Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/15/1991

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Ich eröffne die Sitzung. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen - Drucksachen 12/103, 12/204, 12/216 Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses ({0}) - Drucksache 12/255 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Herta Däubler-Gmelin Herbert Helmrich ({1}) b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen ({2}) - Drucksachen 12/105, 12/205, 12/214 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3}) - Drucksache 12/254 Berichterstatter: Abgeordnete Hans-Joachim Hacker Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Frhr. Wolfgang v. Stetten ({4}) Die Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses zu den beiden Gesetzentwürfen sind rechtzeitig verteilt worden. Der Ausschuß hat beschlossen, seinen Bericht zu dem zuerst genannten Gesetz mündlich zu erstatten. Interfraktionell ist vereinbart, daß dies im Rahmen der Debattenbeiträge erfolgt. Zu den Gesetzentwürfen liegen Entschließungsanträge der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 12/246 und 12/265 und der Gruppe der PDS/Linke Liste auf den Drucksachen 12/237 und 12/243 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und mehrere Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Meine Damen und Herren, interfraktionell sind für die Debatte zwei Stunden vereinbart worden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann können wir beginnen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Helmrich.

Herbert Helmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000862, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zu berichten und gleichzeitig auch die Debatte zu führen über das Gesetz, bei dem es darum, Hemmnisse bei der Privatisierung von Volkseigentum zu beseitigen, um die Beseitigung von Hemmnissen bei der Rückgabe von enteignetem Vermögen und von Vermögen, das unter staatliche Verwaltung gestellt worden ist, sowie um die Förderung von Investitionen geht. Diese Regelungen umfassen viele Details, die den Umstrukturierungsprozeß von der zentral gelenkten Verwaltungswirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft, die nach unserem Grundgesetz auf Privateigentum basiert, fördern sollen. In diesem Prozeß dauert alles allen zu lange. Wer sich in den neuen Bundesländern umgesehen hat, wer mit den Rückgabeberechtigten und mit den Betroffenen gesprochen hat, weiß, daß der Unmut groß ist. Ich nenne hierfür von den vielfältigen Gründen nur drei Komplexe: Zunächst liegt es am Umgang mit den neuen Gesetzen. Hierzu muß man auch wissen, daß die früheren Vorschriften der DDR nach dem Einigungsvertrag in den fünf neuen Ländern teilweise noch als Landesrecht weitergelten. Hier konnten längst noch nicht alle Unstimmigkeiten in den Fällen beseitigt werden, in denen Verfahrens- und Wirtschaftsabläufe betroffen sind, die sich zum Teil auch nach den Gesetzen richten, die wir mit dem Einigungsvertrag in die neuen Länder übertragen haben. Die Verwaltungen in den neuen Bundesländern haben es also, salopp gesagt, mit Mischgesetzen zu tun. Ferner liegen die Probleme darin, daß die gesamten Behördenstrukturen zur Zeit teils verändert, teils neu aufgebaut werden. Hierzu ist auch Personalhilfe aus den alten Bundesländern nötig. Dazu geschieht von Bonn aus viel. Ich nehme an, daß der Justizminister dazu noch etwas sagen wird. Ich habe bei meinen vielen Aufenthalten in den neuen Bundesländern, die ich auch unternommen habe, um mich über die Bewältigung dieser Probleme durch das zu verabschiedende Gesetz zu informieren, viel Bereitschaft und Engagement gefunden, Unkenntnis und Unsicherheit beim Entscheiden zu überwinden. Aber - das darf ebenfalls nicht verschwiegen werden - ich habe auch Unwilligkeit erlebt, die Entscheidungen verschleppt und verzögert. Schließlich sind es in der Tat zum Teil zu komplizierte und zeitaufwendige Verfahrensabläufe, die es, soweit dies nach rechtsstaatlichen Prinzipien möglich ist, zu vereinfachen gilt. Es liegt auf der Hand, daß diese zahlreichen Probleme nur zum Teil durch gesetzliche Regelungen gelöst werden können. Soweit uns dies auf Anhieb möglich erscheint, versuchen wir es mit dem vorliegenden Artikelgesetz. Zunächst acht Beispiele, die vom Verwaltungsalltag drüben berichten. Ich muß Ihnen sagen, daß die Beispiele Hemmnisse betreffen, die abgebaut werden müssen, die aber nicht in den Schlagzeilen stehen, die nichts mit Prinzipienumkehr und ähnlichem zu tun haben, die jedoch den Menschen drüben das Leben schwermachen. Erstens. Das Grundstücksverkehrsgesetz der DDR gilt noch weiter. Hier gab es viele Mißverständnisse und Mißinterpretationen bis hin zu Zweifeln an der Gültigkeit der alten Grundstücksverkehrsgenehmigungen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf werden die Zweifel beseitigt und wird der Grundbuchvollzug jetzt endgültig sichergestellt. Zweitens zur Grundbuchordnung: Die Altbestände, die in Archiven untergebracht sind, insbesondere in Barby, lagern dort nach dem Archivrecht. Jetzt wird sichergestellt, daß unsere Grundbuchordnung teilweise auch dort in den Archiven Anwendung findet. Das Herstellen von Abschriften und die Einsicht in die dortigen Archive erhalten eine klare gesetzliche Grundlage. Drittens zum Handelsregister: Für die Wiederanmeldung früherer Einzelfirmen oder Gesellschaften wird jetzt ein Quorum von mehr als 50 % der Anteilseigner verlangt. Damit soll vermieden werden, daß Minderheiten, die keinen ernsthaften Rückgabewillen haben, Verfahren erschweren oder gar blockieren. Viertens zum Wohnungseigentumsgesetz: Nach den Prinzipien unseres Eigentumsrechts wollen wir erreichen, daß auch dort Wohnungseigentum gebildet werden kann. Dies scheitert zur Zeit daran, daß die dazu nötige Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht erteilt werden kann, und zwar deshalb nicht, weil diese Abgeschlossenheitsbescheinigungen erfordern, daß die Wohnungen nach unserem Bauordnungsrecht gebaut worden sind. Wie hätte das geschehen können? Also müssen wir die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Abgeschlossenheitsbescheinigungen enger fassen; dies geschieht für Wohnungstrennwände und für Wohnungsdecken. Um aber Spekulationen einzuschränken und zurückzudrängen, haben wir diese Vorschrift zeitlich befristet. Sie gilt nur bis zum 31. Dezember 1996, und sie ist auf den Altbestand beschränkt, bezieht sich also nicht auf den neu entstehenden Bestand. Fünftens. Zur Verordnung über Produktionsgenossenschaften und Einkaufs- und Liefergenossenschaften: Hier gibt es Bilanzerleichterungen, Erleichterungen im Genossenschaftsregister und im Grundbuchverkehr, Umwandlungserleichterungen und Erleichterungen bei den Pflichtprüfungen. Ähnliches werden wir in der nächsten Woche auch im Landwirtschaftsanpassungsgesetz machen. Sechstens. Eine ganz wichtige Erleichterung ist die Ausschlußklausel für den Übernahmezwang bei Altlasten. Hier können die zuständigen Behörden, also insbesondere die der neuen Länder, die Erwerber, Besitzer und Investoren von den Altlasten freistellen. In den Problembereichen kann dies zu einem Investitionsschub und zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Siebtens. Ein ganz wichtiger Gegenstand ist ein neues Gesetz, das Vermögenszuordnungsgesetz heißt. In den neuen Ländern sind Eigentumsrechte an Grundstücken auch unter den öffentlichen Händen, also zwischen Gemeinden, Landkreisen, Ländern und Bund, streitig. Diese Streitigkeiten um das Eigentumsrecht führen dazu, daß die Verfügbarkeit von Grundstücken verhindert wird. Das soll nicht sein; wir haben deshalb dafür gesorgt, daß ein klarer Anknüpfungspunkt im Grundbuch jetzt dazu führen kann, daß das Grundstück dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung gestellt wird und daß sich Bund, Länder und Gemeinden dann um den hinterlegten Kaufpreis streiten können. Achtens. Des weiteren enthalten die Regelungen im Vermögensgesetz eine wesentliche Verfahrenserleichterung bei der Rückgabe von Unternehmen durch einen neuen § 6 a. Hiernach ist es künftig möglich, daß sich der Rückgabeberechtigte, wenn seine Berechtigung nachgewiesen ist, schon in sein enteignetes Unternehmen einweisen lassen kann, ehe der Wertausgleich für eine Verbesserung oder meist wohl eine Verschlechterung seines Unternehmens festgelegt ist. Wenn das Unternehmen von dem oder den Berechtigten fortgeführt werden soll, gilt das auch schon, wenn die Berechtigung nur glaubhaft gemacht wird. Hiermit wird noch einmal ausdrücklich im Gesetz festgestellt, was an sich nach dem Sinn des Vermögensgesetzes bisher schon möglich war, nämlich die ausdrückliche Trennung von Rückgabe und Wertausgleich. An dieser Stelle gestatten Sie mir, auf einen neuralgischen Punkt bei der Rückgabe von Grundstücken und Gebäuden generell hinzuweisen: Eine große Zahl von Beschwerden wegen der Nichtvollziehung des Rückgabeanspruchs enthält immer wieder den Hinweis, daß die Rückgabeberechtigung in bezug auf Grundstücke und Gebäude feststehe, die Behörden, insbesondere die Landkreisbehörden in den fünf neuen Ländern oder die Stadtverwaltungen in den kreisfreien Städten, die Rückgabe aber nicht vollzögen, sondern darauf verwiesen, daß man sich ja über den Wertausgleich noch nicht geeinigt habe. Hierzu muß festgestellt werden, daß nach der derzeitigen Rechtslage die Wertausgleichsansprüche bisher schon in einer gesonderten Entscheidung zu regeln sind. Die Entscheidung soll und darf die Rückgabe bei nachgewiesener Rückgabeberechtigung nicht verzögern oder verschleppen. Der Berechtigte ist zu Ausgleichsverhandlungen oft auch erst in der Lage, wenn er sein Rückgabeobjekt selbst untersuchen, begutachten und abschätzen lassen kann. Aus manchen Kommunen hören wir, daß bereits 30 % der Rückgabefälle entscheidungsreif seien. Bei der zwar nicht sicheren, aber geschätzten Zahl von etwa 1,2 Millionen Rückgabeanträgen würde das, wenn bei den unsicheren Zahlen eine Hochrechnung erlaubt ist, bedeuten, daß zur Zeit bereits einige hunderttausend Grundstücke und Gebäude zurückgegeben werden könnten. ({0}) Die Wertausgleichsentscheidung kann und muß dann später getroffen werden. Daß dennoch in vielen Fällen nicht zurückgegeben wird, ist nach all meinen Kenntnissen nicht nur eine Frage von Verwaltungsüberlastung, von Unkenntnis und Unsicherheit im Finden von Entscheidungen, sondern es ist hier auch Unwilligkeit zu vermuten. ({1}) In diesem Punkt müssen die neuen Regierungen und deren Kommunalaufsicht helfen. ({2}) Ich richte deshalb die dringende Bitte an die Landesregierungen, in diesem Bereich tätig zu werden. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger als Rückgabeberechtigte muß ich in vielen Fällen um Geduld, um Zuwarten und um Verständnis bitten, weil vieles nicht schneller gehen kann. ({3}) - Sie werden sich durch unpassende Zwischenrufe auszeichnen, Herr Kollege; aber das ist Ihr gutes Recht. ({4}) Diese Bitte um Zuwarten gilt jedoch nicht für die eben genannten Fälle. Ich bitte meine Kollegen aus den neuen Ländern, die Kollegen aus allen Parteien, mit dafür zu sorgen, daß diese entscheidungsreifen Rückgabefälle von den Verwaltungen in den neuen Ländern auch abgeschlossen werden. ({5}) Ich komme zu einem nächsten wichtigen Teil des Artikelgesetzes, nämlich zu dem Teil, der die Ausnahmen vom Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" regelt. Dieses Prinzip ist in der Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 des Vermögensgesetzes abgesichert. Schon im Einigungsvertrag gab es im Investitionsgesetz Ausnahmen zur Inanspruchnahme von Grundstücken und Gebäuden für investive Zwecke. Diese Voraussetzungen werden gelockert, und auch für Unternehmen werden Ausnahmen geschaffen. Ich halte mich im folgenden, weil hierüber mehr Mißverständnis und Unverständnis herrscht, als man glauben möchte, etwas genauer an den Gesetzestext: Künftig können Bund, Länder, Landkreise und Gemeinden sowie die Treuhandanstalt Grundstücke, Gebäude und Unternehmen, deren Rückgabe gefordert wird, zu investiven Zwecken veräußern, vermieten und verpachten. Bei Grundstücken und Gebäuden geschieht dies, wenn sie zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere durch die Errichtung einer gewerblichen Betriebsstätte oder eines Dienstleistungsunternehmens, zur Deckung eines erheblichen Wohnbedarfs oder zur Schaffung der für derartige Vorhaben erforderlichen Infrastrukturen in Anspruch genommen werden. Außerdem muß das Grundstück, das diesem Vorhaben dienen soll, in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen. Übermaßveräußerungen bleiben unzulässig. Bei Unternehmen wird die Verfügungssperre durchbrochen, wenn die Veräußerungen und Verpachtungen erfolgen, um Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern oder Investitionen zu ermöglichen, die die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, andererseits dann, wenn der Berechtigte keine Gewähr dafür bietet, daß er das Unternehmen fortführen wird. In diesem Bereich sind die Rechte des Rückgabeberechtigten erheblich eingeschränkt. Zwar ist er anzuhören, und er soll zu dem Vorhaben Stellung nehmen. Vor der Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung soll auch berücksichtigt werden, ob er auf das investive Angebot eines Dritten eingehen möchte und dazu in der Lage ist. Er wird außerdem, wenn sein Eigentum veräußert oder durch Verpachtung langfristig gebunden wird, entschädigt, bei der Veräußerung letztlich mit dem Verkehrswert. Gegen diese Entscheidung kann er klagen, aber diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Dazu ein paar Beispiele: Hierzu gehört etwa ein Unternehmen, das in einem größeren Unternehmen aufgegangen ist. Dort ist die Entflechtung kompliziert und langwierig. Diese Entflechtung soll den Verkauf des Gesamtbetriebes nicht behindern. Hierher gehört auch die Inanspruchnahme eines Gebäudes durch Vermietung, wenn sich darin ein Geschäft befindet, das ein Dritter übernehmen und fortführen will. Hierher gehört auch die Inanspruchnahme eines Grundstücks etwa für einen Handwerksbetrieb, der mietweise schlecht untergebracht ist und nun etwa mit ERP-Mitteln selbst investieren will. Ebenso gehört hierzu die längerfristige Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen und Gebäuden. Wir wissen daß wir hiermit in der Einschränkung der Abwehrrechte, die jedem in unserem Lande zustehen, sehr weit gehen. Der kritische Vorwurf, dies sei eine erneute willkürliche Enteignung, wiegt schwer, ist aber nach unserer Auffassung letztlich nicht gerechtfertigt. Die Dringlichkeit und die Besonderheit der Verhältnisse in den fünf neuen Ländern zwingen zu schnellem Handeln, wo es um Investitionsentscheidungen, um die Sicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen oder um die Verbesserung der Wettbewerbsstruktur in der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaft geht. Das Anhörrecht des Berechtigten, die Abwägung, ob er selbst investive Maßnahmen vornehmen kann und will, sowie sein Klagerecht, das nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes geschützt ist, verbieten es, so meinen wir, von Willkür wie bei den DDR-Enteignungen zu sprechen. Hinzu kommt, daß dieses Gesetz für eine Entschädigung sorgt. Wir haben hier die Verfahrensmöglichkeiten, die der einzelne normalerweise hat, um sich vor Eingriffen in sein Eigentum zu schützen, eingeschränkt, weil wir meinen, daß unter den besonderen Verhältnissen die gemeinwohlbezogenen Gründe, nämlich Arbeitslosigkeit zu verhindern, die Wirtschaft anzukurbeln und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern möglichst schnell herzustellen, dies rechtfertigen. Diese Sonderregelung für die Ausnahme von dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" ist bis zum 31. Dezember 1992 befristet. Danach gelten wieder die Bestimmungen des Investitionsgesetzes und des § 3 des Vermögensgesetzes. Hierbei darf ich betonen, daß die Mehrheit der Sachverständigen uns in der Anhörung gedrängt haben, vom Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" abzugehen und auf das Prinzip „Entschädigung vor Rückgabe" umzusteigen. ({6}) Sie haben aber nicht deutlich gesagt, daß das bedeutet, die Enteignungen aufrechtzuerhalten. ({7}) - Sie können dazu Stellung nehmen, Frau DäublerGmelin. ({8}) Ich kann hinzufügen, daß sich die SPD nach meinem Eindruck dazu entschieden hat. Diesem Wechsel haben wir widerstanden, glauben aber, ohne die vorgenannten Ausnahmen nicht auszukommen. Es gab in der Anhörung auch noch aus formalen Gründen Kritik an diesem Gesetz: Es sei zu kompliziert, es sei nur schwer lesbar, es sei nicht leicht anwendbar. ({9}) Dieser Vorwurf besteht nicht zu Unrecht. Zwei Gründe veranlassen uns jedoch, von weiteren Überarbeitungen des Gesetzes abzusehen. Der erste Grund, Herr Heuer, liegt im Regelungsgegenstand: in den verkorksten Verhältnissen, ({10}) die die frühere SED uns hinterlassen hat. ({11}) Die unklaren Vermögensverhältnisse in den fünf neuen Ländern auf unsere Eigentumsvorschriften hin neu zu ordnen, ist unendlich schwierig. Wer sich damit auseinandersetzt, darf nicht von seinem Einzelfall her urteilen, den er in diesem Gesetz vielleicht nur mühsam findet. Er darf auch nicht nur von der bisherigen bundesrepublikanischen Rechtsordnung aus argumentieren, sondern muß auch die Verhältnisse in den neuen Bundesländern kennen, die sich dort in den letzten 40 Jahren entwickelt haben. Er muß die Zuständigkeit und die Vermögenszuweisungen an unterschiedlichste Rechtsträger kennen. Dies macht einen Teil der Kompliziertheit aus, die wir auch bei längerer Überarbeitung des Gesetzes nicht beseitigen könnten. Der zweite Grund ist der Zeitdruck, den uns die wirtschaftlichen Verhältnisse in den neuen Bundesländern aufbürden. Denken Sie an die Altlastenfreistellung, an die Verfahrenserleichterungen, an die zuvor geschilderte neue Vorfahrtsregelung. Das alles macht nur Sinn, wenn es schnell kommt, wenn Investitionen getätigt werden und wenn dadurch rentable Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden. Meine Damen und Herren, so wird es dann möglich sein, die Verhältnisse zu verbessern. Unser Recht, soweit es nicht nach dem Grundgesetz oder nach naturrechtlichen Vorstellungen unverfügbar ist, ist in Gesetze geronnene Politik Wo schnelles politisches Handeln auch in Form von Gesetzen durch die Verhältnisse erzwungen wird, muß auch der Gesetzgeber schnell handeln. ({12}) Noch ein letztes Wort zum Verfahren zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag: Selbst in dieser Situation darf das Parlament nicht zur Abstimmungsmaschine der Regierung werden. ({13}) Dies läßt sich nur vermeiden, wenn, wie hier zum Teil auch geschehen, eine frühzeitige Beteiligung des Parlaments am Entstehen des Gesetzes ermöglicht wird. Die Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit des Parlaments darf auch durch Zeitdruck nicht geschmälert werden. Ich verkenne nicht, daß die Regierung und die Ministerialbeamten selbst unter unendlichen Druck standen. Ich darf mich auch an dieser Stelle für die Zusammenarbeit in den letzten Tagen und Wochen bedanken. ({14}) Zusammenfassend kann ich feststellen, daß dieses Gesetz den Verwaltungsalltag in den neuen Ländern in vielen Fällen erleichtern wird, daß durch Klarstellung von Verfahrensvorschriften manches schneller gehen kann und daß durch die Ausnahmen vom Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" auch manches Grundstück schneller für Investitionen zur Verfügung steht. Ich bin sicher, daß dieses Gesetz helfen wird, die Lebensverhältnisse in allen Bundesländern schneller einander anzugleichen. Vielen Dank. ({15})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten und entscheiden heute über die Reparaturgesetze, die die offenen Vermögensfragen klären sollen. Es ist etwas Ungewöhnliches passiert: Die erste Lesung zu diesen RepaDr. Herta Däubler-Gmelin raturgesetzen war erst vor drei Wochen. Die Zeitspanne bis zur zweiten und dritten Beratung ist ungewöhnlich kurz. Trotz dieser kurzen Zeit - darauf hat mein Vorredner schon hingewiesen - sind die Gesetze erheblich verändert worden. Sie sind - gar kein Zweifel - auch in einigen Teilen verbessert worden. Aber insgesamt - das müssen wir feststellen - sind die Grundsatzkorrekturen, die notwendig gewesen wären, nicht erfolgt. Sie, meine Damen und Herren, haben in zentralen Punkten die Korrekturen nicht mutig genug angesetzt, um sagen zu können: Jetzt haben wir wirklich den entscheidenden Schritt getan. Jetzt kann es mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau und mit den Investitionen in den neuen Ländern vorangehen. - Aber genau das wäre die Aufgabe gewesen, sicherlich nicht n u r mit diesen Reparaturgesetzen, aber auch mit ihnen. Es kann heute niemand mehr bezweifeln, daß die Investitionsblockade und die Lähmung des wirtschaftlichen Wiederaufbauprozesses zum großen Teil auf die bestehende Unsicherheit im Zusammenhang mit der Eigentumsfrage zurückzuführen ist. Diese Unsicherheit - das wissen Sie ganz genau - ist groß. Sie wird täglich größer. Sie ist eine Folge des im Einigungsvertrag und in den im Zusammenhang damit verabschiedeten Gesetzen beschrittenen Weges, das Enteignungsunrecht aus 40 Jahren Herrschaft von SED und Blockparteien in der DDR durch Rückgabe wiedergutzumachen und nicht den Weg zu gehen, den wir haben wollten, nämlich den Weg der flexiblen Entschädigungslösung. Wer investiert schon, wer kauft ein Unternehmen, wenn er nicht weiß, wem das letztlich zugute kommen wird? Ich habe schon vor drei Wochen auf die bekannten Tatsachen hingewiesen und will deshalb nur noch einige wiederholen. Es gibt mittlerweile mehr als eine Million Privatpersonen, ehemalige Eigentümer, aus den westlichen und aus den östlichen Ländern der Bundesrepublik, die ihre Anträge auf Rückgabe von Grund und Boden und anderen Vermögenswerten eingereicht haben. Dazu kommen noch mehr als 9 000 Anträge auf Rückgabe von Unternehmen. Es sollen etwa 12 000 Unternehmen sein, um die es geht, meist die Enteignungsfälle aus dem Jahre 1972. Schließlich haben über 16 000 Gemeinden den mehr als verständlichen Wunsch, letztendlich wieder über ihre eigenen Grundstücke verfügen zu dürfen. Ich darf das noch einmal wiederholen: über eine Million Anträge von Privatpersonen, die sich auf 1,5 Millionen Grundstücke beziehen, 16 000 Anträge von Gemeinden auf Rückgabe von über 1,6 Millionen Grundstücken und etwa 9 000 Anträge auf Rückgabe von etwa 12 000 Unternehmen. Diese Anträge müssen jetzt alle entschieden und bearbeitet werden, und zwar in den neuen Ländern durch die neuen Verwaltungen in den Kreisen und in den Gemeinden. Das ist die Aufgabe. Das ist schwer genug, auch dann, wenn es einfache Fälle sind, weil eben die Grundbücher nicht vorhanden oder nicht in Ordnung sind, weil z. B. Grundstücke, die zusammengelegt worden waren, neu vermessen werden müssen und das Fachpersonal dafür fehlt. Meine Damen und Herren, wenn Grundstücke gebraucht werden, um zu investieren bzw. um Investoren anzulocken, dann ist das alles eine Sisyphus-Arbeit, die nicht funktionieren kann, obwohl doch - das wissen wir alle, Herr Justizminister - der - ausnahmsweise - Vorrang von Investitionen vor Rückgabe auch nach den bestehenden Gesetzen möglich war. Wir haben - ich habe das betont - beim Einigungsvertrag einen anderen Weg vorgeschlagen. Wir wollten das Enteignungsunrecht im Regelfall durch Entschädigung wiedergutmachen und Rückgabe nur da, und zwar nachrangig, anordnen, wo überragende Güter des Gemeinwohls dem nicht entgegenstehen. Wir meinen auch, daß dieser Weg flexibler und verfassungsrechtlich zulässig gewesen wäre. Sie müssen dabei auch bedenken, daß die Menschen, die zu Unrecht im Gefängnis gesessen haben, deren Berufsleben zerstört wurde, die bespitzelt wurden, die andere Schäden zu dulden hatten und anderen Unrechtsmaßnahmen ausgesetzt waren, verständlicherweise ausschließlich auf den Weg der Entschädigung verwiesen werden. Übrigens, Herr Bundesjustizminister, lassen Sie mich hier wiederholen, was ich schon mehrfach gesagt habe: Wir bestehen darauf, daß sich der Bundestag bald gerade mit diesen Fragen beschäftigt. Der Deutsche Bundestag darf nicht den Eindruck erwekken, als seien uns Vermögensfragen wichtiger als Schäden an Freiheit, Gesundheit oder Leben. ({0}) Nochmals zu dem Grundsatz: Wir streiten keineswegs allein des Prinzips wegen um den richtigen Weg, sondern wir streiten deshalb darum, weil wir sagen: Wir müssen weiterkommen. Auch - das will ich Ihnen noch einmal ganz praktisch vor Augen führen - bei den ganz einfach gelagerten Fällen, die keinen großen Verwaltungsaufwand erfordern, überfordert die große Zahl der Anträge die neuen Verwaltungen, ja, legt sie vollständig lahm. Wenn Grundstücke zu Investitionszwecken benötigt werden und man dann mit dem Ausnahmeprinzip vorgeht, dann wird es doch zwangsläufig doppelt verwaltungsaufwendig. Da müssen die neuen Eigentümer mit ihren Rechten und Interessen berücksichtigt werden; übrigens auch mit ihren Vorstellungen. Die jetzigen Verfügungsberechtigten oder auch die Gemeinden und auch die Investoren, die ja schließlich die Wirtschaft ankurbeln sollen, kommen dazu. Alle diese Beteiligten, meine Damen und Herren, müssen mindestens einmal angehört werden. Mit denen muß verhandelt werden, bevor die Entscheidung fällt. Häufig wird es eben nicht zu einer gütlichen Einigung kommen. Dann werden auch noch Gerichte eingeschaltet werden müssen. Das dauert seine Zeit. Das vertieft die Unsicherheiten, und das führt zu weiterer Unruhe und verlängert auch die desolate Lage und die Investitionsblockade. Herr Helmrich hat darauf hingewiesen, daß auch er in Städten und Gemeinden der neuen Bundesländer ist. Wir sind auch dort. Nur, Herr Helmrich, dann müs1006 sen wir doch gemeinsam zur Kenntnis nehmen, daß die Menschen zunehmend verbittert werden. Sie müssen sehen: Jetzt kommt wirksame Hilfe. Jetzt muß etwas geschehen. Jetzt darf nicht nur Papier beschrieben werden, sondern jetzt müssen Reparaturen her, die die Investitionsblockade wirklich überwinden. Deswegen, lassen Sie mich das betonen, ist dies das entscheidende Kriterium dafür, ob man den Reparaturgesetzen oder einzelnen von ihnen wirklich zustimmen kann. Ich hatte in der ersten Beratung Zweifel daran geäußert, ob sie dies bewirken könnten; übrigens auch, ob sie durchführbar wären. Ich äußerte diese Zweifel, weil die Entwürfe schon damals außerordentlich kompliziert und schwer lesbar waren. Sie wimmelten von unbestimmten Rechtsbegriffen, Ermessensentscheidungen, Klauseln und Ausnahmen von der Ausnahme. All das hätte schon einer funktionierenden Verwaltung - wie ich damals sagte - mit hervorragend geschultem Fachpersonal in den westlichen Ländern die Haare zu Berge stehen lassen können. Für die Verwaltungen in den Städten und Landkreisen würde das, so war unsere Befürchtung, immer größere Schwierigkeiten auftürmen. Wir haben trotzdem, trotz unserer Zweifel, unsere Mitarbeit angeboten, und wir haben mitgearbeitet. Wir sind ganz zufrieden, daß im Laufe dieser Verhandlungen, die wirklich gerade in den letzten Tagen nicht nur uns, sondern auch unsere Mitarbeiter manchmal bis zur Grenze des Verantwortlichen geführt haben, einige Verbesserungen erreicht werden konnten. Wir werden deshalb auch einigen Teilen zustimmen; zum Beispiel dem Spaltungsgesetz, zu dem mein Kollege Hacker noch reden wird. Allerdings, meine Damen und Herren, glaube ich: Sie sollten unserem Antrag zustimmen, einem Antrag, der den Bundestag außer Verdacht setzt, ihm seien die Arbeitnehmerrechte der Menschen in den östlichen Bundesländern weniger wert als die im Westen. ({1}) Wir werden auch dem Vermögenszuordnungsgesetz zustimmen, weil wir erwarten, daß wenigstens ein großer Teil der Gemeinden - noch einmal: über 16 000 haben Anträge gestellt - schneller über ihre Grundstücke verfügen kann. Dies gilt im übrigen auch dann, wenn wir wissen, daß die Ausführungsbestimmungen noch nicht da sind. Auch das wird eine zeitliche Verzögerung mit sich bringen. Wir haben in dem Zusammenhang die Bitte an Sie, meine Damen und Herren: Wir fordern Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen, den Gemeinden auf dem Gebiet der Energieversorgung jetzt endlich ihre Rechte wiederzugeben, die ihnen bisher vorenthalten worden sind. ({2}) Sie wissen so gut wie wir, daß gerade auf dem Gebiet der Energieversorgung die Städte das wollen und das auch brauchen. Allerdings werden wir einen anderen Gesetzentwurf nicht mittragen, und zwar den zum Vermögensgesetz. Wir halten ihn für verunglückt, für im Grundsatz falsch angelegt und in der Praxis für undurchführbar. Sie wissen ja: Wir hatten ein Anhörungsverfahren beantragt. Dieses Anhörungsverfahren hat unsere Zweifel voll bestätigt. Die weit überwiegende Zahl der Praktiker und der Sachverständigen - übrigens die aus den neuen Bundesländern genau so wie die aus den alten und die aus den Städten und Gemeinden ebenso wie die aus der Wissenschaft - haben erklärt: Wer wirklich wirksame Änderungen und wer die Überwindung des Stillstands in den neuen Ländern wolle, und zwar schnell, der müsse den Weg Rückgabe vor Entschädigung nur bei Entscheidungen für Investitionen in jedem Einzelfall jetzt endlich verlassen und auf den Weg der flexiblen Entschädigungslösung umsteigen. Professor Möschel beispielsweise hat fünf Feststellungen getroffen, die an Prägnanz kaum zu überbieten sind. Ich will sie Ihnen deshalb vortragen. Er hat gesagt: Erstens. Restitutionsansprüche, schon gar nicht solche in der Zahl, wie sie heute vorliegen, sind administrativ in der vertretbaren Zeit kaum zu bewältigen. Er hat recht, meine Damen und Herren. Zweitens. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Grundentscheidungen, nämlich die Blockade der Investitionen und die Behinderung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, sind desaströs. So drücken sich Professoren gelegentlich aus; er hat aber auch mit dieser Folgerung recht. Drittens. Die Aufweichungen eines beibehaltenen Restitutionsprinzips - so Möschel - bleiben vom Denkansatz her auf halbem Wege stecken, und in diesem Maße ist auch ihre Wirksamkeit begrenzt. Das ist ebenfalls richtig. Viertens. Eine Entschädigungslösung läßt sich flexibel handhaben. Berechtigten Interessen früherer Eigentümer kann in hohem Maße Rechnung getragen werden. Auch dem stimme ich zu. Fünftens. Der Gesetzgeber - stellte Professor Möschel fest; auch das zu recht - ist aus Rechtsgründen an einer solchen Neuorientierung auch jetzt nicht gehindert. Ich denke, das waren sehr eindrucksvolle Feststellungen ({3}) - gleich, Herr Helmrich - , denen im übrigen ein Praktiker, ein Notar im Landesdienst Baden-Württemberg, Walter Boehringer, voll zustimmte, der als Leiter eines Grundbuchamtes langjährige Erfahrung besitzt und übrigens auch weiß, wie die Lage in Sachsen aussieht. Ich betone dies deshalb, weil uns Sachsen immer dann, wenn es darum geht, die Durchführungsprobleme herunterzuspielen, als Vorbild vorgeführt wird. Herr Boehringer erklärte: Die Rückgaberegelungen haben die Bürger dermaßen verunsichert, daß sich bei Investitionen mit Grundstücksbeteiligung kaum etwas bewegt. Auch der vorliegende Gesetzentwurf wird daran nichts Entscheidendes verändern. Ohne Grundsatzkorrektur - so führte er weiter aus können im Jahre 1991 angesichts der Verhältnisse die mit den Gesetzen angestrebten wirtschafts- und rechtspolitischen Ziele auf keinen Fall erreicht werden.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Helmrich?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne, Herr Helmrich.

