergangenheit ist da nicht aufgearbeitet. Lesen Sie bitte alle wieder Solschenizyn! Es gilt auch jetzt und jetzt erst recht: Wehret den Anfängen! Wer mit Kommunisten paktiert, wer sich von Kommunisten wählen läßt - das hätte auch im Reichstag für Herrn Rau gegolten -, sollte zuvor einen Blick in Solschenizyns Werk tun. Das ist, glaube ich, der kleine Katechismus, der gegenwärtig nötig ist.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Lowack will seinen Redebeitrag zu Protokoll geben.*)
({0})
- Ich habe dazu das offensichtlich vorhandene Einverständnis des Hauses eingeholt.
Ich schließe die Aussprache.
26 Kolleginnen und Kollegen haben schriftlich eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung abgegeben.** ) Die Kollegin Wieczorek-Zeul, die Kollegin Zapf und der Kollege Stefan Schwarz wollen dazu nach § 31 unserer Geschäftsordnung das Wort nehmen. Ich werde es ihnen nach der ersten Abstimmung während der Auszählung erteilen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 12/8303. Die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Sind alle Stimmen abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.*** )
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, damit ich jetzt den Kolleginnen und dem Kollegen, die das Wort zur Abstimmung wünschen, das Wort erteilen kann.
Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Sie haben das Wort.
*) Anlage 4
**) Anlagen 2 und 3
***) Ergebnis Seite 21208C
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der Abstimmung, die soeben erfolgt ist, dem vorgelegten Antrag der Bundesregierung nicht zugestimmt. Ich halte die Beteiligung der Bundeswehr bei der Durchsetzung des Adria-Embargos zwar prinzipiell für richtig. Ich möchte aber mit meinem Stimmverhalten ausdrücklich gegen die Art und Weise protestieren, wie die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien seit zwei Jahren den Versuch unternommen haben, scheibchenweise den eigentlichen Auftrag der Verfassung umzuinterpretieren und damit eine Entwicklung einzuleiten, die heute nur ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
Ich möchte auch dagegen protestieren, wie die Bundesregierung sozusagen im Schnellverfahren den Auftrag der Bundeswehreinheiten im Juli nach dem Verfassungsgerichtsurteil umdefiniert hat.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich folgendes Verfahren für unakzeptabel halte: Wir werden zu einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages einberufen. Ich verlange als Abgeordnete, da in der Begründung zu dem Antrag der Bundesregierung an mindestens fünf Textstellen auf NATO- und WEU-Beschlüsse Bezug genommen wird, daß ich in diese Einsicht erhalte. Als ich gestern beim Auswärtigen Amt angerufen und um Übersendung dieser Beschlüsse gebeten habe, auf die sich der Antrag, die Grundlage unserer heutigen Debatte, bezieht, wurde mir mitgeteilt, dies seien vertrauliche Texte, die den Abgeordneten nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Ich halte es für einen Skandal, wie hier mit den Abgeordneten verfahren wird.
Ich bin der Meinung, daß das Auswärtige Amt imstande sein muß, alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Das Ganze zeigt, daß hier eine Farce vollzogen wird. Ich denke, die Soldaten, um die es geht, haben ein Recht darauf, daß alle Abgeordneten wissen, worüber sie abstimmen.
Ich will im übrigen darauf hinweisen, daß der vorliegende Antrag der Bundesregierung eine Lücke beinhaltet, die unklar macht, ob die Bundesregierung demnächst nicht doch deutsche Kampfflugzeuge aufsteigen lassen will, die unklar macht, ob die Bundesregierung nicht doch deutsche Soldaten an Ultimaten beteiligen will. Nach Lage der Dinge ist zu befürchten, daß die Bundesregierung einen so beschlossenen Antrag nutzen wird, um weitergehende Militäreinsätze zu rechtfertigen, Militäreinsätze, die weiter gehen, als heute der eine oder andere, der zustimmt, zu glauben vermag.
Ich möchte im übrigen darauf verweisen, daß nach dem Urteil von vier Verfassungsrichtern Einsätze der NATO und der WEU von der Bundeswehr außerhalb des Verteidigungsauftrags ohne Veränderung der Verträge von NATO und WEU, die klare Verteidigungsbündnisse sind, nicht vollzogen werden können.
Ich möchte darauf hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Konsequenz des Verhaltens der Bundesregierung wird sein, daß, wenn sie sich durchsetzt, Aufrüstung angesagt sein wird, statt die Finanzmittel, die wir dringend für die notwendigen Aufgaben
Arbeit, Umwelt, Kindererziehung und Wohnung, brauchen, zur Verfügung zu stellen.
({0})
Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir hat heute in dieser Debatte eines gefehlt: Wir diskutieren über junge Menschen, über Soldaten und über Wehrpflichtige. Wenn zukünftig der Deutsche Bundestag entscheidet, ob deutsche Soldaten oder Wehrpflichtige in Auslandseinsätze geschickt werden, entscheiden wir auch über Fragen, die Leben und Tod von Menschen bedeuten können. Keiner von uns, der heute oder der zukünftig abstimmt, wird selber an Kriegs- oder Kampfeinsätzen beteiligt sein. Von anderen Mut zu verlangen, verlangt nicht sehr viel eigenen Mut. Jedenfalls ich und auch meine Partei, die SPD, werden deutsche Soldaten nicht in Kriegs- und Kampfeinsätze schicken.
Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort hat die Kollegin Uta Zapf.
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten begründen. Ich habe den Regierungsantrag abgelehnt. Ich werde aber auch den SPD-Antrag ablehnen, und zwar nicht aus grundsätzlich pazifistischen Oberzeugungen, sondern weil ich glaube, daß wir mit diesen Anträgen einen sehr unüberlegten ersten Schritt in ein Abstimmungsverhalten tun, das uns möglicherweise noch einmal leid tun wird.
Es gibt einen weiteren formalen Grund und ein paar inhaltliche Gründe. Der formale Grund ist: In der Tat finde ich diese Sondersitzung überstürzt angesetzt. Wir haben als Abgeordnete ein Recht, das uns zusteht, nicht wahrnehmen können, nämlich uns vorher sorgfältigst darüber zu informieren, worüber wir abstimmen.
Das eine Beispiel mit den Beschlüssen von NATO und WEU, die geheim sind und uns nicht zugehen können, hat uns Frau Wieczorek-Zeul genannt. Das heißt, wir haben dort eine publizierte Papierform, die offensichtlich noch nicht alles beinhaltet.
Das zweite: Offensichtlich sind Kabinettsbeschlüsse ebenso geheim. Ich habe nicht nur im Auswärtigen Amt angerufen, sondern auch im Bundeskanzleramt und um den Wortlaut der Kabinettsbeschlüsse gebeten. Auch dort wurde mir fast im selben Wortlaut erklärt: Die Kabinettsbeschlüsse sind geheim und können nicht herausgegeben werden. Ich halte das für einen absoluten Skandal. Ich denke, auch darüber müßte noch einmal geredet werden, wenn die Auskünfte so richtig sind.
Ein weiterer Punkt: Ich hätte es für seriös gehalten, wenn wir in der Tat auch im Ausschuß noch einmal genau die Fragen hätten stellen können, die Abgeordnete der SPD-Fraktion hier den einzelnen Ministern gestellt haben, z. B. Herrn Rühe, um genau zu klären, was denn der Wortlaut dieses Kabinettsbeschlusses bedeutet, wenn es dort heißt, daß die Beteiligung an den beiden Operationen „ab Zustimmung des DeutUta Zapf
schen Bundestages an die für die übrigen Bündnispartner gültigen Einsatzpläne der NATO und WEU" anzupassen sind, und ob sich dies auf alles bezieht, was z. B. in den hier herangezogenen Resolutionen der UNO enthalten ist. Das ist wesentlich mehr, als aus dem reinen, gutwillig interpretierten Wortlaut dieses Kabinettsbeschlusses, den wir absegnen sollen, hervorgeht und der auch in der Nr. 3 des SPD-Antrages enthalten ist.
({0})
Als letztes sage ich, daß mich die Diskussion und die Beiträge der Koaltionsfraktionäre noch einmal darin bestärkt haben, daß wir uns hier eigentlich einer Farce unterziehen. Wenn Herr Lamers sagt, daß es natürlich jeweils eine nationale Entscheidung gebe, aber im Grunde damit meint, daß diese nationale Entscheidung überhaupt nicht mehr offen ist, weil wir nämlich genauso stimmen müssen wie die Bündnispartner, dann können wir uns solche Sitzungen, in denen wir als Parlamentarier entscheiden, schenken. Deshalb kann ich einer solchen Farce natürlich nicht zustimmen.
Es kann doch nicht sein, daß wir uns unter dem Titel einer Sonderrolle jeglicher politischen Gestaltungsfähigkeit im außen- und sicherheitspolitischen Bereich begeben und daß z. B. Herr Scharping hier mehr oder minder verhöhnt wird, wenn er darauf hinweist, daß dieser auch von der NATO zitierte erweiterte Sicherheitsbegriff wesentlich mehr enthält als diese militärischen Dinge, die hier ständig im Mittelpunkt stehen und die offensichtlich für Sie alle von derartiger Wichtigkeit sind, daß Sie an anderes überhaupt nicht mehr denken können.
Ich möchte eine andere Sicherheitspolitik, und zwar nicht weil ich Pazifistin bin - das wissen diejenigen, die mit mir zusammenarbeiten -, sondern weil ich von einer Entscheidung, die ich mitzutragen habe, mehr Seriosität und mehr weitfristiges Denken erwarte, als ich hier gegeben sehe.
Ich danke Ihnen.
({1})
Meine Damen und Herren, zu der Erklärung von Frau Wieczorek-Zeul wünscht Frau Staatsministerin Seiler-Albring das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wieczorek-Zeul! Sie haben soeben am Rednerpult gesagt, daß sich das Auswärtige Amt geweigert habe, Ihnen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich war gestern in Straßburg bei der Vorstellung des zukünftigen Kommissionspräsidenten. Deshalb war ich nicht selber anwesend. Ich habe mich aber kundig gemacht.
Tatsache ist, daß ein Mitarbeiter in unserem Parlamentsreferat angerufen und nach Kabinettsprotokollen und NATO-Unterlagen gefragt hat. Sie sind klassifiziert.
