Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/18/1993

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Zunächst einmal habe ich Ihnen eine amtliche Mitteilung zu verkünden. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt: 8. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr ({1}) - Drucksachen 12/3701, 12/4231, 12/4595, 12/4898, 12/5152 9. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Elften Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes - Drucksachen 12/4616, 12/4822, 12/5068, 12/5153 10. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Ober die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, und zur Änderung des Handelsvertreterrechts - Drucksachen 12/3908, 12/5170 Bei Zusatzpunkt 3 soll von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen werden. Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Ausschußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 152. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. April 1993 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich auch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden: Gesetzentwurf der Bundesregierung Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes - Drucksache 12/4636 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft ({3}) Rechtsausschuß Ausschuß für Post und Telekommunikation Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Darüber hinaus hat der Ältestenrat vereinbart, daß am Mittwoch, dem 23. Juni, keine Befragung der Bundesregierung und am Donnerstag, dem 24. Juni, keine Fragestunde und keine Aktuelle Stunde stattfinden werden. Ich hoffe, daß Sie alle damit einverstanden sind. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann darf ich dies als beschlossen feststellen. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 7 auf: Wahl des Bundesbeauftragten für den Datenschutz Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 4. Juni 1993 Herrn Dr. Joachim-Wolfgang Jacob für die Wahl zum Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorgeschlagen. Für die Wahl benötigen Sie eine Stimmkarte und einen gelben Wahlausweis. Wie ich sehe, haben viele von Ihnen diese schon; aber es könnte ja sein, daß der eine oder andere noch nicht richtig ausgerüstet ist. Deswegen teile ich Ihnen mit, daß Sie die Stimmkarten im Saal erhalten. Den gelben Wahlausweis, der auch erforderlich ist, müssen Sie sich aus Ihren Schließfächern in der Lobby holen. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt, d. h. mindestens 332 Stimmen erhält. Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Die Wahl ist nicht geheim. Sie können die Stimmkarten deshalb an Ihren Plätzen ankreuzen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, geben Sie bitte Ihren Wahlausweis dem Schriftführer. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis der Teilnahme an der Wahl. Nachdem Sie das nun alles wissen und in sich aufgenommen haben, können wir mit der Wahl beginnen. Ich eröffne die Wahl. - Darf ich die Fraktionsgeschäftsführer fragen, ob sie sich einen Überblick verschafft haben? Haben alle die Stimmkarten abgegeben? - Ich darf die Wahl nunmehr endgültig schließen. Der Wahlgang ist geschlossen. * ) Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich die hier bei uns auf der Besuchertribüne anwesenden amerikanischen Stipendiaten, die sich heute aus Anlaß des *) Ergebnis Seite 14086 A Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 10. Jahrestages der Einrichtung des Parlamentarischen Patenschafts-Programms in Bonn aufhalten, begrüßen. ({4}) Sie werden genauso von uns und von mir hier heute begrüßt, wie der Speaker das heute im Kongreß tun wird. Meine Damen und Herren, das Parlamentarische Patenschafts-Programm, das 1983 gemeinsam vom Deutschen Bundestag und dem amerikanischen Kongreß ins Leben gerufen wurde, hat sich zu einem sehr erfolgreichen und wichtigen Eckpfeiler der deutschamerikanischen Freundschaft und Völkerverständigung entwickelt. Ziel der Gründungsmütter und -väter war es, der jungen Generation die Bedeutung freundschaftlicher Zusammenarbeit, die auf gemeinsamen politischen und kulturellen Wertvorstellungen beruht, auf anschauliche Weise zu vermitteln. Dieses Ziel ist nach wie vor aktuell. In einer Zeit, in der wir uns zunehmend mit Problemen zu beschäftigen haben, die weit über die Grenzen eines Landes hinausreichen, ist es wichtiger denn je, daß die junge Generation unserer Länder ihren Beitrag zum gegenseitigen Kennenlernen und Verstehen und damit zu der zwischen uns bestehenden Freundschaft leistet. Viele haben sich um den Erfolg dieses Programms verdient gemacht. Dank gebührt vor allem den deutschen und amerikanischen Gasteltern, die sich bereit gefunden haben, ein Jahr lang einen zunächst einmal fremden jungen Menschen in ihre Familie aufzunehmen. Zu erwähnen sind hier ferner die vielen ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeiter der Austauschorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks, die für eine gute Betreuung der Teilnehmer gesorgt haben. Es ist mir an dieser Stelle ein ganz besonderes Bedürfnis, unserem Kollegen Börnsen und der Unterkommission einmal ganz herzlich für ihr Engagement zu danken. ({5}) Ich möchte mich jedoch auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen für ihr Engagement als Paten bedanken. Es ist gerade die Patenschaft durch Abgeordnete, die diesem Programm seinen besonderen Charakter verleiht. Ich darf an dieser Stelle aus eigener Erfahrung einfügen, daß es schon ein Gewinn ist, wenn man im Laufe eines Jahres einen solchen Stipendiaten betreut. Ich weiß das auch aus eigener Erfahrung. Ich habe in meiner Familie zweimal einen Stipendiaten gehabt - nicht aus diesem Programm; damit kein Mißverständnis entsteht -, und mein jüngster Sohn ist ein Jahr in einer amerikanischen Familie gewesen, und ich weiß, daß es für die beiden Familien und für die Schüler ein ungeheurer Gewinn gewesen ist. Wenn Sie das als eine Werbung und Empfehlung betrachten, dann haben Sie mich richtig verstanden. ({6}) Aus Anlaß des zehnjährigen Jubiläums des Parlamentarischen Patenschafts-Programmes haben den Deutschen Bundestag mehrere Grußbotschaften amerikanischer Kongreßabgeordneter erreicht. Neben Grußadressen des Vorsitzenden der Congressional Study Group on Germany, Douglas Bereuter, und des Senators Richard Lugar hat der Speaker des Repräsentantenhauses, Thomas Foley, eine Grußbotschaft übermittelt, die ich gern hier verlesen möchte. Der Speaker schreibt: Ich freue mich ganz besonders, diese Erklärung aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens des Parlamentarischen Patenschafts-Programms Deutscher Bundestag/Kongreß der Vereinigten Staaten abzugeben. Das Programm entstand 1983 anläßlich des 300. Jahrestages der Ankunft der ersten deutschen Einwanderer in dem Land, aus dem die Vereinigten Staaten von Amerika später einmal werden sollten, und hat sich seither zu einem wichtigen Bindeglied zwischen unseren beiden Völkern entwickelt. Ich sehe darin ein herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren konnten fast siebentausend junge Menschen aus den USA und Deutschland im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms ein Jahr lang aus erster Hand Erfahrungen in einem anderen Land sammeln. Das Programm bietet allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine hervorragende Gelegenheit, ihren Horizont zu erweitern und sich weiterzuentwickeln. Die positiven Wirkungen des Programms gehen allerdings weit über die von den aktiven Teilnehmern gemachten Erfahrungen hinaus. Die Einsichten, die sie gewinnen, und die Freundschaften, die sie knüpfen, leisten einen wichtigen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis zwischen den USA und Deutschland - und das ist zu unserer aller Vorteil. Das enge Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten ist einer der positivsten Faktoren im internationalen Bereich. Mit seiner Ausrichtung auf junge Menschen trägt das Parlamentarische PatenschaftsProgramm dazu bei, daß auch in Zukunft starke Bande zwischen den USA und Deutschland bestehen. Seit nunmehr einem Jahrzehnt spiegelt das Parlamentarische Patenschafts-Programm die zwischen unseren beiden Ländern bestehende Freundschaft wider und stärkt sie. Es hat sich als ein außerordentlich wertvolles Element bei den vielfältigen Kontakten und Verbindungen zwischen Deutschland und den USA erwiesen. Das zehnjährige Jubiläum des Parlamentarischen Patenschafts-Programms bietet eine willkommene Gelegenheit, den besonderen Wert dieses ausgezeichneten Programms zu würdigen. Möge das Parlamentarische Patenschafts-Programm noch viele Jahre fortbestehen! Mit herzlichen Grüßen Ihr Thomas S. Foley. ({7}) Meine Damen und Herren, Sie haben mit Ihrem Beifall Ihre Zustimmung signalisiert. Ich möchte hoffen, daß demnächst auf der größeren Bühne im neuen Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Plenarsaal bei Gelegenheit recht viele Stipendiaten begrüßt werden können. Ich danke Ihnen. ({8}) Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 8 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({9}) zu dem Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr ({10}) - Drucksachen 12/3701, 12/4231, 12/4595, 12/4898, 12/5152 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Jürgen Warnke Herr Abgeordneter, wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? ({11}) - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 12/5152? -Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen dann zu Zusatzpunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({12}) zu dem Elften Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes - Drucksachen 12/4616, 12/4822, 12/5068, 12/5153 Berichterstattung: Abgeordneter Erwin Marschewski Herr Abgeordneter Marschewski, wünschen Sie das Wort zur Berichterstattung? - Das ist auch nicht der Fall. Dann kommen wir auch hier zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abgestimmt wird. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 12/5153? - Dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Nun rufe ich Zusatzpunkt 10 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, und zur Änderung des Handelsvertreterrechts - Drucksache 12/3908 - ({13}) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({14}) - Drucksache 12/5170 - Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Gres Dr. Eckhart Pick Eine Aussprache ist hier nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -Einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, jetzt sollte ich eigentlich den neuen Bundesdatenschutzbeauftragten beglückwünschen. Aber das kann ich schlecht machen, bevor ich das Wahlergebnis habe. Also rufe ich Tagesordnungspunkt 16 auf: a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Matthias Wissmann, Wilhelm Rawe, Dr. Friedrich-Adolf Jahn ({15}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff, Klaus Beckmann, Paul K. Friedhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. Die Situation der deutschen Textilindustrie - Drucksachen 12/4252, 12/5005 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Wolfgang Roth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sichern, ihren Strukturwandel aktiv begleiten und unterstützen - Drucksache 12/4919 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft ({16}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Frauen und Jugend Zur Großen Anfrage liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine Debattenzeit von einer Stunde vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Auch das ist der Fall. Dann kann ich die Aussprache eröffnen und erteile dem Bundesminister für Wirtschaft, Günter Rexrodt, das Wort. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade heute versammeln sich hier in Bonn viele hundert, vielleicht viele tausend Menschen, um auf die dramatische Situation in der Textil- und Bekleidungsindustrie in unserem Land aufmerksam zu machen. In der Tat ist die Situation dramatisch. In der Textil- und Bekleidungsindustrie sind zwischen 1970 und 1972 rund 500 000 Arbeitsplätze in den alten Bundesländern verlorengegangen. In Ostdeutschland, wo wir eine zumindest nach der Beschäftigtenzahl sehr große Textil- und Bekleidungsindustrie vorgefunden haben, ist die Beschäftigung um rund 80 % zurückgegangen. Dieser Prozeß hat sich weitgehend still, weitgehend ohne Verwerfungen, zumindest ohne öffentliche Diskussionen vollzogen. Nichtsdestoweniger ist er dramatischer und tiefgreifender als die Anpassungsprozesse in der Stahlindustrie oder im Kohlebergbau. Gerade jetzt stehen Textil- und Bekleidungsindustrie wieder vor einem neuen Schub, der zum einen durch strukturelle Ursachen hervorgerufen worden ist und der durch konjunkturelle Ursachen noch verschärft wird. Bevor ich darauf eingehe und einige Rezepte zur Hilfe, zur Abwendung und Linderung vortrage, lassen Sie mich aber auch darauf hinweisen, daß es der Textil- und Bekleidungsindustrie trotz der schwierigen Situation auch gelungen ist, Erfolge aufzuweisen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Textilindustrie hat ihre Ausfuhren von 1970 bis 1992 von 4,3 Milliarden DM auf 21 Milliarden DM steigern können. Das ist eine Verfünffachung. In der Bekleidungsindustrie hat es eine Erhöhung der Exporte von 1 Milliarde DM auf 9 Milliarden DM gegeben. Damit hat die deutsche Textilindustrie die erste Position im weltweiten Export, die Bekleidungsindustrie steht an vierter Stelle. Aber man muß da eine Menge Wasser in den Wein gießen, denn Faktum ist auch, daß sich die Einfuhren von Textil und Bekleidung zwischen 1970 und 1992 versiebenfacht haben, von 8 Milliarden DM auf 56 Milliarden DM gestiegen sind. Für viele einfache und lohnintensive Produkte auch dieser Branche sind wir in Deutschland in der Produktion heute zu teuer geworden. Eine Alternative besteht in weiten Bereichen in der Nischenproduktion. Aber so viele Nischen, um diese Entwicklung in befriedigender Weise im Griff zu behalten, gibt es nicht. Die Textil- und Bekleidungsindustrie mobilisiert jetzt auch wieder alle Kräfte, um aus der Krise herauszukommen. Meine Damen und Herren, was in diesem Industriezweig einzigartig ist, ist der beispielhafte enge Schulterschluß zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern zum Wohle der Betriebe. Nun mahnt die Branche ob ihres engen Schulterschlusses zu Recht an, daß auch der Staat seinen Part zu spielen habe. Wenn der Staat einen Part zu spielen hat, dann hat er ihn bei der Verbesserung der Standortbedingungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie zu spielen. Wir müssen den Standort und die Bedingungen auch und gerade hier, wo die Probleme besonders evident sind, verbessern. Ich möchte nun nicht, meine Damen und Herren, all die Punkte vortragen, die wir angehen müssen, um kurzfristig und mittelfristig Wirkungen zu erzielen. Dies reicht von der Senkung der Steuern über den Umbau der Sozialsysteme und veränderte Genehmigungsverfahren bis hin zu Fragen im Zusammenhang mit der Energie und der Bildung. Ich will mich auf einen Punkt konzentrieren, der aktuell von Bedeutung ist. ({0}) - Ich bin gerade dabei, Herr Kollege. - Es geht darum, daß wir gerade für die Textilindustrie die Maschinenlaufzeiten verändern. Die Textil- und Bekleidungsindustrie kann es sich nicht leisten, die Maschinen abzustellen, wenn in unseren europäischen Nachbarländern und erst recht in Fernost rund um die Uhr produziert wird. ({1}) Es muß möglich sein, auch an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten, wenn dies zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen notwendig ist. Im Interesse unserer Textil- und Bekleidungsindustrie werde ich mich darüber hinaus mit Nachdruck dafür einsetzen, daß Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen gerade in der Europäischen Gemeinschaft und darüber hinaus weltweit abgebaut werden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, der Abgeordnete Professor Jens möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie bereit, dieselbe zu beantworten?

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Ja, gern.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie mir irgendeinen Betrieb in der Textilindustrie nennen, in dem die jetzt geltende und mögliche Maschinenlaufzeit von über 7 000 Stunden pro Jahr ausgeschöpft wird, und meinen Sie allen Ernstes, daß wir am Sonntag wieder arbeiten müssen?

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Ich kenne viele Betriebe - ich verweise da insbesondere auf Beispiele aus meiner Heimatstadt Berlin, wo ich mit diesem Thema über Jahre konfrontiert war -, die dringend Maschinenlaufzeiten auch an Sonn- und Feiertagen brauchen, weil sie ansonsten das investierte Kapital nicht amortisieren können. ({0}) - Herr Jens, wenn Sie gestatten, möchte ich vor dem Deutschen Bundestag nun nicht Namen von Firmen nennen. Sie können sie jederzeit in einem bilateralen Gespräch - Sie können sich darauf berufen, daß ich dies hier coram publico angekündigt habe - von mir erfahren.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Es könnte auch als Werbung ausgelegt werden.

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Es geht auch nicht darum, daß wir Maßnahmen ergreifen, die auf den Tag ausgerichtet sind, sondern es geht darum, daß wir Maßnahmen ergreifen, die es unseren Unternehmen erlauben, so zu planen und zu investieren, daß sie die Investitionen amortisieren können. Dazu gehören Maschinenlaufzeiten auch an Sonn- und Feiertagen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Der Abgeordnete Oostergetelo möchte auch einmal nachfragen.

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Anschließend möchte ich allerdings sehr gerne fortfahren. Bitte schön, Herr Kollege.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben anfänglich den Schulterschluß zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gelobt. Gilt dieser auch für Ihre Feststellung, daß die Maschinenlaufzeiten nun unbedingt auf Sonn- und Feiertage auszudehnen sind? Teilt die Vertretung der Arbeitnehmerschaft diese Auffassung? Oder ist es nicht vielmehr so, daß wir durch Urlaub und Verschiebung von anderen Tagen noch riesige Möglichkeiten haben, die Laufzeiten wirklich auszunutzen?

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, daß auch in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft und bei deren Repräsentanten sehr viel Verständnis dafür besteht, daß an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden kann. Das heißt nicht, daß gearbeitet werden muß. Es ist eine betriebswirtschaftliche Disposition, die möglich sein muß, wenn die konjunkturelle Situation und die individuelle Situation des Unternehmens das erfordert. Ich bin für Flexibilisierung der Arbeit und der Arbeitszeiten. Das - nicht eine Reglementierung, wie Sie sie wünschen - verbessert die Standortbedingungen. ({0}) Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich jetzt fortfahren. Wir müssen und werden uns, um die Verhältnisse in den Griff bekommen zu können, zumindest was die Bedingungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie am Standort Deutschland angeht, mit Nachdruck für den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen in der EG und weltweit einsetzen. Unsere Unternehmen brauchen im übrigen auch ihrerseits den Zugang zu den freien Märkten. Ich habe gesagt, was wir an Exportsteigerungen zu erreichen vermocht haben. Die deutschen Unternehmen haben Instrumente entwickelt, um im internationalen Wettbewerb trotz der starken Konkurrenz und der relativ schlechten Standortbedingungen mithalten zu können. Dies gilt vor allem für den sogenannten passiven Veredelungsverkehr. Ich werde dieses Instrument nicht durch Brüssel, wo es entsprechende Ansätze gibt, entwerten lassen. Wir werden in der Frage der Möglichkeiten der freien Entfaltung des passiven Veredelungsverkehrs nicht nachgeben. ({1}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen, daß die Uruguay-Runde die ein Dauerthema geworden ist, für die Textil- und Bekleidungsindustrie von ganz besonderer Bedeutung ist. Die Uruguay-Runde enthält in einem Verhandlungspaket wichtige Neuerungen. Dazu gehören ein Abkommen über die Verschärfung der Subventionsdisziplin - das ist bereits angeschnitten worden - und Verbesserungen zum Schutz des geistigen Eigentums, d. h. ein stärkerer Schutz vor Markenpiraterie und Raubrittertum bei Modellen und Design. Gerade die kreativen deutschen Unternehmen werden hier zur Zeit mit unlauteren Wettbewerbsmethoden hart angegangen. Ich sage noch einmal: Wir brauchen die Nischenproduktion und die hochwertige Produktion, um bestehen zu können. Zu diesem Verhandlungspaket gehört auch ein Abkommen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Anti-Dumping-Instrumente, um rasch auf unterpreisige Angebote reagieren zu können. Diese Ergebnisse müssen bald realisiert werden. Ich habe den Eindruck, daß wir eine gute Chance in der UruguayRunde haben. Wir müssen uns dabei durchsetzen und sehr intensive Diskussionen auch mit unseren Partnern in der EG führen, speziell mit einem Partner, um die Sache schnell unter Dach und Fach zu bekommen. Meine Damen und Herren, ein besonderes Problem ist die Textil- und Bekleidungsindustrie im Osten Deutschlands. Hier haben 1989 einmal 280 000 Menschen gearbeitet. Wenn es viele sind - wir kennen die Zahlen nicht ganz genau -, sind es heute noch 40 000 bis 50 000. Das ist ein dramatischer Schrumpfungsprozeß. Die Textil- und Bekleidungsindustrie war im Osten Deutschlands so angelegt, daß überwiegend Waren mittlerer Qualität in riesigen Chargen für die Ostblockländer und für den eigenen Bedarf produziert worden sind. Das sind Produktionen gewesen, die nicht mehr durchgehalten werden können. Deshalb gab es diesen Schrumpfungsprozeß. Wir haben uns in der Treuhand bemüht, über eine Politik der sogenannten Leuchtfeuer wichtige Betriebe, auch regional bedeutsame Betriebe, zu erhalten, kleine Betriebsstätten in diese Betriebe zu integrieren und eine moderne, rationelle, effektive Produktion aufzubauen - mit viel Geld, zum Teil mit einer Förderung von 400 000 DM pro Arbeitsplatz -, um die Textilindustrie und die Bekleidungsindustrie in manchen Regionen nicht völlig verschwinden zu lassen. Das ist ein teures Unterfangen, das ist oft hinterfragt und oft kritisiert worden. Wir wollen das im Osten Deutschlands durchhalten. Das ist eine ganz schwere Angelegenheit. Lassen Sie mich mit Blick auf die Zeit nur noch darauf hinweisen, daß die Bundesregierung ein Absatzförderungsprogramm für die Textil- und Bekleidungsindustrie aufgelegt hat, das gut ankommt, und daß wir die Diskussion mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern über die Probleme insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung im internationalen Zusammenhang intensiviert haben. Wir stehen in guten Kontakten; wir kommen voran. Die Probleme dieser Industrie kann die Bundesregierung nur erleichtern helfen, indem wir die Standortbedingungen in Deutschland insgesamt verbessern. Das ist eine Diskussion und das sind Maßnahmen, die uns in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen werden. Die Situation dort ist schwierig. Aber es ist beispielhaft, wie erfolgreich ihre Meisterung auch ob des engen Zusammenschlusses und des Schulterschlusses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorangekommen ist. Die Bundesregierung wird ihren Teil dazu tun, um die Situation zum Besseren zu wenden. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren! Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, habe ich das Vergnügen, Ihnen das Ergebnis der Wahl des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bekanntzugeben. Abgegebene Stimmen: 482. Ungültige Stimmen: 3. Mit Ja haben 459 Abgeordnete gestimmt. ({0}) Mit Nein haben 8 Abgeordnete gestimmt. Es hat 12 Enthaltungen gegeben.*) Damit ist Herr Dr. Joachim-Wolfgang Jacob mit der erforderlichen Mehrheit zum Bundesdatenschutzbeauftragten gewählt worden. Da ich annehme, daß er diese Wahl annimmt, möchte ich ihn, da er auf der Tribüne sitzt, von hier aus sehr herzlich zu dieser Wahl beglückwünschen. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dies das erste Mal ist, daß der Datenschutzbeauftragte vom Parlament gewählt worden ist. Damit wird die hohe Bedeutung des Datenschutzes im demokratischen Rechtsstaat gewürdigt und zugleich, Herr Dr. Jacob, die Bedeutung des Amtes noch höher angesetzt, als das bisher der Fall war. Ich erlaube mir daher, von hier aus nicht nur Glückwünsche auszusprechen, sondern Ihnen vor allen Dingen auch viel Erfolg zu wünschen. ({2}) Meine Damen und Herren, wir können mit der Debatte fortfahren. Die Abgeordnete Frau Wülfing hat nunmehr das Wort.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Stunde Debatte über eine Branche wie die Textil- und Bekleidungsindustrie, die in den letzten 20 Jahren auf ein Drittel ihres früheren Umfangs in den alten Bundesländern *) Namenverzeichnis der Abgeordneten, die an der Wahl teilgenommen haben, ist als Anlage 2 abgedruckt. geschrumpft ist, ist sicherlich nur ein Einstieg. Aber wenn ich die Präsenz hier im Hause so sehe, dann denke ich, daß sich die Partei, die sich für das Soziale und für Arbeitsplätze besonders engagieren sollte, für die Textil- und Bekleidungsindustrie und deren Arbeitsplätze ganz offensichtlich wohl nicht so interessiert. ({0}) - Dann müssen Sie mit mehr Leuten hier ankommen. Die jetzige Debatte ist vor allen Dingen dann ein Einstieg, wenn man bedenkt, eine wie dramatische Entwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie sich auch in den neuen Bundesländern vollzogen hat, wo in gut eineinhalb Jahren immerhin 75 % der Arbeitsplätze in dieser Branche verlorengegangen sind. Die weitgehend mittelständisch strukturierte deutsche Textilindustrie mit ihren 320 000 Beschäftigten ist schließlich immer noch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in unserer Volkswirtschaft. Sie ist bisher eigentlich von der politischen, vor allen Dingen von der wirtschaftspolitischen Öffentlichkeit, nicht so sehr wahrgenommen worden. Sie hat kein Geschrei veranstaltet; sie hat still vor sich hin konsolidiert. Selbst die große gesamtdeutsche Textilkonferenz am 22. März hier in Bonn, an der immerhin 2 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber teilgenommen haben, war den Fernseh- und Rundfunkmedien nicht einmal eine einzige Meldung wert. Ich finde es daher sehr verständlich und auch sehr richtig, daß sich die Branche heute hier in Bonn zu einer gemeinsamen Demonstration zusammengefunden hat. Sie will damit darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um eine Branche handelt, die sich von einer lohnintensiven zu einer hochmodernen und kapitalintensiven Industrie entwickelt hat. Die Neueinrichtung eines Arbeitsplatzes in der Textilindustrie, z. B. in einer Spinnerei, kostet immerhin die horrende Summe von zwei Millionen DM. Worin bestehen nun die Probleme, über die die Demonstranten natürlich auch hier diskutieren werden und auf die aufmerksam gemacht werden soll? Sie bestehen vor allen Dingen im internationalen Wettbewerb, darin, daß, ganz anders als in Deutschland, in anderen Ländern, in den Wettbewerbsländern, Subventionssummen gezahlt werden, so daß es zu Überkapazitäten auf der ganzen Welt kommt und der europäische Markt und vor allen Dingen auch der deutsche Markt mit Billigimporten überschwemmt wird. Es hat mit fairem internationalen Wettbewerb nichts zu tun, wenn Produkte hergestellt werden, die nur deswegen so billig sein können, weil z. B., wie in Pakistan, der Rohstoff Baumwolle an die dort produzierenden Betriebe nicht zu Weltmarktpreisen, sondern zu Schleuderpreisen abgegeben wird. Es hat nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Ländern zu Hungerlöhnen beschäftigt werden, so daß sie nicht einmal in der Lage sind, die Produkte, die sie selber herstellen, zu kaufen, wodurch in dem Land, in dem sie wohnen, ein Markt geschaffen wird. ({1}) Es hat ferner nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, wenn in fast allen Wettbewerbsländern nicht annähernd die Umweltauflagen zu finanzieren sind wie sie hier in Deutschland und auch im EG-Bereich üblich sind. Hinzu kommt die Situation, daß zwar in die EG und nach Deutschland zu vergleichsweise geringen Zöllen importiert werden darf, daß aber unsere Hochqualitätsprodukte aus dem EG-Raum und aus Deutschland mit unmäßig hohen Zöllen in den Wettbewerbsländern belastet sind. Ich kann daher die Forderung der Textil- und Bekleidungsbranche nach Marktöffnung dieser Lieferländer tatsächlich nur unterstützen. ({2}) Der Wirtschaftsminister hat eben schon von Markenpiraterie und Musterklau gesprochen. Auch hier wird es notwendig sein, ein zentrales, einfaches und preiswertes Hinterlegungsverfahren zu schaffen. ({3}) - Genau, das ist nicht so einfach. Frau Skarpelis-Sperk, Sie haben da durchaus sehr recht. Dies ist eine Sache, die nicht national zu regeln ist, sondern auf der EG-Ebene und vor allen Dingen in den GATTVerhandlungen. Dazu möchte ich abschließend betonen - und das ist ganz wichtig -, daß wir hier keinen Protektionismus verlangen. Wir verlangen keine Abschottung des Marktes, sondern die Marktöffnung für unsere hochwertigen Textilprodukte anderswo. ({4}) Außerdem fordern wir selbstverständlich keine Subventionen hier. Wir machen es nicht der Kohle nach, wir machen es nicht den Werften nach, sondern wir fordern den Abbau von Subventionen in anderen Wettbewerbsländern. Das geht natürlich nicht ganz von selbst. Deswegen brauchen wir bei den GATT-Verhandlungen Streitschlichtungsverfahren vor allen Dingen für die Situation der Subventionierung unterhalb der Exportsubventionierungsschwelle. Würden Sie einmal zuhören, Herr Minister? Vielleicht wäre es gut, wenn Sie sich dafür noch mehr als bisher einsetzen würden. Nun will ich nicht verkennen, daß nicht nur Überkapazitäten und unfaire Wettbewerbsbedingungen in anderen Ländern zu Problemen in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie führen, sondern daß natürlich auch die Rahmenbedingungen auf der nationalen Ebene Arbeitsplätze durchaus gefährden können.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, Herr Klejdzinski möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe nur noch sehr wenig Zeit.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Zeit wird Ihnen nicht angerechnet; das braucht keine Hürde zu sein.

