Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/22/1993

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Zunächst möchte ich Herrn Kollegen Rudi Walther ({0}), der heute seinen 65. Geburtstag feiert, die herzlichsten Glückwünsche des ganzen Hauses aussprechen. ({1}) Lassen Sie mich folgendes mitteilen. Aus dem Programmbeirat der Deutschen Bundespost scheidet der frühere Kollege Gerhard Pfeffermann als ordentliches Mitglied aus. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt als seinen Nachfolger den Abgeordneten Benno Zierer, der bisher stellvertretendes Mitglied war, vor. Neues stellvertretendes Mitglied soll der Abgeordnete Elmar Müller ({2}) werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit sind der Kollege Benno Zierer als ordentliches Mitglied und der Kollege Elmar Müller ({3}) als stellvertretendes Mitglied im Programmbeirat der Deutschen Bundespost benannt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 a und b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit ({4}) - Drucksachen 12/5262, 12/5617, 12/5761, 12/5891 ({5}) - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung ({6}) - Drucksache 12/1156 ({7}) ({8}) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur sozialstaatlichen Gewährleistung von Assistenz, Anleitung und/oder Pflege ({9}) - Drucksache 12/4099 ({10}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({11}) - Drucksachen 12/5920, 12/5952 - Berichterstattung: Abgeordnete Julius Louven Dr. Eva Pohl bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({12}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksachen 12/5931, 12/5932, 12/5933 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller Ina Albowitz b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({13}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige, Christina Schenk, Werner Schulz ({14}) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Soziale Absicherung einer besseren Pflege - Drucksachen 12/1712, 12/5920, 12/5952 - Berichterstattung: Abgeordnete Julius Louven Dr. Eva Pohl Zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen der CDU/ CSU und der F.D.P. sowie der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor; zum Gesetzentwurf der SPD liegen zwei Änderungsanträge der SPD vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache zwei namentliche Abstimmungen durchführen. Weitere namentliche Abstimmungen zu dem Tagesordnungspunkt 12 folgen gegen 13.45 Uhr. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Julius Louven.

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heute zu verabschiedenden Pflegeversicherung schließen wir eine nicht länger tragbare Lücke in unserem Sozialversicherungsnetz. Unsere Pflegeversicherung erhebt nicht den Anspruch einer Rundumversorgung. Wir erreichen mit ihr jedoch eine Grundversorgung. Wir sind der Ansicht, daß wir uns in der Auffassung „Ambulant vor stationär" treu geblieben sind. Um die Ausgaben im Griff zu behalten und auch, um den demographischen Risiken Rechnung zu tragen, werden in diesem Pflegegesetz die Leistungen den Einnahmen angepaßt, insoweit also gedeckelt. Wir haben es bei der Pflege mit einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik zu tun. Diese einnahmeorientierte Ausgabenpolitik wird von der SPD heftig kritisiert, ({0}) wobei ich Sie, Herr Heyenn, darauf hinweisen möchte, daß wir ja im GSG, das wir - Sie mit uns - gemeinsam beschlossen haben, durch die Budgetierung etwas Ähnliches haben. Und was im GSG richtig ist, kann doch wohl bei der Pflege nicht falsch sein. Was heute zur Beschlußfassung vorliegt, ist besser als der ursprüngliche Gesetzentwurf. Wir haben auf Grund der Anhörungen und auch auf Grund von Eingaben eine Reihe von Anregungen und Verbesserungsvorschlägen aufgenommen. Die wichtigsten will ich hier kurz erläutern. Zunächst der Hinweis: Wir haben Beamte, Abgeordnete, Staatssekretäre und Minister in die Regelungen des Pflegegesetzes und der Kompensation einbezogen. ({1}) Dabei sind die Regelungen für die Abgeordneten genauso wie die der Beamten. Daher, Herr Andres, weiß ich nicht, wieso Sie dazu kommen, zu sagen, daß diese unzureichend sind. Der Leistungsbezug aus der Pflegeversicherung beginnt drei Monate nach Inkrafttreten. Damit lösen wir die Probleme der Krankenkassen bei der Umsetzung der Pflegeversicherung und auch die Probleme der Anschubfinanzierung. Ich denke, daß dieses Verschieben um drei Monate zu rechtfertigen ist. „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung" ist ein Prinzip unserer Pflegeversicherung. Das heißt, daß derjenige, der in der Privatversicherung krankenversichert ist, dort auch pflegeversichert sein muß. Gleiches gilt für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Privatversicherungsgesellschaften unterliegen einem Kontrahierungszwang. Ausschließungsgründe gibt es nicht. Wir haben in dieser Pflegeversicherung ein Wahlrecht eingeräumt, wonach freiwillig Versicherte in der Krankenversicherung über sechs Monate ein Wahlrecht haben, ob sie der gesetzlichen oder der privaten Pflegeversicherung beitreten wollen. Die SPD rügt auch diesen Grundsatz „Pflege folgt Krankheit". Insbesondere wollte sie nicht, daß breitere Kreise in der Privatversicherung versichert sind. Die SPD will eine Volksversicherung, die eindeutig verfassungswidrig ist. ({2}) Die SPD betont bei anderer Gelegenheit immer wieder, daß sich unser Sozialversicherungssystem bewährt habe. Da frage ich Sie, meine Damen und Herren, wieso Sie, wenn sich etwas bisher bewährt hat, dies in einem anderen Bereich ändern wollen. ({3})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Louven, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Louven, Sie reden jetzt schon seit fünf Minuten. Würden Sie vielleicht außer über das Geld auch einmal über die Menschen reden, um die es geht, was Pflege eigentlich bedeutet, was es bedeutet, gepflegt werden zu müssen? Zweitens - das wollte ich eigentlich nicht fragen; aber da Sie gerade von der angeblichen Verfassungswidrigkeit einer Volksversicherung sprachen, stelle ich diese Frage doch -: Würden Sie zumindest bestätigen, daß eine Pflege, die steuerfinanziert wäre, auf jeden Fall nicht verfassungswidrig wäre, daß im Gegenteil im Ausschuß ausdrücklich gesagt worden ist, daß es die einzige Lösung wäre, die verfassungsrechtlich absolut unbedenklich wäre?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Seifert, ich rede vier Minuten, und wahrscheinlich müssen Sie mich noch fünfzehn Minuten ertragen. Sie müssen auch hinnehmen, daß ich hier die wesentlichen Änderungen erläutere. Das hat mit Kälte wohl absolut nichts zu tun. Zu Ihrem Einwand, ob eine steuerfinanzierte Versicherung verfassungsmäßig ist, muß ich sagen: Ja. Nur werden Sie nicht einsehen, daß wir derzeit nicht in der Lage sind, eine Pflegeversicherung aus Steuermitteln zu finanzieren. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir. Meine Damen und Herren, weiter zu den Änderungsanträgen: Die Einstufung derer, die schon jetzt Leistungen bei Pflege aus der Krankenversicherung beziehen, haben wir verändert. Alle, die jetzt die 400 DM bekommen, kommen sofort in die Pflegestufe II, erhalten also ab dem 1. Januar 800 DM. Auf Antrag - und das kommt für etwa 20 % der Leistungsbezieher in Betracht - erfolgt die Einstufung in die Pflegestufe III. Eine Rückstufung in die Pflegestufe I erfolgt für niemanden. Der Verwaltungsaufwand wäre hierfür viel zu groß. Diese Regelung ist eine erhebliche Vereinfachung für die Pflegekassen. Eine Antragsflut und ein Antragsstau werden mit dieser Regelung vermieden. So wie es jetzt schon die Krankenversicherung der Rentner gibt, haben wir zukünftig auch die Pflegeversicherung der Rentner, zu der die Rentenversicherung den halben Beitrag zahlt. Die Rentenversicherungsträger sind der Meinung, daß sie das Pflege-Versicherungsgesetz ab Jahresbeginn 1994 umsetzen können. Allerdings bedarf es hierbei einer Übergangsregelung, wonach die Rentenversicherung erst mit halbjähriger Verspätung die Rentner mit ihrem Beitragsteil belasten wird. Die Rentenversicherung selbst wird ihren Beitragsteil für das erste Halbjahr an die Pflegekassen entrichten. An dieser Stelle habe ich allen Grund, mich beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger dafür zu bedanken, daß er mit konstruktiven Beiträgen die Umsetzung der Pflegeversicherung erleichtert hat. Ich hätte mir das bei anderen Verbänden ähnlich gewünscht. Die Hilfe bei stationärer Pflege tritt - wie schon vielmals erläutert - zwei Jahre später in Kraft. Für diese Zwischenzeit werden Personen, die sich schon jetzt in stationärer Pflege befinden, beitragsfrei gestellt. Ich komme nun zum Begriff der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufe I. In den Anhörungen wurde - teils mit diskriminierender Absicht - eingewandt, der Gesetzentwurf beschränke sich auf eine „Satt- und Sauberpflege". ({0}) - Sie haben doch gerade die Antwort von Ihrem Kollegen bekommen. Wir haben mit den Änderungsanträgen klargestellt, daß dies nicht der Zielsetzung unseres Pflegegesetzes entspricht. Vielmehr muß die pflegerische Versorgung darauf ausgerichtet sein, den Pflegebedürftigen in seine Pflege und Betreuung aktiv einzubeziehen, um seinen Willen und seine Fähigkeit zur Selbsthilfe zu fördern und zu unterstützen. Wir haben auch klargestellt, daß geistig behinderte und seelisch kranke Menschen ebenso Leistungen der Pflegeversicherung erhalten können. ({1}) Bei der Pflegestufe I hatten wir, auch auf Grund der Anhörung, die Sorge, daß sie zu einem Einfallstor für eine Zusatzversorgung werden könnte. ({2}) Wir haben die Eingangsvoraussetzungen für die Pflegestufe I konkretisiert. Um Leistungen entsprechend dieser Pflegestufe erhalten zu können, wird gefordert, daß hinsichtlich mehrerer verschiedener Verrichtungen Hilfebedarf erforderlich ist. Eine zeitlich geringfügige Hilfeleistung kann noch nicht zu einer Anerkennung für die Pflegestufe I führen. Wir haben auch die Rentenversicherung für Pflegepersonen verbessert. Es wurde die Absicht uneingeschränkt begrüßt, daß die nicht erwerbsmäßig Pflegenden, also die privaten Pflegepersonen, in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden. Im eingebrachten Gesetzentwurf war eine sogenannte kleine additive Anrechnung vorgesehen. Diese haben wir erweitert. Pflegepersonen können bis zu 30 Stunden in der Woche erwerbstätig sein und erhalten dennoch die zusätzliche Anrechnung. Ich denke, das ist ein weiterer Anreiz zur ambulanten Pflege, getreu unserer Devise: ambulant vor stationär. ({3}) Ich möchte jedoch zu dieser Regelung auch erklären, daß ich darin keine Automatik für eine erweiterte Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung sehe. Dafür sind die Sachverhalte zu unterschiedlich. Ich komme jetzt zu dem Bereich der Mitfinanzierung durch die Länder. Ich möchte dazu ausdrücklich betonen, daß ich darüber enttäuscht bin, daß die Gespräche mit den Ländern hinsichtlich ihrer Mitfinanzierung der Pflegeversicherung bisher zu keinem Ergebnis geführt haben. ({4}) - Die Gespräche, zu denen die SPD-geführten Länder gar nicht erschienen sind, Herr Kollege Andres. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dies insoweit unproblematisch, als der Gesetzentwurf hierzu erst ab Jahresbeginn 1996 Leistungen vorsieht. Unbestritten ist, daß die Länder und die Kommunen durch die Einführung der Pflegeversicherung von Aufwendungen im Sozialhilfebereich erheblich entlastet werden. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß ein Teil dieser Ersparnisse für die Finanzierung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden soll. Kommt es hier zu keiner Lösung, wird ein wesentlich größerer Teil der Pflegebedürftigen in den Pflegeheimen auch weiterhin von der Sozialhilfe abhängig sein, als das bei einer Beteiligung der Länder der Fall wäre. Die Verantwortung hierfür tragen dann die Länder. Das kann, meine Damen und Herren, doch nicht das letzte Wort der Länder gewesen sein. Zur Harmonisierung von Pflegeversicherung und Bundessozialhilfegesetz: In den Beratungen des Gesetzentwurfs wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß es zweckmäßig ist, das neue Recht der Pflegeversicherung im Sozialhilfegesetz zu harmonisieren. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, daß auch künftig im Bereich der Sozialhilfe Leistungsanspruch bei einfacher Pflegebedürftigkeit unterhalb der Pflegestufe I besteht, auch wenn hier noch kein Anspruch gegen die Pflegekasse existiert. Dies wurde vor allem von den Wohlfahrtsverbänden gefordert. Wir haben dies in den Änderungsanträgen berücksichtigt. Die Sozialhilfe wird in diesem Bereich auch künftig Anspruchsleistungen vorsehen. Soweit zu den wichtigsten Änderungsanträgen. In der Schlußberatung des Ausschusses hat Kollege Andres, der nachher das Wort nehmen wird, erklärt, unsere Pflegeversicherung sei unsolide finanziert, sie beinhalte lauter Luftbuchungen. ({5}) Vor diesem Hintergrund möchte ich mich ein wenig mit dem SPD-Gesetzentwurf und insbesondere mit dem InfoDienst auseinandersetzen, den Sie zu unserem Pflege-Versicherungsgesetz herausgegeben haben, bei dem im wesentlichen nur das Bild des Herrn Dreßler stimmt. Ich habe den Kollegen Dreßler bislang dreimal aufgefordert, zu erläutern, wie er mit weniger Einnahmen mehr Ausgaben finanzieren will. ({6}) Auch in dem Info-Dienst bleibt er eine Antwort schuldig. Die SPD hat nach Ihrem Gesetzentwurf Einnahmen von 25,07 Milliarden DM; Sie können dies auf Seite 25 Ihres Entwurfs nachlesen. Wir haben nach unserem Gesetzentwurf Einnahmen von 25,8 Milliarden DM. Für beide Zahlen ist Basisjahr 1991. Bei fast 1 Milliarde DM mehr wollen Sie der Öffentlichkeit klarmachen, bei uns bekäme man weniger Leistungen. Dies erinnert mich an eine Wundertüte, aus der man mehr herausholt, als man hineingegeben hat. Sie wollen den Eindruck erwecken, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie alle Wünsche erfüllen, während unsere Pflegeversicherung in die Verelendung führt. Die Fakten: Eine Kompensation lehnen Sie ab, obwohl Sie wissen, daß die deutsche Wirtschaft erheblich überbelastet ist. Frau Matthäus-Maier, die ich I auch heute wieder zitiere, hat vor dem nordrhein-westfälischen Handwerk ausdrücklich erklärt, daß es eine Kompensation geben müsse, und die Ministerpräsidentin Simonis aus Schleswig-Holstein hat in der Sommerpause erklärt, man solle zur Finanzierung der Pflegeversicherung drei Feiertage streichen. ({7}) Wie Sie dann dazu kommen, eine Kompensation abzulehnen, ist mir schleierhaft. Die SPD behauptet, die Leistungen des Koalitionsentwurfs seien nicht dynamisiert. Ein Blick in § 26 unseres Gesetzentwurfs beweist: Dieser Vorwurf ist falsch. ({8}) Die SPD behauptet, es fielen 465 000 Pflegebedürftige, die bereits heute Leistungen erhalten, aus dem Leistungsbezug heraus. Auch diese Behauptung ist falsch. Richtig ist: 950 000 erhalten erstmals eine Leistung, 500 000 Pflegebedürftige statt 400 DM zukünftig 800 DM im Monat und 200 000 Pflegebedürftige statt 400 DM 1 200 DM im Monat. ({9}) Wir lassen uns, meine Damen und Herren von der SPD, unsere Pflege nicht kaputtreden. Wenn Sie dieses Gesetz hier und im Bundesrat ablehnen, werden Sie dies vor der deutschen Öffentlichkeit verantworten müssen. ({10}) Wir haben Wort gehalten. Mit uns kann die Pflege am 1. Januar in Kraft treten. ({11}) Noch zur Kompensation: Sie ereifern sich darüber, daß wir außer bei der Kürzung der Gehälter an Feiertagen weitere Kompensationsmaßnahmen vorsehen, nämlich die gegen mißbrauchliches Krankschreiben. Ich kann mich nur darüber wundern, daß Sie immer so tun, als gäbe es hier keine Probleme. Wir sehen hier eine Verschärfung der Anzeige- und Nachweispflicht des Erkrankten, eine unmittelbare Einschaltung des medizinischen Dienstes durch die Arbeitgeber, eine Auffälligkeits- und Stichprobenprülung durch die Krankenkassen und schließlich Sanktionen gegen Ärzte bei nicht gerechtfertigtem Krankschreiben vor. Ich denke, diese Maßnahmen sind richtig.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Louven, gestatten Sie weitere Zwischenfragen der Kollegen Seifert und Urbaniak?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja; bitte.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Zuerst Herr Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Louven, ich habe zwar keinen Grund, die SPD zu verteidigen, aber in bezug auf Ihre Bemerkung zur Dynamisierung möchte ich sagen: Sind Sie bitte auch so fair und teilen der deutschen Öffentlichkeit mit oder bestätigen Sie mir, daß Sie die Dynamisierung in bezug auf die häusliche Pflege ablehnen, obwohl Sie die Basis von 1991 zugrunde legen und erst 1994 zu zahlen anfangen und die 1200 DM Höchstbetrag, die sowieso nur ganz wenige bekommen, nicht dynamisieren.

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wundere mich über Ihre Frage, Herr Kollege, zumal wir zwei miteinander am Rande der Ausschußsitzung dieses Problem doch sehr ausführlich diskutiert haben. ({0}) Ich habe Ihnen gesagt, daß wir jetzt nicht in der Lage sind, zu dynamisieren, daß aber zukünftig selbstverständlich dynamisiert wird. Aber wir müssen doch erst einmal die Pflegeversicherung anlaufen lassen. ({1}) Wir können doch nicht gleich mit höheren Leistungen in den Leistungsbezug gehen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Urbaniak.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Louven, Sie sprechen von Kompensationsmöglichkeiten. Wie belasten Sie denn die Gemeinden, wenn Sie die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre kappen, ({0}) ihnen die Langzeitarbeitslosen überantworten und Sozialpläne für Betroffene kurz und klein schlagen? ({1})

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Urbaniak, ich bin bereit, mit Ihnen über jeden Punkt der Pflegeversicherung zu diskutieren. Diesen Punkt haben wir auf der Tagesordnung. Den, den Sie ansprechen, hatten wir gestern.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Louven, es gibt noch den Wunsch des Abgeordneten Heyenn nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie die noch zu?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke.

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sprechen von Mißbrauchsbekämpfung und erklären damit, daß Sie allen Krankenversicherten mißtrauen. Aber Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf 2,9 Milliarden DM jährlich durch Mißbrauchsbekämpfung einsparen. Sie sagen, Ihr Entwurf sei so solide finanziert. Können Sie uns erläutern, wie Sie 2,9 Milliarden DM durch Mißbrauchsbekämpfung einsparen wollen? ({0})

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Heyenn, ich habe an keiner Stelle gesagt, daß ich allen, die krank sind, mißtraue; an keiner Stelle. Dies möchte ich klarstellen. ({0}) Auf der anderen Seite wissen Sie so gut wie ich, daß es in diesem Bereich Mißbrauch gibt. Das hat in der Anhörung eine Rolle gespielt. ({1}) - Wenn Sie es auf Grund der Anhörung nicht glauben, Frau Kollegin, dann sollten Sie sich in den Betrieben umhören und mit Betriebsräten reden, die Ihnen dazu etwas sagen können. ({2}) - Zum Einsparvolumen selbst, Herr Kollege Heyenn - die Frage haben Sie auch im Ausschuß gestellt - ist hier eine Zahl angesetzt, von der ich nicht sagen kann, ob sie eintrifft oder ob sie nicht überboten wird. Dies müssen wir abwarten. Also hier kann man nicht mit verläßlichen Zahlen operieren. Dies werden Sie einsehen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt möchte ich mit den letzten Minuten meiner Rede fortfahren. - Aber wenn es ein Kollege meiner Fraktion ist, dann selbstverständlich. ({0}) Ich habe doch genug Zwischenfragen von euch zugelassen.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Louven, sind Sie mit mir einig und können Sie bestätigen, daß dann, wenn die Pflegeversicherung zum 1. Januar 1996 voll, auch mit der Heimpflege, wirksam wird die Kommunen ohne Zweifel zwischen 3 und 5 Milliarden DM sparen?

Julius Louven (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schemken, sie sparen viel mehr, nämlich etwa 7 bis 7,5 Milliarden. Wir sind der Meinung - im übrigen haben auch die kommunalen Spitzenverbände dies so gesehen-, daß die Hälfte dieser Ersparnis für Investitionsmaßnahmen in der Pflegeversicherung zur Verfügung gestellt werden sollte. ({0}) Meine Damen und Herren, die letzten zwei Minuten will ich nutzen, um noch etwas zum SPD-Gesetzentwurf zu sagen. Sie erheben einen Beitragssatz von 1,4 % - zugegeben bei einer anderen Beitragsbemessungsgrenze - und wollen damit einem versicherten Personenkreis von 2,5 Millionen Leistungen zukommen lassen. Sie brauchen aber, wenn Sie die Leistungsansprüche, wie Sie sie beschrieben haben, erfüllen wollen - insbesondere in der stationären Pflege nach oben offen -, nicht 25 Milliarden, sondern jährlich 35 bis 40 Milliarden DM. ({1}) Wie Sie dies mit 1,4 % schaffen wollen, ({2}) ist wirklich eine Luftbuchung. ({3}) Und ein Weiteres, meine Damen und Herren: Sie stellen einen weiteren ungedeckten Scheck zu Lasten Dritter mit Ihrer Forderung aus, die soziale Absicherung der ehrenamtlich Pflegenden, also der Pflegepersonen, in der Rentenversicherung solle durch einen Bundeszuschuß und nicht durch Beitragszahlungen der Pflegekassen vorgenommen werden. Beitragszahlungen der Pflegekassen bedeutet, jetzt für die späteren Renten zahlen. Bundeszuschuß bedeutet, erst dann zahlen, wenn die Pflegepersonen Rente erhalten. Dies ist unsolide; dies ist eine Luftbuchung. ({4}) Meine Damen und Herren, ich möchte trotz der Zwischenbemerkungen des Kollegen Heyenn die Gelegenheit nutzen, mich am Ende meiner Ausführungen bei Herrn Kollegen Heyenn, dem Ausschußvorsitzenden, dafür zu bedanken, daß er trotz gegensätzlicher Auffassung zu uns - das wird sicher heute hier noch deutlich werden - die Ausschußberatungen fair und zügig durchgeführt hat. ({5}) Wir wären nicht am Ziel, Herr Kollege Heyenn, wenn Sie nicht in so hervorragender Weise die Sitzungen geleitet hätten. Frau Präsidentin, meine Redezeit ist zu Ende. Sie müßten mir aber noch eine Minute als Berichterstatter gestatten. Ich muß nämlich hier darauf hinweisen, daß einige kleine Korrekturen am Gesetzentwurf angebracht werden müßten. ({6}) - Ach, Herr Andres, Sie wissen doch genau, worum es sich bei dem handelt, was ich jetzt anspreche. In den Gesetzentwürfen und im Bericht sind einige kleine Fehler enthalten. Mit dem Parlamentssekretariat und mit dem Ausschußsekretariat ist dies abgestimmt worden. Ich könnte mir vorstellen, daß es ausreicht, wenn ich Ihnen die Liste dieser kleinen Fehler übergebe und dann dafür Sorge getragen werden kann, daß die Fehler im endgültigen Gesetzestext berichtigt werden. * ) Schönen Dank für Ihr Verständnis. ({7}) - Hier ist nicht schlampig gearbeitet worden, Herr Kollege, sondern dies sind Fehler, die im Ausschußsekretariat passiert sind. Dafür will ich dieses Sekretariat aber nicht verantwortlich machen, denn in der Hektik des Geschehens bleibt so etwas nicht aus. ({8}) Ich habe im Gegenteil allen Grund, mich auch bei den Mitarbeitern des Ausschußbüros für ihre hervorragende Arbeit an dieser Stelle zu bedanken. ({9})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Gerd Andres. ({0}) *) Vgl. Anlage 2

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Wollt ihr die Pflegeversicherung, oder wollt ihr sie nicht?" ({0}) Mit dieser theatralisch vorgetragenen Fragestellung begann der Bundesarbeitsminister am Freitag, dem 1. Oktober 1993 seine Rede zum Entgeltfortzahlungsgesetz. ({1}) Unsere Antwort ist: ({2}) Wir wollen die Pflegeversicherung, Herr Blüm, aber wir wollen nicht Ihre Pflegeversicherung, weil sie unsozial und ungerecht ist. ({3}) In seiner Rede hieß es weiter: Am Schluß der ganzen langen Rede wird hier im Bundestag entschieden: Wollt ihr den Pflegebedürftigen helfen, oder wollt ihr nicht helfen? Auch dazu die Antwort: Wir wollen den Pflegebedürftigen helfen. Deshalb liegt im Deutschen Bundestag seit mehr als zwei Jahren der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer sozialen Pflegeversicherung der SPD vor, ({4}) der im übrigen auch dem Bundesrat gleichlautend vorliegt. Wir werden auch abstimmen, worauf Sie sich handfest verlassen können. ({5}) Ich halte hier in der Hand das Antragspaket, das diese famose Koalition am vergangenen Montag den Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung übergeben konnte ({6}) 249 Seiten, Antrag für Antrag, mit dem große Kapitel des Pflegeversicherungsgesetzes der Koalition und der Bundesregierung völlig umgeschrieben wurden. Was wir in dieser Woche erlebt haben, hat mit einer geordneten parlamentarischen Beratung nichts mehr zu tun. ({7}) Der Ausschuß erlebte, besonders am Mittwoch dieser Woche, das blanke Chaos. Änderungsanträge wurden eingebracht, wieder zurückgezogen, handschriftlich geändert. ({8}) Es war über weite Strecken nicht mehr möglich, zu wissen, was dort eigentlich beschlossen wird. Deswegen will ich hier ganz besonders den Mitarbeitern des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und dem Vorsitzenden Günther Heyenn danken. ({9}) Ich danke auch ganz besonders Herrn Frey, der für diesen Bereich zuständig war. Mein Dank gilt auch - das muß ich ganz fair und offen sagen - den Mitarbeitern des Bundesarbeitsministeriums. ({10}) Was die über Wochen malocht haben, Änderungsanträge geschrieben und wieder weggeworfen, alles neu geschrieben haben, weil diese chaotische Koalition ({11}) nicht in der Lage war, ein vernünftiges Beratungsverfahren zustande zu bekommen, verdient Lob, Dank und Anerkennung. ({12}) Die letzte Sitzungswoche, meine sehr verehrten Damen und Herren, war symptomatisch für die Behandlung des Themas Pflege in den letzten Jahren. Bei Ihrem untauglichen Versuch, das Privatversicherungsmodell mit einer gesetzlichen Pflegeversicherung zu verbinden, wurden viele Versprechen und Zusagen von Ihnen gebrochen und vor allen Dingen die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen Monate und Jahre hingehalten. Tatbestand ist: Eine vernünftige Pflegeversicherung könnte es längst geben, wenn diese Koalition aus F.D.P. und CDU/CSU dazu überhaupt die Kraft hätte und wenn Sie auf uns gehört hätten. Wir stimmen heute für unseren Gesetzentwurf und lehnen Ihren ab. Wir tun dies deshalb, weil wir das, was die Bundesregierung und die Koalition hier auf den Tisch legen, für eine grundsätzlich falsche Weichenstellung halten. Mit diesem Gesetzentwurf wird der Versuch unternommen, eine Mischung aus gesetzlicher und privatversicherungsrechtlicher Pflegeversicherung zu schaffen. Konsequenterweise setzen Sie auch auf eine weitere Nutzung des Bundessozialhilfegesetzes. Nicht die Befreiung der betroffenen Menschen von der Sozialhilfe ist Ihr Ziel, sondern die Schaffung einer Grundversorgung. Bereits in § 4 des Gesetzes, in dem nach Aussagen Ihres Hauses Grundsätze formuliert sind, kann man deshalb nachlesen: „Bei vollstationärer Pflege werden die Pflegebedürftigen von pflegebedingten Aufwendungen entlastet" . Auf unsere Nachfrage, warum der Gesetzgeber denn nicht formuliert „von den pflegebedingten Aufwendungen", wurde uns im Ausschuß klargemacht, daß dies bedeuten würde, daß man alle pflegebedingten Kosten übernehmen müsse; dies sei mit dem Gesetzentwurf der Koalition nicht gewollt. ({13}) Dadurch, daß sie sowohl für die ambulante als auch für die stationäre Versorgung den Höchstbetrag von 2 100 DM einführen, die Betroffenen im stationären Versorgungsfall Unterkunft und Verpflegung selbst tragen sollen, ist schon absehbar, daß ein großer Teil der betroffenen Pflegebedürftigen weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen sein wird. Im weiteren Zeitverlauf werden zusätzlich viele Pflegebedürftige wieder in den Sozialhilfebezug hineinwachsen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Andres, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich führe den Gedanken noch zu Ende. Ihre unsäglichen Eiertänze um die Definition des § 39, in dem in Abs. 2 die 2 100 DM für die stationäre Versorgung definiert sind, spricht dabei Bände. In einem am vergangenen Mittwoch nachmittag kurz vor Toresschluß eingebrachten Änderungsantrag haben Sie das Gesetz so geändert, daß im Gesetzestext davon gesprochen wird, daß 1996 bei Inkrafttreten der stationären Versorgung ein höherer Wert Geltung haben soll. Sie waren aber noch nicht einmal in der Lage, den von Ihnen errechneten Betrag für 1994 in Höhe von etwas über 2 300 DM in das Gesetz aufzunehmen. Warum eigentlich, meine Damen und Herren? Handelt es sich bei vielen dieser Positionen in der Tat um Luftbuchungen? ({0}) Ich denke, es ist so.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage des Abgeordneten Kauder? - Herr Kauder.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Andres, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß eines der wichtigsten Ziele in unserem Pflegeversicherungsgesetz ist, die Menschen aus der Sozialhilfe herauszubringen, daß dies genau eine der wichtigen Intentionen war? ({0})

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kauder, ich habe gerade versucht, Ihnen deutlich zu machen, daß das Gegenteil der Fall ist und daß Ihre Konstruktion im Zeitverlauf dazu führen wird, daß erst einmal rund 50 % der Betroffenen nicht herausfallen werden und im Zeitverlauf mehr und mehr Menschen wieder auf die Sozialhilfe angewiesen sein werden. Ihr Gesetz ist eben so konstruiert. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Pflegeversicherung muß nach unserer Auffassung nicht nur eine finanzierbare und angemessene Versorgung im Pflegefall gewährleisten, nein, sie muß auch dafür sorgen, daß die Pflegebedürftigen aus Gründen der Pflege nicht mehr zu Bittstellern im Rahmen der Sozialhilfe werden. ({1}) Unser Gesetz realisiert diesen Anspruch und ist solide finanziert. Sie, Herr Bundesarbeitsminister, wissen das auch. Deshalb arbeiten Sie, wie noch am 1. Oktober 1993, mit Unterstellungen und Verunglimpfungen. Zitat - Herr Louven hat das ja eben wiederholt -: Der Höhepunkt von allem ist, daß die SPD weniger Geld hat als wir, aber mehr bezahlen will. ({2}) Herr Bundesarbeitsminister, ich bin gerne bereit, Ihnen diesen Höhepunkt zu erläutern. Das setzt allerdings Korrektheit und Ehrlichkeit voraus. Ich will versuchen, es Ihnen noch einmal zu erklären. Den Damen und Herren des Ausschusses habe ich das ausführlich darstellen können. Wir definieren in unserem Gesetz einen anderen versicherungspflichtigen Personenkreis. Sie behaupten, dies sei verfassungswidrig. Ein von Ihrem Hause selbst in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahre 1991 vom Vizepräsidenten des Bundessozialgerichtes, Herrn Professor Dr. Krasney, stellt dazu folgendes fest: Es erscheint kompetenzrechtlich im Rahmen des Art. 74 Nr. 21 GG zulässig, die soziale Pflegeversicherung grundsätzlich als einen alle Bürger umfassenden Zweig der Sozialversicherung auszugestalten. In einer Presseerklärung von Ihnen vom 9. Dezember 1991 heißt es daran anschließend - ich schenke sie Ihnen gerne, wenn Sie sich nicht mehr daran erinnern können -: ({3}) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dankt dem Gutachter Professor Dr. Krasney für seinen Beitrag zur Klärung dieser schwierigen Rechtsfragen bei der Einführung einer sozialen Pflegeversicherung. Eigentor, Herr Blüm, will ich hier festhalten. Zweitens geht der SPD-Gesetzentwurf von einer anderen Versicherungspflichtgrenze aus. In den Ausschußberatungen kam zum Vorschein, daß der Gesetzgeber ohne weiteres in der Lage wäre, eine andere Versicherungspflichtgrenze als die der Krankenkasse auszuwählen. Die SPD hat sich für die Versicherungspflichtgrenze der Rentenversicherung mit gegenwärtig 7 200 DM entschieden. Auf Grund dieser beiden Tatbestände will ich Ihre Frage gerne beantworten: Jawohl, wir haben auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfs mehr, und wir könnten damit auch bessere und mehr Leistungen bezahlen. ({4}) Ein anderer versicherungspflichtiger Personenkreis und die höhere Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung führen bei einem Beitragssatz von 1,4 % dazu, daß im Jahre 1994 von Gesamteinnahmen von rund 30 Milliarden DM ausgegangen werden kann; gegenüber 17,2 Milliarden DM Ihres Entwurfs ein beträchtlicher Unterschied. Ich füge hier an, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Vertreter des BMA waren in den Ausschußberatungen nicht in der Lage, unsere Rechnungsdarstellung für die finanzielle Grundlage unseres Gesetzes zu widerlegen. Das muß festgehalten werden. ({5}) „Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Dieser bemerkenswerte Satz findet sich in § 8 des Regierungsentwurfs. Er gilt als Programmsatz. Legt man ihn zugrunde, ist die Frage sehr berechtigt, wie sich der Bund an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe beteiligt. Der SPD-Gesetzentwurf sieht Finanzierungsanteile für den Bund vor. Hierzu gehören besonders Beiträge für die Rentenversicherung und die Unfallversicherung von Pflegepersonen. Völlig anders ist diese Frage in Ihrem Gesetzentwurf geregelt. 2,9 Milliarden DM werden von den Beiträgen für die Pflegeversicherung abgezweigt und an die Rentenkassen überwiesen. Was hat Sie eigentlich daran gehindert, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Zugrundelegung Ihres richtigen Programmsatzes die Absicherung der Pflegepersonen für das Alter genauso vorzunehmen, wie wir die Absicherung für Kindererziehungszeiten oder für Zeiten des Wehr- und Ersatzdienstes in dieser Republik völlig unstrittig geregelt haben? Ist es nicht so, Herr Blüm, daß Ihnen die 2,9 Milliarden DM Überweisungen der Pflegeversicherung an die Rentenkassen gegenwärtig gut in den Kram passen? Als ein besonders trübes Kapitel hat sich das Leistungskapitel in Ihrem Gesetzentwurf herausgestellt. Ich hoffe, daß viele betroffene Menschen dieser Debatte aufmerksam zuhören. Es beginnt mit einer sehr detaillierten Definition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und mündet in § 13 in den Stufen der Pflegebedürftigkeit mit den Begriffen „erheblich pflegebedürftig", „schwer pflegebedürftig" und „schwerstpflegebedürftig" . In den öffentlichen Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben wir Ihnen vorgeworfen, daß Sie mit dieser Festlegung der Pflegestufen einen Teil der Anspruchsberechtigten wegdefinieren. Sie haben im Gesetzgebungsverfahren gegenüber dem Vorentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium die Pflegestufen neu definiert. Wir kommen zu dem Ergebnis, daß Sie mit dieser Definition mehr als 400 000 Anspruchsberechtigte aus der Pflegeversicherung wegdefinieren, ausgrenzen. ({6}) In den Ausschußberatungen wurden erneut Veränderungen bei den Pflegestufen vorgenommen. Die Definition der Pflegestufe I wurde verschärft. Darüber hinaus wurde vorgesehen, daß der Arbeitsminister über eine Verordnung oder die Pflegekassen über Richtlinien den Zeitmindestaufwand in den einzelnen Pflegestufen festlegen können. Im Ausschußbericht wird darauf verwiesen, daß man angeblich Pionierarbeit geleistet habe, indem man nicht wie bisher die verschiedenen Grade abstrakt kennzeichne, sondern konkret definiere. In den Begründungszusammenhängen wird dann aber klar, daß mit dieser Definition der betroffene Personenkreis eng eingegrenzt wird und mit Richtlinien oder mit der Verordnung auch mengensteuernd eingegriffen werden soll. Ich empfehle jedem, den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu diesem Zusammenhang zu lesen, weil da schlicht und nackt formuliert ist, daß es darum gehen mußte, älteren Personen, die sonst anspruchsberechtigt wären, aber nach Auffassung der Koalition nicht anspruchsberechtigt sein sollen, den Zutritt zu dem Kreis derer, die nach dem Gesetz Leistungen erhalten könnten, zu verwehren. Hier geht es von Anfang an darum - das müssen alle Pflegebedürftigen draußen im Lande auch wissen -, daß durch enge und rigide Definitionen im Gesetz die Zahl derer, die Leistungen empfangen dürfen, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit werden sollte, von vornherein ganz eng begrenzt werden soll. Das hat überhaupt nichts mehr mit dem immer so schön vorgetragenen moralischen Anspruch auf die Fürsorge für die „armen pflegebedürftigen Menschen" zu tun, wie der Bundesarbeitsminister oder andere immer sehr pharisäerhaft formulieren. Hier geht es ganz nackt darum, daß Sie von Ihren Finanzvorstellungen aus das diktiert haben, was Sie den Pflegebedürftigen in diesem Lande zumuten wollen. Auch hier ist der SPD-Entwurf erheblich besser. ({7}) In vielen Bereichen, Herr Bundesarbeitsminister, atmet Ihr Entwurf den Geist des Mißtrauens, des Mißtrauens gegenüber den Betroffenen, die man daran hindern muß, allzu leicht in den Genuß der Leistungen dieses Gesetzes zu kommen. Dieses Mißtrauen ist auch an anderen Stellen Ihres Gesetzentwurfs wiederzufinden, insbesondere wo es um Veränderungen des SGB V geht. Mein Kollege Günther Heyenn hat schon nach den 2,9 Milliarden DM zusätzlicher Kompensation gefragt, worauf Herr Louven die bemerkenswerte Antwort gab, daß man das überhaupt nicht genau rechnen könne. Also auch hier eine absolute Luftbuchung. Ihr gesamter Gesetzentwurf atmet den Geist des Mißtrauens - Mißtrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, Mißtrauen gegen die Pflegebedürftigen, Mißtrauen gegen all diejenigen, deren Interessen Sie vorgeben wahren zu wollen. All dies ist nur zu verstehen, wenn man sich die Gesamtfinanzierung des Gesetzentwurfes ansieht. Diese Finanzierungsregelung hat auch etwas mit der Rolle der Länder, den föderalen Strukturen unseres Landes zu tun. Ich bin sehr gespannt, was ein Vertreter eines Bundeslandes hierzu zu sagen hat; denn es stimmt ja nicht, Herr Louven, daß diese Regelung nur auf die Ablehnung der SPD-regierten Länder gestoßen sei. Vielmehr gibt es eine ganze Reihe Unionsregierte Länder, die diese Regelung für völlig unzureichend halten. ({8}) Im ursprünglichen Artikel 69 wurde von Ihnen ein Bundeszuschuß für die Investitionsförderungen der Pflegeeinrichtung formuliert. Schon diese Formulierung fällt unter das Kapitel „Tarnen und Täuschen", denn in Wahrheit sollte dieser Bundeszuschuß durch die Lander refinanziert werden. 3,6 Milliarden DM hatten Sie dafür zunächst vorgesehen. Nachdem Ihnen klar war, daß dieser Bundeszuschuß nicht zu erhalten war, wurde der entsprechende Paragraph umformuliert. ({9}) Im Gesetzgebungsverfahren ist Ihnen zusätzlich ein weiterer Trick eingefallen. Durch Verschiebung der Leistungsgewährung auf den 1. April 1994 bei Beibehaltung der Beitragserhebung und Einführung der Pflegeversicherung ab Januar 1994 sparen Sie für das kommende Jahr rund 3 Milliarden DM an Ausgaben. ({10}) Ihre Begründung, Sie folgten damit nur einer Empfehlung der Krankenkassen, ist dabei allzu vordergründig. Damit wird erst mal abgezockt, und die 3 Milliarden DM kommen Ihnen ganz gut zupaß, weil die Länder Ihre Finanzierungsregelung nicht mitmachen werden. ({11}) Die Neuformulierung des § 69 erweist sich aber als eine weitere Luftbuchung in Ihrem Gesetz. Jetzt nennen Sie diesen Paragraphen schon etwas ehrlicher „Finanzbeitrag der Länder". Vorgeschlagen wird dann aber, daß der Finanzbeitrag der Länder in einem Staatsvertrag geregelt werden soll. Für diesen Staatsvertrag haben Sie überhaupt keine Partner. Statt dessen legen Sie ein Gesetz vor, mit dem Sie versuchen, koalitionspolitisch Ihre eigene Haut zu retten, ({12}) mit dem aber ein großer Lastenteil dem Gesetzgeber der kommenden Legislaturperiode vor die Füße gekippt wird. Dies ist finanzpolitisch absolut unsolide, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({13}) Hinzu kommt, daß Sie mit Ihrem Finanzierungssystem der Investitionen - von uns als Scheinmonistik bezeichnet - den Ländern jegliche Kompetenz nehmen, gleichzeitig aber erwarten, daß sie Ihrem Gesetzentwurf fröhlich zustimmen. Wie soll das eigentlich funktionieren, Herr Blüm? Gerade eine vernünftige Infrastruktur ist für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen in unserem Lande lebensnotwendig. Das gilt sowohl für die ambulante als auch für die stationäre Versorgung. Sie geben diese Versorgungsstrukturen schlicht dem Markt preis, getreu dem Motto: Der Markt wird es schon richten Folgerichtig wurde in Ihrem Gesetz formuliert, daß bei der Errichtung ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen künftig freigemeinnützige und private Träger Vorrang gegenüber öffentlichen Trägern haben sollen. In unserer bisherigen Systematik haben freigemeinnützige Träger Vorrangstellung. Künftig stellen Sie private Träger den freigemeinnützigen gleich. Damit wird deutlich, daß Ihre Koalition anscheinend davon ausgeht, daß mit der Pflege auch noch ein ordentliches Geschäft zu machen ist. Sieht man sich einzelne Teile Ihrer gesetzlichen Regelung an - hier denke ich insbesondere an die Kostenerstattung nach § 101 a Ihres Gesetzentwurfes -, wird die totale soziale Schieflage deutlich. All dies hat mit dem Anspruch an Solidarität und Gerechtigkeit nichts zu tun. Daß damit dieses Gesetz exakt die Grundposition Ihrer Koalition wiedergibt, macht das Ganze für die betroffenen Menschen nicht erträglicher. Wir wissen, daß bei Realisierung dieses Pflegegesetzes viele Betroffene weiterhin sozialhilfebedürftig bleiben. Zwei unterschiedliche Versicherungssysteme werden entstehen: eines mit einer gesetzlich definierten mageren Grundversorgung, ein zweites System de Luxe. Die ständig eingeforderte Solidarität für die Pflegebedürftigen wird mit diesem Gesetz selbst zerschlagen. Solidarität setzt voraus, daß vom versicherten Personenkreis über die Beitragsbemessungsgrenze, vom angemessenen Leistungskatalog bis zum System der Finanzierung von Investitionen und Leistungen solidarische Prinzipien durchgehalten werden. Das Prinzip der Entsolidarisierung ist konstitutives Element dieser Koalition. ({14}) Die F.D.P. hat dafür im Beratungsverfahren den Bundesarbeitsminister und die Sozialpolitiker der Union vorgeführt. Es ist zynisch, von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Beitragszahlern in der gesetzlichen Sozialversicherung, Solidarität abzufordern, wenn man gleichzeitig eine unsolidarische Pflegeversicherung durchsetzen will. ({15}) Trotz aller Beteuerungen will die F.D.P. keine solidarische Pflegeversicherung. Entgegen allen Beteuerungen hat Kompensation nichts mit Solidarität gegenüber Pflegebedürftigen zu tun, sondern sie folgt dem Prinzip der Umverteilung von unten nach oben und ist damit das Gegenteil von Gemeinsinn. ({16}) Wie schlimm werden Wut und Enttäuschung, wenn die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nicht nur ihre eigenen Beiträge für die Pflegeversicherung bezahlen, sondern ihnen durch die Einführung von Feiertagsabschlägen zusätzlich für die Jahre 1994 und 1995 10 Milliarden DM aufgebürdet werden und damit der Arbeitgeberanteil von ihnen mehr als mitgetragen wird. ({17}) Werden sie dann selbst oder Angehörige pflegebedürftig, stellen sie enttäuscht fest, daß sie dennoch Sozialhilfeempfänger bleiben, weil das vorgelegte Pflegegesetz völlig unzureichend ist. Sie werden heute mit Ihrer parlamentarischen Mehrheit das SPD-Gesetz ablehnen und diesen mangelhaften Entwurf hier durchpauken. ({18}) Wir lehnen das Gesetz ab. ({19}) Wir lehnen es auch deshalb ab, weil es nicht ein erster Schritt in eine richtige Richtung, sondern viele Schritte in eine falsche Richtung darstellt. ({20}) Mit der heutigen Verabschiedung im Deutschen Bundestag ist diese Pflegeversicherung aber nicht Wirklichkeit. Alle Beteiligten wissen, daß zu seiner Realisierung der Bundesrat benötigt wird. Sie haben alle unsere Angebote, eine angemessene Pflegeversicherung zu realisieren, in den Wind - oder man kann besser sagen: in den Windhagen - geschlagen. Sie tragen damit die politische Verantwortung dafür, daß trotz aller vordergründigen Beteuerungen in Wirklichkeit den betroffenen Menschen nicht geholfen wird. Sie hatten viele Chancen; Sie haben sie nicht genutzt. ({21}) Mit der Verabschiedung des Entgeltfortzahlungsgesetzes haben Sie den Anfang vom Ende des bewährten Sozialversicherungsprinzips eingeläutet. Mit diesem unzureichenden Pflegeversicherungsgesetz werden Sie ebenfalls scheitern. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. ({22})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächste spricht die Abgeordnete Frau Dr. Gisela Babel.