({0})
Darf ich Ihnen weiterhin sagen, daß Ihnen ein Mitarbeiter - so wie man mich informiert hat - gesagt hat, daß das Auswärtige Amt und er selber Ihnen jede Unterlage zur Verfügung stellen würde, zu der Sie Zugang haben könnten. Ich möchte dies noch einmal für das Auswärtige Amt bestätigen, daß Sie selber jederzeit Zugang zu diesen entsprechenden Unterlagen haben.
({1})
Meine Damen und Herren, diese Erklärung war nach § 30 der Geschäftsordnung zulässig.
Als nächster hat unser Kollege Stefan Schwarz das Wort.
({0})
- Eine Antwort ist nicht zulässig. - Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine etwas bizarre Situation, in der ich spreche, denn ich wollte zu dem Antrag sprechen, der schon verabschiedet ist.
An die Adresse von Frau Wieczorek-Zeul will ich zu meinem Abstimmungsverhalten sagen: Ich habe klar mit Ja gestimmt. Sie können nicht denjenigen, die mit Ja gestimmt haben, unterstellen, daß sie nicht bereit seien, sich sozusagen selbst ins Feuer zu begeben, und daß sie wohlfeil das Leben junger Deutscher aufs Spiel setzten.
({0})
Ich weiß sehr gut und andere auch, was ich teilweise dafür bezahle, daß ich mich dem neuen Faschismus im Sinne Milosevics entgegenstelle. Ich halte diese Bemerkung von Ihnen schlicht für eine Unverschämtheit, entschuldigen Sie bitte.
({1})
Zur Abstimmung selbst habe ich mich zu Wort gemeldet, weil ich wahrscheinlich dem nächsten Bundestag nicht angehöre und hier ein Thema angeschnitten ist, von dem Sie alle wissen, daß es mich sehr bewegt. Lassen Sie mich noch ein paar Dinge sagen: Ich glaube, daß die Entscheidung, die wir heute treffen und getroffen haben, in gewisser Weise den Abschluß eines natürlichen Prozesses darstellt. Wir sind nicht mehr nur Nachkriegsdeutschland, sondern auch Nach-Mauer-Europa.
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Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, ob es uns paßt oder nicht: Das Ende der Idylle ist da. Es gibt keine deutsche Einigelung und keinen deutschen Sonderweg mehr, auch nicht in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Wir-sind-wieder-wer lehne ich, wie Herr Kinkel es formuliert hat, genauso ab wie den deutschen Sonderweg. Ich finde auch - das sage ich mahnend -, daß sich dieses Thema nicht nur als innenpolitischer Prügel eignet.
Wir müssen wissen: Mit der Entscheidung, die wir heute getroffen haben, haben wir nach aller statistischen Wahrscheinlichkeit entschieden, jeder einzelne von uns, daß Deutsche sterben werden. Jeder einzelne, der mit Ja gestimmt hat, auch ich, hat entschieden, daß es nach statistischer Wahrscheinlichkeit Deutsche geben wird, die für die Verteidigung von Menschenrecht, Völkerrecht und Überleben von anderen sterben werden. Dies müssen wir behalten.
Mir ist es wichtig zu sagen, daß dieser neuen Qualität der deutschen Position eine neue Qualität von Außenpolitik zur Seite gestellt werden muß. Ich sage kritisch: Das haben wir noch nicht erreicht. Wir haben in Bosnien ein Desaster erlebt. Wir erleben in Ruanda ein unglaubliches Desaster. Ich wundere mich schon ein wenig - das darf ich auch als Koalitionsabgeordneter sagen , daß man sehr viel über die Technik und Rechtsfragen redet, aber über die Motive für unsere Entscheidungen, die Menschen in Bosnien, die Katastrophe in Ruanda so herzlich wenig. Etwas mehr Orientierung auf die Menschen, für die wir das tun, würde ich mir für die Zukunft schon wünschen.
({3})
Ich will auf ein weiteres Problem aufmerksam machen, vor das die deutsche Regierung gestellt ist, und zwar schon länger und jetzt viel stärker. Es gibt eine klare Renationalisierung der Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union. Das Engagement Frankreichs in Ruanda ist zunächst ein nationales Interesse, nachträglich gedeckt vom Weltsicherheitsrat. Ich möchte den Bundeskanzler und den Bundesaußenminister wie auch im übrigen den Partnerlandsministerpräsidenten Rudolf Scharping dringend dazu auffordern, mit all unseren Kräften auf diese nationalen Alleingänge unserer engsten Freunde - Freunde! - einzuwirken und ihnen zu sagen: „Laßt es! Zieht uns nicht mit in einen solchen Sog hinein! " Denn dann würden wir insgesamt, weil wir so hoch integriert sind, in eine falsche Richtung kommen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, den Franzosen von solchen Abenteuern abzuraten - „dissuasion " ist deren Begriff für Abschreckung.
({4})
Zuletzt will ich sagen: Europa hat sich, wie wir alle wissen, sehr dramatisch gewandelt, und Deutschland ist ein Teil dieses Europas. Wir sind schon lange in der Situation - diese Debatte macht es deutlich -, daß wir nicht nur durch Handeln Fehler begehen, sondern wir begehen zur Zeit nach meinem Eindruck fast so viele Fehler durch Unterlassen. Ob wir etwas tun oder nicht tun, beeinflußt unsere Nachbarn unmittelbar.