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde das gerne in den Wirtschaftsausschuß verschieben. Vielen Dank. Wenn wir nicht auf allen Seiten des Hauses endlich erkennen - da dürfen Sie wieder zuhören, denn ich glaube, das ist auch für die SPD eine ganz interessante Bemerkung -, daß die Erhaltung und die Schaffung von Arbeitsplätzen erste Priorität vor allen anderen politischen Zielen haben muß, dann können wir, glaube ich, auf Dauer die Marke „Made in Germany" und den Standort Deutschland begraben. Leiden müssen darunter vor allen Dingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wenn wir meinen, wir können im Bereich von Steuern, im Bereich von Abgaben, im Bereich von Energiekosten, im Bereich von Umweltauflagen, im Bereich von langen Genehmigungsverfahren für Investitionen weiterhin auf der Welt einsame Spitze sein, dann werden wir die Zukunft unserer Kinder verspielen, meine Damen und Herren. ({0}) Zur Verdeutlichung dieser Tatsache möchte ich nur ein Beispiel aus dem Energiebereich nennen. Da ist auch wieder die SPD angesprochen, die gerade hier in Nordrhein-Westfalen sehr großen Wert darauf legt, daß wir hier Kohle fördern. ({1}) - Vielleicht hören Sie da einmal zu, denn es geht hier um Arbeitsplätze, Herr Klejdzinski, und nicht um Lächerlichkeiten! ({2}) - Wenn Sie das Beispiel aus dem Energiebereich nicht hören wollen, dann gehen Sie hinaus, dann seien Sie aber wenigstens ruhig! ({3}) Polemik können wir in dieser Debatte hier nicht gebrauchen. Ein Beispiel aus dem Energiebereich, das auch für Sie interessant ist: Ein mittelständisches Unternehmen aus der Textilbranche mit ca. 130 Arbeitsplätzen und jährlichen Stromkosten von 1,4 Millionen DM bezahlt für die Stromrechnung in Deutschland 500 000 DM - das sind eine halbe Million - mehr im Jahr als in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich, in Italien und in den Niederlanden. Dieser Mehrkostenbetrag entspricht immerhin den Lohnkosten von 10 Arbeitsplätzen im Jahr. Dieses Beispiel macht deutlich, daß wir in den laufenden Energiekonsensgesprächen in Deutschland diesen Aspekt noch mehr ansprechen müssen. Da darf ich die SPD wirklich bitten, nicht nur in Ruhe zuzuhören, sondern uns auch zu folgen, wenn wir darüber reden, daß die Energiekosten als solche ein Aspekt in den Energiekonsensgesprächen sein müssen. Es kann hier nicht nur darum gehen, daß wir Umweltauflagen für die energieerzeugenden Unternehmen erfinden. Es kann nicht nur darum gehen, daß wir langwierige Genehmigungsverfahren für den Bau von Energieerzeugungsanlagen haben. Es muß hier auch einmal um den Aspekt gehen: Energiekosten sind Kosten, die die Unternehmen sehr belasten. ({4}) Ich erzähle das denjenigen, die z. B. in den Ländern dafür zuständig sind, was beispielsweise auch mit der Kohle passiert. ({5}) - Wir sind jetzt in einer Textildebatte. Wenn wir hier eine Kohledebatte durchführen, werden wir ebenfalls wieder erscheinen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren! Die Zwischenrufe können das Salz in der Suppe einer Debatte sein; aber sie können die Debatte auch versalzen, wenn Sie zuviel Gebrauch davon machen. Ich möchte Sie bitten, sich doch ein bißchen zu mäßigen. ({0})

Elke Wülfing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002567, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich keime doch Ihre Zwischenfragen, Herr Klejdzinski. Ich lege keinen großen Wert darauf. Wir haben uns in diesem Lande lange Zeit auch auf Grund der guten Konjunkturlage Steckenpferde geleistet, meine Damen und Herren, von denen wir endlich einmal wieder heruntersteigen müssen. Die Überlebensstrategie für den Wirtschaftsstandort Deutschland und auch für die Textil- und Bekleidungsbranche kann nicht heißen: still vor sich hinsterben, sondern sie muß heißen: laut und deutlich, mutig und selbstbewußt die Probleme ansprechen und lösen. Unsere Aufgabe ist es - damit appelliere ich an alle -, Wettbewerbsbedingungen für deutsche Arbeitsplätze zu schaffen, die auf Dauer im internationalen Vergleich Bestand haben. Dieses haben wir heute hier in einem Entschließungsantrag gefordert, zu dem ich um Ihre Zustimmung bitte. Vielen Dank. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren! Kleine, unangenehme Pannen passieren nun einmal, und soweit sie leicht zu reparieren sind, sind sie sicher keine Katastrophe. Ich will eine solche hier jetzt reparieren. Es ist mir nämlich entgangen - ich habe es unterlassen, ich bedaure das außerordentlich -, dem Vorgänger von Herrn Jacob, Herrn Einwag, sehr, sehr herzlich für seine Aktivitäten zu danken. Er hat diesen Dank ganz besonders verdient. Ich hoffe, daß ich in dieser Form, wie ich es nachgeholt habe, den Schaden repariert habe. ({0}) Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Dr. Skarpelis-Sperk das Wort.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie - da sind wir uns einig - befindet sich in einer dramatischen Lage. Für den größten Teil dieser Industrie mit etwa 330 000 Beschäftigten steht mittlerweile die Existenzfrage an. Auf die Arbeitsplatzverluste wurde bereits hingewiesen. Die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie, einmal mit über 300 000 Beschäftigten ein bedeutender und exportstarker Faktor, ist weitgehend ausradiert. 90 % aller Arbeitsplätze wurden in nur drei Jahren vernichtet. Nur 35 000 Arbeitsplätze von einmal 300 000 sind geblieben. Fürwahr eine Horrorbilanz! Deswegen ist es gut, daß eine Debatte über die Lage der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie und die Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Hause endlich stattfindet. Allzulange wurden ihre Probleme in der öffentlichen Diskussion übergangen, obwohl die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie mehr Menschen beschäftigt als die deutsche Stahlindustrie. ({0}) Es spielt sicher eine Rolle, daß die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie mittelständisch strukturiert und regional nicht stark konzentriert ist, wie z. B. Kohle, Stahl und Werften. 3 600 Betriebsstätten in wichtigen Regionen Nordrhein-Westfalens, Baden-Württembergs, Sachsens und Bayerns leiden und sterben eben weniger spektakulär als große Standorte. Aber vielleicht spielt im öffentlichen Bewußtsein auch eine Rolle, daß es überwiegend Frauenarbeitsplätze sind, die hier auf dem Spiel stehen. 215 000 Frauen arbeiten in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie stellen 50 % der Beschäftigten in der Textilindustrie und 80 % der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie. Es ist empörend und unerträglich; aber der Verlust von Frauenarbeitsplätzen wird auch in der deutschen Öffentlichkeit weniger wichtig genommen. Frauen als industrielle Reservearmee - auch in diesem Jahrzehnt im vereinigten Deutschland kein überzogenes Schlagwort, sondern bittere Realität. Deswegen ist es gut, wenn heute Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam in Bonn demonstrieren und auf die Probleme und die Gründe für die existenziell bedrohliche Lage der Betroffenen aufmerksam machen. ({1}) Ich freue mich über die heutige Debatte, die allerdings nur ein Anfang, wenn auch ein wichtiger, ist. Bei den Ausschußberatungen im Wirtschaftsausschuß und in einer Anhörung im September, auf die sich die Fraktionen geeinigt haben, wird es hoffentlich zu einer intensiveren Diskussion über die Probleme und über die Abhilfemaßnahmen und auch zu einer größeren Gemeinsamkeit kommen. Es scheint, daß wir uns in der Beurteilung des Ernstes der Lage in diesem Hause einig sind, aber in der Frage der Ursachen und vor allem in der Frage der Maßnahmen, die dringend geboten und angemessen sind, offensichtlich weit weniger. Herr Minister, ich teile Ihre Ursachenanalyse in dieser Frage nicht. ({2}) Wir sehen die Gründe in vier Ursachenkomplexen: erstens in den Währungsschwankungen bzw. -abwertungen der letzten Monate gerade in der EG, aber auch in den völlig verzerrten Währungsparitäten gegenüber Osteuropa und den GUS-Nachfolgestaaten ({3}) dazu hätte ich mir von Ihnen, Herr Minister, ein paar Worte gewünscht; denn dies berührt nicht nur die deutsche Textilindustrie, sondern den größten Teil der deutschen Exportindustrie generell; darüber müssen wir nachdenken -, zweitens in den Wettbewerbsverzerrungen auf Grund des Sozialdumpings wichtiger Konkurrenten auf den europäischen und internationalen Märkten, drittens in den Wettbewerbsverzerrungen auf Grund des Ökodumpings vieler Konkurrenten und viertens in den Wettbewerbsverzerrungen auf Grund massiver staatlicher Subventionierung von Textilexporten von immer mehr Staaten. ({4}) - Mir müssen Sie nicht erzählen, daß das etwas ganz Neues ist. Reden wir einmal darüber, was man konkret dagegen tun kann. ({5}) - Wir brauchen uns doch nicht zu beschimpfen. Hier geht es darum, ob wir die Antworten, die die Bundesregierung gegeben hat, für befriedigend halten. Darüber wollen wir in diesem Hause reden. ({6}) Zunächst zum Thema Währungsschwankungen: Wir haben über einen langen Zeitraum eine systematische Aufwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar und anderen wichtigen Währungen gehabt. Das ist nichts Neues. Unsere Industrien haben darauf mit massiven Rationalisierungsmaßnahmen, mit Produktinnovationen, mit Verbesserungen in Einkauf und Marketing - um nur ein paar Dinge zu nennen - reagiert und haben vieles davon abgefangen und sogar hervorragend bewältigt. Aber die Abwertungen der letzten Monate von 17 bis 30 % bei wichtigen Handelspartnern wie Großbritannien, Spanien und Italien haben nicht nur die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie, sondern auch andere, wie z. B. den deutschen Maschinenbau und die Stahlindustrie, ins Mark getroffen. Bei Umsatzrenditen von 2 % sind derart massive Änderungen von Währungsparitäten kein zu akzeptierender Mechanismus auf den internationalen Güter-, Kapital- und Geldmärkten. ({7}) Herr Minister, dies ist in einer schweren Weltrezession eine beggar-my-neighbour-policy auch von befreundeten EG-Regierungen, die so nicht mehr länger hinnehmbar ist. ({8}) Was haben die Währungsrelationen gegenüber den meisten osteuropäischen Ländern und den GUS-Nachfolgestaaten noch mit Kaufkraftparitäten, Produktionskosten oder sonstigen denkbaren Faktoren, mit denen man die Angemessenheit von Währungsrelationen vergleicht, zu tun? Nichts, aber auch gar nichts mehr. Man muß auch darüber reden, ob man eine neue Arbeitsteilung in Europa auf diesen Phantasiepreisen von Währungen begründen kann. Diese Relationen sind Ausdruck von Chaos und Ausbeutung, von Währungsspekulation und zum Teil Korruption im Gefolge des Zusammenbruchs des Comecon und des historisch neuen, nicht dagewesenen Transformationsprozesses von der Kommandowirtschaft zur Marktwirtschaft. Mit marktwirtschaftlichen Verhältnissen haben diese Relationen nahezu nichts zu tun. ({9}) Auf solche wildwüchsigen, irrationalen Prozesse neue Strukturen der Arbeitsteilung zu diesen Ländern gründen zu wollen ist ein wirtschaftliches Hasardspiel, das auf Kosten Hunderttausender Arbeitsplätze in Deutschland geht, nicht nur in der Textil- und Bekleidungsindustrie. In diesem Hause und in den zuständigen Ausschüssen steht eine fundierte Debatte darüber aus, ob wir nicht besser kalkulierbare Wechselkurse brauchen, und ob wir nicht in Teilbereichen dieser Welt zu Systemen fixer Wechselkurse zurückkehren sollen, dies auch im Verhältnis zu Osteuropa. Wenn wir das nicht kurzfristig ändern können, dann muß man auch über Einfuhrquoten reden. Denn die Kosten dieser Staaten in Höhe von 10 % unserer Produktionskosten haben mit den Realitäten dieser Welt nichts gemein. Aber zu diesen Problemen schweigt sich die Bundesregierung aus, auch in ihrer Antwort auf die Große Anfrage, die die Kollegen gestellt haben. Statt dessen wird wieder einmal das Thema Maschinenlaufzeiten und Bürokratie angesprochen. Herrschaften, ich denke, Sie sind an der Regierung und können das Thema Bürokratie endlich einmal angehen und praktikable Vorschläge unterbreiten. ({10}) Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wo sind denn Ihre konkreten Vorschläge? Schaufensterreden auf die14090 sem Gebiet halten, das können wir alle; dazu sind wir geübt genug. ({11}) - Ich habe gesagt: wir alle. Aber wo sind denn die konkreten Vorschläge? Das ist doch die Frage. ({12}) Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir halten natürlich das Thema Produktionskosten am Standort Deutschland für zentral, nicht nur in der Textilindustrie. ({13}) Wir begrüßen auch, daß der Bundesforschungsminister über die Produktion des 21. Jahrhunderts und darüber, wie die Fabriken aussehen werden, nachdenken läßt. Zentrale Fragen dazu sind, wie man das umsetzt und einen Prozeß in Gang setzt. Produkt- und Prozeßinnovation in allen Branchen, neue Modelle der Arbeitsorganisation, verbesserte Managementstrukturen, Qualifizierung, verbesserte Motivation, das sind Dinge, über die wir mit Ihnen reden sollten. Statt dessen sprechen Sie über Maschinenlaufzeiten. Bei diesem Thema haben Sie schlicht ein glattes Eigentor geschossen. Einer Graphik des Industrieverbandes Gesamtmetall habe ich entnommen, daß Deutschland mit 6 334 Stunden in der Tat die niedrigsten Maschinenlaufzeiten in der EG vorzuweisen hat. Nach der Gesetzeslage und den Tarifverträgen in diesem Bereich wäre es aber möglich, 7 200 Stunden - übrigens auch am Samstag - zu arbeiten. Im Schnitt werden von den Betrieben der gesamten Textilindustrie 866 Stunden Maschinenlaufzeiten nicht genutzt. Ich kann deswegen, Herr Minister, nur empfehlen, zuerst einmal die Reserve von 866 denkbaren Maschinenlaufzeitstunden praktisch zu nutzen, bevor wir in offensichtlich überflüssige Revisionsdebatten einsteigen. ({14}) Das zweite: Wir sehen einen großen Handlungsbedarf auch bei Wettbewerbsverzerrungen durch Sozialdumping. Sozialdumping ist eine knappe und technokratische Vokabel. Aber wieviel Elend, wieviel Hunger, wieviel unerträgliche Arbeitsbedingungen, wieviel Sklavenarbeit und wieviel früher Tod verbergen sich dahinter? Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt weltweit ab. Das einzige, was massiv zunimmt, ist Kinderarbeit, vom zartesten Alter an. Wer die erschütternden Bilder, die müden Augen in den schmalen, erschöpften Gesichtchen kleiner Kinder in Ziegeleien, in Baumwollspinnereien, beim Teppichknüpfen und beim Umgang mit giftigen Chemikalien, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in den Fabriken an Männern und Frauen gesehen hat, sieht: Das alles nimmt nicht ab, das nimmt weltweit zu. Wer einmal diese Bilder dieser an Leib und Seele geschundenen Kinder gesehen hat, den verfolgten sie in den Schlaf hinein. Ich bin fest überzeugt, daß das für alle Seiten in diesem Haus gilt. Aber was tun wir dagegen? - Beten und hoffen darauf, daß Manchester-Kapitalismus und Sklaverei im Verlauf der industriellen Entwicklung von selbst verschwinden, reicht doch wohl nicht aus. Es genügt auch nicht, wenn Bundesaußenminister Kinkel in Wien erklärt, man sei gegen Menschenrechtsverletzungen. Man kann auch nicht - wie es die Antwort der Bundesregierung tut - sagen: Wir sind für Deklarationen in der ILO und in der UNO. Die einzige Maßnahme, die etwas Aussicht auf eine Verbesserung der Lage bringt, ist, dieses schandbare Verhalten nicht auch noch finanziell zu belohnen. ({15}) Wenn beispielsweise Pakistan in neugegründeten Freihandelszonen für Exportfirmen die Beachtung der eigenen Arbeitsgesetzgebung für Firmen, die mehr als 80 % exportieren, aufhebt, dann muß es im Rahmen des GATT, im Rahmen von Einfuhrquoten und im Rahmen von Zöllen auch Ahndungsmöglichkeiten geben können. Alles andere ist ein Freibrief für Kinderarbeit und Sklaverei. ({16}) Lassen Sie uns auch einmal darüber reden, was man konkret tun kann. Man darf nämlich Sozialdumping und übrigens auch Ökodumping nicht nur beklagen, sondern muß sich auch überlegen, was man dagegen tut. ({17}) - Nein, Frau Kollegin Wülfing. Ich finde, man sollte lieber miteinander als übereinander reden. Das ist besser, als Zwischenrufe zu machen. Zum Ökodumping: Wir haben bisher das Verursacherprinzip im eigenen Land noch nicht durchsetzen können, und das ist ein wichtiges Prinzip. In anderen Ländern gilt dieses Prinzip nicht. Umweltauflagen, soweit sie existieren, werden entweder überhaupt nicht beachtet, oder die Kosten der Abwasserreinigung oder der Luftverschmutzung werden vom Staat getragen. Dadurch entsteht natürlich ein Trend zur Auslagerung von Fabrikationsstätten in andere Länder. Aber wir sind uns wohl einig, daß es weltweit kein Erfolg ist, wenn die Umwelt anderswo und nicht in Deutschland vergiftet wird. In der Luft, im Wasser, in der Nahrungskette, in unserer Kleidung kehrt das ja zurück. Deshalb ist es wichtig, daß wir als Maßnahme für einen gesundheitlichen und umweltbezogenen Verbraucherschutz bei Textil und Bekleidung die Forderung nach der Kennzeichnungspflicht nicht nur als Belastung des Handels und der Industrie, sondern auch als eine strategische Chance gerade für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie sehen, als Chance für innovative deutsche Textil- und Bekleidungsprodukte. Hier könnten sich nämlich auf den heimischen Märkten und anderswo neue Absatzfelder auftun, wenn die Konsumenten entscheiden könnten, ob sie mit dem Bekleidungsstück, das sie kaufen, ein gesundheitlich verträgliches Produkt tragen, statt nicht zu wissen, was sie sich da an den Leib tun. ({18}) Unbefriedigend sind auch die Aussagen der Bundesregierung zu den weltweiten Wettbewerbsverzerrungen. Die ganzen Antworten sind für mich ein Dokument von Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit. Sie schreiben zwar, daß Sie das alles beklagen, aber was, um Gottes willen, tun Sie denn? Thema illegale Einfuhren: Welche Sanktionen, welche Straftaten verhängt wurden, davon ist nichts zu lesen. ({19}) - Entschuldigen Sie, man muß sich doch als Bundesregierung nicht jedesmal hinter der EG-Kommission verstecken. ({20}) Wir wissen doch auch, daß bei den GATT-Verhandlungen die EG-Kommission bei vielen Dingen sagt: Wenn die Deutschen und Großbritannien uns da mehr unterstützen würden, könnten wir im GATT anders verhandeln. Spielen wir hier denn miteinander Versteck, statt offen miteinander zu reden?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete Dr. Skarpelis-Sperk, Sie reden jetzt auf Kosten der Redezeit Ihres Fraktionskollegen Müller. Sie ersparen sich viel Ärger, wenn Sie jetzt langsam zum Schluß kommen. ({0})

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich werde ich das tun, obwohl ich mir mit dem Kollegen Müller so einig bin, daß ich von ihm keinen Ärger, sondern höchstens einen strafenden Blick kriege. ({0}) Antidumping, Beihilfendschungel, Marktzugang: Zu dem, was Sie uns da aufgeschrieben haben, kann ich nur sagen: Es ist ja schön, daß auch Sie dafür sind, etwas zu ändern, aber wo sind die konkreten Maßnahmen, wo sind die Sanktionen, die verlangt worden sind, wo sind die Beispiele dafür, was Sie in Brüssel getan haben, was haben Sie gegen den Beihilfendschungel unternommen? Ich gehöre diesem Hause seit zwölf Jahren an, und in dieser Zeit habe ich auf keinem anderen wirtschaftspolitischen Gebiet soviel Kreativität und Phantasie erlebt wie beim Betrügen im Beihilfendschungel in Europa. Deswegen müssen wir gemeinsam überlegen, was wir tun, und nicht nur sagen: Auch ich bin dagegen. Herr Minister, das ist schlicht und einfach zu wenig. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Klaus Beckmann das Wort. ({0})

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Textilindustrie spielt in der deutschen Volkswirtschaft noch immer eine bedeutende Rolle. Doch auch an ihr ist in den vergangenen Jahrzehnten der zunehmende internationale Wettbewerbsdruck nicht spurlos vorübergegangen. Die Textilindustrie hat in den alten wie in den neuen Bundesländern einen Strukturwandel durchgemacht, der in einigen Regionen zu drastischen Einschnitten geführt hat. Die Nagelprobe des strukturellen Umbruchs wurde bislang aus eigener Kraft erfolgreich bestanden. Dafür gilt allen Beteiligten Anerkennung. Die Talsohle ist aber - das ist hier schon betont worden - noch nicht durchschritten. Die momentane Rezession trägt dazu bei, daß die Absatzschwierigkeiten der Textilindustrie zur Zeit größer sind, als sie auf Grund struktureller Probleme sein müßten. In den alten Bundesländern hat sich der Stellenabbau beschleunigt, in den neuen Bundesländern ist der Beschäftigungsstand in dieser Branche in einem Jahr auf ein Viertel zusammengeschrumpft. Die Auswirkungen für das Land Sachsen und das Vogtland beispielsweise sind zum Teil dramatisch. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der dafür spräche, daß es in Deutschland keine industrielle Textilproduktion geben sollte. Da gilt es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Arbeitsplätze in dieser Branche sichern helfen und die den Produzenten profitables Arbeiten erlauben. Ansatzpunkte hierfür ergeben sich in zweierlei Hinsicht: Einerseits muß die Standortqualität Deutschlands aufgewertet werden, andererseits muß internationalen Wettbewerbsverzerrungen mit Entschiedenheit entgegengewirkt werden. Hierzu ist von meinen Vorrednerinnen ja schon einiges gesagt worden. Wenn ich von der Verbesserung der Qualität des Standorts Deutschland spreche, so gilt dies in besonderem Maße - aber nicht nur - für die Textilindustrie. Es geht dabei vor allen Dingen um die Beseitigung hausgemachter Probleme, die die deutsche Wirtschaft insgesamt lähmen und wirtschaftliche Initiative und Innovation oft im Keim zu ersticken drohen. Die Abgabenbelastung der Unternehmen muß zurückgefahren, bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut werden. Vorschriften über die Arbeitszeit und die Maschinenlaufzeiten müssen bei fortschreitender Technologie flexibler gestaltet werden. - Da kann ich nur das unterstreichen, was der Bundeswirtschaftsminister eingangs hier ausgeführt hat. - Nur so, meine Damen und Herren, kann eine wirksame Verbesserung der Rahmenbedingungen bewirkt werden. Das Beispiel der Textilindustrie sollte allen Verantwortlichen hierfür die Augen öffnen. Es ist notwendig, endlich einzusehen, daß Deutschland es sich nicht weiterhin leisten kann, die kürzesten Maschinenlaufzeiten der Welt zu haben. ({0}) Es wäre auch töricht, die Krise der Textilindustrie nur als sektorales Problem oder gar nur als vorübergehende Schwäche zu sehen, der mit Subventionen kurzfristig begegnet werden könnte. Meine Damen und Herren, der internationale Wettbewerb wird här14092 ter, und ohne eine aktive Standortpolitik wird die Textilindustrie bald nur noch eine von vielen Branchen sein, die um ihr Überleben kämpft. Natürlich hat die deutsche Textilindustrie auch im besonderen Maße unter den Verzerrungen im internationalen Wettbewerb zu leiden. Fehlgesteuerte Entwicklungen sind in dieser Hinsicht innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu beobachten. So ist das RETEX-Programm der EG alles andere als ein glanzvolles Beispiel für verantwortungsvolle Industriepolitik. Es beinhaltet die Vergabe von Erhaltungssubventionen, die allenfalls falsche Erwartungen nähren, nicht aber die notwendige Strukturanpassung fördern. Es kann hier auch nur erneut auf die Notwendigkeit einer EG-weiten Harmonisierung von Umweltauflagen hingewiesen werden. Ein gemeinsamer Binnenmarkt, so wie wir ihn uns alle wünschen, muß faire Bedingungen auch für Wettbewerber aus Deutschland bieten. Zur Verbesserung des weltweiten Handels wäre es deshalb wünschenswert, mit einem baldigen Abschluß der GATTVerhandlungen die Exportbedingungen für deutsche Produkte zu verbessern. Viele Lieferländer versperren heute noch den Zugang zu ihren eigenen Märkten, in denen deutsche Textilprodukte mit ihrem qualitativen Vorsprung gute Chancen hätten. Der Schutz geistigen Eigentums muß international durchsetzbar und auch effektiver gestaltet werden, ebenso wie Dumping mit wirkungsvollen Mitteln bekämpft werden muß. Auf einem anderen Blatt, meine Damen und Herren, steht, daß die deutsche Textilindustrie mit ihren hohen Lohnkosten niemals mit solchen Ländern konkurrieren kann, in denen etwa Gefangenen- und Kinderarbeit an der Tagesordnung ist. ({1}) Wenn wir nun einerseits eine Liberalisierung des Welthandels fordern, um deutsche Absatzchancen zu verbessern, können wir andererseits nicht unsere heimische Industrie mit einer verstärkten Abschottung des eigenen Marktes schützen wollen. Natürlich müssen Umgehungen und Verstöße gegen existierende Einfuhrquoten bekämpft und auch geahndet werden. Dies wird jedoch nur mit einer verbesserten personellen, rechtlichen und auch finanziellen Ausstattung der Zollabfertigungs- und Zollfahndungsstellen gelingen können. Mittel- und langfristig muß die Zielsetzung jedoch die der Anhebung oder Aufhebung der Quoten sein. Wenn wir es ernst meinen mit einer Entwicklungspolitik, die sich nicht in Lebensmittelspenden erschöpft, und wenn wir die ehemaligen Ostblockstaaten als gleichberechtigte Partner im Welthandel ansehen, müssen wir diesen Ländern auch die Chance geben, sich am deutschen Markt zu behaupten. Meine Damen und Herren, bei allen Anstrengungen um die Verbesserung des Standorts Deutschland und um den Abbau internationaler Wettbewerbsverzerrungen ist der Strukturwandel in der deutschen Textilindustrie noch nicht abgeschlossen. Ersatzarbeitsplätze werden aber unter verbesserten wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen leichter zu finden sein. Eine Öffnung der Märkte erleichtert das Eingehen von Kooperationen und das Tätigen von Investitionen in Mittel- und Osteuropa. Auf der Grundlage des Entschließungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. kann die Bundesregierung die Initiative ergreifen, damit Deutschland weiterhin einen Standort für eine Textilindustrie mit attraktiven Arbeits- und Ausbildungsplätzen bieten kann. Vielen Dank. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Fritz Schumann das Wort. Dr. Fritz Schumann ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschäftigungsabbau in der Textil- und Bekleidungsindustrie der alten Bundesländer hat sich nicht nur im vergangenen Jahrzehnt, sondern vor allem im vergangenen Jahr dramatisch beschleunigt. In den neuen Bundesländern ist nur ein erschreckend kleiner Bruchteil von Arbeitsplätzen und Kapazität übriggeblieben. Das haben alle Vorredner hier sicher genauso gesehen. Die PDS/Linke Liste begrüßt den hier von der SPD vorgelegten Antrag „Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sichern, ihren Strukturwandel aktiv begleiten und unterstützen" . Wir sind der Auffassung, daß ein Ausweg aus dieser Strukturkrise nicht allein in Maßnahmen gegen andere Produzentenländer gefunden werden kann. Meine volle Unterstützung haben aber alle Formen der Bekämpfung und Einschränkung von Sozial- und Ökodumping, wie Frau Kollegin Dr. Skarpelis-Sperk hier dargelegt hat. Wir meinen aber auch, daß dem Umbau der Produktion im Lande eine ganz entscheidende Bedeutung zukommt. Wenn die Situation in der Textil- und Bekleidungsindustrie gegenwärtig auch besonders dramatisch ist, so ist sie doch in anderen Branchen zumindest ähnlich. Es fällt nur nicht so auf. Nach den gesellschaftspolitischen Vorstellungen unserer Gruppe darf es nicht länger Aufgabe der Wirtschaftspolitik sein, nur die Wettbewerbsbedingungen zu wahren, nach denen sich der Untergang von Branchen und die massenhafte Entlassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vollziehen. Die sozialen Mißstände, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Arbeitslosigkeit erwachsen, sollten nicht dem einzelnen aufgebürdet werden, und die Kosten der Arbeitslosigkeit sollten nicht weiter passiv den öffentlichen Haushalten und den Steuerzahlern aufgebürdet werden. Nach unserer Auffassung ist es erforderlich, der Arbeit einen gebührenden Platz in der Gesellschaft einzuräumen. Dazu ist eben notwendig, über den Wert von Arbeitsplätzen für die Gesellschaft und in den einzelnen Regionen Klarheit zu gewinnen und auch deutlich zu machen, was es kostet, Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Dr. Fritz Schumann ({2}) Das Ergebnis kann nach unserer Auffassung nur dazu führen, die vorhandene Arbeit gerecht zu verteilen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten zur Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme auch wirklich einzusetzen und damit die Voraussetzungen zu schaffen, daß sie ihre Existenz durch eigene Arbeit sichern können. Einen Weg zur Verringerung der Massenarbeitslosigkeit sehen wir darin, die vorhandene Arbeit gerechter zu verteilen. Warum sollte nicht gerade in der Textil- und Bekleidungsindustrie mit viel körperlich schwerer Arbeit und physisch außerordentlich belastenden Arbeitsplätzen ein weiterer Schritt zur Arbeitszeitverkürzung getan werden? Die vorhandene Arbeit würde mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz sichern, und die physische Belastung des einzelnen könnte gesenkt werden. Für eine funktionierende wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern ist ein verarbeitendes Gewerbe unabdingbar. Darüber sind wir uns sicher einig. Dabei ist nach unserer Auffassung ein mittelständischer Kernbereich an Textil- und Bekleidungsunternehmen unabdingbar. Ein wichtiger Faktor ist darüber hinaus die Konzentration der bisherigen Unternehmen auf strukturschwache Gebiete in der Oberlausitz und im Vogtland. Eine besondere sozialpolitische Verantwortung gewinnt die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Textilindustrie noch dadurch, daß weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, denen in der Realität weniger Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen als ihren männlichen Kollegen. Das ist sicher auch der Grund dafür, warum es so wenig auffällt, daß dieser Bruch vonstatten gegangen ist. Aus diesem Grund zählen wir die Textil- und Bekleidungsindustrie in Sachsen, Brandenburg, Berlin und Thüringen zu den industriellen Kernen, die erneuert werden sollten. Dazu hat es ja gerade gestern hier eine breite Debatte gegeben. Speziell zur Unterstützung der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie halten wir folgende Maßnahmen - ich darf das hier nur kurz anreißen - für besonders geeignet: konkrete Regelungen für den Bezug von ostdeutschen Anbietern bei öffentlichen Ausschreibungen festzulegen und ihre Einhaltung zu garantieren, aber auch zu kontrollieren; ein konkretes Absatzförderprogramm für die ostdeutschen Produkte in die Tat umzusetzen; befristete Arbeitsplatzzuschüsse zu gewähren, die eine Umstrukturierung der Produktion ermöglichen; die vorhanden Förderprogramme sinnvoll miteinander zu koordinieren - ich denke hier insbesondere an den Einsatz von GAMitteln und einer Reihe anderer Mittel. Erste Ansätze dazu gibt es, aber sie reichen unserer Meinung nach auf keinen Fall aus, auch was die Beziehungen zu Treuhandunternehmen anlangt -; Vorteile durch eine Zusammenarbeit mit polnischen und anderen osteuropäischen Partnerländern auszuschöpfen. Zum einen könnten die jeweiligen spezifischen Vorteile genutzt werden, zum anderen hat der osteuropäische Markt einen riesigen Bedarf an Textilien und Bekleidung sowie an Erneuerung und Modernisierung von Fertigungsstätten. Danke schön. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Hörster, es bleibt bei der vorgesehenen Reihenfolge? ({0}) - Dann erteile ich jetzt dem Abgeordneten Pützhofen das Wort.