Dr. Gisela Babel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000069, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Pflegeversicherung, welches wir heute in der zweiten und dritten Lesung beraten, ist ein Gesetz von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Es wird seine Wirkung entfalten in den Familien, in den sozialen Strukturen der Städte und Gemeinden, im Verhältnis zwischen den Generationen ({0}) und in der Arbeitswelt. Nicht alle Wirkungen sind klar voraussehbar; ({1}) sicher sind auch nicht alle Wirkungen wünschenswert. ({2}) Aber die Koalition nimmt sich mit diesem Gesetz eines sozialen Themas an, das ohne vorausschauende Regelung von einem glimmenden zu einem brennenden Thema werden würde. Neu ist nicht die Pflegebedürftigkeit als solche, neu ist die Tatsache, daß die Zahl, vor allem aber der Anteil pflegebedürftiger Menschen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung dramatisch anwachsen wird. Neu ist auch, daß wir angesichts der Veränderungen in den Familien nicht davon ausgehen können, daß die Pflege der Angehörigen als selbstverständliche Familienpflicht gesehen und erfüllt wird. Zwar werden heute noch 80 % der pflegebedürftigen Menschen zu Hause von Angehörigen gepflegt, aber davon ist die Hälfte der Pflegenden bereits über 65 Jahre alt und mit der Pflege eigentlich überfordert. Also gilt es, die Familien zu stärken, die pflegenden Personen in der Rentenversicherung abzusichern oder ihnen anderweitige Hilfe zu besorgen. Es gilt, Städte und Gemeinden zum Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur mit Gemeindestationen, Tages- und Kurzzeitpflege zu veranlassen. Schließlich gilt es, die Kosten der Heimpflege besser zu verteilen, die Sozialhilfeträger ebenso wie die Patienten, die bei monatlichen Kosten von im Schnitt 3 600 bis 4 200 DM im Heim überfordert sind, zu entlasten. ({3}) Allen diesen aufgezeigten Erfordernissen trägt dieser Gesetzentwurf Rechnung. ({4}) Er sieht eine Pflegeversicherung vor. Danach erhält der Pflegebedürftige je nach Schwere seiner Beeinträchtigung und Ausmaß der erforderlichen Hilfe Geldleistungen von 400, 800 oder 1 200 DM monatlich, wahlweise Sachleistungen in Form von Pflegeeinsätzen aus den Gemeindestationen. Bei Heimkosten wird ein fester Kostenanteil von 2 100 DM, Basisjahr 1991, ersetzt. Der eingeschlagene Weg, eine neue, umlagefinanzierte Pflegeversicherung einzurichten, war nicht der Weg der F.D.P. Mein Kollege Julius Cronenberg wird in der Begründung seiner ablehnenden Stellungnahme noch einmal darlegen, worin die verhängnisvollen Fehler eines Umlageverfahrens liegen. Er wird sicher wieder davon reden, daß es eine falsche Weichenstellung ist. Dem widerspreche ich nicht. Aber auch ein Zug, der auf falschem Gleis läuft, kann gleichwohl zumindest in die richtige Richtung fahren. ({5}) Die F.D.P.-Fraktion hat dem vorgeschlagenen Weg zugestimmt, nicht zuletzt deswegen, weil ein Modell, welches die Handschrift des BMA und der SPD trüge, wirklich verhängnisvoll wäre. ({6}) Man muß sich noch einmal die ursprünglichen Vorstellungen aus dem Hause Blüm vor Augen halten, um zu erkennen, wie ähnlich sie denen des SPD-Entwurfs waren und wie grundlegend sie verändert wurden. Erster Punkt. Hier wie dort ging man von der Versicherungspflicht der gesamten Wohnbevölkerung aus, im BMA-Entwurf allerdings bei der Versicherungspflichtgrenze von 5 400 DM der Krankenversicherung und nicht wie bei der SPD von 7 200 DM wie bei der Rentenversicherung. Zweiter Punkt. Nach beiden Entwürfen hätten sich die Kosten ungebremst entwickelt. Der Anstieg von pflegebedingten Kosten hätte automatisch zum Anstieg des Beitragssatzes geführt. Folge: noch rascherer Anstieg und Belastung der Lohnnebenkosten. Dritter Punkt. Länder und Kassen sollten umfassende Bedarfserhebungen machen, Versorgungsverträge dementsprechend abschließen; Investitionen sollten durch Zuschüsse der jeweiligen Länder finanziert und damit die duale Finanzierung festgeschrieben werden. Die Zulassung einer Pflegeeinrichtung sollte sich nach dem ermittelten Bedarf richten. Dabei sollte es Vorrang für Freigemeinnützige geben. Private Pflegeheime hätte man damit zurückdrängen und den Wettbewerb verhindern können. Durch gleichzeitiges Inkrafttreten von ambulanter und stationärer Pflege hätte sich ein Vorrang für die ambulante Pflege nicht entwickeln können. Immerhin hat die CDU/CSU die umlagefinanzierte Pflegeversicherung mit der Auflage versehen, daß die Lohnnebenkosten ausgeglichen werden müssen. Wir haben dem gerne zugestimmt - unser Weg hätte allerdings eine solche Kombination nicht erfordert, wie Sie wissen, Herr Louven -, im Gegensatz zur SPD, die sich bis heute dieser Vorstellung verschlossen hat.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Babel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?

Dr. Gisela Babel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000069, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, lassen Sie mich das zu Ende führen. So hat die Koalition gemeinsam das Entgeltfortzahlungsgesetz beschlossen mit Lohnabsenkung an zehn gesetzlichen Feiertagen. Dazu kommt jetzt noch die angekündigte Kompensation für Beamte und Abgeordnete. Das werde ich später noch einmal aufgreifen. Die größte und wichtigste Strukturverbesserung, die die F.D.P. erreicht hat, liegt im unterschiedlichen Zeitpunkt des Inkrafttretens von ambulanter und stationärer Pflege. ({0}) Viel zu sehr, meine Damen und Herren, macht sich die Kritik heute an dem angeblich zu niedrigen Kostenanteil von 2 100 DM bei stationärer Pflege fest und bedenkt nicht, wie bedeutend die Hilfe für die Familie ist. ({1}) Nehmen Sie den Eckrentner mit 1 700 DM im Monat. Bei Schwerstpflegebedürftigkeit erhält die Familie 1 200 DM und dazu für die pflegende Person eine Rente von 500 DM. Diese Leistungen zusammengerechnet ergeben einen Betrag von 3 400 DM, die natürlich nicht mehr der Familie zur Verfügung stehen, wenn der Heimaufenthalt gewählt wird. Damit wird deutlich, daß zumindest dort, wo Lösungen gewählt werden, bei denen sich die Pflege nicht im Heim, sondern zu Hause organisieren läßt, die Pflegeversicherung ganz nachhaltige Verbesserungen bringt. ({2}) Heimaufenthalt, das gebe ich zu, ist und bleibt der teuerste Weg. Er ist übrigens - das will ich hier einmal deutlich sagen - nicht immer die schlechteste Lösung. Es gibt viele hervorragend geführte Heime. Das zweite wichtige liberale Strukturelement liegt in dem Grundsatz: Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung; dabei geht es um den versicherten Personenkreis. Damit werden - das haben Sie richtig erkannt, Herr Andres - zwei Systeme, die gesetzliche Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung, nebeneinandergestellt. Sie werden in den kommenden Jahrzehnten in deutlichem Wettbewerb stehen. Jetzt ist die private Pflegeversicherung noch durch Übernahme der bereits pflegebedürftigen Menschen in die Leistungspflicht und durch gedeckelte, an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientierte Höchstbeträge gehindert, noch günstigere Tarife anzubieten. Wichtig ist für uns, daß die Möglichkeit eröffnet wird, das Kapitaldeckungsverfahren, das die Wissenschaft in gleicher Weise wie die Wirtschaft nach wie vor als richtigen Weg empfiehlt, in einer Bewährungsprobe zu erleben. Dritter Punkt: Für die monistische Finanzierung, wonach auch Investitionskosten in die Pflegesätze eingerechnet werden, war Voraussetzung, daß die Länder bereit wären, den Pflegekassen von dem ersparten Geld - wir gehen ja von ca. 9 Milliarden DM aus - etwa 3 Milliarden DM zufließen zu lassen. ({3}) Die heute ablehnende Haltung der Bundesländer gegenüber dieser Finanzierungsart sollte bis 1996 offengehalten, vielleicht aufgeweicht werden. ({4}) Mir leuchtet nicht ein, daß sowohl soziale als auch christliche Solidarität nur zwischen reichen und armen Menschen, nicht aber auch zwischen reichen und armen Ländern gelten soll. ({5}) Was wir aus Baden-Württemberg und aus Bayern hören, ist blanker Länderegoismus. In den neuen Bundesländern sind Investitionen dringend erforderlich. Sie erhalten bei monistischer Finanzierung eine echte Chance, meine Damen und Herren. ({6}) Die F.D.P. hat durchgesetzt, daß alle Anbieter von Pflegeeinrichtungen, wenn sie den Ansprüchen an die Qualität des Personals und der Ausstattung entsprechen, einen Rechtsanspruch auf Zulassung erhalten. Damit wird der Wettbewerb gesichert, der auch kostensenkende Wirkungen hat. Das Pflegegesetz ist nach den Verhandlungen mit der F.D.P. also humaner, wegen der Vorrangstellung der ambulanten Versorgung und Hilfe für die Familien, vielseitiger, weil neben der gesetzlichen auch eine private Pflegeversicherung vorgesehen ist, unbürokratischer, weil die Bedarfsplanung entfällt, und kostensparender, weil Wettbewerb stattfindet und der Beitragssatz nicht automatisch steigt, meine Damen und Herren. ({7}) Aus dem Paket der Änderungsanträge erwähne ich die Veränderung beim Inkrafttreten. Dadurch, daß es die Leistungen erst am 1. April gibt, wird den Pflegekassen die Möglichkeit gegeben, erst einmal Geld anzusammeln, bevor sie in die Leistungspflicht kommen. Nun komme ich zu der schon angekündigten Beamtenlösung. Beamte müssen sich versichern, und zwar zusätzlich zu den ihnen bereits zustehenden Leistungen nach dem Beihilferecht. Sie werden auch in die Kompensation eingebunden, indem ihnen an zwei Tagen im Jahr das Gehalt gekürzt oder der Verzicht auf zwei Urlaubstage zugemutet wird. Dies alles, meine Damen und Herren, ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, ({8}) und die Betroffenen setzen klammheimlich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Ebenfalls einmalig ist die - gegen das Votum der Rechtsstellungskommission - durchgesetzte Einbeziehung der Abgeordneten in die Kompensation im Pflegegesetz, ({9}) indem Sie an zwei Tagen des Jahres keine Entschädigung bekommen. Daß der letzte Punkt hektisch, zäh und ziemlich spät verhandelt werden mußte, ändert nichts am Ergebnis. Es ist richtig und meiner Ansicht nach auch unverzichtbar, daß der Gesetzgeber auch sich selbst in die Pflicht nimmt und einen solidarischen Sparbeitrag leistet. ({10}) Nun ein Wort zum Verfahren. Manch einer der Bürgerinnen und Bürger entflieht dem eintönigen Alltag, indem er Krimis anschaut, Achterbahn fährt oder auf Großwildjagd geht. ({11}) Wir Abgeordneten erlebten Nervenkitzel und Schauder der Aufregung während der Beratung zum Pflegeversicherungsgesetz. Das Zusammenspiel der Häuser BMA, BMG, BMJ und BMWi war märchenhaft. Turbulenzen, Dissonanzen und Ausbrüche von Verzweifelung waren die Regel. Kaum war hier eine Einigung erreicht, riß es andernorts wieder auf. Die Abgeordneten konnten sich nicht immer diesen Strudeln entziehen. So kann es sein, daß wir hier alle etwas zerzaust und zerrupft die Ziellinie der zweiten und dritten Lesung erreichen. Den Vorhaltungen der Opposition über das Verfahren können wir kaum widersprechen. Ähnliche Erfahrungen hatten wir allerdings gemeinsam beim Renten-Überleitungsgesetz. Da hier die Opposition aber mit im Boot saß, kamen die Klagen nur von der PDS und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dennoch Respekt und Dank dem Herrn Vorsitzenden für seine souveräne Ausschußleitung. ({12}) Rechtfertigen können wir das nur mit der Singularität des Gesetzes. Jetzt lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Chancen des Pflegegesetzes sagen. Lautes Oppositionsgetöse und die Drohung, es werde scheitern, begleiteten die Beratungen des Pflegegesetzes bis jetzt. Der SPD ist das Ganze nicht üppig genug: zuwenig Leistungen, zuwenig Versicherte, zuwenig Planung. Die Ablehnung des Gesetzes werden Sie daraus nicht erklären können. Das Eigenleben und das Eigeninteresse der Bundesländer im Bundesrat müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie täuschen sich, meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie glauben, daß diese ganz im Takt nach der Pfeife der SPD tanzen werden. Ich gehe davon aus: Ein Signal in dieser Richtung ist die Tatsache, daß der Kollege Dreßler heute nicht redet. ({13}) Im Laufe der Diskussion der letzten Jahre haben immer mehr Menschen eingesehen, daß es ohne Kompensation nicht gehen wird. Daß die Pflegeversicherung die Lohnnebenkosten immer weiter erhöhen und damit die heutige und die kommende erwerbstätige Generation immer weiter belasten wird, ist eine Sorge, die die F.D.P. nach wie vor hat. Ich hoffe aber, daß wir uns nach Jahren trotzdem nicht auf unsere berechtigten Warnungen berufen müssen. Ich hoffe vielmehr, daß es uns mit diesem Gesetz gelungen ist - das war unser eigentliches Anliegen -, den pflegebedürftigen Menschen und den Familien das Leben leichter und erträglicher gemacht zu haben. Ich bedanke mich. ({14})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Ilja Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern wurde im Haushaltsausschuß beschlossen, eine dreistellige Millionensumme für den Abriß des Palastes der Republik in Berlin freizugeben. Damit reißen Sie das erste Gebäude der Deutschen Demokratischen Republik ab, das behindertengerecht gebaut wurde und in dem Menschen mit Behinderung lange vor der Eröffnung eine Abnahme machten, weil dies ein damals zeichengebendes Gebäude war. ({0}) - Über den Asbest können wir gerne reden. Das Gebäude hat jetzt noch einen Restnutzungswert von 1,1 Milliarden DM; das sollten Sie vielleicht wissen. Ich will Ihnen nur sagen: Sie schmeißen Geld zum Fenster raus für Sachen, die überhaupt keiner braucht. Aber bei der Absicherung der Pflege, die wirklich gebraucht wird, sparen Sie mit Entgelteinbehaltungsgesetzen und anderem. Menschen, die landläufig als pflegebedürftig bezeichnet werden, wollen weder aufbewahrt noch ruhiggestellt werden. Wer die Menschenwürde ernst nimmt, muß Pflege als aktivierende Unterstützung verstehen, d. h. Hilfe zur Selbsthilfe, um mit Ihren Worten zu reden, d. h. Pflege als aktivierende, assistierende Begleitung. ({1}) - Herr Louven, es nützt ja nichts, daß Sie das reinschreiben. Sie müssen das auch faktisch umsetzen. Der Gesetzentwurf der PDS/Linke Liste über ein Pflege-Assistenz-Gesetz geht von dieser Einstellung aus. Bei der Pflege geht es nicht um die Frage, wie man Geld einspart, sondern um die Frage, wie man Menschen helfen kann. Die emanzipatorische Behindertenbewegung benennt eine Vielzahl von gesellschaftlichen Defiziten und versucht, sie zu beseitigen. Ich nenne einmal ein paar Stichworte, damit man weiß, um welche umfassende Aufgabe es sich handelt: Es geht um ein Diskriminierungsverbot, um ein Gleichstellungsgebot, um assistierende Pflege, um Bildung für alle, um menschenwürdiges, selbstbestimmtes Wohnen - auch das gehört z. B. in die Pflege hinein -, um lebenslange Rehabilitation usw. Ich will nur am Rande erwähnen - möchte es aber nicht ganz unerwähnt lassen -, daß es um abgesenkte Bordsteinkanten in den Kommunen geht, um Stationen ansagende Busfahrerinnen und Busfahrer, um die Anerkennung der Gebärdensprache, um die Bereitstellung besserer Hilfsmittel und Medikamente, um akustische Warnanlagen usw. Das alles wäre es wert, hier eindringlich behandelt zu werden, aber Sie haben ja nur Zeit für Geldfragen. ({2}) Gegenwärtig stehen bei den öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der Behindertenbewegung zwei Gesetzesvorhaben im Mittelpunkt: erstens ein Anti15832 diskriminierungs- und Gleichstellungsgesetz mit Verfassungsrang und zweitens ein Gesetz zur Absicherung von assistierender Pflege und Begleitung. Wenn man sehr viel Phantasie hat, könnte man den Eindruck gewinnen, daß es sich heute um eine Debatte von letzterem handelt. Leider ist das nur sehr peripher der Fall. Was Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nachher von hier ins Land hinausschicken werden, ist ein Gesetz, das die Pflegekosten teilweise von der Sozialhilfe - also vom Staat; man kann auch sagen: von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern - auf die Beitragszahler, also auf Privatpersonen, verlagert. Natürlich nicht auf alle Privatpersonen; die wirklich Reichen lassen Sie ja schön draußen. Die fast 100 Milliardäre in diesem Lande, zahlen ja nichts ein. ({3}) - Es wäre aber sehr schön, wenn jeder der Milliardäre 1 % einzahlen würde. Wissen Sie, was da in die Kassen käme? Rechnen Sie bitte mal nach! ({4}) - Wir sind ja für eine Steuerlösung; machen Sie es doch, Frau Babel. ({5}) - Sie wissen ja aber auch ganz genau, daß das die einzige verfassungsrechtlich unbedenkliche Lösung ist. Das Schlimmste aber ist, daß Sie selbst sagen - Herr Louven hat es ja hier als ausgesprochen positiv hingestellt -, daß es Ihnen überhaupt nicht darum geht, denjenigen wirklich zu helfen, die unterstützende Hilfe brauchen. ({6}) Sie streben es ja gar nicht einmal an, Menschen die Demütigung der Bedürftigkeitsprüfung im Sozialamt zu ersparen. Nein, mit den von Ihnen vorgesehenen Summen - wohlgemerkt: Das ist kein Geschenk von Gottes Gnaden, sondern es sind eigene Beiträge -, mit diesen am realen Bedarf gemessen beschämenden Summen dauert es nur ein paar Monate länger, bis man in die Sozialhilfe kommt. Pflegebedürfigkeit macht also auch in Zukunft arm. Das ist bedauerlich für dieses große, nunmehr wieder große Deutschland. Es macht sowohl die Menschen arm, die auf Pflege angewiesen sind, als auch diejenigen, die diese körperlich und psychisch schwere Arbeit täglich leisten. Die Pflegeleistenden sind nicht einmal arbeitslosenversichert. Frau Babel, was Sie vorhin an Zahlen genannt haben, schlägt sich ja nicht in den Kassen der privaten Haushalte nieder, sondern es sind reine Phantasiezahlen, die Sie hier vorgetragen haben. Sie haben ja auch Zwischenfragen nicht erlaubt, weil Sie Angst hatten, daß Sie da eventuell ins Schwimmen kommen könnten. Ich habe an dieser Stelle natürlich auch eine selbstkritische Bemerkung zur emanzipatorischen Behindertenbewegung zu sagen. Es ist uns nämlich nicht hinreichend gelungen, den Zusammenhang zwischen verfassungsrechtlicher Verankerung des Diskriminierungsverbots und des Gleichstellungsgebots auf der einen Seite und der bedarfsdeckenden Pflegeabsicherung auf der anderen Seite deutlich zu machen. Letzteres ist ja gerade eine ganz praktische Auswirkung des ersteren; denn wenn man nicht diskriminiert werden darf, weil man behindert bzw. in höherem Lebensalter ist, dann kann man eine solche Gesetzgebung überhaupt nicht mehr verantworten; dann wäre sie verfassungswidrig. Aber es ist ja auch kein Zufall, daß Sie in der Gemeinsamen Verfassungskommission gerade diese Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen abgelehnt haben, - leider mit Mehrheit. Immerhin - und ich bin ja in diesem Parlament nicht als Verweigerer, sondern um zu gestalten oder zumindest noch Schlimmeres verhindern zu helfen - gibt es einige Verbesserungen gegenüber Ihrem eigenen ursprünglichen Entwurf. Wenn Sie das auch mit einer unerbittlichen Hektik durch den Ausschuß gejagt haben, Herr Louven, will ich doch nicht verhehlen, daß ich anerkenne, daß Sie sich gegenüber dem Druck vieler Menschen mit Behinderungen und vieler Organisationen von uns zumindest nicht ganz und gar verschlossen gezeigt haben und daß das gewirkt hat. Es war ja auch kein Zufall, daß am Mittwoch bei der Ausschußsitzung als erstes ein Schreiben des Berliner Landesverbandes des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland ({7}) auf unseren Tischen lag, in dem wir noch einmal ausdrücklich aufgefordert wurden, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, weil er in keiner Weise die Bedürfnisse der Betroffenen befriedigt. Trotz allem will ich nicht verhehlen - ich sage das hier gern, weil ich akzeptiere, daß Sie sogar bestimmte Anregungen von uns aufgegriffen haben -: Immerhin ist es gelungen, die Behindertenverbände im Beirat, der beim BMA zu schaffen ist, zu verankern. Das heißt ausdrücklich - ich will das betonen -, daß sowohl Reichsbund als auch VdK als auch ABiD in diesem Beirat vertreten sein können und sicherlich auch vertreten sein werden. Das ist eine durchaus ernstzunehmende Verbesserung, die allerdings nichts daran ändert, daß das Gesetz insgesamt schlecht ist. Ich will auch nicht leugnen, daß es ein Fortschritt ist, daß Sie alle diejenigen, die jetzt 400 DM von der Krankenkasse bekommen, in Zukunft automatisch in Stufe 2 einordnen. Aber sagen Sie mir bitte und erklären Sie den Menschen, warum jemand, der ab 2. Januar 1994 seine Beine verliert, nicht automatisch in Stufe 2 kommt, sondern erst eine Prüfung über sich ergehen lassen muß. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. ({8}) - Aber Sie haben gesagt, jetzt wird es automatisch so gemacht. ({9}) - Für die, die es schon betrifft. Aber in Zukunft wird es ja wieder Leute geben, die in diese Situation geraten. Man könnte ja sagen: Beide Beine ab bedeutet mindestens Stufe 2. Das wäre das einfachste von der Welt. Aber Sie wollen es ja nicht. Ich verhehle auch nicht, daß es ein Vorteil ist und daß Sie anerkannt haben, daß es erforderlich ist, daß auch pflegende Angehörige mit Leistungen bedacht werden können, daß man sie bezahlen kann. Aber ich sage noch einmal: Die Leistungen reichen in keiner Weise aus. Das ist das, was ich kritisiere. Ich will Ihnen auch einen konstruktiven Vorschlag machen. Wenn Sie sich dazu durchringen könnten, meine Damen und Herren von der Koalition, das heutige Gesetz als erste und zweite Stufe auf einer Treppe zu bezeichnen, die bis zum Jahre 2000 alle noch so schwer Pflegebedürftigen auf ein Niveau heben könnte, das Pflegeabhängigkeits-Armut verhindert, würden wir von der PDS/Linke Liste Ihrem Entwurf heute sogar zustimmen. Sie haben nachher die Gelegenheit, unserem. Entschließungsantrag zuzustimmen, daß diese Stufenfolge eingeführt wird. Ich denke, Kooperation in diesem Punkt wäre durchaus möglich. Ich verweise darauf, daß wir ganz detailliert aufgeschrieben haben, wie pflegebedingte Armut bis zum Jahre 2000 verhindert werden könnte. Das wäre ein wirklich lohnenswertes Ziel einer sozialen Pflegeabsicherung. Ich möchte nochmals ganz klar sagen, wie die Mindestanforderung aussehen muß; ich stelle überhaupt keine Maximalforderungen. Erstens ist eine Bedarfsdeckung nötig. Niemand darf deshalb arm werden oder bleiben, weil sie oder er auf Pflege angewiesen ist. Das gleiche gilt natürlich für die Pflegenden: Niemand darf deshalb arm werden, weil er oder weil sie - in der Regel sind das ja Frauen - diese schwere Arbeit leistet. Weder darf man sofort arm werden, weil man ein sehr geringes Entgelt erhält, noch darf man in der Zukunft arm werden, weil weder ein vernünftiges Arbeitslosengeld gezahlt wird noch ordentliche Rentenansprüche erreicht werden. Zweiter Punkt. Es geht um die Selbstbestimmung derjenigen, die es betrifft. Würde hat sehr viel mit Selbstbestimmung zu tun. Das heißt, die Verfügungsgewalt über die Summe gehört in die Hände der Betroffenen. Ich sage gar nicht, daß das Geld unbedingt in die Hände der Betroffenen kommen sollte, aber die Verfügungsgewalt. Darüber könnten wir uns sicherlich verständigen, wenn Sie nur wollten. Nun komme ich zum Geld, aber nicht als erstes und nicht als einziges wie Sie. Drittens sollten alle entsprechend ihrem Leistungsvermögen und entsprechend ihrem Vermögen an der Finanzierung einer solchen Regelung beteiligt sein. Das geht am besten und am leichtesten über eine Steuer. Wenn Sie eine andere Regelung finden, bin ich ohne weiteres bereit, darüber zu diskutieren. Wir wären ohne weiteres bereit, vernünftige Vorschläge von Ihnen aufzugreifen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, nochmals: Lassen Sie den Palast der Republik stehen, auch als Denkmal für die Entwicklung im behindertengerechten Bauen, das ausdrücklich die rechtzeitige Beteiligung und Einbeziehung von Betroffenen einschloß. Bauen Sie stattdessen eine Stufenfolge der bedarfsgerechten Pflegeabsicherung, die bis zum Jahre 2000 eine solide Rampe für jede und jeden bildet, so daß wir auf das Niveau chancengleicher Lebensbedingungen kommen - ob Menschen mit Behinderung oder ohne Behinderung, ob alt oder jung, ob pflegeabhängig oder pflegend. Ich danke Ihnen für die nicht beträchtliche Aufmerksamkeit, insbesondere für die Aufmerksamkeit auf den Rängen. Herzlichen Dank. Auf Wiedersehen. ({10})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Konrad Weiß.

Konrad Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002461, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Womit haben die Deutschen das verdient? Jahrelang haben sich Bundesregierung und Parteien um diese Pflegeversicherung und ihre solide Finanzierung bemüht, monatelang haben Regierung und Opposition um eine Lösung gestritten, selbst innerhalb der Bundesregierung wurde gefeilscht und gerempelt - aber herausgekommen ist ein dürftiges, geradezu pflegebedürftiges Pflegegesetz, dessen Finanzierung einfach obskur ist. Man könnte das als weitere Niete dieser LotterieRegierung abhaken, wenn, ja wenn es nicht um Menschen ginge, die in besonderem Maße auf unsere Solidarität und Hilfe angewiesen sind. ({0}) Ich weiß durchaus die Bemühungen von Minister Blüm zu schätzen, gegen die eigene Fraktion und gegen den Koalitionspartner ein vernünftiges Konzept durchzusetzen. Ich will auch nicht verhehlen, daß ich zu weitgehenden Kompromissen bereit gewesen wäre und meine Freunde zur Zustimmung bewegt hätte, wenn das Gesetz der Bundesregierung wenigstens den Einstieg in eine ausreichende Absicherung des Pflegerisikos gebracht hätte. Aber nicht einmal das leistet der Entwurf, der uns heute zur Abstimmung vorliegt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hörsken?