Wir haben kein Recht, uns außerhalb Europas auf nationale Sonderwege zu begeben - in diese wie in jene Richtung nicht. Deshalb hoffe ich sehr, daß das, was der Bundeskanzler und was andere zum 20. Juli gesagt haben, auch die neue Qualität deutscher Außenpolitik ist, daß wir nämlich am Ende des 20. Jahrhunderts versuchen, Europa Richtung 21. Jahrhundert weiter zu modernisieren, und daß wir, weil wir einige Instrumente wieder haben, die wir für 50, 45 Jahre nicht hatten, der Gefahr genügend begegnen, in das Denken und auf die Instrumentarien der Außenpolitik des 19. Jahrhunderts zurückzufallen.
({5})
Es muß einen Fortschritt geben. Die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges muß einen Sinn gehabt haben. Das kann nur - das sage ich an alle Seiten dieses Hauses - das Mitmachen, die Integration im europäischen Kontext bedeuten. Ob das nun „Konvoi" heißt und Herrn Scharping nicht paßt, ist mir völlig egal. Nie wieder deutsche Sonderwege!
Schönen Dank.
({6})
Meine Damen und Herren, ich gebe zunächst das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen: 488; mit Ja haben gestimmt 424, mit Nein haben gestimmt 48, enthalten haben sich 16 Abgeordnete.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 485; davon:
ja: 421
nein: 48
enthalten: 16
Ja CDU/CSU
Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich
Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Baumeister, Brigitte Belle, Meinrad
Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk
Blank, Renate
Bleser, Peter
Dr. Blüm, Norbert Dr. Böhmer, Maria
Börnsen ({0}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang
Bohl, Friedrich
Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika Büttner ({1}), Hartmut
Buwitt, Dankward
Carstens ({2}), Manfred Carstensen ({3}),
Peter Harry
Clemens, Joachim Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl
Deß, Albert
Diemers, Renate
Doss, Hansjürgen
Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehrbar, Udo
Eichhorn, Maria
Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer
Erler ({4}), Wolfgang Eymer, Anke
Falk, Ilse
Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen
Fischer ({5}), Dirk Fischer ({6}), Leni Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.
Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({7}), Johannes
Dr. Geiger ({8}), Sissy Geiger, Michaela
Dr. Geißler, Heiner
Dr. von Geldern, Wolfgang Glos, Michael
Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin
Götz, Peter
Dr. Götzer, Wolfgang Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang
Grotz, Claus-Peter
Günther ({9}), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev
Handschack, Lothar Harries, Klaus
Haschke ({10}), Gottfried
Hasselfeldt, Gerda
Haungs, Rainer
Hauser ({11}), Hansgeorg
Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred
Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Herr, Norbert
Hiebing, Maria Anna
Vizepräsident Helmuth Becker
Hinsken, Ernst Hintze, Peter
Hörsken, Heinz-Adolf
Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul
Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert
Jäger, Claus
Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({12}),
Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin
Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon
Jung ({13}), Michael Junghanns, Ulrich
Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen
Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Kauder, Volker
Keller, Peter
Kiechle, Ignaz
Kittelmann, Peter Klein ({14}), Hans Klinkert, Ulrich
Köhler ({15}),
Hans-Ulrich
Dr. Köhler ({16}), Volkmar
Dr. Kohl, Helmut Kolbe, Manfred Koschyk, Hartmut Kraus, Rudolf
Krause ({17}), Wolfgang Kriedner, Arnulf
Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, Karl
Dr. Lammert, Norbert
Lamp, Helmut Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula
Dr. Lieberoth, Immo Link ({18}), Walter Lintner, Eduard
Dr. Lippold ({19}),
Klaus W.
Dr. Lischewski, Manfred Lohmann ({20}), Wolfgang
Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael
Maaß ({21}), Erich Männle, Ursula
Magin, Theo
Dr. Mahlo, Dietrich Marschewski, Erwin Marten, Günter
Dr. Mayer ({22}),
Martin
Meckelburg, Wolfgang
Meinl, Rudolf
Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard
Michalk, Maria Michels, Meinolf Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Dr. Müller, Günther Müller ({23}),