Dieter Pützhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001759, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über dieser Debatte, die wir hier führen, müßte eigentlich die Überschrift stehen: Haben wir in absehbarer Zeit in unserem Land überhaupt noch die Textilindustrie? Das ist hier die zentrale Frage. Einige von Ihnen werden sagen, so dramatisch kann es ja wohl nicht sein. - Meine Damen und Herren, wenn Sie mit den betroffenen Firmen reden, erfahren Sie sehr schnell: Es ist so dramatisch. Im Großraum Krefeld, Mönchengladbach, am linken Niederrhein, hat die Textilindustrie in den letzten drei Jahrzehnten über 70 000 Arbeitsplätze verloren, und wir haben soeben vom Minister gehört, daß es in der Bundesrepublik zur Zeit noch genauso aussieht. Wir hatten im vergangenen Jahr einen Beschäftigungsabbau von über 10 %. Ein gigantischer Umstrukturierungsprozeß war und ist in der Textilindustrie im Gange, bei dem aber in Deutschland noch immer Hunderttausende von Menschen in Arbeit sind, und zwar in hochqualifizierter Arbeit. Das sind hochmotivierte und kenntnisreiche Fachleute. Meine Damen und Herren, Verlust von 70 000 Arbeitsplätzen im Großraum einer mittleren Großstadt. In anderen Branchen - daran möchte ich einmal erinnern - kommen wegen erheblich geringerer Zahlen bereits Sperrungen von Rheinbrücken zustande, kommt es zu Mahnwachen, zu permanenter Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen, zu Sonderdebatten im Bundestag und zu Gottesdiensten in den Kirchen. Hier fährt seit Jahrzehnten ein großer Wirtschaftszweig in den Beschäftigungszahlen bergab. Und keinen bewegt das? - Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Ort ist oft und laut genug gemahnt worden; aber eine mittelständisch strukturierte Branche leidet eben anders - offensichtlich stiller - als die Montanindustrie, als Werften, als Bergbau und als die Landwirtschaft. Sie hat wohl - darin stimme ich meinen Vorrednern zu - offensichtlich keine entsprechende Lobby, wie sie die Großindustrie hat. Dabei ist die Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland mit noch 320 000 Beschäftigten und mit einem Umsatz von ungefähr 40 Milliarden DM im Jahre 1992 einer der großen Wirtschaftsfaktoren. Aber sie ist bislang ohne jede Subvention ausgekommen. Diese staatliche Abstinenz hat sich übrigens in einer gewissen Hinsicht durchaus als segensreich erwiesen, wie die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein einmal bestätigt hat. Während sich die subventionierten Bereiche - Kohle, Werften und Landwirtschaft - bis heute von einer Krise zur nächsten schleppen, hat die Textilin14094 dustrie einen innovativen Schub erlebt, der sich an den Umsatzzahlen der Beschäftigten und an der Qualität der Produkte bemerkbar macht, was Sie, verehrter Herr Präsident, unschwer an Ihrer Krawatte erkennen können, die, wenn sie gut ist, aus Krefeld stammt und, wenn sie weniger gut ist, wahrscheinlich aus dem Ausland importiert worden ist. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Pützhofen, Sie wissen ja, daß wir große Probleme haben, für Standorte und einzelne Betriebe zu werben. Für den Kauf meiner Krawatten ist Gott sei Dank meine Frau zuständig. ({0})

Dieter Pützhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001759, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir werden das Gespräch mit Ihrer Frau führen. Es ist also nicht die unzureichende Leistungsfähigkeit der Unternehmen, die die heutige Diskussion notwendig macht. Die Ursache liegt im wesentlichen in kostentreibenden, produktionsbehindernden Auflagen, einem wettbewerbsverzerrenden Subventionsmechanismus anderer Länder und - auch das muß gesagt werden, Frau Kollegin Skarpelis-Sperk - in der Unterschreitung von sozialen Mindeststandards in bestimmten Ländern. Es wurde deshalb höchste Zeit für diese Anfrage, für Folgeanträge und eine intensive Hinwendung zu den Problemen der deutschen Textilindustrie. Es ist gut, zu hören, Frau Kollegin Skarpelis, daß sich die SPD darüber freut, diese Diskussion auf Grund einer Anfrage der Regierungskoalition führen zu können. ({0}) Die Hinwendung gilt übrigens für alle politischen Ebenen, vom Europäischen Parlament bis hin zu den Kommunen, die - unbedarft oder böswillig - über Abwassergebühren und „sonstige Feinheiten" den Betrieben das Leben schwermachen. Die Forderungen der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, an die Politik formuliert in der Textilkonferenz hier in Bonn, sind kein utopischer Katalog, sondern eine Grundlage für die nackte Existenzsicherung. Herr Präsident, ich möchte in meiner reichlich bemessenen Redezeit auf zwei Punkte eingehen: erstens auf die krassen Wettbewerbsverzerrungen in der EG auf Grund unterschiedlicher Umweltschutzanforderungen. Die Textilindustrie stört ja nicht die gesetzliche Auflage an sich, sondern das äußerst unterschiedliche Tempo von der Verwirklichung von Umweltschutzmaßnahmen in anderen Ländern, insbesondere der EG. ({1}) Es stört sie die Akribie, mit der bei uns die Maßnahmen durchgesetzt werden - im Gegensatz zu dem Laisser-faire anderer Lander getreu dem Witz, den man sich in der EG erzählt: Umweltschutzgesetze sind Gesetze, die in Frankreich diskutiert, in Italien im Amtsblatt veröffentlicht und in Deutschland praktiziert werden. ({2}) Insbesondere den Textilausrüstem wird so in Kürze der Standort Deutschland unmöglich gemacht. Wenn die Textilausrüster fortgehen, folgt die Textilindustrie, und ihr folgt der Textilmaschinenbau. Zweitens nenne ich die Wettbewerbsverzerrungen durch die Subventionspolitik der EG. - Herr Präsident, die rote Lampe hier ist schrecklich. ({3}) In Sardinien wird mit Regionalmitteln der EG der Aufbau von Baumwollspinnereien subventioniert, obwohl in Europa und weltweit Überkapazitäten herrschen. Ich hätte eigentlich dem Herrn Minister hier und heute morgen gerne gesagt, daß wir von ihm erwarten, daß er sich für ein Verbot eines solchen Unsinns ausspricht. Etwas anderes entspricht nicht dem, was er uns als Antwort auf unsere Anfrage gegeben hat. ({4}) Meine Damen und Herren, Schweden hat vor Jahren in einem Anfall von Liberalisierung ganz auf die Textilindustrie verzichtet. Als Schweden keine heimische Textilindustrie mehr hatte, gingen die Lieferpreise drastisch in die Höhe. Heute versucht Schweden verzweifelt - und vergeblich! -, die Textilindustrie wieder aufzubauen. Das wird nie mehr gelingen, wenn eine Branche einmal kaputt ist. Die deutsche Textilindustrie braucht deshalb jetzt dringend politischen Flankenschutz. Herzlichen Dank. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Pützhofen, Sie sind nicht der einzige, der mit dem roten Licht Probleme hat, und sicher auch nicht der letzte, der damit Probleme haben wird. Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Christian Müller ({0}) das Wort.

Christian Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat wahrhaftig einen sehr ernsten Hintergrund; denn die schwierige Situation in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie betrifft trotz völlig anderer Verläufe in den Schrumpfungs- und Strukturänderungsprozessen ost- und westdeutsche Unternehmen zumindest in der nächsten Zeit in ähnlicher Weise. Ich will auch annehmen, daß wir hinsichtlich der gesamten Problemlage nicht allzuweit auseinanderstehen, und gründe darauf meine Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag am Ende zustimmen werden. Die vorliegenden Antworten auf die Große Anfrage und der bereits vorangegangene Teil dieser Debatte haben jedenfalls die Situation deutlich umrissen. Ich muß dies nicht noch einmal tun. Die Verantwortlichen in der Textilindustrie, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, richten folglich - zu Recht - mit dem Verweis auf den Christian Müller ({0}) uns vorliegenden Zehn-Punkte-Katalog, der auf der deutschen Textil- und Bekleidungskonferenz am 22. März hier in Bonn beschlossen wurde, ihre Forderungen an uns. Dies ist ein klarer Auftrag für die Regierung, sich in den internationalen Verhandlungen mit Nachdruck einzusetzen und alles Vernünftige zu unternehmen, uni möglichst viele der verbliebenen Arbeitsplätze in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zu sichern, ihren Strukturwandel aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Aus regionaler Sicht gibt es allerdings noch einige bedenkenswerte Besonderheiten. Die unmittelbare Nachbarschaft von Niedriglohngebieten führt derzeit in Bayern - in Hof ebenso wie weiter südlich - zum Verlust von Arbeitsplätzen durch Abwanderung. Dieser Vorgang ist für ehemalige Zonenrandgebiete besonders schmerzlich. Allerdings kann dies wohl nicht verhindert, aber mit dem Ziel eines begleitenden Strukturwandels hin zu zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen verträglich gestaltet werden. Dies ist nachdrücklich zu fordern. Noch düsterer zeigt sich bekanntlich das Bild der Textil- und Bekleidungsindustrie im Erzgebirge, im Vogtland, in der Lausitz, in Ostdeutschland schlechthin. Ich habe extra noch einmal nachgeschlagen: Es gab 1989 laut Statistischem Jahrbuch in der Tat 320 000 Textil- und Bekleidungsarbeitsplätze in Ostdeutschland. Ich erwähne es absichtlich: Davon waren 250 000 Frauenarbeitsplätze. Die Zahl der möglicherweise verbleibenden Arbeitsplätze wurde hier von meinen Vorrednern schon erwähnt: seien es 30 000, seien es 35 000 Arbeitsplätze. Dies ist, gemessen an den sonst üblichen Zeiträumen, in denen Strukturänderungen ablaufen, wohl wirklich eine Katastrophe. Hat sie jeder wahrgenommen? Allein in der relativ kleinen Oberlausitz kann dies an der Zahl von 5 000 verbliebenen Arbeitsplätzen von einstmals 30 000 festgemacht werden. Zu befürchten ist, daß auch dies nur eine Momentaufnahme ist. Die Zukunft der noch in Treuhandbesitz befindlichen Unternehmen wird deutlich davon abhängen, welchen Verlauf und Erfolg aktive Sanierungsmaßnahmen haben werden. Auch sanierungsfähige ostdeutsche Bekleidungs- oder Textilunternehmen sind industrielle Kerne und benötigen Zeit, um eine Chance zu haben, wettbewerbsfähig zu werden. ({1}) Anzumerken verbleibt, daß sich die ostdeutschen Unternehmen trotz aller Ähnlichkeiten in der gesamtdeutschen Problemlage einem radikalen Preiskampf mit den westdeutschen Unternehmen ausgesetzt sehen, der ohne zusätzliche Hilfen kaum zu verkraften ist, und daß es trotz des an sich sehr vernünftigen Absatzförderungsprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums noch immer Benachteiligungen auf Messen gibt. Meine Damen und Herren, es gibt beispielsweise in der Oberlausitz nach jüngsten Recherchen der Betriebsräte kaum noch einen Ausbildungsplatz. Damit besteht die Gefahr, daß die Traditionsindustrie dieser Region auch aus diesem Grunde nur noch ein Museumsexponat sein könnte. Bedenken Sie außerdem, daß sich die Lebenshaltungskosten von denen im Westen kaum noch unterscheiden, so daß eigentlich ein schneller Lohnanpassungsprozeß erforderlich wäre, der aber wegen der Umsatz- und Investitionslage nicht getragen werden kann. Die Summe dieser schwerwiegenden Probleme ist jedenfalls für mich der Anlaß, an dieser Stelle die Regierung aufzufordern, zusätzlich auch die Bereitstellung zeitlich begrenzter, degressiv gestalteter Lohnkostenzuschüsse in Erwägung zu ziehen, deren Gewährung an die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen gebunden sein könnte. So etwas soll es schon gegeben haben. ({2}) Dies könnte in dieser schwierigen Lage vielleicht eine wirkliche Hilfe für die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie sein. Vielen Dank. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Reichenbach, Sie haben das Wort.

Klaus Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vieles gesagt worden; ich möchte das nicht wiederholen. Deswegen komme ich ganz konkret zu den Gründen, warum die deutsche Textilindustrie zwar leiden muß, aber die ostdeutsche Textilindustrie aber sogar vor einer Katastrophe steht und wie sie in diese Katastrophe geraten konnte. Zur Verdeutlichung: Die ostdeutsche Textilindustrie hatte in der DDR eine Akkumulationsrate, die nur gestattet hat, zum Großteil alte Maschinen hoch zu bewerten und dann weiter zu betreiben. Wir hatten ein Produktivitätsniveau, was in keiner Weise mit dem westlichen Standard vergleichbar war. Die Kombinatsbildung hatte für die Textilindustrie eine inflexible, unproduktive Produktionsstruktur zur Folge, die völlig ungeeignet ist, modische Sachen zu produzieren, auf Marktänderungen schnell zu reagieren. Die Preisbildung auf dem Weltmarkt wurde durch DDR-Preise, durch Umwertung in Valuta völlig verdorben. Wir haben dort eine D-Mark oder eine Valuta-Mark mit 4,65 DDR-Mark berechnet. Die schlechten Rohstoffe haben uns zu einer schlechten Qualität unserer Produkte in der damaligen DDR geführt. Last, not least: eine Planwirtschaft nach dem Modell von Günter Mittag war nur an Mengen orientiert und hat die Qualitätsarbeit völlig kaputtgemacht. ({0}) - Nicht Götting, sondern Mittag. Mittag war für die DDR-Wirtschaftspolitik zuständig, liebe Kollegin. Falls Sie das nicht wissen sollten, müssen Sie es nachlesen. Ich möchte ganz deutlich sagen: Nach der Wende war die Textilindustrie mit einem Male einer internationalen Konkurrenz schutzlos ausgeliefert. Der nachfolgende Zusammenbruch, der sich in der westdeutschen Textilindustrie von 1970 bis 1992 hinzog, hat sich in den neuen Bundesländern in anderthalb bis zwei Jahren abgespielt. Es ist noch viel dramatischer, denn im Prinzip sind nur noch 10 bis 15 % dieser ehemaligen Textilindustrie übrig geblieben. Ich komme aus Chemnitz und habe bis 1988 in der Textilindustrie gearbeitet. Für mich ist es erschütternd, daß die Frauen, die mit Abstand die härteste Arbeit leisten mußten, jetzt dafür belohnt werden, indem sie im Prinzip keine Arbeit mehr haben, obwohl sie gern arbeiten würden. ({1}) Aus diesem Grunde ist es dringend notwendig, daß Bundesregierung, die Landesregierungen und auch die Tarifparteien gemeinsam überlegen, wie der Textilindustrie in Deutschland geholfen werden kann. Verschiedene Punkte sind bereits genannt worden; ich möchte sie nicht wiederholen. Die Strukturveränderung in der Textilindustrie bedeutet aber auch, daß wir bedenken sollten: Es gibt für den Textilstandort Deutschland wahrscheinlich auf Dauer nur noch für hochinnovative, technologisch ausgestattete und hochproduktive - also für teure - Arbeitsplätze eine Chance. Lohnintensive Produktionen, gerade in der Konfektionsindustrie, werden auf Dauer ausgelagert. Die Konkurrenz ist ganz in der Nähe: In der Tschechei wird für 1 DM pro Stunde gearbeitet, in Deutschland zwischen 8 und 12 DM pro Stunde. Dieses wird zu Arbeitsplatzveränderungen führen, die wir in der Textilindustrie angehen und akzeptieren müssen. Deswegen bin ich dafür, die Kooperationsleistungen lohnintensiver Betriebe nach Osteuropa zu verlegen, um damit gleichzeitig eine Doppelwirkung zu erreichen: Nämlich zum einen unsere Kostenstruktur zu entlasten und zum anderen in Osteuropa beizutragen, daß sich dort ein Markt entwickelt, mit dem wir auch handeln können. Wir sollten auf unseren Gebieten auch viel intensiver die Möglichkeit der Forschung und der Innovation der Textilindustrie nutzen. Ich glaube, da sind Reserven vorhanden. Lassen Sie mich zum Schluß auf einen Brief vom 24. Mai 1993 vom Verband der Norddeutschen Textilindustrie verweisen, dessen wichtigste Forderungen ich hier voll unterstützen möchte: Die Rahmenbedingungen müssen weiter für die neuen Bundesländer zur Industriestandortsicherung verbessert werden. Zum Ausgleich vorhandener Standortnachteile müßten zusätzliche Lösungen gefunden werden. Das Modell der Wertschöpfungspräferenz ist dafür im Prinzip hervorzuheben. Privatisierung und Reprivatisierung noch vorhandener Treuhandunternehmen sind weiter zu forcieren und zu unterstützen. Die Treuhandanstalt müßte MPO- und MPI-Interessenten durch günstigere Konditionen gewinnabhängige Kaufpreiszahlungen gewähren. Die Altschulden sind als betriebsfremde Schulden vom Staat zu tragen. Reprivatisierer sind den Privatisierern gleichzusetzen. Das Entschädigungsgesetz darf in der Textilindustrie nicht dazu führen, daß Reprivatisierer mit Entschädigungsleistungen in den Entschädigungsfonds zahlen müssen. ({2}) Die Unternehmen müssen auch wirksame Unterstützungen bei Bildung von Eigenkapital - das ist eine ganz dringende Aufgabe - und bei der Aufnahme von Fremdkapital erhalten. Das betrifft Reprivatisierer sowie MPO-, MPI-Unternehmen und auch Privatisierer in den neuen Bundesländern. Es darf nicht mehr sein, daß Banken bei Unternehmen mit größerer Risikobereitschaft den bis dreifachen Betrag der üblichen Sicherheiten gegenüber den westlichen Bundesländern verlangen. ({3}) Der einzubringende Eigenkapitalbetrag sollte gesenkt werden, und die vorhandenen Förderprogramme müssen besser genutzt werden und vor allen Dingen effektiver gestaltet sein. Die Länderregierungen müssen noch wirksamer mit Landesbürgschaftsprogrammen dafür die Unterstützung leisten. Für sanierungsfähige Treuhandunternehmen muß alles getan werden, damit ihr Überleben gesichert wird. Es muß eine aktive Sanierungsbegleitung in dieser Richtung geben. ({4}) Dabei ist zu gewährleisten, daß den Unternehmen eine vertretbare Zeitschiene eingeräumt wird, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Es darf nicht so sein, daß überlebensfähige Betriebe von Liquidatoren beseitigt werden. ({5}) Die ursprüngliche Vereinbarung von Breuel und Schommer, speziell für Sachsen, muß auch auf die anderen Ostländer übertragen werden. Die Förderinstrumente von der Landesregierung für die Treuhand sollten schnellstens in Gang gesetzt werden. Die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Textilindustrie in den neuen Bundesländern muß sich wesentlich verbessern. Das möchte ich ganz deutlich betonen. Die Zusagen, die Unternehmen geleistet haben für die Listung von entsprechenden Erzeugnissen aus den neuen Bundesländern müssen auch endlich wirksam eingefordert werden. ({6})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit schon deutlich überschritten ist.

Klaus Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluß. Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, daß die Bundesregierung für die betroffenen neuen Länder - Thüringen, Brandenburg und Sachsen Klaus Reichenbach die Aufnahme in das Retex-Programm der EG vollzieht. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie daran erinnern: Die Textilindustrie ist nicht nur Arbeitgeber, die Textilindustrie ist ein deutsches Kulturgut, das sich jetzt in einer gefährdeten Situation befindet. Helfen Sie mit, daß die deutsche Kultur auch im Textilbereich in Deutschland für unsere weiteren Generationen erhalten bleibt. Ich danke Ihnen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 12/5154. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung des restlichen Hauses angenommen. Der Ältestenrat, meine Damen und Herren, schlägt Ihnen vor, die Überweisung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/4919 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden, oder gibt es weitere Vorschläge? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes - Drucksache 12/5145 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit ({0}) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung EG-Ausschuß Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von einer Stunde vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlich der Fall. Ich erteile zunächst dem Abgeordneten Dr. Hans-Peter Voigt das Wort.