Konrad Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002461, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte jetzt im Zusammenhang vortragen. Dabei hat es doch nicht an vernünftigen, durchdachten und praktikablen Vorschlägen aus den Verbänden, von den Sachverständigen, auch aus der Opposition gemangelt. Aber offenbar fehlt es an politischer Vernunft und Verantwortung für das Gemeinwohl. Wie sonst könnten die Freien und Christlichen Demokraten ein Gesetz mittragen, durch das eine große Zahl Betroffener künftig schlechter Konrad Weiß ({0}) gestellt sein wird als bisher? Menschen z. B., die eine Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten haben, werden nicht als pflegebedürftig und damit leistungsberechtigt angesehen. ({1}) Das erinnert mich fatal an das Menschenbild des Marxismus, der Menschen auch nur nach dem beurteilt hat, was sie leisten, und dem der Gedanke fremd war, daß die Würde des Menschen allein in seinem Menschsein begründet ist. Auch, nein gerade eine Pflegeversicherung müßte diesem Anspruch genügen. Es darf nicht klassifiziert werden nach Menschen, für die sich eine Pflege lohnt oder nicht lohnt, die pflegewürdig oder pflegeunwürdig sind, die eine Pflege verdient haben oder nicht verdient haben. Unserem - wie ich denke - gemeinsamen Anspruch, meine Damen und Herren, eine solidarische Gesellschaft zu bilden, in der Lasten gemeinsam getragen und gerecht verteilt werden, wird diese Pflegeversicherung nicht gerecht. Die Menschen, die jahrelang auf eine vernünftige und menschenwürdige Lösung gehofft haben, müssen voller Bitterkeit erkennen, daß ihnen mit diesem Gesetz nicht wirklich geholfen wird. Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte ein Konzept vorgelegt, das in sich schlüssig war, das eine gerechte Finanzierung vorsah und dessen Leistungsvolumen ausgeglichen und zukunftsfähig war. ({2}) Ich bin mir sicher, daß unser Gesetz in einem Parlament, in dem die Betroffenen das Sagen hätten, eine überwältigende Mehrheit gefunden hätte. Nach unserer Auffassung müssen die Finanzierungslasten möglichst breit und möglichst gerecht auf alle Teile der Bevölkerung verteilt werden. Dabei sind die einzelnen nach ihrer individuellen Leistungskraft zu beteiligen. Wir haben daher die Einbeziehung weiterer Personenkreise, vor allem der Beamten und Selbständigen, in die Rechte und Pflichten der sozialen Pflegeversicherung gefordert. Unser Finanzierungsmodell für eine soziale Absicherung des Pflegerisikos hat am Grundsatz der paritätischen Beitragszahlung festgehalten. Wir halten eine gleichmäßige Verteilung der Lasten auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber für sozial gerecht und einen Beitragssatz von insgesamt 3 % durchaus für leistbar. 3 % - dies scheint vordergründig, vor allem verglichen mit den Ansätzen der Bundesregierung und auch der SPD, ein hoher Preis zu sein. Dafür leistet unser Modell aber auch das, was zu leisten ist. Im übrigen haben wir uns zu keinem Zeitpunkt an der irreführenden Debatte beteiligt, eine soziale Pflegeabsicherung sei zum Nulltarif oder als Kompensationsgeschäft zu haben. Wir haben jeden Kompensationskompromiß als Ausdruck mangelnder politischer Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit abgelehnt. Unser Finanzierungsvorschlag gewährleistet ein Leistungsvolumen von 45 Milliarden DM. Dieses Volumen halten wir für unabdingbar, wenn der unerträgliche Pflegenotstand in unserem Land beendet und eine tatsächliche Verbesserung erreicht werden soll. Nach den Vorstellungen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN soll ein Sechstel des Beitragsaufkommens in einen zweckgebundenen Kapitalstock fließen, um für die Zukunft vorzubauen, die Beitragssätze also auch in Zukunft stabil zu halten und künftig Leistungen nicht abbauen zu müssen. Der Regierungsentwurf hingegen sieht vor, künftig Leistungen absenken zu müssen, die schon heute unzureichend sind. Dieses Modell taugt weder für die Gegenwart noch für die Zukunft. Es stellt nichts anderes dar als einen gigantischen Verschiebebahnhof, der die Kosten zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen, der Sozialhilfe sowie Bund, Ländern und Gemeinden hin und her rangiert. Die Leidtragenden werden die Pflegebedürftigen sein, bei denen der Zug mit den Hilfsgütern nie oder zu spät ankommt. Die komplizierte Auseinandersetzung um die Finanzierung der Pflegeversicherung bestärkt mich in meiner Auffassung, daß eine Finanzierung fiber Steuermittel der vernünftigere Weg gewesen wäre. Das hätte eine gerechte Verteilung der Lasten ermöglicht, bei der die Wohlhabenden stärker und die Schwachen weniger belastet worden wären. ({3}) Auch das schwierige Problem der Einbeziehung von Selbständigen oder Beamten hätte auf diese Weise verfassungsgemäß gelöst werden können. ({4}) Nicht weniger wichtig als die seriöse Finanzierung ist das Leistungsangebot einer Pflegeversicherung. Dazu gehört vordringlich die Steigerung der Pflegequalität und eine größere Anerkennung der schweren Pflegearbeit als wichtiger sozialer Dienst. ({5}) Es muß uns alle betroffen machen, wie wenig diese Schwerstarbeit, die besonders von Frauen geleistet wird, in unserer Gesellschaft beachtet und anerkannt wird. Auch deshalb wäre es wichtig gewesen, eine Pflegeversicherung zu schaffen, die die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger angemessen vergütet und damit gewürdigt hätte. ({6}) Die Pflege muß ganzheitlich orientiert sein und dem Stand der wissenschaftlichen wie praxisbezogenen Konrad Weiß ({7}) Erkenntnisse entsprechen. Dieser Anspruch umfaßt im wesentlichen Elemente der Sozialpflege und der psychosozialen Versorgung der Pflegebedürftigen. Eine Einstufung in rigide Pflegestufen verbietet sich daher nach unserer Auffassung ebenso wie die Begrenzung von Sachkosten von selbst. Nur durch ein bedarfsgerechtes Leistungsspektrum kann eine wirksame präventive und rehabilitative Unterstützung der Pflegebedürftigen sichergestellt werden. Der monotone Verweis auf die ehrenamtliche Unterstützung durch die überwiegend weiblichen Angehörigen darf nicht die einzige Antwort auf den großen Bedarf an qualifizierten und professionellen Pflegedienstleistungen bleiben. Natürlich würdigen auch wir die großartige Arbeit, die vor allem die Frauen, die Töchter und Schwiegertöchter bei der Pflege ihrer Angehörigen leisten. ({8}) Aber wir mißbilligen zutiefst, wenn sie als billiger Notnagel für eine unzureichend finanzierte Pflegeabsicherung mißbraucht werden. Die familiäre Pflege ist und bleibt Schwerstarbeit, auch nach erfolgreicher Absolvierung der geplanten unentgeltlichen Pflegekurse für Angehörige, und muß angemessen vergütet werden. Das Mindeste, was wir als Gesetzgeber den Menschen schulden, die diesen Dienst auf sich nehmen, ist eine ausreichende sozialrechtliche Absicherung. Dazu gehören u. a. die rentenrechtliche Bewertung der Pflegetätigkeit mit bis zu 100 % des Durchschnittsverdienstes sowie die selbständige Absicherung im Bereich der Arbeitsförderung. Eine vorausschauende Pflegeabsicherung muß auch die professionelle Altenpflegeausbildung umfassen. Wir unterstützen die Forderung nach Vereinheitlichung der Fachschulausbildung und Aufwertung des Berufsbildes. ({9}) Die Kosten der Altenpflegeausbildung müssen im Rahmen des Pflegegesetzes abgesichert werden. Nur so kann der erforderliche qualifizierte Nachwuchs geworben werden. ({10}) Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt jene Konzepte, die der ambulanten und teilstationären Hilfe den Vorrang vor der stationären Pflege geben. Dabei muß gewährleistet sein, daß die Pflegebedürftigen die Wahl der Pflegeform selbstbestimmt treffen können und daß ihre Entscheidung respektiert wird. Das setzt eine Reform der Pflegekonzeption und die entsprechende Umstrukturierung der Pflegeeinrichtungen und Heime voraus. Finanzielle Erwägungen jedenfalls dürfen nicht zur Abschiebung in Heime führen. ({11}) In diesem Zusammenhang bedauern wir, daß die von der Bundesregierung geplanten Entgeltsätze von bis zu 30 DM pro ambulanten Pflegeeinsatz unrealistisch niedrig bemessen sind und gegenüber der heutigen Situation sogar einen Rückschritt bedeuten. ({12}) Den Pflegebedürftigen, meine Damen und Herren, muß ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Mitbestimmung gewährt werden. In allen Gremien, in denen Pflegeleistungen konzipiert, gesteuert oder kontrolliert werden, sollen die Pflegebedürftigen oder ihre Selbsthilfeorganisation beteiligt sein und mit entscheiden können. Auf kommunaler und Landesebene sollten Beschwerdestellen eingerichtet oder Ombudsleute berufen werden. Ein zentrales Anliegen unserer Gesellschaft muß es sein, endlich die Armutsfalle bei Pflegebedürftigkeit zu beseitigen. Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen so bemessen sein, daß keine Sozialhilfebedürftigkeit mehr entstehen kann. Die Bemessung der Pflegeleistungen hat sich ausschließlich an dem individuellen Bedarf und dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Betroffenen zu orientieren. Die Kosten für die Unterbringung und die Verpflegung bei stationärer Pflege sollten dagegen begrenzt werden. Die Kosten für die Unterkunft könnten sich am örtlichen Mietspiegel orientieren. Die Selbstbeteiligung der Pflegebedürftigen soll sich ausdrücklich auf die Unterbringungskosten beschränken und muß sich dann im Rahmen der entsprechenden Mietobergrenzen bewegen. Dabei muß jedoch ein ausreichender monatlicher Mindestselbstbehalt garantiert sein, der 300 DM nicht unterschreiten darf. Der Gesetzentwurf, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht hat, würde ein solches modernes Pflegekonzept, wie ich es skizziert habe, möglich machen und zugleich seine Finanzierung langfristig sichern. Es ist deprimierend zu wissen, daß vernünftige und weitsichtige Vorschläge in diesem Haus und in den Ausschüssen immer an bornierten Parteiinteressen scheitern. Ich hätte mir gewünscht, daß wir uns wenigstens bei dieser Entscheidung über eine Pflegeversicherung ausschließlich an dem orientiert hätten, was im Interesse der pflegebedürftigen Menschen notwendig ist. Ich glaube nicht, daß die Männer und Frauen in den Rollstühlen und Pflegebetten, die in dieser Stunde unsere Debatte mit großer Aufmerksamkeit und mit großer Erwartung verfolgen, mit dem zufrieden sein werden, was die Mehrheit des Deutschen Bundestages heute beschließen wird. ({13}) Konrad Weiß ({14}) - Meine Damen und Herren, ich will auf Ihre Zwischenrufe gern noch einmal antworten. Sie haben sich ja damit sehr viel Mühe gegeben. Ich halte es nicht für sinnvoll, in einen Ausschuß zu gehen, in dem von vornherein klar ist, daß eine politische Minderheit kein Mitspracherecht hat, in dem von vornherein klar ist, daß alle Anträge und Gesetzentwürfe, die wir einbringen, abgebügelt werden, ohne daß Sie sich auch nur ernsthaft damit auseinandersetzen. ({15}) Wenn Sie dieses Ihr Verhalten ändern werden - sowohl Sie, meine Damen und Herren von der SPD, als auch Sie von der Koalition -, dann kann man über eine Zusammenarbeit reden. Ich bin jedoch nicht bereit, ({16}) mich in Ausschüssen dem auszusetzen, daß alles, aber auch alles, was wir vorschlagen, ({17}) abgebügelt und nicht ernsthaft behandelt wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Weiß, ich darf fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Louven zulassen.

Konrad Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002461, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, ich möchte nicht auf Zwischenfragen antworten. - Meine Damen und Herren, es ist doch bezeichnend, daß Sie nicht einmal wissen, daß wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Das ist doch für Sie entlarvend! ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Wir werden jetzt in der Debatte fortfahren und wieder Emotionen abbauen. Als nächste spricht die Abgeordnete Gerda Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon unglaublich, daß jemand eine solche Rede hält, der keine einzige Sekunde an den Ausschußberatungen teilgenommen hat. ({0}) Ich will hier zunächst einmal ganz bewußt als Frau sprechen. Ich will dies nicht als Klagelied verstanden wissen, sondern schlicht und einfach mit der Feststellung beginnen, daß von den 1,65 Millionen Pflegebedürftigen in unserem Land 1,2 Millionen in den Familien gepflegt werden. Es sind vor allem die Frauen, die Ehefrauen, die Mütter, die Töchter und die Schwiegertöchter, die teilweise über Jahre, oft rund um die Uhr, eine enorme physische und psychische Leistung erbringen. Diesen Frauen gilt unser Dank und unsere Anerkennung. ({1}) Deshalb liegt es im besonderen Interesse der Frauen, das Problem der Pflege zu lösen, und zwar jetzt und nicht irgendwann, und gerade auch diesen Personenkreis einzubeziehen. ({2}) Wer mit den Pflegenden in den Familien spricht, wer mit deren Angehörigen spricht, der weiß, daß die Menschen auch bereit sind, die beschlossene Gegenfinanzierung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch der Familie endlich die dringend notwendige Solidarität entgegengebracht wird. ({3}) - Genau diese Solidarität, Herr Heyenn, kommt, genau diese Solidarität ist im vorliegenden Gesetzentwurf u. a. dadurch enthalten, daß die Absicherung der häuslichen Pflege mit höchstmöglicher Priorität eingeführt wird. Die Frauen haben heute im Fall der Pflege drei Nachteile zu ertragen: Erstens verzichten sie während der Pflegezeit im wesentlichen auf eigenes Erwerbseinkommen, zweitens haben sie kaum Freizeit und Urlaub, und drittens können sie in dieser Zeit nach jetziger Rechtslage keine Rentenanwartschaften erwerben. Künftig können Pflegebedürftige, die zu Hause gepflegt werden, zwischen einem Pflegegeld und der Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes oder einer Kombination aus beidem wählen. Dazu kommt die Einbeziehung der häuslichen Pflegekräfte in die Unfall- und Rentenversicherung, und zwar auch für diejenigen, die bis zu 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Dies bringt den hohen Stellenwert zum Ausdruck, den wir der häuslichen Pflege beimessen, und verbessert die Altersversorgung vieler Frauen. ({4})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Hasselfeldt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In Anbetracht der paar Minuten Redezeit, die ich habe, möchte ich ganz gerne in einem durchziehen. ({0}) Durch die Leistungen der Frauen ist die Familie in unserer Gesellschaft der größte Pflegedienst der Nation. ({1}) Mit dem Vorrang der häuslichen Pflege, mit den unterschiedlichen Leistungen und der Rentenanrechnung helfen wir den Frauen, helfen wir den Familien, auch dort zu pflegen, wo es die Pflegebedürftigen am liebsten haben, nämlich in der gewohnten häuslichen Umgebung, solange es irgendwie möglich ist. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen die häusliche Pflege absolut nicht durchführbar ist. Deshalb ist die stationäre Pflege in dieses Gesetz einbezogen. In den Heimen - wir wissen das - sind heute etwa 80 % der Pflegebedürftigen Sozialhilfeempfänger. Sie sind nicht deshalb Sozialhilfeempfänger, weil sie schon immer Sozialhilfeempfänger waren, sondern weil die hohen Kosten der Pflege in den Heimen ihr Einkommen weitgehend übersteigen. Mit dem Problem Sozialhilfe in den Heimen sind die Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, der Einsatz des Einkommens bis auf ein Taschengeld, das Heranziehen des Vermögens und vor allem auch das Heranziehen der unterhaltspflichtigen Angehörigen verbunden. Dies wird nun mit der Pflegeversicherung geändert. Der pflegebedingte Aufwand in den Heimen wird nun von der Pflegeversicherung bezahlt. Damit wird der Pflegebedürftige mit seinen Angehörigen deutlich entlastet. ({2}) Da kann der Herr Andres behaupten, was er will, und kann es x-mal behaupten, daß dies nicht zu einer Entlastung der Sozialhilfeempfänger führt. Bewiesen hat er es in seinen Ausführungen nicht. Den Beweis dafür ist er schuldig geblieben. ({3}) Nun tauchen auch im Laufe dieser Debatte natürlich immer wieder die Fragen auf: Sind die vorgesehenen Leistungen ausreichend? Welche Leistungshöhe ist verantwortbar? - Ich glaube, wir sollten uns auch einmal überlegen, welchen Leistungsumfang unser Gesetzentwurf bringt. Es ist ein Leistungsvolumen von fast 26 Milliarden DM und darunter eine Entlastung der Sozialhilfe von 7 bis 8 Milliarden DM. Bei diesem Umfang davon zu reden, es reiche immer noch nicht, ist schlicht und einfach unbegreiflich. ({4}) Der SPD-Entwurf sieht bei den stationären Pflegeleistungen eine unbeschränkte Kostenübernahme, und bei den häuslichen Pflegeleistungen auch eine Öffnungsklausel vor. Damit aber, meine Damen und Herren, wäre die finanzielle Belastung der Versichertengemeinschaft und der Wirtschaft schlicht und einfach nicht mehr kalkulierbar. Wir dagegen wollen eine finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung. Wir wollen die Vorausberechenbarkeit der Beitragsbelastungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gewährleisten. Wenn ich die Debatte in unserer sozialpolitischen Landschaft verfolge, vor allem das ewige Gejammere der Opposition, daß es immer noch nicht reiche, was gemacht wird, dann denke ich mir manchmal, daß manches in unserer Gesellschaft vielleicht auch deshalb so schwer oder kaum mehr gelingt, weil man durch Maximalforderungen den realistischen Möglichkeiten die Chance nimmt. ({5}) Meine Damen und Herren, wir verabschieden heute ein Pflege-Versicherungsgesetz mit Leistungen, die die Pflegebedürftigen weitgehend von der Sozialhilfe unabhängig machen, mit Leistungen, die die aufopfernde Pflegetätigkeit der Familien anerkennen, und mit Leistungen, die die Familien und die Frauen erheblich entlasten. Wir verabschieden eine Pflegeversicherung mit einem Beitragssystem, das sich an der persönlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten orientiert, einem Beitragssystem, das familienfreundlich ausgestaltet ist, und einem Beitragssystem, das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht überfordert. Vielleicht ist manchen die Dimension dieses Gesetzes, die Bedeutung dieses Gesetzes, noch gar nicht voll bewußt. ({6}) Ich sage Ihnen ganz offen, ich bin stolz darauf, daß die Union es war, die in der Sozialgeschichte unseres Landes immer die großen Sozialgesetze nicht nur verantwortlich mitgetragen, sondern gestaltet hat. ({7}) Das heutige Gesetz ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ein bedeutendes Kapitel unserer Sozialgeschichte fortgeschrieben wird. Ich denke, daß sich die langwierigen Diskussionen gelohnt haben. Ich will mich bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben. Es waren oft schwierige Diskussionen, nicht nur im Ausschuß, sondern auch in einer Fülle anderer Gremien. Nun bitte ich aber, daß bei der Behandlung im Bundesrat nicht parteipolitische Interessen den Vorrang haben, sondern daß die Verantwortung der Länder für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige in unserem Land erkennbar wird. In diesem Sinne bitte ich nicht nur heute um Ihre Zustimmung, sondern vor allem auch die Verantwortlichen im Bundesrat, die Absicherung des Pflegefallrisikos nicht an einem Nein im Bundesrat scheitern zu lassen. Vielen Dank. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Kollege Günther Heyenn.

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein eigenartiges Bild, das uns die Koalition heute morgen bietet. Die Frau Kollegin Hasselfeldt spricht von Sozialgeschichte. ({0}) Und unsere Kollegin von der F.D.P., Frau Babel, spricht davon, daß dieser Zug auf dem falschen Gleis fährt. Das harmoniert irgendwie nicht miteinander. ({1}) Ich gebe aber der Kollegin von der F.D.P. recht, denn bei einem Zug, der zwar, wie sie behauptet hat, in die richtige Richtung, aber auf dem falschen Gleis fährt, ist die Gefahr einer Kollision besonders groß. Diese Kollision mit dem Bundesrat sage ich Ihnen hier und heute voraus. ({2}) Meine Damen und Herren, das, was wir hier beraten, ist nicht die so dringend nötige Ergänzung unseres Sozialversicherungssystems. Sie wissen, meine Damen und Herren von der CDU, genau so gut wie ich, daß Sie Ihr Wahlversprechen, in dieser Legislaturperiode einen umfassenden sozialen Schutz für alle Pflegebedürftigen in diesem Lande herzustellen, hiermit nicht erfüllen, weil das Gesetz unzureichend ist. ({3}) Ich will Rudolf Dreßler aus der ersten Lesung zitieren. Er hat gesagt: Dieses Gesetz ist „sozialpolitisch unzureichend, es ist von seinem Leistungsrahmen her kümmerlich, es ist in seiner Finanzierung unsolidarisch, und es ist systematisch wenig durchdacht" . ({4}) Die SPD hat nach den Beratungen im Ausschuß hiervon nichts zurückzunehmen. Auch das, was als Ergebnis von zigstündigen Beratungen, die ja in großer Hektik abgelaufen sind, hier vorliegt, ist sozialpolitisch einfach unzureichend. Es ist wirklich kläglich, was den Leistungsrahmen angeht. Es ist unsolidarisch finanziert. Selbst die Fachleute im BMA mußten im Ausschuß immer wieder einräumen, daß zahlreiche Regelungen nicht dem Sachverstand des Arbeitsministeriums entsprangen, sondern Ergebnis massiver Einflußnahme interessierter Gruppen waren.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Heyenn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Warrikoff?

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gerne.

Dr. Alexander Warrikoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002429, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Heyenn. - Gehe ich recht in der Annahme, Herr Kollege Heyenn, daß Sie sich, vor die Alternative gestellt, nichts für die Pflegebedürftigen zu tun, nämlich das Gesetz scheitern zu lassen, oder diesen Gesetzentwurf mit einem Volumen von 26 Milliarden Gesetz werden zu lassen, dafür entscheiden, nichts zu tun?

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wissen Sie, Herr Dr. Warrikoff, dieses Gesetz ist - ich komme noch dazu - auch deshalb unzureichend, weil sein Ziel, die Mehrzahl der Pflegebedürftigen, ({0}) die sich in stationärer Unterbringung befinden, aus der Sozialhilfe herauszuholen, in keiner Weise erreicht wird. Wenn Frau Hasselfeldt hier meint, wir könnten diese Aussage nicht beweisen, dann muß ich ihr leider vorhalten, daß sie die Unterlagen des Ausschusses, in dem sie Mitglied ist, nicht gelesen hat. Ich verweise auf die Stellungnahme des Sozialamtes der Stadt Oberhausen, eine umfassende Stellungnahme, in der es heißt, daß die Zielsetzung, den Pflegebedürftigen - oder wenigstens dem Gros - den Status des Sozialhilfeempfängers zu nehmen, eindeutig nicht erreicht wird. Das wird hier nachgewiesen. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Heyenn, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nein. ({0}) - Gut, wenn Sie mich so bitten, Herr Urbaniak, Herr Hörsken. ({1})

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Heyenn, wenn Sie feststellen, daß mit dieser Konstruktion der Koalition - im Gegensatz zum Entwurf der SPD - die Leute nicht aus der Sozialhilfe herausgebracht werden: Ist es nicht gerade so, daß durch ein weiteres Gesetz, das heute verabschiedet werden soll, die Leute gerade in die Sozialhilfe getrieben werden, indem man die Sozialpläne zerstört, insbesondere beim Stahl, indem man eine Kappung der Arbeitslosenhilfe vornimmt? ({0})

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Urbaniak, Ihre Frage hat gleichzeitig eine Antwort enthalten. Ich halte das, was hier heute morgen passiert, insbesondere wenn ich an die Begrenzung der Arbeitslosenhilfe denke, für einen schwarzen Tag in der Geschichte unseres Sozialstaates Bundesrepublik. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Jetzt möchte noch der Abgeordnete Hörsken eine Zwischenfrage stellen. - Bitte.

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Heyenn, der Hinweis auf Oberhausen ist mir ungeheuer sympathisch; das ist meine Geburtsstadt, in der ich über die Hälfte meines Lebens verbracht habe. Außerdem ist das kein Stahlstandort mehr. Das war einmal die Wiege der Ruhrindustrie; darüber könnten wir hier auch noch mal diskutieren. Aber meine Frage, ganz konkret: Glauben Sie denn, daß es richtig ist, was Sie hier darstellen, daß das, was wir mit diesem Gesetz erreichen werden, nun tatsächlich für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande eine Nullrunde wäre? Denn Sie stellen eindeutig nicht fest, daß das, was wir hier machen, in der Tat die Bürgerinnen und Bürger, die pflegebedürftig sind, und die Pflegenden nun Gott sei Dank in einer Art und Weise begünstigt, die sicherlich, wie die Sozialgeschichte beweist, erst ein Anfang ist.

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Hörsken, Sie und ich - anders ausgedrückt: die CDU/CSU und die SPD -, wir hätten gemeinsam ein vernünftiges Pflegegesetz verabschiedet. Aber Sie hängen am Gängelband der F.D.P. ({0}) Das beweist auch das Mißtrauen, das hier ausgedrückt wird. Sie mißtrauen den Kranken und wollen dort - das Wort ist heute morgen schon gefallen -2,9 Milliarden DM abzocken. Gleichzeitig mißtraut die Koalition - Frau Dr. Babel hat das vorgetragen - nicht nur den Kranken, sondern auch dem - wie ich hoffe, gesunden - Bundesarbeitsminister. ({1}) Das zeigt doch schon, in welch einer Situation Sie sich befinden. Wie ein Nasenbär werden Sie durch die F.D.P. hier vorgeführt. Das ist bedauerlich, weil den Pflegebedürftigen nicht so geholfen wird, wie es nötig wäre. ({2}) Meine Damen und Herren, ich muß mich jetzt dem zuwenden, was ich hier vortragen wollte: Dieses Pflegegesetz ist mit dem verfassungswidrigen Lohnraub durch das Entgeltfortzahlungsgesetz verknüpft. ({3}) Das beste an Ihrer Koalitionsvereinbarung ist - ich fürchte, das hat die F.D.P. auch gewollt -, daß dieses Gesetz so nie im Bundesgesetzblatt stehen wird. Es hat nicht die geringste Chance, durch den Bundesrat zu kommen. Die Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. - ich wiederhole mich bewußt - hat nicht die Kraft und zum Teil auch nicht den Willen, das Risiko der Pflegebedürftigkeit sozial abzusichern, den Pflegebedürftigen ein Leben außerhalb der Sozialhilfe zu ermöglichen. Ich habe auf die Stellungnahme der Stadt Oberhausen hingewiesen. Diese Koalition will, wie ich meine, ein kümmerliches Pflegegesetz verabschieden. Sie benutzt dieses Gesetz, um die durch die Verfassung geschützte Tarifautonomie auszuhöhlen. Die Koalition will den Sozialstaat weder ergänzen noch umbauen. Sie will den Sozialstaat abbauen und benutzt dazu die Hoffnung der Millionen Pflegebedürftigen in unserem Land. ({4}) Das ist es, was mich veranlaßt, dieses Vorhaben schäbig zu nennen. Dabei, Herr Fuchtel, waren die Weichen schon richtig gestellt. Nachdem die Koalition mit ihrem Vorhaben, zur sogenannten Kompensation der Arbeitgeberbeiträge die 1956 durch einen IGMetall-Streik in Schleswig-Holstein weggekämpften Karenztage wieder einführen zu wollen, gescheitert ist, besann sie sich darauf, das große sozialpolitische Reformvorhaben im Interesse der Sache im Konsens der politischen Kräfte auf den Weg zu bringen. - Ich will Sie daran erinnern, daß auch Sie Ihre Zimmer in Windhagen bestellt hatten. ({5}) Dann aber hatten Sie Angst davor, sich mit den Argumenten der Fachleute auseinanderzusetzen. ({6}) - Frau Dr. Babel, Ihre Reaktion beweist doch, daß ich recht habe. ({7}) Ideologisch verbrämte Positionen zur Pflege lassen sich halt nicht, wie wir es vorhatten, im sachlichen Gespräch abwägen. ({8}) Meine Damen und Herren, wir hätten zusammen - ich wiederhole das - eine vernünftige Pflegeversicherung erarbeiten können, eine Versicherung, die das Pflegerisiko wirklich abgesichert hätte: sozial, solide finanziert. Wir hätten auch über das, was Sie „Kompensation" nennen, sprechen können. ({9}) Aber wir wollten natürlich zunächst über die Sache reden, ({10}) über das, was zugunsten der Pflegebedürftigen entsteht. Erst dann, im Anschluß, wäre es möglich gewesen, über Kompensation zu reden. Ich kann doch nicht den Preis für eine Ware auf den Tisch legen, ohne zu wissen, um welche Ware es sich handelt. Aber genau das wollte die F.D.P., weil es ihr nur darum ging, die Unternehmer zu entlasten, und zwar um mehr, als sie der Beitrag zu dieser Pflegeversicherung kostet. ({11}) Meine Damen und Herren, ich will einige unserer Eckpunkte noch einmal kurz darstellen. Erstens. Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger, gleich welchen Standes und welcher Herkunft, als Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung. ({12}) Wir wollen, daß auch Frau Dr. Babel und Graf Lambsdorff ihre Beiträge an die gesetzliche Pflegeversicherung entrichten und keine privaten Sonderkonditionen in Anspruch nehmen. ({13}) Wir wollen dies, damit Frau A in Norderstedt und Frau B in Passau nicht mit mehr Beiträgen belastet werden, als sie tragen können. Denn wir wissen: Eine humane Pflege und eine wirkliche Pflegeversicherung kosten Geld. Deshalb müssen auch die Gutverdienenden in diesen Solidarausgleich der Pflegeversicherung einbezogen werden. ({14}) Die Alternative dazu sind höhere Beiträge für die niedrigeren Einkommen und reduzierte Leistungen im Pflegefall. Das wollen Sie. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun und hilft den Pflegebedürftigen wenig. Deswegen lehnen wir dieses Vorhaben ab. Ein zweiter Punkt: Eng mit dem ersten Punkt verbunden ist die Frage der Beitragsbemessung und die Frage, wer über die Beitragshöhe bestimmt. Sie wollen als Bemessungsgrundlage für die Beiträge nicht diejenige der Rentenversicherung, sondern diejenige der Krankenversicherung. Sie wollen damit über den Beitragssatz die Leistungen deckeln und alle Einkommen oberhalb von 5 400 DM beitragsfrei lassen. Wir wollen, daß die Versicherten selbst bestimmen, welche Beiträge nötig sind. Wir wollen, daß auch die Einkommen oberhalb von 5 400 DM zur Finanzierung der Pflege herangezogen werden. Das ist für uns Solidarität. Wir wollen das, weil wir die Not der Pflegebedürftigen wirklich lindern wollen und dazu nicht nur die Einkommen der Verkäuferinnen bei ALDI, sondern auch diejenigen der Gut- und Besserverdienenden - auch das Ihre, Frau Dr. Babel - heranziehen wollen. ({15}) Drittens. Vor allem wollen wir, was diese Koalition offenbar nicht will: Wir wollen, daß Pflegebedürftigkeit für sich genommen kein Grund mehr ist, sozialhilfebedürftig zu werden. ({16}) Besonders deutlich werden diese unterschiedlichen Zielsetzungen bei der stationären Pflege: Während der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion durch Übernahme der vollen pflegebedingten Kosten einer stationären Pflege dafür sorgen will, daß von Pflegebedürftigen der Druck genommen wird, entweder sozialhilfeabhängig zu werden oder den Familienangehörigen zur Last zu fallen, sieht sich diese Koalition noch nicht einmal in der Lage, für 1994 einen Betrag zu nennen, der stationär Pflegebedürftigen gewährt werden soll. ({17}) Zwar will die Koalition glauben machen, daß die Leistungen gelegentlich angepaßt werden; sie nennt das - unter Umdeutung des Begriffes - „Dynamisierung". Aber wir halten das für total unausgegoren, für eine Aussage, die eigentlich beinhaltet: Sie wollen hier etwas regeln, aber eine wirkliche Hilfe für die Pflegebedürftigen wird es nicht geben. Für diese Menschen bringt dieses Gesetz nicht die langersehnte Hilfe, für sie ist es eine einzigartige Enttäuschung, die nach den Versprechungen dieser Koalition und dem kaum mehr anzusehenden Schauspiel, das gerade bei der Lösung dieser Frage abgegeben wurde, um so größer ist. Das Ergebnis ist entsprechend: ein Gesetz, dem keine Konzeption zugrunde liegt, sondern das von einer Vielzahl nicht miteinander in Einklang zu bringender Partikularinteressen bestimmt wird. Es orientiert sich nicht an der Lösung der Probleme.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Heyenn, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gut. Gestatten Sie mir nach den teilweise recht turbulenten Fragen und Antworten ({0}) noch eine halbe Minute, Herr Präsident. Ich finde es auch bezeichnend für den Gesetzentwurf, daß das bewährte Subsidiaritätsprinzip in unserer Gesellschaft von Ihnen hier durchbrochen wird, indem Sie den Vorrang der freigemeinnützigen Träger kippen und private Anbieter mit ihnen gleichstellen nach dem Motto: „Wenn's denn was bringt, dann macht's der Private, und wenn es nichts bringt, dann macht's die AWO oder die Diakonie." ({1}) Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren - ich komme zum Schluß -, wollen eine Pflegeversicherung. Wir wollen eine Pflegeversicherung, die den Pflegebedürftigen nützt, die solide und sozial gerecht finanziert ist, die die unseren Sozialstaat auszeichnenden sozialen Systeme ergänzt. Diesen Anforderungen wird Ihr Entwurf nicht gerecht. Sie verbessern nicht die Lage der Pflegebedürftigen. Sie nutzen die Not, um Hand an zentrale Säulen unseres Sozialstaates zu legen, indem Sie beginnen, die Arbeitgeber von der Verpflichtung zu befreien, sich zu beteiligen, Verantwortung für unsere sozialen Sicherungssyssteme zu tragen. Wir bleiben bei unserem Nein, und wir sagen Ihnen voraus: Dieses Nein wird auch im weiteren Verlauf Bestand haben. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Georg Gallus das Wort.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich möchte zu dem Angriff Stellung nehmen, den Herr Heyenn gegen die F.D.P. glaubte starten zu müssen. Ich bekenne mich voll zu der Haltung der F.D.P., daß es richtig gewesen wäre, nach dem Kapitaldekkungsprinzip eine private Lösung anzustreben. Man darf nämlich in diesem Staat eines nicht tun: dauernd über eine wachsende Zahl von Arbeitslosen jammern und dann Entscheidungen fällen, die geradezu Arbeitslosigkeit produzieren. ({0}) Zum zweiten bin ich folgender Auffassung: Ich stimme dem zu, daß wir eine Lösung gebraucht haben, die die Unternehmen entlastet. Schauen wir doch einmal nach Holland, was die dortige Lösung an Kosten verursacht. Herr Heyenn, ich halte es schon für ein starkes Stück, wenn Sie als Vorsitzender des Sozialausschusses in einem Land, wo 1 000 Milliarden DM für den Sozialbereich aufbringen, so reden und überhaupt nicht darauf eingehen, wer am Ende alles bezahlen soll. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Sie sollen doch die kurze Replik des Kollegen Heyenn hören können. Bitte, Herr Kollege.