Hans-Werner
Müller ({24}), Alfons Nelle, Engelbert Neumann ({25}), Bernd Niedenthal, Erhard
Nitsch, Johannes
Nolte, Claudia
Dr. Olderog, Rolf
Oswald, Eduard
Otto ({26}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich
Pfeiffer, Angelika
Dr. Pflüger, Friedbert Pofalla, Ronald
Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert
Dr. Protzner, Bernd Raidel, Hans
Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf
Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika
Repnik, Hans-Peter
Dr. Riedl ({27}), Erich Riegert, Klaus
Dr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rönsch ({28}), Hannelore
Roitzsch ({29}), Ingrid Romer, Franz
Dr. Rose, Klaus
Rossmanith, Kurt J. Roth ({30}), Adolf Rother, Heinz
Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker
Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({31}), Helmut Schätzle, Ortrun
Schartz ({32}), Günther Schell, Manfred
Schemken, Heinz Scheu, Gerhard
Schmalz, Ulrich
Schmidbauer, Bernd Schmidt ({33}), Christian
Dr.-Ing. Schmidt ({34}),
Joachim
Schmidt ({35}), Andreas Schmidt ({36}), Trudi Schmitz ({37}),
Hans Peter
Dr. Schockenhoff, Andreas
Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard
Schulhoff, Wolfgang Schulz ({38}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan
Dr. Schwarz-Schilling, Christian
Seehofer, Horst
Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried
Sikora, Jürgen
Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Steinbach-Hermann, Erika
Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang
Stockhausen, Karl
Dr. Stoltenberg, Gerhard Stübgen, Michael
Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon
Szwed, Dorothea Tillmann, Ferdi Dr. Töpfer, Klaus
Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Verhülsdonk, Roswitha
Vogel ({39}), Friedrich Vogt ({40}), Wolfgang
Dr. Voigt ({41}), Hans-Peter
Dr. Waffenschmidt, Horst
Dr. Waigel, Theodor
Graf von Waldburg-Zeil, Alois Wetzel, Kersten
Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd
Dr. Wisniewski, Roswitha
Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({42}), Simon
Wonneberger, Michael Wülfing, Elke
Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang
Zierer, Benno
Zöller, Wolfgang
SPD
Andres, Gerd
Antretter, Robert Bachmaier, Hermann
Becker ({43}), Helmuth Berger, Hans
Beucher, Friedhelm Julius Bock, Thea
Dr. Böhme ({44}), Ulrich Börnsen ({45}), Arne Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({46}), Hans
Dr. von Bülow, Andreas Burchardt, Ursula Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Daubertshäuser, Klaus
Dr. Diederich ({47}), Nils Diller, Karl
Dreßler, Rudolf Duve, Freimut
Dr. Eckardt, Peter Eich, Ludwig
Esters, Helmut
Formanski, Norbert Fuchs ({48}), Anke Gansel, Norbert Dr. Gautier, Fritz Großmann, Achim Hampel, Manfred Hasenfratz, Klaus
Heistermann, Dieter Dr. Holtz, Uwe
Horn, Erwin
Huonker, Gunter Ibrügger, Lothar Iwersen, Gabriele Jäger, Renate
Dr. Janzen. Ulrich Jaunich, Horst
Jungmann ({49}), Horst Kastner, Susanne
Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich
Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbow, Walter
Koltzsch, Rolf
Koschnick, Hans Kretkowski, Volkmar Kuessner, Hinrich
Dr. Küster, Uwe
Lennartz, Klaus
Dr. Leonhard, Elke Lohmann ({50}), Klaus Matthäus-Maier, Ingrid Meißner, Herbert
Dr. Mertens ({51}), Franz-Josef
Mosdorf, Siegmar
Müller ({52}), Christian Neumann ({53}), Gerhard Dr. Niese, Rolf
Odendahl, Doris
Oostergetelo, Jan
Opel, Manfred
Dr. Otto, Helga
Palis, Kurt
Dr. Penner, Willfried Pfuhl, Albert
Dr. Pick, Eckhart
Poß, Joachim
Reimann, Manfred Reuschenbach, Peter W. Schanz, Dieter
Scheffler, Siegfried Schily, Otto
Schmidt ({54}), Ursula Dr. Schmude, Jürgen
Dr. Schnell, Emil
Schöler, Walter
Schütz, Dietmar
Schulte ({55}), Brigitte Schwanitz, Rolf
Seidenthal, Bodo
Dr. Soell, Hartmut Sorge, Wieland
Dr. Sperling, Dietrich Steiner, Heinz-Alfred Dr. Struck, Peter
Verheugen, Günter
Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({56}), Karsten D. Vosen, Josef
Wallow, Hans
Walther ({57}), Rudi Wartenberg ({58}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weis ({59}), Reinhard Weißgerber, Gunter
Welt, Jochen
Weyel, Gudrun
Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({60}), Hermann
Dr. de With, Hans Wohlleben, Verena Dr. Zöpel, Christoph
F.D.P.