Herbert Helmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000862, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Däubler-Gmelin, wenn Sie Herrn Professor Möschel folgen wollen und sagen, man könne das Prinzip jetzt noch ändern, dann müssen Sie uns auch darauf eine Antwort geben, was Sie mit ca. 1,2 Millionen Anträgen machen wollen, die nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" gestellt worden sind?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Helmrich, ich bitte noch um ein paar Minuten Geduld. Ich komme selbstverständlich darauf zurück. ({0}) Ich darf betonen: Das sind, wie gesagt, zwei klare Äußerungen. Das sind aber nicht die einzigen; das wissen alle, die an dieser Anhörung teilgenommen haben. Die Vertreter des Handwerks oder der Industrie, auch die aus den Verwaltungen, haben genau das Gleiche gesagt. Wir hatten gehofft, Sie, auch die Bundesregierung, würden aus diesem Paukenschlag, aus dieser Anhörung, die richtigen Folgerungen ziehen. So war es leider nicht. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zwar mit dem richtigen Gespür für die Probleme eine grundsätzliche Kurskorrektur zum Grundsatz der flexiblen Entschädigung verlangt, auch angekündigt, wurde aber vom Nachdenken zum Nachgeben gebracht. Ich finde das schade. Ich vermute, Herr Bundesminister für Wirtschaft, Sie werden dies bald bereuen, spätetens dann, wenn Sie in einigen Monaten sehen, daß sich aufgrund der neuen Reparaturgesetze nichts bewegt, daß sich bei den Investitionen zuwenig tut und daß insgesamt der Wiederaufbau nicht weitergeht oder keinen Aufschwung spüren läßt. Sie haben - das will ich noch einmal sagen - grundsätzliche Korrekturen nicht vorgenommen, aber Sie haben Veränderungen vorgenommen; die haben es in sich. Sie haben Ihr eigenes Prinzip, an dem Sie im Grundsatz festhalten, durchlöchert wie ein Haarsieb. Insofern unterscheidet sich das neue Gesetz, das wir heute beraten, von dem, das wir in erster Lesung behandelt haben, durchaus. Auf die Frage aber: Führt das denn weiter? muß ich Ihnen, gemeinsam mit den Gutachtern der Anhörung, sagen: Nein, es reicht nicht. Ich will Ihnen noch einmal den Satz von Herrn Möschel in Erinnerung rufen. Er hat gesagt - das halte ich für sehr zutreffend - : Aufweichungen des beibehaltenen Restitutionsprinzips bleiben auf halbem Wege stecken, und in diesem Maße ist ihre Wirksamkeit begrenzt. Die Zahl der Probleme, Herr Helmrich, nimmt auch mit diesem veränderten Gesetzentwurf nicht ab. Jetzt haben Sie nämlich noch zusätzlich Unsicherheit in die Reihen der Eigentümer hineingetragen, die ihre Häuser, ihre Grundstücke und ihre Unternehmen zurückhaben wollen, auch das ist verständlich. Denn Sie bestätigen ihnen auf der einen Seite, daß sie einen Anspruch und ein Recht auf Rückgabe haben, und gleichzeitig nehmen Sie ihnen viel mehr weg als vorher. Das heißt: Sie tun so, als sei ein Eigentumsrecht gegeben, durchlöchern es aber in Wirklichkeit erheblich. Denn dann erfolgt das, was Sie schon angedeutet haben - aber ich glaube, Sie haben die Dramatik nicht deutlich genug aufgezeigt - : Sie nehmen den Eigentümern die Möglichkeit, sich vor Gericht gegen diesen Verlust eines Grundrechts zu wehren, praktisch vollständig, bis auf eine Instanz des vorläufigen Rechtsschutzes. ({1}) Und das tun Sie, nachdem Sie ihnen ausdrücklich bestätigt haben, daß die zu Unrecht erfolgte Enteignung im Regelfall durch Rückgabe wiedergutgemacht werden soll und eben nicht generell - jetzt komme ich auf Ihre Frage - durch diese flexible Entschädigungslösung, die wir für richtig gehalten haben. Im übrigen ist auch für die praktische Durchführbarkeit des Gesetzes leider nichts gewonnen. Die Bestätigung des Grundsatzes der Restitution unter Erweiterung der Ausnahmefälle macht diesen Gesetzentwurf, der, wie ich schon sagte, wirklich schwer zu lesen ist und schwer zu verstehen war, noch komplizierter, noch unlesbarer und noch verwaltungsaufwendiger. Sie müssen auch zugeben, daß die heutige Gesetzesvorlage mit der heißen Nadel genäht wurde und noch voller Ungereimtheiten und Schwierigkeiten steckt. Das ist bei der kurzen Beratungszeit auch kein Wunder. Ich fand die Äußerung einer Kollegin im Rechtsausschuß, die als langjährige Richterin im Umgang mit Gesetzen wahrlich erfahren ist, wirklich zutreffend. Sie sagte: „Als Richterin möchte ich mit diesem Gesetz geschenkt nichts zu tun haben. "Aber was sollen denn eigentlich die Verwaltungen und die Richter in den neuen Bundesländern sagen, die sich ja noch ganz am Anfang des Aufbaus befinden? Nein, meine Damen und Herren, in den neuen Ländern wird man mit diesem Gesetz auf absehbare Zeit nicht arbeiten können, in diesem Jahr schon gar nicht. Wir wollen nicht, daß Sie nach Verabschiedung dieses Gesetzes sagen: Wir, der Bundestag, die Bundesregierung, haben jetzt wirklich alles getan, um die Lage zu verbessern. Wir haben alles getan, was wir konnten. Wenn es jetzt nicht funktioniert, sind die neuen Länder, sind die Gemeinden, sind die Kreise in den neuen Ländern selbst schuld. Dieses werden wir nicht zulassen, und zwar einfach deshalb nicht, weil die Verantwortung für dieses verunglückte Gesetz bei der Bundesregierung liegt. Wenn Sie, meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf heute mit beschließen, dann liegt sie auch bei Ihnen. ({2}) Wir stimmen diesem Gesetzentwurf nicht zu. Wir halten es für sehr viel besser - und haben deshalb einen entsprechenden Antrag eingebracht - , das Vermögensgesetz aus dem Artikelgesetz herauszutrennen und es zusammen mit uns gründlich zu überarbeiten. Ansonsten wird der Zustand der wirtschaftlichen Lähmung in den neuen Ländern nur perpetuiert, nur verlängert. Die Menschen aber - und auch wir - haben die Zeit für eine Fortführung dieser falschen Politik nicht mehr. Wir sagen: Lassen Sie uns Nägel mit Köpfen machen und zügig ein Gesetz erarbeiten, das den Weg „Entschädigung vor Rückgabe" beschreitet und das so klar und einfach ist, daß die Verwaltungen unter den Verhältnissen der neuen Länder auch in der Lage sind, es umzusetzen, damit unnötige und langwierige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vermieden werden. Wir wollen ein Gesetz mit Ihnen zusammen erarbeiten, und zwar in der gebotenen Kürze, das auch klare, angemessene Regelungen über die Höhe der Entschädigungen trifft - unter Einbeziehung der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht am 23. April festlegen wird, und die - wenn auch am Rande - mit dieser Frage zu tun haben. Auch das wäre unserer Meinung nach hilfreich, um Streitereien zu vermeiden. Meine Damen und Herren, wir wollen, daß zusammen mit einem solchen neuen, wirklich guten Gesetz auch vorgesehen wird, daß sich der Bund - jedenfalls in den nächsten Monaten - mehr als bisher durch personelle, durch technische und durch finanzielle Hilfe bei der Durchführung dieses Gesetzes in den neuen Ländern engagiert. Herzlichen Dank. ({3})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Leutheusser-Schnarrenberger.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001336, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelpunkt der Beratung zum Haushalt 1991 in den vergangenen Tagen standen die Situation in den fünf neuen Bundesländern und die politischen und finanziellen Möglichkeiten, um den Menschen in den neuen Bundesländern zu helfen und die Wirtschaft in Gang zu setzen. Während bei diesen Aussprachen selbstverständlich die Haushaltsmittel die dominierende Rolle spielten, wollen wir mit den hier zur Beratung stehenden Gesetzentwürfen andere Investitionshemmnisse abbauen und damit einen Beitrag zur Ankurbelung der Wirtschaft leisten. Daß es dabei mindestens mittelbar auch um Geld geht, ist selbstverständlich, denn es handelt sich um die Verwertung und Weiterverwendung von Grundstücken, Gebäuden, sonstigen Vermögenswerten und insbesondere um die Schaffung und Erhaltung lebensfähiger wirtschaftlicher Unternehmen in privater Hand. Vor welchen gravierenden Schwierigkeiten stehen wir? Lassen Sie mich noch einmal einige Punkte aufzählen: Es fehlt ein leistungsfähiges Infrastruktur' system im Verkehrs- und Kommunikationsbereich. Die Verwaltungen auf kommunaler und Landesebene sind noch nicht funktionsfähig, da es nicht genügend qualifiziertes Personal und keine adäquate Sachausstattung gibt. Im Bereich der Rechtspflege und Justiz befinden sich die Gerichte noch im Aufbau, die Grundbuchämter und anderen registerführenden Stellen müssen die vorhandenen Eintragungen zunächst finden, aktualisieren, berichtigen und dem neuen Rechtsstand anpassen. Der Personalbestand in vielen Unternehmungen und Verwaltungen ist leider immer noch viel zu hoch. Vielen Beschäftigten droht im Laufe dieses Jahres die Arbeitslosigkeit. Die kommunalen Gebietskörperschaften - also Gemeinden, Städte, kreisfreie Städte, Landkreise - und die Länder waren in erheblicher Finanznot und verfügten nicht ansatzweise über die Mittel, um ein funktionierendes Gemeinwesen planerisch, konzeptionell und durch Vergabe von Aufträgen sowie Veräußerungen von Grundstücken aufzubauen. Die im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen juristischen Wirtschaftseinheiten sind nach dem Treuhandgesetz vom Juli 1990 bereits in Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Aufbau umgewandelt worden. Doch sind diese neuen Unternehmenseinheiten Zwitter von Markt- und Planwirtschaft geblieben. Sie sind schon wegen ihrer marktfremden Struktur nicht überlebensfähig. Hinzu kommen eine Vielzahl von ungeklärten Eigentumsfragen und rund 1 Million Anträge auf Rückübertragung von volkseigenem Vermögen, das durch Enteignungen und andere Zwangsmaßnahmen den früheren Eigentümern weggenommen wurde. Diese nicht abschließende Aufzählung macht deutlich, daß es eine Fülle von Hindernissen und Hemmnissen für Investitionen gibt. Mit den hier zur Beratung stehenden Gesetzentwürfen wollen und können nur die sich aus der unsicheren Eigentumslage ergebenden Probleme zu lösen versucht werden. Um es ganz deutlich zu machen: Diese Gesetze allein können nicht den Umbau von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft verwirklichen und auch nicht alle Unsicherheiten beseitigen. Ausgangspunkt für die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Regelungen mußten der Einigungsvertrag, das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und das Gesetz über besondere Investitionen in der DDR, die ja noch im August 1990 von der Volkskammer verabschiedet worden waren und auch nach dem Einigungsvertrag weiter Gültigkeit haben, sein. Die Wiedergutmachung durch Enteignungen erlittenen Unrechts orientiert sich in diesen Gesetzen an dem Grundsatz der Rückgabe vor Entschädigung. Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, sondern macht die im Grundgesetz getroffene Wertentscheidung zugunsten des privaten Eigentums im Art. 14 deutlich. Alteigentümern und ehemals Berechtigten muß die Möglichkeit gegeben werden, ihr enteignetes Vermögen oder Unternehmen zurückzubekommen. Gerade für Menschen, die in einem Staat leben mußten, der privates Eigentum fast nicht zugelassen hat und vor enteignenden Maßnahmen nicht zurückschreckte, verbindet sich mit dem Eigentumsrecht auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. ({0}) Das Rechtsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern würde ganz erheblich verletzt werden, wenn es nicht die Möglichkeit der Rückgabe des enteigneten Vermögens gäbe. ({1}) Auf der anderen Seite sind die schwierigen Verhältnisse und die dringende Notwendigkeit, privaten Investoren Anreize für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen wie auch für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu geben, nicht zu unterschätzen. Dieser Interessenkonflikt bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen Eigentumsrecht und dem Aufbau einer leistungsfähigen und funktionierenden Wirtschaft, was im Interesse aller und zum Wohl der Allgemeinheit erfolgen muß. Diesem Interessenkonflikt wird man aber nicht mit einer sehr einfach klingenden Forderung nach Umkehrung des Grundsatzes gerecht. Warum nicht? Auf Grund der bestehenden - ich hatte sie eben genannt - gesetzlichen Regelungen sind über eine Million Anträge gestellt worden, nämlich - Herr Helmrich, Sie sagten es vorhin - eine Million Vertrauenstatbestände, die unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mit einem Federstrich beseitigt werden können. ({2}) Außerdem gibt es Abertausende von Grundstücken und Häusern, die nicht für Investitionen gebraucht werden, sondern die jetzt an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden können. Diese unstreitigen Fälle sollten so schnell wie möglich entschieden und abgewickelt werden. Gerade auch den mittelständischen Unternehmen, die im wesentlichen Opfer der Enteignungen 1972 gewesen waren, sollte die Möglichkeit zur Investition gegeben werden, denn von der Neuentstehung mittelständischer Betriebe hängt ganz wesentlich die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern ab. Aber um es noch einmal ganz deutlich zu machen: Es geht hier nicht nur um einen Prinzipienstreit, sondern es geht darum, eine Regelung zu finden, die, ausgehend von der Eigentumsgarantie, die unterschiedlichen, sich widersprechenden Interessen zu berücksichtigen versucht. Genau dies haben wir mit dem vorliegenden Gesetzespaket gemacht. Die vorgeschlagenen Änderungen zum Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen schaffen eine Vorfahrtsregelung für Unternehmensveräußerungen an Dritte, die auch dann greifen kann, wenn ein Antrag auf Rückgabe an den Berechtigten vorliegt. Das Zurückstehen der Interessen des früheren Eigentümers ist dann gerechtfertigt, wenn Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert oder Investitionen getätigt werden, die die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Es ist selbstverständlich, daß diese Vorfahrtsregelung nur gelten kann, solange über den Antrag des Berechtigten auf Rückgabe noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Um möglichst schnell Entscheidungen über die Übertragung von Vermögenswerten - Grundstükken, Gebäuden und Unternehmen - zu ermöglichen, wurde eine Ausnahme von dem Grundsatz, nicht über dieses Vermögen bei Vorliegen eines Antrags auf Rückgabe verfügen zu können, zugelassen. Gerade öffentlich-rechtliche Körperschaften oder die Treuhandanstalt können jetzt diese Vermögenswerte veräußern, vermieten oder verpachten, wenn dies aus den eben dargelegten Gründen notwendig und geeignet erscheint. Dieses umfassende und weite Verfügungsrecht der Kommunen und der Treuhandanstalt kann aber nur zugunsten des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden und das Zurücktreten des Rückgaberechts vertretbar erscheinen lassen, wenn es auch noch die Möglichkeit eines Abwägungsprozesses gibt. Für die FDP war für die Akzeptanz dieser Vorfahrtsregelung entscheidend, daß auch hier die Treuhandanstalt oder die Kommune bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hat, ob ein Alteigentümer gleiche oder annähernd gleiche investive Maßnahmen zusagt wie ein dritter Erwerber und deren Durchführung glaubhaft macht. Hinzu kommt, daß diese Regelung bis Ende 1992 befristet wurde. Mit dieser Einschränkung wird erreicht, daß der Alteigentümer die Chance erhält, in den Abwägungs und Entscheidungsprozeß einbezogen zu werden. Daß er dieses Recht auch wahrnehmen kann, wird ihm durch die Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ermöglicht. Große Bedeutung kommt dem Gesetz über die Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen zu. Mit diesen Regelungen wird die große Unsicherheit der Kommunen über ihre Berechtigung, über Grundstücke und Gebäude zu verfügen, die in ihrem Gebiet liegen, beseitigt. Diese Unsicherheit hat in den letzten Wochen zur Handlungsunfähigkeit geführt und war damit eine ganz wesentliche Ursache für das Unterbleiben jeglicher wirtschaftlicher Betätigung in den Gemeinden. Mit diesem Gesetz werden sie jetzt in die Lage versetzt, Grundstücke und Gebäude zu veräußern, solange keine anderweitige Entscheidung der zuständigen Behörden erfolgt ist. Dies gilt ebenso für die Länder. Anknüpfungspunkt für diese erhebliche Erleichterung ist die Alteintragung im Grundbuch als „Eigentum des Volkes", verbunden mit einem Zusatz, der den Rat einer Kommune als Rechtsträger ausweist. Das heißt: Das ist ein praktikabler Ansatz für sofortiges Handeln. ({3}) Da die Erlöse aus diesem Verkauf dem auf Grund der Regelungen des Einigungsvertrages Berechtigten zufallen, sind sie auf ein Sonderkonto des Innenministeriums einzuzahlen, damit sie nach endgültiger Ent1010 scheidung unverzüglich zugewiesen werden können. Das heißt: Dieses Gesetz ermöglicht eine sofortige Verkaufstätigkeit der Kommunen. Damit können sie Voraussetzungen für Ansiedlungen für Industrie und Wirtschaft in ihrem Bereich schaffen. Die Sachverständigenanhörung hat ein ganz dringendes praktisches Bedürfnis für diese Regelungen ergeben. Mit dem Spaltungsgesetz soll die Neustrukturierung durch Ausgliederung und Umgliederung von Betrieben und Teilbetrieben erleichtert werden. Auch hier bestand bei der Anhörung Einvernehmen darüber, daß dieses Gesetz so schnell wie möglich in Kraft treten muß, um die Privatisierung ganz deutlich zu beschleunigen. Auch in den Beratungen des Rechtsausschusses bestand über die Notwendigkeit dieses Gesetzes und über die meisten Regelungen ein breiter Konsens. Lassen Sie mich aber einen Punkt erwähnen, der nach Auffassung der FDP noch ausdrücklicher hätte geregelt werden können: Auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Situation und der Bedrohung für eine Vielzahl von Arbeitsplätzen hätte nach unserer Auffassung die Erzwingbarkeit von Sozialplänen für einen Zeitraum von einigen Jahren ausgesetzt werden müssen. ({4}) Die Aufspaltung und Abspaltung von Betrieben und Betriebsteilen ist auf Grund der totalen Neustrukturierung der Wirtschaft einer Neugründung im Sinne der entsprechenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gleichzusetzen, für die für einen Zeitraum von vier Jahren die Erzwingbarkeit von Sozialplänen ebenfalls nicht gilt. Mit einer vergleichbaren - befristeten - Regelung hätte noch ein Beitrag und Anreiz für Investoren zur Übernahme von Unternehmen und Teilen von Unternehmen geschaffen werden können. ({5}) Leider haben wir uns mit dieser Auffassung nicht durchsetzen können. ({6}) - Wir werden sehen. Meine Damen und Herren, wir alle sind uns im klaren darüber, daß die besten Gesetzesbestimmungen nichts nützen, wenn sie nicht angewandt und umgesetzt werden können. Wir alle wissen von den Unzulänglichkeiten in den Verwaltungen in den neuen Bundesländern und haben in den letzten Tagen im Rahmen der Haushaltsdebatte viel über fehlendes qualifiziertes Personal in Justiz, Rechtspflege, Verwaltung gehört und uns zum großen Teil auch schon selbst davon überzeugen können. Aber allein das Jammern darüber bringt uns nicht weiter. Die Bundesregierung hat auf Grund der Vorschläge der Koalitionsfraktionen ein umfassendes Programm zum Aufbau der Verwaltungen und der Justiz in den neuen Bundesländern beschlossen. Jetzt heißt es für uns alle, dieses Programm auch mit Leben zu erfüllen und genügend Juristen und Verwaltungsfachleute, die sich für diese Aufgabe begeistern, zu gewinnen und zu motivieren, damit sie sich für diese Aufgabe - zumindest für eine befristete Zeit - zur Verfügung stellen. Ich glaube, daß es an der Zeit ist, positiv dafür zu werben und nicht ausschließlich die schwierige Situation, die wir alle kennen, an die Wand zu malen. ({7}) Vielleicht könnte durch einen vorübergehenden Einsatz der derzeit noch nicht wieder mit Arbeit überlasteten Mitarbeiter des ehemaligen innerdeutschen Ministeriums ein erster Anschub erfolgen. Denn wer kennt die Situation in den neuen Bundesländern besser als gerade diese qualifizierten Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Daß diese schwierigen Fragen nicht einfach geregelt werden können, leuchtet uns ein. Auslegungshilfen, Vordrucke, Arbeitshilfen und ganz konkrete Beispiele mit entsprechenden Musterbriefen können jedoch bei der Umsetzung dieses Gesetzes erheblich helfen. Wir sind deshalb der Überzeugung, daß mit diesem Gesetzespaket ein erster wichtiger Schritt zur Beseitigung einiger Investitionshemmnisse getan wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Ullmann.