Dr. Hans Peter Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002387, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte über die erste Novellierung des Gentechnikgesetzes lohnt es sich, auf die verschiedenen Stufen zurückzublicken, die wir im Zuge eines Technikfolgenabschätzungsprozesses mit der Regierung bzw. mit dem Parlament in den letzten Jahren gegangen sind. Über die Erlassung von ZKBSRichtlinien, die Einsetzung einer Enquete-Kommission bis hin zu der Verabschiedung der verschiedenen Gesetze, die aus dem Bericht der Enquete-Kommission abgeleitet worden sind, ist ein sehr kontinuierlicher Weg gegangen worden, der aufzeigt, wie verantwortlich das Parlament mit der Gentechnik und mit der Regelung der Anwendung umgegangen ist. Wir kommen heute zu einer Novellierung des Gentechnikgesetzes, das wir vor einigen Jahren verabschiedet haben. Wir wissen, daß aus den betroffenen Häusern ein großes Engagement für eine Novellierung des Gentechnikgesetzes da ist. Der Minister für Forschung und Technologie, Paul Krüger, hat mir vor einigen Tagen noch einmal ausdrücklich gesagt, daß er großen Wert darauf legt, daß wir im Interesse der Weiterentwicklung unserer Wissenschaft zu einer Novellierung kommen. Wir alle wissen durch die Vorarbeiten für dieses Gesetz und durch die Erweiterung dieses Gesetzes, mit welchem Engagement der Minister für Gesundheit, Herr Seehofer, diese Problematik aufgegriffen hat ({0}) und sie im Interesse unserer Politik weitergeführt hat. Es ist ein schwieriges Feld. Ich glaube, daß die weitere Betreuung der Gentechnik im Hause von Herrn Seehofer richtig angesiedelt ist und mit hoher Sensibilität für die unterschiedlichen Fragen behandelt wird. Herzlichen Dank, daß Sie so schnell unsere Wünsche, die wir im November vorgetragen haben, umgesetzt haben. ({1}) Es hat hier in diesem Hause immer eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung über diese Fragen gegeben. Ich spreche da ganz bewußt auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD an. Wenn wir nicht gemeinsam alle diese Fragen aufgegriffen und zu einer Lösung geführt hätten, dann wären wir heute noch nicht so weit. Das wissen wir. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür. Wir können hier zwar Gesetze beschließen, wenn diese dann aber nicht die Akzeptanz in der Bevölkerung finden, dann werden diese Gesetze auch nicht den Erfolg haben, den wir uns davon versprechen. Das wiederum ist nur möglich, wenn wir auch in den wichtigen Fragen mit der Opposition, in diesem Fall mit der SPD, zusammenarbeiten. Ich hoffe, daß dies auch bei der Beratung dieser Novellierung der Fall sein wird. Die Signale sind sehr gut. Ich denke, wir werden bis Ende des Jahres zu einem sehr positiven Ergebnis kommen. Lassen Sie mich aber vorab, bevor ich auf das Gesetz noch etwas näher eingehe, einige Bemerkungen zu der Fundamentalopposition, die es ja auch gibt, machen. ({2}) Sie ist trotz der intensiven Beratung, trotz der Sensibilität, die alle Politiker entwickelt haben, nach wie vor da und belastet uns in der öffentlichen Diskussion; einfach aus folgendem Grunde, weil gerade die Medien diese wenigen, abnehmenden Stimmen ern14098 Dr. Hans-Peter Voigt ({3}) ster nehmen als die ernsthafte Auseinandersetzung, die wir hier führen. ({4}) Der Philosoph und Aphoristiker Lichtenberg hat einmal geschrieben, daß sich der Mensch dadurch vom Tier unterscheide, daß er mit Absicht schielen könne. ({5}) Eine weitere Teilantwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht darin, daß sich der Mensch von allen anderen Lebewesen dadurch unterscheidet, daß er Phantasie entwickeln kann. Es ist diese ausschweifende Phantasie, die die Gentechnik mit Szenarien ausgestattet hat. Alles Denkbare wird gedacht. Das Wichtigste an dieser Feststellung ist jedoch, daß der Schritt vom Denkbaren zum Machbaren oft sehr groß, manchmal unvollziehbar, häufig unsinnig und daher nicht zweckmäßig ist. Im Bereich der Gentechnik spielt die Phantasie eine ausgesprochen große Rolle und führt dazu - wie ich es eingangs mit einer Bemerkung von Lichtenberg angedeutet habe -, daß der Mensch nicht mehr geradeaus, sondern bewußt in verschiedene Richtungen schaut, und das häufig gleichzeitig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so viel zu der Opposition, die uns in den nächsten Tagen begegnen wird. Sie wird lautstark unsere Diskussionen hier begleiten. Diese Opposition wird ein ganz anderes Gehör finden, als dies meiner Meinung nach der Situation entspricht. Der Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, den wir jetzt in den nächsten Tagen beraten wollen, basiert auf zwei Grundeinstellungen. Zum einen glauben wir, daß wir verpflichtet sind, den Bürger in seinen Angsten ernst zu nehmen, daß wir aber zum anderen die gleiche Verpflichtung gegenüber dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland haben. Zwischen beiden Positionen müssen wir einen Ausgleich herbeiführen. ({6}) - Ja, ich nehme die Bemerkung des Kollegen Mayer gern auf: und gegenüber den Kranken, wenn wir die Anwendung der Gentechnik gerade im Bereich der künftigen medizinischen Versorgung sehen wollen. Wir haben am 12. November den Beschluß eingebracht und - ich sagte es eingangs schon - sehr sehr schnell umgesetzt. Heute liegt dieser Gesetzentwurf vor, der Erleichterung schaffen soll, der bürokratische Hemmnisse abbauen soll, der Antragszeiten verkürzen soll und der im Grunde genommen den Umgang mit dem Gentechnikgesetz für die Zukunft so gestalten soll, daß es für Unternehmen attraktiv bleibt, in der Bundesrepublik Deutschland zu investieren - oder wieder wird, wenn man die eine oder andere Pressemitteilung aus den letzten Tagen richtig interpretiert. Die Verkürzung der Genehmigungs- und Anmeldefristen unter gleichzeitiger Beibehaltung - ich glaube, wir sollten das immer wieder erwähnen - des hohen Sicherheitsstandards zum Schutz der Menschen und der Umwelt sind aus diesem . Grunde dringend erforderlich. ({7}) Die deutsche Wissenschaft in Industrie, Universität und Großforschungseinrichtungen kann sich auf Grund einer vernünftigen Förderungspolitik der letzten Jahrzehnte im internationalen Vergleich messen lassen. Wir müssen aber dafür sorgen, daß das auch in Zukunft so ist und daß nicht nur die Großforschungseinrichtungen, die es natürlich wesentlich leichter haben, mit der Bürokratie umzugehen, profitieren, sondern wir müssen dafür sorgen, daß auch die kleineren Forschungseinheiten, vor allem die Universitäten, in der Lage sind, das zu bewältigen; denn gerade - wenn wir das noch einmal aufgreifen, was Herr Mayer vorhin gesagt hat - im Bereich der medizinischen Forschung haben wir sehr viele kleine Einheiten, die an der Universität in kleineren Gruppen arbeiten und die wesentlich stärker gehemmt sind, weil sie einfach nicht den großen Apparat haben, um damit umzugehen. Darüber hinaus gibt es einen anderen Punkt - ich habe auch das hier am 12. November schon gesagt, und ich bleibe dabei, weil ich ihn für sehr wichtig halte -, nämlich das Grundverständnis des Umgangs mit dieser Technologie, so daß die Studenten der Medizin und der Naturwissenschaften schon während ihrer Ausbildung ohne bürokratische Hemmnisse mit dieser Technik konfrontiert und an ihr ausgebildet werden; denn nur so können sie die Beherrschbarkeit dieser Technik erfahren, mit ihr vertraut werden und sie dann auch wirklich hinterher im besten und im positivsten Sinne nutzen. Aus diesem Kreis rekrutiert sich hinterher unser wissenschaftlicher Nachwuchs, den wir für die Zukunft für den Standort Bundesrepublik Deutschland dringend brauchen. Ich möchte auch erwähnen, daß mit diesem Gesetzentwurf natürlich nur ein Teil der Wünsche erfüllt werden konnte, die wir damals im November aufgestellt haben, weil eben die EG-Richtlinien gegen eine weitere Novellierung des Gentechnikgesetzes sprechen. Wir sind sehr dankbar, daß die Bundesregierung bereit ist, unsere Fragen aufzugreifen und sie auf EG-Ebene zu diskutieren, um da in Umsetzung - ich interpretiere das jetzt einmal etwas großzügig - der Maastrichter Beschlüsse zur Deregulierung den ersten Schritt zu gehen, damit wir auch aus den EG-Richtlinien heraus dann ein weiteres Signal bekommen, unsere Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland im Gentechnikgesetz weiter zu lockern. Vertretbar ist es in jedem Fall. Die Risikobeherrschung ist möglich. Von daher würde ich einer weiteren Lockerung unter diesen Voraussetzungen zustimmen. Wir müssen anerkennen, daß wir hier bis an die Grenzen dessen gegangen sind, was uns das EG-Recht vorgibt. Von daher sollten wir auch sehr dankbar sein, daß seitens des verantwortlichen MinisteriDr. Hans-Peter Voigt ({8}) ums alles ausgelotet worden ist, um das zu erreichen, was wir jetzt hier vor uns liegen haben. ({9}) Ich möchte nur einige Punkte erwähnen, die meiner Meinung nach dringend auf EG-Ebene geändert werden müssen. Das ist zum einen der Umgang mit den niedrigen Sicherheitsstufen. Bei uns ist dies die Sicherheitsstufe 1. Es ist wichtig, daß wir hier noch zu einer weiteren Deregulierung kommen. Zum anderen ist dies der völlig unsinnige kleine Maßstab als Begrenzungseinheit zwischen Forschung und Produktion. Weiter erwähne ich die Frage der Freisetzung. Wenn ich etwas Zeit habe, komme ich gleich noch einmal darauf zu sprechen. Ich glaube, hier gibt es Dinge, die ganz schnell aufgegriffen werden sollten und die im Sinne dessen, was ich soeben formuliert habe, dann auch umgesetzt werden sollten. Ich habe noch eine Bitte. Herr Präsident, ich hatte, glaube ich, eine Redezeit von zwölf Minuten. Sie haben mir nur zehn zugeteilt. Vielleicht geben Sie mir noch zwei Minuten.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das ist ein Problem, das Sie mit Ihrer Fraktion klären müssen. Ich gebe Ihnen so viele Minuten Redezeit, wie Sie haben wollen; es geht nur auf Kosten Ihrer Kollegen.

Dr. Hans Peter Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002387, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gut, mein Vorsitzender hat gesagt, ich soll mich jetzt kurzfassen. Das mache ich dann sehr gerne. Ich mache nur noch eine Bemerkung. Wir sollten bei der Beratung über das Gentechnikgesetz noch einmal einen Punkt diskutieren, weil er sich in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Anhörungen zu Freisetzungsexperimenten im Frühjahr ergeben hat. Diesen Punkt kannten wir damals, als wir im November darüber gesprochen haben, noch nicht. Wir sollten uns noch einmal darüber unterhalten, ob wir nicht bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und beim Anhörungsverfahren den Erörterungstermin fallen lassen können, weil er eben einfach die Möglichkeit gibt, einen Prozeß der Entscheidung des BGA, wo es ja einen Rechtsanspruch gibt, zu verzögern und das Bundesgesundheitsamt unter Umständen sehr stark überfordert ist, wenn es alle diejenigen Anträge, die wir in Zukunft erhoffen, in der gleichen Form mit sehr komplizierten Anhörungen behandeln soll, wie das früher der Fall war. Zum Schluß: Ich glaube, daß die Wissenschaft und die Industrie es gelernt haben, mit dem Gentechnikgesetz umzugehen, daß sie es verantwortlich machen, daß sie sich bereitwillig eingebunden haben in die Forderung der Politik, Regeln zu akzeptieren, und daß sie das auch in der Zukunft tun werden, daß sie aber dort, wo vertretbar -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Lieber Herr Dr. Voigt, die Ankündigung, zum Schluß zu kommen, ersetzt nicht denselben. ({0})

Dr. Hans Peter Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002387, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Einen fairen Umgang bei der Beratung wünsche ich mir. Ich bin sicher, daß die Opposition uns das gewähren wird. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Fast hätte er es geschafft. ({0}) Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten WolfMichael Catenhusen das Wort.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt grundsätzlich die Vorlage eines Entwurfs zur Novellierung des Gentechnikgesetzes durch die Bundesregierung; denn damit wird der Weg frei gemacht zu einer konkreten, an der Lösung oder Erleichterung praktischer Probleme im Vollzug orientierten Änderung des Gentechnikgesetzes. Eine solche Änderung ist auch für uns notwendig. Das Gentechnikgesetz hat einen hohen Sicherheitsstandard in Deutschland festgeschrieben. Es hat zu mehr Rechtssicherheit beigetragen; das sollten wir im Rückblick auf die 80er Jahre nicht vergessen. Wir sind aber auch mit einem Verwaltungsaufwand und mit Zeitabläufen bei Genehmigungsverfahren konfrontiert worden, die nicht immer den Schutzzielen des Gesetzes angemessen gewesen sind. Bei den Novellierungsvorschlägen gibt es zwischen dem Regierungsentwurf und den Zielsetzungen meiner Fraktion durchaus eine Übereinstimmung in einer Reihe von Punkten. Ich nenne beispielsweise: Wir begrüßen es, daß der Novellierungsvorschlag vom geltenden EG-Recht ausgeht. Denn wer die Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Industrie in der Gentechnik in Deutschland kurzfristig und auf sicherer Grundlage verbessern will, muß diesen Weg gehen. Wir werden auch an einer Erleichterung mit dem Umgang der Gentechnik vor allem bei Vorhaben der Sicherheitsstufe 1 in Forschung und Produktion mitwirken. Hier geht es natürlich auch um die Frage der Verkürzung der bisher im Gesetz vorgesehenen Fristen. Bei gentechnischen Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 wollen auch wir einen Verzicht auf die Einschaltung der zentralen Gutachterkommission in dem Fall, daß eine vergleichbare gentechnische Arbeit schon einmal bewertet worden ist. Die Schwierigkeit wird sein: Wer soll prüfen, was eine vergleichbare Arbeit ist? Muß man nicht vielleicht doch zweckmäßigerweise das Bundesgesundheitsamt an einer solchen Entscheidung beteiligen, um eine bundesweit einheitliche Ausfüllung des Begriffs der Vergleichbarkeit sicherzustellen? Auch wir treten für Veränderungen bei den Haftungsregelungen ein. Auch wir meinen, daß Haftungsregelungen künftig an den Betrieb eines gentechnischen Labors oder einer Produktionsanlage gebunden sein müssen. Es geht also an vielen Punkten um konkrete Novellierungsentscheidungen von unmittelbar praktischer Bedeutung, bei denen wir den bürokratischen Auf14100 wand senken und zeitliche Fristen verkürzen können, ohne den hohen Sicherheitsstandard im Umgang mit der Gentechnik in Deutschland abzusenken. Die Novellierung des Gentechnikgesetzes soll nach unserer Vorstellung aber auch etwas mehr Transparenz im Umgang mit der Gentechnik in Deutschland schaffen und nicht zu einem breiten Abbau von Öffentlichkeitsbeteiligung, vor allem nicht bei Produktionsvorhaben der Sicherheitsstufe 2, führen. Leider hat die Bundesregierung ihre ursprüngliche Absicht, unserem Wunsch zu folgen und wie in Frankreich, Großbritannien und in den Niederlanden ein für jedermann zugängliches bundesweites Register über Genehmigungen zu Vorhaben höherer Sicherheitsstufen und zu Freisetzungen im Rahmen des Gentechnikgesetzes vorzugeben, vorerst aufgegeben. Wir bedauern diese Entscheidung. Wir halten nach wie vor die Einführung eines solchen Registers für zweckmäßig. Es lassen sich Fragen des Datenschutzes und der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nach unserer Auffassung sehr gut mit diesem Gedanken verbinden. Wenn es richtig ist, daß wir Defizite im gesellschaftlichen Diskurs um die Gentechnik haben, dann wäre doch zu bedenken, ob nicht etwas mehr Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und ein Verzicht auf einen starken Abbau von Öffentlichkeitsbeteiligung durchaus einen sinnvollen Beitrag auch zur Versachlichung öffentlicher Debatten um das Für und Wider der Gentechnik leisten kann.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Kollegin Dr. Fischer möchte eine Zwischenfrage stellen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege, ich habe nur eine ganz kurze Frage an Sie. Sind Sie nicht der Meinung, daß die Federführung besser im Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung aufgehoben wäre? Warum sind Sie der Meinung, daß dieses Thema besser im Gesundheitsausschuß aufgehoben ist?

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Entscheidung ist von der Bundesregierung, ich glaube 1987, getroffen worden. ({0}) Die Fraktionen bemühen sich, durch personelle Verzahnung beider Ausschüsse dieser Problematik praktisch gerecht zu werden. ({1}) Wir Sozialdemokraten plädieren auch weiterhin für die Aufnahme eines Verbots der Forschung und Nutzung der Gentechnik zu militärischen Zwecken. Chemische und biologische Waffen können sich in Zukunft vor allem als Massenvernichtungswaffen ärmerer Lander anbieten. Die Gentechnik könnte schon auf die Dauer dazu beitragen, die Selbstabschreckungswirkungen der in der Natur befindlichen biologischen Waffen durch gentechnische Korrekturen aufzuheben. Wir möchten, daß im Unterschied zu internationalen Konventionen auch vom Militär finanzierte oder in Militärlabors durchgeführte gentechnische Forschung unterbleibt. Wir möchten keine gentechnische Forschung in der Grauzone militärischer Geheimhaltung. ({2}) Es geht bei der Überarbeitung des Gentechnikgesetzes auch um weitere, sehr praxisrelevante Fragen, wie die einer eindeutigen Regelung, daß der Beauftragte für die biologische Sicherheit in einem Unternehmen oder in einem Forschungslabor nicht nur den Arbeitgeber oder die Wissenschaftler, sondern auch die Personalvertretung in Fragen biologischer Sicherheit zu beraten hat. Darauf legen verständlicherweise die Gewerkschaften großen Wert. Darüber werden wir sicherlich in den Ausschußberatungen reden können. Wir wissen, daß die Novellierung des Gentechnikgesetzes allein nur zum Teil die aufgetretenen Probleme im Gesetzesvollzug wird lösen können. Wir erwarten deshalb, daß mit etwas anderem Tempo als bisher die Bundesregierung zeitgerecht zur Verabschiedung dieses Gesetzes ausstehende Rechtsverordnungen, etwa die zu Haftungsfragen, erläßt und eine Überarbeitung vor allem der Gentechnik-Sicherheitsverordnung vornimmt, damit auch auf dieser Ebene die vielen praktischen Fragen im Gesetzesvollzug auf Vordermann gebracht werden können. Seit der Aufdeckung von Vollzugsmängeln beim Gentechnikgesetz durch unsere Anhörung im letzten Jahr im Deutschen Bundestag sind natürlich erkennbare Verbesserungen in der Genehmigungspraxis vieler Länder erfolgt. Es werden auch weitere Verbesserungen vorbereitet. Die durchschnittliche Bearbeitungsfrist in den Ländern ist erkennbar gesunken, ohne daß wir damit immer schon zufrieden sein können. Ich denke aber, daß nur durch eine Fortsetzung praktischer Bemühungen auf Länderebene um eine straffere, sachlich qualifizierte und schnellere Genehmigungspraxis unsere gemeinsamen Bemühungen um die Novellierung des Gentechnikgesetzes auch die erwünschten praktischen Ergebnisse im Vollzug selbst haben werden. Ich denke, wir sind uns darin einig, im Appell an die Länder diesen Weg weiterzugehen. Von der Öffentlichkeit und von Wissenschaft und Industrie wird durch die Novellierung auch ein Zeichen für die Zukunft der Gentechnik in Deutschland erwartet. Wir brauchen eine leistungsfähige biomedizinische Grundlagenforschung, die immer stärker auf die Methoden der modernen Biologie einschließlich der Gentechnik angewiesen ist. Wir sollten alles tun, den sich anbahnenden gesellschaftlichen Konsens über die Unverzichtbarkeit der Nutzung der Gentechnik auch in der Medizin und bei der Medikamentenherstellung zu stärken. Ich bin zuversichtlich, daß die Zeit in Deutschland vorbei ist, in der die Verhinderung der Produktion von Medikamenten unter Nutzung der Gentechnik das Ziel von Aktionen großer Bürgerinitiativen sein konnte. ({3}) Auch hier bleibt allerdings der Politik die Aufgabe, durch Rahmensetzungen den Schutz von Mensch und Umwelt da, wo dies erforderlich ist, sicherzustellen. Ich vergesse allerdings bei dieser Standortdiskussion nicht, daß die deutsche chemische und pharmazeutische Industrie ihre strategischen Entscheidungen, verstärkt in den USA Forschung, Entwicklung und Produktion zu betreiben, bereits in den 80er Jahren getroffen hat. Offenkundig stehen dahinter global orientierte Unternehmensstrategien und bis heute anhaltende Abhängigkeiten vom Know-how in den USA, das sich dort in nahezu 1 000 Gentechnikfirmen ballt. Von 1982 bis 1991 kam es allein zu 45 Biotechnologieallianzen zwischen deutschen Unternehmen und amerikanischen Partnern. „Access to technologies", der Erwerb von Technologie, ist nach wie vor das treibende Moment auf deutscher Seite. Wir sehen das gerade wieder bei den Allianzen, die deutsche pharmazeutische Unternehmen mit amerikanischen Gentechnikfirmen bei der Entwicklung der somatischen Gentherapie schließen. Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Technikfeindlichkeit in Deutschland zu tun, sondern das hat etwas damit zu tun, daß diese wissenschaftliche Entwicklung in Amerika weiter ist. Das hat auch nichts damit zu tun, daß es bisher Genehmigungsschwierigkeiten für eine somatische Gentherapie in Deutschland gegeben hat. Also wir sollten immer dort über Gesetze reden, wo sie auch wirklich Ursache sind. Ich denke, meine Damen und Herren, wir müssen rechtliche Rahmenbedingungen überprüfen. Es geht aber auch um eine perspektivische Innovationsstrategie für die Entwicklung und Nutzung der Gentechnik in Deutschland. Da ist zu fragen, ob Herr Professor Gassen, einer der führenden Molekularbiologen in Deutschland, vielleicht doch etwas recht hatte, als er kurz und bündig feststellte: „In der chemisch-pharmazeutischen Industrie wurden 1983 bis 1990 entscheidende Fehler im Management gemacht: zu chemisch, zu kurzfristig, zu provinziell! " - Ist da nicht doch etwas dran? Und warum hat der Aufwuchs gentechnischer Forschung in Deutschland so wenig zum Prozeß der Kommerzialisierung der Gentechnik bei deutschen Unternehmen beigetragen? Wie sehen wir eigentlich die Situation, daß allein von 1992 bis 1993 die Forschungsausgaben des Bundes für Bio- und Gentechnik in den Haushaltsentwürfen um insgesamt 2 % gesenkt worden sind und daß allein zwischen dem letzten und diesem Jahr die Projektförderung in der Gentechnik in Deutschland um über 8 % zurückgefahren wurde? Ist das eigentlich vereinbar mit den vollmundigen Bekenntnissen von drei Forschungsministern hintereinander in diesem Jahr, wie wichtig die Gentechnik für die Sicherung des Zukunftsstandortes Deutschland sei? ({4}) Ich finde, da ist eine gewisse Diskrepanz zwischen vollmundiger Rhetorik und praktischem Handeln. Ich plädiere dafür, daß wir die Novellierung des Gentechnikgesetzes zur Stärkung des Standortes und nicht zum Rückfall in einen Glaubenskrieg durchführen. Wir sind doch dabei, diesen Glaubenskrieg einzustellen. „Capital" brachte es jüngst auf den Punkt: Ein Grundkonsens, der bei der Atomkraft undenkbar schien, zeichnet sich ab: „Gentechnik ist nicht immer gefährlich und nicht immer unnütz. " Das Ja oder Nein zur Gentechnik könnte also überwunden werden. Es gibt auch bei uns Bereiche, in denen sich Akzeptanz verbreitet. Meine Damen und Herren, wir wollen also mit der Novellierung des Gentechnikgesetzes praktische Erleichterungen voranbringen. Ein Startsignal zu einem weltweiten Deregulierungswettlauf auf Kosten der Sicherheit würde aber in Deutschland leicht wieder zu neuen Grabenkämpfen und Glaubenskriegen führen. Die Schutzziele des Gentechnikgesetzes sollten auch weiter unser politisches Handeln leiten. Ich habe die bisherigen Aussagen von Herrn Minister Seehofer und auch den Beitrag des Kollegen Voigt durchaus in dieser Richtung verstanden. Wir wollen realisierbare schnelle Veränderungen bei Wahrung unserer Sicherheitsstandards. Wir Sozialdemokraten wollen dies aber mit mehr Transparenz für die Öffentlichkeit verbinden und halten nach wie vor Elemente der Bürgerbeteiligung für einen notwendigen Bestandteil einer Regulierung des Umgangs mit der Gentechnik in Deutschland. Wir werden in den Ausschüssen unsere konkreten Novellierungsvorschläge in die Beratung einbringen. Wir alle in diesem Haus sind gut beraten, dafür zu sorgen, daß wir durch die Gesetzesberatung nicht einen Rückfall in alte Glaubenskriege um die Gentechnik bekommen, sondern daß pragmatisches Vorgehen auch gegenüber der Öffentlichkeit deutlich macht, daß der Vorrang der Sicherheit auch nach der Novellierung des Gentechnikgesetzes unser Handeln leitet. Schönen Dank. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Professor Dr. Christoph Schnittler das Wort.