Günther Heyenn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000897, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht ganz kurz, Herr Kollege Gallus: Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie das verstanden haben. ({0}) Lassen Sie mich Ihnen noch einmal sagen: Wir lehnen dieses Gesetz ab, weil es mit einem verfassungswidrigen Eingriff in die Tarifautonomie verbunden ist und weil seine Leistungen unzureichend sind. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile unserem Kollegen Julius Cronenberg das Wort. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine Ehre und Last zugleich, hier die Meinung derjenigen Kolleginnen und Kollegen aus der F.D.P.-Fraktion darzulegen, die sich heute zu einem Nein zu dieser Vorlage verpflichtet fühlen. Dabei bin ich sicher, auch die Meinung nicht weniger UnionsKollegen und auch, wie ich weiß, einiger weniger SPD-Kollegen zu vertreten. ({0}) Am 1. Juli hat man - insbesondere der Bundesarbeitsminister - mir meine zugegebenermaßen emotionale Erklärung nach § 33 unserer Geschäftsordnung übelgenommen, und dies, obwohl ich damals deutlich gemacht hatte, daß ich keinen Zweifel an den ehrenwerten Motiven der Befürworter der umlagefinanzierten Pflegeversicherung habe. ({1}) Hoffentlich bleibt mir der Ärger heute erspart. Meine Damen und Herren, das Pflegerisiko - darüber sind sich alle einig, auch diejenigen, die heute nein sagen - muß abgesichert werden. Vorab möchte ich meinen Kollegen Dr. Babel und Dr. Thomae meine Hochachtung aussprechen, daß sie unter wahrlich schwierigen Bedingungen durchaus beachtliche Detailverbesserungen erreicht haben. ({2}) In Stichworten: Vorrang der häuslichen Pflege, sinnvolle Definition des Versichertenkreises, monistische Finanzierung, die hoffentlich beispielhaft für andere Bereiche sein wird, ({3}) sinnvolle Regelungen für die PKV-Versicherten und den Mißbrauch einschränkende Regelungen in der ersten Pflegestufe. ({4}) Aber noch so gute, noch so sinnvolle Verbesserungen im Detail können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die umlagefinanzierte Lösung falsch ist, eine falsche Weichenstellung, und insoweit unterscheidet sie sich auch nicht von den Vorschlägen der Sozialdemokraten. ({5}) Meine Damen und Herren, bevor ich dies begründe, erlaube ich mir einige selbstkritische Bemerkungen, Dieter-Julius Cronenberg ({6}) weil ich in der sozialliberalen Koalition und später in dieser Koalition Verfahrensweisen akzeptiert habe, bei denen bezweifelt werden kann, ob die Beratung wirklich gründlich war. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die richtigen Worte von Gerd Andres und Gisela Babel. Es ist z. B. nicht zumutbar, daß ein Hearing am Donnerstag beschlossen und schon am Montag durchgeführt wird ({7}) Wir alle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind in dieser Beziehung Sünder. Ich hoffe deswegen, daß meine Bitte, ja, meine Aufforderung an das Parlament, Besserung zu geloben, nicht nur im Interesse unverzichtbaren Minderheitenschutzes, sondern auch im Interesse des Ansehens des ganzen Hauses nicht vergeblich ist. ({8}) Ich empfehle in diesem Zusammenhang die Lektüre des Kurzkommentars von Walter Kannengießer vom 18. Oktober, in dem er eindringlich auf die Folgen für unser demokratisches Gemeinwesen hinweist. Zur Sache selbst, meine Damen und Herren: Unsere sozialen Sicherungssysteme beruhen seit Bismarcks Zeiten praktisch auf einem Umlagesystem, wobei der Lohn als Bemessungsgrundlage für Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber dient. Kein Land in der Welt ist so exportabhängig wie die Bundesrepublik Deutschland; jeder dritte Arbeitsplatz hängt nach wie vor vom Export ab. Daß wir unsere Exportfähigkeit dramatisch verloren haben, beweisen die Leistungsbilanzdefizite der letzten Jahre. Als rohstoffarmes Land können wir nur einen Kostenfaktor bestimmen, nämlich den Preis für Arbeit, die Arbeitskosten. Deswegen haben sich immer wieder kluge Sozialpolitiker die Frage gestellt, ob die Bemessungsgrundlage Lohn für die Abführung der Beiträge wirklich das Nonplusultra ist. ({9}) Vorausschauende Sozialpolitiker wie Wolfgang Mischnick und der Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel haben sich auf Grund demographisch bedingter Probleme gefragt, ob bei unserem Alterssicherungssystem nicht zumindest teilweise eine Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren möglich, ja sogar notwendig wäre. ({10}) Die Umstellung unseres Rentensystems, so meine ich aus überzeugenden Gründen, ist leider nicht möglich. Das heißt konkret aber auch: Wir vererben der immer kleiner werdenden nächsten Generation unserer Kinder und Enkel eine Beitragslast von unvorstellbarer Größe. ({11}) Zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Zur Zeit wird an jedem Arbeitstag ca. 1 Milliarde DM an Renten gezahlt, die von den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern - über die Preise von uns allen gemeinsam erwirtschaftet - erbracht werden müssen. Damit kein Mißverständnis aufkommt: Die durch Beitragszahlungen erworbenen Ansprüche sind zu bedienen; abgesehen davon, daß es Eigentumsansprüche sind, besteht auch eine moralische Verpflichtung, zu der ich, zu der wir uneingeschränkt stehen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Cronenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reuschenbach?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber sicher.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrter Kollege Cronenberg, da Sie die Höhe der Beiträge und damit der entsprechenden Lohnnebenkosten beklagen: Sind Sie denn bereit, den Erwägungen nahezutreten, solche Lohnnebenkosten dadurch zu reduzieren, daß die Sozialversicherungssysteme von systemfremden Ausgaben entlastet werden? Vorschläge zur Obernahme etwa von vereinigungsbedingten Kosten liegen ja auf dem Tisch. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Kollege Reuschenbach, für eine ordnungspolitisch sinnvolle Verteilung der Lasten bin ich immer zu haben. ({0}) Aber wir müssen uns von der Illusion befreien, daß damit ein Pfennig mehr zur Verfügung stünde. Ob Sie nun mehr Lohnsteuern kassieren - das ist die Haupteinnahmequelle, die ja ebenfalls von den Arbeitnehmern erbracht wird - oder mehr Beiträge -, das mag im Einzelfall eine gerechtere Verteilung der Lasten bedeuten, löst aber die finanziellen Probleme nicht. Deswegen sage ich: Ich stimme Ihnen immer zu, wenn Sie für eine bessere Verteilung der Lasten eintreten; ich möchte Sie nur vor Illusionen bewahren. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Reuschenbach würde gern eine zweite Frage stellen. Bitte.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da Sie nicht über die gesamte finanzielle Belastung geredet haben, sondern sich über die Höhe von Unternehmenskosten ausgelassen haben, stelle ich noch einmal die Frage, ob sie dem Gedanken nähertreten wollen, die Unternehmenskosten dadurch zu reduzieren, daß solche sachfremden oder systemfremden Kosten auf andere Finanzierungsebenen verlagert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Zu der richtigen Verlagerung von systemfremden Kosten Dieter-Julius Cronenberg ({0}) sage ich dreimal ja, aber ich erlaube mir, an dieser Stelle das zu tun, was ich in diesem Zusammenhang immer tue, nämlich zu sagen: Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern - Kollege Schreiner, der heute, glaube ich, nicht da ist, hat sich ja immer auf mich berufen, und dazu stehe ich - sind Kosten wie Lohn und Material und bestimmen den Preis. Prinzipiell ist es für die Wettbewerbsfähigkeit völlig egal, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer diese Beiträge zahlt, weil es für die Kalkulation, für die Bestimmung des Preises für das zu verkaufende Produkt egal ist, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer es bezahlt. ({1}) - Verehrter Herr Kollege, wenn ich das noch außerhalb der Redezeit sagen darf: ({2}) Auch hier rennen Sie bei mir offene Türen ein. In der Tat gibt es zur Zeit den Zustand, daß ein Unternehmen für jemanden, der 3 000 DM brutto im Monat bekommt, aus tariflichen und gesetzlichen Gründen weitere 3 000 DM abzuführen hat. Dafür arbeitet nicht der Arbeitgeber, sondern ausschließlich der Arbeitnehmer. Der wahre Bruttolohn eines deutschen Arbeitnehmers, dem man tariflich 3 000 DM brutto zusichert, ist 6 000 DM. Ausgezahlt wird aber nur noch ein Betrag von 1 800 oder 1 900 DM. Wir geben den Menschen weniger als ein Drittel dessen, was sie mit ihrer Arbeit geleistet haben. Und auf diesem Hintergrund trauen Sie sich, an diese Bemessungsgrundlage zusätzliche Belastungen anzuknüpfen! Das ist doch die Sünde, die mich zum nein zwingt. ({3}) Darf ich nun fortfahren? Vor diesem Hintergrund ist es eben nicht zu verantworten, für weitere, auch noch so notwendige soziale Leistungen den Lohn zur Bemessungsgrundlage zu machen. Die Arbeit in Deutschland wird damit unbezahlbar. Zur Minderung dieser Folge werden uns Kompensationen vorgeschlagen. Sie sollen dauerhaft und verlässlich sein. Ohne die gute Absicht in Zweifel zu ziehen, sage ich: Sie können weder dauerhaft noch verläßlich sein. Aufgrund der demographischen Entwicklung und der gesteigerten Inanspruchnahme wegen des nunmehr installierten Rechtsanspruchs für alle, auch für Vermögende - für sie ist es ja ein Erbschaftssicherungsgesetz -, ist eine explosionsartige Steigerung der Kosten vorprogrammiert. Der Versuch, die Kosten durch die Festschreibung eines Beitragssatzes in den Griff zu bekommen, ist meines Erachtens blauäugig, um nicht zu sagen: naiv. Die Vorschläge der Koalition und natürlich genauso die der SPD waren und sind nicht alternativlos. Zugegeben, auch das von uns vorgeschlagene Kapitaldeckungsverfahren ist keine hundertprozentig perfekte Lösung und hätte nicht allen Pflegebedürftigen und sofort geholfen. Nicht sofort perfekt, aber solide finanziert war unsere Alternative. Unsere Alternative nimmt auch darauf Rücksicht, daß der Anteil an Erträgnissen aus unselbständiger Arbeit am Bruttosozialprodukt kontinuierlich sinkt und der aus Kapitalerträgen weiter steigt. Deswegen wäre es richtig, Kapitalerträgnisse zur Finanzierung heranzuziehen. Die Zinserträge mindern dann die Beitragsbelastung. Der Kapitalbedarf der Wirtschaft könnte gleichzeitig besser gedeckt werden. Meine Damen und Herren, es ist mir und den Freunden in der CDU/CSU-Fraktion und in der F.D.P.-Fraktion nicht gelungen, für diese, wie ich meine, einsichtige und schlüssige Position Mehrheiten zu finden. Ich habe in unterschiedlichen Koalitionen mit unterschiedlicher Häufigkeit aus koalitionspolitischen Rücksichten mancher Vorlage, die ich für bedenklich, ja für falsch gehalten habe, zugestimmt. Ich habe das auch getan, weil ich mir gesagt habe, dieser oder jener Unsinn kann durch andere vernünftige Mehrheiten, durch einsichtige Nachfolger korrigiert werden. Die Entscheidung von heute ist irreversibel. Bei Gewissensentscheidungen wie zum § 218 und bei irreversiblen Entscheidungen muß meines Erachtens die koalitionspolitische Rücksicht zurückstehen. Natürlich weiß ich, daß etliche Kollegen aus meiner Fraktion trotz dieser Erkenntnis gleich in der namentlichen Abstimmung wegen des Koalitionsfriedens mit Ja stimmen werden. Sie haben meinen Respekt, wie ich hoffe, den ihren zu haben. Ich hoffe aber auch, verehrte Kollegen beim Koalitionspartner, daß Sie dieses Opfer zu schätzen wissen. Nicht wenige Kollegen aus der Unionsfraktion haben mich bis in die letzten Tage in meiner Auffassung bestärkt, und ich möchte mich bei diesen Kollegen ausdrücklich für diese Ermutigung bedanken. Meine Bitte an diese Kollegen ist, mit dafür Sorge zu tragen, daß im weiteren Verlauf nicht noch einmal dem Koalitionspartner Unzumutbares zugemutet wird. Das, meine Damen und Herren, hält die beste Koalition nicht aus. Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Ich sage dies als jemand, der gerne zu dieser Koalition stehen möchte. Meine Damen und Herren, leider wird mir und meinen Freunden immer wieder soziale Kälte vorgeworfen. Das ist falsch. ({4}) Wir sagen nein, weil es eine falsche Weichenstellung ist, weil die nachfolgende Generation überbelastet wird, ({5}) weil unsere dringend erforderliche Wettbewerbsfähigkeit beschädigt wird, und nicht, weil wir, wie uns vorgeworfen wird, soziale Kälte praktizieren wollten. Nein, meine Damen und Herren, wie im Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 zum Ausdruck gebracht, ({6}) meine ich, daß der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft ist, und füge hinzu: Eiskalt ver15844 Dieter-Julius Cronenberg ({7}) halten sich jene, die nicht Erwirtschaftetes verteilen. Es ist deswegen, meine Damen und Herren von der Christlich Demokratischen Union, nicht unchristlich und nicht unbarmherzig, wenn man dieses Gesetz ablehnt, im Gegenteil. Es könnte ein Beitrag sein, den notwendigen Freiraum für eine andere, für eine bessere Lösung zu schaffen. Ich bedanke mich für Ihre Geduld. ({8})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Damen und Herren, ich werde jetzt noch einmal das Wort zu einer Kurzintervention erteilen, und zwar dem Kollegen Volker Kauder. Ich möchte aber vorher noch etwas sagen. Ich werde dann keine weiteren Kurzinterventionen zulassen, und ich bitte Sie auch, wenn es Ihre Haltung irgend zuläßt, sich bei Zwischenfragen ein bißchen zurückzuhalten, und zwar aus folgendem Grund: Wir haben heute gegen 14 Uhr vier namentliche Abstimmungen. Jedenfalls müssen Kollegen, die dann schon auf heißen Kohlen sitzen, dann noch ihre Züge oder Flugzeuge erreichen. Wenn wir also jetzt die Debatte zu sehr verlängern, kommen sie in große Schwierigkeiten, und alle haben ja noch Verpflichtungen im Laufe des Tages. Zu einer Kurzintervention der Kollege Volker Kauder.

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Cronenberg, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, und ich möchte jetzt einmal ohne jede Parteitaktik - und da meine ich gerade nicht Sie, sondern schaue mehr in die andere Richtung - für viele Kollegen aus der baden-württembergischen Landesgruppe unserer Fraktion erklären, daß wir dem Gesetzentwurf der Koalition zustimmen, obwohl nicht alle Bedenken gegen das Umlageverfahren im Hinblick auf den Altersaufbau unserer Gesellschaft ausgeräumt worden sind. ({0}) Es wurden aber Regelungen getroffen, die eine Kostenexplosion wie im Gesundheitswesen und eine unerträgliche Beitragslast der jüngeren Generation verhindern sollen. Hier werden wir sehr wachsam sein. Eine Zustimmung ist uns auch deshalb möglich, weil eine Mehrbelastung der Wirtschaft nicht stattfindet, weil eine Kompensation erfolgt. Wer ein Pflegeversicherungsgesetz will, in dem keine Kompensation der zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft möglich ist, der handelt unverantwortlich, ({1}) und dies sage ich an die Adresse der SPD. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde der naheliegenden Versuchung widerstehen, eine rückwärtsgewandte Debatte zu führen. ({0}) Das können Sie alles in meinen Memoiren nachlesen. ({1}) - Auch Sie, Frau Babel, werden darin vorkommen. ({2}) Wie könnte es anders sein! ({3}) - Sie können sich alle noch melden. Ich will eine vorwärtsgewandte Debatte. Ich will an die denken, um die es wirklich geht, nämlich die Pflegebedürftigen. Es geht nicht um die F.D.P., es geht nicht um die CDU/CSU, und es geht auch nicht um die SPD, sondern es geht um die Pflegebedürftigen. ({4}) Die Pflege ist ein lange verdrängtes, lange diskutiertes, hart umstrittenes Thema. Wen wundert es? Welches große soziale Projekt ist ohne Streit an das Ziel gekommen? Die Pflege ist eines der großen sozialen Projekte. Nur, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt genug gestritten worden. Wir haben zu entscheiden, ob die Pflegeversicherung kommt oder in Streitereien und Rechthabereien hängenbleibt. Das ist die Frage. ({5}) Alles andere ist Ablenkung und Fluchtvorbereitung. Es ist wie beim Hausbau. Wir können bald Einweihung feiern, aber die Beteiligten streiten sich noch über den Fußbodenbelag, den Fensterrahmen und den Verputz. Im Grundriß stimmen Koalition und Opposition überein. ({6}) Es kann doch nicht sein, daß die Pflegebedürftigen noch einmal auf die Warteliste gesetzt werden, weil wir uns im Detail verheddern. ({7}) - Ja, die Rechthaberei, das ist heute mein Thema. Mit Rechthabereien kommen wir, glaube ich, nicht ans Ziel. ({8}) Wir kommen nur an das Ziel, wenn mehrere über ihren Schatten springen, wenn wir uns dem Zwang aussetzen, ({9}) nach 20 Jahren Diskussion endlich diese Diskussion in eine Entscheidung einmünden zu lassen. ({10}) Ich bedanke mich bei allen, die diesen Weg mitgegangen sind - einen Weg mit Kompromissen und Kurskorrekturen -, besonders bei denen, die um des Zieles willen kompromißbereit waren. Ich setze auch darauf, daß sich die Opposition nicht in einmal eingenommenen Positionen verschanzt. Lassen wir alle großen Theorien, alle Betroffenheitsbekenntnisse beiseite. Lassen Sie uns zu den handfesten Verbesserungen kommen. Die können ja nicht bestritten werden. Es geht um die handfesten Verbesserungen für die Pflegebedürftigen. Meine Damen und Herren, 500 000 erheblich Pflegebedürftige erhalten erstmals Pflegeleistungen, und zwar 400 DM Pflegegeld oder 25 Pflegeeinsätze monatlich. 500 000 Pflegebedürftige, die bisher nichts bekamen, bekommen jetzt 400 DM. ({11}) - Wollen Sie dazu nein sagen? ({12}) - Sie wollen nein sagen, weil Ihnen nichts lieber ist, als Ihre Rechthaberei zu bestätigen. ({13}) 700 000 heute Schwerpflegebedürftige erhalten statt bisher 400 DM höhere Leistungen. 500 000 von den 700 000 erhalten künftig nicht 400 DM, sondern 800 DM. 200 000 von den 700 000 erhalten nicht 400 DM, sondern 1 200 DM. Das sind für 700 000 Mitbürger, für Hilfsbedürftige, entweder 400 DM oder 800 DM mehr bzw. Sachleistungen bis zu 2 100 DM. Wollen Sie der Rechthaberei wegen diesen 700 000 die Verbesserung ihrer Lage verweigern? Das ist die Frage, vor der Sie heute stehen. ({14}) Es geht heute nicht darum, wer recht hat, wer es besser gewußt hat und wer es anders gemacht hätte. Das alles ist heute nicht die Frage. Heute wird darüber abgestimmt: Wollen Sie, daß weiter diskutiert wird, oder wollen Sie entschieden haben? 450 000 stationär Versorgte erhalten ab 1996 - nach heutigem Stand - bis zu 2 600 DM an Pflegeleistungen. Wollen Sie die 450 000, fast eine halbe Million, weiterhin zu 80 % der Sozialhilfe überlassen, oder sollen sie eine ordentliche Antwort auf ihre Pflegelage erhalten? Das ist die Frage, über die Sie heute entscheiden müssen. ({15})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Bundesminister, der Abgeordnete Dr. Seifert möchte eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Nein, ich stelle das Ganze jetzt erst einmal im Zusammenhang dar. Rehabilitation vor Pflege: Pflege ist nicht nur ein Zustand, in dem materiell geholfen wird. Wir wollen vielmehr mit Rehabilitation Pflege vermeiden und Pflegebedürftige reaktivieren. Wir wollen teilstationäre Pflege und Kurzzeitpflege anbieten, damit die Pflegekräfte, die ihren Dienst zu Hause versehen, in der Rentenversicherung dafür endlich nicht mehr bestraft werden. Wollen Sie dazu Ja oder wollen Sie dazu Nein sagen? ({0}) Heute wird nur mit Ja oder Nein abgestimmt. Heute wird nicht darüber abgestimmt, wer recht hatte. Heute wird darüber abgestimmt, ob Sie das wollen, ({1}) ob diese Leistungen auf dem Papier eines Gesetzentwurfes bleiben oder bei den Bedürftigen ankommen, ob sie auf dem Papier bleiben oder in die Praxis umgesetzt werden. Anders gesagt: Heute wird sich zeigen, ob Menschlichkeit oder Parteilichkeit die Abstimmung leitet. Das ist die Frage. ({2}) Ich lese Ihnen noch einmal die Leistungen vor. Die sachliche Arbeit im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat weitere Verbesserungen des Entwurfes gebracht. Es hilft nicht, drum herumzureden, sich für betroffen zu erklären und große Worte zu machen. ({3}) Über die Leistungen, die ich vorgelesen habe, entscheiden Sie heute. Sie entscheiden, ob sie den Pflegebedürftigen zugute kommen oder nicht. Wenn sie mich reizen, dann lese ich sie noch einmal vor. ({4}) Ich möchte mich ausdrücklich beim Ausschuß für Arbeit dafür bedanken, daß er weitere sachliche Verbesserungen gebracht hat: Rehabilitationsleistungen der Krankenversicherung auch nach eingetretener Pflegebedürftigkeit, Klärung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, Präzisierung bei Absicherung der häuslichen Pflegekräfte, Klarstellung - das wurde auch heute wieder versucht -, daß der Betrag von 2 100 DM dem Stand 1991 entsprach, daß er natürlich mit den Einnahmen wächst und deshalb im Jahre 1996 bei wahrscheinlich 2 600 DM liegen wird. ({5}) Daher stimmt die Oberhausener Rechnung nicht. Sie hat nämlich 2 000 DM angesetzt. Sie können sich doch nicht auf Falschmeldungen berufen! Auch die Übergangsregelung für die heute Schwerpflegebedürftigen haben Sie im Ausschuß hinzugefügt. Alle erhalten ab 1. April 1994 800 DM ohne besondere Prüfung. Wer auf 1 200 DM Anspruch hat und sie haben will, muß einen Antrag stellen. Das sind wichtige, auch ganz praktische Verbesserungen, für die ich mich bedanke. ({6}) Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß es, wenn die Pflegeversicherung aus welchen Gründen auch immer nicht zustande kommt, keine Gewinner gibt. Es wird überhaupt keine Gewinner geben, sondern nur Verlierer. Verlierer sind die Pflegebedürftigen. Sie warten weiter, werden weiter mit Worten abgespeist und lassen sich von jedem erzählen, was man alles anders machen könnte. Sie erhalten nichts als Worte. Verlierer werden die Angehörigen der Pflegebedürftigen sein. Verlierer werden auch diejenigen sein, die durch eine Pflegeversicherung neue Beschäftigungschancen erhalten; denn die Pflegeversicherung wird auch ein Angebot an neuen Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Die Bundesanstalt schätzt diesen Kreis auf 150 000, die nicht mehr arbeitslos sind, sondern eine sinnvolle Beschäftigung erhalten. Es wird häufig übersehen - ich sage das, damit sich niemand Illusionen macht -: Wenn die Pflegeversicherung nicht kommt, wird keine Partei - dessen bin ich sicher - der Gewinner sein. Alle werden Verlierer sein, weil die Bürger zu Recht sagen werden: Dieses Parlament war nicht fähig, eine praktische Lösung zustande zu bringen. ({7}) Wer diese Pflegeversicherung verhindert, wird mit zu den Verlierern gehören. ({8})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Bundesminister, der Kollege Eimer möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Nein, ich möchte im Zusammenhang das vortragen, was mir heute, am Schlußtag, im Parlament nach einer langen Diskussion wichtig erscheint. Dabei, meine Damen und Herren, trennen Opposition und Koalition durchaus keine Welten. Die Gesetzentwürfe liegen parallel nebeneinander. Ich will die vier unterschiedlichen Punkte hier einmal aufführen. Dann müssen Sie sich wieder fragen, ob an diesen vier Punkten eine Lösung scheitern soll. Erstens: versicherter Personenkreis. Sie haben es schon gesagt. Sie haben die Volksversicherung, wir haben den Grundsatz: Pflege folgt der Krankenversicherung. Richtig ist, daß gegen eine Volksversicherung berechtigte verfassungsrechtliche Zweifel vorgetragen wurden, daß beide Verfassungsressorts sie nicht für verfassungskonform halten. Deshalb frage ich Sie: Wollen wir eine neue Sozialversicherung auf dem unsicheren Boden von Verfassungszweifeln aufbauen? ({0}) - Herr Heyenn, wollen Sie bestreiten, daß es handfeste, sachliche Gründe gegen die Volksversicherung aus verfassungsrechtlicher Sicht gibt? Zweitens: Beitragsbemessungsgrenze. ({1}) - Hören Sie mich doch einmal in Ruhe an! Ich versuche, nicht nur denen, die an der Diskussion beteiligt waren, das zu erklären, sondern ich sage das, damit jeder weiß, was heute hier entschieden wird. Sie haben die Rentenversicherungsbeitragsbemessungsgrenze - also bis dahin soll der Beitrag gezahlt werden -, wir die Krankenversicherungsbeitragsbemessungsgrenze. Das ist eine niedrigere Grenze. Wollen Sie an diesem Unterschied wirklich eine Pflegeversicherung scheitern lassen, zumal wenn Sie die Rentenversicherungsbeitragsbemessungsgrenze nehmen? So viel Mehreinnahmen haben Sie gar nicht! Das sind genau 0,05 Beitragspunkte. ({2}) - Hören Sie mich doch einmal in Ruhe an! Drittens die Leistungshöhe: 400, 800, 1200 DM Pflegegeld bei uns oder Sachleistungen bis 2 100 DM im Jahr 1991 im ambulanten Bereich, ca. 2 600 DM im Jahr 1996 im stationären Bereich. Gedeckelte Leistungen im stationären Bereich bei Ihnen: 500 DM, 1 000 DM, 1 500 DM Pflegegeld oder Sachleistungen, offene Leistungshöhe im stationären Bereich. Das sind die beiden Unterschiede, wobei allerdings die Frage ist - und die wiederhole ich, Herr Andres -, wie Sie mit weniger Beitrag mehr Leistungen bezahlen wollen. ({3}) Denn mit der Erklärung, die Sie hier zu den zwei Kriterien gegeben haben - Beitragsbemessungsgrenze und größerer Personenkreis -, können Sie den Abstand von 1,4 Beitragspunkten bei Ihnen und 1,7 bei uns nicht überbrücken. Sie holen bestenfalls 0,2 Beitragspunkte auf. Aber lassen wir auch dieses Detail beiseite! Viertens: Investitionsförderung. Wir haben uns für die monistische Lösung entschieden, ({4}) Sie für die duale. Die monistische ist sicherlich die modernere; sonst hätten Sie sich in Sachen KrankenBundesminister Dr. Norbert Blüm hausfinanzierung ja nicht für die monistische entschieden. Daraus können Sie ja nicht plötzlich eine Weltanschauungsfrage machen. ({5}) Was im Krankenhaus stimmt, kann im Pflegeheim nicht falsch sein. Und jetzt frage ich die SPD und die deutsche Öffentlichkeit: Kann an diesen vier Punkten wirklich die Hilfe für die Pflegebedürftigen verweigert werden? Geht der Parteiegoismus so weit, daß man aus Rechthabereien die Hilfe jetzt verweigert? Das ist die Frage. ({6}) Ich will Ihnen doch zugestehen, auch ich hätte Veränderungswünsche, nicht nur die Frau Babel, ({7}) auch ich hätte welche! Mein Gott! Das ist ein Kompromiß, und ich verstecke es gar nicht, daß das ein Kompromiß ist. Aber das Wünschbare ist oft der Tod des Möglichen. ({8}) Wir brauchen die Pflege jetzt! Wer das Wünschbare dem Möglichen vorzieht, der verzichtet auf das Realisierbare. Ich bin für das Realisierbare. Der Worte sind nun wirklich genug gewechselt. Damit ist keinem Pflegebedürftigen geholfen. Heute muß entschieden werden! ({9}) Jetzt will ich aber noch die Gemeinsamkeiten benennen. Wir haben beide eine beitragsfinanzierte soziale Pflegeversicherung unter dem Dach der Krankenversicherung. Damit richten wir eine neue Versicherung in der bewährten Selbstverwaltung der Sozialpartner ein. Die Sozialversicherung ist die Grundlage für die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. - Übereinstimmung! Zweiter Punkt, die neue Sozialversicherung. Die Sozialversicherung wird hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einkommensabhängigen Beiträgen bezahlt. ({10}) - Auf die Kompensation komme ich auch noch. Zerstören Sie doch nicht den Versuch, hier Brücken zu bauen, auf denen um der Pflegebedürftigen willen die Lösung zustande kommen soll! ({11}) - Mein Gott! Ich wiederhole: Die SPD hat heute nicht über Rechthaberei zu entscheiden, sondern darüber, ob sie dazu beitragen will, in einem großen Pflegekompromiß den Pflegebedürftigen zu helfen. ({12}) Ich habe mich bewegt. Die F.D.P. hat sich bewegt. Die CDU/CSU hat sich bewegt. Hier ist kaum einer im Saal, der mit seinem Kopf durch die Wand konnte. Er wäre nämlich hängengeblieben. Wir haben uns aufeinander zubewegt. Wollen Sie sich jetzt aus Rechthaberei in Ihren Festungen verschanzen, oder wollen wir aufeinander zugehen? Das ist die Frage. ({13})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres? Herr Kollege Andres, lassen Sie mich, bevor Sie Ihre Frage stellen, eine Bemerkung machen. Die Tonlage im Plenum ist immer ein bißchen abhängig vom Grad des Engagements des Redners. Das entspricht sich. Nur sollten Sie sich wenigstens so verhalten, daß Sie hören, wogegen Sie protestieren. ({0}) Herr Kollege Andres, bitte.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesarbeitsminister, da Sie die Formulierung „Kompromiß" gebraucht haben: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß zu einem Kompromiß immer zwei gehören und daß es dazu notwendig ist, daß sich die eine und die andere Seite auf gemeinsame Positionen verständigen und daß man das dann einen Kompromiß nennt? ({0}) Sind Sie nicht der Auffassung, daß das Verfahren, das Sie gewählt haben, die Absage aller Gesprächsangebote, das Scheitern von gemeinsamen Gesprächen, Ihrer Koalition anzulasten ist, und ist es nicht - ich formuliere das ganz vorsichtig - heuchlerisch, sich jetzt hier in einer unglaublich rechthaberischen Rede hinzustellen und uns vorzuwerfen, wir seien nicht kompromißbereit? Finden Sie das nicht unglaublich unverschämt? ({1})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Kollege Andres, ich stehe nicht an, hier in aller Öffentlichkeit zu bedauern, daß das Gespräch in Windhagen nicht zustande kam. ({0}) Ich bestätige ausdrücklich, daß Ihnen, der SPD, aus dem Nichtzustandekommen kein Vorwurf zu machen ist. Dennoch bleibe ich dabei: Ist das jetzt ein Grund, aus dieser Tatsache, aus dieser Verärgerung eine Weltanschauungsfrage zu machen ({1}) und jede Zusammenarbeit abzulehnen? Meinen Sie, damit könnten Sie vor den Pflegebedürftigen bestehen? Ich würde sagen: Das ist eine Unverhältnismäßigkeit der Reaktion. ({2}) Ich frage mich, wie man parallelfahrende Fahrzeuge, wie man parallelfahrende Züge zum Frontalzusammenstoß bringen kann. Das ist ein Kunststück, das nur Parteitaktiker zustande bringen. ({3}) Liebe deutsche Öffentlichkeit, achte darauf, ob in Sachen Pflege die Partei- und Wahlkampfstrategen entscheiden oder ob es eine sachbezogene, den Pflegebedürftigen gerecht werdende Lösung gibt. Das ist die Frage. ({4}) Unser Haus, die Pflegeversicherung, steht, ist solide gebaut, wetterfest, geräumig, ohne überzogen zu sein. Wollen wir jetzt um des Parkettbodens, der Fenster und des Verputzes wegen das Haus nicht beziehen? Freilich - das gestehe ich - liegt noch ein schwerer Felsbrocken im Weg. ({5}) Das ist die Frage der Kompensation. ({6}) - Frau Matthäus-Maier, das ist wirklich unter Ihrem Niveau. ({7}) Wir wollen die Kosten der Pflegeversicherung nicht einfach auf die Sozialkosten aufschlagen. Wir brauchen einen finanziellen Ausgleich, weil wir die Kosten der Pflegeversicherung nicht einfach auf die Kosten der Wirtschaft aufsatteln wollen. Es dreht sich um eine Entlastung der Wirtschaft von Zahlungen, die traditionell „Arbeitgeberbeitrag" genannt werden. Ich sage es nochmals: Es ist nicht der Beitrag, den die Arbeitgeber aus ihrem Privatgeldbeutel zahlen, sondern es sind Lohnkosten. Es kann nicht Sinn einer Sozialversicherung sein, daß sie sozialen Fortschritt durch beschäftigungspolitischen Rückschritt bezahlt. ({8}) Es kann nicht sein, daß wir eine neue Sozialversicherung für die Pflegebedürftigen einführen und dafür an anderer Stelle Arbeitsplätze ruinieren. Das ist kein sozialer Fortschritt. Deshalb brauchen wir den Ausgleich. ({9}) Dabei wurde auch in der SPD die Zusage zur Kompensation mehrfach auf der Höhe von Theorie und Überschrift erbracht. Aber damit können wir nicht finanzieren. Da muß schon etwas Handfestes gemacht werden. Ich habe häufig festgestellt: Mit Erklärungen allgemeiner Natur hat man große Zustimmung. Aber wenn es konkret wird, wenn ein Opfer erbracht werden soll, sind die Beifallsspender aus dem Saal verschwunden. Politik kann man allerdings nicht mit Überschriften machen, sondern nur mit konkreten Vorschlägen. ({10}) Wir haben uns nach langem Mühen um einen Weg zu einer sozialverträglichen Kompensation für einen Lohnabschlag bei den arbeitsfreien Feiertagen entschieden. Wer diesen Lohnabschlag vermeiden will, kann zwei Tage Urlaub einsetzen. Das ist das Opfer, das für die Pflegebedürftigen verlangt wird. Meine Damen und Herren, das Wort „Opfer" ist schon eine maßlose Übertreibung. Zwei Urlaubstage für die Pflegebedürftigen in einem Land mit der höchsten Zahl von Urlaubstagen in ganz Europa! Selbst wenn die zwei Tage eingesetzt werden, sind es immer noch mehr Urlaubstage als in ganz Europa. Wir sind das Land mit der kürzesten Wochenarbeitszeit, mit der geringsten Jahresarbeitszeit, mit der niedrigsten Lebensarbeitszeit und - mit anderen zusammen - mit den meisten Feiertagen. In einem solchen Land zwei Tage Urlaub für die Pflegebedürftigen einzusetzen ist nichts anderes als ein sozialer Obolus, aber kein Opfer. Wer sich dagegen sperrt, der ist ein Besitzstandsverteidiger und kein sozialer Mensch. ({11}) Es ist so viel von Luftbuchungen gesprochen worden. Die SPD sagt: Kompensation ja, aber nicht so wie die Koalition. Ja, wie denn, liebe SPD? Wenn Luftbuchung, dann ist Ihre Kompensation die strengst vertrauliche Sache in diesem Parlament. Dann ist das noch nicht einmal eine Luftbuchung, dann ist das eine Buchung im Vakuum, die Sie hier vorlegen. Wirklich, bis heute habe ich noch nichts Konkretes gehört. ({12}) Wir haben uns doch auch bewegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben von der Selbstbeteiligung bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Abstand genommen, ({13}) um der Einigung den Weg zu ebnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Pflegeversicherung wird noch Hürden zu überwinden haben. So nahe am Ziel war sie noch nie. Wer sie noch auf den letzten Zentimetern zum Straucheln bringen will, wird sich vor all denen rechtfertigen müssen, die seit Jahren darauf warten. Die Pflegeversicherung - das will ich noch sagen - ist nicht der Alleslöser aller Probleme. Es wird noch immer viel Engagement von vielen Familienangehörigen und vielen Pflegekräften in den Heimen verlangt. ({14}) Der Idealismus der Pflegekräfte wird durch die Pflegeversicherung nicht überflüssig. Die Pflegeversicherung ist ein solidarisches Angebot zur Basisversicherung. Für private Ergänzungen ist noch ein weiter Spielraum. Die Pflegebedürftigen definieren sich schon dadurch, daß sie sich nicht mehr allein helfen können. Also ist das Ganze auf Hilfe angelegt. Der Hilfe bedürfen auch diejenigen, die anderen helfen, die Familien und die Pflegekräfte. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, meine Damen und Herren, meinen großen Respekt vor jenen auszudrücken, die oft jahrelang rund um die Uhr ihre Angehörigen pflegen. ({15}) Die Hälfte aller Pflegebedürftigen über 65 Jahre ist seit mehr als fünf Jahren pflegebedürftig, ein Fünftel sogar über 13 Jahre. Fünf Jahre Tag für Tag, 365 Tage im Jahr, 13 Jahre für viele! Das wird von den Samaritern unseres Sozialstaates erbracht. Deshalb: Diese Pflegekräfte sind nicht Sprinter der Mildherzigkeit - solche Strohfeuerwerker haben wir ja oft -, sondern Langstreckenläufer der Nächstenliebe. ({16}) - Ja, es sind in der Mehrheit Frauen. Und deshalb soll diesen Frauen endlich in der Rentenversicherung und in der Unfallversicherung Anerkennung verschafft werden - alles diesem Gesetz nach. ({17}) Sie werden sich fragen müssen, ob Sie den Frauen diese notwendige Anerkennung entziehen wollen. ({18}) Der Familienzusammenhalt ist nach wie vor erforderlich. Aber manchem Familienhelfer wäre ja schon geholfen, wenn er für kurze Zeit entlastet würde, wenn es Kurzzeitpflege und Urlaubsvertretung gäbe und wenn der Pflegende selbst im Alter für seinen Dienst nicht noch durch eine niedrige Rente bestraft würde. Es ist im Sinne der Subsidiarität, daß sie auf die eigene Verantwortung aufbaut; die hat Vorfahrt. Aber der Eigenverantwortung kann auch der Boden entzogen werden, wenn die Selbsthilfe überfordert wird, wenn diejenigen, die helfen wollen, zusammenbrechen. Familien, vom Pflegefall betroffen - das Wort „Fall" ist schon ein kaltes Wort -, können aus dem Gleis geworfen werden. Wer den Generationenzusammenhalt stärken will, wer Nachbarschaft stützen will, der muß heute die Pflegeversicherung unterstützen. Wir brauchen eine neue Infrastruktur der Sozialpolitik aus der Nähe. Unser Sozialstaat darf kein kaltes Gehäuse einer reinen Verteilungsmaschine sein. Er muß die Hilflosen und Hilfsbedürftigen stützen und darf die Samariter nicht allein lassen. Die Diskussion - ich bedaure es; vielleicht habe auch ich dazu beigetragen - ist häufig nur über Paragraphen und Geld geführt worden. Ganz aus der Diskussion ist verschwunden, daß es auch darum geht, einen Beitrag zu einer Ordnung der Gesellschaft zu leisten, wie wir sie uns wünschen, die den Zusammenhalt der Generationen stärkt, die familiäre Hilfeleistung stützt, nachbarschaftliche Hilfen organisiert, die Unterbringung in den Heimen nicht der Sozialhilfe überläßt und den Pflegekräften - ob zu Hause oder im Heim - endlich Anerkennung verschafft. Es geht also um mehr als nur um Geld. Die Pflegeversicherung schafft nicht alles. Aber ohne sie schaffen wir weniger Hilfsbereitschaft. Für mehr Hilfsbereitschaft lohnt sich die Anstrengung. Ich habe die Zuversicht nicht aufgegeben, daß der gute Wille, die Anstrengung zu einer Einigung auf allen Seiten noch vorhanden ist. Ich möchte meine Rede schließen mit dem Dank für die Arbeit des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, mit dem Dank an alle, die dieses sehr komplizierte neue Gesetz mit ihrem Sachverstand mitgetragen haben, die Obmänner der SPD, der CDU, Herrn Louven, Frau Babel, auch an Sie, Herr Vorsitzender, für die ausgesprochen faire Leitung der Beratung eines sehr komplizierten Gesetzes. ({19}) Mein Dank an Sie alle, auch an die Mitarbeiter des Ausschusses, auch an die Beamten und Mitarbeiter des Arbeitsministeriums! Viele haben an der Pflegeversicherung mehr als nur eine Pflichtaufgabe erfüllt. Lassen wir jetzt kurz vor dem Ziel eine so große Aufgabe nicht scheitern. Darum bitte ich. ({20})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Mascher.

Ulrike Mascher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ({0}) - Sie müssen halt ein bißchen zuhören. Ich bin etwas erkältet, und deswegen kann ich nicht ganz so laut sprechen. Ich habe auch nicht eine so erprobte Lautstärke wie der Arbeitsminister. Der Arbeitsminister hatte hier eine vorwärtsgewandte Rede angekündigt. Ich habe es bedauert, daß sie sich doch zu großen Teilen mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigt hat. Wir wissen, daß viele Menschen heute darauf warten, daß die da oben in Bonn endlich Lösungen für eine existentielle Notlage anbieten, die jeden Menschen treffen kann, die viele Familien bis an die Grenze ihres Zusammenhalts führt und die viele Frauen körperlich und seelisch bis aufs äußerste belastet, teilweise auch überfordert. Ich denke, daß es hier sicher richtig und notwendig ist, den Familien und den Frauen, die seit Jahren Pflege leisten, zu danken. Aber ich denke, der Dank wäre besser abgestattet, wenn wir heute ein Pflegeversicherungsgesetz beschließen könnten, daß ihnen wirkliche Entlastung, wirkliche Hilfe bringt. ({1}) Ich hätte mir auch gewünscht, daß wir Politiker in den letzten zwei Jahren die Zeit nicht dadurch verloren hätten, einerseits Kompensationsgeschäfte für die Pflegeversicherung zu erfinden - das betrifft die Seite der Koalition - und andererseits diese sozial unverantwortlichen Kompensationsgeschäfte, z. B. Kranke zahlen für Pflegebedürftige, abzuwehren - das war die Aufgabe der Opposition. Leider haben wir in dieser Zeit zuwenig über die Inhalte der Pflegeversicherung diskutiert. Im Interesse der Betroffenen und ihrer Familien, im Interesse der Menschen, die im Pflegebereich arbeiten, wäre es notwendig gewesen, eine sachgerechte, ausführliche Debatte darüber zu führen, wie das Pflegerisiko, das jeden treffen kann, wirklich abgesichert und wie die Lebenssituation der über 1,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland verbessert wird. Die freundliche Beschreibung, die die Kollegin Babel gegeben hat, nämlich: Gesetzgebung als Abenteuerurlaub, wird die Betroffenen vermutlich bitter stimmen und nicht von der Seriosität und der Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen überzeugen. ({2}) Der Gesetzentwurf, der heute aller Voraussicht nach eine Mehrheit finden wird - der Entwurf der CDU/CSU und F.D.P. -, ist leider nicht das Ergebnis sorgfältiger parlamentarischer Beratungen, sondern - wie wir in Bayern sagen - ein Fleckerlteppich; denn allein am Montag dieser Woche sind über 100 Anträge eingereicht, eingesetzt und angestückelt worden. Das war sicher eine enorme Leistung der Mitarbeiter des Arbeitsministeriums, aber auch das Eingeständnis, wie unzulänglich der über zwei Jahre ausgebrütete Entwurf der Regierungskoalition war. ({3}) Aber alle diese über 100 Änderungsanträge der Regierungskoalition, so sinnvoll und notwendig sie in einzelnen Punkten waren, können die grundsätzlichen Mängel des Konzepts nicht verdecken. Die Pflegeversicherung wird in zwei Stufen eingeführt. Für die Menschen, die in der schwierigsten Situation sind, die in stationärer Pflege sind, gibt es erst ab 1996 Leistungen. Die Pflegeversicherung der Koalition schafft auch keinen echten Solidarausgleich, denn es gibt keine einheitliche Pflegeversicherung; Sie sagen immer: Es gibt keine Volksversicherung für alle, sondern es bleibt wie gehabt beim Zweiklassensystem. Es gibt die gesetzliche Pflegeversicherung für den großen Teil der Bevölkerung mit durchschnittlichem oder niedrigem Einkommen und eine Sonderversicherung auf privatversicherungsrechtlicher Basis für die Gruppen mit überdurchschnittlichem und hohem Einkommen. Ich glaube, das ist keine bahnbrechende Weichenstellung für eine wirklich solidarische Absicherung der Pflegeversicherung. ({4}) Da die Beitragsbemessungsgrenze im Regierungsentwurf entsprechend der Grenze bei der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt wurde, ergibt sich ein deutlich höherer Beitragssatz von 1,7 % bei der Regierungskoalition gegenüber einem Beitragssatz von 1,4 % bei der SPD, wenn das gleiche Ergebnis erreicht werden soll. Auch das ist kein Beitrag für die immer wieder beschworene Entlastung der Arbeitskosten. Sie verweisen auf die schiefe Kompensation. Ich denke, das ist keine angemessene Entlastung der Arbeitskosten. Wir haben dazu Vorschläge gemacht, wie man im Bereich des Arbeitsschutzes, wie man bei der Entlastung der Arbeitslosenversicherung und wie man im Zuge einer besseren Prävention die Krankheitskosten entlasten könnte. Hier gibt es wesentliche Kompensalions- oder Einsparpotentiale, aber nicht in dem Bereich, den Sie sich hier herangezogen haben, nämlich durch die Kürzung der Löhne die Überkompensation für die Arbeitgeber zu schaffen. ({5}) Wir messen den Entwurf vor allem daran, ob sich die Lebenssituation von Pflegebedürftigen verbessert. Wenn man sich das anschaut, ist der Regierungsentwurf unzureichend. Zirka 465 000 Menschen, die wöchentlich mehrfach einen ambulanten Pflegebedarf haben, fallen aus Ihrem Gesetz heraus. Auch die Personen, die „nur" hauswirtschaftlichen Bedarf haben, um weiterhin ein selbstbestimmtes Leben zu führen, werden bei Ihnen nicht berücksichtigt. Wenn Herr Blüm nun dagegenrechnet, daß aber 500 000 Menschen erstmals Leistungen bekommen, dann muß ich sagen: Das ist eine Ausgrenzung einer großen Gruppe, die Ihr Gesetzentwurf verursacht. Folglich sind die Lobreden, die sich Herr Blüm hier selbst gehalten hat, wirklich nicht gerechtfertigt. ({6}) Sie schließen 500 000 Menschen ein und in der gleichen Regelung 465 000 Menschen aus. Ich halte das nicht für eine solidarische Regelung.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin, Kollege Seifert möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Ulrike Mascher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Kollegin, da Sie gerade auf die Leistungen eingegangen sind: Vielleicht können Sie den Mitgliedern dieses Hohen Hauses und auch den Menschen, die sich diese Debatte ansehen, weil sie wissen wollen, worum es geht, erklären - der Herr Minister hat keine Zwischenfragen zugelassen -, wie man mit 25 Pflegeeinsätzen pro Monat über die Runden kommen soll. Heißt das, daß man am Wochenende nicht gepflegt wird, oder wie würden Sie das verstehen?