Dr. Wolfgang Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002354, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gemeineigentum ist Eigentum des Volkes. Die Verfügung über dieses Eigentum und seine Verwaltung soll nach näherer gesetzlicher Bestimmung solchen Rechtsträgern zustehen, welche die Gewähr dafür bieten, daß das Eigentum ausschließlich zum Wohle des ganzen Volkes dient und Machtzusammenballungen vermieden werden. So steht es als Art. 40 in der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946. Was hier über Verwaltung des Volkseigentums, über die Zuständigkeit zum Verfügen über dasselbe gesagt ist, genau das sind die Gründe, die die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt" bewogen, dem Zentralen Runden Tisch am 12. Februar 1990 vorzuschlagen, für das volkseigene Vermögen der sichtlich ihrem Ende entgegengehenden DDR eine Treuhandverwaltung vorzusehen, die dieses Eigentum nicht herrenlos werden ließ, vielmehr auf der Ebene der neu zu errichtenden fünf Länder Bürger und Bürgerinnen dieser Länder als die gewissermaßen Erbberechtigten einsetzte. Denn schließlich war dieses ungeheure Vermögen dadurch zustande gekommen, daß die Arbeit dieser Bürger und Bürgerinnen jahrzehntelang unterbezahlt worden war, ihre Renten weit unter dem Durchschnitt des europäischen Lebensniveaus gelegen hatten und der Staat über sein Bankmonopol dieses Vermögen nach seinen Interessen hatte einsetzen und verwerten können. Noch höre ich, wie der Außenhandelsminister Beil in einer Ministerratssitzung sagte, man solle nicht so viel von Volkseigentum sprechen; in Wahrheit handle es sich um Staatseigentum. Deutlicher konnte er nicht sagen, was in der DDR stattgefunden hatte: die Ent- Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 1'). Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1991 1011 eignung des Volkes durch den Staat, eine Enteignung, die das ungeheure Ausmaß der Verschuldung dieses Staates gegenüber seinen Bürgern und Bürgerinnen verschleiern und außer Kraft setzen sollte. Es war der gleiche Ministerrat, in dem jener Satz gefallen war, der dann auf die Initiative des Runden Tisches das erste Treuhandgesetz vom 1. März 1990 verabschiedete, ein Gesetz, das weit hinter den Zielsetzungen von „Demokratie Jetzt" zurückblieb. Es ordnete an, die VEB-Betriebe in Aktiengesellschaften umzubilden, so daß der größere Teil des volkseigenen Vermögens durch Umwandlung in von der Treuhand zu haltende Aktien treuhänderisch verwaltet wurde. Die Eigentumsfrage wurde dabei ebenso umgangen wie im jetzt noch gültigen Treuhandgesetz der Volkskammer vom 17. Juni 1990. Auch dieses Gesetz beschränkte die Zuordnung zu den schon damals absehbaren und in Entstehung begriffenen Ländern auf eine bloße Willenserklärung und schrieb vor, das volkseigene Vermögen durch Errichtung von Treuhandaktiengesellschaften zu privatisieren, deren Aktien durch Anbietung auf dem Markt zu verwerten seien. Wie man mittlerweile weiß, ist das ein ganz und gar undurchführbares Programm. Wer will schon Aktien erwerben, deren Wert ein undurchdringliches Geheimnis ist! So wird denn der Art. 8 mit jenem kleinen Änderungssatz zu Art. 7 Abs. 1 des Treuhandgesetzes, der die Vorschrift betreffend die Errichtung von Treuhandaktiengesellschaften durch Umwandlung in eine Kann-Bestimmung unwirksam macht, der rechtlich entscheidende Akt in dem ganzen Gesetzespaket, das uns jetzt vorliegt. Was die zahlreichen anderen Regelungen zum Zweck der Investitionserleichterungen anbelangt, so wird man ihre Zielsetzung begrüßen, ihre Inkraftsetzung tolerieren und die Hoffnung hegen können, daß sich die unendliche Mühsal im Rechtsausschuß doch in einigen Fällen gelohnt hat - dies alles aber mit dem beklommenen Gefühl, daß die angestrebten Verfahrenserleichterungen nicht eintreten werden, weil die zentrale Frage, die Eigentumsfrage, nach wie vor nicht gelöst ist. Die Treuhandanstalt selbst ist das enormste aller Eigentumsprobleme. Das liegt nicht an Herrn Rohwedder und seinen unermüdlichen Mitarbeitern, sondern an der gänzlich unzulänglichen Rechtsgrundlage, auf der sie zu arbeiten gezwungen sind. ({0}) Daher erkläre ich als Vertreter der Bürgerbewegungen: Die Initiative des Runden Tisches hatte nicht den Sinn, die zentralistische Verwaltungsstruktur der DDR zu konsolidieren und damit den Strukturwandel zur Kommunalautonomie und zur Länderwiedererrichtung zu blockieren. Denn allein in Gestalt der Treuhandverwaltung existiert noch der 15-BezirkeZentralismus der ehemaligen DDR. Er existiert um so hartnäckiger weiter, als er mittels Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages sogar Verfassungsbestandteil des Bundes geworden ist, der damit statt der wiedererrichteten Länder in die Rechtsnachfolge der ehemaligen DDR eingetreten ist. Kein Wunder, daß Kommunalautonomie und Ländererrichtung paralysiert werden, solange der alte DDR-Zentralismus in Gestalt der Treuhandstruktur fortgeschrieben wird. Das ist nirgendwo deutlicher zutage getreten als in dem Rechtsstreit zwischen den Kommunen und der Treuhand über die Dezentralisierung der Energiewirtschaft. Unter Berufung auf Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages sowie auf den das Kommunalvermögensgesetz in seiner Wirkung begrenzenden Anhang schlägt die Treuhand den Kommunen allen Ernstes vor - Zitat aus einem von Frau Breuel unterschriebenen Brief - : „Soweit Städten und Gemeinden Restitutionsansprüche zustehen, sind diese nach der Arbeitsanleitung der Bundesregierung in Geld zu entschädigen, wenn die Restitutionsansprüche zu einer höheren Beteiligung als 49 führen würden. " Haben die Bürgermeister der ostdeutschen Großstädte nicht recht, wenn sie diese seltsamen Entschädigungsvorschläge ablehnen und Gleichstellung mit den westdeutschen Kommunen sowie Rückübertragung der örtlichen Energieversorgungsnetze und der dazugehörigen Anlagen verlangen? ({1}) Aber in dieser Debatte gilt es auch, der zentralen Frage, der des Eigentums, den ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen. Das Treuhandkonzept war ein Programm der Rückübertragung des Volkseigentums an die enteigneten Bürgerinnen und Bürger. Soll dieses Programm in irgendeiner Form ernst genommen werden, dann ergeben sich die folgenden Forderungen: Die Frage nach dem Eigentum und damit nach der Verfügungsgewalt über das Treuhandvermögen ist so zu beantworten, daß die Länder auf dem Boden der ehemaligen DDR die Rechtsnachfolger des ehemaligen DDR-Vermögens und darum auch die Verfügungsberechtigten sind. Entgegenstehende Regelungen des Einigungsvertrages sind außer Kraft zu setzen. Vermögensanteile von Ländern und Kommunen sind festzustellen und den berechtigten Trägern zuzuführen. Für die im ersten Staatsvertrag, im Treuhandgesetz und in Art. 25 des Einigungsvertrags vorgesehenen Bürger- und Bürgerinnenanteile ist angesichts der eingetretenen Rechts- und Eigentumsunsicherheit ein Fonds im Treuhandvermögen auszusondern, aus dem diese Anteile zu einem späteren Zeitpunkt zu bedienen sind. Allein so kann sich ein Weg eröffnen, den investitionsblockierenden Prinzipienstreit um Rückgabe oder Entschädigung zu beenden. Und er muß schleunigst beendet werden. Ist die Eigentums- und Rechtsnachfolgefrage geklärt, dann kann zwischen Rückgabe und Entschädigung jeweils so unterschieden werden, daß beides möglich wird, wo es im gegebenen Fall angemessen und nötig ist. Auf diese Weise wird geschehenes Unrecht korrigiert, Eigentum wieder auf klare Rechtsgrundlagen gestellt und die freie Selbstorganisation der Marktwirtschaft überhaupt erst möglich. Um es zu wiederholen: Das Treuhandkonzept war ein Rückgabekonzept, ein Konzept der Rückgabe aus den Deformationen des bürokratischen Zentralismus in die freie Verfügung von Bürgern und Bürgerinnen freier Kommunen und Länder. ({2})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Professor Heuer.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen Tag vor Annahme der Privatisierungsgesetze stellt sich plötzlich heraus, wie wir gestern abend hören konnten, daß die ungesteuerte Privatisierung nicht die Lösung der Wirtschaftskrise der ehemaligen DDR ist. Offensichtlich bildet die bisherige Verhaltensweise der Treuhand ein Kernproblem. Ich will nicht das Wort von der Steuerlüge durch das Wort von der Treuhandlüge ersetzen. Aber es ist für mich als Vertreter einer Oppositionspartei - offenbar sieht Herr Ullmann die Dinge ähnlich - schon erschütternd, mit welcher Selbstherrlichkeit der Kurs der ungesteuerten Privatisierung durch die Herrn Minister Waigel zugeordnete Treuhandanstalt fortgesetzt wurde und wie durch einen ablenkenden Schaukampf zwischen Koalition und SPD und innerhalb der Koalition die tieferliegenden Probleme verdeckt wurden. Ich sehe drei Varianten des Umgangs mit dem industriellen Staatseigentum der DDR, das jetzt der BRD zugefallen ist und von der Treuhand verwaltet wird: erstens Bevorzugung der Übertragung auf Investoren - im Ergebnis vorwiegend aus der ehemaligen BRD -, zweitens bevorzugte Übergabe an frühere Eigentümer, drittens wirkliche Verbindung von Sanierung und Privatisierung. Die Diskussion hier im Hause und in der Öffentlichkeit, vornehmlich seit dem 21. Februar, war beherrscht von der Auseinandersetzung zwischen den beiden ersten Varianten. Die Befürworter der ersten Variante betonten vor allem die Notwendigkeit, Gebäude und Maschinen, Anlagen und Grund und Boden möglichst rasch an potente und investitionsfreudige Bewerber zu übertragen. Das ist, wenn man so will, eine moderne kapitalistische Variante. Die Befürworter der zweiten Variante betonen demgegenüber die Verteidigung des Privateigentums und die Notwendigkeit, wenn nicht den Zustand von 1945, so doch wenigstens den Zustand von 1949 wiederherzustellen. Hier ging es offenbar neben der Vertretung der mittelständischen Interessen vor allem darum, die prinzipielle Unantastbarkeit des Privateigentums zu sanktionieren und den Weg des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur in der offenbar gescheiterten Variante des bisherigen Sozialismus, sondern generell zu einem Irrweg der Geschichte zu erklären. Die Auseinandersetzung hat nun ein rasches Ende gefunden. Am 11. März konnten wir von dem großen Kompromiß lesen, der in dem vorliegenden Gesetzentwurf seinen Ausdruck gefunden hat. Dieser Kompromiß wird jetzt innerhalb von drei Tagen vom Parlament beschlossen. In der Anhörung ist von zahlreichen Teilnehmern dargelegt worden, daß dieses Gesetz außerordentlich schwer lesbar sei. Der Kompromiß - der Grundsatz bleibt, die Abweichungen werden zur Überzahl - macht das Gesetz mit Notwendigkeit zu einem kaum noch zu übersehenden System von einander korrigierenden Vorschriften. Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet, viele Folgen sind absolut nicht absehbar. Das Hauptproblem liegt aber nach meiner Ansicht woanders. Der große Streit wird jetzt nachträglich in den Zeitungen vielfach als unsinnig, als Schaukampf, als Spiegelfechterei bezeichnet. Der Bundesjustizminister betonte in der Sitzung des Rechtsausschusses am 12. März meines Erachtens zu Recht, daß es erheblich wesentlichere Investitionshemmnisse gibt als die Regelung offener Vermögensfragen. Auf die Rolle der Verwaltung und der Grundbücher wurde auch heute wieder mit Recht hingewiesen. Aber es muß doch stutzig machen, daß bestimmte Gruppen von Investoren kommen, etwa der Handel, der in kürzester Frist den Markt an sich gerissen hat. Gleiches gilt für Zeitschriften, Bücher usw. Die Industrie hat besondere Gründe. Offenbar ist es für viele nützlicher, einen Absatzmarkt zu haben, als zu investieren. Ich las in der „Frankfurter Rundschau" vom 12. März: Das überraschende, harte Aus für die WartburgProduktion, so mutmaßten viele, solle dem Schutz von Opel dienen. Es grassiere der Verdacht, daß AWE schneller sterben müsse für die Westfirmen. H. W. Manegold beschreibt den für ihn „ganz klaren Zusammenhang" so: Wer jetzt einen Wartburg kauft, der kauft in drei Jahren keinen Opel Corsa und auch keinen VW Golf. Auch dieses Zitat stammt aus der „Frankfurter Rundschau". Daß Opel so denkt, ist normal. Aber warum hat die Treuhand nicht in Eisenach geholfen? Warum gab sie der Flughafen GmbH Schönefeld keine Investkredite, trotz der idealen Bedingungen des Flughafens? Warum wird Interflug totgehandelt, wurde ihr sogar die kommerzielle Tätigkeit auf der Tourismusmesse untersagt und dieses Verbot erst auf energischen Protest hin aufgehoben? Die Ursache liegt einfach darin, daß die Treuhand, wie ihr Chef zu versichern nicht müde wird, privatwirtschaftlich denkt. Herr Rohwedder erklärte noch am 7. März in der ARD: Wir verlieren uns nicht in der Wirtschaftspolitik, in der Strukturpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik. Es drängt sich die Frage nach einem Zusammenspiel von westdeutschen Unternehmen und der Treuhand auf. Die Braut - so schreibt „Die Welt" vom 13. März Dr. Uwe-Jens Heuer die zum Verkauf ansteht, braucht nicht schön gemacht zu werden. Es geht um Ostbräute für 1 DM. Die Beschäftigten werden entlassen, die Maschinen verkauft; für die Gebäude bleibt die Abrißbirne; der Käufer erhält Grund und Boden, das einzige, was viele an der ehemaligen DDR noch interessiert. Es ist richtig, daß nur eine Minderheit der Unternehmen Ostdeuschlands heute der kapitalistischen Marktwirtschaft und der unmittelbaren Konfrontation mit dem Weltmarkt gewachsen ist. Allen anderen Neuzugängen zur EG wurde eine mehrjährige Übergangsfrist gewährt. Neben den Weg der Privatisierung muß nach unserer Auffassung gleichzeitig die Bereitschaft zur Sanierung treten. Das ist übrigens, wie jetzt entdeckt wird, auch im Treuhandgesetz so geregelt. ({0}) Tatsächlich war aber bis heute eine solche mittelfristige Sanierung in keiner Weise die Absicht der Treuhandverwaltung. Der Präsident der Treuhandanstalt schrieb Ende vorigen Jahres an alle Unternehmen: Bei der Treuhandanstalt gehen jetzt in verstärktem Maße Sanierungskonzepte ein. Diese vermögen deshalb selten zu befriedigen, weil der im Treuhandgesetz verankerte Vorrang für die Privatisierung in diesen Konzepten in den meisten Fällen fehlt. Die Treuhandanstalt sieht sich nicht in der Lage, Sanierungskonzepte zu akzeptieren, die dem Grundsatz des Gesetzes, Unternehmen so rasch und so weit wie möglich zu privatisieren, nicht Rechnung tragen. Zum Schluß heißt es: Jedes Unternehmen soll einen unternehmerisch aktiven Eigentümer finden, ausnahmslos und ohne schuldhaftes Zögern. Ein früherer Kollege von mir, Harry Maier, jetzt in Flensburg, hat meines Erachtens sehr überzeugend gezeigt, daß zur Strukturanpassung immer die Kombination vorhandener Arbeitsplätze mit neuen Arbeitsplätzen nötig ist. Mit ordoliberalen Prinzipien ist dieser Übergang bei Erhaltung des Industriestandortes Ostdeutschland nicht zu schaffen. Wer aber treibt bis jetzt Wirtschaftspolitik für Ostdeutschland? Die Treuhandanstalt offensichtlich nicht. Sie tritt als Hermaphrodit auf ({1}) - Zwitter, mein Herr - , als öffentlich-rechtliche Anstalt, als Staat, wenn sie verkauft, und als Finanzholding im Gesellschaftsverbund mit ihren Unternehmen, wenn sie sich weigert, Weisungen zu erteilen und wirtschaftspolitische Verantwortung zu tragen. Auch der Finanzminister und der Wirtschaftsminister betreiben bis jetzt keine Wirtschaftspolitik für Ostdeutschland. Die Länder wollen es zum Teil, haben aber kaum Einfluß. Wir wollen deshalb in mehreren Anträgen, die dem Hause vorliegen, auf zwei grundsätzliche Änderungen hinwirken: zum einen auf die Verstärkung der Einflußmöglichkeiten der ({2}) Vertreter der Arbeitnehmer und zum anderen auf die stärkere Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftsstruktur und die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Wir meinen darüber hinaus, daß die Regierung beauftragt werden sollte, bis zum 15. April ein Treuhandgesetz vorzulegen, das Privatisierung und Sanierung im Auftrag miteinander verbindet, staatliche und öffentliche Kontrolle verstärkt, eine gut überlegte Regionalisierung einleitet und die Beseitigung der Altschulden ermöglicht. ({3}) Wir halten es für einen absurden Zustand, daß einerseits die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die Treuhand berechtigt werden, so schnell wie möglich Boden zu verkaufen, um neuen Betrieben die Ansiedlung zu ermöglichen, und daß andererseits die bestehenden Betriebe liquidiert und die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. ({4}) Ich kann mir im Gegensatz zum Bundesfinanzminister nicht vorstellen, daß auf der Grundlage desselben Gesetzes jetzt eine völlig entgegengesetzte Politik verfolgt werden kann und vielleicht in 14 Tagen eine dritte. Das Kapital ist unzweifelhaft ein guter Rechner; es ist aber nicht der Sitz der Vernunft. Ich hoffe, daß wirtschaftliche Vernunft durch Entscheidungen des Staates, durch den Druck der Öffentlichkeit und nicht zuletzt durch Entscheidungen dieses Hauses wirksam wird. Meine Damen und Herren vor allem von der Koalition, unsere Anträge wurden im Rechtsausschuß mit großer Mehrheit abgelehnt. Jetzt stellt sich heraus, daß wir, jedenfalls teilweise, die Ghostwriter des Bundeskanzlers und der Länderchefs waren. Bevor Sie nun das Abstimmungsverhalten wiederholen, überprüfen Sie, ob Sie damit nicht gegen die gestern vereinbarten Grundsätze des Bundeskanzlers und der Länderchefs verstoßen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({5})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat Herr Bundesminister Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Bundeswirtschaftsminister einige kurze Anmerkungen. Mit den heutigen Beschlüssen werden wichtige Investitionshindernisse in den neuen Bundesländern weggeräumt. Die heute zu beschließende Supervor1014 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 16 Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1991 fahrtsregelung für Investitionen, die Freistellung von Investoren mit Bezug auf Umweltaltlasten, die vom Bund und den alten Ländern unternommenen großen Anstrengungen im Hinblick auf eine effiziente Verwaltung und funktionierende Rechtspflege in den neuen Ländern, die gestrigen Festlegungen des Kanzlers und der Ministerpräsidenten zu Auftrag und Arbeitsweise der Treuhand, die einmalig günstigen finanziellen Förderbedingungen für Unternehmen in den neuen Ländern sowie die massive Milliardenspritze des Gemeinschaftswerks Aufschwung-Ost, dies alles zusammengenommen - in den letzten 14 Tagen zusammengebracht - soll und wird die wirtschaftliche Gesundung der neuen Länder erleichtern. ({0}) Am Vortag der Leipziger Messe, der zum erstenmal gesamtdeutschen Leipziger Messe, die ich morgen eröffnen werde, appelliere ich an die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in der ganzen Welt: Kommen Sie in die neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland und investieren Sie! Exzellente Förderbedingungen, hochmotivierte Arbeitnehmer, die Brückenposition zwischen Ost und West: Es lohnt sich, dort jetzt Investitionen zu tätigen, neue Unternehmen aufzubauen oder in bestehende einzusteigen. ({1}) Die Bundesregierung wird auch weiterhin mit allem Nachdruck die Voraussetzungen für den Aufschwung-Ost sichern und verbessern. Die heutige Vorfahrtsregelung für Investoren ist ein wesentlicher Beitrag dazu. Das Ringen darum hat sich gelohnt. ({2})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Hacker.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Grundanliegen des Gesetzes über die Spaltung von Unternehmen entspricht der von der SPD verfolgten Politik, alle Hemmnisse, die den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Ländern behindern, zu beseitigen. Deshalb wird dieses Gesetz von meiner Fraktion mitgetragen. ({0}) Aber auch an dieser Stelle muß wie mehrfach in den letzten Tagen angemerkt werden: Die Regierung kommt mit Initiativen spät, ja viel zu spät. ({1}) Dies ist wieder ein Mosaikstein im Gesamtbild dessen, wie die Regierung das nationale Werk der Vereinigung praktisch löst. Die Zielstellung des Gesetzes wird deshalb mitgetragen, weil die Regelungen mit den wirtschaftspolitischen Konzeptionen der SPD übereinstimmen, die überdimensionierte Wirtschaft aus der Zeit der DDR in den neuen Ländern zu entflechten, damit wettbewerbsfähige Wirtschaftseinheiten entstehen können. ({2}) Die umfassende Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen sowie die Anhörung am 5. März im Rechtsausschuß haben im Text des Gesetzentwurfs zu Klarstellungen geführt, mit denen eine Umsetzung der Regelungen durch die Unternehmen und die Treuhandanstalt erleichtert werden wird. Von substantieller Bedeutung ist die Änderung des § 11 Abs. 1. Diese Korrektur verhindert, daß bei Spaltung von Unternehmen eine unberechtigte Besserstellung der Gläubiger zu Lasten des Gemeinwohls eintreten kann. ({3}) Mit Befriedigung kann ich im Namen meiner Fraktion feststellen, daß der aus der CDU/CSU-Fraktion in die Beratungen des Rechtsausschusses eingebrachte Vorschlag keine Berücksichtigung gefunden hat, ({4}) für einen längeren Zeitraum die Erzwingbarkeit von Sozialplänen im Falle der Spaltung von Unternehmen auszuschließen. Dies hätte in unerträglicher Weise die sozialen Interessen der Arbeitnehmer in den neuen Ländern verletzt. ({5}) Ich kann an dieser Stelle - ich möchte das noch einmal ausdrücklich hervorheben - Ihren Vorstellungen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht zustimmen. Hier ist der Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Eine ähnlich kontroverse Position war in der Diskussion über die Regelung eines Übergangsmandats des Betriebsrats festzustellen. Der in der Endfassung des Gesetzes enthaltene Wortlaut des § 13 wird deshalb von den Sozialdemokraten mitgetragen, weil er die durch das Betriebsverfassungsgesetz festgeschriebenen Regelungen über die Arbeitnehmervertretung nicht antastet. Von vielen Seiten ist im Zusammenhang mit der Diskussion zum Spaltungsgesetz die Forderung erhoben worden, Regelungen zu verabschieden, die ein Antragsrecht auf Separierung von Teilbereichen von Unternehmen begründen. Dem ist auch der Rechtsausschuß gefolgt. Die betreffende Regelung im § 14 des Spaltungsgesetzes ist für mich Veranlassung, interessierte Leitungen von juristisch nicht selbständigen Struktureinheiten sowie die Betriebsräte dieser Struktureinheiten in den neuen Ländern ausdrücklich auf diese Rechtslage hinzuweisen und sie zu ermuntern, die daraus erwachsenen Chancen jetzt wahrzunehmen. ({6}) Wir Sozialdemokraten unterstützen diese Ergänzung des Gesetzentwurfes ausdrücklich, ebenso die Fristenregelung für die Bearbeitung entsprechender AnHans-Joachim Hacker träge durch die zuständigen Vertretungsorgane der Gesellschaften. Wir gehen nunmehr davon aus, daß die Treuhandanstalt die Interessen der Antragsteller nach § 13 gebührend berücksichtigen wird, dieses insbesondere im Hinblick darauf, daß damit die Erhaltung von Arbeitsplätzen in Unternehmensbereichen erreicht werden soll, die reale Chancen haben, den Umstellungsprozeß auf die Bedingungen der Marktwirtschaft und auf die veränderten Bedingungen des Wettbewerbes zu bestehen. Auf entschiedene Ablehnung durch uns Sozialdemokraten muß die von der Regierungskoalition vorgeschlagene Regelung im § 16 Abs. 3 des Gesetzentwurfes stoßen, wonach der § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches in den neuen Bundesländern bis zum 31. Dezember 1992 auf eine Betriebsübertragung im Gesamtvollstreckungsverfahren nicht angewendet werden soll. Wir sehen in dieser Regelung eine gröbliche Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Grundgesetzes ({7}) und lehnen deshalb eine solche Regelung strikt ab. Es ist eine unerträgliche Zumutung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den neuen Ländern, daß sie nach Meinung der Regierungskoalition abweichend von der bisherigen Rechtslage auf hart erkämpfte soziale Schutzrechte verzichten sollen, auch wenn der § 613a BGB nur befristet ausgesetzt werden sollte. Offensichtlich in Erwartung von erheblichen Betriebszusammenbrüchen im Zeitraum bis Ende 1992 ist die geplante Aussetzung sozialer Schutzrechte für diese Fälle als ein Rückfall zu der in vergangenen Zeiten üblichen Verfahrensweise gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anzusehen. Neben der aus grundgesetzlicher Sicht prinzipiell abzulehnenden Ungleichbehandlung muß sich die Regierungskoalition fragen lassen, ob sie es für politisch sinnvoll und vertretbar hält, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den neuen Ländern neben allen diesen auferlegten Beschwernissen im Zuge der Herbeiführung der deutschen Einheit auch noch psychologisch weiter zu belasten, indem ihnen von Gesetzes wegen bescheinigt werden soll, daß sie Bürger zweiter Klasse sind. Ich frage: Wie weit will diese Regierung mit der offenen Schlechterstellung ganzer Bevölkerungsschichten noch gehen? Aus diesen Gründen hat die Fraktion der SPD einen Änderungsantrag, der Ihnen in der Drucksache 12/264 vorliegt, zum vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht, auf den ich an dieser Stelle ausdrücklich verweisen möchte. Zusammengefaßt: Die Fraktion der SPD stimmt dem Gesetzentwurf über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen mit der von mir hier dargelegten Einschränkung zu. Ich darf an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck geben, daß auch Abgeordnete aus anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages und insbesondere aus den neuen Bundesländern die von mir kritisierte Diskriminierungsbestimmung im § 16 Abs. 2 des Gesetzentwurfes ablehnen werden und dies fraktionsübergreifend in ihrem Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen. Ich danke Ihnen. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Professor von Stetten.