Prof. Dr. Christoph Schnittler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002051, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gentechnikgesetz vom Juni 1990 hat sich in § 1 neben seiner Schutzfunktion ganz ausdrücklich die Aufgabe gestellt, einen rechtlichen Rahmen auch für die Förderung der wissenschaftlichen, technischen und - das wird in Zukunft dort auch expressis verbis stehen - wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen. Dieses Ziel hat es leider verfehlt, und es ist heute müßig zu fragen, ob man das nicht schon damals sehen konnte. Ich bin eher geneigt, die Frage mit Ja zu beantworten. Aber das liegt vielleicht einfach daran, daß ich damals noch nicht Mitglied dieses Parlaments war. Wichtig ist vielmehr, daß auf Beschluß des Deutschen Bundestages vom November 1992 gemeinsam intensiv an einer Novellierung gearbeitet wurde und daß heute nach dem Referentenentwurf ein beratungsfähiger Entwurf der Koalitionsfraktionen vorliegt, und zwar noch vor der Sommerpause. Ich werte das als ein ganz positives Zeichen dafür, daß Politiker auch in der Lage sind, sich zu korrigieren und Probleme zu lösen, und das in einer vernünftigen Zeit. Das sollte Schule machen. ({0}) Die Novelle enthält eine ganze Reihe von Vereinfachungen und Erleichterungen, die der Forschung und der Anwendung der Gentechnik durchaus beträchtlich weiterhelfen, die aber - und das ist für uns besonders wichtig - die Sicherheit für Mensch und Umwelt keineswegs beeinträchtigen und in denen wir uns im übrigen auch mit unseren Kollegen von der SPD einig waren und einig sind, glaube ich. Ich betone das sehr gerne, und es wäre eigentlich schön für unser Land, wenn das auf Hauptschauplätzen der Politik ganz ähnlich aussehen würde. ({1}) - Danke, ich möchte dem sehr gerne zustimmen, Kollege Voigt. ({2}) Die wichtigsten Neuerungen sind für meine Fraktion die folgenden: Gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufe 1, auch zu gewerblichen Zwecken, bedürfen in Zukunft keiner Genehmigung mehr; sie bedürfen nur noch einer Anmeldung. An dieser Stelle hätte natürlich auch eine Anzeige vollauf genügt, aber das lassen derzeit die EG-Richtlinien nicht zu. Wir müssen also jetzt aufpassen, daß diese Anmeldung nicht etwa zu einem komplizierten Genehmigungsverfahren wird. Das ist ja nicht nötig; denn ein Risiko liegt hier per definitionem nicht vor. Weiter: Ein Anhörungsverfahren fällt bei Arbeiten der Sicherheitsstufe 1 ganz weg. Für Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 wird es auf solche Fälle beschränkt, wo bei gewerblichen Zwecken ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ohnehin vorgeschrieben ist. Wenn ich das betone, so will ich damit nicht etwa sagen, daß die F.D.P. gegen Öffentlichkeit ist, durchaus nicht. Aber man muß das richtig machen, und für ein Anhörungsverfahren sollte es hinreichende Gründe geben. Ob das in der jetzt durchgeführten Form dann wirklich noch zur Klärung der Fragen beiträgt, ist ohnehin ein weites Feld. Und schließlich: Für Anmeldung und Genehmigungsverfahren wird es Fristverkürzungen in den Sicherheitsstufen 1 und 2 geben. Für den, der das ungeheure Tempo wissenschaftlich-technischer Entwicklungen heutzutage registriert, ist das ein ganz entscheidender Punkt. Schließlich enthält der neue Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Klarstellungen. Als erste ist zu nennen, daß das Gesetz nicht für den Bereich der Humanmedizin gilt. Er gilt also nicht für Lebendimpfstoffe und für eine somatische Gentherapie. Das erinnert uns daran, daß wir auch für die Anwendung der Gentechnik am Menschen natürlich in Zukunft gesetzliche Regelungen brauchen werden, meine Damen und Herren. Wir sollten uns aber dabei nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Ich glaube, weitere wissenschaftliche Erfahrungen und auch der weitere gesellschaftliche Kurs in diesem sensitiven Bereich müssen einfach abgewartet werden. Ganz wichtig ist für uns die vernünftige Einschränkung des Begriffs „In-Verkehr-Bringen", insbesondere natürlich für den Probenaustausch zwischen Forschungseinrichtungen, wie er in der „scientific community" notwendig und üblich ist. Andere für dieses Feld wichtige Begriffe, wie z. B. „vergleichbare gentechnische Arbeiten" oder der Begriff des „Unfalls" in Zusammenhang mit der Gentechnik, sind noch nicht ausreichend definiert. Hier muß noch gearbeitet werden. Insgesamt ist diese Novelle ein Fortschritt, dem wir als Fraktion gerne zustimmen. Ich vermerke auch gern an dieser Stelle, daß aus den Kreisen von Forschung und Industrie Zustimmung signalisiert worden ist. Meine Damen und Herren, wir haben uns vorhin im Zusammenhang mit der deutschen Textilindustrie über den Wirtschaftsstandort Deutschland unterhalten. Diese Frage ist ganz wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir müssen in der Zeit einer Rezession positive Signale geben, und diese Novelle ist ein solches positives Signal. ({3}) Freilich, es bleiben zwei nicht unerhebliche Kritikpunkte oder - so sollte ich wohl besser sagen - Kritikfelder. Eine Reihe von naheliegenden Erleichterungen wird heute durch die EG-Richtlinien verhindert. Die am meisten nachteilige und wohl auch am wenigsten durchdachte ist das Volumen als Abgrenzungskriterium für die Bereiche Forschung und Produktion, dieser berühmte 10-Liter-Maßstab. Wir möchten an dieser Stelle der Bundesregierung nochmals auftragen, diese EG-Richtlinien gemeinsam mit unseren Partnern in der EG durchzukämmen und zu Erleichterungen zu kommen. ({4}) Wir begrüßen es deshalb ganz besonders, daß ein 17-Punkte-Katalog für die Änderung dieser Richtlinien schon vorliegt, der, soviel ich weiß, auch schon im Kabinett beraten worden ist. Die Überarbeitung auch dieser EG-Richtlinien ist für uns sehr wichtig; denn es ist ja ein erklärtes Ziel der Europäischen Union, Europa gegenüber dem nordamerikanischen und dem ostasiatischen Wirtschaftsraum konkurrenzfähig zu erhalten. Das Ergebnis einer solchen hoffentlich möglichen Änderung der EG-Richtlinien muß natürlich auch in die nationale Gesetzgebung einfließen. Insofern kann der jetzige Entwurf noch nicht das letzte Wort sein. Schließlich erwarten wir umgehend auch eine gründliche Durchforstung der ganzen Verordnungen zum Gentechnikgesetz. Das Bundesministerium für Gesundheit sollte nicht zögern mitzuteilen, wann und mit welcher Intention diese Verordnungen überarbeitet werden. Wir verstehen natürlich, daß eine ÄndeDr. Christoph Schnittler rung der EG-Richlinien schon einige Zeit beansprucht; aber an sich hätten wir vom Bundesgesundheitsministerium inzwischen sichtbare Ansätze erwartet, auch in dieser Frage tätig zu werden. ({5}) Wir sind bisher in erfreulichem Tempo vorangeschritten, ({6}) und ich will mich da auch durchaus den positiven Worten des Kollegen Voigt anschließen. Lassen Sie mich aber sagen, daß wir da jetzt auch nachholen müssen; denn hier entsteht ja gerade der bürokratische Aufwand. Meine Damen und Herren, neue technische Entwicklungen erzeugen offensichtlich nicht nur Neugier und Freude, sie erzeugen auch immer Angst, um so mehr, je undurchsichtiger sie sind. Ich habe mich an dieser Stelle schon dazu bekannt: Wir müssen diese Ängste ernst nehmen. Aber wir sollten in Deutschland auch wieder zu einer rationalen Diskussion gerade auf diesem Gebiet der Gentechnik zurückkehren. Ich hoffe sehr - Herr Catenhusen, ich schließe mich Ihnen da an -, daß wir die Kraft dazu haben; denn viel ist schon versäumt worden. Ich hoffe, daß wir aus diesen Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz auch für die Zukunft gelernt haben. Ich danke Ihnen sehr. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Dr. Ursula Fischer das Wort.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die von der Chemie finanzierte Initiative „Pro Gentechnik" hat sich gelohnt. Das Ökoinstitut in Freiburg sprach unmißverständlich von einem „Kniefall vor der Industrielobby". ({0}) - Ich habe Ihnen auch in Ruhe zugehört. Dabei kam dieser Lobby nicht nur eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung und das Mehrheitsvotum der zentralen Kommission für biologische Sicherheit zugute, sondern ihre Forderungen wurden von der Politik fast vollständig systematisch erfüllt; siehe den Forderungskatalog der Max-Planck-Gesellschaft. Worum geht es nun bei der Novellierung, meine Damen und Herren? Erstens um die Abschaffung der Anmeldeverfahren für gentechnische Anlagen/Arbeiten in der sogenannten Sicherheitsstufe 1, die 80 % aller gentechnischen Projekte betrifft. Zweitens um eine Vereinfachung des Genehmigungs- und Anmeldeverfahrens auch für gentechnische Anlagen der Sicherheitsstufe 2, der ein geringes Risiko zugeordnet wird. Drittens natürlich auch um eine weitere Vereinfachung gentechnischer Arbeiten der Sicherheitsstufen 2 bis 4 sowie um besondere Regelungen für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Meine Damen und Herren, ich kann mich nur auf einige Argumente an dieser Stelle beziehen, die diese Novellierung scheinbar unumgänglich machen. Argument 1: Bürokratismusvorwurf. Dieser Vorwurf macht sich immer gut. Aber so berechtigt eine Kritik bürokratischer Erscheinungen im allgemeinen und im besonderen Fall auch ist, hier wird bewußt vernachlässigt, daß das Gentechnikgesetz erst 21/2 Jahre in Kraft ist. Die für den Vollzug zuständigen Behörden wurden gerade erst aufgebaut. Eine gewisse Routine in der Bearbeitung der Anträge stellt sich bekanntlich erst allmählich ein. Nicht zu vergessen sind die Schwierigkeiten des Umgangs mit dieser Problematik in den neuen Bundesländern. Trotzdem wurden auch hier seit 1990 79 gentechnische Anlagen genehmigt. Argument 2: Vergleich zwischen den „strengen" Vorschriften in der EG und den „liberalen" Regeln in den USA. Komischerweise, meine Damen und Herren, wurden dabei die umfassenden Vorschriften für Akteneinsichtsrecht, Einspruchsmöglichkeiten und die Öffentlichkeit von Entscheidungsprozessen in den USA nicht für einen umfassenden Vergleich herangezogen. Das ist kein Zufall. Geltende EG-Richtlinien haben zwar verhindert, daß in den beiden ersten Sicherheitsstufen auf Anmeldungs- und Genehmigungsverfahren völlig verzichtet werden konnte; aber eine Änderung dieser Regelungen durchzusetzen ist das erklärte Ziel des Gesundheitsministers und dieses Hauses. Argument 3: Wirtschaftlichkeit und arbeitsplatzsichernde Wirkung der Gentechnologie. Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf die USA kann vor übertriebenen Erwartungen selbst in diesem Bereich nur gewarnt werden. Das Beschäftigungspotential dieser sogenannten Schlüsseltechnologie hat sich doch trotz der großen Zahl neu gegründeter Bio- und Genunternehmen als gering erwiesen. Selbst bei Medikamenten handelte es sich oft nur um Rationalisierungserzeugnisse ohne zusätzlichen Gebrauchswert. Allerdings liegt die Attraktivität für Unternehmen auf der Hand; denn mit dem Einsatz der neuen Methoden sind letztendlich Einsparungen von Kosten und Personal eng verbunden. Zur Verdeutlichung: Für die Landwirtschaft und den Bereich der Lebensmittelverarbeitung gibt es Berechnungen, die von einer Vernichtung von ungefähr 25 % der Arbeitsplätze infolge des Einsatzes der Gentechnologie in diesen Tätigkeitsfeldern ausgehen. Das ist realistisch. Argument 4: Die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen ist unbedenklich. Hier wird suggeriert, daß eine klare Einteilung in pathogene und apathogene Mikroorganismen in Analogie zur Chemie in giftige und ungiftige Stoffe existiert. Die Einschätzung des Verlaufs von Freisetzungsexperimenten hat derzeit noch nicht die Treffsicherheit eines Wetterberichts erreicht. Der löbliche Versuch, die Kalkulierbarkeit des Geschehens an geschlossene Systeme zu koppeln, mutet naiv an, wenn man sich anschaut, was darunter verstanden wird. Auf die Problematik der „nackten" DNA und des horizontalen Gentransfers wird wohl auch die anstehende Anhörung am 30. Juni keine befriedigenden Antworten geben können. Herr Minister Seehofer, mir ist schon sehr klar, daß Sie ständig von den Chancen in der Medizin durch die Gentechnik schwärmen, ist es doch der medizinische Bereich, der in der Öffentlichkeit die eigentliche Positivwirkung erzeugt. Parallel dazu wird eine großangelegte Offensive für die Gentherapie gestartet und der Eindruck erweckt, auch sie würde durch das geltende Gentechnikgesetz verhindert oder zumindest sehr erschwert. Die Realität sieht anders aus. Dr. Mertelsmann, der in Freiburg eine somatische Gentherapie vorbereitet, benötigt für seine Versuche weder eine Genehmigung noch muß er diese Versuche nach Gentechnikgesetz anmelden. Wo, bitte, ist hier die Behinderung im Bereich der Medizin? Nein, meine Damen und Herren, die Gefahren dieser Technologie werden systematisch verharmlost. Wenn das Wort „Schlüsseltechnologie" ständig im Munde geführt wird, sage ich: Diese Technologie ist der Schlüssel für riesige Gewinne der Industrie und der Schlüssel für Entwicklungen, die heute schier unabsehbar sind. ({1}) - Sie werden sich noch wundern. 50 000 Unterschriften haben in kurzer Zeit gerade die Christen gesammelt. Das einzige Ziel eines Gentechnikgesetzes muß der Schutz von Mensch und Natur sein, d. h. das Ziel einer Förderung der Gentechnik muß aus diesem Gesetz gestrichen werden. Fördern sollte der Gesetzgeber dagegen Einrichtungen, die von biotechnischen Verwertungsinteressen unabhängig sind und die Risiken erforschen. Außerdem vermisse ich in diesem Gesetz ein ausdrückliches Verbot militärischer Gentechnologieforschung.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Dr. Fischer, Sie achten auf das Zeichen, daß die Redezeit zu Ende geht?

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich habe keinerlei Illusionen. Diese Novellierung wird im Bundestag durchgebracht. Alle Messen sind mehr oder weniger gesungen. Ich kann Sie an dieser Stelle nur auffordern, sich intensivst zu informieren. Die Brisanz dieser Problematik wird sich sehr bald zeigen. Ich bitte Sie, die Federführung des Ausschusses zu ändern und den Forschungsausschuß für zuständig zu erklären, außerdem den Landwirtschaftsausschuß in die Beratungen einzubeziehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat nunmehr der Professor Dr. Norbert Rieder.

Prof. Dr. Norbert Rieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001841, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich bin froh und dankbar dafür, daß die meisten meiner Vorredner das gesagt haben, was auch ich sagen werde: daß wir unser Gentechnikgesetz ändern und Erleichterungen schaffen müssen. Ich bin allerdings über zwei Dinge ein bißchen verwundert, einmal darüber, daß meine Vorrednerin von soeben offensichtlich irgendwo einen ewig-gestrigen Standpunkt vertreten und nicht gemerkt hat, wohin die Sache geht. ({0}) Ich bin über eine weitere Tatsache verwundert: daß das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von denen ich eigentlich immer höre, daß sie gegen dieses Gentechnikgesetz sind, die Chance, präsent zu sein und ihre Argumente einzubringen, überhaupt nicht wahrnehmen. ({1}) Ob es daran liegt, daß ihnen die Argumente ausgegangen sind, oder daran, daß sie kein Interesse haben, möchte ich hier nicht entscheiden. ({2}) - Auch das ist natürlich möglich. Nun, meine Damen und Herren, wir brauchen eine Änderung, eine Erleichterung des Gentechnikgesetzes, um einerseits die Forschung und andererseits die Produktion gentechnisch erzeugter Produkte in Deutschland zu erleichtern; denn die Erfahrung - das wissen wir alle - hat gezeigt, daß ausländische Wettbewerber von der derzeitigen Konkurrenzsituation hervorragend profitieren, da dort weniger strenge Regelungen gelten. Dennoch - auch das muß man in aller Deutlichkeit sagen - sind in diesem Ländern bisher keine Gefährdungen durch die Gentechnik bekannt geworden. Wenn wir diese Erleichterung nicht vollziehen - auch das muß ich in aller Deutlichkeit sagen -, werden wir in absehbarer Zeit hier in Deutschland keine nennenswerte Pharmaindustrie, auch keine Saatzucht mehr haben, und unsere Landwirtschaft - das ist ebenfalls erwähnenswert - wird in eine sehr ungünstige Konkurrenzsituation gelangen. ({3}) - Ich glaube, das ist nicht übertrieben. Wenn Sie sich einmal anschauen, wer derzeit gentechnisch erzeugte Produkte im Pharmabereich anmeldet, wenn Sie sich weiter die Wachstumsraten bei gentechnisch erzeugten Pharmaka ansehen, dann werden Sie feststellen, wie wir Deutsche inzwischen, die wir einst die Apotheke dieser Welt waren, speziell in diesem Bereich ins Hintertreffen geraten sind. Dann werden Sie mir sehr schnell zustimmen, daß wir dies nur wenige Jahrzehnte waren. ({4}) Dennoch sind Gefährdungen, Gefahren durch die Gentechnik nicht auszuschließen; das wissen wir alle. Deswegen haben wir dieses Gentechnikgesetz gemacht. Ich glaube aber, daß wir die Vorteile mit den Nachteilen verrechnen müssen. Ich möchte auf einige Beispiele im Umweltbereich kommen. Wir als Umweltpolitiker haben begründete Hoffnungen, daß wir durch die Gentechnik z. B. verbesserte Methoden der Entgiftung durch Mikroorganismen im Boden- und Wasserbereich, daß wir bessere Produktionsmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe bekommen. ({5}) Wir alle wissen, daß wir erst durch gentechnische Methoden bei den nachwachsenden Rohstoffen den echten Durchbruch, auf den wir alle hoffen, erzielen können. Nur dadurch werden wir eine bessere Nutzung unserer Erde bekommen, werden eine bessere Chance haben, die nach wie vor wachsende Erdbevölkerung angemessen, bei besserer Schonung unserer natürlichen Ressourcen, zu ernähren. Ich glaube, allein das ist den Versuch, ist das Risiko wert. ({6}) Demgegenüber sind nach meinem Dafürhalten die Restgefahren vernachlässigbar, zumal die Erleichterungen, die wir durch dieses Gesetz vorsehen, im wesentlichen nur bei den Sicherheitsstufen 1 und 2 zutreffen, die hochgefährlichen Dinge also, die wir alle kennen, überhaupt nicht berühren. Ich persönlich sehe übrigens die Probleme der Gentechnik in einem ganz anderen Bereich, der häufig gar nicht diskutiert worden ist, nämlich in den sozioökonomischen Veränderungen: von der mit Sicherheit zu erwartenden Verbesserung unserer Gesundheit bis zur deutlichen Verlängerung unserer mittleren Lebenserwartung. Wir müssen uns sicherlich in 10, 20 Jahren in eine Rentendebatte ganz besonderer Art hineinbegeben, weil die mittlere Lebenserwartung durch die Gentechnik ganz gewaltig steigen wird. Darüber müssen wir uns klar werden. Wir müssen uns aber auch klar werden, daß wir uns aus dieser Entwicklung nicht ausklinken dürfen. Wir dürfen nämlich nicht die Entwicklung verhindern, sondern das Auswandern der Entwicklung in andere Länder und den dann erfolgenden Import der Produkte in unser Land. Wir müssen das Know-how, das nötig ist, bei uns zusammen mit den anderen Ländern entwickeln, um auf diese Weise im eigenen Land zu lernen, die Probleme zu bewältigen. Wir müssen das machen, was wir auch in anderen Bereichen tun: Learning by doing. Das heißt, daß wir in dem Maß, wie wir mit der Technik arbeiten, lernen müssen, sie mit all ihren Konsequenzen zu bewältigen. Wer aus dieser Technik aussteigt, nimmt sich auch die Chance, parallel dazu die Bewältigung der Probleme zu lernen. Wenn wir dies wollen, dann dürfen wir das Gentechnikgesetz nicht ändern. Ich aber bin der Ansicht: Wir müssen es ändern, weil wir lernen müssen, diese Probleme zu bewältigen. Vielen Dank. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Helga Otto das Wort.