Ulrike Mascher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich fürchte, das heißt, daß Sie sich für die restlichen Tage andere Lösungen mühsam zusammenstückeln können. Das zeigt eben, daß die Leistungen völlig unzureichend sind. ({0}) Ein weiterer Bereich, bei dem die Leistungen völlig unzureichend sind, liegt bei den Schwerstpflegebedürftigen, die heute bereits eine Leistung von 1 197 DM erhalten, die aber nicht ausreicht, wie wir alle, sicher auch Sie, aus Gesprächen mit den Betroffenen wissen. Nach Ihrem Leistungskatalog werden hier nun 1 200 DM gezahlt, d. h. 3 DM mehr im Jahr 1994, und im Jahr 1995 wird es dann bereits ein Minus sein. ({1}) Diese Berechnungen sind vom Bundesarbeitsministerium in den Ausschußberatungen am Mittwoch bestätigt worden. Ich denke, daran gibt es auch durch Zwischenrufer nichts zu kritisieren. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Meine Damen und Herren, Kollegin Mascher hat zu Beginn gesagt, daß sie sich mit dem Reden heute ein bißchen schwertut, weil sie erkältet ist. Ich fände es vor diesem Hintergrund fair, wenn wir in diesem Raum ein bißchen leiser sind. ({0})

Ulrike Mascher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Louven hat in seinem Beitrag davon gesprochen, daß mit der Pflegeversicherung mit der Formulierung der Pflegebedürftigkeit ein Einfallstor für zusätzliche Versorgung geschlossen werden muß. Ich finde, diese Formulierung zeigt ein wenig, aus welchem Geist Ihr Gesetz formuliert ist, ({0}) eben nicht aus dem Geist, Hilfe für die Pflegebedürftigen zu schaffen, sondern vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt, möglichst enge Finanzierungsregelungen zu schaffen, auch mit der Überlegung, daß es immer noch die Sozialhilfe gibt und Menschen, die pflegebedürftig sind, nach wie vor in den Bereich der Sozialhilfe abgeschoben werden und damit die Lasten bei den Kommunen verbleiben. Das heißt, das Ziel, das Sie erreichen wollen, Menschen aus der Sozialhilfe zu holen, wird nicht erreicht. Ich denke, das ist der ganz entscheidende Fehler, den Ihr Gesetz hat. ({1}) Ein weiterer entscheidender Konstruktionsfehler ist die fehlende Dynamisierung der Leistung. Was sich in § 26 des Gesetzentwurfs unter dem Stichwort „Dynamisierung" findet, wird im Ergebnis dazu führen, daß in Zukunft eine wachsende Zahl von Pflegebedürftigen wieder auf Sozialhilfe angewiesen ist. Das klingt widersprüchlich, ist aber das Ergebnis der in diesem Paragraphen vorgesehenen doppelten Budgetierung. Leistungen sollen sich generell der Einnahmeentwicklung anpassen, und das Verhältnis zwischen den Leistungen bei häuslicher und stationärer Pflege darf - ganz unabhängig davon, was sich in unserer Gesellschaft in Zukunft entwickeln wird - nicht verändert werden. Ich fürchte, allein dieser relativ kurze und unscheinbare § 26 des Gesetzentwurfs unter der verheißungsvollen Überschrift „Dynamisierung" wird dazu beitragen, daß die Enttäuschung über das, was unter dem Etikett Pflegeversicherung steckt, in kurzer Zeit groß sein wird, weil sich die Leistungen nicht bedarfsgerecht, also nicht im Interesse der Pflegebedürftigen, entwickeln werden und weil das Ziel, Menschen aus der Sozialhilfe zu holen und die Pflegesituation zu verbessern, in Zukunft immer weniger erreicht werden wird. Ich finde es katastrophal, ein Gesetz zu beschließen, von dem man heute schon absehen kann, daß es die Situation derjenigen, in deren Interesse das Gesetz gemacht wird, verschlechtern wird. ({2}) Ich denke, hier muß man sehr genau analysieren, was man beschließt. Auf der gleichen Ebene liegen die Taschenspielerkunststücke, die bei den Leistungen der vollstationären Pflege vorgeführt werden. Im Gesetz stehen jetzt 2 100 DM. Jeder weiß, dieser Betrag deckt bereits im Jahr 1993, in dem das Gesetz eingebracht wird, die Pflegekosten nicht. Also gibt es eine Fußnote. Weil diese Fußnote mit Sternchen niemanden überzeugt, steht jetzt darin, daß beim Inkrafttreten der stationären Leistungen dieser Betrag höher sein soll, allerdings unter Beachtung der von mir gerade dargestellten doppelten Budgetierung. Ich sage Ihnen hier und heute: Der Betrag wird erheblich hinter den Kosten zurückbleiben, und damit werden die Menschen, die in Pflegeheimen leben müssen, auch in Zukunft weiterhin in hohem Maße auf Sozialhilfe angewiesen sein, und die Versprechungen und die Forderungen, die Ihr Kollege Geißler bei der Einbringung des SPD-Gesetzentwurfes, daß die Menschen nämlich aus der Sozialhilfe herauskommen sollen, aufgestellt hat, werden von dem eigenen Gesetz der CDU nicht realisiert werden. ({3}) Das ist für mich das beschämende Grundprinzip des Gesetzentwurfes, der heute im Bundestag eine Mehrheit haben wird. Es geht nicht um eine solide, solidarisch finanzierte Pflegeversicherung. Es geht nicht darum, Pflegebedürftigen wirklich dauerhaft zu helfen. Es geht nicht darum, mit ausreichenden Finanzmitteln die Qualität der Pflege wirklich zu verbessern und die Arbeitsbedingungen für die Pflegenden nachhaltig anzuheben. Es geht darum, mit letzter Kraft ein Gesetz zu verabschieden, über dem die Überschrift steht „PflegeVersicherungsgesetz", auch wenn es in wesentlichen Teilen nur eine leere Attrappe ist. Ich finde, dieses Schauspiel ist ein ziemlich bedrückendes Spiel mit den Erwartungen der Menschen, die eine zuverlässige und wirkungsvolle Hilfe erhofft haben. ({4}) Ich hoffe, und ich bin sicher, Frau Hasselfeldt, daß die Verantwortung der Länder für die Pflegebedürftigen und ihre Familien bei der Abstimmung im Bundestag erkennbar wird, d. h., daß dieses Pflegeversicherungsgesetz, so wie es sich heute hier darstellt, abgelehnt wird, denn es ist sozialpolitisch unzu15852 reichend, von der Leistungsseite her kümmerlich, bei der Finanzierung unsolidarisch und systematisch nicht durchdacht. Diese Charakterisierung des Koalitionsentwurfes von Rudolf Dreßler stimmt leider auch nach 133 Änderungen immer noch. ({5}) Der Arbeitsminister weiß oder hat vor wenigen Wochen immerhin noch gewußt, wie ein wirksames Pflegeversicherungsgesetz aussehen muß. Es liegt Ihnen heute in dem Entwurf der SPD vor. Wir waren zur Kooperation bereit. Uns ist es nicht um Rechthaberei gegangen, sondern uns ist es darum gegangen, einen Konsens zu finden. Wozu wir nicht bereit waren, sind Eingriffe in die Tarifautonomie. Die werden Sie mit der SPD auch nicht bekommen. Sie haben sich diesen Gesprächen verweigert, nicht, weil Sie die Überzeugung haben, daß das Gesetz nicht hätte verbessert werden können, sondern Sie haben sich ihnen ausschließlich aus Koalitionsräson und aus Parteitaktik verweigert. ({6}) Es sind nicht wir, die SPD, die hier Rechthaberei praktiziert haben, sondern wir waren für Konsens, wir waren für Gesprächsbereitschaft. Sie haben sie verweigert. Ich muß leider deswegen heute feststellen: Die SPD wird im Bundestag und im Bundesrat den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen. ({7})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem bayerischen Staatsminister für Arbeit, Familie und Sozialordnung, Dr. Gebhard Glück. Staatsminister Dr. Gebhard Glück ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Legislaturperiode waren wir uns einig. Im Bund und in den Ländern, in der Koalition wie in der Opposition hatten wir uns als große sozialpolitische Zielsetzung dieser Legislaturperiode die Absicherung des Pflegefallrisikos fest vorgenommen und den Bürgern angekündigt. Was ist aus diesen Plänen und Ankündigungen geworden? Noch nie waren wir der Lösung dieses schwerwiegenden Problems so nahe wie heute. Die Pflegeversicherung kann und soll nach dem Beschluß der Koalition am 1. Januar 1994 in Kraft treten. ({1}) Es gibt aber nach der heute zu erwartenden Zustimmung noch eine hohe Hürde. Ob sie genommen werden kann, hängt davon ab, ob die Mehrheit der Länder im Bundesrat zustimmt. Wir haben davon auszugehen, daß es zu einem Vermittlungsverfahren kommt. Die noch zahlreichen Gegner des Gesetzes, diejenigen, die mit seinem Inhalt nicht voll zufrieden sind und diejenigen, die jetzt schon an Pluspunkte im Wahlkampf wegen einer gescheiterten Pflegeversicherung denken, sollten sich alle bewußt sein: Ein Scheitern des Gesetzes schadet uns allen. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Staatsminister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Staatsminister Dr. Gebhard Glück ({0}): Nein, keine Zwischenfragen. Es schadet uns, weil es die mehr als reichlich vorhandenen Zweifel stärkt, die Politiker würden ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht, schwerwiegende Probleme zu lösen. Ein Scheitern schadet uns, weil wir eingestehen müßten, daß nach endlosen Diskussionen Kompromißunfähigkcit gesiegt hat. Ein Scheitern des Gesetzes müßte verständliche Verbitterung bei den Hilflosesten in unserer Gesellschaft auslösen. Kein Politiker, weder ein Bundesnoch ein Landespolitiker, würde den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, den Kommunen und den Wohlfahrtsverbänden plausibel erklären können, warum dieses Gesetz trotz beinahe mehrjähriger Beratungen nicht zustande gekommen ist. Kein Politiker würde glaubhaft darlegen können, es habe wirklich und nicht nur vermeintlich unüberbrückbare Gegensätze gegeben. Das zeigt schon ein kurzer Vergleich zwischen den Vorstellungen der Koalition und dem Gesetzesvorschlag der SPD. Koalition wie Opposition stimmen doch in grundsätzlichen Fragen weitgehend überein. Beide haben sich für das gleiche Grundsystem einer sozialen Pflegeversicherung entschieden, die schon aus sich heraus sozialverträglich und familienfreundlich ist. Beide sehen eine weitgehende Wahlfreiheit der Betroffenen vor, welche der alternativ angebotenen Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Beide bieten das weltweit anerkannte Sachleistungssystem an, ein System, das mit seinem Vertragsgeflecht gleichermaßen für den Aufbau der Infrastruktur, die Qualitätssicherung und Kostendämpfung sorgen kann, ein System, das millionenfach seine Vorzüge gegenüber einem reinen Geldleistungssystem unter Beweis gestellt hat. Beide beziehen die heute bereits Pflegebedürftigen mit ein. Beide zielen darauf ab, jeden erheblich bzw. Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen sofort abzusichern, ganz gleich, ob er betagt, Unfallopfer oder pflegebedürftiges Kind ist. Beinahe völlige Übereinstimmung besteht auch bei der Art der Leistung. Koalitions- wie SPD-Entwurf sehen Prävention, Rehabilitation und häusliche Pflege als vorrangig an. Dies entspricht auch dem Willen der Betroffenen. Gemeinsam ist uns auch das Anliegen, häusliche Pflegepersonen in der Renten- und Unfallversicherung abzusichern. Koalition wie Opposition sehen abgestufte Leistungen nach drei Graden der Pflegebedürftigkeit vor. Ich sehe auch nicht die Gefahr, daß wirklich Pflegebedürftigen zu Unrecht Leistungen versagt werden Staatsminister Dr. Gebhard Glück ({1}) könnten. Selbstverständlich werden wir aber spätestens im Vermittlungsverfahren über dieses Thema sprechen müssen, wenn die SPD dies wünscht. Schon diese Gemeinsamkeiten im System und in wesentlichen Inhalten des Gesetzes machen deutlich: Der Pflegegesetzentwurf gleicht in seiner jetzigen Form einem neuen, fahrtüchtigen Auto der unteren Mittelklasse, dessen Fahrtüchtigkeit wegen einiger nicht erfüllbarer Sonderwünsche nicht in Frage gestellt werden kann. ({2}) Dennoch bin ich mir darüber im klaren, daß das Vermittlungsverfahren nicht dadurch abgeschlossen werden kann - jedenfalls nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann -, daß die das Gesetz noch ablehnenden Länder ihre Bedenken ausnahmslos zurückstellen. Wo bieten sich nun Kompromißmöglichkeiten an? Ich nenne nur einen Punkt. Ich meine, Bundesregierung und Bundestag sollten den Ländern in der Frage der Finanzierung der Infrastruktur entgegenkommen. Hier haben die Länder deutlich gemacht, daß sie ihre Zuständigkeit für die Pflegeinfrastruktur aus guten Gründen behalten wollen und deshalb das vorgesehene zentralistische, monistische Finanzierungssystem mit Bundeszuschuß und Refinanzierung zu Lasten der Länder und Kommunen ablehnen. Dieses System widerspräche geltenden Verfassungsprinzipien, wäre föderalismusfeindlich und würde die Länder jeglichen Einflusses auf ihre eigene Infrastruktur berauben. Hier bedarf es aus meiner Sicht keiner bundesrechtlichen Bevormundung. Vielmehr sind die Länder rechtlich und faktisch durchaus in der Lage, ihre Investionskostenförderung angemessen selbst zu regeln. Dabei bin ich durchaus der Meinung, daß in jedem Fall ein angemessener Teil der Sozialhilfeeinsparungen für den Ausbau der Pflegeinfrastruktur eingebracht werden sollte. Nur, das kann auch jedes Land für sich selbst regeln. Eine bloße Zuständigkeit des Bundes bringt keine einzige Mark mehr in die Länderhaushalte bzw. in die Pflegekassen. ({3}) Einen Länderegoismus, wie er heute angesprochen worden ist, kann ich nicht erblicken. Im übrigen darf ich hinzufügen: Die Länder haben auch in der Vergangenheit nicht unerhebliche Mittel in die Pflegeinfrastruktur investiert. Richtig ist auch, daß die neuen Länder dort Nachholbedarf haben, den sie wohl nicht völlig aus eigenen Mitteln finanzieren können. Dieses Problem zu lösen, gibt es sicher mehrere Wege. Ein möglicher hierzu läge z. B. in der von Sachsen angeregten geringfügigen Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung ab 1. Januar 1994, auf zwei Jahre befristet. Die so erzielten Beitragsmehreinnahmen könnten den neuen Ländern als Anschubfinanzierung für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang an frühere Gesetzesvorhaben erinnen, die nach sehr kontroversen Sachdiskussionen zu einem guten Ende geführt werden konnten. Ich denke z. B. an das Gesundheits- Strukturgesetz oder an die Rentenreform 1992. Ich will, meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle nicht mehr in eine vertiefende Diskussion um die Kompensation eintreten; denn das Gesetz ist vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Wir sollten das Pflege-Versicherungsgesetz bald folgen lassen. Eine andere Meinung zur Kompensation kann man sicher haben. Das zeigen auch die vielen Vorschläge, die zu diesem Thema gemacht worden sind. Aber eine andere Vorstellung zur Kompensation kann doch nicht Anlaß sein, die Pflegeversicherung insgesamt scheitern zu lassen. ({4}) In meinem Hause ist eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Bürgervoten eingegangen, die eigene Kompensationsmodelle vorgeschlagen haben. Wesentlich ist dabei vor allem: Die Bürger haben in der Mehrheit akzeptiert, daß eine Steigerung der Sozialausgaben, wenn sie nicht Arbeitsplätze kosten soll, nicht mehr finanzierbar ist. Die Arbeitnehmer sind also durchaus bereit, für die Pflegeversicherung Opfer zu bringen. Sie wissen, daß dieser Leistung eine angemessene Gegenleistung gegenübersteht, die nicht zum Nulltarif zu haben ist. Sie wissen, daß die Pflegeversicherung nicht einen Wechsel auf die Zukunft darstellt. Sie wissen, daß die Pflegeversicherung eine große finanzielle Erleichterung darstellen würde - für jeden, der schon pflegebedürftig ist oder es morgen aus vielerlei Gründen werden kann. Obwohl auch ich Änderungswünsche gegenüber dem Gesetz habe, halte ich die fundamentale Kritik der SPD im sogenannten Acht-Punkte-Papier an dem Gesetzentwurf der Koalition für erheblich überzogen. Vor allem im Hinblick auf unsere wirtschafts- und finanzpolitische Gesamtsituation kann die von der Bundesregierung vorgesehene Pflegeversicherung verständlicherweise nicht alles Wünschenswerte leisten. Eine Vollversorgung der Pflegebedürftigen, die erheblich mehr als den pflegebedingten Mehraufwand absichert, könnte einfach nicht finanziert werden. ({5}) Gleichwohl sollten wir vor dem Vermittlungsverfahren nüchtern und sachlich Änderungswünsche diskutieren, wohl wissend, daß jede Mark an Mehrkosten auch finanziert werden muß. Jeder der Beteiligten muß wissen: Maximale Forderungen und völlige Kompromißlosigkeit fahren die Pflegeversicherung an die Wand. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, in buchstäblich letzter Minute eine Blamage unseres Sozialstaates abwenden! ({6}) Die Humanität einer Gesellschaft läßt sich vor allem daran ablesen, wie sie mit ihren Pflegebedürftigen umgeht. ({7}) Staatsminister Dr. Gebhard Glück Ein Anspruch nur für Bedürftige reicht nicht. Wir brauchen die Pflegeversicherung. Ein Zurück kann und darf es nicht mehr geben. ({8})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem Kollegen Heinz-Adolf Hörsken.

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Vorbemerkungen machen: Ich wollte dem Herrn Kollegen Weiß einen Hinweis geben, aber er ist wieder nicht da. Er hält hier eine Rede, dauernd mit dem Blick durch das Schaufenster, beteiligt sich nicht an den Beratungen und verläßt dieses Haus, nachdem er die Rede gehalten hat. Wer so mit den Pflegebedürftigen umgeht, darf sich nicht wundern, daß man uns nicht ernst nimmt. ({0}) Frau Kollegin Mascher, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie überhaupt einmal auf den SPD-Gesetzentwurf zu sprechen gekommen sind. Denn Sie haben einen Gesetzentwurf eingebracht, über den hier überhaupt kein Mensch redet. Sie hätten wenigstens Ihren Gesetzentwurf mal verteidigen sollen. Aber selbst das Um Sie nicht einmal. ({1}) Schließlich ist hier die Rede davon, daß auch die Abgeordneten ihren Beitrag leisten müssen. Wir haben dies expressis verbis im Gesetzentwurf, und gleich verabschieden wir dies: Die Abgeordneten werden ihren Beitrag leisten. Dies halten wir für politisch notwendig, um den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land zu sagen: Wir werden uns da nicht herausstehlen. ({2}) Hier ist die Rede davon gewesen, Änderungsanträge seien immer wieder kurzfristig gekommen. Meine Damen und Herren, wenn man in Beratungen ist, muß man auf Argumente eingehen, und wenn man auf Argumente eingeht, muß man auch Änderungsanträge stellen, und dann muß man halt miteinander darüber reden.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich, wenn es mir nicht angerechnet wird, Herr Präsident.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Natürlich nicht. Es wird hoch angerechnet, daß Sie eine zulassen.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Hörsken, sind Sie bereit zuzugestehen, daß wir in den Ausschußberatungen in der letzten Stunde der Beratung, als es außerordentlich chaotisch zuging, von Ihnen einen Antrag vorgelegt bekamen, der die Abgeordnetenregelung enthielt, daß die Rechtsstellungskommission des Deutschen Bundestages diese Regelung ablehnte, daß wir zum erstenmal seit mehr als 40 Jahren die Situation haben, daß im Abgeordnetenrecht etwas geändert wird, ohne daß wir uns darauf verständigt haben, und daß ich in den Ausschußberatungen gefragt habe, ob die Regelung, 2/365 für die Abgeordneten zu nehmen, während für normale Arbeitnehmer mit dem gleichen Einkommen andere Grundsätze genommen werden, nicht eine Besserstellung der Abgeordneten sei?

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstens bin ich nicht bereit zuzugestehen, Herr Kollege Andres, daß es eine chaotische Situation war. Zweitens bin ich nicht bereit zuzugeben, daß wir hier eine Besserstellung herbeiführen. Ich kann nicht dafür, wenn die Rechtsstellungskommission des Deutschen Bundestages die politischen Empfindungen, die wir dabei haben, nicht teilt. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern heute sagen: Ein Pflegegesetz wird verabschiedet, und dafür werden auch die Abgeordneten herangezogen. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Notwendigkeit der Einführung der Pflegeversicherung gibt es in Deutschland überhaupt keine Diskussionen, auch in diesem Hause nicht. Als fünfte Säule wird sie in unsere bewährten Sozialsicherungssysterne, wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber solidarisch gemeinsam Verantwortung tragen, übernommen. Hundert Jahre nach der Einführung des Gesetzes zur Krankenversicherung schließen wir eine große Lücke in unserem Sozialversicherungssystem. Dies ist eine historische Leistung, auch wenn heute versucht wird, dies kaputtzureden. In einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland muß der gesellschaftliche Wandel begleitet, überprüft und gestaltet werden. Die demographische Entwicklung mit der Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung, kinderlosen Ehen und der Trend zu Einpersonenhaushalten erfordern eine neue Lagebeurteilung. Im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung zeichnen sich nach der Jahrtausendwende dramatische Veränderungen ab. Deutschland weist heute eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt auf. Auch deswegen gibt es die Notwendigkeit der Pflegeversicherung. Darüber gibt es in allen Bevölkerungsgruppen keine Meinungsverschiedenheit. Nur über das Wie wird gestritten. Lassen wir das doch einmal in diesem Hause feststellen, daß wir uns darüber einig sind, nicht aber über das Wie, damit die Bürgerinnen und Bürger begreifen, was wir hier wollen. Unser Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland hat ein umfassendes soziales Netz geknüpft. Doch Netze müssen regelmäßig überprüft werden, damit sie nicht reißen. Wir wollen nicht den Abbau, sondern den Umbau des Sozialstaates. Neue Fragestellungen erfordern plausible Antworten. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, mit Sozialromantik kommen wir hier nicht weiHeinz-Adolf Hörsken ter. Sozialpolitik muß finanzierbar bleiben. Das ist der entscheidende Punkt. ({1}) Wir haben immer gesagt - und daran haben wir nie einen Zweifel gelassen -, daß die Pflegeversicherung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wir haben die Bürger und Bürgerinnen zu keinem Zeitpunkt darüber im unklaren gelassen, daß wir das Projekt Pflegeversicherung nicht einfach auf die Lohnnebenkosten draufsatteln, sondern nur durch einen Umbau des Sozialstaates verwirklichen können. Dies haben wir von Anfang an deutlich gesagt. Wer anderes verspricht, meine sehr verehrten Damen und Herren, betreibt ein böses Spiel. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist die Kostenentlastung für die Arbeitgeber dringend notwendig. Dies sage ich auch als Arbeitnehmervertreter. Je schneller wir den Streit um die Pflegeversicherung beenden, desto besser ist es für die Menschen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Hörsken, der Herr Kollege Büttner würde gern eine Zwischenfrage stellen.

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Hörsken, halten Sie es angesichts der Tatsache, daß der Arbeitgeberanteil an der Pflegeversicherung nach Ihrem und nach unserem Modell für einen kleinen Betrieb mit fünf Beschäftigten etwa 1 500 DM im Jahr, für einen Mittelbetrieb mit 50 Beschäftigten etwa 15 000 DM im Jahr und selbst für einen Großbetrieb wie Audi oder BMW maximal 9 bis 12 Millionen DM im Jahr beträgt und daß diese Firmen derzeit ein Vielfaches davon an Sponsorengeldern für Reiten, Tennis oder Golf ausgeben, nicht für zumutbar, daß die Arbeitgeber in sozial schwierigen Zeiten eher etwas für die Pflegeversicherung beitragen sollten als für solche Sponsorentätigkeiten?

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich werde diese Frage beantworten. Das ist aber dann die letzte Zwischenfrage - damit wir das gleich geklärt haben. Herr Kollege Büttner, wenn ich dieses Glas hier in die Hand nehme, dann kann ich Ihnen das an diesem Beispiel klarmachen: Wenn es nämlich überläuft, sind auch 9 Millionen viel. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, je schneller wir den Streit um die Pflegeversicherung beenden, desto besser ist es für die Menschen. ({1}) Denn Pflegebedürftigkeit kann jeden Menschen treffen, jeden einzelnen. Die Pflegeversicherung schafft soziale Sicherheit für Risiken, die über die Kraft des einzelnen hinausgehen. Der Stand der Diskussion und die Erwartungshaltung in der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit lassen eine erneute Verschiebung des Gesetzes nicht zu. Ich möchte heute hier deutlich sagen: Wir tun dies für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen und nicht, um uns irgendwie zu profilieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pflegeversicherung soll den Familien helfen, die von der Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Und Sie, die Sie sich hier heute so gerieren, wie Sie dies tun, sind Verneiner, Verhinderer und Blockierer. Ihnen, Herr Cronenberg, darf ich folgendes sagen, um Befürchtungen auszuräumen, die Sie hier angesprochen haben: Ein Versorgungsstaat wird durch die Pflegeversicherung nicht entstehen. Dies ist hierbei unsere feste Absicht. Für die Angehörigen bedeutet die Pflege auch weiterhin persönliche Aufopferungsbereitschaft und engagiertes Mittun, und dafür möchte ich mich bei diesen Menschen herzlich bedanken. ({2}) Eine ablehnende Haltung und der Wunsch, die Pflegeversicherung ohne irgendeine Kompensation durchzusetzen, sind eine Illusion und verantwortungslos. Wir leben nicht in einer Märchenwelt, und wir haben auch keinen Gold- oder Dukatenesel, der das machen könnte. Auf so etwas können wir nicht zurückgreifen. Wir müssen das heute mit unseren Mitteln lösen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle-fest, daß Pflege ein Privatrisiko ist und daß die zu Pflegenden und die Pflegenden weiterhin in ihrer schweren Aufgabe allein gelassen werden, wenn wir dieses Gesetz nicht heute verabschieden. ({3}) Wir wollen, daß zu Pflegende in Zukunft eine wesentlich bessere Unterstützung durch die Solidargemeinschaft erfahren. Nicht der Abbau von Sozialleistungen ist das Gebot der Stunde, sondern der Umbau ist die Frage, die wir heute zu stellen haben. Unser Land ist noch ein guter Wirtschaftsstandort, und ich bedaure, daß sich viele auf den Weg machen, diesen Standort immer wieder in Frage zu stellen. Dieser Standort ist nach wie vor ein guter. Allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß festgehalten werden, daß er immer mehr und zunehmend stärker unter Wettbewerbsdruck gerät. Wer dies nicht sieht, meine Damen und Herren, der verrennt sich und läuft mit Scheuklappen durch diese Welt. Nicht alles, was sich an Verkrustungen in Jahrzehnten angesammelt hat, muß auf ewig festgeschrieben werden. Langjährige Gewohnheiten müssen wir überprüfen und Prioritäten neu setzen. Mit einer Nullbockmentalität lassen sich die Probleme der heutigen Gesellschaft nicht lösen. ({4}) In der gegenwärtigen Diskussion habe ich oft den Eindruck gewonnen, daß nicht mehr Solidarität mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft im Vordergrund steht, sondern unverhohlener Gruppenegoismus und auch Hartherzigkeit im Spiel sind. Wir führen diese Pflegeversicherung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein. Wer macht das auf dieser Welt außer wir in dieser Bundesrepublik Deutschland? Unsere Wirtschaft ist ein gewaltiger Tanker, der sich derzeit in unruhigem Fahrwasser bewegt. Wir müssen diesen Kahn wieder flott machen. Aber das heißt auch, keine weiteren Belastungen aufzubauen; denn die soziale Sicherheit in unserem Lande stellt einen hohen wirtschaftlichen Wert dar und trägt als Garant für den sozialen Frieden beispielsweise zu verläßlichen Handelsbeziehungen bei. Die Stabilität unseres Wirtschaftsstandortes ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Auch wenn Sie von der SPD dies nicht gern hören: Die Pflegeversicherung ist ohne Kompensation nicht einführbar. Wer dies fordert, verkennt vollkommen die gegenwärtige wirtschaftliche Situation, ({5}) nicht nur in der Bundesrepublik. Machen Sie sich doch einmal die Mühe und schauen Sie einmal über die Grenzen, was links und rechts neben uns passiert! Ich schaue einmal in die Niederlande. Dort mußte gerade ein Sozialdemokrat den Bankrott des Sozialsystems deutlich machen und in einer entsprechenden Kommission den Vorschlag machen, dieses gesamte System abzubauen. ({6}) Soll es denn bei uns auch dazu kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren? Nein, wir garantieren dafür, daß es nicht dazu kommt.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Hörsken, schauen Sie jetzt bitte in kein weiteres Land mehr; Ihre Redezeit ist abgelaufen. ({0})

Heinz Adolf Hörsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000931, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich war damit schon fertig. Aber es ist ganz wichtig, daß man von diesem Parlament aus auch einmal den Blick über den Zaun wirft, weil wir sonst glauben, wir lebten auf einer Insel der Glückseligen. Das ist nicht der Fall. Ich könnte diese Liste also noch fortführen, tue dies aber aus Zeitgründen jetzt nicht. Wenn wir eine solche Pflegeversicherung einführen, geht dies nur mit behutsamen Schritten. Wer, wie die SPD, einfach draufsatteln will, träumt den Traum von den unendlichen Lohnnebenkosten. Aber diese Rechnung geht nicht auf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bitte Sie nicht, ich fordere Sie auf: Beenden Sie Ihre ablehnende Haltung, stimmen Sie für die Pflegeversicherung! Ihre Beiträge von heute morgen zeigen mangelnde Einsicht Ihrer Partei in die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, und damit wird soziale Sicherheit nicht mehr bezahlbar. Kehren Sie um, stimmen Sie für unseren Gesetzentwurf! ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Damen und Herren, wir stehen jetzt wieder kurz vor Abstimmungen. Wir haben noch zwei Redner. Ich bitte Sie herzlich, die beiden fraktionslosen Kollegen anzuhören. Führen Sie Gespräche, die Sie in den nächsten zehn Minuten noch führen wollen, bitte vor dem Plenarsaal und nicht hier! Es stört ungemein. Viele glauben, weil sie weit weg sitzen, man hört nicht, wenn sie ganz laut sprechen. Ich rufe den Kollegen Dr. Rudolf Krause ({0}) ans Pult.

Dr. Rudolf Karl Krause (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001205, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Pflegenden warten auf die Pflegeversicherung, die Gepflegten warten auf die Pflegeversicherung. Es ist genug geredet worden. Kein Gesetz ist für die Ewigkeit. Sicher ist dieses und jenes auch grundsätzlich zu überdenken. Aber wer schnell hilft, hilft doppelt. Wir würden viele, viele Bürger, die Ärmsten, die Selbstlosesten und die Fleißigsten unserer Gesellschaft, enttäuschen, wenn diese erste Pflegeversicherung nicht auf den Weg gebracht würde. ({0}) Berechtigte Nutznießer - das kam heute noch nicht zum Ausdruck - sind vor allem die Pflegenden, die keinen Sozialhilfeanspruch haben: ({1}) die Bauern, die Selbständigen, die Ehefrauen von Alleinverdienenden und die vielen Fleißigen, die Ersparnisse und Vermögen haben und darum keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Für viele in den neuen Ländern und für viele Frauen wird dies der einzige dauerhafte regelmäßige Einkommensteil sein, den sie selber bekommen. Was die Finanzierung angeht, muß natürlich Redlichkeit gegenüber dem Volk gewahrt werden. Finanziert wird diese Pflegeversicherung durch vier Tagesgehälter der Arbeitenden. Das Wort Kompensation" bedeutet, daß der Arbeitgeberanteil vom Arbeitnehmer gezahlt wird, und zwar verteilt auf zehn Feiertage. ({2}) Das muß redlicherweise gesagt werden. Es kann ein Einstieg sein, daß auch in anderen Sozialgebieten nach Kompensation verlangt werden wird. Auch hier sollte man den zweiten und dritten Schritt bedenken, wenn man den ersten tut. Herr Vizepräsident Cronenberg, Sie haben ja sehr recht, wenn Sie sagen: Beiträge sind Produktionskosten unserer deutschen Waren. Letztendlich bezahlt die Pflegeversicherung nicht der Arbeitnehmer, sondern derjenige, der in Deutschland produzierte Waren und angebotene Dienstleistungen kauft. Man kann sich also aus der nationalen Sozialgemeinschaft ausklinken, indem man fremde Waren kauft und indem man als Arbeitgeber rationalisiert, weil man wegen der hohen Lohnkosten und der hohen Lohnnebenkosten rationalisieren muß. ({3}) Wir müssen also in Zukunft und für die Zukunft darüber nachdenken, ob das, was bei Bismarck eingeführt wurde und durch Schutzzölle abgesichert war, Dr. Rudolf Karl Krause ({4}) auch in Zukunft noch Gültigkeit hat, nämlich daß alle Sozialleistungen und alle Sozialabgaben in Deutschland nur auf die Bezugsgröße Arbeit bezogen werden. Wir müssen, wie andere Länder auch, darüber nachdenken, ob wir nicht in Zukunft ähnlich der Mehrwertsteuer eine Sozialsteuer auf alle in Deutschland verkauften Waren und Dienstleistungen anstelle der Sozialabgaben einführen müssen, die in der Tat den Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidend belasten. Lassen Sie mich bitte zusammenfassen - es ist genug gesagt worden; ich muß also die Redezeit nicht voll ausnutzen -: Dieses Gesetz ist besser als kein Gesetz. Es werden im nächsten Jahr neue Mehrheiten kommen, und dann wird man auch über eine Novellierung nachdenken können, aber bitte nicht auf Kosten der Pflegenden und der Gepflegten. Bitte dieses Gesetz jetzt! ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Dr. Ulrich Briefs, Sie haben das Wort.

Dr. Ulrich Briefs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000266, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung der Pflegeversicherung, seit langem überfällig, ist durch und durch ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll. Nach langem koalitionsinternen Hickhack kommt etwas zustande, was erstens unzureichend und zweitens zutiefst und in mehrfacher Hinsicht unsozial ist. Der politische Prozeß, die hauptsächlich diskutierten Aufgaben und Inhalte und die schließlich zustande gekommene Regelung zeigen, daß diese Koalition einfach nicht mehr in der Lage ist, problemangemessene und gesellschaftlich vertretbare soziale Lösungen zu finden. Das Gezerre um die Pflegeversicherung ist Ausdruck des Verschleißes, dem diese Koalition nach mehr als elf Jahren an der Macht sichtlich und weiter eskalierend unterliegt. Statt einen gesellschaftlichen Dialog mit allen betroffenen Kräften darüber zu führen, wie man im Interesse der wachsenden Zahl betroffener, vor allem älterer, Menschen ein wirksames Pflegesystem gestalten und organisieren kann, war der politische Prozeß von pflege- und pflegeversicherungsfremden Gesichtspunkten geprägt. Statt das bewährte System der Finanzierung der Sozialversicherung durch gleiche Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern anzuwenden, wurde monatelang nur über eine Kompensation für die eine Seite, die Arbeitgeber, gestritten. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Einen Augenblick, Herr Kollege. Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte Sie: Nehmen Sie Platz! Wenn Sie Gespräche führen wollen, tun Sie es vor dem Plenarsaal! Sonst verzögert sich die Abstimmung. ({0}) Ich sage das in jede Richtung, auch in die Richtung der Regierungsbank. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die wenigen Minuten werden Sie ja wohl noch Geduld aufbringen. Bitte fahren Sie fort, Herr Kollege.