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Als Ergänzung zum Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen wird das Auf- und Abspaltungsgesetz, von uns jetzt doch „Spaltungsgesetz" genannt, vorgelegt, um den bisher vermißten Aufschwung in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Es ist dabei sicher nicht hilfreich, wenn die Opposition von Reparaturgesetzen spricht. Wir sind hier nicht im Straßenbau, Frau Däubler-Gmelin, sondern im Bundestag. ({0}) Wir sollten es einfach als Fortschreibung der Gesetze nehmen, die in der ehemaligen DDR schnell verabschiedet wurden und die sich wegen der komplizierteren Materie und wegen entgegenstehender Gesetze hier in der Altbundesrepublik so nicht durchführen ließen. ({1}) - Sie haben eine Frage; bitte, wenn es mir nicht angerechnet wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Es wird Ihnen nicht angerechnet. - Herr Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage Sie, Herr von Stetten, ob Sie einverstanden sein werden, daß wir, wenn wir uns mit dem Änderungs- und Ergänzungsoder Korrekturgesetz zu dem heute verabschiedeten Vermögensgesetz befassen werden, wenigstens das „Reparaturgesetz" nennen.

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn wir das tun, bin ich gerne bereit, auf den Namen zurückzukommen. ({0}) Meine Damen und Herren, es möge niemand sagen, daß wir das vorher gewußt hätten oder alles nicht schnell genug gekommen sei, bzw., wie es Herr Hakker ausdrückte, die Initiativen zu spät kämen. Wir haben - das sind nun mal die Nachteile und die Vorteile einer demokratischen Verfassung - einen Wahlkampf geführt. ({1}) Wir haben eine Wahl durchgeführt. Wir haben wertvolle Zeit verloren. - Wir hätten schon am 14. Oktober gewählt, wenn Sie zugestimmt hätten. Dann wären wir sechs Wochen früher dran. Das wollen wir doch einmal festhalten. ({2}) - Mit dem Schwindeln, wenn es so gewesen sein sollte, hat dieses Gesetz sicher nichts zu tun, Herr Vogel. Ich will den Damen und Herren von der Opposition im Rechtsausschuß gerne zugestehen, daß wir in Tag-und Nachtarbeit zusammengesessen und weitgehend über die Parteigrenzen hinweg einen Konsens gefunden haben. Ich darf Ihnen als Neuling gerne bestätigen, daß ich über die angenehme und sachliche Zusammenarbeit mit der Opposition im Ausschuß überrascht und erfreut war. ({3}) Das steht im Gegensatz zu den Gepflogenheiten im Wahlkreis und den dortigen Aufgeregtheiten. ({4}) - Ich weiß es nicht; vielleicht am Kollegen. Ich stimme mit den verehrten Vorrednern überein, daß solch wichtige Gesetze nicht mehr in dieser Eile durchgezogen werden sollten, weil dabei Mängel nicht zu vermeiden sind. Aber Eile und mutige Entscheidungen - es sind mutige Entscheidungen Frau Kollegin - sind nötig, damit unser gemeinsames Ziel, die verheerenden Folgen der vierzigjährigen sozialistischen Mißwirtschaft möglichst schnell zu beseitigen, Wirklichkeit werden. Die Treuhand hat bis an die gerade noch vertretbare Grenze der Rechtsstaatlichkeit eine ungeheure Machtbefugnis erhalten, um ihre riesigen Aufgaben zu bewältigen. Machtmißbrauch wäre nicht auszuschließen, wenn Machtbesessene diese Instrumente nur einseitig zur Schaffung neuer Großbetriebe verwenden, anstatt dem politischen Willen zu genügen, gesunde Handwerksbetriebe und gesunde Mittelstandsbetriebe entstehen zu lassen. Dabei muß bei allen enteignungsähnlichen Befugnissen der Grundsatz der Restitution, d. h. der Rückgabe des unrechtmäßig enteigneten Grund und Bodens an den früheren Eigentümer, Vorrang vor besseren Investitionen haben, wenn der frühere Enteignete die Gewähr dafür bietet, daß er selbst einen Betrieb oder Betriebsteil weiterführt, selbst mit weniger Arbeitnehmern oder mit weniger Investitionen. Es darf nicht sein, daß eine Generation gleich zweimal enteignet wird, einmal durch einen Unrechtsstaat, das andere Mal durch einen Rechtsstaat. Wenn Sie von Entschädigung von Entrechteten sprechen, Frau Däubler-Gmelin, und gleichzeitig von „Entschädigung vor Rückgabe", dann denken Sie an die, die enteignet wurden, verfolgt wurden, im Gefängnis gesessen haben und heute wieder enteignet werden sollen, anstatt ihr Eigentum zurückzubekommen. Die Rückgabe sollte also Vorrang haben. Damit die Treuhand die Möglichkeit hat, die Mammutkombinate und volkseigenen Betriebe vereinfacht auf- oder abzuspalten und gegebenenfalls früheren Eigentümern zurückzugeben, wurde die Ausnahmevorschrift der Gesamtrechtsnachfolge ausgedehnt und erweitert. Durch das Treuhandgesetz ist es möglich, aus den der Treuhand unmittelbar oder mittelbar zustehenden Kapitalgesellschaften mehrere Gesellschaften abzuspalten, jeweils in einem Gesamtakt, so daß die alte Gesellschaft bestehenbleibt und mindestens eine weitere oder mehrere neue Betriebe in entsprechender Gesellschaftsform entstehen oder daß sich die gesamte Gesellschaft unter Aufspaltung und Untergang der Altgesellschaft auflöst. Die Treuhand wird Inhaber aller neuen Anteile und kann diese Aktien oder Gesellschaftsanteile ganz oder in Teilen an investitionswillige Personen veräußern. In dem Gesetz sind die Formvorschriften minimiert, wenn sich sämtliche Anteile, was meistens der Fall ist, in der Hand der Treuhand befinden. Auf die Aufdekkung stiller Reserven wird verzichtet. Diese werden erst später, bei Realisierung, der Steuer unterworfen. Das vorgeschlagene Gesetz wurde im Prinzip von allen Mitgliedern des Rechtsausschusses - ich bin mir nicht ganz klar, ob auch die PDS im Grundsatz damit einverstanden war - begrüßt. Alle Meinungsverschiedenheiten - ich will hier gar nicht sagen: Streitpunkte - wurden durch Besprechung im Ausschuß und insbesondere durch Beratung der Berichterstatter einvernehmlich gelöst, wobei die Einzelfrage der Aussetzung des § 613a BGB im Konkursfall nur mit Mehrheit der Stimmen der Koalition beschlossen wurde. Heute liegt ja ein Gegenantrag dazu vor. Ich möchte nach den Ausführungen von Frau Kollegin Däubler-Gmelin und Herrn Hacker doch etwas näher auf diese Vorschrift eingehen. Mir scheint es, daß manche wie elektrisiert sind, wenn sie nur das Wort § 613a BGB hören. Sie wittern dabei Unrat und fürchten die Schlachtung einer heiligen Kuh. Etwas vornehmer ausgedrückt: Sie fürchten, daß wohlerworbene Rechte der Arbeitnehmer angetastet werden sollen. Davon kann keine Rede sein, meine Damen und Herren. Es sollte sich um die Vereinfachung und Beschleunigung der Veräußerung von verkaufsfähigen Betrieben oder Betriebsteilen handeln, die dann schneller oder überhaupt nur dann verkauft werden können, wenn nicht die Altrechte der Arbeitnehmer erhalten bleiben und eben nicht verkauft wird, bzw. dann eben zerschlagen werden, wenn diese Rechte erhalten bleiben. ({5}) Meine Damen und Herren, mit diesem Paragraphen werden wir Arbeitsplätze erhalten und nicht Arbeitnehmerrechte schmälern. ({6}) Ein weit verbreiteter Irrtum ist auch, daß die Bestimmung des § 613 a BGB grundsätzlich mit Sozialplänen im Zusammenhang gebracht wird. Die Kenntnis, daß das nicht stimmt, besteht zwar im Rechtsausschuß, fehlt aber bei vielen anderen. Selbst bei Aufhebung des § 613 a BGB - was keiner will, meine Damen und Herren - würden die Sozialpläne gemäß § 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz weiter aufgestellt, gegebenenfalls über das Sozialplankonkursgesetz, das auch heute noch gilt, abgewickelt werden. Um es festzuhalten: Der § 613a BGB regelt die Rechte der Arbeitnehmer beim rechtsgeschäftlichen Übergang auf den neuen Inhaber, und der alte sowie der neue Inhaber kann wegen des Betriebsübergangs nicht kündigen. Zu den übergehenden Rechten gehören verlängerte Kündigungsfristen oder betriebsbezogene Vergünstigungen, Arbeitsplatzrechte und Rechte aus Tarifverträgen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einem umstrittenen Urteil entschieden, daß diese Regelungen auch dann gelten, wenn der Konkursverwalter aus einem in Konkurs gegangenen Betrieb oder Betriebsteil verkauft oder verpachtet. Hier ist der Streitpunkt. Das führt, so sagt die eine Seite, zur endgültigen Zerschlagung dieses Betriebes, weil kein Übernahmewilliger unbeschränkt Arbeitskräfte mit alten Rechten übernehmen wolle. Das schützt, so die andere Seite, vor mutwilligen Konkursen. Die Anhänger dieser Auffassung fürchten, daß auf diese Art und Weise geschützte Rechte der Arbeitnehmer umgangen werden. Ich neige aus Erfahrung der ersten Meinung zu, aber lassen wir heute den Streit. Wir haben mit diesem Gesetz nur einen Minimalkompromiß zwischen der Koalitionsvereinbarung, die den § 613a BGB für eine Übergangszeit in den fünf neuen Ländern insgesamt aussetzen sollte, und dem Wunsch, Erleichterungen zum beschleunigten Verkauf zu ermöglichen, vorgelegt. Dies ändert nichts, um das noch einmal zu sagen, an der Sozialplanmöglichkeit.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr von Stetten, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn de With?