Dr. Helga Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001667, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ganze belebte Natur auf unserem Planeten ist das Ergebnis der natürlichen Evolution, von Mutationen, Fehlerkorrekturen, Auslese und Zufällen, die sich unter natürlichen Bedingungen, unter welchen Einflüssen auch immer, ereignen. Die Wissenschaft und Forschung auf hohem Niveau hat es möglich gemacht, daß wir diesen Dingen und uns selbst auf die Spur gekommen sind. Je komplizierter sich diese Mikrowelt darstellt, um so weniger wird sie trotz guter Schulbildung von einfachen Menschen verstanden. So kommt es, daß die schier unbegrenzten Möglichkeiten, die für Medizin und Technik damit verbunden sind, Angst auslösen. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, im Gespräch mit den Laien und interessierten Menschen die Chancen und auch die Risiken dieser Hochtechnologie zu erläutern. ({0}) Die Ursachen der so geringen Akzeptanz der Gentechnik in Deutschland müssen wir wohl in unserer Gesellschaft selbst suchen, in der die Wissenschaftler und Forscher ziemlich weit vom Volke entfernt sind, aber auch in unseren gemeinsamen Erfahrungen mit der Tatsache, daß in Peenemünde Forscher eine wissenschaftliche Erkenntnis zum Schaden der Menschheit verwendet haben. Gemeinsam müssen wir die großen Ziele und die Grenzen abstecken. Ich denke, dort, wo wir uns dem Zauberlehrling gleich benehmen, riskieren wir, die Existenz der Menschheit und der belebten Natur auf das Spiel zu setzen. Der Politik fällt die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen abzustecken, innerhalb derer sich die Akteure auf sicherem Parkett bewegen können. Auf einer Veranstaltung in Chemnitz sagte neulich ein amerikanischer Teilnehmer, daß Perfektion auch Erstarrung bedeuten kann. Ich kann dem nur zustimmen. Die Anhörung zu Fragen der Gentechnologie im Frühjahr 1992 zeigte dies überdeutlich: Forschung, Lehre und auch Industrie sind durch übereifrige Verbürokratisierung in ein Korsett gezwängt worden mit der Folge, daß sich die Spitzenforschung, die akademische Lehre, aber auch die Industrie in Deutschland nicht mehr wohlfühlen, um es vorsichtig auszudrücken. ({1}) Es war der erklärte gemeinsame Wille, eine Novellierung des Gentechnikgesetzes in die Wege zu leiten, um den Standort Deutschland für Forschung, Lehre und Industrie zu retten. Denn eines ist klar: Gentechnik ist eine entscheidende Schlüsseltechnologie schon jetzt und in der Zukunft. Der Aufgabe dieser Novellierung des Gentechnikgesetzes wollen wir uns heute stellen. Ich erinnere an unsere Diskussion im November: Die Anträge der Koalitionsfraktionen und der Opposition in der Ple14106 nardebatte am 12. November 1992 zum gleichen Thema lagen sehr eng beieinander. Kleine Differenzen bezogen sich noch auf die Wartefristen bei Forschungsanlagen und Forschungsarbeiten der Sicherheitsstufe 1. Da es sich bei dieser Stufe per definitionem um Arbeiten handelt, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen ist, und es sich de facto um Arbeiten wie in jedem biotechnologischen Labor handelt, erlaube ich mir zu hinterfragen, ob wir im gewerblichen Bereich auf Dauer eine Anlagengenehmigung brauchen, nur um dem Gesetz einen Gefallen zu tun und um die Leute zu beschäftigen. ({2}) Auch in der Sicherheitsstufe 2 kann ich mir eine Erleichterung der Anforderungen für die Anmeldung bzw. Genehmigung bei den gentechnischen Vorhaben zu Forschungszwecken, insbesondere zur Vereinfachung des Formularwesens, der Aufzeichnungspflicht und der Verkürzung der Aufbewahrungsfristen, sowie der Verfahrensvereinfachungen auch bei Verfahren zu gewerblichen Genehmigungen vorstellen. Grundlage soll für meine Fraktion zunächst unser Änderungsantrag vom 11. November 1992 sein, den Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, zunächst abgelehnt haben. Wir meinen, daß das vorliegende Dokument der Regierungskoalition eine geeignete Beratungsgrundlage ist. ({3}) Die Präsidenten der fünf Wissenschaftsorganisationen, Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz, Max-PlanckGesellschaft und Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen, erwarten von der Novelle des Gentechnikgesetzes einen Nachweis für einen forschungsfreundlichen, zukunftsorientierten, politischen Gestaltungswillen der verantwortlichen Politiker. Sie haben ihre Vorschläge gemeinsam mit anderen Gesellschaften und Organisationen in einem Memorandum niedergeschrieben. Wir Politiker sollten uns davor hüten, ihre warnenden Stimmen zum Standort Deutschland zu ignorieren oder ihnen leichtsinnigen Umgang mit dem Schutzziel des Gesetzes, das im § 1 niedergeschrieben ist, de facto zu unterstellen. ({4}) Zukunftstechnologien wollen und müssen wir alle gemeinsam nutzen. Ihre Basis liegt in einer im Rahmen unseres Grundgesetzes garantierten Freiheit der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre, die von der Treue zur Verfassung nicht entbunden ist. Bei der Forschung kommt es aber häufig gerade auf die Zeit an. Vergeudete Zeit, unsinnig lange Fristen und Bürokratismus können einen greifbar nahen Erfolg zunichte machen. ({5}) Ungleiche Chancen in einzelnen Ländern und Staaten können sich sehr zum Nachteil der Forschung oder der Produktion auswirken, was wir in Deutschland schon zu spüren bekommen haben. Auf der immer dichter besiedelten Erde haben wir Umweltprobleme, Ernährungsprobleme und Gesundheitsprobleme. Ich als Ärztin setze große Erwartungen in die Gentherapie und die Impfstoffentwicklung auf dieser Basis. ({6}) Wir kennen bereits über 4 000 genetisch verursachte Krankheiten. Ich hoffe, daß wir wenigstens einige davon in den nächsten Jahren heilen oder zumindest günstig beeinflussen können. Das Gentechnikgesetz wird, wenn es gut ist, die Basis für die Folgegesetze wie das Genomanalysegesetz und das Gentherapiegesetz sein. Deshalb muß es verläßliche Rahmenbedingungen schaffen, sein Schutzziel erfüllen und gleichzeitig Raum für fortschrittliche Gedanken lassen. Neben der Frage der Entbürokratisierung wollen wir in den kommenden Verhandlungen versuchen, die ZKBS von nicht notwendigen Begutachtungen zu entlasten. Damit würden erhebliche Kapazitäten für die Begutachtung von nicht vergleichbaren Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 und aller weiterer Arbeiten frei. Ich denke, daß wir bei der Aufrechterhaltung der Sicherheitsphilosophie auch über Erleichterungen in der Produktion und der Freisetzung reden müssen. Das massenhafte Wegbrechen der Arbeitsplätze der vorletzten und letzten Generation auf dem Gebiete der ehemaligen DDR führt uns deutlich vor Augen, daß wir nicht umhinkommen, die Arbeitsplätze der Zukunft in Deutschland zu sichern. ({7}) Umwelttechnologie sowie neue Produkte im Pflanzenschutz, im Lebensmittelbereich und in der Pharmaindustrie werden uns in der Welt wettbewerbsfähig machen. Ich selbst bin Ornithologin und Pflanzenkartiererin und werde mich überall dafür einsetzen, daß in der freien Natur nur die Pflanzen und Tiere sein werden, die die Natur selbst kreiert hat. Auf unseren Feldern und in unseren Gärten kann es aber in Zukunft auch von uns geschaffene belebte Natur geben. Unserer Intelligenz ist es überlassen, ob wir die Geister, die wir riefen, wieder loswerden. Die Erfahrungen in der ganzen Welt und in Deutschland lassen uns aber glauben, daß die neue Technik beherrschbar ist und Risiken von uns gemeistert werden können. Wir Sozialdemokraten haben auch eine Verantwortung für die Generationen der Zukunft, sowohl, was die Sicherheit, als auch, was die Arbeitsplätze und damit den Generationenvertrag betrifft. Nicht nur die soziale Sicherheit, sondern auch die Bildung auf höchstem Niveau muß in Deutschland möglich sein. Ich will nicht, daß deutsche Studenten nach Amerika oder nach Japan auswandern müssen, um das HandDr. Helga Otto werkszeug für ihre zukünftigen Arbeitsplätze zu erlernen. ({8}) So denke ich, daß wir gemeinsam auf einer guten Basis in die kommenden Verhandlungen zur Novellierung des Gentechnikgesetzes gehen werden. Am 30. Juni wird hier in Bonn eine zweite Anhörung zur Novellierung des Gentechnikgesetzes stattfinden. Hier werden wir die Grenzen noch einmal abstecken, um dann die in der letzten Anhörung bereits einvernehmlich sich als notwendig erwiesenen Erleichterungen im Umgang mit dem Gentechnikgesetz auf den Weg zu bringen. Ich bin davon überzeugt, daß es auch innerhalb meiner Fraktion abweichende Meinungen zu den Novellierungsvorschlägen gibt. Wir werden die Differenzen gemeinsam zum Schutz der Menschen und der Umwelt, aber auch für den Fortschritt auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet beheben. Dazu wünsche ich uns gutes Gelingen. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat der Bundesminister für Gesundheit um das Wort gebeten. Das will ich ihm dann auch geben, bitte schön.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Woche war die Bundesrepublik Deutschland Gastgeber des Welt-Aidskongresses. Da habe ich sehr viele infizierte und am Vollbild Aids erkrankte Menschen erlebt, mit ihrer Verzweifelung, mit ihrer Hoffnung, daß in absehbarer Zeit Medikamente und Impfstoffe gegen diese schreckliche Krankheit gefunden werden. Auf der anderen Seite wenden die führenden Wissenschaftler der ganzen Welt, die in Berlin anwesend waren, praktisch alle bei ihren Versuchen gentechnische Methoden an. Wenn ich mir dieses Bild noch einmal vor Augen führe - die Verzweifelung der Kranken, die Hoffnung gegenüber der Wissenschaft und der Medizin, in absehbarer Zeit einen Impfstoff, ein Medikament zu finden, das die Krankheit lindert oder gar heilt -, dann denke ich: Aus diesem Erlebnis heraus haben wir Politiker die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, alles zu tun, damit die Schlüsseltechnologie Gentechnik in der Bundesrepublik Deutschland eine Zukunft hat. ({0}) Frau Fischer, ich sage das nicht nur im Hinblick auf bürokratische Hemmnisse. Mit die größte Wirkung dieser Novellierung soll sein, daß wir auch einen psychologischen Effekt aussenden, daß wir gegenüber der Wirtschaft und auch gegenüber der Forschung ein klares Ja zu dieser Schlüsseltechnologie sagen, nicht weil wir gekauft sind, sondern weil es den Menschen dient. ({1}) Sie wissen, daß das Gentechnikgesetz auf zwei Säulen ruht: einmal auf dem Schutz von Mensch und Umwelt und auf der anderen Seite auf der Förderung dieser Schlüsseltechnologie. Man kann nicht oft genug feststellen: Den Schutzzweck hat dieses drei Jahre alte Gesetz uneingeschränkt erfüllt. Es ist nicht ein einziger Schadensfall bekanntgeworden, den man auf gentechnische Arbeiten oder auf die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt zurückführen könnte. Deshalb liegt mir sehr daran, auch gegenüber der Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß dieser bewährte Schutzzweck des Gesetzes auch mit der geplanten Änderung uneingeschränkt aufrechterhalten wird. ({2}) Wir wollen keine Nachteile für den Schutz von Mensch und Umwelt. Auf der anderen Seite steht der Förderzweck. Da wird das ursprüngliche Gesetz den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht, so sehr das Gesetz damals den damaligen Erkenntnissen entsprach. Viele Regelungen entsprechen heute nicht mehr dem Wissensstand. Das Wissen über genetische und ökologische Zusammenhänge ist gewachsen. Wichtig ist auch: In den zuständigen Behörden der Länder und auch des Bundes ist zwischenzeitlich ein kompetenter Vollzug aufgebaut worden. Deshalb wissen wir heute, daß es überzogene bürokratische Hemmnisse gibt. Diese Hemmnisse bauen wir ab. ({3}) Das ist nicht nur möglich, das ist auch unbedingt nötig. Wir können es uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, bei der Gentechnik in dieselbe mißliche Lagé zu geraten wie einst bei der Mikroelektronik oder bei der Kommunikationstechnik. Ich habe in den 70er Jahren viele Vorträge zu dem Thema gehalten: Vernichtet Mikroelektronik Arbeitsplätze? Heute könnte man sich nicht mehr vorstellen, daß ein Konzern, daß ein Betrieb ohne Mikroelektronik wettbewerbsfähig ist. Meine Damen und Herren, es darf uns nicht passieren, daß wir bei der Schlüsseltechnologie der Zukunft, der Gentechnik, so wie bei der Mikroelektronik und bei der Kommunikationstechnik in der Bundesrepublik Deutschland jahrelang diskutieren und abwägen, während andere forschen und produzieren, und wir dann das importieren, was andere während unserer Diskussionen erforscht und erarbeitet haben. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, der Abgeordnete Vosen aus Düren möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Mit besonderem Genuß, Herr Präsident.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sie hatten im Zusammenhang mit dieser neuen Technologie von der Mikroelektronik gesprochen. ({0}) - Ich frage: Wen halten Sie denn für verantwortlich, daß wir in der Mikroelektronik nicht mehr die Nummer 1 in der Welt sind oder zu den ersten gehören? Liegt das vielleicht an der Politik, oder liegt es nicht eventuell auch an der Wirtschaft und an der anwendenden Industrie, daß wir heute nicht mehr die Summen aufbringen können, die dafür erforderlich waren und sind?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Herr Kollege Vosen, diese Zwischenfrage hatte ich erst auf meiner übernächsten Seite erwartet. Ich komme noch auf die Verantwortung der Wirtschaft zurück. Das möchte ich aber im Zusammenhang darlegen. Sie müssen allerdings nicht so lange stehen bleiben. Ich sage es, wenn ich darauf zurückkomme. Meine Damen und Herren, die Erfahrungen aus der Mikroelektronik und aus der Kommunikationstechnik sollten uns eine Lehre bei der Anwendung der Gentechnologie sein. Wir dürfen hier den Anschluß nicht verpassen. Ich verweise allerdings auch darauf, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland durchaus gute Forschungsergebnisse zu verzeichnen haben. Sie müssen bei uns aber auch umgesetzt werden. So waren z. B. deutsche Forscher maßgeblich an gentechnisch hergestellten Medikamenten beteiligt. Ich denke z. B. an EPO, ein Medikament, durch das vielen chronisch nierenkranken Patienten langwierige und risikoreiche Bluttransfusionen erspart geblieben sind. Oder ich denke an das Medikament TPA, einen gentechnisch hergestellten Stoff, der bei der Therapie des akuten Herzinfarkts zur Auflösung der Gefäßverstoplung verwendet wird. Dieser Stoff hat bereits viele Herzinfarktpatienten in Deutschland vor schweren Komplikationen oder gar vor dem Tod bewahrt. Aber nun das Entscheidende: Obwohl an der Erforschung viele Wissenschaftler auch in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt waren, sind beide Produkte zunächst nicht in Deutschland hergestellt und vermarktet worden. Das ist aber für den wirtschaftlichen Erfolg von entscheidender Bedeutung. Das zeigt: Forschungserfolge müssen weiter ausgebaut werden und möglichst rasch auch in Deutschland in Produkte umgesetzt werden. ({0}) Es darf nicht dazu kommen, daß wir in der Gentechnik ins Hintertreffen geraten, daß wir beispielsweise nur forschen und andere den wirtschaftlichen Nutzen ernten. Nun, Herr Vosen, wird ja in der Wirtschaft gern gesagt - das war Ihre Frage, und auch wir Politiker erwecken gerne diesen Eindruck -, es seien nur die Rahmenbedingungen, nur die bürokratischen Hemmnisse. Deshalb sage ich: Es sind überzogene bürokratische Hemmnisse, die mitverantwortlich sind. Aber es sind auch Fehler im Management der deutschen Wirtschaft. ({1}) Ich nehme es nicht länger hin, daß für alles, was dort nicht oder unzureichend erfolgt, allein die Politik verantwortlich gemacht wird. ({2}) Das gipfelte in der letzten Woche in der Meinung des Herstellers eines Medikaments, daß ein Zulassungsantrag für ein Medikament nur dann gestellt werde, wenn eine moralische Instanz nämlich der Gesundheitsminister - diese Firma auffordere. Meine Damen und Herren, würden wir so weitermachen, wäre das eine Flucht aus der Verantwortung. Die Wirtschaft muß ihre Verantwortung selbst wieder stärker wahrnehmen. ({3}) Was die Bürokratie betrifft: Die Beamten waren etwas zurückhaltender; aber ich sage mal zu, daß wir die Verordnungen, die hier angemahnt worden sind, im Jahr 1993 zustande bringen. ({4}) - Die bringen wir hin, wenn wir es ankündigen, Kollege Catenhusen. Ich weiß auch, daß mit diesem Gesetz nicht alle Wünsche erfüllt sind. Das liegt aber nicht an der Regierung, ({5}) das liegt an den Richtlinien; denn wir können ja nicht einen Gesetzentwurf vorlegen, der nicht EG-konform ist. Das wäre ein Gesetzesverstoß. Wenn Herr Professor Schnittler die Regierung aufgefordert hat, mit der EG Kontakt aufzunehmen, so bin ich dankbar für die Aufforderung, aber ich darf Sie darauf hinweisen: Die Kontaktaufnahme hat bereits stattgefunden. Am 3. Juni habe ich mit dem EG-Kommissar Paliokrassas gesprochen. Es wird nicht leicht, das möchte ich nicht verhehlen. Jedenfalls wird es nicht sehr schnell gehen. Anfang Juli werde ich mit dem ebenso bedeutsamen EG-Kommissar aus der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Bangemann, sprechen. Es wäre gut, wenn Sie die Türen bis dahin so weit öffnen, daß unser gemeinsames Ziel in der Koalition, die Richtlinien entsprechend zu verändern, erreicht wird. Es muß erreicht werden. ({6}) Denn, Herr Kollege Catenhusen und Herr Kollege Vosen, weil Sie ja immer gewisse Bedenken haben: Warum soll es nicht möglich sein, in der Sicherheitsstufe 1, die ja per gesetzliche Definition ohne Gefahr für Menschen und Umwelt ist, die EG-Richtlinie so zu ändern, daß die flächendeckende präventive Kontrolle durch das Anmeldeverfahren, das derzeit noch notwendig ist, vermieden wird? ({7}) 80 % der gentechnischen Versuche und der Produktionen finden in dieser Sicherheitsstufe statt. Ich stelle mir vor, daß hier eine Anzeige, eine Registrierung genügen würde und daß eine stichprobenartige Kontrolle erfolgt, ob man sich richtig in die Sicherheitsstufe 1 eingeordnet hat. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Position noch einmal überdenken würden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, bevor ich Herrn Abgeordneten Catenhusen auffordere, seine Frage zu stellen, möchte ich mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß mir der Art. 43 Abs. 2, nach dem Sie jederzeit und so lange reden können, wie Sie wollen, ebenso bekannt ist wie Ihnen. Ich kann auch nicht mehr verrechnen; Sie sind der letzte Redner. Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie die Zeit etwas berücksichtigen würden. Herr Abgeordneter Catenhusen, bitte.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Seehofer, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir in den Fragen, wie wir künftig in Deutschland mit Forschungsarbeiten im großen Maßstab und mit der Sicherheitsstufe 1 umgehen, auch der Meinung sind, über Änderungen des EG-Rechts müsse geredet werden? Wollen Sie bitte genauso zur Kenntnis nehmen, daß wir Bestrebungen, die teilweise auf einen Verzicht auf die präventive Konstruktion des EG-Rechts abzielen, und eine solche Deregulierung nicht für vernünftig halten?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Man kann natürlich über die Grenzen diskutieren, darüber, wo wir andern wollen oder nicht. Aber es wäre ja schon gut, wenn wir die grundsätzliche Bereitschaft hätten, sinnvolle Änderungen der Richtlinien gegenüber der EG gemeinsam zu betreiben. ({0}) Zu einer solchen sinnvollen Position gehört auch, daß ich es einfach ablehne, in einem Gesetz durch die Definition eines kleinen Maßstabes festzulegen, bis wohin Forschung geht und wann Produktion beginnt. Das sollten wir uns als Gesetzgeber nicht zumuten. Meine Damen und Herren, weil ich gemahnt worden bin, fasse ich mich kurz. Dieser Gesetzentwurf ist eine Hilfe für Forschung und Industrie im Wettbewerb mit den Konkurrenten in Europa, in den USA und in Japan. Er verbessert die Entwicklungschancen der Gentechnik in Deutschland. Er bewahrt und verbessert den Schutz von Mensch und Umwelt vor möglichen Risiken im Umgang mit der Gentechnik. Ich bin sehr froh, daß, im Gegensatz zur ersten Beratung des Entschließungsantrags der Koalition, diese Diskussion heute sehr sachlich verläuft. Die Diskussion über dieses schwierige Thema hat sich auch in der Öffentlichkeit sehr versachlicht. Ich möchte allen denjenigen, die auch heute noch bei ihrer Ablehnung der Gentechnologie ideologische Gründe anführen, sagen: Wer zur Gentechnik kategorisch nein sagt, muß auch den Mut aufbringen, AidsKranken, MS-Kranken oder Krebskranken zu sagen: Wir wollen nicht, daß weiter geforscht wird. ({1}) Er muß ebenso den Mut haben, Blutern zu sagen, daß es für sie künftig das gentechnisch hergestellte Präparat Faktor VIII nicht mehr geben soll, durch das die Gefahr einer Übertragung von HIV-Viren bei Bluttransfusionen ausgeschlossen wird. Dieser Mut gehört dann auch dazu. Deshalb stelle ich abschließend die Frage: Können wir es überhaupt ethisch verantworten, die Gentechnologie nicht zu nutzen? Ich sage für die Koalition - ich denke, auch für die SPD -: Wir können das nicht verantworten. Deshalb müssen wir sehr rasch und zügig die bürokratischen Hemmnisse aus dem Gentechnikgesetz wegnehmen und in der Öffentlichkeit ein deutliches Signal setzen, daß wir bei dieser Schlüsseltechnologie anders als bei der Mikroelektronik und bei der Kommunikationstechnik verfahren wollen. Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutschland durch die offensive Nutzung der Gentechnologie in der Bundesrepublik Deutschland sichern. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt auf die Geschäftslage aufmerksam machen. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 12/5145 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Das sind der Ausschuß für Gesundheit - federführend -, der Rechtsausschuß, der Ausschuß für Wirtschaft, der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung und der EG-Ausschuß. Frau Dr. Fischer hat für die Gruppe PDS/Linke Liste die Federführung beim Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung sowie die zusätzliche Mitberatung durch den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. ({0}) - Frau Fischer, Sie bleiben trotzdem bei Ihrem Änderungsantrag? Okay. Zusätzlich zu den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssen schlägt nun die Koalition vor, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hinzuzunehmen. Diesen so ergänzten Vorschlag des Ältestenrates stelle ich zunächst zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist Ihr Änderungsantrag aber hinfällig, Frau Fischer, weil die Mehrheit und sogar Sie selbst zugestimmt haben. ({1}) - In der Erkenntnis, daß die Mehrheit anders war, Frau Dr. Fischer, war das ein kluger Beschluß. Damit ist die Überweisung beschlossen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf: a) Beratung durch den Wehrbeauftragten Jahresbericht 1992 - Drucksache 12/4600 - Überweisungsvorschlag: Verteidigungsausschuß b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland ({2}) - Drucksachen 12/4749, 12/4989 ({3}) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({4}) - Drucksache 12/5142 - Berichterstattung: Abgeordnete Erika Steinbach-Hermann Fritz Rudolf Körper Dr. Burkhard Hirsch bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksachen 12/5157, 12/5158 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Deres Ina Albowitz Rudolf Purps Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Stunde Debattenzeit vor. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist es beschlossen. Ich erteile zunächst dem Wehrbeauftragten, unserem alten Kollegen Alfred Biehle, das Wort. Alfred Biehle, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst einmal für die Gelegenheit, anläßlich der ersten Lesung des Jahresberichtes 1992 hier noch einiges vortragen zu können, weil das die Möglichkeit gibt, wichtige Punkte aufzugreifen und möglicherweise auch zu verdeutlichen. Mit dem Rückgang an Soldaten geht auch eine Reduzierung der Zahl der Eingaben einher; wenn sich auch der Tageseingang in den letzten Wochen angesichts der Tatsache, daß das Entlassungsgeld der Soldaten reduziert wird, verdreifacht hat. Ich werde dazu noch ein paar Sätze sagen. Breiten Raum habe ich den Fragen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen deutscher Soldaten gewidmet. Die hierbei aufgetretenen Probleme haben an Aktualität bis zum heutigen Tag nichts verloren. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen derzeit die Soldaten, ihre Angehörigen und die Öffentlichkeit die Ereignisse in Somalia und die erneute verfassungspolitische Debatte anläßlich der Entsendung deutscher Soldaten dorthin. Niemals zuvor war bei den zuletzt zahlreichen erfolgreichen Hilfseinsätzen der Bundeswehr im Ausland die Gefahr, möglicherweise Waffen zur eigenen Verteidigung einsetzen zu müssen, so gegenwärtig wie derzeit in Somalia. Im übrigen habe ich bis heute lediglich eine einzige Eingabe erhalten, nach der sich ein Soldat weigert, in Somalia eingesetzt zu werden. Allerdings kam dieser Soldat für einen solchen Einsatz von vornherein nicht in Betracht. Dies zur Klarstellung, weil ich immer wieder gefragt werde: Wie viele Verweigerungsanträge liegen denn vor? Die öffentliche und parlamentarische Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit auch dieses Einsatzes kam nicht unerwartet. Das alles erfüllt allerdings die Soldaten mit Sorge und Verunsicherung. Sie erwarten Entscheidungen, die sichtbar machen, daß Politik und Öffentlichkeit mit größtmöglichem Konsens hinter ihnen stehen; in welcher Form diese Entscheidung auch ausfallen mag. Eine zentrale und nach wie vor brandaktuelle Forderung in meinem Jahresbericht lautete daher: Der Primat der Politik beinhaltet nicht nur das Recht des Parlamentes, richtungweisende Entscheidungen zu treffen. Politik muß sich vielmehr auch darüber im klaren sein, daß in schwierigen Zeiten Handeln zwingend ist und not tut. Ich meine, das duldet wirklich keinen Aufschub mehr. In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich, daß am heutigen Tage noch der Entwurf eines seit langem notwendigen Auslandsverwendungsgesetzes abschließend beraten wird. ({6}) Es soll den Soldaten und deren Angehörigen eine verbesserte finanzielle Entschädigung bei Unfällen, die Versorgung der Familien sowie eine Zahlung von den Gefahren angepaßten Auslandszuschlägen gewähren. Ich halte es für erfreulich und daher für besonders erwähnenswert, daß, unabhängig von den verfassungspolitisch diskutierten Fragen eines Einsatzes deutscher Soldaten, die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. gemeinsam den Gesetzentwurf vom 20. April 1993 eingebracht haben. Ich meine, das sollte für die Zukunft im Sinne einer konsensfähigen Lösung Schule machen. Die Umsetzung der zur Umstrukturierung der Streitkräfte beschlossenen Maßnahmen gestaltete sich im Berichtsjahr zwangsläufig schwierig. Ein noch am. 15. Dezember 1992 dem Parlament vorgelegtes Stationierungskonzept II erwies sich bereits zu Jahresbeginn 1993 wegen einschneidender Einsparungszwänge im Verteidigungshaushalt als korrekturbedürftig. Inzwischen zeichnet sich 1993 eine Entspannung ab, wenn es auch noch Lücken gibt, die im Interesse der Soldaten rasch geschlossen werden müssen. Der Dienstbetrieb wurde 1992 in vielen Verbänden dadurch erschwert, daß eine einsatzorientierte Dienstgestaltung wegen der Umstellungen nur in eingeschränktem Umfang möglich war. Unbeeinflußt hiervon blieben in erster Linie solche Truppenteile, die mit Auslandseinsätzen beauftragt oder von Umgliederungs- und Auflösungsmaßnahmen nicht betroffen waren. Zu einer planvollen Dienstgestaltung fehlte es in den neuen Bundesländern häufig Wehrbeauftragter Alfred Biehle noch an den materiellen, aber auch an den personellen Voraussetzungen. Hinzu kam erschwerend, daß die finanziellen Einsparungen den Bewegungsspielraum der Verbände bei der Ausbildung zusätzlich einengten - ein Thema zum Stichwort Ausbildung, mit dem sich die Armee künftig noch sehr stark beschäftigen muß. Nichts anderes gilt für die schlechte Beförderungssituation bei einigen Dienstgradgruppen. So können selbst die Leistungsträger der Unteroffiziere innerhalb einer vierjährigen Verpflichtungszeit nicht alle zum Stabsunteroffizier befördert werden. Auch 1 000 neue Planstellen für 1993 lösen beispielsweise das Beförderungsproblem der Feldwebel nicht, von denen im Heer allein 10 000 die Voraussetzung zum nächsthöheren Dienstgrad erfüllen, aber nicht befördert werden können. Das hebt natürlich nicht die Motivation. Die Integration ehemaliger NVA-Soldaten in die Bundeswehr ist beispielhaft gelungen, so meine ich. Viele andere könnten sich daran ein Beispiel nehmen. ({7}) Dagegen - so muß ich feststellen - geht die Integration der Bundeswehr allgemein in die ostdeutsche Bevölkerung und Gesellschaft hinein oft nur zögernd vor sich und stagniert. Die Seßhaftmachung der über 3 000 westdeutschen Soldaten, die in den neuen Bundesländern Dienst leisten, wäre dazu dringend geboten. Nur bei knapp 200 ist dies bisher gelungen: Wohnungsnot, kein Arbeitsplatz; all die Probleme, die bekannt sind. Die in meinem Jahresbericht dargelegten Beispiele haben mich auch zu der Feststellung veranlaßt, daß die Einsatzbereitschaft der Truppe Einbußen erlitten hätte oder gar pauschal vorübergehend in Frage steht. Das kann in einer Übergangsphase letztlich gar nicht anders sein. Es gab sicherlich Mißverständnisse; aber nicht zu Unrecht wird in einer Lagebeurteilung des Heeresamtes, die seinerzeit auch von der Presse aufgegriffen worden war, für 1992 festgestellt: In der Truppenausbildung fand die Diskrepanz zwischen Auftrag und Mitteln ihren deutlichsten Niederschlag. Sie führte zu unzureichender Erziehung und Ausbildung mit der Folge, daß Verbände und Einheiten in der Regel einen den Bedingungen eines Einsatzes genügenden Ausbildungsstand nicht erreichen konnten. Ich füge hinzu: Vollen Konsens gibt es natürlich auch von mir zu der Feststellung des Bundesministers der Verteidigung vom 8. Juni 1993, der zu meinem Jahresbericht Stellung nimmt. Es heißt dort: Zug um Zug werden die umstrukturierten Truppenteile wieder einsatzbereit. Der Generalinspekteur sagte gerade zu diesem Thema bei der Vorstellung der neuen ZDv 10/1 über „Innere Führung" kürzlich in Koblenz u. a.: Einsatzbereit sein heißt auch funktionstüchtig ausgebildet sein. Ich fühle mich hier weitestgehend bestätigt. Daß es da in der Tat noch Mängel gibt, habe ich erst gestern bei meinem Truppenbesuch in Shilo in Kanada wieder ausdrücklich bestätigt bekommen. Mit Bundesminister Rühe bin ich jedoch völlig einig, daß Wiedervereinigung, jüngste deutsche Geschichte, Truppen- und Garnisonsreduzierungen, Abrüstung und Umstrukturierung natürlich Faktoren sind, die zeitweilig die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Es gilt, wie ich meine, rasch die Konsequenzen zu ziehen. Ich füge hinzu, was auch die Soldaten sagen: Gewisse Schallgrenzen sind einfach erreicht. Die Bundeswehr darf nicht weiter Selbstbedienungsladen für finanzielle Wünsche sein, es sei denn, man ändert bzw. reduziert den Auftrag. Anders wird es wohl nicht mehr gehen, wenn man dieser Bundeswehr nicht schweren Schaden zufügen will. Ich bin da ein bißchen in Sorge für die nächsten Monate. Ich bitte um Verständnis, daß ich auf Grund der Kürze der Zeit nur einige Aspekte meines Jahresberichtes unter aktuellem Bezug angesprochen habe. ({8}) Die Soldaten geben immer wieder ihre Bereitschaft zu erkennen, trotz aller Schwierigkeiten ihre Aufträge - auch bei seitherigen humanitären Auslandseinsätzen - pflichtgemäß und engagiert zu erfüllen. Man kann nur ein aufrichtiges Dankeschön für dieses Engagement für unser Land sagen. ({9}) Es bedarf jedoch klarer politischer Vorgaben und langfristig verbindlicher Perspektiven für den einzelnen und damit auch für die Familien der Soldaten, die natürlich genauso betroffen sind. Von der Lösung all dieser Probleme hängt es, so meine ich, entscheidend mit ab, ob sich auch zukünftig solche Soldaten für den Dienst in der Bundeswehr verpflichten, die wir uns alle als Vorgesetzte und beispielgebende Staatsbürger in Uniform wünschen, um dann auch Vorbild für unsere Wehrpflichtigen zu sein. In den letzten Tagen sind weit mehr als 100 Eingaben - in einem Fall mit 133 beigefügten Unterschriften - bei mir eingegangen, in denen die Anfang Juni 1993 in der Truppe bekanntgewordene Kürzung des Entlassungs- und Verpflegungsgeldes für Grundwehrdienstleistende kritisiert wird. Hingewiesen wird hierin nicht nur auf eine zukünftige Disposition über dieses Geld, sondern auch auf bereits eingegangene Verpflichtungen wie Kredite und ähnliches. Ich höre, daß es Bemühungen geben soll, wenigstens noch zum 30. Juni 1993 die volle Auszahlung zu ermöglichen. Ich meine, die Wehrpflichtigen hätten das verdient. ({10}) Aus der Palette vieler Probleme und Sorgen darf ich einige in Erinnerung rufen und für die Soldaten um Beachtung bzw. Lösung auch in diesem Parlament bitten. Ich nenne ohne Wertung in der Priorität die Wohnungsnot in Ost- und Westdeutschland, denn wenn Soldaten versetzt werden und am neuen Standort keine Wohnung haben, gibt es Pendlerehen, gibt Wehrbeauftragter Alfred Biehle es Wochenendehen, und das kann nicht im Sinne der Familienpolitik dieses Landes sein. ({11}) Ich denke an den Beförderungsstau, die Verbesserung der Infrastrukturen besonders in den neuen Bundesländern, die durch weitere Kürzungen natürlich weiter verzögert und in Frage gestellt würden, obwohl es in der Zwischenzeit fast in jeder Garnison eine Baustelle gibt. Ich denke an die sozialverträglichen Lösungen für Versetzungen beim Stationierungskonzept. Da gibt es immer noch welche, die nicht wissen, wo sie in Zukunft hingehören. Auch das muß schnellstens geregelt werden. Ich denke an die Überarbeitung der Dienstzeitregelung. Der Dienstzeiterlaß muß ganz dringend überholt werden, denn hier gibt es viele Irritationen. Ich nenne zumindest mittelfristige Planungssicherheit für die Soldaten, Dienstgerechtigkeit im Rahmen der Wehrgerechtigkeit. Angesichts der zunehmenden Zahl der Wehrdienstverweigerer scheint mir das hohe Priorität zu genießen. Meine ganz besondere Bitte an dieses Parlament: Wenden Sie bitte weitere finanzielle Kürzungen bei Wehrdienstleistenden und bei der gesamten Bundeswehr ab, denn dies würde schweren Schaden hinterlassen. Ich denke auch mit dem Blick auf die rechtsradikalen Vorkommnisse, die es bei der Bundeswehr gibt, an die Verstärkung des politischen Unterrichts in der Bundeswehr, nachdem es viele Lücken auch von den Schulen her gibt. ({12}) Ich denke auch an die Anhebung des Stellenwertes der Vertrauenspersonen in der Truppe; denn hier stellt man immer wieder fest, daß sie sehr häufig Stiefkinder in der Truppe sind. Da kann man nur darum bitten, daß die Vertrauenspersonen die Unterlagen nicht nur im nachhinein zur Kenntnis bekommen, sondern daß sie tatsächlich mitwirken ({13}) und von den Truppenführern eingewiesen werden sowie die notwendigen Unterlagen bekommen und sich diese nicht erst auf schwierigen Umwegen beschaffen müssen. Ich denke auch an die dringende Verabschiedung des neuen Reservistenkonzepts. Ich halte es für ganz wichtig, daß der Stellenwert der Reservisten wiederhergestellt wird ({14}) und das Konzept, das schon vorliegt, verabschiedet wird. Diese Liste ließe sich natürlich fortsetzen. Ich glaube, es ist nicht angebracht, dies bei Vorlage des Berichts nun so umfassend darzustellen. Ich wollte nur ein paar Punkte herausgreifen. Ich komme zum Schluß. Lassen Sie mich drei Feststellungen treffen, die die innere Lage der Bundeswehr knapp kennzeichnen. Erstens. Die Bundeswehr erwartet von der Politik dringend klare und zukunftsweisende verfassungspolitische Entscheidungen für den erweiterten Auftrag möglichst auf der Basis eines weitestgehenden Konsenses. Zweitens. Zur Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gehört auch der Verteidigungswille der Bevölkerung. Die Bundeswehr kann mit Recht erwarten, daß sich die Politik und die Gesellschaft auch öffentlich hinter sie stellt. Nur so kann sie motiviert werden. ({15}) Drittens. Insgesamt für die Bundeswehr gilt den Soldaten Dank und Anerkennung für ihren engagierten Dienst innerhalb und außerhalb unseres Vaterlandes. In diesen Dank beziehe ich die Familien der Soldaten ein; sie wurden 1992 mit 300 Eingaben beim Wehrbeauftragten vorstellig. Dank möchte ich - obwohl nicht zuständig - auch den Zivilbediensteten der Bundeswehr sagen, die bei diesen Debatten meistens nicht so zum Zug kommen, wie sie es eigentlich verdient haben. ({16}) Abschließend gilt mein Dank natürlich den langjährigen Kollegen und dem gesamten Verteidigungsausschuß unter dem Vorsitz von Fritz Wittmann und dem Parlament für die gewohnt gute Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Durchführung meines Auftrags. Auch der Bundesminister der Verteidigung und seine Mitarbeiter verdienen Dank und Anerkennung dafür, daß sie in bewährter Form die Arbeit des Wehrbeauftragten unterstützt und ihn mit den benötigten Informationen versorgt haben. Ihnen, die Sie mir zugehört haben, herzlichen Dank. ({17})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Abgeordnete Frau Vera Wollenberger hat mich gebeten, Sie zu bitten, zuzustimmen, daß sie ihre Rede zu Protokoll geben kann *), weil sie sonst ihren letztmöglichen Flieger nicht mehr erreichen wird. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden. - Dann darf ich das als so beschlossen feststellen. Ich eröffne die Aussprache und darf Ihnen, Herr Minister, das Wort erteilen.