Dr. Ulrich Briefs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000266, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herausgekommen ist dabei sogar eine Überkompensation der einen Seite. Das heißt, die Arbeitgeber erhalten mehr zurück, als sie je in die Pflegeversicherung einzahlen. Fast übersehen wird dabei, daß die Leistungen der Pflegeversicherung in der Zukunft eben doch keine ausreichende Absicherung des Pflegefallrisikos bringen. Die jetzt und zukünftig pflegebedürftigen, vor allem älteren, Menschen in dieser Gesellschaft sollen offensichtlich eingelullt werden. Kein Beitrag dagegen war im Vorgehen dieser Koalition für ein Ansetzen an bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen zu finden, wie Umweltschäden, Verkehrsdichte und die damit verbundenen Unfallgefahren, die gesundheitsschädlichen Arbeits-, Wohn- und sonstigen Lebensbedingungen, die eben zur wachsenden Pflegebedürftigkeit in dieser Gesellschaft deutlich beitragen und in der Zukunft noch stärker beitragen werden. Was angesichts der allgemeinen Betroffenheit eben auch die Einbeziehung aller Einwohner dieses Landes und damit z. B. eine steuerfinanzierte Absicherung der Pflegebedürftigkeit durch eine Volkspflegeversicherung nahegelegt hätte, wurde statt dessen systematisch genutzt, um die Lasten einseitig und unsozial einer Gruppe in der Gesellschaft, den Arbeitnehmern - und hierbei noch nicht einmal allen -, aufzubürden. Die Überentlastung der Unternehmen im Zuge der Pflegeversicherung hat mit den Aufgaben dieser Versicherung nichts, aber auch gar nichts zu tun. Sie ist eine weitere Maßnahme dieser Koalition zur Umverteilung von unten nach oben. Ich könnte mir sehr wohl einen sinnvollen Beitrag zur Umverteilung von unten nach oben vorstellen - ich hoffe, daß wir das im nächsten Jahr irgendwie realisieren können -, nämlich einen größeren Teil der Vertretung dieser Koalition hier in diesem Haus von unten nach oben, nämlich auf die Zuschauertribüne, umzuverteilen. ({0}) Während z. B. die ÖTV als Organisation, die die in Pflegebereichen tätigen Arbeitskräfte gewerkschaftlich vertritt, die qualitative Ausgestaltung der Leistungen der Pflegeversicherung in den Vordergrund stellen wollte, führten diese Bundesregierung und diese Koalition einen Titanenkampf darum, wie man die Unternehmen entlasten und die Arbeitnehmer belasten kann. ({1}) Grotesker ist wohl kaum in den letzten Jahren im Regierungshandeln an den wirklichen Notwendigkeiten vorbeiverhandelt und vorbeientschieden worden. Diese Bundesregierung und diese Koalition haben offenbar gar keine Lust und keine Kraft mehr, sich mit den Aufgaben der Gestaltung und Ausgestaltung sozialer Systeme wie der Pflegeversicherung - wahrhaftig eine Jahrhundertaufgabe - zu befassen. Übrigens, am Rande angemerkt: Der furiose Auftakt des Kollegen Louven in dieser Debatte war hierfür bezeichnend. Den Bürgern und Bürgerinnen wird mit dieser Pflegeversicherung und mit dieser unsozialen Finanzierung der unzureichenden Pflegeversicherung kein Dienst getan. Die formelle soziale Symmetrie, die über ein Jahrhundert praktizierte Kompromißlinie in der Sozialpolitik, wird verletzt und wird zuungunsten der 90 % der Menschen in der Gesellschaft verschoben, die als abhängig Beschäftigte tätig sind. Das ist sicherlich einer der Punkte, die in der Zukunft vorrangig zu revidieren sein werden. Die Hauptarbeit, die Schaffung und Regelung einer angemessenen, humanen, bürgerfreundlichen Pflege und einer entsprechend verfaßten Pflegeversicherung ist von dieser Koalition nicht getan worden. Daß diese Arbeit noch getan werden muß, ist ein weiterer Grund, dafür zu sorgen - im nächsten Jahr wird es dafür mehrere Gelegenheiten geben -, daß es so in der Zukunft nicht weitergeht. Herr Präsident, ich danke Ihnen. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst rufe ich den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Pflegeversicherungsgesetzes auf Drucksache 12/1156 ({0}) auf. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 12/5920 unter Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen. Die Fraktion der SPD wünscht, daß über ihren Gesetzentwurf zusammen mit ihren Änderungsanträgen dazu auf den Drucksachen 12/5942 und 12/5947 abgestimmt wird. Sind Sie mit dieser Abweichung von der Geschäftsordnung einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall und mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/1156 ({1}) zusammen mit den Änderungsanträgen auf den Drucksachen 12/5942 und 12/5947. Die SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Sind alle Stimmen abgegeben worden? - Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) *) Siehe Seite 15858D Wir setzen die Abstimmungen fort. - Meine Damen und Herren, wir stimmen nun über den Entwurf eines Pflege-Assistenz-Gesetzes der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/4099 ab. ({2}) - Meine Damen und Herren, solange die Gespräche fortgeführt werden, kann ich Ihnen ja gar nicht sagen, worüber Sie abstimmen sollen. ({3}) - Bitte nehmen Sie doch Rücksicht auf die Kollegen, die noch einen Zug oder ein Flugzeug erreichen wollen! Unterbrechen Sie jetzt die Gespräche. ({4}) Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 12/5920 unter Nr. 3, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Gruppe PDS/ Linke Liste abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zuzustimmen gedenken, um ihr Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. ({5}) Wir stimmen jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung auf Drucksache 12/5920 unter Nr. 4 zu dem Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur sozialen Absicherung einer besseren Pflege ab. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/1712 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen. Bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vorliegt, unterbreche ich die Sitzung. ({6})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung auf Drucksache 12/1156 ({0}) sowie über die Änderungsanträge auf den Drucksachen 12/5942 und 12/5947 bekannt. Abgegebene Stimmen: 553. Mit Ja haben gestimmt 185. Mit Nein haben gestimmt 356. Enthalten haben sich 12 Kolleginnen und Kollegen. Vizepräsident Hans Klein Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 546; davon: ja: 181 nein: 353 enthalten: 12 Ja SPD Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker-Inglau, Ingrid Berger, Hans Bindig, Rudolf Bock, Thea Börnsen ({1}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({2}), Hans Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({3}), Hans Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Diller, Karl Dreßler, Rudolf Ebert, Eike Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({4}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({5}), Evelin Fischer ({6}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({7}), Anke Fuchs ({8}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, Iris Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({9}), Karl-Hermann Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Heistermann, Dieter Heyenn, Günther Hiller ({10}), Reinhold Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst Dr. Jens, Uwe Jung ({11}), Volker Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kemper, Hans-Peter Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Koltzsch, Rolf Koschnick, Hans Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lörcher, Christa Lohmann ({12}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({13}), Dieter Marx, Dorle Mascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({14}), Franz-Josef Dr. Meyer ({15}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({16}), Albrecht Müller ({17}), Jutta Müller ({18}), Christian Neumann ({19}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Opel, Manfred Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, Kurt Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({20}), Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf Reimann, Manfred von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reschke, Otto Reuschenbach, Peter W. Schanz, Dieter Scheffler, Siegfried Schily, Otto Schloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidbauer ({21}), Horst Schmidt ({22}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Dr. Schöfberger, Rudolf Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Dr. Schuster, Werner Schwanhold, Ernst Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Simm, Erika Singer, Johannes Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Soell, Hartmut Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Steiner, Heinz-Alfred Dr. Struck, Peter Tappe, Joachim Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Dr. Vogel, Hans-Jochen Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Walter ({23}), Ralf Wartenberg ({24}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({25}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({26}), Gert Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({27}), Hermann Wohlleben, Verena Zapf, Uta PDS/Linke Liste Dr. Fuchs, Ruth Henn, Bernd Philipp, Ingeborg Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Nein CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jurgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Blüm, Norbert Böhm ({28}), Wilfried Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({29}), Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Büttner ({30}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({31}), Manfred Carstensen ({32}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Doss, Hansjürgen Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Erler ({33}), Wolfgang Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H. Fischer ({34}), Dirk Fockenberg, Winfried Francke ({35}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({36}), Johannes Geiger, Michaela Geis, Norbert Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({37}), Johannes Gibtner, Horst Glos, Michael Dr. Göhner, Reinhard Göttsching. Martin Götz, Peter Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Günther ({38}), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ({39}), Gottfried Haschke ({40}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({41}), Otto Hauser ({42}), Hansgeorg Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({43}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({44}), Michael Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Vizepräsident Hans Klein Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kiechle, Ignaz Kittelmann, Peter Klein ({45}), Günter Klein ({46}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({47}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({48}), Volkmar Dr. Kohl, Helmut Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Dr. Krause ({49}), Günther Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, Editha Link ({50}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({51}), Wolfgang Louven, Julius Dr. Luther, Michael Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({52}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michalk, Maria Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({53}), Elmar Müller ({54}), Alfons Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({55}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({56}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus Dr. Riesenhuber, Heinz Rode ({57}), Helmut Rönsch ({58}), Hannelore Romer, Franz Rossmanith, Kurt J. Roth ({59}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({60}), Helmut Sauer ({61}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({62}), Günther Schell, Manfred Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({63}), Christian Dr.-Ing. Schmidt ({64}), Joachim Schmidt ({65}), Andreas Schmidt ({66}), Trudi Schmitz ({67}), Hans Peter von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({68}), Dieter Schulz ({69}), Gerhard Schwalbe, Clemens Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha Vogel ({70}), Friedrich Vogt ({71}), Wolfgang Dr. Voigt ({72}), Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({73}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wimmer ({74}), Willy Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({75}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno Zöller, Wolfgang F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Dr. Blunk ({76}), Michaela Bredehorn, Günther Cronenberg ({77}), Dieter-Julius Eimer ({78}), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Genscher, Hans-Dietrich Gries, Ekkehard Grüner, Martin Günther ({79}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, Sigrid Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({80}), Detlef Kohn, Roland Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe Dr. Menzel, Bruno Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Otto ({81}), Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({82}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({83}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({84}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Seiler-Albring, Ursula Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({85}), Wolfgang Wolfgramm ({86}), Torsten Würfel, Uta Zywietz, Werner PDS/Linke Liste Dr. Seifert, Ilja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Poppe, Gerd Schenk, Christina Schulz ({87}), Werner Weiß ({88}), Konrad Enthalten PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Dr. Schumann ({89}), Fritz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Ullmann, Wolfgang Fraktionslos Dr. Krause ({90}), Rudolf Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt. Nach unserer Geschäftsordnung entfällt die weitere Beratung. Vizepräsident Hans Klein Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über die Bleichlautenden, von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe eines PflegeVersicherungsgesetzes, Drucksachen 12/5262, 12/5617 und 12/5920 Nr. 1. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit den vom Berichterstatter zu Protokoll gegebenen Änderungen zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Wir setzen die Abstimmungen fort. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/5946 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis werde ich ein bißchen später bekanntgeben. Wir sind damit, was den Abstimmungsvorgang zur Pflegeversicherung anbetrifft, am Ende. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 a und b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 1. SKWPG - Drucksachen 12/5502, 12/5871 ({91}) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({92}) - Drucksachen 12/5902, 12/5929 - Berichterstattung: Abgeordnete Adolf Roth ({93}) Dr. Wolfgang Weng ({94}) Helmut Wieczorek ({95}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, *) Seite 15867D Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - Drucksachen 12/5510, 12/5872 ({96}) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({97}) - Drucksachen 12/5903, 12/5930 Berichterstattung: Abgeordnete Adolf Roth ({98}) Dr. Wolfgang Weng ({99}) Helmut Wieczorek ({100}) Dazu liegen ein Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vier Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste und ein Änderungsantrag des Abgeordneten Lowack vor. ({101}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Dagegen erhebt sich offensichtlich kein Widerspruch. - Dann ist es so beschlossen. Ich weise noch darauf hin, daß wir im Anschluß an diese Aussprache zwei namentliche Abstimmungen haben werden. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Hans-Gerd Strube.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn in den alten Bundesländern die Talsohle der Konjunktur erreicht ist, auch wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation seit Sommer dieses Jahres stabilisiert hat, müssen wir die Gesetze zum Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm der Bundesregierung heute verabschieden. ({0}) Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig, das sind wir aber vor allem den Menschen in den neuen Bundesländern schuldig, die einen Anspruch darauf haben, daß ihnen, wie es der Kanzler gestern sagte, so viel Hilfe wie möglich beim Angleichen der Lebensverhältnisse an die der alten Bundesländer zuteil wird. Das Sparpaket hat jetzt eine dreimonatige Diskussion hinter sich. Natürlich gab es bei der Beurteilung im Einzelfall reichlich Kritik. Als Abgeordneter konnte man an Hand der Posteingänge unschwer erkennen, wo die größte Lobby angesiedelt ist. Wer nicht Profi ist, hätte annehmen können, der Vorschlag zur Streichung des Schlechtwettergeldes würde die Nation ins Wanken bringen. ({1}) Verdächtig erschien mir dabei, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen Beschwerde führten, ({2}) ohne die relativ stabile Situation in der Bauwirtschaft zu erwähnen und ohne auch nur ansatzweise Vorschläge aus dem eigenen Bereich vorzulegen, die geeignet wären, das Sparziel der Bundesregierung zu unterstützen. Dieser Gleichschritt der Tarifpartner ist hoffentlich auch dann hilfreich, wenn es gilt, für die Zeit nach dem 1. April 1996 eine Neuregelung des Schlechtwettergeldes in eigener Verantwortung zu finden. Wir müssen mit weiteren Arbeitslosen, weniger Beschäftigten und mehr Kurzarbeitem rechnen. Daran wird auch eine konjunkturelle Wende zunächst nichts ändern. Arbeitslosigkeit ist für die Betroffenen ein schwerer Schlag. Trotz aller sozialstaatlichen Absicherungen verursacht die Arbeitslosigkeit menschliches Leid. Wir alle sind aufgerufen, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit energisch voranzutreiben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Hans-Eberhard Urbaniak würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie bereit, sie zu beantworten?

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Strube, Sie beklagen, daß die Arbeitnehmer und die Unternehmer in der Frage des Schlechtwettergeldes zusammengearbeitet haben. Zunächst bauen Sie eine soziale Leistung ab, und das ist ja schlimm genug. Aber wissen Sie denn nicht, daß laut Betriebsverfassungsgesetz - das ist Konsens in diesem Hause gewesen - seit 1972 die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gilt, damit vor allen Dingen auch die Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden? Wollen Sie diesen Grundsatz aufheben?

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Urbaniak, wir haben eine Neuregelung gefunden, wie Sie wahrscheinlich wissen. Das Schlechtwettergeld wird neu zu strukturieren sein. Ich bin der Meinung, daß das auch machbar ist. Wir brauchen nur unser Nachbarland Schweden zu sehen, wo man schon 1985 das Schlechtwettergeld aufgehoben hat. Das, Herr Kollege Urbaniak, hatte zur Folge, daß man sich Neues ausgedacht hat, daß man dort die Bauwirtschaft umstrukturiert hat, die dann in der Lage war, auch im Winter Tätigkeiten auszuführen. Dieser Effekt könnte auch bei uns durchaus eintreten. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Auch die Abgeordnete Frau Dr. Enkelmann möchte gerne eine Frage stellen. Sind Sie bereit, auch diese zu beantworten? Ich rechne die Zeit nicht an.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege, teilen Sie folgende Auffassung: „Der Erfolg der Maßnahmen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft liegt nicht nur in der sozialpolitisch sehr bedeutsamen Einschränkung der winterlichen Arbeitslosigkeit, sondern auch in dem volkswirtschaftlichen Erfolg, der sich in dem Anstieg der in den Wintermonaten geleisteten Arbeitsstunden ausdrückt. " Teilen Sie diese Auffassung?

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich müßte mir genauer ansehen, was Sie so schnell vorgelesen haben. Wie es bei mir angekommen ist, teile ich die Auffassung zunächst einmal nicht. Meine Damen und Herren, ich sprach von dem Leid, das die Arbeitslosigkeit selbstverständlich über die Betroffenen bringt. Ich fordere uns auf: Zeigen wir Haushaltsdisziplin. Sorgen wir für Leistungsfähigkeit und Investitionskraft, für Wachstum und Stabilität. Am strikten Kurs der Haushaltskonsolidierung geht kein Weg vorbei. Auch die Sozialpolitik muß dazu ihren Beitrag leisten. Es wäre eine verantwortungslose Politik, wenn sie die öffentlichen Ausgaben nicht immer wieder auf den Prüfstand stellte, um zu entscheiden: Können diese oder jene Mittel eingespart werden, weil sie anderswo dringender gebraucht werden? Muß das bewährte soziale Netz an der einen oder anderen Stelle neu geknüpft werden? Wo können wir umbauen, ohne den Sozialstaat abzubauen? Wo können wir sparen und dennoch gestalten? ({0}) Eine sozial ausgewogene und in sich schlüssige Politik liegt durchaus im Interesse der Betroffenen. Nur so lassen sich schließlich der Wirtschaftsstandort Deutschland stabilisieren, die Preisentwicklung dämpfen, Kaufkraftverluste vermeiden und die Finanzierbarkeit zukunftsgerichteter Arbeitsplätze sichern. Die Situation infolge der deutschen Einheit fordert durchgreifende haushaltspolitische Konsequenzen. Ohne gegensteuernde Maßnahmen wäre allein beim Bund mit einem Anstieg der Nettokreditaufnahme auf über 90 Milliarden DM zu rechnen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Entschuldigung, daß ich unterbreche. Ich habe wiederum zwei Wünsche vorliegen: Der Abgeordnete Weiermann und auch der Abgeordnete Urbaniak möchten sicher aus guten Gründen eine Zwischenfrage stellen. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß wir schon mit einer gewissen Verzögerung arbeiten. Das Plenum dauert vermutlich bis 16 Uhr. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie sich mit Rücksicht darauf, daß etliche Kollegen nach den beiden namentlichen Abstimmungen in die Familien zurück wollen - der eine oder andere auch in die Partei -, äußerster Zurückhaltung befleißigen würden. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Unter Berücksichtigung dieser Tatsache frage ich jetzt: Herr Abgeordneter Strube, sind Sie bereit, die Zwischenfragen zu beantworten? Wenn das der Fall ist, dann sage ich: Herr Abgeordneter Weiermann, bitte schön.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte schön.

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank. Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß durch die Einengung der Arbeitslosenhilfe das über Jahrzehnte bewährte System der Sozialplanregelung z. B. im Stahlbereich nicht mehr durchführbar ist und daß daraus die Konsequenz abzuleiten ist, daß, wenn dieses Instrumentarium nicht mehr funktioniert, letztlich jüngere Menschen vor der Entlassung, vor der betrieblichen Kündigung stehen? Wollen Sie das mit Ihrer heutigen veränderten Gesetzgebung erreichen? ({0})

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, mir ist natürlich klar, daß wir in Zukunft die Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre begrenzen. Ich verstehe überhaupt nicht, daß wir hier im Hohen Haus und in den Ausschüssen in den letzten Tagen immer nur vom Stahl sprechen. Wer hat denn von den Textilarbeitern gesprochen, als es strukturelle Einbrüche gab? Wer spricht denn von der Landwirtschaft, wenn ein Hof nach dem anderen verschwindet? ({0}) Ich sehe gar nicht ein, daß wir das unterstützen müssen. Ich rufe all denen zu - ich weiß nicht, was der Kollege Urbaniak gleich fragen wird; es wird sicher eine ähnliche Frage sein -: Überfordern Sie, die Sie aus dem Revier kommen, uns nicht. Wir sind nicht bereit, immer nur über Kohle und Stahl zu sprechen. Es gibt auch andere Probleme in Deutschland, und nicht alle Arbeitnehmer haben die Vorzüge, die der Montanvertrag mit sich bringt. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Urbaniak, bitte schön.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Strube, wenn Sie einmal nachprüfen, wer mit der Agrarsozialreform begonnen hat, um die bäuerlichen Interessen sozial zu flankieren, dann werden Sie feststellen, daß das die sozialliberale Koalition war. Ich komme aber zu meiner Frage: Ist es sozial ausgewogen - denn davon sprachen Sie -, wenn Sie in der Tat Arbeitnehmer, die man nur wegen der erbärmlichen Konjunktur und der Strukturveränderung in den Ruhestand schicken muß, ({0}) weil es keine Alternativen gibt, am Ende in die Sozialhilfe drängen, obwohl sie beim Stahl ein Restrukturierungsprogramm haben, das der Ministerrat der EG mit Beteiligung der Bundesregierung bis zum 31. Dezember 1995 durchführen wird und die Stillegungsquoten in den nächsten Monaten auch für uns bekanntgegeben werden? Wir haben kein ausreichendes soziales Netz. Darum wehren sich die Leute draußen so. Haben Sie dafür Verständnis, und sind Sie bereit, das aufzunehmen und das zu kappen, was Sie mit der Begrenzung der Arbeitslosenhilfe wollen? ({1})

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Urbaniak, wir bleiben selbstverständlich bei dem, was wir beschlossen haben und was heute dem Hohen Haus vorgelegt wird. Lassen Sie mich jedoch eines sagen: Sie sprechen die bäuerliche Sicherung an, die Sie eingeführt haben. Möglicherweise war das die sozial-liberale Koalition. Wir haben sie jedenfalls fortgeschrieben, und wir sind dabei, sie weiter fortzuschreiben. ({0}) Was die Stahlkocher und Stahlarbeiter angeht: Die Leute, die 50 Jahre alt sind und aus den Gründen entlassen werden müssen, die Sie genannt haben, ({1}) haben zunächst auf Grund ihres Alters einen Kündigungsschutz. Das muß man einmal feststellen. Wenn die Arbeitgeber die Kündigung vier Monate später aussprechen, dann kommen sie auch ohne Sozialhilfe in die Rente hinein. Das haben wir Ihnen schon im Ausschuß klargemacht. Ich weiß gar nicht, warum Sie heute diese Frage noch einmal stellen. Ich möchte noch einmal, an das Revier gerichtet, betonen: Überziehen Sie nicht! Gerade Sie, Herr Kollege Urbaniak, sind in den letzten Tagen über Land und in die Städte gegangen und haben gezündelt. ({2}) Das könnten Sie noch einmal bitter bereuen. Sie rufen Leute auf den Plan und entfachen eine Revolution. Aber irgendwann werden die Kumpel im Ruhrgebiet feststellen müssen, daß ihre Berater überzogen haben. Dann haben sie einen Pyrrhussieg errungen. Oft ist es auch so, daß die Revolution hinterher ihre Kinder frißt. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich lasse j etzt noch, wenn Herr Strube bereit ist, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak zu.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte jetzt fortfahren. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das ist Ihr gutes Recht.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Mehrbelastungen der Bürger mit Steuern und Sozialabgaben belaufen sich bis 1995 auf einen Umfang von 116 Milliarden DM jährlich. Die Erhöhung der Mineralölsteuer und die Wiedereinführung des Solidaritätszuschlags ab 1995 schließen dann aber weitere Einnahmeerhöhungen aus. Mehr Staatsverschuldung führt zu mehr Inflation und belastet überdies die Einkommensschwachen in ganz besonderer Weise. Ich will ein Beispiel nennen: Eine Preisdämpfung von nur 1 % beschert einem Arbeitslosen mit zwei Kindern einen Kaufkraftgewinn von 21,60 DM in den alten Bundesländern und von 17,60 DM in den neuen Bundesländern. Wir sehen, wie wichtig es ist, wenn strikte Sparpolitik die Fundamente für Konsolidierung und Wachstum legt. Die Eckwerte des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms sehen ein Entlastungsvolumen im Haushalt des Bundes von rund 21 Milliarden DM im Jahre 1994 vor, darunter im Bereich Arbeitsmarkt und Bundesanstalt für Arbeit 13,7 Milliarden DM. Diese Einsparerfolge sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Nettokreditaufnahme in der Zukunft wie erforderlich zurückgedreht und in vertretbarem Rahmen gehalten werden kann. Die vorgesehenen Einsparungen sind nach meiner Auffassung sozial ausgewogen und in sich schlüssig. Die Kardinalfrage lautet indes: Sind wir, ist unsere Wohlstandsgesellschaft überhaupt noch in der Lage, eine solche Umschichtung zu verkraften? Hier zeigt sich, ob es noch ausreichend Politiker gibt, die aus Verantwortung handeln und populistischen Parolen widerstehen. Mit dem vorgelegten Gesetz wird die erfolgreiche Haushaltspolitik der letzten Jahre durch die Bundesregierung kontinuierlich weitergeführt. Für alle kritischen Bereiche wurde letztlich eine sozialverträgliche Lösung gefunden. Ganz wichtig aber ist, daß das vorgesehene Einsparvolumen eingehalten werden konnte. ({0}) Diese konsequente Sparpolitik der Bundesregierung wird - da bin ich ganz sicher - positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. ({1}) Dies wiederum wird sich günstig auf den Arbeitsmarkt auswirken. ({2}) Schließlich - damit möchte ich schließen - hilft unser Tun, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der deutschen Einheit schneller zu überwinden. Ich empfehle daher dem Plenum die Annahme des Gesetzentwurfes. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Mit der dringenden Bitte, die Zeit nicht auszunutzen, hat zu einer Kurzintervention Herr Abgeordneter Hans-Eberhard Urbaniak das Wort.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verwahre mich dagegen, daß Herr Kollege Strube mich hier bezichtigt, Zündeleien im Revier begangen zu haben. ({0}) Dies ist ein unerhörter Vorgang, den ich zurückweise. Ich kann nichts dafür, daß Arbeitnehmer in Duisburg, in Dortmund, in Hagen und überall wegen dieser Einschnitte, die von der Koalition gewollt sind, die Arbeit niederlegen und daß sie weitere Proteste organisieren. Das ist ihr gutes demokratisches Recht. ({1}) Kollege Strube, ich fordere Sie auf, dieses Wort zurückzunehmen, weil es unter Demokraten unanständig ist. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich kann meine Appelle nur wiederholen. Frau Albowitz und Frau Dr. Enkelmann haben sich ebenfalls zu Kurzinterventionen gemeldet. Ich lasse beide zu. Ich mache aber vorher darauf aufmerksam, daß ich - das ist mein gutes Recht - darüber hinaus keine Kurzinterventionen zulassen werde. Bitte, Frau Kollegin Albowitz.

Ina Albowitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000022, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich weiß das besonders zu würdigen. Vielen herzlichen Dank. Herr Kollege Urbaniak, es ist überhaupt nicht bestritten, daß Menschen in der Bundesrepublik gegen Entscheidungen, die wir zu treffen haben, demonstrieren. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Grundrechte, die wir in unserer Verfassung haben. Dieses Recht ist in diesem Haus völlig unumstritten. Aber Sie wissen und ich weiß, daß sich - ich habe es gestern abend im Fernsehen gesehen und gehört - ein Gewerkschaftsvorsitzender in seiner Rede wortwörtlich so eingelassen hat, wie Sie am Mittwoch im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages formuliert haben. ({0}) - Es geht nicht um die inhaltliche Debatte, sondern um die Wortwörtlichkeit. Herr Kollege Urbaniak, wir sollten wirklich fair miteinander umgehen. Im übrigen, Herr Präsident, ist zu prüfen, ob Kollege Urbaniak die Koalitionsfraktionen hier mit dem Wort „Brandstifter" bezeichnen kann. ({1}) Ich verwahre mich in aller Deutlichkeit dagegen. Da ich gleich reden werde, gehe ich dann darauf näher ein.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Dr. Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich stelle nur fest, daß Kollege Strube vorhin erklärt hat, daß er einem Bericht der Adenauer-Regierung an den Bundestag von 1960 nicht zustimmt. Das war im ersten Jahr nach der Einführung des Schlechtwettergeldes. Danke.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Vielleicht überlegen beide Seiten noch einmal, ob sie sich in ihrer Ausdrucksweise ein bißchen mäßigen. Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Karl Diller das Wort.

Karl Diller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000391, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zur Abstimmung anstehenden Gesetzentwürfe der Koalition sind ein weiterer Beweis dafür, daß wir mit Norbert Blüm keinen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, sondern einen Bundesminister für Arbeitslosigkeit und soziale Unordnung haben. ({0}) Zehn Jahre Blüm sind zehn Jahre Sozialabbau. Das stellte ich bei den Beratungen des Haushalts 1993 fest. Die beiden heutigen Gesetzentwürfe mit dem holprigen Namen und der unaussprechlichen Konsonantenfolge sind ein neuer Tiefpunkt in Minister Blüms Karriere, und wahrscheinlich ist er deswegen auch nicht anwesend. Bedenke das Ende - so lautet ein wichtiger Grundsatz menschlichen und damit auch politischen Handelns. Das, was CDU/CSU und F.D.P. in den letzten Tagen durch die Ausschüsse peitschten, trägt nicht die Merkmale überlegten politischen Handelns, sondern alle Merkmale panikartiger politischer Rundumschläge. Das AFG wurde als Gesetz nicht für die Schönwetterzeiten einer Hochkonjunktur, sondern gerade für die Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche geschaffen. ({1}) Doch was macht die Koalition? Mit den Auflagen gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit für das laufende Haushaltsjahr hat sie bereits der Bundesanstalt durch rabiate Mittelkürzungen Möglichkeiten zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik aus der Hand geschlagen. Der faktischen Zertrümmerung des AFG durch Mittelkürzung soll heute die Streichung wesentlicher Rechtsansprüche der Versicherten folgen. Bedenke das Ende, Herr Kollege Waigel! Deutschlands Zukunft liegt in den beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen seiner Bürger. Wenn CDU/CSU und F.D.P. in einer Zeit größter wirtschaftlicher Umbrüche ausgerechnet die Möglichkeiten zur beruflichen Umschulung, zur beruflichen Aufstiegsfortbildung massiv einschränken, tragen sie nicht, wie ihre Gesetzentwürfe im Titel vorgeben, zum Wachstum bei, sondern sie schwächen einen entscheidenden Standortvorteil Deutschlands, schaden ganz entscheidend den Marktchancen des Handwerks und der mittelständischen Industriebetriebe. ({2}) Im übrigen: Wenn Sie von den Arbeitnehmern Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Rekordhöhe abverlangen, ihnen im Versicherungsfall aber massiv verschlechterte Leistungen anbieten, dann begehen Sie meines Erachtens einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben. ({3}) Sogar der Vertreter der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hat bei der Anhörung die Kürzung des Arbeitslosengeldes als verfassungswidrig bezeichnet, weil sie die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes verletze. Zu Recht klagen die Gewerkschaften, Caritas und andere karitative Organisationen, die Kirchen, darüber, daß die Koalition Arbeitslose, besonders aber Langzeitarbeitslose auf eine steile Rutschbahn in die Sozialhilfe setzt. Die Gesetzentwürfe machen zum 1. Januar 1994 nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums schlagartig 200 000 Langzeitarbeitslose und weitere 70 000, die bislang die originäre Arbeitslosenhilfe erhalten, zu Sozialhilfeempfängern. Das ist für eine Viertelmillion Arbeitslose und deren Familienangehörige - die muß man ja dazuzählen - die eiskalte Verurteilung zum sozialen Abstieg. Das haben Sie zu verantworten. ({4}) Bedenke das Ende! Wenn die Koalition damit bis zu 1 Million Menschen zusätzlich zu Sozialhilfeempfängern macht, gibt es zwar in Kap. 11 12 des Bundeshaushaltes, Kollege Strube, weniger Ausgaben, gleichzeitig sinken aber auch die Steuereinnahmen. Denn wenn die Koalition Milliarden und Abermilliarden ausgerechnet bei denen einsammelt, die als Arbeitslose beispielsweise im April dieses Jahres im Schnitt nur 1 380 DM, als Arbeitslosenhilfeempfänger 1 016 DM erhalten - die Werte für den Osten lagen im April übrigens bei nur 980 bzw. 740 DM im Monat -, dann würgt sie im gleichen Umfang die Konjunktur ab. ({5}) Wenn sich Hunderttausende ab Januar zusätzlich bei den Sozialämtern der Gemeinden melden, dann werden die Folgen in den Gemeindekassen ein Loch von mindestens 4 Milliarden DM reißen. ({6}) Das ist die bittere Realität. Das, was die Koalition den Kommunen als Entlastungen in Aussicht stellt, sind dagegen rein fiktive Einsparungen. Selbst wenn Sie eine Nullrunde für Beamte durchsetzen sollten - die Gemeinden entlastet das nur geringfügig, weil sie wenig Beamte beschäftigen. Im Tarifbereich ist der Abschluß völlig offen, eine Entlastungsrechnung zum jetzigen Zeitpunkt also eine reine Luftbuchung, Herr Finanzminister. Die Koalition hat also Mehrbelastungen in Milliardenhöhe zu verantworten, die ausgerechnet die Gemeinden in Krisenregionen am stärksten treffen. ({7}) Die Folgen liegen auf der Hand: Entweder streichen die Gemeinden freiwillige Leistungen, als da sind Jugendzentren, Schwimmbäder und andere wichtigen Einrichtungen, oder sie erhöhen die Hebesätze auf Gemeindesteuern wie beispielsweise die Gewerbesteuer. Die meisten werden beides machen, machen müssen, weil sie auch auf ihrer Einnahmeseite zurückgehende Steuereinnahmen haben werden und ihnen schon von daher das Wasser bis zum Halse steht. Sie gucken zu Recht ganz betrübt, Herr Finanzminister. ({8}) Bedenke das Ende! Würde die Koalition zurückkehren zu einer kreislaufmäßigen Betrachtung ihres Tuns, sie würde Erschreckendes feststellen: Der von ihr mit diesen Gesetzentwürfen bewirkte Kaufkraftentzug liegt bei 1 % Prozent des Bruttosozialprodukts. Statt Wachstum also eher Stagnation im nächsten Jahr durch dieses Gesetz. Hinzu kommt, daß die wachstumsdämpfenden Wirkungen zu weniger Einnahmen und höheren Ausgaben in anderen Haushalten führen werden, so daß das Defizit per Saldo nur um 10 Milliarden DM und damit um weniger als ein Drittel des Einsparziels zurückgeführt werden kann, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in seiner Analyse vorrechnet. Das Urteil der Wissenschaftler ist entsprechend vernichtend für Sie, Herr Waigel: „Der Sparhaushalt ist nicht konjunkturgerecht." Oder: „Finanzpolitischer Aktionismus ist fehl am Platz." ({9}) Es ist höchste Zeit zum Denken in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Die Finanzpolitik der Koalition hält sich leider nicht mehr verantwortlich für Beschäftigung, sieht sich konjunkturpolitisch überfordert, eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu finanzieren. Die Geldpolitik andererseits hielt sich bislang nur bedingt zuständig für Konjunktur und Wachstum. Sie berief sich darauf, daß die Abwehr von Preissteigerungen ihre vorrangige Aufgabe sei, und bekämpfte ausgerechnet administrierte Preiserhöhungen, die nur deshalb zustande kamen, weil die Geldpolitik ständig zur Konsolidierung mahnte. Die Koalition ist gescheitert mit ihrer Wirtschaftspolitik, sie ist gescheitert mit ihrer Finanzpolitik. ({10}) Ihre Gesetzentwürfe kündigen die im Föderalen Konsolidierungsprogramm gemeinsam mit uns abgesteckte Strategie der Konsolidierung aller öffentlichen Haushalte auf, machen sie in wesentlichen Teilen zunichte. Die Koalition betreibt Geschäfte zu Lasten Dritter, die mit den Grundsätzen eines kooperativen Föderalismus nicht vereinbar sind. ({11}) Jüngstes Beispiel ist die im Hauruckverfahren am Mittwoch im Haushaltsausschuß vorgenommene Änderung des Bundessozialhilfegesetzes, über die nachher abgestimmt werden soll. Mit dem neuen Wortlaut der §§ 19 und 20 versucht die Bundesregierung, sich aus ihrer sozialstaatlichen Verpflichtung zu stehlen, für Vollbeschäftigung zu sorgen. ({12}) „Das ist die Einführung eines Bundesarbeitsdienstes", war eine der spontanen Äußerungen im Haushaltsausschuß, „die gesetzliche Festschreibung eines zweiten Arbeitsmarktes", sagten andere. Einzulösen haben diesen Anspruch übrigens ausschließlich die Gemeinden nach Ihrem Gesetzentwurf. Ein Geschäft zu Lasten Dritter. Zu Recht lautet deshalb die empörte Reaktion des Städte- und Gemeindebundes - ich zitiere -: „Mit dieser Verlagerung der Aufgabe der Arbeitsverwaltung des Bundes auf die Gemeinden wird das Sozialamt zum Arbeitsamt, werden die Gemeinden endgültig finanziell am Ende sein." ({13}) „Bedenke das Ende! " haben wir im Haushaltsausschuß den Koalitionären zugerufen, weil sie den Bauarbeitern das Schlechtwettergeld und den Stahlarbeitern die Grundlagen ihrer Sozialpläne zerstören. Alles, was wir erreichen konnten, war eine Denkpause von acht Tagen. Sie brachte zwar ein Gespräch, an dem auch Sie und der Arbeitsminister teilgenommen haben, aber sie führte leider nicht zur Vernunft, auch nicht beim Schlechtwettergeld. Wenn die Koalition, vor drei Wochen in Brüssel 36 000 Stahlarbeiter zur Entlassung angemeldet hat, dann hat sie jetzt auch die Pflicht, die Fundamente bisheriger Sozialpläne zu bewahren. Doch heute zerstört sie diese endgültig, und sie wird für ihr törichtes Verhalten in den Stahlstandorten noch die Quittung bekommen. Das wird in einem Jahr auch der Abgeordnete Norbert Blüm, Dortmund, zu spüren bekommen. ({14}) Aktive Arbeitsmarktpolitik, Herr Blüm, kann nur bedingt ausbügeln, was falsche Wirtschaftspolitik der Bange-, Hauss- und Möllemänner und nun auch Rexrodts angerichtet hat. Als Minister hat Blüm diese falsche Politik stets mitgetragen, ist mitverantwortlich. Heute zerstören Sie, Herr Blüm, die Instrumente für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie sollten endlich auch das Ende Ihrer Zeit als Minister bedenken ({15}) und sich selbst fragen, mit welchen Leistungen die Besucher ab nächstem Jahr Ihr Bild in der Ahnengalerie im Arbeitsministerium verknüpfen werden. ({16}) Alle Koalitionäre von CDU/CSU und F.D.P., auch Sie, Herr Kollege Zwischenrufer, sollten endlich über die mahnenden Worte nachdenken, die Bischof Spittal am Tage der deutschen Einheit beim ökumenischen Gotttesdienst in Saarbrücken in seiner Predigt an uns alle richtete - ich zitiere den Bischof -: Eine Demokratie, die das Sozialstaatsprinzip in ihrer Verfassung stehen hat, darf nicht ein Staatswesen sein, in welchem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. ({17}) Wo das der Fall ist, ist die Demokratie krank . . . Und als Bürger dieser Demokratie müssen wir aufstehen und die Krankheitssymptome kennzeichnen und sichtbar machen, damit der Weg zur Heilung gefunden wird. Soweit die Worte des Trierer Bischofs bei der Feier zum Tag der deutschen Einheit in Saarbrücken. An Sie war diese Mahnung gerichtet, an uns auch. ({18}) Wir lehnen Ihre Gesetzentwürfe aus den genannten Gründen ab und fordern Sie auf: Handeln Sie endlich vernünftig! Folgen Sie unseren Vorschlägen, die von unserem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des AFG zu einem Arbeits- und Strukturförderungsgesetz bis zu dem gestern von Oskar Lafontaine hier vorgestellten Zehn-Punkte -Plan zur Überwindung der Rezession und Massenarbeitslosigkeit reichen ({19}) - Vorschläge, verehrte Frau Kollegin, für die gestern abend auch Ihr früherer Finanzstaatssekretär, der jetzige Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, nur lobende Worte fand. Deshalb wiederhole ich in Stichworten unsere Alternativen: Während Sie den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ost und West durch Ihre verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik eher noch beschleunigen, wollen wir einen nationalen Beschäftigungspakt gegen Rezession und Massenarbeitslosigkeit. ({20}) Während Sie die Umweltzerstörung weiter hinnehmen, wollen wir mit der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit dem Kampf gegen die Umweltzerstörung verknüpfen. Während Sie öffentliche Investitionen und Forschungsmittel zusammenstreichen, wollen wir die Forschungsanstrengungen und die Zukunftsinvestitionen nachhaltig verstärken. ({21}) Während Sie die Arbeitszeit pauschal zu verlängern versuchen und dadurch noch mehr Arbeitslosigkeit erzeugen, wollen wir mit einer intelligenteren und gerechteren Verteilung der Arbeitszeit Arbeit für alle schaffen. ({22}) Während Sie unproduktiv nur die Arbeitslosigkeit finanzieren, wollen wir die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit künftig vor allem für die Finanzierung sinnvoller Arbeit einsetzen. Statt durch eine unsolide Schuldenpolitik die Handlungsfähigkeit des Staates weiter zu untergraben, wie Sie das wollen und machen, wollen wir ({23}) mit einem gerechten und wirtschaftspolitisch vernünftigen Konsolidierungskonzept den Anstieg der Staatsverschuldung endlich in den Griff bekommen. Ich bedanke mich. ({24})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, ehe ich der Kollegin Ina Albowitz das Wort erteile, möchte ich Sie über das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Schlußabstimmung des Gesetzentwurfs zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, Pflege-Versicherungsgesetz, auf den Drucksachen 12/5262, 12/5617, 12/5761, 12/5891 und 12/5920 Nr. 1 unterrichten: Abgegebene Stimmen: 556. Mit Ja haben 322 gestimmt, mit Nein haben 227 gestimmt. Enthaltungen: 7. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 552; davon: ja: 322 nein: 223 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr, Blüm, Norbert Böhm ({0}), Wilfried Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({1}), Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Buwitt, Dankward Carstens ({2}), Manfred Carstensen ({3}), Peter Harry Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Erler ({4}), Wolfgang Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H. Fischer ({5}), Dirk Fockenberg, Winfried Francke ({6}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({7}), Johannes Geiger, Michaela Geis, Norbert Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({8}), Johannes Gibtner, Horst Glos, Michael Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter Gres, Joachim Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Günther ({9}), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ({10}), Gottfried Haschke ({11}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({12}), Otto Hauser ({13}), Hansgeorg Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({14}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({15}), Michael Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kiechle, Ignaz Kittelmann, Peter Klein ({16}), Günter Klein ({17}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({18}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({19}), Volkmar Dr. Kohl, Helmut Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({20}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Johannes Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, Editha Link ({21}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({22}), Wolfgang Louven, Julius Dr. Luther, Michael Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({23}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michalk, Maria Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({24}), Elmar Müller ({25}), Alfons Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({26}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({27}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pflüger, Friedbert Pofalla, Ronald Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus Dr. Riesenhuber, Heinz Rode ({28}), Helmut Rönsch ({29}), Hannelore Romer, Franz Rossmanith, Kurt J. Roth ({30}) Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({31}), Helmut Sauer ({32}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({33}), Günther Schell, Manfred Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({34}), Christian Dr.-Ing. Schmidt ({35}), Joachim Schmidt ({36}), Andreas Schmidt ({37}), Trudi Schmitz ({38}), Hans Peter von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({39}), Dieter Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha Vogel ({40}), Friedrich Vogt ({41}), Wolfgang Dr. Voigt ({42}), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({43}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wimmer ({44}), Willy Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({45}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno Zöller, Wolfgang F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Genscher, Hans-Dietrich Gries, Ekkehard Günther ({46}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({47}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich L. Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe Dr. Menzel, Bruno Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Paintner, Johann Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({48}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({49}), Helmut Schmidt ({50}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Dr. Schwaetzer, Irmgard Seiler-Albring, Ursula Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Dr. Weng ({51}), Wolfgang Wolfgramm ({52}), Torsten Würfel, Uta Fraktionslos Dr. Krause ({53}), Rudolf Karl Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Nein CDU/CSU Büttner ({54}), Hartmut Clemens, Joachim Doss, Hansjürgen Hollerith, Josef Dr. Krause ({55}), Günther Dr. Pinger, Winfried Rauen, Peter Harald Schulz ({56}), Gerhard Dr. Vondran, Ruprecht SPD Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker-Inglau, Ingrid Berger, Hans Bindig, Rudolf Bock, Thea Börnsen ({57}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({58}), Hans Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({59}), Hans Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Diller, Karl Dreßler, Rudolf Ebert, Eike Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({60}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({61}), Evelin Fischer ({62}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({63}), Anke Fuchs ({64}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, Iris Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({65}), Karl-Hermann Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Heistermann, Dieter Heyenn, Günther Hiller ({66}), Reinhold Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst Dr. Jens, Uwe Jung ({67}), Volker Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kemper, Hans-Peter Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Koltzsch, Rolf Koschnick, Hans Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lörcher, Christa Lohmann ({68}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({69}), Dieter Marx, Dorle Mascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({70}), Franz-Josef Dr. Meyer ({71}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({72}), Jutta Müller ({73}), Christian Neumann ({74}), Volker Neumann ({75}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Opel, Manfred Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, Kurt Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({76}), Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf Reimann, Manfred von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reschke, Otto Reuschenbach, Peter W. Schanz, Dieter Scheffler, Siegfried Schily, Otto Schloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidt ({77}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Dr. Schöfberger, Rudolf Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Dr. Schuster, Werner Schwanhold, Ernst Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Simm, Erika Singer, Johannes Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Soell, Hartmut Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Steiner, Heinz-Alfred Dr. Struck, Peter Tappe, Joachim Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Dr. Vogel, Hans-Jochen Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Walter ({78}), Ralf Wartenberg ({79}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({80}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({81}), Gert Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({82}), Hermann Wohlleben, Verena Zapf, Uta F.D.P. Dr. Blunk ({83}), Michaela Cronenberg ({84}), Dieter-Julius Eimer ({85}), Norbert Friedhoff, Paul K. Grüner, Martin Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Kohn, Roland Koppelin, Jürgen Möllemann, Jürgen W. Otto ({86}), Hans-Joachim Sehn, Marita Walz, Ingrid Zywietz, Werner PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Henn, Bernd Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({87}), Fritz Dr. Seifert, Ilja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Poppe, Gerd Schenk, Christina Schulz ({88}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß ({89}), Konrad Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Enthalten CDU/CSU Austermann, Dietrich Grochtmann, Elisabeth F.D.P Dr. Hoth, Sigrid Dr. Graf Lambsdorff, Otto Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schüßler, Gerhard Türk, Jürgen Damit sind die aufgeführten Gesetze angenommen. Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete Frau Ina Albowitz.