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Hans With (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002536, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr von Stetten, sind Sie bereit, einzuräumen, daß die Konkursverwalter im Westen bisher auch im Konkurs gleichwohl mit dem § 613a BGB mit seinen Rechten zum Schutz der Arbeitnehmer ganz gut zurechtgekommen sind und daß es kein Beispiel dafür gibt, daß daran die Übernahme eines Betriebes gescheitert wäre?

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr de With, ich habe andere Informationen, die genau das Gegenteil besagen. Danach kann der Betrieb im Konkursfall eben nicht verkauft werden, wenn diese Rechte nicht auf freiwilliger Basis - das passiert ja nicht oft - ausgesetzt werden können. Auch Sie kennen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach Kündigungen selbst dann, wenn Arbeitnehmer von sich aus gekündigt haben, im nachhinein nicht gelten mit der Folge, daß die Rechte wiederaufleben. Das heißt: Konkursverwalter haben durchaus große Schwierigkeiten, im Konkurs Betriebe oder Betriebsteile zu verkaufen. ({0}) - Nein, es ging nicht ganz gut. Wir hatten 16 000 Konkurse. Davon endeten, glaube ich, 14 000 ohne Abwicklung, d. h. mit Zerschlagung. ({1}) - Das Insolvenzrecht wollen wir alle ja ein bißchen ändern. Aber es liegt vor allen Dingen daran, daß der Betrieb aufgelöst, zerschlagen wird, weil niemand bereit ist, die Rechte zu übernehmen. Das ist meine Erfahrung. ({2}) Wir werden vielleicht einmal eine Statistik dazu erstellen lassen. Meine Damen und Herren, wir haben die Aussetzung des § 613 a BGB im Konkursfall auf ein ganzes eindreiviertel Jahr, bis zum 31. Dezember 1992, beschränkt. Redaktionell wurde noch der EG-Richtlinie Rechnung getragen. Da gab es, glaube ich, keine großen Schwierigkeiten. Nur bei dem Wunsch der FDP und eines Teils der CDU/CSU-Fraktion, daß es sich bei einem abgespaltenen oder aufgespalteten Unternehmen um eine Neugründung im Sinne des § 112a Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes handele, mit der Folge, daß in den ersten vier Jahren kein Sozialplan erzwingbar ist, konnte kein Konsens gefunden werden. Eine solche Vorschrift ist daher nicht aufgenommen worden, obwohl sie meines Erachtens zur Beschleunigung beigetragen hätte. Aber was nicht machbar ist, ist nicht machbar. Die Sonderregelung für die Betriebsräte in einer Übergangszeit bis zu drei Monaten in den ab- und aufgespalteten Betrieben wurde präzisiert. Wir haben betriebsratsunfähige Betriebe herausgenommen und Interessenkonflikte des Wettbewerbs mit gelten lassen. Meine Damen und Herren, Einigkeit bestand darüber, daß nicht nur die fehlerhaften Betriebsübertragungen bis zum 31. Dezember geheilt werden, sondern alle fehlerhaften Übertragungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes. Ich glaube, das ist richtig so, damit nicht im nachhinein rückabgewickelt werden muß.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Professor von Stetten, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heuer?

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Könnten Sie Ihre Ausführungen zum § 613a BGB an Hand der Grundsätze zur Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt Ost von gestern nicht noch einmal überdenken, wo es heißt: „Zunächst teurere, aber den Arbeitsmarkt schonende Lösungen können langfristig wirtschaftlicher sein."

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Damit ist gemeint, daß die Treuhand aufgefordert wird, nach Möglichkeit überhaupt keinen Betrieb in Konkurs gehen zu lassen, sondern zu liquidieren und abzuwickeln. Dann gilt § 613 a BGB, Herr Kollege Heuer.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Dann sollte man das aber beim Konkurs vielleicht auch so regeln, um „teurere, aber den Arbeitsmarkt schonende Lösungen" zu sichern. Mir scheint das dem Geiste der gestrigen Erklärung, die mich außerordentlich verwundert, aber auch erfreut hat, zu widersprechen.

Dr. Wolfgang Stetten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Heuer, dann haben Sie den Geist nicht begriffen. Es ist gar keine Frage: Über die Aussetzung des § 613a BGB werden nach unserer Meinung Arbeitsplätze gerettet und nicht zerstört. ({0}) Gestern hat der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten eine Aufforderung an die Treuhand gegeben, die Betriebe möglichst nicht über Konkurse abzuwickeln, sondern - wie es der Treuhand unter Umständen leichter möglich ist - sie in einer anderen Form zu liquidieren, um die Aussetzung des § 613 a BGB vielleicht zu vermeiden. Das ist doch eine legitime Sache. Aber wir sind der Meinung, die Aussetzung schafft Arbeitsplätze und verhindert oder zerstört sie nicht. ({1}) Meine Damen und Herren, auf besonderen Wunsch aus der Praxis und der neuen Kollegen Abgeordneten wurde aufgenommen - Herr Hacker hat das ausgeführt - , daß untergeordnete Betriebe oder selbständige Betriebsteile von dem Vertretungsorgan ihrer Gesellschaft verlangen können, daß sie ein Abspaltungsbegehren an die Treuhand weitergeben. Damit soll und muß erreicht werden, daß kleinere Betriebseinheiten oder auch ehemalige selbständige enteignete Unternehmen oder Betriebe gegen den Willen der sie beherrschenden Geschäftsführer oder Vorstände einen solchen Abspaltungsantrag stellen können. Damit wird einerseits dem Restitutionsgedanken Rechnung getragen und andererseits sichergestellt, daß rentable Betriebe oder Teilbetriebe nicht mit der „Mammutmutter" in Konkurs gehen müssen. Das Gesetz dient zusammen mit den anderen Bestimmungen des Artikelgesetzes der Beschleunigung der Rückgabe von Eigentum an früher Enteignete und der Übertragung von Betrieben und Betriebsteilen an Investitionswillige. Ich bin sicher, meine Damen und Herren, daß das Gesetzespaket insgesamt zur schnellen Schaffung von Arbeitsplätzen und damit zum Aufschwung in den fünf neuen Bundesländern beiträgt, und wünsche mir, daß die Berechtigten, nämlich die Treuhand, die Gemeinden und Landkreise, denen hohe Verantwortung übergeben wird, von den ihnen gegebenen Möglichkeiten - unter Voraussetzung des öffentlichen Wohls - , Eigentumsansprüche früherer, enteigneter Eigentümer zu übergeben und nur mit Geld zu entschädigen, nur mit Augenmaß und der notwendigen Sensibilität Gebrauch machen; denn Sie dürfen nicht vergessen: Eigentumsrechte gehören zu den hohen Grundrechten unserer Verfassung. Wenn dies geschieht, dann bin ich sicher, daß wir gemeinsam in der heruntergewirtschafteten ehemaligen DDR in wenigen Jahren ein blühendes Land und zufriedene Bürger schaffen. Danke schön. ({2})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Ich bedanke mich herzlich dafür, daß Sie mich promovieren wollen, aber Sie verwechseln mich ein weiteres Mal mit meinem Bruder. Es ist Konrad Schily, der promoviert ist. Ich möchte mir nicht den Vorwurf unbefugter Titelführung zuziehen. ({0}) - Danke schön. Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Die wahre Ursache der schlechten Zeiten", so nannte sich eine kleine Schrift, die vor nahezu 100 Jahren erschienen ist. Der Verfasser, ein gewisser Carl Marfels, behauptete darin, die Wurzel allen Übels sei das private Eigentum an Grund und Boden. Solche Simplifizierungen verursachen heute sicherlich bei manchen Frösteln und sind deshalb für unsere heutige Debatte nicht hilfreich. Aber gewiß ist eine wahre Ursache der schlechten Zeiten in den fünf neuen Bundesländern die ungeklärte Eigentumsfrage, insbesondere bei Unternehmen und Grundstücken. ({1}) - Das macht auch nicht so furchtbar viel. ({2}) Die SPD hat von Anfang an konsequent die Auffassung vertreten, daß nur bei Befolgung des Grundsatzes Entschädigung vor Rückgabe die notwendige Rechtsklarheit und damit die Voraussetzungen für die Aktivierung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in den neuen Bundesländern geschaffen werden können. ({3}) Die Bundesregierung hat sich gegen diese Einsicht bedauerlicherweise gesperrt. Aus einer starren Eigentumsideologie hat sie sich auf den Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung versteift. Sie meinte, Art. 14 des Grundgesetzes ergebe keinen anderen Handlungsrahmen. Allerdings blieb die Bundesregierung in dieser scheinbar strikten Haltung insofern inkonsistent, und das Bundesverfassungsgericht wird darüber demnächst zu entscheiden haben, als sie die Enteignungen während der Geltung des Besatzungsrechts ausklammerte. Das persönliche, private Eigentum ist eine wesentliche Grundlage für unsere Demokratie. Darüber besteht Übereinstimmung. Freiheit entsteht auf der Basis von Eigentum. Darin hatte Hegel recht. Nach richtigem Verständnis der Verfassung wird aber die Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes durch die Sozialbindung gewissermaßen temperiert; d. h., daß die Ausübung des Eigentumsrechtes jeweils eine andere Färbung erhält, je nachdem wie die sozialen Verhältnisse einer Vielzahl von Menschen, z. B. deren Arbeits- und Wohnverhältnisse, davon betroffen sind. Leider - ich betone das an dieser Stelle sehr bewußt - haben wir keinen differenzierten Eigentumsbegriff entwickelt, der zu unterscheiden vermag, daß das Eigentum als unmittelbare Sachherrschaft einen anderen Charakter hat als Eigentum an Grund und Boden sowie Produktionsmitteln, ({4}) bei dem die Sachherrschaft zugleich Entscheidungsbefugnis über die Lebensverhältnisse von Menschen ist. ({5}) Carlo Schmid, der in seinem Denken noch sehr viel beweglicher war als manche junge Helden dieser Tage, hat das im Parlamentarischen Rat vergeblich durchzusetzen versucht. Niemand bezweifelt, daß es die Gerechtigkeit erfordert, erlittenes Unrecht wiedergutzumachen. Das gilt jedenfalls sicherlich für die Mehrzahl der Menschen, die in der ehemaligen DDR enteignet worden sind, wenn auch die Legitimität nicht weniger Rückgabeansprüche durchaus auch in Frage gestellt werden kann; so z. B. Rückerstattungsansprüche der Flick-Familie, die immerhin denkbar sein könnten. ({6}) Es ist aber ebenso ein Gebot der Gerechtigkeit, daß durch Rückgabeansprüche und entsprechende Verfahren die Menschen nicht in ihren Lebensverhältnissen in Bedrängnis gebracht werden, Arbeitsplätze zu Tausenden verlorengehen und Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden. Inzwischen befällt die Bundesregierung selbst die Sorge, daß sie sich in die Sackgasse manövriert hat. Die stetigen Mahnungen der SPD, die breite Zustimmung bei den Sachverständigen während der Anhörung des Rechtsausschusses haben die Bundesregierung immerhin veranlaßt, mit den jetzt vorgelegten, leider sehr hastig konzipierten Reparaturgesetzen den Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung erheblich abzumildern. Sie bleibt jedoch nach wie vor Gefangener ihrer ideologischen Vorurteile und bringt die Entschlußkraft nicht auf, dem Rat der Sachverständigen zu folgen und den Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung umzukehren. Stattdessen wird nun ein äußerst unübersichtliches und kompliziertes Paragraphenwerk vorgelegt, mit dem versucht wird, einige Sperren und Investitionshemmnisse beiseite zu räumen. Ich fürchte, damit ist wenig oder nichts gewonnen. Die im Aufbau befindlichen Verwaltungen werden mit der Auslegung der schwierigen Vorschriften überfordert, ({7}) die Verwaltungsverfahren werden sich hinziehen, die Rechtsstreitigkeiten ausufern, die Rechtsunsicherheit wachsen. Sie geben Steine statt Brot. ({8}) Sicherlich, Sie werden noch einige Ausführungen, einen Packen von Ausführungsverordnungen und Dienstanweisungen, nachliefern. Auch Formulare sollen auf Anregung des Bundesrates zur Verfügung gestellt werden. Ebenfalls wird eine Gebrauchsanweisung für bestimmte Begriffe, die im Gesetz vorzufinden sind, in Aussicht gestellt. Das wird ein herrliches Tummelfeld für Rechtsakrobaten. Allein die Kasuistik in § 3 a des Vermögensgesetzes, die es dem Verfügungsberechtigten ermöglichen soll, sich im Do-it-yourself-Verfahren bestimmter Veräußerungsverbote zu entledigen, wird zu umfänglichen und mühsamen Prüfverfahren führen, die das bereits vorhandene Tohuwabohu noch beträchtlich vergrößern werden. Der Abschreckungseffekt für potentielle Investoren läßt sich vorstellen. Machen Sie doch einmal einen Test: Legen Sie dem gutwilligen Investoren, dem scheuen, unbekannten, zartbesaiteten Wesen, den Text des novellierten Vermögensgesetzes vor, und fragen Sie ihn, wie er sich entscheiden wird. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß er nach Lektüre der ersten fünf Paragraphen laut schreiend die Flucht ergreift. Machiavelli war im Zweifel darüber, welche Menschen in einem Staate schädlicher sind: die, welche etwas erwerben wollen, was sie nicht haben, oder die, welche erworbene Vorrechte zu erhalten streben. Wir sollten uns darauf verständigen, daß die Menschen das Verfügungsrecht über Unternehmen und Grund und Boden erhalten, die damit etwas beginnen wollen. ({9}) Es ist höchste Zeit, daß klare und durchschaubare Rechtsverhältnisse geschaffen werden, wenn Resignation und Hoffnungslosigkeit in den neuen Bundesländern nicht weiter um sich greifen sollen. Klare Rechtsverhältnisse sind nicht zuletzt die unabdingbare Voraussetzung dafür, daß die Bauwirtschaft endlich mit ihrer Arbeit beginnen kann. ({10}) Wenn es gelingt, die Bauwirtschaft in Gang zu bringen, wird sie den Motor für die gesamte Wirtschaftskonjunktur in den fünf neuen Bundesländern bilden. ({11}) Wenn wir uns von Denkverboten befreien, werden wir hoffentlich entdecken, daß der überkommene starre Eigentumsbegriff eine Schablone ist, die für die Lebenswirklichkeit nicht taugt. Das Festhalten an dieser Begriffsschablone führt nicht zur Durchsetzung des Rechts, sondern zur Herrschaft der Bürokratie. Dagegen ermöglicht ein neues Rechtsverständnis, daß zwischen persönlichem privatem Eigentum und treuhänderischem, gesellschaftlich verantwortlichem Eigentum zu unterscheiden weiß, die Entwicklung der Marktwirtschaft. Das gilt auch für die neuen Bundesländer. ({12}) ({13}) Damit Sie keinen Irrtümern anheimfallen: Mit dem sogenannten Volkseigentum, das organisierte Verantwortungslosigkeit darstellt, haben wir miserable Erfahrungen gemacht. Darum kann es nicht gehen. ({14}) Ich muß zugeben: Aus meiner beruflichen Perspektive schulde ich der Regierung Dank. Die Novellierung des Vermögensgesetzes ist ein großes Beschäftigungsprogramm für Anwälte und Rechtsgelehrte, das wahrscheinlich für 50 Jahre reichen wird. Eine Beseitigung der Investitionshemmnisse aber ist es nicht. Geben Sie Ihren Starrsinn auf, und machen Sie durch Umkehr des Grundsatzes Rückgabe vor Entschädigung den Weg für Investitionen frei! Sonst wird sich der Eindruck verdichten, daß das größte Investitionshemmnis für die neuen Bundesländer die amtierende Bundesregierung selber ist. ({15}) Dann hilft nur noch eines, was aus anderen Gründen längst überfällig und für uns alle eine Wohltat wäre: Geben Sie den am 2. Dezember erschwindelten Regierungsauftrag zurück! ({16})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Das Wort hat nunmehr der Bundesminister der Justiz, Herr Dr. Kinkel.

Dr. Klaus Kinkel (Minister:in)

Politiker ID: 11002696

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. Februar habe ich bei der ersten Lesung des Gesetzes gesagt, daß neben dem Aufbau des Rechtsstaats die Investitionen das zentrale Problem in den neuen Bundesländern sind. Wir müßten alles nur Menschenmögliche tun, um zu diesen Investitionen zu kommen. Heute, nur drei Wochen später, sind wir mit dem vorliegenden Gesetz diesem Ziel ein, wie ich meine, doch erhebliches Stück nähergekommen. Wir räumen nicht nur einige Hindernisse beiseite, die sich in der Praxis gezeigt haben, sondern führen durchaus auch neue Lösungen ein und haben damit ein beachtenswertes Stück Arbeit geleistet. Ich betone dabei ganz besonders, daß die Materie, um die es geht - sie ist von der Sache her und rechtlich unendlich schwierig und verwickelt - , die Gesetze, die wir heute novellieren sollen, Teil des Einigungsvertrages sind. Wir hatten für sie kein Vorbild, konnten nicht auf Erfahrungen zurückgreifen. Ich habe bei der Vorlage des Artikelgesetzes gesagt, daß besseren Lösungen im Laufe der Beratungen nichts im Wege steht. Verbesserungen haben wir gemeinsam erarbeitet. Dafür danke ich allen Beteiligten. Die Zeit war kurz, sehr kurz. Drei Wochen sind für ein so schwieriges Gesetz wirklich wenig. ({0}) Eine Fülle von Detailproblemen und konzeptionellen Überlegungen ist auf alle Beteiligten im wahrsten Sinne des Wortes eingestürzt. Alles mußte bewertet und bedacht werden. Im Interesse der Praxis, im Interesse der Investitionen mußten wir versuchen, unser Konzept stimmig zu halten. Ich meine, daß es uns gelungen ist. ({1}) Ich danke der SPD, daß sie hier im Plenum und auch im Rechtsausschuß konstruktiv mitgewirkt hat. Ich bedaure sehr, daß Sie beim Vermögensgesetz nicht zustimmen können. Damit werden wir leben müssen. Es wäre aber meines Erachtens falsch, diesen Bereich abzukoppeln. Es muß jetzt insgesamt schnell geholfen werden. ({2}) Ich danke aber vor allem dem Rechtsausschuß. Angesichts seiner vielen Sondersitzungen gibt es dafür wirklich Grund. In einem einmaligen Kraftakt hat er den Entwurf durchberaten. Ich weiß, daß es manche Zumutung gegeben hat. Ich bitte nochmals - wie im Rechtsausschuß schon geschehen - um Verständnis. Stellvertretend für alle seine Mitglieder möchte ich Herrn Helmrich als Berichterstatter der CDU/CSU ({3}) und Frau Däubler-Gmelin ({4}) sehr herzlich danken. Auch Herrn Stiegler als amtierendem Vorsitzenden des Rechtsausschusses gebührt Dank. ({5}) Aber wir haben nicht nur im Parlament Unterstützung erfahren. Die größte Last bei der Rückgabe, Privatisierung und Investitionsförderung trägt die Treuhand. Sie wird viel zu oft und, wie ich meine, sehr oft zu Unrecht gescholten. Das Artikelgesetz wäre sinnlos, wenn es an den Bedürfnissen der Treuhand vorbeiginge. Auf die Erörterung mit der Treuhand haben wir deshalb im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens besonderen Wert gelegt. Ich danke aber auch allen, die in der öffentlichen Diskussion an dieser schwierigen Materie mitgewirkt und mitdiskutiert haben, auch denjenigen, die im Hearing beteiligt waren, auch wenn sie nicht die Auffassung des Bundesjustizministers oder der Koalition vertreten haben. Meine Damen und Herren, auf Einzelfragen des Vorhabens sind meine Vorredner bereits eingegangen. Mir ist besonders wichtig, daß wir mit diesem Gesetz den Zielkonflikt zwischen Rückgabeverpflichtung und Investitionsförderung - so gut es geht - zu lösen versucht haben. Den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" haben wir aus guten Gründen aufrechterhalten. Die Entscheidung für dieses Prinzip war eine Frage der Moral - ich sage das nochmals -, eine Frage der Rechtsstaatlichkeit und auch eine Sache der wirtschaftlichen Vernunft. ({6}) Wenn wir dem gefolgt wären, liebe Frau Däubler-Gmelin, was Sie vorgeschlagen haben - und ich habe für einen solchen Vorschlag durchaus Verständnis -, hätten wir, jedenfalls nach meiner Meinung, das Gegenteil von dem erreicht, was wir wollen und dringend brauchen, nämlich schnelle Investitionen. Wir hätten Unsicherheit und weitere Verzögerungen erzeugt. ({7}) Auch Ihnen, lieber Herr Schily - ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich Ihre Rechtskenntnisse und Sie schätze -, will ich entgegenhalten: In diesem Fall gilt wirklich, Kritik ist oft einfacher als Bessermachen. Die Materie, um die es hier geht, ist nun einmal auch gesetzestechnisch - das werden Sie sicher einräumen - schwierig zu handhaben und in den Griff zu bekommen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Meyer ({0})?