Volker Rühe (Minister:in)

Politiker ID: 11001897

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten ist eine gründliche und auch sachkundige Arbeit. Ich denke, er ist eine wertvolle Hilfe für die Bemühungen der Bundesregierung, die Lage der Streitkräfte weiter zu verbessern. Dafür danke ich dem Kollegen Biehle und seinen Mitarbeitern. Mein Dank gilt ausdrücklich auch für *) Anlage 3 die ausgezeichnete Zusammenarbeit im Berichtsjahr. ({0}) Dies gilt bis hin zu dem gemeinsamen Besuch in Kambodscha wenige Tage, nachdem die Soldaten dort angekommen waren. Er hat eben nicht abgewartet, bis die Beschwerden kommen, sondern ist gleich mit hingegangen, um zu verhindern, daß Beschwerdesituationen überhaupt eintreten. Ich glaube, das ist ein modernes Verständnis vom Amt des Wehrbeauftragten. ({1}) Ich begrüße außerordentlich die Sachlichkeit, die Differenziertheit, das Einfühlungsvermögen und Engagement, mit denen der Wehrbeauftragte die Belange der Soldaten und die der Bundeswehr insgesamt vertritt. Der Wehrbeauftragte spricht auch Gutes und Erfreuliches klar an, wirbt für Verständnis und breite politische und gesellschaftliche Unterstützung für die Soldaten. Gerade deshalb habe ich auch vor seinen kritischen Äußerungen Respekt. Die Anregungen und Vorschläge nehme ich sehr ernst. Der Bericht wird - es ist teilweise schon erfolgt - mit aller Gründlichkeit ausgewertet und, wo immer möglich, rasch in praktische Maßnahmen umgesetzt. Die Darstellungen und Bewertungen des Wehrbeauftragten orientieren sich zu Recht an den Feldern, die die Bundeswehr im Berichtszeitraum besonders in Anspruch genommen haben. Das sind die Umfangsreduzierung und Umgliederung unter den Bedingungen eines immer enger werdenden Finanzrahmens. Ich bin, lieber Kollege Biehle, für ihre aktuellen Bemerkungen besonders dankbar. Die Gestaltung des nächsten Haushalts ist eine Frage schon der nächsten Tage und Wochen. Sie haben zu Recht die komplizierte Lage beschrieben. Ich freue mich über Unterstützung bei diesen schwierigen Verhandlungen, die uns hier bevorstehen. Weitere Schwerpunkte sind der Aufbau der Bundeswehr in den neuen Ländern und das Hineinwachsen in ein verändertes Aufgabenspektrum. Der Wehrbeauftragte hat die Größe und Einmaligkeit dieser Herausforderungen zutreffend gewürdigt. Niemand konnte erwarten, daß die unvergleichlich schwierigen, vielfältigen und vor allem zeitgleichen Herausforderungen ohne Schwierigkeiten und ohne persönliche Härten zu bewältigen gewesen wären. Schließlich haben wir es mit einer Umbruchsituation ohne Beispiel zu tun. Durch die Berichterstattung in den Medien ist allerdings der falsche Eindruck entstanden, als wäre die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr generell gefährdet. Das muß ich zurückweisen. Natürlich sind Truppenteile, die umstrukturiert werden, den Standort wechseln oder vor der Auflösung stehen, nicht oder nur eingeschränkt einsatzbereit. Das ist doch selbstverständlich. Viele Soldaten und ihre Familien erleben tiefe Einschnitte in ihre Lebensplanung, die sie hart treffen, Unruhe erzeugen und sie beeinträchtigen. Dennoch verbieten sich Pauschalurteile, denn sie werden den Soldaten nicht gerecht. Tag für Tag zeigen die Soldaten beim Aufbau der Bundeswehr im Osten und beim Umbau der Streitkräfte in ganz Deutschland hervorragende organisatorische und vor allem auch menschliche Leistungen. ({2}) Lieber Kollege Biehle, in einem Punkt möchte ich Ihnen ganz spontan widersprechen. Ich bin in den letzten Wochen ein- bis zweimal in der Woche auch im Osten gewesen und habe viele Gelöbnisse durchgeführt. Ich habe den Eindruck, daß an manchen Orten, wenn ich an Gera denke, das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Bundeswehr herzlicher ist als in manchen Orten im Westen. Für viele dieser Orte ist die Bundeswehr ein ganz großer Hoffnungsträger. Die Menschen erleben dort, wie sich die Soldaten als Bürger in Uniform in der Kommunalpolitik engagieren - das habe ich in Gera erlebt -, wie sie über die Arbeit in der Kaserne hinaus einfach beim Aufbau Deutschlands helfen. Damit hat sich dort ein Verhältnis entwickelt, das vorbildlich ist und emotional stärker ist als bei manchen Gemeinden in Westdeutschland, die ihre Liebe zur Bundeswehr erst in dem Moment entdeckt haben, als es ihnen an den Geldbeutel gegangen ist. ({3}) Ich habe ein öffentliches Gelöbnis in Halle durchgeführt. Da gab es natürlich Störer, aber die ganz große Mehrheit der Bürger, die dort hingekommen sind, haben ihre Verbundenheit mit der Bundeswehr deutlich gemacht. Ich frage mich, ob es sehr viele vergleichbare Großstädte in Westdeutschland gibt, in denen man in dieser Weise ein solches öffentliches Gelöbnis hätte durchführen können. Ich glaube also, daß wir auf einem guten Weg sind und es enorme Fortschritte in der Annahme der Bundeswehr in Ostdeutschland gibt. Ich wollte an dieser Stelle auch einmal gewürdigt haben, was hier in den letzten zwei, drei Jahren erreicht worden ist. Bei ihren humanitären Einsätzen in Bosnien-Herzegowina, über Ostbosnien, in Kambodscha und jetzt in Somalia stellen die Soldaten der Bundeswehr tagtäglich unter Beweis, daß sie motiviert und professionell ausgebildet sind. Sie brauchen keinen Vergleich mit anderen Armeen zu scheuen. Ich bin dem Wehrbeauftragten dankbar für die deutlichen Worte, mit denen er klare politische Grundlagen für die neuen Aufgaben der Bundeswehr anmahnt. Die Bundesregierung hat das in ihrer Macht Stehende getan, diese Klarheit herbeizuführen und den gebotenen politischen und gesellschaftlichen Konsens zu gewinnen. Erst gestern haben wir eine schwierige Debatte in diesem Hohen Haus erlebt. Obwohl es in meinem Text steht, will ich mich jetzt der Opposition nicht wieder zuwenden. ({4}) Die Deutlichkeit von gestern ist nicht zu überbieten. ({5}) Ich meine wirklich, wir müssen uns bei dem, was wir tun, immer vor Augen halten, was das für die einzelnen Soldaten bedeutet. Ich glaube, es ist ganz großartig, wenn Sie sehen, in welcher Weise sich die deutschen Soldaten in Somalia mit ihrer Aufgabe identifiziert haben. Das ist nicht selbstverständlich, und deswegen sollten wir alles tun, um ihnen deutlich zu machen, ({6}) daß wir in diesem schwierigen Einsatz hinter ihnen stehen. ({7}) Ich begrüße, daß der Wehrbeauftragte dem Aufbau der Bundeswehr in den fünf neuen Ländern so viel kritische Aufmerksamkeit und Sympathie gewidmet hat. Die Verwirklichung der inneren Einheit auch in den Streitkräften hat für die Bundeswehr nach wie vor oberste Priorität. Es ist vielleicht auch der für mich persönlich befriedigendste Teil meiner Tätigkeit, mich dem zuzuwenden und hier Vorbildliches zu leisten; denn wenn ich sehe, welche Schulen und Einrichtungen wir in den Osten verlagern, dann ist die Bundeswehr hier weit vor allem, was große Versicherungen, große Banken und große Unternehmen machen. Darauf sollten wir auch alle miteinander stolz sein. ({8}) Vor allem das große persönliche Engagement der Soldaten aus Ost und West vor Ort trägt zur Überwindung noch bestehender Übergangsschwierigkeiten bei. Man stößt immer wieder auf sehr beeindruckende Beispiele, wenn man sich selbst einmal fragt, ob man bereit wäre, mit seiner Familie, mit Kindern auch kurzfristig hinüberzugehen, und dann sieht, wie sich Soldaten in vorbildlicher Weise hier bei dem Werk, eine Armee der deutschen Einheit zu schaffen, engagiert haben. Aber natürlich schließt das die vom Wehrbeauftragten beobachteten Probleme in Einzelfällen nicht aus. Angesichts der Größe der Aufgaben stimmen Anspruch und Wirklichkeit in einigen Bereichen trotz erheblicher Anstrengungen nicht überein, aber wie könnte es in so kurzer Zeit auch anders sein? Meine Aufgabe ist es, diese Kluft so schnell wie möglich vollständig zu schließen. Wir müssen allerdings angesichts der finanziellen Situation schrittweise vorgehen. Das erfordert auch weiterhin große Einschränkungen und Opfer in den alten Bundesländern zugunsten des Aufbaus im Osten. Die größten Fortschritte sind im menschlichen Miteinander gemacht worden. Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr machen täglich ernst damit, die Teilung durch Teilen zu überwinden. Für sie ist die Armee der Einheit kein leeres Wort. Die grundlegende Umstrukturierung der Bundeswehr hat für viele Soldaten und zivile Mitarbeiter die bisher vielfach gewohnte Planungssicherheit in beruflicher und familiärer Hinsicht stark beeinträchtigt. Ich weiß, daß damit auch Glaubwürdigkeit verlorengegangen ist. Sie gilt es zurückzugewinnen, dies besonders, weil die im Dezember 1992 getroffenen Struktur- und Stationierungsentscheidungen wenige Wochen später wegen der erneuten finanziellen Einschnitte nochmals angepaßt werden mußten. Zur Konsolidierung der Finanzen und zum Aufbau der neuen Bundesländer waren und sind bittere Einschnitte in die Besitzstände aller Ressorts unvermeidlich. Mit Blick auf die soziale Lage der Soldaten, der zivilen Mitarbeiter und ihrer Familien haben wir deshalb Entscheidungen zu Struktur und Stationierung der Bundeswehr so früh wie möglich getroffen. Aber ich räume ein, daß angesichts der Besonderheit der Umstände, der stark verkürzten Zeitabläufe und der gespannten Erwartungen das für viele noch zu spät kam. Es kommt jetzt darauf an, Ruhe in die Truppe zu bekommen, die durch die Umstrukturierung stark belastet ist. Mit der Herausgabe der Verteidigungspolitischen Richtlinien im November letzten Jahres liegt der Auftrag der Bundeswehr fest. Es bleibt auch bei den neuen Strukturen der Streitkräfte und dem planerischen Schwerpunkt bei den Krisenreaktionskräften. Damit haben wir die Basis geschaffen, auf der sich die Bundeswehr schrittweise fortentwickeln kann. Die Bundeswehr muß sich jetzt vor allem anderen erst einmal in ihren neuen Aufgaben entfalten. Der von mir im Dezember 1992 vorgestellte konzeptionelle Grundkurs für die Bundeswehrplanung bleibt gültig. Die vom Wehrbeauftragten angeführten Beispiele falscher Menschenführung und entwürdigender Behandlung sind bedrückend; sie sind jedoch Einzelfälle und kein Symptom für einen grundsätzlichen Trend in der Menschenführung. ({9}) Dies gilt besonders auch für Einzelfälle rechtsradikaler Betätigung. Stets haben die zuständigen Disziplinarvorgesetzten rasch, konsequent und angemessen reagiert. Auch fristlose Entlassungen wurden verfügt, und der Wehrbeauftragte hat dies ausdrücklich gewürdigt. Insgesamt sehe ich die Bundeswehr auf einem guten Weg bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, die in ihrer Dimension denen der Aufstellung der Streitkräfte in den 50er und 60er Jahren nicht nachstehen. Ich stimme mit dem Wehrbeauftragten vollkommen darin überein, daß gerade in solchen Zeiten des Umbruchs geistige Orientierung und besonderes Augenmerk für die soziale Lage des einzelnen Soldaten und seiner Familie vordringlich sind. Wir brauchen einen neuen Grundkonsens in Politik und Öffentlichkeit über Sinn und Funktion unserer Streitkräfte. Dieser Herausforderung müssen wir uns alle stellen. Wenn wir nicht bereit sind, Mitverantwortung für den Schutz der Freiheit, gegen Völkermord, gegen die Mißachtung der Menschenrechte zu übernehmen, dann isolieren wir uns in der Völkergemeinschaft und werden unfähig zur politischen Mitgestaltung Europas in einer veränderten Welt. ({10}) Bundesminister Volker Rahe Von den Soldaten der Bundeswehr verlangen wir, für diese Ziele einzustehen, notfalls mit ihrem Leben. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für die Führung, Ausbildung und Erziehung in den Streitkräften. Das ist aber auch eine Aufgabe, die wir unseren Soldaten nur übertragen können, wenn sie sich auf eine breite Unterstützung verlassen können. Bevölkerung und Parteien müssen hinter der Bundeswehr stehen. Was unsere Soldaten jetzt mehr denn je brauchen, ist Vertrauen - Vertrauen in die Legitimität des Auftrags, Vertrauen in ihre Ausbildung, mit der sie jede Situation bewältigen können, Vertrauen in ihre Ausrüstung, die allen Bedingungen gerecht wird, Vertrauen in das Vorbild ihrer Führer, aber eben auch Vertrauen in die breite Unterstützung durch das Parlament und das deutsche Volk. Ich denke, vor allem darauf hat die Bundeswehr ein Anrecht. ({11}) Das zeigt sich aber auch besonders darin, wie wir uns urn die Menschen in den Streitkräften konkret bemühen. Ich freue mich daher, an dieser Stelle den Entwurf des Auslandsverwendungsgesetzes zur Abstimmung stellen zu können. Das Gesetz ist eine notwendige dienst- und versorgungsrechtliche Voraussetzung zur Wahrnehmung unserer internationalen Verantwortung. Es regelt die Ansprüche, die Bundesbeamte, Soldaten sowie Angehorige der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk bei Teilnahme an einer besonderen Verwendung im internationalen Rahmen nach dem Bundesbesoldungsgesetz, dem Beamten- und dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Wehrsoldgesetz und dem THW-Helferrechtsgesetz haben. Die Regelungen des Auslandsverwendungsgesetzes sind auch als Teil der Anstrengungen und Bemühungen zu sehen, die zur Verwirklichung der humanitären und unterstützenden Maßnahmen im internationalen Rahmen unternommen werden. Sie schaffen versorgungsrechtliche Klarheit für Soldaten, Bundesbeamte und Angehörige des THW in ihrer besonderen Verwendung im internationalen Rahmen. Das Gesetz sieht Regelungen vor, die ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr anspreche; ich denke, sie werden später in der Debatte noch von weiteren Rednern angesprochen werden. Es soll rückwirkend zum 1. Juli 1992 in Kraft treten. Die dienstrechtlichen Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland sind dringlich und ein Gebot der Fürsorge für die im Einsatz stehenden Beamten, Soldaten und Angehörigen des THW. Ich bitte Sie - damit möchte ich schließen -, dem Auslandsverwendungsgesetz mit den vom Innenausschuß vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen zuzustimmen. Sie bringen damit zum Ausdruck, daß auch der Deutsche Bundestag den Mut, das persönliche Engagement und die Einsatzfreude, die für besondere Verwendungen im Ausland unabdingbar sind, anerkennt und würdigt. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Ich erteile nunmehr unserem Kollegen Dieter Heistermann das Wort.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das „Haus Bundeswehr" bedarf dringend der Renovierung. Die Probleme der Bundeswehr liegen nicht im Fassadenbereich, sondern im Inneren. Zu Recht erwarten die Soldaten bei der Umstrukturierung der Bundeswehr, daß ihre persönlichen Belange und die Belange ihrer Familien sach- und zeitgerecht berücksichtigt werden. Da ist in erster Linie der Hausherr, der Bundesminister der Verteidigung, gefragt. Er trägt die politische Verantwortung. Noch immer herrscht große Unsicherheit darüber, in welchen Standorten die Soldaten letztendlich Dienst zu leisten haben werden und wo ihre Familien verbleiben. Lösen Sie, Herr Minister, erst einmal die Probleme im Inneren, bevor Sie über weitere Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Äußeren nachdenken! Schaffen Sie klare Rechtsverhältnisse für unsere Soldaten, denn die müssen den Kopf hinhalten! Es ist doch nicht mehr zu übersehen, welche Instabilitäten sich innerhalb der Bundeswehr ergeben. Noch immer fehlt eine klare Planung der Personalstruktur von 370 000. Immer offenbarer werden die Zielkonflikte bei der weiteren Entwicklung der Bundeswehr. Die Einflußgrößen - Auftrag der Streitkräfte, Umfang und Struktur, Ausrüstung und Haushaltsmittel - sind doch ein magisches Viereck, da jede Veränderung einer dieser Größen die Anpassung von wenigstens einer der anderen unausweichlich macht. Schon heute fragen die Soldaten in der Bundeswehr, aber nicht nur die, wer eigentlich für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich ist. Ist es der Bundeskanzler, ist es der Finanzminister oder noch der Verteidigungsminister? ({0}) Warum kommt es zu dieser Fragestellung? Daß darüber diskutiert wird, hat seine Ursache sicherlich darin, daß der Bundeskanzler selber die Frage aufgeworfen hat, wieviel Soldaten die Bundeswehr künftig haben soll. Der Finanzminister steht auch nicht zurück und kündigt nicht nur tiefe Einschnitte im Bundeshaushalt 1994 an, sondern kürzt den Verteidigungshaushalt beträchtlich. Auf uns hat der Bundesminister der Verteidigung nicht gehört, als wir ihn auf diese Entwicklung hinwiesen. Herr Waigel läßt es ihn nun fühlen. Wird dies nicht unweigerlich dazu führen, daß der Umfang der Streitkräfte, ihre Struktur und die Ausrüstungsgegenstände entscheidend beeinflußt werden? Die Soldaten in der Bundeswehr merken natürlich, daß bei dieser Bundesregierung von einem in sich geschlossenen Konzept für die Gestaltung der Bundeswehr nicht mehr viel vorhanden ist. Klare Entscheidungen fehlen. Das trägt wesentlich zur Demotivierung der Soldaten bei. Es führt zudem dazu, daß sich schon jetzt hochqualifiziertes Personal andere berufliche Tätigkeiten sucht. Schon die in diesem Jahr verfügten globalen Minderausgaben führen zu teilweise beträchtlichen Ein14116 schnitten. Der Bundeswehrplan 1994, auf den nun viele schon warten, wird die Wahrheit und Klarheit der bisherigen Planungen an den Tag bringen. Wir werden sehen, zu welchen Fehlplanungen es bisher gekommen ist, wieviel Geld nutzlos ausgegeben wurde, wie wenig Mittel für den Umbau der Bundeswehr zur Verfügung stehen. Wir sind gespannt darauf, von Ihnen zu erfahren, Herr Minister, welche Planungssicherheit Ihren Überlegungen zugrunde liegt. Wer sich die hohe Bindungswirkung der Verpflichtungsermächtigungen im mittelfristigen Finanzplan anschaut, der erkennt schnell, daß hier nicht nur mit heißer Nadel, sondern ebenso hart auf Rand genäht wurde. Es bleibt Ihnen wenig politischer und finanzieller Spielraum. Auch dafür trägt die Koalition und dafür trägt auch diese Bundesregierung die politische Verantwortung. ({1}) Als Abgeordneter kann ich die Lagebeurteilung der Bundeswehr durch den Herrn Wehrbeauftragten nur bestätigen. Die Soldaten sind verunsichert über das, was auf sie zukommt, und zugleich sauer auf die Politik, die offenbar nicht in der Lage ist, zu einer einvernehmlichen Lösung über den zukünftigen Auftrag der Bundeswehr zu kommen. Um es gleich zu sagen: Die Streitkräfte haben einen Anspruch auf Rechtssicherheit und brauchen Planungssicherheit. Es obliegt dem zuständigen Verteidigungsminister, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. ({2}) Ich wiederhole an dieser Stelle, was wir schon bei vielen Debatten deutlich gemacht haben: Es ist gerade auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie beim Einsatz der Streitkräfte ein breiter Konsens der Politik erforderlich. ({3}) Es ist aber nicht die SPD, die sich von dem zuvor bestehenden parteiübergreifenden Konsens entfernt hat. ({4}) Keine Frage ist, daß die neue Sicherheitslage in Deutschland, in Europa, ja, weltweit eine politische Bestandsaufnahme erfordert. Wir stehen am Beginne eines neuen Abschnittes unserer bisherigen Sicherheitspolitik. Verfassungsgrauzonen müssen deshalb vermieden und ausgeschlossen werden. ({5}) Gerade dies liegt im Interesse der Bundeswehr. Die von der SPD vorgeschlagene Grundgesetzänderung wäre zunächst völlig ausreichend, um die internationale Handlungsfähigkeit der Bundesregierung sicherzustellen. Rund 95 % der Anforderungen wären damit zu erfüllen. Die von uns vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes würde zudem das abdecken, was durch eine Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird. Kampfeinsätze sind dies bisher nicht. Daß sich das Spektrum der Blauhelmmissionen erweitert hat, hat die SPD berücksichtigt. Die Absicherung humanitärer Aktionen zum Schutz der Zivilbevölkerung, von Hilfslieferungen und Waffenstillständen, von UNO-Schutzzonen und UNO-Mandatsgebieten wurden einbezogen. ({6}) Als flankierende Maßnahme gehört allerdings ein Verbot des Rüstungsexports in Staaten außerhalb der NATO dazu, denn es darf nicht sein, daß unsere Soldaten im UNO-Einsatz deutschen Waffen gegenüberstehen. Daß wir bei den Waffenexporten inzwischen wieder die dritte Stelle einnehmen, bedrückt uns in diesem Zusammenhang ganz besonders. ({7}) - Sie sollten die Zeitungsartikel und den Bericht von SIPRI zur Kenntnis nehmen. Sobald, wann auch immer, mit einer Grundgesetzänderung ein neuer Rahmen für Einsätze der Bundeswehr beschlossen ist, muß als nächster Schritt ein Bundeswehraufgabengesetz diesen Rahmen ausfüllen. Diese Forderung hat die SPD zuerst im Zusammenhang mit dem Bericht der Jacobsen-Kommission über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr erhoben, und wir bleiben dabei. In einer Demokratie muß der Einsatz der Streitkräfte zweifelsfrei geregelt sein. Wir fordern die anderen Fraktionen des Hauses auf, an einem solchen Bundeswehraufgabengesetz mitzuarbeiten. Als wahre Fundgrube erweist sich der Jahresbericht des Wehrbeauftragten auch für Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Mangels klarer politischer Vorgaben ordnet auch das BMVg Maßnahmen an, deren Sinnhaftigkeit nicht immer nachvollziehbar ist. So gibt es einerseits Fehlinvestitionen in der Infrastruktur, andererseits fehlen nach wie vor geeignete Wohnungen für die Familien der Soldaten. Da werden Versetzungen verfügt, die, nachdem sie ausgesprochen wurden, schon wieder obsolet sind. Daß bei einem solchen Vorgehen die Stimmung in der Truppe schlecht ist, wen wundert das. Wir unterstreichen deshalb die Kritik des Wehrbeauftragten am unglaublichen Durcheinander der Bundeswehrplanung und der Bundeswehrführung. Die wechselnden Entscheidungen zur künftigen Struktur und über die Beibehaltung oder Schließung von Standorten haben in der Tat zu starker Verunsicherung und zu Unzufriedenheit in der Truppe geführt. Deshalb ist die Forderung der Soldaten, endlich klare Entscheidungen zu treffen, die über den Tag hinaus gelten, nicht nur richtig, sondern unabdingbar. Im Berichtsjahr waren wieder schwerwiegende Entgleisungen von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen zu beklagen. Die charakterlichen Schwächen dieser Vorgesetzen müßten eigentlich viel früher auffallen. Die Anforderungen an die herausragenden charakterlichen Merkmale in Führungsverwendung und Führungsnachwuchs müssen so hoch angesetzt werden, daß die Fehlerquoten weiter verringert werden können. Dafür müssen die beurteilenden Vorgesetzten in der Truppe und auf Lehrgängen Sorge tragen. Seit geraumer Zeit brütet das BMVg auch über eine zeitgerechte Dienstausgleichsregelung. ({8}) Aber zu Potte kommt es nicht. Wir mahnen von dieser Stelle aus auch den angekündigten Bericht an, der dem Verteidigungsausschuß schon längst zugesagt war. Das Hinauszögern von Entscheidungen ist auch hier typisch. Wir werden unseren Antrag nach einer gesetzlichen Dienstzeitregelung im Verteidigungsausschuß und im Parlament zur Abstimmung bringen. Wir sind es ebenso wie die Soldaten leid, immer wieder vertröstet zu werden. Die drastische Reduzierung des Friedensumfangs auf 370 000 Soldaten bis Ende 1994 und die damit verbundene weitreichende Neuorganisation der Streitkräfte führen zu erheblichen Auswirkungen auf Soldaten und zivile Mitarbeiter. Die Bewährungsprobe hierfür muß noch bestanden werden. Die Stimmung bei den zivilen Mitarbeitern ist nicht besser als bei den Soldaten. Besonders wegen der gravierenden sozialen Folgen der zu erwartenden hohen Anzahl von Versetzungen sind flankierende Maßnahmen bei der Wohnungsfürsorge notwendig. Wegen des erheblichen Wohnungsbedarfs der Bundeswehr von ca. 1 800 Wohnungen in den alten Bundesländern und ca. 9 300 Wohnungen in den neuen Bundesländern wurden 1993 erstmals Mittel für die Wohnungsfürsorge der Bundeswehr in den neuen Bundesländern vorgesehen. Diese Maßnahmen wurden durch die haushaltswirtschaftlichen Sperren und globalen Minderausgaben praktisch entwertet. Der ursprünglich angestrebte Entlastungseffekt im Wohnungsbau für Angehörige der Bundeswehr und beim Bau von Bundesdarlehenswohnungen ist damit wieder in Frage gestellt. Die oben genannten Mittel müßten unangetastet bleiben, zumal da auch im Einzelplan 25 des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Haushaltsansätze für den Wohnungsbau gekürzt wurden. Auf Grund dieser Sachlage kann von einer Fürsorge des Bundes gegenüber seinen Soldaten und zivilen Mitarbeitern nicht mehr gesprochen werden. Erschwerend kommt hinzu, daß das Bundesministerium für Finanzen an seiner starren Haltung festhält und freiwerdende Wohnungen der Gaststreitkräfte gar nicht oder nur in sehr geringer Zahl der Bundeswehr überlassen will. ({9}) Diese unbegreifliche Haltung des Bundesministers der Finanzen muß zu Recht gerügt werden. Die Folge der Feststellungen des Wehrbeauftragten, daß selbst die durch die letzte Novelle des Unterhaltssicherungsgesetzes verbesserte Mietbeitragsregelung nicht ausreicht, die hohen Mietkosten zu decken, trifft vor allem die grundwehrpflichtigen Soldaten. Besonders delikat ist deshalb der Hinweis des Wehrbeauftragten, daß sich die Grundwehrdienstleistenden wegen der hohen Mietbelastungen während ihrer Grundwehrdienstzeit teilweise bis zu 5 000 DM verschulden. Wenn man die in diesem Jahr eingetretene Kürzung des Entlassungsgelds mitbetrachtet, kann man ermessen, welche Stimmung bei den Grundwehrdienstleistenden vorherrscht. Ich erinnere hier an den Hinweis des Wehrbeauftragten von vorhin, wie hoch die Zahl der bei ihm eingegangenen Eingaben inzwischen ist. Besonders aufmerksam machen möchte ich auf die versorgungsrechtliche Benachteiligung von ehemaligen NVA-Angehörigen, die als Berufssoldaten in die Bundeswehr übernommen wurden. Diese Soldaten, die erst mit höherem Lebensalter in die Bundeswehr übernommen wurden, erreichen regelmäßig nur ein Mindestruhegehalt von 35 %. Das liegt zum einen daran, daß sie auf Grund der besonderen Altersgrenze relativ früh in den Ruhestand versetzt werden, und zum anderen daran, daß ihre Dienstzeit in der NVA nicht für das Ruhegehalt, sondern nur in bezug auf das Rentenrecht berücksichtigt wird. Nach der derzeitigen Regelung besteht deshalb für die Mindestversorgungsempfänger die Versorgungslücke vom 53. bis zum 65. Lebensjahr. Für alle anderen besteht eine Versorgungslücke vom 53. bis zum 60. Lebensjahr. Zur Beseitigung dieser Versorgungslücke muß aus unserer Sicht § 26 a des Soldatenversorgungsgesetzes umgehend so geändert werden, daß die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bereits ab dem Erreichen der besonderen Altersgrenze unter Einschluß der Mindestversorgungsempfänger gewährt wird. Es ist nicht einzusehen, daß die Mindestversorgungsempfänger, bei denen die Versorgungslücke am gravierendsten ist, von der Regelung gänzlich ausgeschlossen werden. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht hinnehmen. Wir wollen uns um eine interfraktionelle parlamentarische Initiative mit dem Ziel bemühen, diese Versorgungslücke letztlich zu schließen. Zum Schluß meiner Ausführungen einige wenige Anmerkungen zum Auslandsverwendungsgesetz. Trotz wiederholter nachdrücklicher Forderungen aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages war die Bundesregierung erst Anfang April in der Lage, einen ressortabgestimmten Gesetzentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme zuzuleiten. Deshalb beraten wir heute über den von den Bundestagsfraktionen bereits Anfang März gemeinsam auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf für ein Auslandsverwendungsgesetz. Diese gemeinsame Parlamentsinitiative entsprang dem gemeinsamen Willen, ungeachtet der großen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung zumindest im versorgungsrechtlichen Bereich ganz schnell für Rechtssicherheit zu sorgen. Dies ist - das können wir hier wohl gemeinsam festhalten - mit dem gemeinsam vorgelegten Gesetzentwurf gelungen. Mein Kollege Steiner hat bereits bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß es ein in der parla14118 mentarischen Geschichte wohl einmaliger Vorgang ist, daß wir die versorgungsrechtlichen Folgen von Einsätzen regeln, ehe wir uns über deren rechtliche Zulässigkeit verständigt haben. Die politisch offenen Fragen dürfen aber nicht - das ist unsere feste politische Überzeugung - auf dem Rücken von Soldaten ausgetragen werden. Deshalb hat sich die SPD-Bundestagsfraktion gerade in diesen Fragen sehr engagiert. Dies sind wir den Soldaten und ihren Familien schuldig. ({10}) Die hohen Kosten des Wiederaufbaus in den neuen Bundesländern, die Schwäche der Konjunktur und die sozialen Folgen von Arbeitslosigkeit werden tiefe Einschnitte im Bundeshaushalt nach sich ziehen. Auch der Verteidigungshaushalt wird nicht verschont werden können. Gerade die Neuorientierung des Auftrags der Bundeswehr erfordert jetzt zwingend politisches Handeln. Jetzt gilt es eine sicherheitspolitisch tragfähige und sozialverträgliche Anpassung der Höhe des Verteidigungshaushalts vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung selber vorzunehmen. Es ist allemal besser, dies selber zu tun, als durch globale Maßnahmen dazu gezwungen zu werden. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der Verteidigungsminister hierzu den Mut aufbringt. Hoffentlich kann er uns darlegen, auf welcher soliden Finanzgrundlage er die mittelfristige Planungssicherheit erreichen will. Dieses Parlament und die Soldaten der Bundeswehr erwarten von Ihnen, Herr Minister, aber auch eine Antwort darauf, wie die Sicherheitsarchitektur in Europa aussehen und wie die Aufgaben, Funktionen, Umfänge und Strukturen künftiger Streitkräfte ausgelegt werden sollen. Ebenso wird eine Antwort auf die Frage erwartet, wie eine Verbesserung der Kooperation im Bündnis und in Europa erreicht werden kann. Herr Minister, der Umbau des Hauses „Bundeswehr" bedarf der straffen Führung, der klaren Entscheidung, damit die eingeleitete Renovierung zu einem guten Ergebnis führt. Werden Sie dieser Aufgabe gerecht! Lassen Sie mich aus Anlaß der Beratung des Wehrbeauftragtenberichts heute an jenen Mann erinnern, der erst vor wenigen Tagen verstorben ist, nämlich an Graf Baudissin. Er war der Vater des Prinzips der Inneren Führung, um die die Bundeswehr weltweit beneidet wird. Es war mit sein Werk, Bundeswehr und Gesellschaft zu versöhnen. Gegen starke Widerstände setzte er das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform durch. Die innere Verfassung der Bundeswehr und ihre Stellung in Staat und Gesellschaft sind ohne das herausragende Wirken dieses Mannes nicht vorstellbar. Die Soldaten der Bundeswehr und dieses Parlaments schulden diesem Mann Dank und Anerkennung. Wir danken dem Wehrbeauftragten für seinen Bericht und danken ebenso den Mitarbeitern seines Hauses, die hier hervorragend mitgearbeitet haben. Den Bundesminister der Verteidigung bitten wir, allen Soldaten und zivilen Mitarbeitern unseren Dank dafür zu übermitteln, daß sie auch unter erschwerten Bedingungen ihren Dienst zum Wohle unseres Landes geleistet haben. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({11})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Die nächste Rednerin ist unsere Frau Kollegin Claire Marienfeld.