Ina Albowitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000022, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Urbaniak, nachdem ich mich jetzt wieder etwas beruhigt habe, denke ich, daß wir in diesem Hause Worte wie „Brandstifter", „zündeln", wo immer sie herkommen, gemeinsam lassen. Was uns wirklich einen sollte: daß wir uns in Sorge um den Standort Deutschland befinden. Wir haben unterschiedliche Ansätze und auch unterschiedliche Lösungsvorschläge. Aber wir werden einen vernünftigen Weg finden müssen, wie wir auch in Zukunft bei schwierigen Lagen miteinander umgehen. Jedenfalls nicht so; das kann nicht Sinn der Veranstaltung sein. ({0}) Sie haben im übrigen auf das Gespräch hingewiesen - Herr Kollege Diller hat das eben auch getan -, das wir gemeinsam zu Beginn dieser Woche hatten. Ich finde, Bundestagsabgeordnete, egal welcher Fraktion, haben sich der Verantwortung zu stellen und auch mit betroffenen Bürgern zu reden. Nur: Die anschließende Lösung des Problems muß in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden. Wie wollten wir es eigentlich gegenüber den Bürgern in den neuen Bundesländern verantworten, wenn es nach Ihren Wünschen und nach den Vorstellungen der Gesamtbetriebsräte gegangen wäre und wir nur eine Lex Stahl mit 1 Milliarde DM geschaffen hätten? Wie wollten wir es eigentlich gegenüber den Bürgern in den neuen Bundesländern, die wir zu Tausenden in die Arbeitslosigkeit schicken müssen, weil ihre Betriebe noch nicht konkurrenzfähig sind, verantworten, wenn wir den Haushalt im kommenden Jahr mit weiteren Hunderten von Millionen DM belasteten? Im übrigen bekommen wir das Geld ja nicht direkt von der Deutschen Bundesbank, sondern die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes müssen es erwirtschaften. ({1}) Zweiter Punkt, meine Damen und Herren. Herr Kollege Diller, ich habe ja nur noch gestaunt. Es hörte sich an wie eine Seminarveranstaltung in der Volkshochschule. Im übrigen hatte ich das Gefühl, daß Sie eben die Traumvorstellung des saarländischen Ministerpräsidenten vom Haushalt vorgetragen haben. Wenn das so wäre, dann frage ich mich, warum uns ausgerechnet das Saarland hier ständig anzapfen will. ({2}) - Ich höre gut zu, Herr Kollege Larcher.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Kollegin Albowitz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?

Ina Albowitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000022, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, Herr Präsident. In diesem Hohen Hause wurde gestern mehrere Stunden über den Standort Deutschland diskutiert. Ich fand, es war eine der Sache angemessene Debatte, in der Unterschiedliches, aber auch Gemeinsames herausgearbeitet wurde. Letzteres läßt hoffen, daß wir uns endlich den zentralen Fragen stellen und tatkräftig an der Lösung der schwierigen Probleme arbeiten. Der Moderator des „Heute-Journals" faßte allerdings die Debatte wie folgt zusammen: wenig Neues, nichts Konkretes. Dem Mann können wir heute helfen. Denn mit dem von der Bundesregierung dem Parlament vorgelegten Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm wollen wir heute nicht nur sehr viel Konkretes beschließen, sondern wir stellen auch die Weichen für einen dringend erforderlichen neuen Kurs in Deutschland. ({0}) Ich will auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß diesem ersten Schritt weitere folgen müssen, damit wir unseren finanz- und wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum wieder erhalten. Die letzten Wochen waren auch für die Koalitionsfraktionen keine Schönwetterveranstaltung. Wir haben in allen Fachausschüssen und in dieser Woche im Haushaltsausschuß sämtliche Einzelartikel der vorliegenden Gesetzentwürfe ausführlich und stundenlang beraten. Dabei wurden durch die Koalitionsfraktionen qualitative Verbesserungen, wie z. B. beim Zivildienst, beim Schlechtwettergeld oder bei den Lohnersatzleistungen - um nur einige Punkte anzusprechen -, durchgesetzt. Daß die Zielvorgabe, nämlich das Einsparvolumen von rund 21 Milliarden DM für 1994, trotzdem gehalten wurde, ist eine beachtliche Leistung der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. ({1}) Der Druck, der von außen auf die Abgeordneten ausgeübt wurde, war enorm. Uns macht natürlich Geben auch mehr Spaß als Nehmen, meine Damen und Herren. Aber hätten wir es uns so einfach wie die Opposition gemacht und dem Populismus nachgegeben, müßten wir in den in wenigen Wochen hier zu entscheidenden Haushalt 1994 eine Nettoneuverschuldung von über 90 Milliarden DM einstellen. ({2}) Das, meine Damen und Herren, können wir nicht verantworten. Herr Kollege Diller, Sie können hier doch nicht sagen, das sei falsch! ({3}) Im übrigen wäre der Haushalt nicht verfassungsgemäß. Im Gesetzentwurf wird ein Haushaltsentlastungsvolumen von rund 21 Milliarden DM realisiert, welches sich mittelfristig auf über 28 Milliarden DM entwickelt. Ein anderer positiver Aspekt ist, durch Rückführung struktureller Defizite, strikte Ausgabendisziplin und Sparsamkeit der öffentlichen Hand die Voraussetzungen für das so dringend nötige Anspringen der Konjunktur zu schaffen. Gestern hat die Deutsche Bundesbank erneut den Diskont- und den Lombardsatz um jeweils 0,5 % gesenkt. Meine Fraktion begrüßt die Entscheidung des Zentralbankrates, denn die Bundesbank beweist durch ihre Zinspolitik, daß dies der richtige Weg für mehr Beschäftigung und bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen im geeinten Deutschland ist. Mit einem niedrigen Zinsniveau werden weitere Grundlagen für neue Investitionen geschaffen und der Bekämpfung unseres derzeit größten Problems, der immer noch steigenden Arbeitslosigkeit, durch Schaffung neuer Arbeitsplätze mehr Möglichkeiten eröffnet. Darauf werden auch die Wirtschaftsunternehmen des Auslands mit mehr Vertrauen und bei verbesserten Rahmenbedingungen mit mehr Engagement reagieren. Denn, meine Damen und Herren, der Standort Deutschland mit attraktiven Rahmenbedingungen ist immer noch eine gute Adresse in der Welt. Wir müssen weiter gemeinsam daran arbeiten, daß er wieder eine erste Adresse wird. ({4}) Daß wir dabei dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit allerhöchste Aufmerksamkeit widmen müssen, versteht sich von selbst. Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen führt einerseits zu Beitragsmindereinnahmen und andererseits zu stark gestiegenen Leistungsausgaben. Dies machte bereits im Nachtragshaushalt 1993 einen Bundeszuschuß von 18 Milliarden DM erforderlich. Ein prognostizierter Fehlbedarf von weiteren 8,7 Milliarden DM noch in diesem Jahr bei einem Beitragssatz von 6,5 % der Arbeitslosenversicherung läuft auf, und die Aussichten für 1994 sind alles andere als rosig. Nicht zuletzt wegen dieser defizitären Entwicklung müssen wir heute unabweisbare Einsparmaßnahmen im Sozialbereich beschließen. Wir könnten es uns so einfach machen, meine Damen und Herren, wie die Opposition in diesem Hause, aber das würde mit einem weiteren Drehen an der Abgabenschraube die deutsche Wirtschaft endgültig ins Aus katapultieren. Im übrigen gilt immer noch das überlieferte Zitat von Abraham Lincoln, dem 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten, der u. a. gesagt hat: Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen. ({5}) - Meine Damen und Herren, das habe nicht ich gesagt, sondern ich habe Abraham Lincoln zitiert. ({6}) - Herr Kollege, Sie verstehen offensichtlich von vielen Dingen etwas, nur von der Wirtschafts- und Finanzpolitik verstehen Sie null! ({7}) - Minus null, Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren, in einer Zeit rückläufiger Wirtschaftsentwicklung müssen auch die Sozialausgaben des Staates zwingend den veränderten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen angepaßt werden. ({8}) - Wissen Sie, ich kann mich eigentlich nur wundern. Sie schreien hier ununterbrochen. Ich habe in der Schule gelernt: Wer schreit, hat nichts zu sagen! ({9}) Daran führt kein Weg vorbei. Vor diesem Hintergrund ist die strikte Ablehnung der Gesetzentwürfe durch die Opposition mehr als verantwortungslos, auch für die kommenden Generationen. Ein Festhalten an Besitzständen ohne Rücksicht auf die veränderte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft führt unabweisbar zu Wachstums- und Arbeitsplatzverlusten. Das gilt allerdings nicht nur für die öffentliche Hand, sondern auch für alle Tarifparteien. Bei der Tagung des Deutschen Städtetages am vergangenen Montag ist der Vorwurf erhoben worden, der Bund wälze unsolidarisch die Lasten des Sparprogramms auf Länder und Gemeinden ab. ({10}) Ich weiß nicht, wer von Ihnen noch in einem Landtag, in einem Kreistag oder in einer Kommune tätig ist; ich bin es. Ich trage im übrigen Verantwortung, und ich weiß genau, was zugemutet werden kann und was nicht. Ein Teil der Probleme, meine Damen und Herren, ist hausgemacht. Das wissen Sie so gut wie ich. Fahren Sie durch Bonn, gucken Sie sich an, wie die neuen Straßenbeschilderungen aussehen, wie die Straßen neu gepflastert werden. Muß das denn jetzt sein, oder können wir das nicht einmal fünf Jahre lassen? ({11}) Diese Vorwürfe, meine Damen und Herren, sind zum Teil so nicht berechtigt, weil Sie offensichtlich übersehen wollen, daß bereits beim Föderalen Konsolidierungsprogramm der Bund den Hauptteil der Belastungen getragen hat und bis an die Grenze des finanzpolitisch Vertretbaren gegangen ist. ({12}) Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Der Bund ist über seine Grenzen hinausgegangen und ist von den Ländern geplündert worden. ({13}) Daß der Bund im Rahmen des FKP durch verschiedene Maßnahmen Länder und Gemeinden zusammen um 4,8 Milliarden DM in 1994, ansteigend auf 6,4 Milliarden in 1996, entlastet, wird bewußt nicht gesagt. Die Änderung des Asylrechts bringt den Gemeinden bei den Sozialhilfeausgaben ebenfalls spürbare Entlastungen. ({14}) Gut beraten wären die Gemeinden, wenn sie sich der vom Bund im öffentlichen Dienst angestrebten Nullrunde zumindest sichtbar annäherten. ({15}) - Herr Kollege, ich bin dankbar für jeden Zwischenruf und für jede Aufklärung, aber ich bin auch Berichterstatterin des Einzelplans 06, und dort spiegeln sich alle Auswirkungen im Bereich Asyl wider. Wenn Sie einmal mit dem Innenminister und mit dem Finanzminister darüber reden, wie die Zahlen deutlich zurückgegangen sind, werden Sie erfahren, daß wir allein schon für den Bundeshaushalt auf ein Einsparpotential zwischen 10 und 50 Millionen DM kommen. ({16}) - Ich gebe Ihnen nachher eine Nachhilfestunde; das machen wir hinterher. Im übrigen könnte eine Rückbesinnung der Kommunen auf marktwirtschaftliche Grundsätze ein weiteres tun. Etwa 80 % der Tätigkeiten in den Gemeinden sind privatisierbar. Hier wäre ein deutlicher Schritt bei der Privatisierung von Krankenhäusern, Kindergärten, Musikschulen, Kläranlagen - die Palette ist unendlich - endlich in Angriff zu nehmen. In den aktuellen Sparpaketen werden Länder und Gemeinden deutlich entlastet, wenn Sie heute unseren Vorstellungen folgen. Das Entlastungsvolumen beträgt 1994 für die Länder 3,2 Milliarden DM und für die Gemeinden 1,1 Milliarden DM. Bis 1996 steigt es bei den Ländern auf 5,6 Milliarden DM und bei den Gemeinden auf 2,4 Milliarden DM an. Hinzu kommt, daß die von der Koalition eben mit deutlicher Mehrheit beschlossene Pflegeversicherung bei den Kommunen jährlich rund 6 bis 7 Milliarden DM an Entlastungen bei den Sozialhilfeausgaben bringen wird. Fazit: Der Bund hat alles getan, um Länder und Gemeinden so weit wie möglich zu entlasten. Die dort bestehenden Engpässe sind häufig hausgemacht. Es liegt in der Verantwortung von Ländern und Gemeinden, selbst Lösungen für ihre Finanzprobleme zu finden. Mit den heute zu beschließenden Spargesetzen hat die Koalition den richtigen Therapieweg eingeschlagen. ({17}) Wir wissen, daß in manchen Bereichen die Medizin bitter ist, aber sie hilft. ({18})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, zunächst erbitte ich die Zustimmung des Hauses dazu, daß der Abgeordnete Volker Kauder seine Rede zu Protokoll gibt. * ) ({0}) Der Abgeordnete Hans Urbaniak hat um eine Kurzintervention gebeten. Mit Rücksicht darauf, daß er versprochen hat, dafür nur eine halbe Minute zu benötigen, erteile ich ihm das Wort. ({1})

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Albowitz hat alles dargestellt. Ich habe Gelegenheit gegeben, in dieser Woche mit den Betriebsratsvorsitzenden zu reden. Sie und Herr Blüm waren dabei. Die Betriebsratsvorsitzenden haben ihre bitteren Sorgen vorgetragen. Wir haben mit der EG ein Programm der Restrukturierung und ein soziales Geflecht aufgebaut, das Herr Bangemann ebenfalls mitfinanziert. *) Anlage 5 Sie zerstören durch die Kappung der Arbeitslosenhilfe dieses soziale Netz, Die Stillegungen werden erst noch bekanntgegeben. Das hält doch keiner aus in der Republik! Darum frage ich am Schluß - 37 000 Freisetzungen hat die Bundesregierung gemeldet -: Sind Ihnen die Stahlarbeiter so wenig wert, daß Sie diese am Ende eines langen Arbeitslebens in die Sozialhilfe schicken und sie noch zur Pflichtarbeit heranziehen? Das ist schlicht unanständig! ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Barbara Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat Bundesrat und Bundestag wissen lassen, die beiden heute auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwürfe seien die „notwendige Antwort auf das derzeitige konjunkturelle und finanzpolitische Umfeld", und sie hat von der Kanzel verkündet: „Zum Konsolidierungskurs der Bundesregierung gibt es keine ernsthafte Alternative. " Diese Behauptung, die dem Pfeifen im dunklen Walde gleicht, wird auch dann nicht wahrer, wenn sie in einer Drucksache des Bundestages steht. Daß diese Bundesregierung Sozialabbau betreibt, ist nicht neu. Neu und für die davon Betroffenen geradezu existenzbedrohend sind allerdings das Tempo und der Umfang, in dem Sozialleistungen gekürzt oder gestrichen werden. Die Mischung aus Zynismus und Arroganz, kurz: die Kaltschnäuzigkeit, die bisher nur das Charakteristikum einzelner Koalitionspolitiker zu sein schien, hat ihren traurigen Höhepunkt in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates gefunden. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes, die Begrenzung der Bezugsdauer der Arbeitslosenhilfe auf maximal 2 Jahre sowie die Streichung der Arbeitslosenhilfe für kurzzeitig Beschäftigte werden mindestens weitere 300 000 Arbeitslose in die von den Kommunen zu finanzierende Sozialhilfe und in ein Leben am Rande, ja oft sogar unterhalb des Existenzminimums abdrängen. Für die Bundesregierung ist diese unsoziale Streichorgie bestens geeignet, die, so wörtlich, „Eigenverantwortlichkeit und Leistungsmotivation" zu stärken. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Warum sind Sie nicht beispielgebend und stimmen für die Kürzung der Diäten auf den Durchschnittsbetrag des westdeutschen Arbeitslosengeldes? Beweisen Sie doch einmal, wie leistungsmotivierend es sich mit 1 400 DM im Monat leben läßt! Es ist kein Zufall, daß mitten hinein in diese Diskussion über das Sparpaket der Bundesinnenminister sein deutschnationales Bekenntnis zu den sogenannten deutschen Sekundärtugenden wie Fleiß, Ordnung, Ausdauer und Kameradschaft plazierte. Die bundesdeutsche Gesellschaft soll auf Linie gebracht werden. Den Unterprivilegierten und Ausgegrenzten sollen Opfer und Verzicht als patriotische Taten verkauft werden. Statt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, bekämpft diese Bundesregierung die Arbeitslosen. Statt Sozialhilfeempfängern zu menschenwürdiger Arbeit zu verhelfen, wird ein Arbeitsdienst eingeführt. Der Sozialabbau trifft die Menschen in den neuen Ländern aus zwei Gründen mit besonderer Härte. Zum einen sind die Arbeitslosenraten im Durchschnitt höher als in Westdeutschland; zum anderen sind die Einkommen trotz dramatisch gestiegener Lebenshaltungskosten sehr weit unter Westniveau. Das führt dazu, daß ostdeutsche Arbeitslose bestenfalls drei Viertel des durchschnittlichen Arbeitslosengeldes in den alten Bundesländern erhalten. Derzeit leben in den neuen Bundesländern bereits 7,4 % der Bezieher von Arbeitslosengeld und 23,7 % der Bezieher von Arbeitslosenhilfe von einem Einkommen von unter 600 DM monatlich. Ich muß sagen: Auch Herr Lafontaine scheint dabei vergessen zu haben, daß die Warenpreise im Osten - mit einer existentiell wichtigen Ausnahme - Westniveau erreicht haben. Diese einzige Ausnahme ist eben der Preis der Ware Arbeitskraft. Die Bundesregierung bestreitet diese Zahlen zwar nicht, aber sie wendet eine sehr besondere Waigelsche Grundrechenart an und rechnet die Arbeitslosen reich. Sie erklärt: Dieses Ergebnis - also niedrigere Lohnersatzleistungen in Ostdeutschland wird aber dadurch ausgeglichen, daß im Osten häufiger als im Westen zwei Familienmitglieder mit Erwerbseinkommen oder Lohnersatzleistungen zum Familieneinkommen beitragen. Im Klartext heißt das nichts anderes als: In ostdeutschen Familien gibt es häufiger als im Westen zwei arbeitslose Familienmitglieder. Die Bundesregierung deutet jedoch die viele Familien mehrfach betreffende Massenarbeitslosigkeit in ein Eldorado für Doppelverdiener um, und zwar für solche Doppelverdiener, die nicht arbeiten müssen. In den neuen Bundesländern werden 1994 mindestens 26 % der Bezieher von Arbeitslosenhilfe die Grenze von zwei Jahren Bezugsdauer erreichen und danach auf Sozialhilfe angewiesen sein. Schon jetzt wird die zunehmende Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik zu 17 % ganz oder teilweise durch Sozialhilfe finanziert, in manchen Gegenden sogar bis zu 50 %. Auf die Kommunen, deren Haushalte die Sozialhilfe erwirtschaften müssen, werden in den kommenden drei Jahren damit Mehrausgaben von mindestens 15 Milliarden DM zukommen. Die sogenannte Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung geschieht auf dem Rücken der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger und belastet die Kassen der Städte und Gemeinden. Ansätze oder Prinzipien wie die kommunale Selbstverwaltung können wir damit wirklich schlicht vergessen. Was der Bundesfinanzminister als Sanierung und Bestandssicherung verkauft, das ist in Wirklichkeit soziale Demontage und Zerrüttung. Die Bundesregierung hat nun als neuen Gag die Bezieher höherer Einkommen als die eigentlichen Opfer der Sparmaßnahmen entdeckt. Sie hat dem Bundesrat mitgeteilt, die höheren Einkommensgruppen würden stärker belastet und bestimmte Sparmaßnahmen wie die Einkommensgrenzen beim Kinder-und Erziehungsgeld sowie die sogenannte Mißbrauchsbekämpfung im steuerlichen Bereich gingen „zu Lasten der Bezieher höherer Einkommen". Doch bereits ein Blick auf die nackten Zahlen beweist: Die Bundesregierung täuscht hier die Öffentlichkeit. Der Bundeshaushalt und die Bundesanstalt für Arbeit sollen allein 1994 durch die beiden vorliegenden Gesetze brutto um rund 23 Milliarden DM entlastet werden. Die Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer abgezogen, sollen es immerhin noch 15 Milliarden DM sein. Eindeutig auf Kosten der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger sollen 14 Milliarden DM eingespart werden. Die Einführung von Einkommensgrenzen beim Kinder- und Erziehungsgeld zu Lasten der Bezieher höherer Einkommen würde diese gerade einmal mit etwas mehr als 1 Milliarde DM zur Kasse bitten. Wenn der Anschein erweckt werden soll, hiermit würde tatsächlich etwas in Richtung eines gerechteren Familienlastenausgleichs getan, so täuscht dies. Zudem muß man sagen, daß der politische Ansatz völlig verfehlt ist, weil die Kinder hiermit materiell wieder wesentlich stärker an das Einkommen der Eltern gebunden werden. Im Gesetzentwurf zur Mißbrauchsbekämpfung im steuerlichen Bereich, den die Bundesregierung eingebracht hat, kann ich einschneidende Sparmaßnahmen zu Lasten der Bezieher höherer Einkommen ebenfalls nicht erkennen. 1992 betrug die durchschnittliche monatliche Belastung von westdeutschen Haushalten für den Aufbau in den neuen Ländern bei Beamten und Selbständigen 1,8 %, bei Arbeiterinnen und Arbeitnehmern jedoch 4 % des Bruttoeinkommens. Geringverdienende sind eindeutig diejenigen, denen die Bundesregierung die Kosten der Einheit aufhalst. Zu diesem Sparprogramm gibt es eine soziale Alternative. Die PDS/Linke Liste fordert seit langem, daß die Bundesregierung endlich energische Schritte unternimmt, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. 1992 wurden rund 12 % des Sozialprodukts, etwa 360 Milliarden DM, an den Finanzämtern vorbeigeschleust. 1991 konnten die Betriebsprüfungsdienste trotz verschlechterter personeller Ausstattung Mehrsteuern von über 14 Milliarden DM vereinnahmen. Die PDS/Linke Liste fordert die Rücknahme der seit 1990 beschlossenen Steuererleichterungen für hohe und höchste Einkommen. Schon allein die Rücknahme der kürzlich im Standortsicherungsgesetz beschlossenen Senkung der Körperschaftsteuersätze und des Steuersatzes auf gewerbliche Einkünfte, die ausschließlich Top-Verdiener und Unternehmer begünstigt, würde über 8 Milliarden DM in die öffentlichen Kassen fließen lassen. Die Anhebung des Vermögensteuersatzes um nur einen Prozentpunkt auf ganze 2 % würde für die Länder eine jährliche Mehreinnahme von netto 3 Milliarden DM bedeuten, und durch eine Ergänzungsabgabe von 10 % auf hohe Einkommen sowie eine Arbeitsmarktabgabe für Selbständige, Beamte und Freiberufler könnten jährlich mindestens 18 Milliarden DM, durch eine Investitionsabgabe westdeutscher Unternehmen mindestens 28 Milliarden DM aufgebracht werden. Ich möchte abschließen: Zum Sparprogramm dieser Bundesregierung gibt es mindestens zwei Alternativen - eine andere Bundesregierung und die Vorschläge der PDS. Ich danke Ihnen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat nunmehr der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.

Dr. Theodor Waigel (Minister:in)

Politiker ID: 11002412

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich, obwohl er aus begreiflichen Gründen heute nicht hier sein kann, unserem Haushaltsausschußvorsitzenden Rudi Walther zu seinem 65. Geburtstag sehr herzlich gratulieren. ({0}) Ich danke ihm für die langjährige hervorragende Arbeit, die er auf der Grundlage seiner großen Sachkunde und Erfahrung geleistet hat, und ich hoffe, er wird meine uneingeschränkte Anerkennung, die für ihn von der anderen Seite kommt, akzeptieren; denn es entspricht der Zusammenarbeit im Haushaltsausschuß, die Sache vor die Ideologien zu stellen. Ich nehme an, daß sich auch einige von uns morgen bei seiner Geburtstagsfeier in seiner Heimat wiedersehen. ({1}) Meine Damen und Herren, die frühzeitige abschließende Beratung des Bundestages über das Spar- und Wachstumsprogramm ist notwendig, damit die Beschlüsse im Interesse der Glaubwürdigkeit der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik rechtzeitig wirksam werden können. Wie wichtig es ist, daß wir das rechtzeitig in Angriff genommen haben, daß wir die Gesetze jetzt heute verabschieden, das zeigen der gestrige Beschluß wie auch schon frühere Beschlüsse der Deutschen Bundesbank, die Zinsen um nochmals 0,5 % bei Diskont und bei Lombard zu senken. ({2}) Meine Damen und Herren, das ist für die Investitionen, das ist für die Konjunktur viel wichtiger, als über das eine oder andere Beschäftigungsprogramm nachzudenken. Die Bundesbank hätte so nicht entscheiden können, wenn wir nicht bereits vor der Sommerpause und jetzt den Mut gehabt hätten, diese entscheidenden Konsolidierungs- und Sparbeschlüsse voranzubringen. Da zeigt sich der schnelle und wichtige Erfolg dieser Politik, zu der es keine Alternativen gibt, sehr deutlich. ({3}) - Herr Kollege Diller, Sie und auch andere haben vorher gesagt, dies sei ein Schnitt in die Arbeitsmarktpolitik. Wenn, wie vorgesehen, der Zuschuß für die Bundesanstalt 18 Milliarden DM beträgt, wenn ein voraussichtlicher Mehrbedarf von weiteren 6 bis 7 Milliarden DM besteht, wenn ein Soll von insgesamt 103 Milliarden DM veranschlagt ist und das voraussichtliche Ist auf etwa 110 Milliarden DM steigen kann, wenn im Bereich der Arbeitsmarktpolitik im Westen 20 Milliarden DM und im Osten etwa 40 Milliarden DM, insgesamt 60 Milliarden DM, für Altersübergangsgeld, für AB-Maßnahmen, für Fortbildungen und für Umschulungen ausgegeben werden, dann kann man doch nicht von einem Rückgang sprechen, sondern hier muß man sagen: Dieser Staat, der Bund ist wie nie zuvor um die Arbeitnehmer, vor allem um die, deren Arbeitsplatz gefährdet ist, besorgt und gibt für sie mehr Geld aus als je zuvor. ({4}) Herr Kollege Urbaniak, wenn Sie hier die Situation der Stahlarbeiter vortragen, dann ist das Ihr gutes Recht. Nur, dann muß man es zusammenhängend und natürlich umfassend sehen; dazu hat der Kollege Strube vorhin schon das Notwendige gesagt. Die Kosten für die 52- bis 55jährigen Stahlarbeiter, die hier betroffen sind, belaufen sich auf insgesamt 1 Milliarde DM. Ich darf hier aber nicht nur diesen Bereich, sondern muß auch andere Bereiche sehen. Meine Damen und Herren, hier muß man fragen: Stehen diese Gelder im Augenblick zur Verfügung, oder müssen wir uns in dieser schwierigen Situation, was uns schwerfällt, auch hier zu Sparmaßnahmen entschließen? Wenn Sie sagen, das sei unanständig, Herr Urbaniak, dann sage ich: Wer so arbeitet, wer Sparbeschlüsse, die unpopulär sind, als unanständig bezeichnet, der betreibt unanständige Stimmungsmache. So kann man keine Politik miteinander machen. ({5}) Meine Damen und Herren, ich möchte mich zunächst bei den Kollegen aus den Regierungsfraktionen und aus den beteiligten Bundestagsausschüssen, vor allem dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und dem Haushaltsausschuß, sehr herzlich für die in den letzten Wochen erbrachte Leistung bedanken. Alle Mitwirkenden haben sich für unser gemeinsames Ziel der Sicherung der Staatsfinanzen und der Stärkung der Wachstumskräfte eingesetzt. Mein besonderer Dank gilt auch den Kollegen Norbert Blüm und Günter Rexrodt. Wie schon Anfang der 80er Jahre, als Gerhard Stoltenberg, Norbert Blüm und Otto Graf Lambsdorff gemeinsam die harten, aber unvermeidlichen Konsolidierungsschritte einleiteten und zum Erfolg führten, haben auch diesmal der Wirtschafts-, der Arbeits- und der Finanzminister gemeinsam die notwendigen Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat vorbereitet. Ich bin sicher, wir werden auch diesmal erfolgreich sein, wie im Anschluß an die große Wirtschaftskrise zu Beginn des letzten Jahrzehnts. Die breite Unterstützung unseres Spar- und Wachstumsprogramms durch die Regierungsfraktionen und durch die Bundesregierung insgesamt war dringend erforderlich; denn was wir heute im Bundestag beschließen wollen, ist ein entscheidender Durchbruch für noch mehr Stabilität, erneuertes Wachstum und für die Bekämpfung der zuletzt drastisch gestiegenen Arbeitslosigkeit. ({6}) Man sollte den Ernst der wirtschaftlichen und finanziellen Lage nicht unterschätzen. Die deutsche Volkswirtschaft hat zwar seit dem Sommer wieder Boden unter die Füße bekommen, die Konjunkturindikatoren haben sich stabilisiert und weisen zum Teil sogar wieder nach oben; aber ohne unsere weitreichenden Spar- und Wachstumsbeschlüsse bestünde kaum Aussicht auf eine Verstärkung dieses Trends in den kommenden Monaten. ({7}) Meine Damen und Herren, wir hätten doch wirklich nicht sehenden Auges zulassen können, daß das Defizit, die Nettokreditaufnahme, im nächsten Jahr auf 90 oder an die 100 Milliarden DM gestiegen wäre. Die Reaktion auf den Finanzmärkten, die Reaktion bei unseren Partnern und die Reaktion im Inland sowie die Auswirkungen auf die Zinsen wären doch verheerend gewesen. Es ist schlimm, daß Sie das nicht begreifen wollen und sich den völlig alleinstehenden Irrmeinungen des DIW noch immer anschließen. ({8}) Meine Damen und Herren, Sie sollten sich endlich einmal die Verlautbarungen auch anderer Institute, des Sachverständigenrats und der Bundesbank, anhören. Da sitzen doch einige Landeszentralbankpräsidenten, die aus Ihren Reihen kommen. Holen Sie sich diese doch einmal für ein finanzwirtschaftliches Seminar, Herr Urbaniak. Sie und Ihr Kollege zur Linken können noch dazulernen. ({9}) Denn wenn dieses Modell des vorhin genannten Instituts, Herr Schreier, stimmen würde, dann müßte der Staat seine Ausgabenquote auf 100 % des Bruttosozialprodukts steigern, um Reichtum und Wohlstand dauerhaft zu sichern. ({10}) Das zeigt doch deutlich, wie illusionär und wie falsch das Ganze ist. ({11}) Wenn Sie sich übrigens - die hoffentlich nie eintretenden Folgen - Ihrer Politik, die Sie vorschlagen, vor Augen halten wollten, dann müßten Sie nur in das frühere Sozialparadies Schweden gehen. ({12}) - Hören Sie doch einen Moment zu oder reisen Sie hin! - Obwohl dieses Land seit einiger Zeit intensive Anstrengungen zur Umsteuerung unternimmt, ist dort ein Ausweg der Wirtschafts- und Finanzkrise überhaupt noch nicht sichtbar. In Schweden ist das Bruttosozialprodukt zuletzt um 4 % zurückgegangen. Die schwedische Krone verlor gegenüber den westlichen Währungen 20 % ihres Wertes. Die Arbeitslosigkeit erreicht 12 %, und das Haushaltsdefizit beansprucht trotz erheblicher Sparanstrengungen 15 % des dortigen Sozialprodukts. Wer kann angesichts dieses Beispiels noch behaupten, wir müßten mit der Konsolidierung zuwarten und hätten später noch Zeit zur finanzpolitischen Anpassung? ({13}) Meine Damen und Herren, dieses Sparpaket war in seinen Einzelpunkten kein Dogma. Aber wir haben klargestellt: Am Gesamtbetrag darf es keine nennenswerten Abstriche geben. Dieses Prinzip hat letztlich zu den vorliegenden positiven Beratungsergebnissen geführt. Zu den wenigen Abänderungen am ursprünglichen Konzept gehören vor allem die Beibehaltung der Arbeitnehmersparzulage, die zeitliche Streckung beim Abbau des Schlechtwettergeldes und eine Modifikation bei der Beteiligung der Beschäftigungsstellen an den Kosten des Zivildienstes. Nur, durch diese Modifikationen ist das Sparvolumen nicht abgesenkt worden. Das halte ich für ganz wichtig. Für die Vorschläge des Haushaltsausschusses zum Regierungsentwurf hinsichtlich der Arbeitnehmersparzulage und der zusätzlichen Einsparungen bedanke ich mich. Die Arbeitnehmersparzulage wird zwar weiter gezahlt, soll künftig aber nicht mehr jährlich, sondern in einem Betrag nach Ablauf der Sperrfrist ausgezahlt werden. Zugleich wird der Satz für Anlagen im Produktivkapital mit dem Satz für Bausparanlagen von 10 % vereinheitlicht. Als Ausgleich haben wir die ursprünglich vorgesehene Verlängerung des Schuldzinsenabzugs für den privaten Wohnungsbau wieder fallenlassen. Der hiermit beabsichtigte Effekt, den Bauwilligen in der Startphase eine Kostenentlastung zu verschaffen, wird inzwischen durch das deutlich gesunkene Zinsniveau ebenfalls erreicht. ({14}) - Aber es schadet nicht, wenn Sie es jetzt schon hören. ({15}) Um den Einwendungen der Tarifpartner entgegenzukommen, bleibt das Schlechtwettergeld zunächst noch für drei volle Winterperioden, also bis zum 29. Februar 1996, erhalten. Allerdings wird künftig in den Randperioden November und März kein Schlechtwettergeld mehr gezahlt. Darüber hinaus soll künftig die erste Stunde Schlechtwettergeld pro Tag nicht mehr erstattet werden. ({16}) - Das ist kein Skandal, das ist sachgerecht. Sehen Sie sich doch einmal Schweden an! Wenn in Schweden das Schlechtwettergeld gestrichen worden ist und dort eine ganzjährige Arbeitszeit vereinbart werden konnte, dann kann das in dem sich klimatisch besser stehenden Deutschland auch erfolgen. ({17}) Die Beteiligung der Beschäftigungsstellen an den Kosten des Zivildienstes wird von ursprünglich vorgesehenen 10 DM pro Tag auf 4 DM zurückgenommen. Damit bleibt die wichtige soziale Funktion des Zivildienstes auch in den kommenden Jahren finanziell gesichert. ({18}) Wir sanieren uns nicht zu Lasten von Ländern und Gemeinden. Es ist ja aberwitzig: Beim Föderalen Konsolidierungsprogramm wurde mir von der Seite vorgehalten, ich sei den Ländern gegenüber zu nachgiebig gewesen. Nur, meine Damen und Herren, wenn ich mir mal vorstelle, daß wir vielleicht bei einer längeren Verhandlungsphase 1 oder 2 Milliarden mehr gewonnen hätten, und dem gegenüberstelle, was dann an Schaden für Konjunktur, an Durcheinander, an Entscheidungsbedarf entstanden wäre - und danach mußten wir auf Grund der Konjunktur 18 Milliarden DM mehr für die Bundesanstalt zur Verfügung stellen -, dann glaube ich, daß es richtig war, rechtzeitig den gordischen Knoten durchzuschlagen und zur Einigung zu kommen. ({19}) Nur, mir damals vorzuhalten, da hätten wir noch 1 oder 2 Milliarden DM mehr rausholen können, um mir nun vorzuwerfen, ich hätte Länder und Kommunen jetzt nicht genügend berücksichtigt: Sie müssen sich schon irgendwann einmal überlegen, wo die Linie Ihrer Politik ist. Sie ist so zwiespältig wie Ihre Führungskrisen in der Partei. ({20}) Meine Damen und Herren, im übrigen wissen Sie ganz genau, daß den Mehraufwendungen bei den Gemeinden Entlastungen bei Ländern und Gemeinden - wieder bezogen auf 1994 - von rund 6 Milliarden DM gegenüberstehen. Hier sind auch einmal die Länder gefragt, im Rahmen ihres kommunalen Finanzausgleiches einiges an die Kommunen weiterzugeben. ({21}) Meine Damen und Herren, ich gebe übrigens Herrn Ministerpräsidenten Lafontaine recht, wenn er sinngemäß sagt: Wir brauchen mehr investive Mittel, wir müssen die Konsumlastigkeit unserer Volkswirtschaft einschränken, und wir können nicht mehr an Einkommen verteilen, als vorher durch produktive Leistungen erwirtschaftet wurde. Ich nehme an, Sie bestätigen das ebenfalls. ({22}) Eines ist sicher: Wenn die Wachstumsbedingungen stimmen, kommen Wachstum und Beschäftigung auch wieder in Gang. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzespaket und auch zu den weiteren Entscheidungen, die wir auf dem Wege in eine bessere Zukunft für das wiedervereinigte Deutschland treffen müssen. Ich danke Ihnen. ({23})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken, weil Sie die Zeit nicht voll ausgenutzt haben. Im übrigen möchte ich das Haus darauf aufmerksam machen, daß die namentlichen Abstimmungen in ca. 20 Minuten stattfinden können. Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Adolf Ostertag das Wort. ({0})