Dr. Klaus Kinkel (Minister:in)

Politiker ID: 11002696

Nein, ich möchte gern zu Ende kommen. Es geht darum - darauf möchte ich noch einmal hinweisen - , Unrecht wiedergutzumachen. Wo immer möglich, haben die alten Eigentümer ein moralisches Recht auf Rückgabe. Weil wir vielleicht 20 000 bis 25 000 Objekte für Investitionen benötigen, dürfen wir nicht mehr als 1 Million Antragstellern ihre durch den Einigungsvertrag begründeten Rechte entziehen. Das geht einfach nicht. In dieser Rückgabe liegt im übrigen auch ein wirtschaftlicher Sinn. Menschen, die emotional mit „ihrem" Unternehmen, „ihrem" Haus verbunden sind, lassen sich nicht so sehr von rechnerischen Überlegungen leiten. Auch so werden, wie ich meine, Investitionen gefördert. ({0}) Wir wußten - und das räume ich absolut frei ein - von Anfang an, daß für die Investitionsförderung die bloße Rückgabe an die alten Eigentümer nicht ausreicht. Wir haben deshalb sofort mit dem Investitionsgesetz den nachgewiesenen Investitionen einen Vorrang eingeräumt. Erstens. Künftig kann die Treuhand oder eine Gemeinde über ein Unternehmen oder ein Grundstück verfügen, wenn dadurch Investitionen geschaffen werden. Den erzielten Erlös bekommt der Alteigentümer. Liegt er unter dem Verkehrswert, wird er zusätzlich entschädigt. Zweitens. Die Entscheidung, daß ein vorrangiges Investitionsvorhaben vorliegt, trifft die Treuhand oder die Gemeinde künftig selbst. Investitionen dulden keinen Aufschub. Widerspruch und Anfechtungsklage des Alteigentümers gegen die Entscheidung haben deshalb künftig auch keine aufschiebende Wirkung mehr. Hält der Investor die eingegangenen Verpflichtungen nicht ein, lebt das Eigentumsrecht des Altberechtigten wieder auf. Drittens. Ganz wichtig ist auch die neue Regelung der Zuweisung von Grund und Boden an Gemeinden und Landkreise. Wenn Sie mich fragen: Das war das bisherige Haupthindernis in dem gesamten Komplex. ({1}) Ein Großteil des alten Volkseigentums ist durch den Einigungsvertrag und das Kommunalvermögensgesetz an die öffentliche Hand gefallen. Die Kommunen haben deshalb genug Grund und Boden für Investitionsvorhaben. ({2}) Sie können aber, Herr Vogel, darüber meist nicht verfügen, ({3}) weil nicht klar ist, wem was gehört. Die punktgenaue Aufteilung des Volkseigentums, die wir dringend brauchen, konnten wir mit dem Einigungsvertrag nicht leisten - ich sage: leider. Die Kommunen stehen deshalb auch noch nicht als Eigentümer im Grundbuch. Wer aber nicht als Eigentümer im Grundbuch steht, kann über ein Grundstück nicht verfügen. Hier haben wir für die fünf Länder eine neue Lösung entwickelt. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes können die Gemeinden, die Landkreise und die Bundesländer über eine große Zahl von Grundstücken sofort verfügen, die bisher blockiert waren. Viertens. Angesichts des desolaten Wohnungsbestandes in den neuen Ländern sind Modernisierungen besonders wichtig. Wir schaffen damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch dringend benötigten, menschenwürdigen Wohnraum. Investitionswillige Mieter sollen Eigentümer ihrer Wohnung werden können. Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und gegen das Bundesverwaltungsgericht wird deshalb die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung in den neuen Ländern erleichtert. Fünftens. Sehr juristisch, aber praktisch bedeutsam ist das Spaltungsgesetz, über das von Vorrednern eingehend berichtet wurde. Die alten Kombinate und volkseigenen Betriebe der ehemaligen DDR waren nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten aufgebaut. Um sie sinnvoll zu privatisieren, müssen sie aufgespalten werden. Um jede Verzögerung zu vermeiden, gehen wir auch hier einen anderen Weg als in den Altländern. Lassen Sie mich noch ein Wort zum § 613a BGB sagen. Darum hat es in der letzten Zeit viele Diskussionen gegeben. Diese Regelung bestimmt, daß der Erwerber eines Unternehmens in die bestehenden Arbeitsverträge eintritt. Der Verkauf ist kein Kündigungsgrund. § 613a beruht auf einer EG-Richtlinie. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gilt § 613a auch für den Fall des Konkurses. Diese Ausweitung wird von der EG-Richtlinie nicht ver1022 langt. In den neuen Ländern soll § 613a BGB nur im Rahmen der EG-Richtlinie gelten, also nicht im Konkurs. Diese Einschränkung ist für die Sanierung der Treuhand-Unternehmen nötig. Ein Teil dieser Unternehmen wird in Konkurs gehen. Das ist bitter, aber leider nicht zu verhindern. Die Kommandowirtschaft der SED hat die Unternehmen in den Ruin getrieben. Wir werden alles tun, um in diesen Konkursverfahren so viel Substanz wie möglich zu retten. Wenn es irgend geht, sollen auch diese Unternehmen noch an Investoren verkauft werden. Dafür brauchen wir die Einschränkung des § 613a. Anderenfalls käme es zu einem totalen Kahlschlag und dem Verlust aller Arbeitsplätze. ({4}) - Sie waren in der Vergangenheit besonders „sozial" . Das haben wir bemerkt. ({5}) Diese Regelung soll aber nur befristet bis Ende 1992 gelten. Meine Damen und Herren, ich weise nur darauf hin - weil das hier erfragt und gefordert wurde - , daß wir die Rechtsverordnung zu § 6 des Vermögensgesetzes möglichst schnell einbringen wollen, daß wir aber aus naheliegenden Gründen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Enteignungen 1945 bis 1949 wegen der Entschädigungsfrage abwarten wollen. Zum Schluß: Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes tun wir als Gesetzgeber das jetzt Mögliche. Es kommt nun darauf an, das Gesetz in die Praxis umzusetzen. Jeder, der Verantwortung trägt, ist gefordert: die Treuhand, die Kommunen, die Länder und die Landratsämter. Wir haben, was die materiellen und personellen Voraussetzungen anbelangt, versucht, soweit es nur irgendwie geht, den neuen Ländern zu helfen. Was ich hier schon mal vorgetragen habe, will ich nicht wiederholen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß viele Verwaltungen entscheidungsunsicher, mehr noch, entscheidungsscheu sind. Angesichts der zugegebenermaßen komplizierten Materie und Rechtslage fürchten sie, für unrichtige Entscheidungen in Regreß genommen zu werden. Diese Befürchtungen sind unbegründet: Wer nach bestem Wissen und Gewissen handelt, hat keine Haftungs- und Regreßansprüche zu befürchten. Ich appelliere deshalb an alle Beteiligten, nun engagiert an die Umsetzung des Gesetzes zu gehen. Ich bitte Sie sehr herzlich, dem Gesetz zuzustimmen. Ich appelliere auch von diesem Platz aus an den Bundesrat, dem Gesetzesvorhaben am 22. März 1991 im Interesse der betroffenen Menschen in den fünf neuen Ländern zuzustimmen. ({6})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesen Tagesordnungspunkten liegen nicht vor. Ich schließe daher die Aussprache. Wir kommen jetzt zu einem längeren Abstimmungsprozeß. Ich bitte deswegen, Platz zu nehmen. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen. Es handelt sich um die Drucksachen 12/103, 12/204, 12/216 und 12/255. Ich rufe Art. 1 auf, Änderung des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen in der Ausschußfassung. Dazu liegen vier Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste auf den Drucksachen 12/256 bis 12/259 vor. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/256? - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt, mit den Stimmen der CDU/CSU, FDP und SPD, gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste und bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/GRÜNE. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/257? - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Stimmenthaltungen? - Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei Drucksache 12/256 ist auch dieser Antrag abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/258? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit den gleichen Stimmverhältnissen ist auch dieser Antrag abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/259? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Auch hier ist das gleiche Stimmverhalten festzustellen. Wer stimmt für Art. 1 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist Art. 1 bei Zustimmung der FDP- und der CDU/CSU-Fraktion gegen die Mehrzahl der Stimmen der SPD-Fraktion und der PDS/Linke Liste bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/GRÜNE angenommen. Ich rufe die Art. 2 bis 7 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE angenommen. Ich rufe Art. 8 - Änderung des Treuhandgesetzes - in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegen auf den Drucksachen 12/231 bis 12/236 Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/231? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Ablehnung durch die FDP-Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion und die SPD-Fraktion, bei Zustimmung der PDS/ Linke Liste und bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/GRÜNE ist dieser Antrag abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/232? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist mit den gleichen Stimmenverhältnissen abgelehnt. Vizepräsident Helmuth Becker Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/233? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Wir haben wieder das gleiche Abstimmungsverhalten. Der Antrag ist abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/234? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Wir haben das gleiche Stimmenverhältnis. Der Antrag ist abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/235? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Wer stimmt für Antrag Drucksache 12/236? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei fast dem gleichen Abstimmungsverhalten ({0}) - es gibt eine ablehnende Stimme beim Bündnis 90/ GRÜNE - ist auch dieser Antrag abgelehnt. Wer Art. 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? -Bei Zustimmung durch die FDP-Fraktion, die CDU/ CSU-Fraktion und die SPD-Fraktion, bei Ablehnung durch die Gruppe PDS/Linke Liste und bei Stimmenthaltung des Bündnisses 90/GRÜNE ist diese Vorschrift angenommen. Ich rufe Art. 8 a und 8 b in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE sind auch diese Vorschriften angenommen. Ich rufe nunmehr Art. 8c - Änderung des Umweltrahmengesetzes - in der Ausschußfassung auf. Die SPD-Fraktion hat verlangt, daß über Art. 8 c getrennt abgestimmt wird. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, bei Ablehnung durch die SPD-Fraktion und die Gruppe PDS/Linke Liste sowie bei Enthaltung des Bündnisses 90/GRÜNE ist auch diese Vorschrift angenommen. Ich rufe Art. 9 bis 11, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Diese Vorschriften sind mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion und der FDPFraktion bei Enthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste und Bündnis 90/GRÜNE angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion und des Bündnisses 90/GRÜNE angenommen. Der Rechtsausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Entschließung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und Stimmenthaltungen aus den Gruppen PDS/Linke Liste und Bündnis 90/GRÜNE ist diese Entschließung angenommen. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 12/246 ab. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion abgelehnt worden. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 12/265 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Mit demselben Stimmenverhältnis wie soeben ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt worden. Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf der Drucksache 12/237 ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE abgelehnt worden. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen - Drucksachen 12/105, 12/205, 12/214, 12/254 -. Ich rufe § 1 auf. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste ist diese Vorschrift angenommen. Ich rufe § 2 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 12/238 ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE abgelehnt. Wer dem § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90 und bei Ablehnung durch die Gruppe PDS/Linke Liste ist diese Vorschrift angenommen. Ich rufe § 3 in der Ausschußfassung auf. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenenthaltung der beiden Gruppen PDS/Linke Liste und Bündnis 90/GRÜNE ist diese Vorschrift angenommen. Ich rufe § 4 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 12/239 ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE abgelehnt. Vizepräsident Helmuth Becker Wer stimmt für § 4 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Gegenstimmen aus der Gruppe PDS/Linke Liste und dem Bündnis 90/GRÜNE, aber auch bei Zustimmung aus der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist O 4 in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe § 5 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 12/240 ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe Bündnis 90/ GRÜNE ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Wer § 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Gegenstimmen aus der Gruppe PDS/Linke Liste und Enthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist § 5 in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe § 6 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 12/241 ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, FDP-Fraktion, SPD-Fraktion und der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE abgelehnt. Wer stimmt für § 6 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist § 6 in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe §§ 7 bis 15 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der beiden Gruppen sind diese Vorschriften angenommen. Ich rufe § 16 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegen auf Drucksache 12/264 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und auf Drucksache 12/242 ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/ GRÜNE ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. ({1}) - Es ist so, daß es in den Gruppen hin und wieder ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten gibt. Aber wir sind bisher so verfahren, daß wir das nicht im einzelnen aufführen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist der Änderungsantrag abgelehnt. Wir stimmen jetzt über § 16 in der Ausschußfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist gegen die Stimmen der SPD und der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen. Ich rufe § 17 in der Ausschußfassung sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Stimmenthaltung der beiden Gruppen sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei Gegenstimmen der Gruppe PDS/ Linke Liste und bei Stimmenthaltung der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist dieser Gesetzentwurf angenommen. Wir stimmen jetzt noch über den Entschließung san-trag der PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/243 ab. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei teilweiser Stimmenthaltung aus der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ist dieser Antrag abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich. Sie haben uns die Arbeit bei diesem Abstimmungsmarathon einfach gemacht. Nach § 32 der Geschäftsordnung hat jetzt der Abgeordnete Professor Riege aus der Gruppe PDS/Linke Liste das Wort. Bitte sehr, Herr Professor Riege.