Albowitz, Ina
Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf
Dr. Blunk ({61}), Michaela Bredehorn, Günther
van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Funke, Rainer
Dr. Funke-Schmitt-Rink,
Margret
Gallus, Georg Ganschow, Jörg Genscher, Hans-Dietrich Grüner, Martin
Dr. Guttmacher, Karlheinz Hansen, Dirk
Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich
Dr. Hirsch, Burkhard
Vizepräsident Helmuth Becker
Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, Sigrid
Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich
Dr. Jordan, Jens
Kleinert ({62}), Detlef Kohn, Roland
Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Leutheusser-Schnarrenberger,
Sabine
Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe
Dr. Menzel, Bruno Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Paintner, Johann
Parr, Detlef
Peters, Lisa
Dr. Pohl, Eva
Richter ({63}), Manfred
Dr. Röhl, Klaus
Schäfer ({64}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({65}), Arno
Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard
Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita
Seiler-Albring, Ursula Dr. Semper, Sigrid
Dr. Solms, Hermann Otto
Dr. Starnick, Jürgen
Dr. von Teichman, Cornelia Thiele, Carl-Ludwig
Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen
Turk, Jürgen
Walz, Ingrid
Dr. Weng ({66}), Wolfgang
Würfel, Uta
Zywietz, Werner
Nein
SPD
Bindig, Rudolf
Büttner ({67}), Hans Bury, Mans Martin
Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Elmer, Konrad
Ferner, Elke
Fischer ({68}), Evelin
Ganseforth, Monika Gilges, Konrad
Gleicke, Iris
Habermann, Michael Hanewinckel, Christel Kubatschka, Horst von Larcher, Detlev Lörcher, Christa
Dr. Lucyga, Christine
Marx, Dorle
Mascher, Ulrike
Müller ({69}), Michael Müller ({70}), Albrecht Müller ({71}), Jutta Reuter, Bernd
Schmidbauer ({72}), Horst
Sielaff, Horst
Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Terborg, Margitta Titze-Stecher, Uta
Urbaniak, Hans-Eberhard Wagner, Hans Georg Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wittich, Berthold
Zapf, Uta
PDS/Linke Liste
Bläss, Petra
Dr. Enkelmann, Dagmar
Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Henn, Bernd
Dr. Heuer, Uwe-Jens
Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({73}),
Fritz
Dr. Seifert, Ilja
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, Gerd
Schulz ({74}), Werner
Enthalten
SPD
Adler, Brigitte
Becker-Inglau, Ingrid Brandt-Elsweier, Anni Büchner ({75}), Peter Heyenn, Günther
Hiller ({76}), Reinhold Maaß ({77}), Dieter Mehl, Ulrike
Dr. Meyer ({78}), Jürgen Reschke, Otto
Schmidt-Zadel, Regina Tappe, Joachim
Weisskirchen ({79}), Gert Wettig-Danielmeier, Inge
Fraktionslos
Dr. Briefs, Ulrich
Dr. Krause ({80}), Rudolf Karl
Der Antrag ist damit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8320. Die Nr. 3 des Antrages ist wortgleich mit dem Antrag der Bundesregierung. Dieser Antrag ist soeben angenommen worden. Ich lasse somit über den SPD-Antrag ohne die Nr. 3 abstimmen. Die Fraktion der SPD
verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. * )
Sind Sie damit einverstanden, daß wir nun unmittelbar über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste abstimmen? - Das ist der Fall. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/8313. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen der Gruppe PDS/Linke Liste mit den Stimmen der übrigen Mitglieder des Hauses abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. Vorher erteile ich der Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, die gebeten hat, gemäß § 32 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung abgeben zu dürfen, das Wort. Bitte sehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte darauf hinweisen, daß ich gestern, da wir erst gestern angereist sind, meinen Mitarbeiter gebeten habe, im Auswärtigen Amt, und zwar beim Parlamentsreferat, in meinem Auftrag die entsprechenden Anträge und Beschlüsse von NATO und WEU, die hier in der Begründung des Regierungsantrages zitiert sind, anzufordern und mir zu übersenden. Weder war dazu das Auswärtige Amt imstande, mit der Begründung, das sei vertraulich, noch das Verteidigungsministerium.
Ich will allerdings hinzufügen, daß immerhin die Mitarbeiterin des Verteidigungsministeriums, die ich jetzt nicht namentlich nennen will, sagte, sie könne sich vorstellen, daß es für Abgeordnete sehr ärgerlich sei, wenn die entsprechenden Unterlagen nicht ausreichend zur Verfügung gestellt würden.
Deshalb halte ich meine Behauptung aufrecht. Ich kann auch die Namen nennen. Aber das, denke ich, ist nicht der Punkt. Es geht nicht um die kleinen Beamtinnen und Beamten, sondern es geht urn die Grundhaltung, die dabei in der Frage der NATO- und WEU-Beschlüsse deutlich geworden ist.
Das war die Erklärung gemäß § 32.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam machen: Ich habe vor der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8320 darauf hingewiesen, daß Nr. 3 des Antrages wort-
*) Ergebnis Seite 21211A
Vizepräsident Helmuth Becker
gleich mit dem Antrag der Bundesregierung ist, der soeben angenommen wurde, und habe ohne Nr. 3 über den Antrag der SPD abstimmen lassen.
Nun gibt es eine Reihe von Mitgliedern das Hauses, die sagen, daß sie nur einschließlich Nr. 3 abstimmen wollten. Wer also kundtun will, daß ihn dieses Mißverständnis veranlaßt hat, anders abzustimmen, als er eigentlich wollte, der muß dies durch eine schriftliche Eingabe an das Präsidium tun. Das ist nach der Geschäftsordnung zulässig.
Bitte, Kollege Struck.
Herr Präsident, darf ich für die SPD-Fraktion erklären, daß wir in unserer Gesamtheit davon ausgegangen sind, daß der Antrag der SPD-Fraktion so, wie er vorgelegt worden ist, also einschließlich Nr. 3, zur Abstimmung gestanden hat? Darf ich deshalb auch Ihr Einverständnis unterstellen, daß es nicht nötig ist, daß einzelne Abgeordnete noch Erklärungen abgeben, sondern daß meine Erklärung stellvertretend für die Fraktion ausreicht?