Adolf Ostertag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001660, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Programm betreibt diese Koalition nicht nur Etikettenschwindel. Tatsächlich befindet sich die Bundesregierung auf dem Wege in eine andere Republik. ({0}) Denn wer die sozialen Grundlagen dieser Gesellschaft so demoliert, der verabschiedet sich von . unserem Sozialstaat. ({1}) Meine Damen und Herren, dieses Gesetz vertieft die Spaltung zwischen unten und oben und zwischen Ost und West. Damit verabschiedet sich die Regierung von der sozialverträglichen Begleitung des Strukturwandels. Die Bundesregierung greift in die Eigentumsrechte der Arbeitnehmer ein, indem sie die Beiträge der Versicherten zur haushaltspolitischen Manövriermasse degradiert, und die Kommunen werden finanziell stranguliert und zu Agenturen der Armutsverwaltung gemacht. Meine Damen und Herren, Ihre Einsparungen sind überwiegend gar nicht fiskalisch motiviert. Dahinter steckt vielmehr die Ideologie von der Ellbogengesellschaft. Diese Regierung möchte bewußt den Starken und Leistungsfähigen gefallen, die Schwächeren und Leistungsgeminderten drängt sie dagegen weiter an den Rand. Ihnen fehlen künftig 20 Milliarden DM nach diesem Streichkonzept. Die SPD setzt dagegen weiterhin auf eine solidarische Gesellschaft. Dies bedeutet nicht Gleichmacherei, wie Sie uns immer unterstellen, aber Unterstützung für diejenigen, die unverschuldet in Not geraten. Sozialpolitik ist für uns kein x-beliebiges Anhängsel der Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern ein Grundpfeiler unseres demokratischen Staates. ({2}) Nicht nur das Grundgesetz spricht vom Sozialstaat. Er ist auch ein Grundelement einer Sozialen Marktwirtschaft. ({3}) Gerade das Zusammenwirken von Wirtschafts- und Sozialpolitik setzt auch Produktivkräfte frei, wie Sie wissen. Das war bisher unser gemeinsames Erfolgsrezept, trotz politischer Unterschiede. Deutschland als rohstoffarmes Land kann seine internationale Stellung nur bewahren, wenn wir bei der Arbeitsproduktivität weiterhin Spitze sind. Das läßt sich aber nicht allein mit der oberen Hälfte der Gesellschaft erreichen. Die Ausgrenzung großer Gruppen verschärft vielmehr die sozialen Spannungen. Harte Tarifauseinandersetzungen sind durch Ihre Vorhaben vorprogrammiert. Dieses Konzept ist das Gegenteil eines Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms. Es ist vielmehr die Fortsetzung der Demontage des Sozialstaats. Seit 1982 betreibt diese Koalition konsequent und kontinuierlich Sozialabbau und die Verschlechterung von Arbeitnehmerrechten. Die Kahlschläge betrafen die Arbeitsförderung, die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und die Sozialhilfe. Die Einschnitte bei den Arbeitnehmerrechten verschlechterten die Positionen der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Interessenvertretung und die Rechte von Gewerkschaften. Diese Liste der sozialpolitischen Grausamkeiten wird jetzt durch den Lohnraub bei der Feiertagsbezahlung und das jetzt zu beratende Programm verlängert. Dieses Vorgehen, meine Damen und Herren, hat Methode. Millionen Menschen sind ohne Arbeit, Millionen ohne bezahlbare Wohnung. Immer mehr Jugendliche und Alte leben von der Sozialhilfe. Gegen diesen rauhen Alltag setzt z. B. das CDU/ CSU-Grundsatzprogramm, vor wenigen Wochen verabschiedet, den Kontrast von „Eigenvorsorge, Eigenverantwortung und Selbstbeteiligung". Der Staat soll Sozialballast abwerfen. Denn Wohlhabende sollen weiter entlastet werden. Ins gleiche ideologische Horn bläst die F.D.P. Die Staats- und Steuerquote sowie die Spitzensätze für Einkommen- und Körperschaftsteuer sind ihr ebenfalls zu hoch. Sie will die Lohnfortzahlung für Kranke kürzen und die Tarifverträge öffnen, um den Unternehmen zu ermöglichen, die Löhne sofort um 25 % des tariflichen Niveaus zu senken. Der Boden für diese umfassende Umverteilung von unten nach oben und für einen kontinuierlichen Rückzug des Staates aus seiner sozialpolitischen Verantwortung wurde sorgfältig vorbereitet. Die Regierungsparteien und ihre Helfershelfer aus dem Arbeitgeberlager haben in den letzten Monaten eine breite Mißbrauchsdebatte angezettelt. Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose werden als faule „Sozial-Betrüger" gegen die „ehrbaren, fleißigen Steuerzahler" ausgespielt. Arbeitslosigkeit gilt als Randgruppenschicksal, als persönliches Versagen in der Arbeitswelt. Daß jährlich 100 bis 150 Milliarden DM an Steuern hinterzogen werden, scheint in Ihrer Argumentation kaum eine Rolle zu spielen. ({4}) Schon im letzten Jahr haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die tiefen Einschnitte in die Arbeitsförderung mit wachstumspolitischen Zielen begründet. Statt dessen ging es jedoch weiter bergab. Die Ausgaben für Lohnersatzleistungen haben Sie überrollt. Alle zwei Monate mußten Sie die Schätzungen nach unten korrigieren. ({5}) Ich finde es geradezu peinlich, daß der Präsident der EG-Kommission, Jacques Delors, auf die Gefährdung des deutschen Erfolgskonzeptes hinweisen muß, weil Sie selber das nicht merken. Nicht Sparen ist Ihr eigentliches Ziel, sondern die gesellschaftliche Wende. Daß es der Bundesregierung nur vordergründig ums Sparen geht, möchte ich an einigen Beispielen verdeutlichen. Die Begrenzung des Bezugs der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre bedeutet überwiegend eine bloße Verlagerung vom Bund auf die Kommunen, die dann mit der Sozialhilfe einspringen müssen. Für die Betroffenen allerdings bedeutet der Gang zum Sozialamt einen weiteren Abstieg. Sie müssen sich einer erneuten, noch härteren Bedürftigkeitsprüfung unterziehen. Frühere, oft jahrzehntelange Beitragszahlungen spielen dann keine Rolle mehr. Unser Sozialhilfesystem sollte nie Ausfallbürge für hohe Arbeitslosigkeit sein, sondern in individuellen Notlagen helfen. Mit der Massenarbeitslosigkeit sind sowohl die Kommunen als auch speziell die Sozialhilfe überfordert. Ich erinnere an die Aktionen der Städte und Gemeinden, die sich von der Regierung an den Rand ihrer finanziellen Existenz gedrängt sehen. Frau Albowitz hat wohl nicht hingehört, als die Kommunalpolitiker wirklich aller Couleur in den letzten Tagen und Wochen ihre Not beklagt haben. ({6}) Angesichts der riesigen Finanzlöcher können die Länder und Kommunen kaum Ausgleich schaffen. Das wissen Sie so gut wie ich. ({7}) Sie sind ja auch kommunalpolitisch aktiv. Gebührenerhöhungen und Leistungseinschränkungen sind vorprogrammiert. Ein zweites Beispiel sind die völlig unsinnige Kürzung des Unterhaltsgeldes und die Abschaffung der Aufstiegsförderung, beispielsweise zum Meister, sowie die Kürzungen bei den Maßnahmen selbst. Dies ist ausgesprochen mittelstandsfeindlich. Das Unterhaltsgeld beträgt im Durchschnitt 1 250 DM monatlich. Es soll um 100 bzw. 160 DM gekürzt werden. Damit geht der finanzielle Anreiz für die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zurück. Wie läßt sich das eigentlich mit Ihrer Ideologie von der Leistungsgesellschaft vereinbaren? Offensichtlich wollen Sie die Qualifizierung und die bewährten Träger austrocknen; das steckt eigentlich dahinter. Zur Sicherung der Produktivität und zur Bewältigung neuer Herausforderungen brauchen wir aber einen Ausbau der beruflichen Bildung. ({8}) Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Wir müssen unsere Zukunftschancen in einer älter werdenden Gesellschaft schon heute sichern, indem wir Frauen, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den schon länger hier lebenden Ausländern verstärkt Bildungsmaßnahmen anbieten. Ein drittes Beispiel: Mit dem Wegfall des Schlechtwettergeldes will die Bundesregierung angeblich jährlich 900 Millionen DM sparen. Die Streichung würde aber in Zukunft zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahl in der Bauwirtschaft führen. Unter dem Strich würde die neue Regelung durch den Ausfall von Steuern zusammen mit Mindereinnahmen bei den sozialen Sicherungssystemen mehr als die bisherige Regelung kosten. Bis zu 300 000 Bauarbeiter würden in den Wintermonaten entlassen und müßten erhebliche Einkommensverluste hinnehmen. Ihre Absicherung würde damit auf den Stand von vor 1959 zurückfallen. Die Flut der Proteste erzwang jetzt eine zeitliche Verschiebung. Dies ändert allerdings nichts an der arbeitsmarktpolitischen Fehlentscheidung. Meine Damen und Herren, die Beispiele zeigen: Das SKWPG der Regierung ist mehr als Etikettenschwindel. Es verdient nicht seinen Namen. In Wahrheit ist es ein Arbeitslosen- und Armutsförderungsprogramm. ({9}) Bisher konnte mir niemand erklären, warum das Arbeitsförderungsgesetz weiter verstümmelt und demontiert werden soll. Wenn die Instrumente einer aktiven Arbeitsmarktpolitik einen Sinn haben, dann müssen sie jetzt eingesetzt werden; denn die monatlichen Zahlen aus Nürnberg und die Entwicklung des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit beweisen: Nichts kommt teurer als Massenarbeitslosigkeit. ({10}) Durch die vorgesehenen Kürzungen des Arbeitslosengeldes wird das Einkommen eines West-Arbeitslosen von bisher durchschnittlich 1 400 DM künftig um 21 DM bei Arbeitslosen mit mindestens einem Kind und um 63 DM bei den übrigen Arbeitslosen sinken. Für einen Ost-Arbeitslosen ist die Ausgangsbasis 1 045 DM. In was für einer Realität leben Sie eigentlich, daß Sie bei diesen Beträgen von Mißbrauch und sozialer Hängematte reden? ({11}) Die Situation der Arbeitslosenhilfeempfänger würde sich durch die Streichungspläne der Bundesregierung dramatisch verschlechtern. Die Bezugsdauer der Arbeitslosenhilfe im Anschluß an Arbeitslosengeld wird auf zwei Jahre begrenzt. Im Osten würde das jeden Fünften betreffen, im Westen jeden Zweiten. Bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben wir bereits in Ost und West einen dramatischen Rückgang und seit Ende Februar einen Stopp. Im Westen ist die Zahl um 52 % gesunken, im Osten um 45 %. Dennoch soll der Haushalt im nächsten Jahr bei dem ABM-Titel um weitere 1,3 Milliarden DM zurückgefahren werden. Meine Damen und Herren, Deregulierung, aber keine Arbeitsplätze schafft die Bundesregierung, wenn sie die Höchstdauer bei Leiharbeit von sechs auf neun Monate verlängert. Arbeitsmarktpolitisch ist dies Unsinn, denn dadurch werden indirekt verlängerte Probezeiten eingeführt und wird die Möglichkeit, Leiharbeitnehmer einzustellen, erweitert, statt wirklich Stammarbeitsplätze zu schaffen. Im Sommer wurde im Föderalen Konsolidierungsprogramm festgeschrieben: Soziale Regelleistungen werden nicht gekürzt. ({12}) Jetzt werden sie doch gekürzt. Wir meinen: Das ist Wortbruch und - noch viel schlimmer - politischer Vertrauensbruch. ({13}) Die Regierungsverdrossenheit läßt vielmals grüßen. Wir Sozialdemokraten wollen keine weitere Umsetzung des Deregulierungsprogramms. Diese Position galt bei der geplanten Wiedereinführung von Karenztagen oder bei dem gegen unsere Stimmen verabschiedeten „Lohnraubgesetz". Wir sagen nein zur weiteren Umverteilung von unten nach oben, von den Löhnen zu den Gewinnen, zu den Beziehern guter Einkommen. Die Umverteilungspolitik dieser Regierung hat in den Jahren von 1982 bis 1992 dazu geführt, daß die bereinigte Lohnquote wieder auf das Niveau der 60er Jahre zurückgefallen ist. Ich glaube, das sagt genug. Die Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion waren immer geleitet von dem Ziel Vollbeschäftigung. Anscheinend ist das bei Ihnen aus dem Programm getilgt worden. ({14}) Das war so bei unserem Programm „Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren" oder bei unserem Antrag „Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz". Meine Damen und Herren, was diese Bundesregierung gegen unseren Widerstand heute durchsetzen will, gefährdet die Substanz unseres Sozialstaates und den sozialen Frieden. Wenn schon zu Beginn der Debatte hier von Brandstiftern und Zündlern gesprochen wurde: Sie sitzen auf der Regierungsbank. Sie verwechseln offensichtlich Ursache und Wirkung. ({15}) Die Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, daß seit elf Jahren sozial Schwache und die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen besonders belastet werden. Sozialpolitik wurde in den letzten Jahren zum Reparaturbetrieb degradiert, und es wurden ihr ungelöste Probleme der Wirtschafts- und Finanzpolitik zugeordnet. Den Weg in eine andere Republik, die Demontage des Sozialstaates machen wir Sozialdemokraten nicht mit. Deswegen lehnen wir diese Gesetze ab. ({16}) Zu den Einzelanträgen der PDS/Linke Liste möchte ich sagen: Weil wir die Gesetze insgesamt in namentlicher Abstimmung ablehnen werden, betrachten wir die Anträge als überholt. Zum Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich sagen: Wir können feststellen, daß er im Analyseteil bei uns abgeschrieben sein könnte; ihm können wir zustimmen. Dem Forderungsteil stimmen wir mit Ausnahme von drei Positionen ebenfalls zu. Es gibt allerdings bei diesen Positionen noch erheblichen Diskussionsbedarf. Ich möchte die Gruppe insbesondere auffordern, sich künftig bei den Debatten im Ausschuß einzubringen. Dann können wir diese Unstimmigkeiten wirklich bereinigen. Vielen Dank. ({17})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, da mit Ihrer Zustimmung der Kollege Volker Kauder seine Rede zu Protokoll' ) geben wird, kann ich nunmehr dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm, das Wort geben. ({0}) - Ich bitte, die notwendige Ruhe herzustellen und die notwendige pflegliche Behandlung des Ministers zu gewährleisten.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Präsident, ich bedanke mich sehr für die freundliche Hand, die Sie über mir ausgebreitet haben. Meine Damen und Herren, nur wenige Bemerkungen noch einmal zur Klarstellung am Ende dieser Debatte: Nur in Grimms Kinder- und Hausmärchen gibt es den Dukatenesel, nur dort. In der Politik muß jede Mark verdient werden. Das ist der Unterschied zwischen den märchenhaften Vorstellungen der SPD und unserer realistischen Politik. Wir haben den Dukatenesel nicht. ({0}) Deshalb ein paar Bemerkungen am Ende der Debatte, nur zur Erinnerung: Die Sozialausgaben pro Kopf sind seit 1989 um 12 % gestiegen. Das Bruttosozialprodukt ist in der gleichen Zeit pro Kopf um 15 % gesunken. *) Anlage 5 Jetzt, liebe Frau Matthäus, wende ich mich an Sie und Ihren mathematischen Sachverstand als letzte Rettung in diesem Tal der Hoffnungslosen: ({1}) Wie kann man bei sinkendem Bruttosozialprodukt mehr Sozialausgaben finanzieren? Wie kann man bei weniger Geld mehr ausgeben - außer in Gebrüder Grimms Kinder- und Hausmärchen? Mit weniger Geld können Sie eben nicht mehr ausgeben. Dabei muß man sich die Proportionen einmal klarmachen: In unserem Sozialstaat werden 1 000 Milliarden DM an Sozialausgaben ausgegeben. Das ist eine Billion! ({2}) Jetzt kürzen wir um 16 Milliarden DM. Das sind 1,6 %. Das ist schmerzhaft. ({3}) Niemand soll glauben, es würde uns leichtfallen. ({4}) - Herr Präsident! Sie sehen, Ihre Autorität hat bei der SPD etwas gelitten. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, es fällt mir nicht schwer, Ihnen ausnahmsweise beizupflichten. Ich muß jetzt aufpassen. Ich wäre sehr dankbar, wenn die notwendige Ruhe hergestellt würde. ({0})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

16 Milliarden, das ist eine ernsthafte Einsparung. Ich stehe hier nicht mit Erfolgsmeldungen. Aber 1,6 % einzusparen und dann zu sagen, das sei der Kahlschlag, das sind nun wirklich Horrorvorstellungen, mit denen Sie die Realität überhaupt nicht treffen. Wir sind nach wie vor ein Sozialstaat, ({0}) wie es kaum einen zweiten in der Welt gibt. ({1}) Jede dritte Mark wird für Soziales ausgegeben. Lassen Sie mich noch etwas sagen. Es gab darüber ja manche Diskussion, auch in Ihren Reihen. Wir haben die Renten nicht angegriffen. Auch die Rentner im Osten sind von diesen Sparmaßnahmen überhaupt nicht betroffen. Kriegsopfer und Rentner haben wir aus allen Sparnotwendigkeiten herausgehalten. ({2}) Das finde ich auch richtig. Das betrifft eine Generation, die viel mitgemacht hat. Ich denke gerade an die Rentner im Osten, von denen manche zwei Diktaturen und zwei Weltkriege miterlebt haben. Alle haben zwei Diktaturen - Hitler und Honecker - und einen Weltkrieg mitgemacht. Sie haben nicht mehr viel Zeit, das wettzumachen, was das Leben ihnen angetan hat. Deshalb stehen wir zu den Rentnern, und deshalb haben wir die Rentner und die Kriegsopfer aus allen Sparnotwendigkeiten herausgehalten. ({3}) Ich komme jetzt zur aktiven Arbeitsmarktpolitik. Lieber Kollege Ostertag, man kann schon Kritik üben, aber nicht immer die Wiederholung vom Kahlschlag. Wissen Sie, wie hoch unsere arbeitsmarktpolitischen Ausgaben sind? Sie liegen bei weit über 50 Milliarden DM. Sie nennen es Kahlschlag, wenn man weit über 50 Milliarden DM ausgibt! Das ist mehr, als in Ihrer Verantwortung in mehreren Jahren ausgegeben wurde. ({4}) Ich gehe jetzt noch auf das Schlechtwettergeld ein. Auch darüber läßt sich diskutieren. Lieber Gewerkschafter Ostertag, denken Sie nicht, daß es für die Bauarbeiter sinnvoller ist, das ganze Jahr durchzuarbeiten? ({5}) Wir brauchen Winterbauförderung und Jahrestarife, aber nicht das Schlechtwettergeld. Denn bei dem verlieren die Maurer ihr Einkommen: 23 % Einkommensverluste. Jahresdurcharbeiten und Jahresarbeitsentgelte sind für die Maurer und auch für die Arbeitgeber besser. Dabei liegen die Maschinen nicht brach und rosten nicht. Für eine vernünftige Tarifpolitik, die das besser machen kann, geben wir Zeit. ({6}) Nun hat der Kollege Ostertag vom Mißbrauch gesprochen. Ich gehöre nicht zu denen, die alle Sozialleistungsempfänger unter Mißbrauchsverdacht stellen. Das wäre nicht nur ungerecht; man würde auch noch vielen, beispielsweise Arbeitslosen, die unter der Arbeitslosigkeit leiden, einen Makel verpassen. Dennoch kann mich das nicht davon abbringen, zu sagen, daß es auch Mißbrauch gibt. Es muß doch ein Gebot der Solidarität sein, daß man denjenigen, die die Solidarkassen mißbrauchen - das ist nämlich Diebstahl -, zu Leibe rückt. ({7}) Ich möchte noch einmal auf die von Ihnen bekämpften Meldekontrollen aufmerksam machen. Es gab 8 Millionen Meldeaufforderungen. 611 000 sind dieser Meldepflicht gar nicht nachgekommen. Sie sind der Einladung gar nicht gefolgt. Sie waren offenbar nicht von der Not geplagt. ({8}) 611 000 Fälle, das sind 7,6 %, obwohl wir nicht einmal, sondern - wie es der Höflichkeit entspricht - zweimal eingeladen haben. Insofern muß es doch unser gemeinsames Bestreben sein - ({9}) - Ja, ich schütze die Solidarität. ({10}) Ich schütze diejenigen, die fleißig ihren Beitrag zahlen, vor denjenigen, die die Solidarkassen ausnutzen. Das gehört zu meinem Verständnis von Solidarität. ({11}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Sparen ist aus meiner Sicht sozial geboten. ({12}) Sparen wir nicht, steigt die Inflation. Sparen wir nicht, steigt die Arbeitslosigkeit. Der größte Dieb an den kleinen Leuten war immer die Inflation. Der Preissteigerung Widerstand zu leisten ist deshalb eine soziale Politik, bei der die Rentner, die Kriegsopfer und die Arbeitslosen besser geschützt werden als durch eine Politik des Schuldenmachens, die die Preise in die Höhe treibt. Deshalb handeln wir, wenn wir sparen, im Interesse der kleinen Leute. ({13})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Aussprache. Bevor ich zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms, vorliegend auf den Drucksachen 12/5502 und 12/5902, komme, möchte ich dem Haus bekanntgeben, daß zu diesem Gesetzentwurf eine Vielzahl von persönlichen Erklärungen vorliegen, die zu Protokoll genommen werden.*) Ich verzichte darauf, die einzelnen Namen vorzulesen. Ich komme zur Abstimmung. Es liegen zu dem eben genannten Gesetzesvorhaben zwei Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste und ein Änderungsantrag des Abgeordneten Lowack vor. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/5954 abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag bei einigen Stimmenthaltungen in der SPD-Fraktion mit den Stimmen der CDU/ CSU und der F.D.P. sowie den übrigen Stimmen der SPD abgelehnt worden. Wir kommen zum Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/5955. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Änderungsantrag mit der gleichen Mehrheit bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag des Abgeordneten Lowack - ich kann nicht feststellen, ob er im Hause ist - auf Drucksache 12/5951? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann hat bei Enthal- *) Anlagen 6 bis 8 Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg tung der Abgeordneten Ullmann und Weiß das ganze Haus gegen den Antrag des Abgeordneten Lowack gestimmt. Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen den Rest des Hauses in zweiter Lesung angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein. Die SPD verlangt in der dritten Lesung eine namentliche Abstimmung. Das Verfahren ist bekannt. Ich eröffne die Abstimmung. Die nächste namentliche Abstimmung wird sofort nach Beendigung dieser namentlichen Abstimmung erfolgen. Meine Damen und Herren, ich frage, ob sich jemand im Raum befindet, der noch abzustimmen gedenkt. - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Abstimmung geschlossen. Das Ergebnis der Abstimmung werde ich später bekanntgeben'). Meine Damen und Herren, Sie drängen alle darauf, daß es schnell weitergeht. Ich bitte Sie daher, Platz zu nehmen. Nunmehr lasse ich über den Entschließungsantrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/5958 abstimmen. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. abgelehnt worden. Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms. Dieser Gesetzentwurf liegt Ihnen auf den Drucksachen 12/5510 und 12/5903 vor. Auch zu diesem Zweiten Gesetz liegen Änderungsanträge der PDS/Linke Liste vor, zunächst der auf Drucksache 12/5956. Über ihn lasse ich zuerst abstimmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei unterschiedlichem Stimmverhalten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der gleichen Gruppe auf Drucksache 12/5957? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Enthaltungen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt worden. Wir kommen nunmehr zur zweiten Lesung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/CSU *) Seite 15882 C und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS/Linke Liste angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Die SPD hat zur Schlußabstimmung über diesen Gesetzentwurf namentliche Abstimmung verlangt. Das Verfahren ist bekannt. Ich eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich möchte die Abstimmung schließen und frage: Ist jemand im Saale, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Das Ergebnis werde ich später bekanntgeben. *) Ich bitte alle, die an den folgenden Tagesordnungspunkten, bei denen wahrscheinlich alle Reden zu Protokoll gegeben werden, nicht teilnehmen wollen, den Saal zu verlassen, damit fortgefahren werden kann. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 13 auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts ({0}) - Drucksache 12/5888 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Familie und Senioren Ausschuß für Frauen und Jugend Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ottmar Schreiner, Gerd Andres, Angelika Barbe, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes - Drucksache 12/5282 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({2}) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Familie und Senioren Ausschuß für Frauen und Jugend Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Ursprünglich war eine Debattenzeit von einer Stunde vorgesehen. Ich habe aber inzwischen von folgenden Abgeordneten die Bitte, die Reden zu Protokoll zu nehmen: Abgeordneter Karl-Josef Laumann, Abgeordnete Frau Renate Rennebach, Abge- *) Seite 15884 C Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg ordnete Frau Barbara Weiler, Abgeordneter Paul K. Friedhoff und Abgeordnete Frau Petra Bläss. - Der Staatssekretär auch? - Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kraus, im Namen des Hauses bedanke ich mich. * ) Ich unterstelle zunächst einmal, daß das Haus diesem Verfahren, das ja nicht der Geschäftsordnung entspricht, zustimmt. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann darf ich jetzt zur Abstimmung kommen. Interfraktionell wird die Überweisung dieser Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 12/5888 und 12/5282 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Auch damit ist das Haus einverstanden. Dann kann ich den Tagesordnungspunkt 14 aufrufen: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung ({3}) - Drucksache 12/5278 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({4}) Ausschuß für Gesundheit Auch hier liegen mir entsprechende Bitten vor. Die Abgeordnete Susanne Kastner, Staatssekretär Dr. Bertram Wieczorek, der Abgeordnete Steffen Kampeter und der Abgeordnete Dr. Klaus-Dieter Feige geben ihre Reden zu Protokoll,**) wenn das Haus damit einverstanden ist. - Danke sehr. Der Abgeordnete Professor Starnick wollte frei sprechen und hat deshalb seine Rede noch nicht ausformuliert. Er gibt sie später zu Protokoll. **) Dann verfahren wir so, wenn das Haus insgesamt mit diesem Verfahren einverstanden ist. - Das ist offensichtlich der Fall; damit ist so beschlossen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen die Überweisung des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 12/5278 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall, so daß ich die Überweisung als beschlossen feststellen kann. Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ich unterbreche die Sitzung, bis ich die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekanntgeben kann. Die Sitzung ist unterbrochen. ({5}) Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und gebe die von den Schrift- *) Anlage 9 **) Anlage 10 führerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst zum Ergebnis der Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms, 1. SKWPG, Drucksachen 12/5502, 12/5871 und 12/5902: Es wurden 500 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 317 gestimmt, mit Nein haben 176 gestimmt. Enthaltungen: 7. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 500; davon: ja: 317 nein: 176 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Blüm, Norbert Böhm ({6}), Wilfried Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({7}), Wolfgang Bohl, Friedrich Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Büttner ({8}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({9}), Manfred Clemens, Joachim Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Eichhorn, Maria Eppelmann, Rainer Erler ({10}), Wolfgang Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H. Fischer ({11}), Dirk Fockenberg, Winfried Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({12}), Johannes Geis, Norbert Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({13}), Johannes Gibtner, Horst Glos, Michael Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter Gres, Joachim Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Günther ({14}), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ({15}), Gottfried Haschke ({16}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({17}), Otto Hauser ({18}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({19}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({20}), Michael Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kiechle, Ignaz Kittelmann, Peter Klein ({21}), Günter Klein ({22}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({23}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({24}), Volkmar Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({25}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Link ({26}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({27}), Wolfgang Louven, Julius Dr. Luther, Michael Männle, Ursula Magin, Theo Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({28}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({29}), Elmer Müller ({30}), Alfons Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({31}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({32}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich Pfeifer, Anton Dr. Pfennig, Gero Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus Rode ({33}), Helmut Rönsch ({34}), Hannelore Romer, Franz Rossmanith, Kurt J. Roth ({35}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({36}), Helmut Sauer ({37}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schell, Manfred Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({38}), Christian Schmidt ({39}), Andreas Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({40}), Dieter Schulz ({41}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha Vogt ({42}), Wolfgang Dr. Voigt ({43}), Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({44}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({45}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wimmer ({46}), Willy Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({47}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno Zöller, Wolfgang SPD Ewen, Carl F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Dr. Blunk ({48}), Michaela Bredehorn, Günther Cronenberg ({49}), Dieter-Julius Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Genscher, Hans-Dietrich Grüner, Martin Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Dr. Hoth, Sigrid Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({50}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lüder, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Otto ({51}), Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({52}), Manfred Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({53}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({54}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Seiler-Albring, Ursula Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({55}), Wolfgang Wolfgramm ({56}), Torsten Würfel, Uta Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner Nein CDU/CSU Bohlsen, Wilfried Kolbe, Manfred Limbach, Editha Pfeiffer, Angelika Schmidt ({57}), Trudi SPD Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Bindig, Rudolf Bock, Thea Börnsen ({58}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({59}), Hans Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Diller, Karl Dreßler, Rudolf Ebert, Eike Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({60}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ferner, Elke Fischer ({61}), Evelin Fischer ({62}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({63}), Anke Fuchs ({64}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, Iris Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({65}), Karl-Hermann Hacker, Hans-Joachim Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Heyenn, Günther Hiller ({66}), Reinhold Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst Jung ({67}), Volker Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kemper, Hans-Peter Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klose, Hans-Ulrich Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Koltzsch, Rolf Kubatschka, Horst Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lörcher, Christa Lohmann ({68}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({69}), Dieter Mascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({70}), Franz-Josef Dr. Meyer ({71}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({72}), Jutta Neumann ({73}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, Kurt Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({74}), Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, Albert Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reschke, Otto Reuschenbach, Peter W. Scheffler, Siegfried Schily, Otto Schloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidbauer ({75}), Horst Schmidt ({76}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Dr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Simm, Erika Singer, Johannes Steen, Antje-Marie Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Walter ({77}), Ralf Wartenberg ({78}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({79}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({80}), Gert Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Dr. Wieczorek, Norbert Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({81}), Hermann Wohlleben, Verena Zapf, Uta F.D.P. Eimer ({82}), Norbert PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Henn, Bernd Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({83}), Fritz Dr. Seifert, Ilja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Schenk, Christina Schulz ({84}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß ({85}), Konrad Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Dr. Krause ({86}), Rudolf Karl Enthalten CDU/CSU Austermann, Dietrich Carstensen ({87}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Engelmann, Wolfgang F.D.P. Dr. Guttmacher, Karlheinz Lühr, Uwe Dr. Menzel, Bruno Ich gebe jetzt auch das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung bekannt, und zwar über das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - auf den Drucksachen 12/5510, 12/5872 und 12/5903. Diesmal haben 502 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. 322 haben mit Ja gestimmt, 177 mit Nein. Es gab drei Enthaltungen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 499; davon: ja: 321 nein: 175 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Franz Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Blüm, Norbert Böhm ({88}), Wilfried Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({89}), Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Büttner ({90}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({91}), Manfred Carstensen ({92}), Peter Harry Clemens, Joachim Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Erler ({93}), Wolfgang Falk, Ilse Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl H. Fockenberg, Winfried Francke ({94}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({95}), Johannes Geis, Norbert Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({96}), Johannes Gibtner, Horst Glos, Michael Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter Gres, Joachim Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Günther ({97}), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ({98}), Gottfried Haschke ({99}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({100}), Otto Hauser ({101}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({102}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({103}), Michael Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kiechle, Ignaz Kittelmann, Peter Klein ({104}), Günter Klein ({105}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({106}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({107}), Volkmar Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Dr. Krause ({108}), Günther Krause ({109}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Link ({110}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({111}), Wolfgang Louven, Julius Dr. Luther, Michael Männle, Ursula Magin, Theo Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({112}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({113}), Elmar Müller ({114}), Alfons Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({115}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({116}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich Pfeifer, Anton Dr. Pfennig, Gero Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Pützhofen, Dieter Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus Rode ({117}), Helmut Rönsch ({118}), Hannelore Romer, Franz Rossmanith, Kurt J. Roth ({119}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({120}), Helmut Sauer ({121}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Schartz ({122}), Günther Schell, Manfred Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({123}), Christian Schmidt ({124}), Andreas Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({125}), Dieter Schulz ({126}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner H. Sothmann, Bärbel Spranger, Carl-Dieter Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha Vogt ({127}), Wolfgang Dr. Voigt ({128}), Hans-Peter Dr. Vondran, Ruprecht Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({129}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({130}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wimmer ({131}), Willy Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({132}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno Zöller, Wolfgang F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Dr. Blunk ({133}), Michaela Bredehorn, Günther Cronenberg ({134}), Dieter-Julius Eimer ({135}), Norbert Engelhard, Hans A. Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul K. Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Genscher, Hans-Dietrich Grüner, Martin Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Dr. Hoth, Sigrid Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({136}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lüder, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Otto ({137}), Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({138}), Manfred Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({139}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({140}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Seiler-Albring, Ursula Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({141}), Wolfgang Wolfgramm ({142}), Torsten Würfel, Uta Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner Nein CDU/CSU Kolbe, Manfred Limbach, Editha Pfeiffer, Angelika Schmidt ({143}), Trudi SPD Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Bindig, Rudolf Bock, Thea Börnsen ({144}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({145}), Hans Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Diller, Karl Dreßler, Rudolf Ebert, Eike Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({146}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({147}), Evelin Fischer ({148}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({149}), Anke Fuchs ({150}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, Iris Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({151}), Karl-Hermann Hacker, Hans-Joachim Hampel, Manfred Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Heyenn, Günther Hiller ({152}), Reinhold Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst Jung ({153}), Volker Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kemper, Hans-Peter Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klose, Hans-Ulrich Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Koltzsch, Rolf Kubatschka, Horst Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lörcher, Christa Lohmann ({154}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({155}), Dieter Mascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({156}), Franz-Josef Dr. Meyer ({157}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({158}), Jutta Neumann ({159}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Palis, Kurt Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({160}), Horst Dr. Pfaff, Martin Pfuhl, Albert Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reschke, Otto Reuschenbach, Peter W. Scheffler, Siegfried Willy Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Schily, Otto Schloten, Dieter Schluckebier, Günter Schmidbauer ({161}), Horst Schmidt ({162}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Dr. Schuster, R. Werner Schwanhold, Ernst Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Simm, Erika Singer, Johannes Steen, Antje-Marie Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Walter ({163}), Ralf Wartenberg ({164}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({165}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({166}), Gert Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Dr. Wieczorek, Norbert Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({167}), Hermann Wohlleben, Verena Zapf, Uta F.D.P. Dr. Semper, Sigrid PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Henn, Bernd Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({168}), Fritz Dr. Seifert, Ilja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Schenk, Christina Schulz ({169}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Wollenberger, Vera Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Dr. Krause ({170}), Rudolf Karl Enthalten CDU/CSU Dehnel, Wolfgang F.D.P. Lühr, Uwe Dr. Menzel, Bruno Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, 27. Oktober 1993, 13.00 Uhr ein. Ich bedanke mich bei all denjenigen, die bis zum Schluß ausgeharrt haben, und wünsche Ihnen und Ihren Familien ein angenehmes und erholsames Wochenende. ({171}) Die Sitzung ist geschlossen.