Dr. Gerhard Riege (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001844, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Diskussionsrede, die ich am Mittwochabend im Rahmen der Haushaltsdebatte hielt, haben, wie das Protokoll ausweist, die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion Dr. Blank, Geis und Gerster mich in einem Maße diffamiert, das in Form und Inhalt all das übersteigt, was ich bislang in diesem Parlament an wahrlich nicht wenigen Äußerungen von Intoleranz und Verleumdung kennenlernen mußte. ({0}) Es widerstrebt mir, die Ausdrücke, deren sich die drei Herren bedient haben, auch nur zu wiederholen. Ich bewerte das Verhalten dieser Abgeordneten als Zeugnis für ein Bestreben, die Stimme von Mitgliedern meiner Gruppe, deren Legitimation und Rechtsstellung nicht geringer als die einer jeden anderen sind, in der parlamentarischen Repräsentation zu unterdrücken. Ich werde mir auch künftig nicht verbieten lassen, das Wort „Recht" in den Mund zu nehmen und mich um Gerechtigkeit und Gesetzlichkeit zu bemühen. ({1}) Ich verwahre mich dagegen, daß alle meine Kollegen der Jenaer Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Hochschullehrer wie Mitarbeiter, als Stasi-Leute abgestempelt werden. Meine ursprüngliche Hoffnung, in einem Parlament mitwirken zu können, in dem Unterschiede oder Gegensätze politischer Sichten so artikuliert werden können, daß persönliche Würde respektiert wird und daraus ein Beispiel für die Öffentlichkeit unseres Landes erwächst, hat sich nicht erfüllt. ({2}) Mein Bedauern darüber ist um so größer, als ich zur Kenntnis nehmen mußte, daß der amtierende Präsident keine Veranlassung gesehen hat, die erwähnten Beleidigungen zu rügen. Danke. ({3})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. November 1990 über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken - Drucksache 12/199 -Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ({0}) Rechtsausschuß b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. November 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik - Drucksache 12/198 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Auswärtiger Ausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Meine Damen und Herren, das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der deutsch-sowjetische Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit, der heute zur ersten Lesung ansteht, markiert einen Neubeginn in den deutsch-sowjetischen Beziehungen. Gemeinsam mit dem Vertrag über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik soll er Grundlage und Rahmen für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen dem vereinigten Deutschland und der Sowjetunion bilden. Beide Verträge stehen in einem politischen und auch zeitlichen Zusammenhang mit der abschließenden Regelung in bezug auf Deutschland. Herr Präsident, meine Damen und Herren, heute morgen hat mir der Botschafter der Sowjetunion die Ratifikationsurkunde seines Landes zur Hinterlegung bei der Bundesregierung übergeben. ({0}) Gemäß Art. 9 des Vertrages ist mit der Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde der Zwei-plus-VierVertrag in Kraft getreten. Deutschland ist damit heute, am 15. März 1991, die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten zurückgegeben worden. ({1}) Das ist ein denkwürdiger Tag für Deutschland und für Europa. Die Unterzeichnerstaaten sind sich einig in der Überzeugung, daß die Vereinigung Deutschlands mit endgültigen Grenzen ein bedeutsamer Beitrag zu Frieden und Stabilität in Europa ist. Wir danken den Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion für ihre Mitwirkung am Zustandekommen dieses Vertrages. ({2}) Wir Deutschen werden unsere Souveränität in europäischer Friedensverantwortung wahrnehmen. Wir wollen als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen, so wie es der Auftrag unseres Grundgesetzes ist. Wir bekräftigen die Verantwortung, die wir in dem Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland übernommen haben, die Verpflichtung, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird und daß wir keine unserer Waffen jemals einsetzen werden, es sei denn in Übereinstimmung mit unserer Verfassung und mit der Charta der Vereinten Nationen. ({3}) Das souveräne, demokratische und freiheitliche Deutschland wird seine europäische Friedensverantwortung wahrnehmen. Es wird dazu beitragen, daß Europa seiner Verantwortung bei der Gestaltung einer neuen Weltordnung gerecht wird. Auch in Zukunft wird die Politik Deutschlands von den Grundwerten unseres Grundgesetzes und von seiner Friedenspflicht bestimmt. Das bedeutet auch, daß wir nicht nach mehr Macht streben, aber daß wir uns der größeren Verantwortung bewußt sind, die uns mit unserer Vereinigung und mit der vollen Souveränität über unsere inneren und äußeren Angelegenheiten zugewachsen ist. Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir wissen, daß ohne den Ausgleich mit der Sowjetunion die Spaltung Europas und damit auch die Spaltung Deutschlands nicht hätte überwunden werden können. Der deutsch-sowjetische Vertrag, den wir heute zusammen mit dem Wirtschaftsvertrag vorlegen, baut auf dem Moskauer Vertrag von 1970 und der bahnbrechenden deutschsowjetischen Erklärung von 1989 auf. Das deutsch-sowjetische Verhältnis hat für uns zentrale Bedeutung. Wir leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Stabilität in Europa. In wenigen Monaten jährt sich der Tag des Beginns des deutschen Angriffskrieges gegen die Sowjetunion zum fünfzigsten Mal. Die Schrecken und Leiden des Krieges, seine Zerstörungen und Verwüstungen sind nicht vergessen. Diese Erfahrung bleibt Bestandteil des deutsch-sowjetischen Verhältnisses. Sie gibt unseren Bemühungen um gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den Menschen der Sowjetunion ihren historischen und moralischen Rahmen. Wir wollen mit dem vorliegenden Vertrag an die guten und fruchtbaren Zeiten im Verhältnis zwischen unseren Völkern anknüpfen. Die beispiellose Welle von Hilfsbereitschaft, die unsere Bevölkerung gegenüber den Menschen der Sowjetunion gezeigt hat, hat die Verbundenheit unserer Völker deutlich gemacht. Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsaustausch sind klassische Felder beiderseitiger Kooperation und gegenseitiger Befruchtung. Sie sollen dies in Zukunft in ganz neuen Dimensionen werden. Neben den traditionellen Gebieten der Zusammenarbeit haben wir ein gemeinsames Interesse, neue Felder des Zusammenwirkens zu erschließen. Auf dem Gebiet der Ökologie und der gemeinsamen Sorge um die Zukunftssicherung müssen sich das deutsch-sowjetische Verhältnis und Zusammenwirken bewähren. Beide Seiten werden sich deshalb verstärkt der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zuwenden. Der vorliegende Vertrag verpflichtet sie zu enger Abstimmung, zu gemeinsamen Maßnahmen und zur Beteiligung an multilateralen Umweltinitiativen. Das deutsch-sowjetische Verhältnis ist nie auf den politischen und ökonomischen Bereich beschränkt gewesen. Gefühle unserer Völker zueinander waren in der Geschichte durch Sympathie und Respekt geprägt. Das Interesse gerade junger deutscher und sowjetischer Bürger aneinander nimmt ständig zu. Dem wollen wir durch großzügige, breite Förderung von Austauschprogrammen für junge Menschen entgegenkommen. Wir wollen den bilateralen Kulturaustausch unter voller Einbeziehung der neuen Bundesländer ausbauen. Das Goethe-Institut in Moskau hat seine Arbeit aufgenommen; die Eröffnung eines sowjetischen Kulturinstituts in Stuttgart steht bevor. Die kulturelle Unterstützung der Sowjetbürger deutscher Nationalität ist für uns ein wichtiges Anliegen. ({4}) Sie sollen die Möglichkeit zur Pflege ihrer Kultur, Sprache und Traditionen erhalten. Wir wollen im Einverständnis mit unseren sowjetischen Partnern die Grundlage dafür schaffen, daß sie dort für sich eine Perspektive sehen, wo sie jetzt leben, daß sie nicht in eine neue, ungewisse Zukunft aufbrechen müssen. ({5}) Wir wollen durch eine stetige und sich vertiefende Kooperation auf alten und neuen Feldern einen Beitrag zur Stärkung des Reformprozesses in der Sowjetunion leisten. Dieses große Land befindet sich in einer historischen Umbruchphase. Der Wandlungsprozeß verläuft nicht geradlinig. Die durch Präsident Gorbatschow in Gang gesetzten Reformen haben das Antlitz der Sowjetunion nach innen und außen schon binnen weniger Jahre entscheidend verändert. Wenn jetzt Hindernisse und Widersprüche auftreten, so gelten die Gründe für die Umgestaltung in der Sowjetunion dennoch fort. Das berechtigt trotz aller Schwierigkeiten und Unsicherheiten zu der Zuversicht, daß sich die Sowjetunion zu einem demokratisch erneuerten Staatswesen wandeln wird. Das liegt zuallererst im Interesse der Völker der Sowjetunion; es entspricht aber auch dem Interesse des Westens. Europa wartet auf eine demokratisch und wirtschaftlich erneuerte Sowjetunion. ({6}) Präsident Gorbatschow hat anläßlich der Unterzeichnung des großen Vertrages ausgeführt: Wir haben die einzig richtige Wahl getroffen: Wir haben eine langfristig angelegte, reiflich überlegte Entscheidung getroffen, die den lebenswichtigen Interessen und ureigenen Traditionen unserer beiden Völker und Staaten entspricht. Der Vertrag sei, so führte er weiter aus, keine Episode, sondern eine Konstante der neuen Friedensordnung. Das ist auch unsere Bewertung. Wir erwarten von der Sowjetunion, daß auch der Aufenthalts- und Abzugsvertrag sowie der Überleitungsvertrag bald in Kraft treten können. Wir haben diese Verträge schon ratifiziert. Beide Verträge stellen ein ausgewogenes Gefüge an politischen und sachlichen Kompromissen dar. Es gilt, die Übergangszeit bis zum endgültigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland konstruktiv und ohne gegenseitige Zumutungen zu nutzen. ({7}) Das, was im Falle Honecker geschehen ist, kann und wird von uns nicht hingenommen werden. ({8}) Auch bei Berücksichtigung der von der sowjetischen Regierung geltend gemachten medizinischen und humanitären Gesichtspunkte verstößt die Entscheidung über die Verbringung in die Sowjetunion gegen den Vertrag über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie gegen das Völkerrecht. ({9}) Die Bundesregierung erwartet, daß Herr Honecker unverzüglich nach Deutschland zurückverbracht und den deutschen Behörden überstellt wird. ({10}) Ich habe nach der gestrigen Erklärung im Bundeskanzleramt dieses heute noch einmal gegenüber dem sowjetischen Botschafter erklärt. ({11}) Unser Bemühen bleibt es, die zeitweilige Präsenz sowjetischer Soldaten auch als eine bilaterale vertrauensbildende Maßnahme zu gestalten. Wir wollen, daß die sowjetischen Soldaten Deutschland mit freundschaftlichen Gefühlen verlassen. ({12}) Für die Architektur Europas und für das beiderseitige Verhältnis sind Frieden und Sicherheit von grundlegender Bedeutung. Wir werden gemeinsame Anstrengungen um Abrüstung, Vertrauensbildung und Zusammenarbeit unternehmen. Der vorliegende Vertrag geht von einem sich wandelnden Sicherheitsbegriff aus. Wir streben nicht mehr Sicherheit voreinander, sondern miteinander an. Das Fundament einer gemeinsamen europäischen Sicherheit bedarf ständiger beiderseitiger Anstrengungen. Nur so kann sich die neue Sicherheitsarchitektur Europas entfalten. Wir haben in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der sowjetischen Führung die Chance genutzt, grundlegende Hindernisse für die Gestaltung eines neuen Europa beiseite zu räumen. Mit dem vorliegenden Vertrag beschreiben wir den Weg zu einem neuartigen friedlichen und fruchtbaren Miteinander. Wir können diesen Weg mit Zuversicht einschlagen. Wir Deutschen wollen die historische Chance der Aussöhnung und der Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion nutzen. Zusammen mit allen anderen Staaten wollen wir an der Errichtung einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa mitwirken, einer Friedensordnung, die sich gründet auf Freiheit, auf Menschenrechte, auf Selbstbestimmungsrecht, auf Demokratie und auf Marktwirtschaft. Darauf haben sich alle Unterzeichnerstaaten der Charta für ein neues Europa im November 1990 verpflichtet. Das muß auch Richtschnur für das Verhalten aller beteiligten Staaten sein. Ich danke Ihnen. ({13})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Gernot Erler, SPD-Fraktion.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag leitet heute den Ratifizierungsprozeß für zwei außergewöhnlich wichtige Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ein. Er tut dies in einer Atmosphäre von Konsens über Inhalt und Wert dieser Verträge - das ist erfreulich - , allerdings auch ohne größere öffentliche Beachtung. Das ist ein wenig bedauerlich, wenn man den Stellenwert dieser Abkommen in der deutschen Nachkriegsgeschichte im Auge hat und wenn man daran denkt, wie leidenschaftlich sich noch vor wenigen Tagen die sowjetische Öffentlichkeit der Ratifizierungsdiskussion eben dieser Verträge gewidmet hat. Wir beraten heute über zwei Verträge aus einem Paket von insgesamt fünf Vereinbarungen zu unterschiedlichen, aber letztlich eng miteinander verbundenen Themen. In dem Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, allseits besser bekannt als Zwei-plus-Vier-Abkommen, haben die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges dem vereinigten Deutschland die Souveränität zurückgegeben. Nach intensiven, auch von der Bevölkerung mit großer Anteilnahme begleiteten Beratungen hat der Oberste Sowjet, das Parlament der Sowjetunion, dieses Dokument über den Abschluß einer Epoche am 4. März ratifiziert. Daß heute die Dokumente hinterlegt worden sind, ist für uns ein Anlaß, zu sagen: Wir freuen uns. Wir danken auch von dieser Stelle noch einmal allen, die dazu beigetragen haben, und ganz besonders denen, die dabei von bisherigen Vorstellungen und Plänen weit Abstand genommen haben. ({0}) Die vier anderen Verträge lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Da ist zum einen der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - so der offizielle Titel - vom 12. Oktober 1990 und neben ihm das zugehörige Finanzierungskonzept als Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR über einige überleitende Maßnahmen, datiert vom 9. Oktober 1990. Dieses Vertragsduo beschreibt praktisch, wie bis Ende 1994 die Merkmale der Nachkriegsordnung aufgelöst werden sollen, unter denen sich die noch vor kurzem 380 000 Mann zählende Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte aus dem souverän gewordenen östlichen Teil Deutschlands in die sowjetische Heimat zurückziehen wird. Ganz anders das zweite Vertragstandem, das heute auf unserer Tagesordnung steht. Der Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR vom 9. November 1990 und der Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik vom selben Tag widmen sich ganz bewußt der Zukunft, und zwar einer neuen Zukunft zweier Nachbarn mit einer wechselvollen Beziehungsgeschichte. Bereits in der Präambel des Nachbarschaftsvertrages kommt der Wunsch zum Ausdruck, „mit der Vergangenheit endgültig abzuschließen", wobei der russische Vertragstext in wörtlicher Übersetzung ein uns noch geläufigeres Bild zeichnet. Dort ist von dem Wunsch die Rede, „einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen". Niemand kann vergessen, um welche Vergangenheit es sich hier handelt. Gemeint sind die 27 Millionen Kriegstoten, die 70 000 zerstörten Städte und Dörfer, die um Jahrzehnte zurückgeworfene, verwüstete Industrie, gemeint ist auch die Demütigung durch das Eindringen eines Feindes bis vor die Tore von Moskau und Leningrad, also die Folgen jenes deutschen Überfalls auf den Nachbarn, an dessen 50. Jahrestag wir uns in wenigen Wochen erinnern werden. Gemeint ist also das, was in der sowjetischen Geschichtsschreibung ebenso wie in der sowjetischen Alltagssprache bis heute als Großer Vaterländischer Krieg bezeichnet wird, getreu einer russischen Tradition, allen opferreichen Ereignissen der eigenen Lebenswelt die Eigenschaft „groß" zu verleihen. Der Strich wird aber nicht nur unter den Weltkrieg gezogen, von dem kein Land mehr betroffen war als die Sowjetunion, sondern auch unter ein System, das jahrzehntelang dafür sorgen sollte, daß eine solche Gefahr von dem deutschen Nachbarn technisch nicht mehr ausgehen konnte. Teilung und Entwaffnung, später Teilung und Einbeziehung der beiden Teile in zwei feindliche Allianzen, die in Deutschland aufeinanderstießen, so lautete das Stenogramm der Nachkriegsordnung. Sie war zugleich die einzige Prämie für den Sieg der Sowjetunion über Hitlers Heerscharen, das einzige, was Stalin außer Orden seinem Volk, den Veteranen, den Hinterbliebenen und Invaliden, anbieten konnte. Diese Nachkriegsordnung war eine politisch-technische Garantie gegen eine Wiederholung des 22. Juni 1941, erkauft mit millionenfachen Opfern. Der rasante Einigungsprozeß der beiden Deutschlands seit November 1989 mußte vielen Sowjetbürgern wie ein Alptraum erscheinen, sah es doch so aus, als werde der Sowjetunion diese einzige Siegprämie von 1945, diese „Nie wieder"- Garantie ohne Ersatz weggenommen. Technisch hätte Moskau die Möglichkeit gehabt, uns Deutschen die Rückgabe der Souveränität in der Einheit zu verwehren. Das 380 000-Mann-Argument der Westgruppe ihrer Streitkräfte wäre stark genug gewesen, die Nachkriegsordnung noch geraume Zeit aufrechtzuerhalten. Daß es anders kam, ist das bleibende Verdienst der sowjetischen Reformpolitik und ihres seit sechs Jahren mit wechselndem Erfolg kämpfenden Protagonisten Michail Gorbatschow. Allein deswegen haben wir dem sowjetischen Präsidenten und jenen, die seiner Politik gefolgt sind, zu danken. Die beiden Verträge, deren Ratifizierung wir heute angehen, drücken in komprimiertester Form aus, was inzwischen an die Stelle der „Nie wieder"-Garantie der Nachkriegsordnung, deren Markenzeichen die deutsche Teilung war, getreten ist, nämlich Vertrauen in - ich zitiere - „eine dauerhafte und gerechte europäische Friedensordnung einschließlich stabiler Strukturen der Sicherheit", so heißt es wörtlich im Nachbarschaftsvertrag, Vertrauen in die wechselseitige Verpflichtung, den Status quo in Europa, die territoriale Integrität aller europäischer Staaten uneingeschränkt zu achten und künftig alle Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen, erwartungsvolles Vertrauen schließlich auch darin, daß der „80-Millionen-Gigant im Westen", wie sich kürzlich der ehemalige sowjetische Botschafter in Bonn und jetzige stellvertretende Außenminister, Juli Kwizinski ausgedrückt hat, daß also Deutschland sein Potential und seine Erfahrungen bei der Verwirklichung der sowjetischen Wirtschaftsreformen und der Integration der Sowjetökonomie in die Weltwirtschaft einbringt. Die neue Botschaft der sowjetischen Führung an die eigenen Leute lautet also: Wir haben zwar keine Kontrolle mehr über diesen unheimlichen Nachbarn, und spätestens 1994 werden unsere Soldaten auch nicht mehr an der Oder stehen und wachen, aber wir haben vertragliche Zusagen über die Verringerung der deutschen Streitkräfte, über Gewaltverzicht, über friedliche Nachbarschaft, und wir haben eine umfangreiche Vereinbarung über wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, die uns Europa näherbringt, die uns hilft, unsere Reformpolitik voranzutreiben und die Täler unserer ökonomischen Krise schneller zu durchschreiten. Es war mutig, der eigenen Bevölkerung ein solches Angebot zu machen. Viele Wunden sind noch nicht verheilt. Für viele Sowjetbürger ist es ein neuer Gedanke, auf etwas anderes zu vertrauen, als auf die eigene militärische Stärke. Und es ist ein Kennzeichen jener Demokratie der ersten Generation, die wir jetzt in der Sowjetunion und übrigens auch sonst in Osteuropa beobachten können, daß es auf dem rechten Flügel des Spektrums auch Gruppen gibt, die mit dem Beklagen der Kontrollverluste aus der alten Ordnung auf Stimmenfang gehen. Diesen Mut zu belohnen, das sollten wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages uns jetzt vornehmen. ({1}) Das bedeutet, nicht nur die Hand zur Ratifizierung der beiden Gesetze zu heben, sondern auch mit äußerster Wachheit dafür zu sorgen, daß die Verträge im Sinne des Geistes, in dem sie formuliert wurden, auch umgesetzt und mit Leben erfüllt werden. Es ist kein Zufall, daß sich im sowjetischen Sprachgebrauch für den Nachbarschaftsvertrag der Begriff „bolschoj dogowor", großer Vertrag, durchgesetzt hat. Im Kopfe ist schnell die Verbindung zum Großen Vaterländischen Krieg hergestellt. Das, was Kanzler Kohl und Präsident Gorbatschow nach ihrer Begegnung im Kaukasus persönlich unterschrieben haben, ist in Wirklichkeit im Zusammenhang mit den vier anderen Verträgen ein kompletter Friedensvertrag. Aus unserer Geschichte wissen wir aber, daß sich in Friedensverträgen oft schon die Keime für künftige Entzweiungen verbergen. In Versailles war es die Demütigung der Verlierer, die den schrecklichen Gedanken der Revanche nährte. ({2}) Wir haben heute die Chance, die Umkehrung dieser Situation in Form eines denkbaren Sieger-Versailles zu verhindern. Nur eine überzeugende Erfüllung und Weiterentwicklung des vor uns liegenden Vertrages wird verhindern, daß eines Tages die neue europäische Ordnung mit einem vereinten Deutschland in ihrer Mitte von den Nachfahren der Sieger von 1945 in Frage gestellt wird. Was heißt das aber konkret: Erfüllung und Weiterentwicklung des Nachbarschafts- und Kooperationsvertrages? Einige der Gedanken, die auf praktische Folgen abzielen, will ich hier dazu vortragen. Als erstes möchte ich das aufgreifen, was in den Ausschuß- und Plenumsberatungen des sowjetischen Parlaments bereits eine Rolle gespielt hat. Es ist die Frage, ob zu diesen fünf Pfeilern eines Friedensfachwerkes nicht gleichsam wie ein Schlußstein noch eine wiedergutmachende Entschädigung, sofern so etwas überhaupt möglich ist, für die sowjetischen Opfer des Nationalsozialismus hinzukommen muß, also finanzielle Kompensationen für jene, die gefoltert und verhöhnt, zu Zwangsarbeit herangezogen und in medizinischen Experimenten verstümmelt wurden. ({3}) Wir begrüßen, daß Gespräche über diese Möglichkeit begonnen haben und offenbar voranschreiten. Wir wissen natürlich, daß die Sowjetunion in einem Vertrag mit der DDR vom 22. August 1953 auf alle Reparationszahlungen verzichtet hat. Aber warum wollte man einen Unterschied zwischen den zwölf westlichen Staaten, die zwischen 1959 und 1964 im Rahmen von pauschalen Wiedergutmachungsabkommen etwa eine Milliarde DM erhalten haben, und der Sowjetunion machen, deren Bürger nicht weniger schlimmen Repressalien und Verletzungen ausgesetzt waren? Es wäre zu begrüßen, wenn der Deutsche Bundestag noch in diesem Jahr die Gelegenheit bekäme, auch hier einer abschließenden und überzeugenden Regelung seine Zustimmung zu geben. ({4}) Ein weiteres Thema beim Übergang in eine neue Zeit und bei der Verabschiedung einer 45jährigen Vergangenheit lautet - darauf hat auch der Außenminister hingewiesen - : Schaffen wir es, den Abzug der jetzt noch 360 000 Sowjetsoldaten mit ihren Familien aus den ostdeutschen Ländern so zu organisieren, daß da nicht 360 000 gebeugte Menschen in ein Niemandsland zurückkehren, das ihre Heimat werden soll, sondern daß 360 000 Botschafter einer neuen Partnerschaft als Multiplikatoren Inhalt und Geist der neuen deutsch-sowjetischen Beziehungen unterstützen? Lassen Sie mich hier einen Punkt ansprechen, der mich bedrückt. Über die realen Verhältnisse des SEDStaates haben wir in den letzten Monaten immer wieder erschütternde Fakten erfahren. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß die DDR dem menschlichen und kulturellen Kontakt mit den sowjetischen Streitkräften einige Aufmerksamkeit schenkte. Rechnet man zusammen, was die Gemeinden für entsprechende Initiativen an Geldern bei den Kreisen abrufen konnten, was die Betriebe in ihren Kultur- und Sozialfonds für Finanzierungsmöglichkeiten hatten, ({5}) was dann noch die deutsch-sowjetischen Freundschaftsgesellschaften mit ihren 8 Millionen Mitgliedern auf die Beine stellen konnten, dann dürften Quellen im Umfang von 15 bis 20 Millionen DM jährlich für diese Zwecke gesprudelt haben. Heute hören wir, daß die kulturellen Kontakte der Gemeinden mit der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte schon aus finanziellen Gründen praktisch zum Erliegen kommen. ({6}) Im Sinne des Nachbarschaftsvertrags, über den wir hier sprechen, Herr Kollege, brauchen wir eine rasche Lösung; denn die Verabschiedung der Sowjetsoldaten - da gibt es einige Städte wie Magdeburg, Potsdam, Neuruppin und andere, die in diesem Jahr gleich 10 000 Leuten oder mehr Lebewohl sagen werden - sollte einen menschlichen, zivilisierten Rahmen finden und nicht in übertragenem Sinne als Fußtritt bei den Betroffenen im Gedächtnis bleiben. ({7})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Kollege Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krziskewitz?

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin in zeitlicher Enge und möchte im Zusammenhang vortragen. ({0}) Der Geist des Nachbarschaftsvertrages verlangt auch, daß die deutsche Seite nicht mit heimlicher Schadenfreude die Probleme der Fahnenflucht bei den sowjetischen Streitkräften beobachtet. Zur Vertrauensbildung gehört, daß beide Seiten ein voraussehbares und faires Verfahren für die Behandlung von Deserteuren vereinbaren. Außerdem taucht die Frage auf, ob alle Chancen genutzt werden, um jene Werte und Objekte optimal zu nutzen, die von den sowjetischen Streitkräften auf den ihnen zur Verfügung stehenden Liegenschaften in den letzten viereinhalb Jahrzehnten geschaffen wurden. Ich höre, daß gelegentlich Unmut aufkommt, wenn freiwerdende Gebäude der deutschen Seite übergeben werden sollen, diese aber mit der Abnahme zögert. Vertraglich ist ja eine Verrechnung der Werte, die diese von sowjetischer Seite gebauten Einrichtungen darstellen, mit den Schäden der Nutzung vorgesehen, die von anderer Seite geltend gemacht werden. Ungenutzte Gebäude steigen nicht im Wert, und das beeinflußt die Endabrechnung. Auch hier sollte die für solche Probleme eingesetzte deutschsowjetische Kommission bald einen Modus vivendi finden. Dabei kann man sich gut vorstellen, bestimmten sowjetischen Betrieben und Einrichtungen im Sinne des Kooperationsvertrages eine Zukunftschance als deutsch-sowjetische Gemeinschaftsunternehmen zu geben. An der Frage des Eigentums an Grund und Boden sollten solche Möglichkeiten, die von sowjetischer Seite mit Recht in Verbindung mit dem hier zur Debatte stehenden Wirtschaftsvertrag gebracht werden, nicht scheitern. In einem anderen Punkt ist der heutige Tag in besonderer Weise Anlaß, uns zu etwas mehr Sensibilität zu verpflichten. Eine Spur von dem, was ich hier zum Abschluß aufgreifen möchte, weist uns die Erklärung des Obersten Sowjet der UdSSR vom 4. März dieses Jahres, also dem Tag, als das sowjetische Parlament die beiden Verträge und dazu das Zwei-plus-VierAbkommen ratifizierte. In dieser Erklärung heißt es - ich zitiere -: Der Oberste Sowjet der UdSSR geht davon aus, daß im vereinigten Deutschland die Menschenrechte strikt eingehalten und insbesondere jede Diskriminierung der Bürger der ehemaligen DDR aus politischen und anderen Motiven ausgeschlossen wird. Über die spektakuläre Ausreise von Erich Honekker ist seit gestern abend und auch heute hier viel gesagt worden. Ich sehe, ohne einen Ton der Billigung, sondern als Verstehensversuch, eine Verbindung von der soeben zitierten Erwartung des sowjetischen Parlaments und der Aktion, Honecker dem wartenden bundesdeutschen Haftbefehl zu entziehen. Es kann nicht um Strafvereitelung im Sinne krimineller Delikte gehen. Der Nachbarschaftsvertrag sieht ausdrücklich in Art. 19 eher eine Erweiterung des gegenseitigen Rechtshilfeverkehrs vor. Vielleicht sollte diese Aktion aber darauf hinweisen, daß unser Nachbar Sowjetunion es als Problem versteht, wenn politische und administrative Tätigkeit im real existierenden Sozialismus der DDR nachträglich mit der Meßlatte westlichen Rechtsempfindens auf rechtliche Beanstandung hin überprüft werden soll. Ich betone nochmals: Kriminelle Delikte hat hier auch die sowjetische Seite nicht im Auge. ({1}) Dieses Haus hat zu diesem in der Tat komplizierten Thema noch einen eigenen Beitrag zu leisten, und es ist gut, daß wir dabei auf den Rat der Kolleginnen und Kollegen hören können, die unmittelbarer als wir westdeutschen Abgeordneten betroffen sind. Die Liste von Vorschlägen, wie wir die Artikel der uns vorliegenden Gesetze zur Lebensfülle beatmen können, ließe sich fortsetzen. Die richtige Arbeit beginnt erst nach der Ratifizierung. Über die letztere sind wir uns einig. Ich hoffe, wir sind uns auch über die Bedeutung einig, die unsere Anstrengungen zur Umsetzung der beiden Gesetze für ein Europa des Friedens und des Vertrauens unter Vermeidung jeder Ausgrenzung des Nachbarn Sowjetunion haben. Ich danke Ihnen. ({2})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, ich erteile das Wort dem Abgeordneten Karl Lamers, CDU/CSU-Fraktion.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Mitteilung des Bundesaußenministers macht in der Tat deutlich: Es ist heute ein denkwürdiger Tag, an dem wir diese beiden Verträge beraten. ({0}) Ich meine, wir sollten uns auch durch die aktuellen Ereignisse nicht davon abhalten lassen, die geschichtliche Dimension zu sehen, in der diese Verträge gesehen werden müssen. Sie zeigen, daß der Bundeskanzler mit seiner oftmals benutzten Formulierung von der zentralen Bedeutung der deutschsowjetischen Beziehungen recht hat. Wenn wir uns nun fragen, was zentrale Bedeutung konkret heißt, so ist es im Blick auf unsere unmittelbaren Nachbarn in West wie Ost sinnvoll und notwendig, zunächst noch einmal zu sagen, was zentrale Bedeutung nicht meint. Erstens. Die deutsch-sowjetischen Beziehungen zu Ausgang dieses Jahrhunderts sind keine Neuauflage früherer Verhältnisse. ({1}) Sie richten sich nicht nur gegen niemanden, sie sind im Gegenteil auf das Wohl ganz Europas und aller Völker gerichtet. ({2}) Sie sind selbstverständlich auch nicht exklusiv, wie schon die große Anzahl ähnlicher Verträge zeigt, welche die Sowjetunion nunmehr mit anderen westeuropäischen Ländern abgeschlossen hat. Zweitens. Das Wort sagt auch nicht, daß Deutschland seine Zukunft im Osten, d. h. in privilegierten Beziehungen zur Sowjetunion, sieht. Wir wissen: Unsere Zukunft liegt nicht im Osten, sondern die Zukunft des Ostens liegt im Westen. ({3}) Denn nur wenn alle Länder unseres Kontinents ihr gesellschaftliches und politisches Leben von dem kulturellen und politischen Wertekanon des Westens bestimmen lassen, werden sie Zukunft haben; die Zukunft haben, die ihre Völker wollen. Nur dann wird Europa dauerhafter Friede und Wohlergehen beschieden sein. ({4}) Das gilt vor allem auch für die Sowjetunion - und genau das hat eben der Bundesaußenminister zum Ausdruck gebracht -, ist die Sowjetunion doch durch ihre Größe das europäische Land, das auf die Geschicke des ganzen Kontinents den größten Einfluß ausübt. Das haben wir nach 1945 vierzig Jahre lang leidvoll erfahren, die Deutschen und die anderen Völker östlich der Elbe in erster Linie. Seit 1985 hat der Wandel in der Sowjetunion die großen und so erfreulichen Veränderungen auf dem Kontinent, nicht zuletzt die deutsche Einheit, ermögKarl Lamers licht. Heute sehen wir, wie die gewaltigen Probleme dieses Landes alle Völker Europas und darüber hinaus besorgt machen. Es geht also um den Platz Rußlands in Europa. Er hängt natürlich zunächst und entscheidend von der Entwicklung dieses Landes selber ab. Wollen wir diese richtig bewerten, um unser Tun richtig einzurichten, so müssen wir sehen, daß dieser Prozeß nicht nur die Überwindung von 70 Jahren kommunistischer Geschichte zum Inhalt hat, sondern auch eine partielle Korrektur von 1 000 Jahren russischer Geschichte. Nur in dieser Perspektive wird seine ganze historische Dimension deutlich. Es kann niemand von der Ungeheuerlichkeit der Schwierigkeiten und der Unvermeidbarkeit von Rückschlägen überrascht sein. In dieser einzig angemessenen, weil realistischen Sicht ist das Werk Michail Gorbatschows trotz allem erstaunlich, und seine außenpolitische Zuverlässigkeit verdient unsere volle Anerkennung. Das gilt nicht zuletzt für die soeben erfolgte Ratifizierung des Zweiplus-Vier-Vertrags und der heute uns vorliegenden Verträge. Die Verträge, die wir heute beraten, sind wesentlich die Frucht des vertrauensvollen Verhältnisses zwischen dem Bundeskanzler und Michail Gorbatschow. Sie sind aber auch nicht ohne die lange und oft mühselige Arbeit des deutschen Außenministers und seines ehemaligen sowjetischen Kollegen Eduard Schewardnadse möglich, den ich bei dieser Gelegenheit ausdrücklich und dankbar erwähnen möchte. ({5}) Für die Union möchte ich betonen, daß auf sie und auch auf die Deutschen Verlaß ist. Ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Wir wissen, daß wir einen langen Atem brauchen, ({6}) daß wir uns von Schwierigkeiten und Rückschlägen nicht entmutigen lassen dürfen. Doch sind wir auch davon überzeugt, daß zu einem vertrauensvollen Verhältnis Aufrichtigkeit und Offenheit gehören. Deswegen will ich anmerken: Erstens. Es wäre dem deutsch-sowjetischen Verhältnis abträglich, wenn die noch nicht erfolgte Ratifizierung des Stationierungs- und Überleitungsvertrages die Tür für weitere finanzielle Erwartungen offenhalten sollte. So richtig es moralisch wie politisch war, daß der Bundeskanzler die deutsche Bereitschaft für eine Entschädigung bestimmter sowjetischer Opfer des Nationalsozialismus erklärt hat, so wenig Verständnis hätten wir für solche Nachforderungen. Zweitens muß ich unsere wachsende Sorge über die sowjetische Auslegung des KSE-Vertrages ausdrükken. Diese Auslegung ist schlicht unzulässig. Wenn damit Druck auf die Einbeziehung der Seestreitkräfte vor allem der Vereinigten Staaten in den weiteren Verhandlungen ausgeübt werden soll, dann ist dies das verkehrte Mittel zur verkehrten Zeit. ({7}) Ich muß in diesem Zusammenhang uns alle daran erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland im festen Vertrauen auf das Inkrafttreten dieses Vertrages und, darauf fußend, auf den Fortgang des Abrüstungsprozesses eine gewaltige Vorleistung erbracht hat, indem sie sich einseitig verpflichtet hat, ihre Streitkräfte um 40 Prozent zu verringern. Diesem Vertrag haben wir alle, in Ost und West, eine außerordentliche Bedeutung beigemessen, nicht zuletzt weil er das Verhältnis zwischen den ehemaligen Gegnern im Kalten Krieg nicht nur vom guten Willen abhängig macht, sondern den Beziehungen die solide Grundlage wechselseitiger und vor allem dauernd kontrollierter Abrüstung unterlegt. Drittens muß ich die Warnung des sowjetischen Botschafters in Bonn vor einer deutschen Unterstützung der baltischen Unabhängigkeitsbestrebungen als im Ton und im Inhalt verfehlt und den deutschsowjetischen Beziehungen nicht förderlich bezeichnen. ({8}) Schließlich, meine Damen und Herren, kann ich - viertens - an dem heutigen Tage nicht umhin, auf den Fall Honecker einzugehen. Ich will meine Berner-kung aber auf die nachdrückliche Unterstützung dessen beschränken, was der Bundesaußenminister und bereits heute vormittag der Bundesjustizminister hierzu gesagt haben. Das ist ohne Zweifel eine ernste Angelegenheit. Solche Feststellungen und solche Vorkommnisse - wie auch die in Litauen - erschweren die deutsche Aufgabe außerordentlich, den Westen insgesamt für das Ziel zu gewinnen, das ich im Anklang an Heidegger einmal die „Verortung Rußlands in Europa" genannt habe. Das eben aber macht die Zentralität in der Bedeutung der deutsch-sowjetischen Beziehungen aus; denn es ist ganz klar, daß wir, die Deutschen, alleine dieser Herausforderung - neben all den anderen, die sich uns in Europa und außerhalb unseres Kontinents mit derselben Dringlichkeit stellen - nicht gewachsen wären. Auch deswegen ist die politische und wirtschaftliche Stärkung des Westens die nach wie vor vorrangige, ja noch dringlicher gewordene Aufgabe der deutschen Politik. Sie steht nicht nur nicht im Gegensatz zu unserer festen Absicht, der Sowjetunion - soweit wir dazu überhaupt in der Lage sind - bei ihrem schweren Weg in eine bessere Zukunft zu helfen, sie ist im Gegenteil ihre Voraussetzung. Wer dem Osten helfen will, muß den Westen stärken. Helfen wollen wir; das ist unser Ziel. Danke schön. ({9})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Hans Modrow, PDS/Linke Liste.