({0})
Wenn Sie das für die Fraktion der SPD erklären, nehmen wir das so zu Protokoll.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu dem von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelten Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Drucksache 12/8320. Abgegebene Stimmen: 490; mit Ja haben gestimmt 132, mit Nein haben gestimmt 345, enthalten haben sich 13.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 488; davon:
ja: 130
nein: 344
enthalten: 14
Ja
SPD
Adler, Brigitte
Andres, Gerd
Antretter, Robert
Bachmaier, Hermann Becker ({0}), Helmut' Becker-Inglau, Ingrid Berger, Hans
Beucher, Friedhelm .Julius Bock, Thea,
Dr. Böhme ({1}), Ulrich Börnsen ({2}), Arne Brandt-Elsweier, Anni
Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({3}), Hans
Büchner ({4}), Peter Dr. von Bülow, Andreas Burchardt, Ursula Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Daubertshäuser, Klaus
Dr. Diederich ({5}), Nils Diller, Karl
Dreßler, Rudolf Duve, Freimut
Dr. Eckardt, Peter Eich, Ludwig
Esters, Helmut
Fischer ({6}), Evelin
Formanski, Norbert Fuchs ({7}), Anke Ganseforth, Monika Gansel, Norbert Dr. Gautier, Fritz Großmann, Achim Hampel, Manfred Hasenfratz, Klaus Heistermann, Dieter Heyenn, Günther Hiller ({8}), Reinhold
Dr. Holtz, Uwe
Horn, Erwin
Huonker, Gunter Ibrügger, Lothar Iwersen, Gabriele Jäger, Renate
Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst
Jungmann ({9}), Horst Kastner, Susanne
Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich
Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbow, Walter
Koltzsch, Rolf
Koschnick, Hans
Kretkowski, Volkmar Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe
Lennartz, Klaus
Dr. Leonhard, Elke Lohmann ({10}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({11}), Dieter Matthäus-Maier, Ingrid Mehl, Ulrike
Meißner, Herbert
Dr. Mertens ({12}), Franz-Josef
Dr. Meyer ({13}), Jürgen Mosdorf, Siegmar
Müller ({14}), Michael Müller ({15}), Christian Neumann ({16}), Gerhard Dr. Niese, Rolf
Niggemeier, Horst Odendahl, Doris
Oostergetelo, Jan
Opel, Manfred
Dr. Otto, Helga
Palis, Kurt
Dr. Penner, Willfried Pfuhl, Albert
Dr. Pick, Eckhart
Poß, Joachim
Reimann, Manfred Reschke, Otto
Reuschenbach, Peter W. Schanz, Dieter
Scheffler, Siegfried Schily, Otto
Schmidt ({17}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen
Dr. Schnell, Emil
Schöler, Walter
Schütz, Dietmar
Schulte ({18}), Brigitte Schwanitz, Rolf
Dr. Soell, Hartmut Sorge, Wieland
Dr. Sperling, Dietrich Steiner, Heinz-Alfred Dr. Struck, Peter
Tappe, Joachim
Urbaniak, Hans-Eberhard Verheugen, Günter
Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({19}), Karsten D. Vosen, Josef
Wallow, Hans
Walther ({20}), Rudi Wartenberg ({21}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weis ({22}), Reinhard Weißgerber, Gunter
Weisskirchen ({23}), Gert Welt, Jochen
Wettig-Danielmeier, Inge Weyel, Gudrun
Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({24}), Hermann
Dr. de With, Hans Wohlleben, Verena Zapf, Uta
Dr. Zöpel, Christoph
Fraktionslos
Dr. Briefs, Ulrich
Nein
CDU/CSU
Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich
Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Baumeister, Brigitte Belle, Meinrad
Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk
Blank, Renate
Bleser, Peter
Dr. Blüm, Norbert Dr. Böhmer, Maria
Börnsen ({25}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang
Bohl, Friedrich
Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus
Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika Büttner ({26}), Hartmut
Buwitt, Dankward
Carstens ({27}), Manfred Carstensen ({28}),
Peter Harry
Clemens, Joachim Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl
Deß, Albert
Diemers, Renate Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehrbar, Udo
Eichhorn, Maria
Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer
Erler ({29}), Wolfgang Eymer, Anke
Falk, Ilse
Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen
Fischer ({30}), Dirk Fischer ({31}), Leni Frankenhauser, Herbert
Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.
Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({32}), Johannes
Dr. Geiger ({33}), Sissy Geiger, Michaela
Dr. Geißler, Heiner
Dr. von Geldern, Wolfgang Glos, Michael
Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter
Dr. Götzer, Wolfgang Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter
Günther ({34}), Horst Frhr. von Hammerstein,
Carl-Detlev
Handschack, Lothar Harries, Klaus
Haschke ({35}), Gottfried
Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer
Hauser ({36}), Hansgeorg
Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred
Vizepräsident Helmuth Becker
Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Herr, Norbert
Hiebing, Maria Anna Hinsken, Ernst Hintze, Peter
Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim
Dr. Hoffacker, Paul
Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert
Jäger, Claus
Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({37}),
Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin
Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon
Jung ({38}), Michael Junghanns, Ulrich
Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen
Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Kauder, Volker
Keller, Peter
Kiechle, Ignaz
Kittelmann, Peter Klein ({39}), Hans Klinkert, Ulrich
Köhler ({40}),
Hans-Ulrich
Dr. Köhler ({41}), Volkmar
Dr. Kohl, Helmut Kolbe, Manfred Koschyk, Hartmut Kraus, Rudolf
Krause ({42}), Wolfgang Kriedner, Arnulf
Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Lamers, Karl
Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut
Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula
Dr. Lieberoth, Immo Link ({43}), Walter Lintner, Eduard
Dr. Lippold ({44}),
Klaus W.