Claire Marienfeld-Czesla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001421, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Jahresbericht 1992 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ist Ausdruck des schwierigen Prozesses, in dem sich die Bundeswehr befindet. Der Aufbau der Bundeswehr in den neuen Bundesländern ist noch nicht abgeschlossen, die Umstrukturierung der Streitkräfte ist noch in vollem Gang, und die sicherheitspolitische Lage mit den Konfliktfeldern in Europa und außerhalb Europas stellen die Bundeswehr vor neue Herausforderungen. Die Soldaten und ihre Familien, aber auch alle Bürger unseres Landes müssen sich darauf einstellen. Ein ambivalentes Denken und Fühlen in bezug auf die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland macht sich breit. Die Bürger und unsere Soldaten wissen, wie sehr die Entwicklung der Demokratien in den osteuropäischen Ländern vor allem unsere Sicherheit beeinflußt. Sicherheit und die damit verbundene Freiheit haben für die Bürger unseres Landes einen sehr hohen Stellenwert. Der Wehrbeauftragte sprach zu Recht davon, daß die Einsatzfähigkeit vor allem von der Verteidigungsbereitschaft der Gesellschaft abhängig ist. Ich denke allerdings, daß die Voraussetzung dafür vor allem das geschlossene Handeln aller im Bundestag vertretenen Fraktionen und auch aller Parteien ist. ({0}) Die gestrige Debatte zeigte dort deutliche Differenzen. Wir tragen Verantwortung gegenüber der UNO, der NATO und der Völkergemeinschaft. Diskussionen über den Auftrag und die Verpflichtung im Rahmen des Bündnisses tragen deshalb erheblich zur Verunsicherung unserer Soldaten und ihrer Familien bei. ({1}) - Ich komme gleich auf die Schuldigen. Ich werde Ihnen das gleich vortragen. Der Bericht des Wehrbeauftragten unterscheidet sich sehr deutlich von den vorangegangenen Berichten: Während es in den vorangegangenen Berichten überwiegend Mängel und Defizite waren, die als Beschwerden beim Wehrbeauftragten einkamen, stellt der Wehrbeauftragte in diesem Bericht ein Defizit der Politik fest. Er hebt hervor, daß nicht erwartet werden könne, daß die Bundeswehr EinsatzDeutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 164. Sitz mg. Bonn, Freitag, den 18. Juni 1993 14119 willen und Motivation zeige, solange in Bonn über die Verfassungsmäßigkeit von Einsätzen und über künftige Aufgaben debattiert werde. Die Verweigerungshaltung und das Verwirrspiel der SPD haben uns in diese Situation gebracht. ({2}) Die Zerstrittenheit der SPD in der Frage des künftigen Einsatzes der Bundeswehr wird in den Beschlüssen und Aussagen der letzten Monate deutlich. Nur eine ganz kleine Vorstellung: Auf dem Sonderparteitag der SPD im November 1992 - Herr Verheugen hört schon ganz aufmerksam zu; ich zitiere sogleich auch ihn -({3}) hatte die SPD friedensschaffende Blauhelmeinsätze der Bundeswehr abgelehnt. ({4}) Bereits am 13. Dezember, drei Wochen später, erklärte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Gansel: ({5}) Ich bin für eine klare Revision der Position meiner Partei, aber davon muß die SPD überzeugt sein. ({6}) Während des Bonn-Besuches des UNO-Generalsekretärs Boutros-Ghali erklärte Herr Verheugen, der außenpolitische Sprecher: Die SPD muß ihre Position überdenken, ({7}) falls sich herausstellen sollte, daß die UNO etwas anderes erwartet, als wir bisher angenommen haben. ({8}) Herr Verheugen und meine Damen und Herren von der SPD: Die UNO hat klar definiert, was sie von uns erwartet, und ihre Erwartungen vorgetragen. Sie brauchen nur zu handeln. Sie hätten dies gestern tun können. ({9}) Auch der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Walter Kolbow, forderte am 13. Januar 1993, man sollte in der SPD dazu kommen, für die in der UNO-Charta vorgesehenen Pflichten friedensschaffenden Maßnahmen zur Verfügung zu stehen. ({10}) Er ist heute leider nicht da. Das sind die Forderungen. Was sollen Bürger, was sollen Soldaten und was sollen vor allem die Familien der Soldaten von dieser Haltung denken? Die völlige Zerstrittenheit der SPD zeigte sich auch in den Reaktionen auf die von der Bundesregierung eingebrachten Vorschläge zur Verfassungsänderung. ({11})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Kollegin, bevor Sie darauf eingehen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Horn?

Claire Marienfeld-Czesla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001421, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Herr Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Marienfeld, ich bin beinahe beleidigt, daß Sie jetzt nahezu alle Sozialdemokraten zitiert haben, nur ({0}) nur nicht mich. - Ja, genau. ({1}) - Meinen Sie: Maître de plaisir? Aber sagen Sie einmal: Wenn Sie hier auf die Widersprüche innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion aufmerksam machen, wäre dann nicht die einmalige Situation erklärungsbedürftig, daß der Vizekanzler den Bundeskanzler beim Bundesverfassungsgericht verklagte, eine Situation, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt als „Affentheater" bezeichnet hat? ({2})

Claire Marienfeld-Czesla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001421, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich teile die Meinung des ehemaligen Bundeskanzlers nicht. ({0}) - So ist es. Ihre Stimme, die Stimme Ihrer Fraktion wird hier gefordert. Um nichts anderes geht es. Die Bereitschaft der F.D.P. ist vorhanden. Es ist keine Lösung, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um sich zur Verantwortung gegenüber der Völkergemeinschaft zu bekennen. ({1}) Die Umstrukturierung der Bundeswehr hat zu einem Personalabbau von 30 000 Soldaten im Berichtszeitraum geführt, mit allen Problemen, die damit verbunden sind. Ich leugne nicht, daß es da Probleme gab und gibt. Abbau und Umbau erfordern von den betroffenen Soldaten und ihren Familien viel Verständnis und bedeuten für nicht wenige große Härten. Gerade bei den Unteroffizieren, deren Frauen nicht selten berufstätig sind, treffen Versetzungen tief. Fehlender Wohnraum und mangelnde Arbeitsplätze begünstigen nicht gerade eine Entscheidung für einen Umzug in den neuen Einsatzort des Soldaten. Wir können dies dem Betroffenen nicht ersparen, aber wir müssen natürlich dafür Sorge tragen, daß das erträglich wird. Ich denke, die in den Haushalt eingestellten Finanzmittel, die gerade dem Wohnungsbau in den neuen Bundesländern zugute kommen, sind eine Erleichterung. Wir müssen aber auch - und das möchte ich von dieser Stelle aus tun; ich habe das schon im Ausschuß mit Nachdruck vertreten - den Finanzminister auffordern, bei der Vergabe des freiwerdenden Wohnraums der Alliierten ganz besonders an die Belange der Soldaten zu denken. ({2}) - Nicht nur da. Aber da gibt es ja wahrscheinlich Spielräume, vor allem in den Ballungsgebieten. Ich denke, hier muß man den Verpflichtungen, die die Soldaten haben und die häufige Umzüge mit sich bringen, Rechnung tragen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Kollegin Marienfeld, Sie haben Ihre Redezeit längst weit überschritten. Die Zeit für die Zwischenfrage haben wir natürlich nicht gerechnet. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.

Claire Marienfeld-Czesla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001421, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich noch einen Satz sagen, der mir sehr am Herzen liegt. Bei der Motivation der Wehrpflichtigen spielt vor allem die Gleichwertigkeit der Dienste eine Rolle. Ich bin sehr betrübt darüber, daß in weiten Teilen der Bevölkerung der Zivildienst größere Anerkennung findet als der Wehrdienst, und das, obwohl - das muß man sagen, ohne hier zwei Gruppen gegeneinander ausspielen zu wollen - wirklich nur 2 % der jungen Männer, die Zivildienst leisten, in den sogenannten Vorzeigebereichen sind, also schwere Dienste zu leisten haben, etwa in Krankenhäusern und Altenheimen. Ich denke, es ist ein gemeinsames Anliegen, dies verbessern zu helfen. ({0}) Herr Wehrbeauftragter, ich danke Ihnen im Namen der CDU/CSU-Fraktion herzlich für Ihren Bericht. Ich bitte Sie, das auch an Ihre Mitarbeiter weiterzugeben, über die hinaus, die hier anwesend sind. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Ich erteile unserem Kollegen Günther Nolting das Wort. ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr als 8 000 Eingaben im Jahr 1992 beim Wehrbeauftragten machen, glaube ich, sehr deutlich, wie wichtig die Institution des Wehrbeauftragten gerade in Umbruchzeiten für die Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien ist. Dies gilt für Soldaten und Soldatinnen wie für zivile Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. ({0}) Der aufmerksame Leser des Berichts muß allerdings - aus meiner Sicht zumindest - sehr nachdenklich werden; denn der Verbindungsstrang, der Kommunikationsstrang zwischen Politik und Bundeswehr scheint sehr dünn geworden zu sein. Viele Soldaten können nicht mehr verstehen, was hier in Bonn geschieht. Viele Soldaten verstehen die Diskussion und die Entscheidungen, die wir hier im Parlament treffen, nicht mehr. Vieles ist nicht mehr nachvollziehbar. Die früheren Jahresberichte, die der Wehrbeauftragte vorgelegt hat, waren zum überwiegenden Teil Mängelberichte. Der jetzige Bericht aber schildert verstärkt Probleme und Anliegen, die direkte Reaktionen auf Entscheidungen der Politik sind. Der Wehrbeauftragte hat hier über den Primat der Politik und davon gesprochen, daß hier gehandelt werden muß, daß Handeln zwingend ist und not tut. Herr Wehrbeauftragter, ich sage aus der Sicht der F.D.P.-Fraktion dazu: Sie haben recht. Lassen Sie uns, liebe Kollegen auch von der Opposition, aufhören, zu reden! Handeln wir endlich! ({1}) Hierzu spreche ich speziell die Opposition an: Sie tragen hier in diesem Parlament mit uns gemeinsam Verantwortung. Wie ich es bereits bei der Debatte des Jahresberichtes 1991 zum Thema Grundgesetzänderung behandelt habe, spreche ich Sie auch heute direkt an: Besinnen Sie sich endlich auf eine realistische Sicht der Dinge! Stimmen Sie einer umfassenden klaren gesetzlichen Grundgesetzregelung zu! ({2}) Schaffen Sie mit uns eindeutige Rechtssicherheit für weitergehende UNO-Mandate! ({3}) Sichern Sie dem Parlament auf der anderen Seite auch ein gesetzlich fixiertes Mitspracherecht zu. ({4}) Auch das sind unsere Vorstellungen dazu. ({5}) Die Vorschläge der F.D.P. und der CDU/CSU liegen seit mehreren Monaten auf dem Tisch. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie dürfen sich hier nicht länger verweigern. In diesem Punkt dürfen parteitaktische Überlegungen keine Rolle spielen, ({6}) sondern ich sage es noch einmal: Es geht hier neben der Rechtssicherheit für unsere Soldaten um das Ansehen unseres Landes als eines souveränen Mitgliedes der Völkergemeinschaft. ({7}) Der ständige Gang nach Karlsruhe, den Sie auch jetzt wieder wählen, kann und darf nicht politisches Handeln ersetzen. ({8}) Auch Sie in der Opposition, Herr Kollege, sind gewählt worden, um politische Entscheidungen zu treffen. Ich sage gleichzeitig: Sie dürfen Ihre Auseinandersetzungen, die Sie innerhalb Ihrer Partei zur Zeit austragen, nicht auf dem Rücken der Soldaten austragen. ({9}) Unsere Soldaten brauchen den Rückhalt des gesamten Parlaments. ({10}) Sie wissen ganz genau: Ihr Antrag reicht nicht aus. Wir wollen und dürfen keine Grauzonen schaffen. Und Sie wissen ganz genau, daß die UN-Charta eine Trennung, wie Sie die wollen, überhaupt nicht vorsieht. ({11}) Einen breiten Raum im Bericht nehmen die Probleme ein, die sich für viele Bundeswehrangehörige aus der Verkleinerung und Umstrukturierung der Bundeswehr ergeben. Jedem von uns war am Beginn des Prozesses der Zusammenführung beider deutschen Armeen und der Neustrukturierung der gesamtdeutschen Bundeswehr klar, daß auch bei aller politischen Begleitung und sozialen Abfederung dieser gigantische Prozeß nicht ohne Verwerfungen und persönliche Härten würde abgehen können. Das sehen auch unsere Soldaten so, und sie haben zu einem Großteil Verständnis dafür. Ich würde mir dies auch für andere Berufszweige wünschen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Irmer?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Für den Kollegen Irmer immer; unter der Voraussetzung, daß das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Bitte, Herr Kollege Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, wie finden Sie es eigentlich, daß aus der Opposition jetzt gerufen wird „AWACS", offensichtlich als eine Anspielung darauf, daß die F.D.P. in der Sache AWACS genötigt war, zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, daß dies aber ganz offenkundig doch nur deshalb notwendig wurde, weil sich die Opposition eben der Grundgesetzänderung verweigert hat? ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich kann dies, Herr Kollege Irmer, nur bestätigen. Auch in dieser Frage hat sich gezeigt, daß die SPD einen Gang beschritten hat, den man hätte vermeiden können, wenn wir eine Grundgesetzänderung schon längst durchgeführt hätten. ({0}) An dieser Stelle, Herr Kollege Verheugen, bitte ich Sie wirklich noch einmal, bei allem Trennenden zu überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, eine Grundgesetzänderung herbeizuführen, um Rechtssicherheit zu schaffen, um erweiterte UNO-Mandate wahrnehmen zu können, wie sie an uns herangetragen werden und auch in Zukunft noch herangetragen werden. Ich möchte dabei auch sagen, Herr Kollege Irmer, daß wir damit ja verhindern wollen, daß es zu Grauzonen kommt, die immer wieder auftreten. Wir wollen ja erreichen, daß wir den verstärkten Aufgaben, die an uns herangetragen werden, nachkommen können. ({1})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Kollege Nolting, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Verheugen?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Für den Kollegen Verheugen selbstverständlich, obwohl ich, Herr Präsident, dazu sagen muß, daß die SPD gestern nicht bereit und offensichtlich nicht in der Lage war, eine Zwischenfrage von mir zuzulassen. Aber so sind wir eben.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich, Herr Kollege. Ich konnte gestern nicht dabei sein. Ich möchte Sie fragen, ob Sie bestätigen können, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bereits vor mehr als einem Jahr dem Deutschen Bundestag einen Vorschlag zur Anderung des Grundgesetzes vorgelegt hat, mit dem die von Ihnen eben eingeforderte Rechtsklarheit herbeigeführt würde. ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Verheugen, ich kann dies bestätigen. Sie haben einen Antrag eingereicht. Aber ich sage noch einmal - ich glaube, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen -: Dieser Antrag kann nicht ausreichen, weil Sie mit diesem Antrag wieder Grauzonen schaffen und weil wir z. B. in Ihrem Antrag sehen, daß Sie zwischen friedenserhaltenden und friedensschaffenden Maßnahmen unterscheiden. Sie wissen ganz genau, daß es bei Einsätzen im Rahmen der UNO hier sehr schnell zu Verwischungen kommen kann. Ich möchte nicht, daß wir Soldaten im Einsatz unter UNO-Mandat haben und es plötzlich heißt, der eigentliche Auftrag und die eigentliche Beschlußlage, wie sie im Deutschen Bundestag im Sinne einer Grundgesetzänderung vorgenommen wurde, reicht nicht aus. Wir müßten dann plötzlich unsere Soldaten aus einem Auftrag zurückziehen. Das kann auch nicht in Ihrem Interesse liegen. Das kann auch nicht im Interesse Deutschlands innerhalb dieser Völkergemeinschaft liegen. Ich denke, auch Sie müssen ein Interesse haben, daß wir nicht in eine außenpolitische Isolation geraten können, deren Eintreten ich für den Fall befürchte, daß wir Ihren Antrag annehmen. ({0}) Und wenn Sie nicht in der Lage sind - lassen Sie mich das zu Ende führen, Herr Kollege Verheugen -, hier mit uns gemeinsam zu einem Kompromiß zu kommen, ({1}) dann bitte ich Sie, zuzustimmen, daß wir hier im Deutschen Bundestag eine offene Diskussion wie zu dem § 218 oder zur Frage „Bonn oder Berlin?" führen und zu einer offenen Abstimmung kommen, damit auch jene Kollegen aus Ihrer Fraktion, die heute schon dem Antrag der CDU/CSU und der F.D.P. zustimmen könnten, hier frei entscheiden können. Das ist meine herzliche Bitte heute an diesem Tag. ({2}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eines sagen, und zwar sehr kritisch: Wir müssen aufpassen, daß wir politisch nicht unglaubwürdig werden, was den gesamten Bereich Verteidigungspolitik anbelangt. Herr Minister, wir brauchen dringend Rahmenrichtlinien für die weitere Zukunft der Bundeswehr und klare Entscheidungen, wie die Streitkräfte in nächster und mittelfristiger Zukunft aussehen sollen. Ich mahne an dieser Stelle noch einmal den überfälligen Bundeswehrplan an. Dazu gehört auch eine vernünftige und solide Finanzausstattung. Wir brauchen auch hier berechenbare Größen, die für lange Zeiträume gelten. Dies sind wir unseren Soldaten, aber auch unseren Bürgern schuldig. Lassen Sie mich zum Abschluß das Auslandsverwendungsgesetz ansprechen. Wir haben hier Rechtssicherheit im sozialen Bereich geschaffen. Die Absicht unserer Politik, deutsche Soldaten an internationalen Aufgaben teilhaben zu lassen, erfordert seit langem eine unmißverständliche Klarheit über soziale Absicherung. An die Stelle der bisherigen administrativen Regelungen treten jetzt endlich klare gesetzliche und damit einklagbare Ansprüche. Als F.D.P. haben wir dies immer wieder gefordert. Für uns war es nicht akzeptabel, daß eventuelle Entschädigungsleistungen nach einem Kann-Prinzip zu zahlen seien. Die Absicht, Details über mögliche Ansprüche in Verwaltungsverordnungen festzuschreiben, war uns nicht genug. Die Soldaten, die bei internationalen Missionen möglicherweise Gesundheit und Leben riskieren, aber auch ihre Angehörigen haben einen Anspruch auf genau festgelegte gesetzliche Regelungen. Dabei muß die Beweislast beim Dienstherrn und nicht beim eingesetzten Soldaten und seinen Angehörigen liegen. Wir haben dies umgesetzt. Dies werte ich als Erfolg, als Erfolg für uns, aber vor allen Dingen auch als Erfolg für unsere Soldaten. ({3}) Ich bin froh, daß wir dieses Gesetz hier heute verabschieden können. Ich bitte um eine breite Unterstützung. Ich will mich zum Abschluß beim Herrn Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für die Unterstützung im vergangenen Jahr bedanken. Ich will mich aber auch bei unseren Soldaten bedanken, unabhängig davon, ob sie im Inland ihren Aufgaben nachkommen oder aber ob sie als Botschafter in Uniform im Ausland ihren Dienst tun. ({4}) Ich hoffe, daß ich bei den nächsten Beratungen die Opposition in meinen Dank mit einbeziehen kann. ({5}) Herr Kollege Heistermann, Sie haben hier die finanzielle Enge des Verteidigungshaushaltes beklagt. Nur, wenn ich daran erinnere, welche Anträge Sie in den zurückliegenden Wochen und Monaten gerade zum Verteidigungshaushalt gestellt haben, dann kann ich mich nur fragen: Wie wollen Sie diesen Spagat der geneigten Öffentlichkeit und den Zuhörern eigentlich erklären? Zur Verunsicherung will ich Ihnen zum Abschluß noch eines sagen: Wenn neben den Kürzungen, die Sie gerade im Bereich des Verteidigungshaushalts immer wieder fordern, außerdem noch Forderungen kommen, die Bundeswehr weiter drastisch auf 200 000 Mann zu verkleinern, wie jetzt gerade wieder der Kollege Opel gefordert hat, dann sind gerade Sie es von der Opposition, die immer wieder Verunsicherung in die Bundeswehr hineintragen. Darüber bitte ich Sie in Zukunft wirklich einmal nachzudenken, bevor Sie hier solche Vorwürfe gegen die Regierung und gegen die Koalition erheben. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letzte Rednerin in dieser Debatte ist unsere Kollegin Frau Erika Steinbach-Hermann.

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland muß seiner neuen Rolle in einer veränderten Weltordnung gerecht werden und mehr internationale Verantwortung übernehmen. Ein Anfang, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist getan: Deutsche Soldaten, Beamte und auch Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks beteiligen sich bereits seit einiger Zeit an humanitären Einsätzen im Ausland. Den Männern und Frauen in diesen Einsätzen gebührt unser ganz ausdrücklicher Dank und unsere Anerkennung. ({0}) Doch mit Dankesworten allein ist es nicht getan; denn wir wissen, daß diese Einsätze nicht immer frei von Risiken sind und daß Gefahren drohen. Der Überfall auf die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks in Somalia vor einigen Wochen hat dies noch einmal ganz deutlich aufgezeigt. Das mindeste also, was wir für diese Männer und Frauen tun können, die im Dienste Deutschlands bei Hilfseinsätzen im Ausland für uns und andere tätig sind, ist, sicherzustellen, daß hierfür ein angemessener finanzieller Ausgleich geleistet wird, wenn Gefahren drohen. Außerdem müssen sie ausreichend abgesichert sein. Sie müssen also im Falle von Schädigungen an Leib oder Leben einen Rechtsanspruch auf eine angemessene Entschädigung für sich oder ihre Familie haben können. Bis heute ist das leider nicht der Fall - ein für die im Ausland schon jetzt tätigen Soldaten, Beamten und auch Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks unhaltbarer Zustand, der schleunigst auch rückwirkend geändert werden muß. ({1}) Deshalb liegt jetzt das Gesetz über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland zur Beschlußfassung vor. Damit sollen im Bundesbesoldungsgesetz, im Wehrsoldgesetz, im Beamtenversorgungsgesetz, im Soldatenversorgungsgesetz und im THW-Helferrechtsgesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß ein zusätzlicher Auslandsverwendungszuschlag gezahlt werden kann und daß im Falle eines Unfalles oder einer Erkrankung eine angemessene Entschädigung ausgezahlt wird. Meine Damen und Herren, wir wissen, daß wir den Menschen, die mit Auslandseinsätzen betraut sind, viel zumuten. Doch diese Einsätze sind notwendig, und es ist ebenso notwendig, daß sich die Bundesrepublik Deutschland daran beteiligt. Wir haben nun die Pflicht gegenüber diesen Bürgern unseres Landes, die daran jetzt beteiligt sind oder später zu ähnlichen Einsätzen herangezogen werden, so schnell wie möglich für ihre Absicherung zu sorgen. Das vorliegende Gesetz ist überfällig, und deshalb soll es rückwirkend ab 1. Juli 1992 Gültigkeit haben. Die Kürze meiner Redezeit läßt es nicht zu, daß ich mich mit den Detailregelungen dieser gesetzlichen Versorgung beschäftige; aber im Grundsatz habe ich alles dargelegt. ({2}) Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Debatte. Der Jahresbericht 1992 des Wehrbeauftragten auf Drucksache 12/4600 soll an den Verteidigungsausschuß überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über das Auslandsverwendungsgesetz. Auf den drei Drucksachen 12/4749, 12/4989 und 12/5142 sind die Bestimmungen niedergelegt. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung angenommen. Ich möchte am Schluß dieser Debatte und dieses Tagesordnungspunktes sagen: Herr Wehrbeauftragter, von allen Fraktionen dieses Hauses ist Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die Arbeit, die Sie geleistet haben, gedankt worden. Ich glaube, wir können als Präsidium feststellen: Der Dank des ganzen Hauses gebührt Ihnen für Ihre schwierige Tätigkeit, die Sie wahrzunehmen haben. ({3}) Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Zusatzpunkte 6 und 7 unserer Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. April 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa - Drucksache 12/4273 - ({4}) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({5}) - Drucksache 12/5114 Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Francke ({6}) Dr. Eberhard Brecht Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Ungarn - Drucksache 12/4274 - ({7}) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Polen -- Drucksache 12/4275 - ({8}) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({9}) - Drucksache 12/5155 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Rudolf Sprung Dr. Uwe Jens Vizepräsident Helmuth Becker Nun haben alle vorgesehenen Redner angekündigt, daß sie ihre Reden zu Protokoll geben wollen.*) Ich brauche dazu aber das Einverständnis des Hauses. Das möchte ich gerne herstellen. - Ich stelle fest, dieses Einverständnis ist gegeben. Dann kommen wir zur Abstimmung: Einzelberatung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Vertrag mit Rumänien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa auf Drucksache 12/4273. Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/5114, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wir können es von hier übersehen: Es ist einstimmig so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzent- *) Anlage 4 wurf zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Republik Ungarn. Ich rufe den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen wollen, sich zu erheben. - Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzentwurf zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Republik Polen auf den Drucksachen 12/4275 und 12/5155. Ich rufe den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, 23. Juni 1993, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.