Dr. Lischewski, Manfred Lohmann ({45}), Wolfgang
Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael
Maaß ({46}), Erich Männle, Ursula
Magin, Theo
Dr. Mahlo, Dietrich Marschewski, Erwin Marten, Günter
Dr. Mayer ({47}),
Martin
Meckelburg, Wolfgang Meins, Rudolf
Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard
Michalk, Maria Michels, Meinolf Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Dr. Müller, Günther
Müller ({48}), Elmar Müller ({49}),
Hans-Werner
Müller ({50}), Alfons Nelle, Engelbert Neumann ({51}), Bernd Niedenthal, Erhard
Nitsch, Johannes Nolte, Claudia
Dr. Olderog, Rolf Oswald, Eduard
Otto ({52}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich
Pfeiffer, Angelika
Dr. Pflüger, Friedbert Pofalla, Ronald
Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Raidel, Hans
Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf
Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter
Dr. Riedl ({53}), Erich Riegert, Klaus
Dr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rönsch ({54}),
Hannelore
Roitzsch ({55}), Ingrid Romer, Franz
Dr. Rose, Klaus
Rossmanith, Kurt J. Roth ({56}), Adolf Rother, Heinz
Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker
Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({57}), Helmut Schätzle, Ortrun
Schartz ({58}), Günther Schell, Manfred
Schemken, Heinz Scheu, Gerhard
Schmalz, Ulrich
Schmidbauer, Bernd Schmidt ({59}), Christian
Dr.-Ing. Schmidt ({60}),
Joachim
Schmidt ({61}), Andreas Schmidt ({62}), Trudi Schmitz ({63}),
Hans Peter
Dr. Schneider ({64}), Oscar
Dr. Schockenhoff, Andreas
Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard
Schulhoff, Wolfgang Schulz ({65}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan
Dr. Schwarz-Schilling, Christian
Seehofer, Horst
Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried
Sikora, Jürgen
Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Spranger, Carl-Dieter
Steinbach-Hermann, Erika
Dr. Stercken, Hans
Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang
Stockhausen, Karl
Dr. Stoltenberg, Gerhard Stübgen, Michael
Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon
Szwed, Dorothea
Tillmann, Ferdi
Dr. Töpfer, Klaus
Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Verhülsdonk, Roswitha Vogel ({66}), Friedrich Vogt ({67}), Wolfgang
Dr. Voigt ({68}),
Hans-Peter
Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor
Graf von Waldburg-Zeil, Alois Wetzel, Kersten
Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd
Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({69}),
Simon
Wonneberger, Michael Wülfing, Elke
Yzer, Cornelia
Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno
Zöller, Wolfgang
SPD
Büttner ({70}), Hans Bury, Hans Martin
Dr. Dobberthien, Marliese Ferner, Elke
Gilges, Konrad
Habermann, Michael Hanewinckel, Christel Kubatschka, Horst von Larcher, Detlev Lörcher, Christa Mascher, Ulrike
Müller ({71}), Albrecht Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Titze-Stecher, Uta
F.D.P.
Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela
Baum, Gerhart Rudolf
Dr. Blunk ({72}), Michaela Bredehorn, Günther
van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Funke, Rainer
Dr. Funke-Schmitt-Rink,
Margret
Gallus, Georg Ganschow, Jörg Genscher, Hans-Dietrich Grüner, Martin
Dr. Guttmacher,
Karlheinz
Hansen, Dirk
Dr. Haussmann, Helmut -Heinrich, Ulrich
Dr. Hirsch, Burkhard
Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, Sigrid
Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich
Dr. Jordan, Jens
Kleinert ({73}), Detlef
Kohn, Roland
Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine
Lüder, Wolfgang
Lühr, Uwe
Dr. Menzel, Bruno
Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer
Paintner, Johann
Parr, Detlef Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({74}),
Manfred
Dr. Röhl, Klaus
Schäfer ({75}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({76}), Arno
Dr. Schmieder, Jürgen
Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard
Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Seiler-Albring, Ursula
Dr. Semper, Sigrid
Dr. Solms, Hermann Otto
Dr. Starnick, Jürgen
Dr. von Teichman, Cornelia Thiele, Carl-Ludwig
Dr. Thomae, Dieter
Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({77}),
Wolfgang Würfel, Uta Zywietz, Werner
PDS/Linke Liste
Bläss, Petra
Dr. Enkelmann, Dagmar
Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Henn, Bernd
Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea
Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg
Dr. Schumann ({78}),
Fritz
Dr. Seifert, Ilja
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Fraktionslos
Dr. Krause ({79}), Rudolf Karl
Enthalten
SPD
Bindig, Rudolf
Dr. Elmer, Konrad
Gleicke, Iris
Marx, Dorle
Vizepräsident Helmuth Becker
Müller ({80}), Jutta Reuter, Bernd
Schmidbauer ({81}), Horst
Sielaff, Horst
Terborg, Margitta
Wagner, Hans Georg
Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wittich, Berthold
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Poppe, Gerd
Schulz ({82}), Werner
Der Antrag ist somit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 6. September, 9 Uhr ein, falls uns in der Zwischenzeit nicht etwas Ähnliches widerfährt wie an diesem Tage.
Ich wünsche noch einige schöne Urlaubstage oder zumindest Erholung.
Die Sitzung ist geschlossen.