Dr. Hans Modrow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001518, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl noch niemals in diesem, auch an tragischen Ereignissen so reichen Jahrhundert hatten die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Deutschland so große Bedeutung wie heute. Nach Kriegs- und Nachkriegszeit, aus un1032 terschiedlich geprägten Beziehungen mit ehemals zwei deutschen Staaten, soll nun eine neue Epoche deutsch-sowjetischer Beziehungen entstehen. Die vorliegenden Verträge sollen dafür mit solchen Elementen wie Partnerschaft und Zusammenarbeit, der Verpflichtung zu Nichtangriff und Gewaltverzicht ein Grundstein sein. Daraus könnten wichtige Impulse für ein System gemeinsamer Sicherheit in Europa überhaupt erwachsen. Die mit den Verträgen gebotene Chance wird jedoch nur durch ehrliche und realistische, auf Vertrauen und gute Nachbarschaft gerichtete Politik zu nutzen sein. Wenn Herr Waigel erneut von einer „historischen Sekunde " für die deutsche Einheit, in der man „zugegriffen" habe, spricht, wird die von Gorbatschow gestaltete Außenpolitik entstellt und Mißtrauen verbreitet. ({0}) Von hier ist der Schritt nicht weit zu der Behauptung, die DDR sei geopfert worden. ({1}) Niemand sollte die Gefährlichkeit solcher Gedanken unterschätzen. Die Sowjetunion hat - und darüber habe auch ich in Moskau im Januar 1990 mit Michail Sergejewitsch Gorbatschow verhandelt - das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen anerkannt und damit die äußeren Bedingungen der Vereinigung geschaffen. Die sowjetische Haltung im Vereinigungsprozeß ist, wie auch in anderen internationalen Angelegenheiten, durch Vertrauen geprägt. Es zu bewahren, es nicht zu ignorieren oder zu mißbrauchen, darauf wird es für die Zukunft ankommen. Die Verantwortung des vereinigten Deutschlands in seinen Beziehungen zur Sowjetunion - das empfinden wir wohl alle - ist riesengroß. Nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß die deutsch-sowjetischen Beziehungen über mehrere Jahrzehnte von zwei deutschen Staaten völlig unterschiedlichen Charakters geprägt und ausgestaltet worden sind. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre gewannen auch die Beziehungen der alten Bundesrepublik unter der Politik der Perestroika eine neue Qualität. Wir hören mit Aufmerksamkeit solche Bekundungen, die von einer künftigen Brückenfunktion des vereinigten Deutschlands zwischen West und Ost sprechen. Wie soll diese Brücke aber tragfähig sein, wenn Zehntausende, die in der Sowjetunion studiert haben, sich in Warteschleifen befinden und in die Arbeitslosigkeit geschickt werden? ({2}) Welchen Sinn soll dann der Bildungsaustausch erhalten, der im Vertrag festgelegt ist, wenn eine solche Ausbildung zur persönlichen Belastung werden kann? ({3}) Die im Briefwechsel zum Partnerschaftsvertrag gegebene Zusicherung, die Frage der völkerrechtlichen Verträge der ehemaligen DDR im gegenseitigen Einvernehmen zu lösen, darf nicht unberücksichtigt oder - weil die DDR eben nicht mehr existiert - etwa ganz verworfen werden. Mit der konkreten Verpflichtung und Verwirklichung des Vertrages über die wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit gilt es, eine konstruktive Antwort auf jene gegenwärtig nicht gelösten Probleme der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion zu geben. Damit könnte die Regierung auch ihre angebliche Fehleinschätzung über die Perspektive der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, über die in den letzten Tagen so viel gesprochen wurde, nun in konstruktiver Weise korrigieren. Dabei sollten die gegenseitigen Interessen gesehen und keinesfalls einfach westliche Bindungen von seiten der Sowjetunion erwartet werden. Noch ein Wort zur Sache: In einer sowjetischen Erklärung zur Ratifizierung des Zwei-plus-Vier-Vertrages heißt es - ich wiederhole es - : Der Oberste Sowjet der UdSSR geht davon aus, daß im vereinigten Deutschland die Menschenrechte strikt eingehalten und insbesondere jede Diskriminierung der Bürger der ehemaligen DDR aus politischen oder anderen Motiven ausgeschlossen wird. Hier liegt - ob Sie es wollen oder nicht - zugleich ein Prüfstein für die Bereitschaft, die Beziehungen zwischen unseren Völkern wirklich auf einer humanen, ehrlichen und freundschaftlichen Grundlage zu gestalten. Daran sollten wir gemeinsam wirken. ({4})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Arno Schmidt ({0}).

Arno Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002000, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Modrow, ganz zu Anfang ein Wort zu Ihnen: Auch ich komme aus Dresden. Es ist schon eigentümlich, wenn Sie den Planungswirrwarr Ihrer Zeit jetzt dem neuen Bundestag bzw. der Regierung anlasten. ({0}) - Auch ich finde das recht unverschämt. Sie als sogenannter Reformer haben doch sehr lange Zeit gehabt, und Sie wissen doch auch, daß das über die ehemalige Bezirksleitung gelaufen ist. ({1}) Gerade als Abgeordneter aus den neuen Bundesländern finde ich es bewegend, wenn es heute darum geht, ein Vertragswerk zu diskutieren, das in seiner Gesamtkonzeption in der Tat ein neues Kapitel aufschlägt, denn die von der früheren DDR monoton beschworene sozialistische Bruderschaft zur Sowjetunion beruhte nicht auf freier Entscheidung. Sie reduArno Schmidt ({2}) zierte sich durchweg auf eilfertige Lippenbekenntnisse und Bruderküsse. ({3}) Sie fußte auf dem Zwang der östlichen Blockbildung, dem Recht des Besatzers nicht des Verbündeten. Sie verlief - ich denke dabei besonders an die Wirtschaftsbeziehungen - nicht partnerschaftlich, sondern einseitig. Die deutsche Einigung, deren Zustandekommen der Sowjetunion so maßgeblich zu verdanken ist, hat die Lage völlig verändert und eine neue Qualität der bilateralen Beziehungen ermöglicht. Es liegt jetzt an unseren beiden Ländern, dem Geist der Verträge gerecht zu werden. Dazu gehört zuallererst die Aufgabe, das gegenseitige Vertrauen, das aus dem Vertragswerk spricht, fest zu verankern. Deutschsowjetische Partnerschaft - dieses Wort gebrauchen die Verträge ausdrücklich - darf in Zukunft nichts Ungewöhnliches mehr sein. Sie muß selbstverständlich werden. ({4}) Als Vertreter der neuen Länder möchte ich nachdrücklich darauf hinweisen, wie wichtig es ist, den Osten Deutschlands von Anfang an voll in die sowjetisch-deutsche Zusammenarbeit zu integrieren, in allen Bereichen, die die Verträge ansprechen. Unter dem Beginn vertrauensvoller partnerschaftlicher Zusammenarbeit verstehe ich im übrigen nicht den offenbar generalstabsmäßig vorbereiten Abtransport Erich Honeckers nach Moskau. ({5}) Soll damit der eigentlich Verantwortliche für den unsäglichen Schießbefehl dem Zugriff der Justiz entzogen werden? ({6}) - Lassen Sie sich besser informieren! Da haben Sie heute bei den Vorträgen nicht zugehört. ({7}) - So ist es. ({8}) Vielleicht müssen Sie sich jetzt langsam auch an rechtsstaatliche Grundsätze gewöhnen. ({9}) Ich weiß nicht, ob Sie die Auswirkungen eines Haftbefehls auf solche Verträge kennen. ({10}) Diese Entwicklung ist für mich und meine Partei, für uns alle, denke ich, unerträglich. Wie kann dennoch von unserer Seite aus das so wichtige Vertrauen zueinander gefestigt werden? Erstens. Wirtschaftliche Talfahrt, die wir für eine hoffentlich kurze Übergangszeit in den neuen Bundesländern erleben, trifft die Sowjetunion schon in der ersten Phase des Umbruchs von verkrusteter Planwirtschaft zu stärkerer Marktorientierung noch weitaus härter. Es fehlt die marktwirtschaftliche Rückendeckung, die soziale Abfederung, die - ich erlebe es Tag für Tag auch vor Ort in Dresden - selbst bei der ökonomischen Potenz des Westens der Bundesrepublik nur unter großen Opfern greift. Hinzu kommen die erheblichen, kaum abschätzbaren wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Truppenabzugs, mit denen die Sowjetunion konfrontiert wird. Der Kollaps des RGW und das Ende des Warschauer Paktes zwingen die UdSSR zu strategischem Umdenken auf allen Feldern der Politik. Deshalb muß der mühsame Wandlungsprozeß in der Sowjetunion nicht nur rhetorisch, sondern mit Rat und Tat unterstützt werden. Für ein dauerhaftes Wirksamwerden westlicher Hilfe sind mutige, einschneidende Reformschritte und die Öffnung gegenüber privatem Kapital unerläßlich. Der Anstoß hierzu kann aber nur durch aktive Hilfe erfolgen; Hilfsbereitschaft allein reicht hier nicht aus. ({11}) Die Bundesrepublik kann diese große Aufgabe nur gemeinsam mit den europäischen Partnern angehen. Die FDP wird sich dafür einsetzen, ein Paket gesamteuropäischer Solidarität zu schnüren, das dem Wandel des Ost-West-Verhältnisses entspricht. Nur so kann auch der verstärkt einsetzende, langfristig besorgniserregende Trend der Menschen zur Wanderung in den Westen abgebremst werden, der eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft darstellen wird. Zweitens. Deutschsowjetische Partnerschaft heißt auch, die Sicherheitsstrukturen sowohl auf europäischer wie auf internationaler Ebene neu zu überdenken. Der Bundesaußenminister hat hierzu sowohl vor zwei Tagen als auch heute wesentliche Hinweise gegeben. Neue Formen der Ost-West-Kooperation haben sich jüngst in der Golfkrise erstmals bewährt. Sie gilt es in allen Bereichen auszubauen. ({12}) Die Chance wahrzunehmen, unter dem Dach von EG und KSZE Europa zusammenzuführen, heißt auch lernen, mit der gestiegenen Verantwortung Deutschlands in der Welt konstruktiv umzugehen. Die Perspektive einer Integration der Sowjetunion in die zukünftige Ordnung Europas ergibt sich unmittelbar aus diesen beiden Verträgen. Drittens. Deutsch-sowjetische Partnerschaft bedeutet schließlich auch, den inneren Problemen der Sowjetunion sensibel zu begegnen. Der Sprengsatz nationaler Autonomiebestrebungen ist gleichbedeutend mit der Existenzfrage für die Sowjetunion, sei es in Aserbaidschan, Georgien und Armenien oder auch im Baltikum, wo uns die Probleme mit Blick auf die historischen Bezüge natürlich ganz besonders bedrücken. Vor allem wir Deutschen wissen um die Legitimität des Selbstbestimmungsrechts und die Überlebenskraft des Selbstbestimmungswillens. Wir wissen um die außerordentliche Schwierigkeit des Abwägens Arno Schmidt ({13}) zwischen der Entschlossenheit, dieses Recht endlich umzusetzen, und einer Politik der kleinen Schritte. Diesen vielfältigen Problemen zu begegnen bedarf einer ungeheuren Kraftanstrengung. Der Westen ist aufgerufen, durch wirtschaftliche Hilfe, durch Kredite die tragfähige Rekonstruktion der Sowjetunion im Sinne von Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft zu fördern. An der Destabilisierung der Sowjetunion kann niemandem gelegen sein. ({14}) Die Risiken negativer Rückwirkungen auf den mittel- und osteuropäischen Demokratisierungsprozeß insgesamt sind zu groß. Langfristig ist Hilfe für die Sowjetunion Ausdruck neuer Partnerschaft, ein entscheidender Beitrag zur gesamteuropäischen Integration, eine gewinnträchtige Investition in die Zukunft. Als einer derjenigen, die den friedlichen, demokratischen Wandel in Leipzig, Dresden und Berlin vor nicht einmal zwei Jahren vor Ort erlebt haben, möchte ich betonen, wie wichtig optimistische Visionen und Beharrlichkeit, Wille und Hoffnung sind. Ohne Visionen und Beharrlichkeit gäbe es kein vereintes Deutschland, gäbe es kein Ende der Nachkriegsära, gäbe es nicht diese wegweisenden Verträge, die ich für die Freie Demokratische Partei mit allem Nachdruck begrüße. ({15}) Meine Damen und Herren, trotz des letzten Mißklangs: Ergreifen wir die Hand, die uns zur Freundschaft ausgestreckt wird. Ich danke Ihnen. ({16})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Vera Wollenberger, Bündnis 90/GRÜNE.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Modrow, ich hätte von einer wirklich erneuerten PDS eine klare Distanzierung von der Handlungsweise Herrn Honeckers erwartet. ({0}) Statt zu schweigen, sollte sich die PDS überlegen, wie sie den ehemaligen Oberherrn über ihr heutiges Vermögen wieder nach Deutschland zurückholt. ({1}) Ich finde, eine Parteierneuerung sollte nicht nur rhetorisch stattfinden, sondern auch entsprechende Taten folgen lassen. ({2}) Die Abgeordneten vom Bündnis 90/GRÜNE unterstützen die Forderung von Herrn Außenminister Genscher nach Rückführung von Herrn Honecker nach Deutschland mit allem Nachdruck. Wir sehen in Honeckers Verbringung in die Sowjetunion einen unzulässigen Eingriff in ein schwebendes Verfahren, der durch keinerlei sophistische Erklärungen, wie der Herr Kollege Erler sie vorhin versucht hat, ({3}) zu rechtfertigen ist. ({4}) Wir werten diesen Eingriff als eine Bestätigung der um sich greifenden Methode, prominente Persönlichkeiten der Aufklärung ihrer Taten, sowie dem Recht und seinen Konsequenzen zu entziehen. Dies, meine Damen und Herren, dient nicht der Vergangenheitsbewältigung, die wir alle bitter nötig haben. Auf ein anderes Kapitel von Vergangenheitsbewältigung möchte ich im Zusammenhang mit den heute zu diskutierenden Gesetzentwürfen zu sprechen kommen. Eines der düstersten Kapitel der deutschsowjetischen Beziehungen ist, wie das Nachkriegsdeutschland mit der Entschädigung sowjetischer Opfer des Nationalsozialismus umgegangen ist. Um es vorwegzunehmen: Es hat diese Frage durchgängig tabuisiert. Wir wissen, daß dies ein Pendant in der Sowjetunion selbst hatte. Diese Geschichte wird in der Sowjetunion, etwa durch die Organisation „Memorial", zur Zeit aufgearbeitet. Wir aber müssen uns fragen, wie Deutschland nach mehr als 40 Jahren mit diesen Verfolgten umzugehen gedenkt. Jahrzehntelang hat man argumentiert - wenn man das überhaupt ein Argument nennen will -, an kommunistische Staaten wolle man keine Leistungen für NS-Opfer zahlen. Dies galt selbstredend nicht nur für die Sowjetunion, sondern etwa auch für Polen, Ungarn oder die CSSR. Mit elf westeuropäischen Staaten und mit Israel hat man hingegen Globalabkommen zugunsten von NS-Opfern geschlossen. Frankreich erhielt z. B. 1960 den Betrag von 400 Millionen DM. Wollte man dies auf heutige Verhältnisse umrechnen, wäre das sicherlich ein Milliardenbetrag. Die Mehrzahl der Opfer des Nationalsozialismus kam aber gerade aus den osteuropäischen Staaten. Und die größte Gruppe dieser Verfolgten stellten die Zwangsarbeiter dar. Darüber hat es seit langem die merkwürdigsten Verwirrspiele durch die Bundesregierung gegeben: Die ehemaligen Zwangsarbeiter seien gar keine NS-Opfer gewesen, hieß es; denn Zwangsarbeit sei allein eine sogenannte kriegsbedingte Maßnahme gewesen. Die Bundesregierung ist hier bei der Anhörung des Bundestages von ihrem eigenen Gutachter, dem Bundesrichter Zorn, belehrt worden, der den Einsatz von polnischen Zwangsarbeitern als NS-Verfolgungsmaßnahme eingestuft hat. Dies muß erst recht für sowjetische ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen gelten, denn diese standen in der Hierarchie der Nazis als quasi „Untermenschen" noch unterhalb der polnischen NS-Opfer. Dann hat man merkwürdigerweise behauptet, wegen des Londoner Schuldenabkommens könne man an polnische und sowjetische Zwangsarbeiter nichts zahlen, denn es handele sich um Reparationsforderungen. Nun ist bekannt, daß beide Länder bereits 1953 zwar auf Reparationen, nicht aber auf Entschädigung für Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer verzichtet haben. Und die Gutachter der Bundesregierung haben in einer gemeinsamen Stellungnahme im März 1990 ausgeführt: Im Lichte dieses Verzichts wäre es rechtlich denkbar, daß die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den verzichtenden Staaten auf freiwilliger Basis Leistungen erbrächte, die keinen Reparationscharakter hätten. Dies hatte man aber zu einem Zeitpunkt formuliert, als noch keine Vereinigung Deutschlands und kein Zwei-plus-Vier-Vertrag als Quasi-Friedensvertrag für den Zweiten Weltkrieg zur Debatte standen. An die Erfüllung dieser Bedingungen hatte die Bundesregierung aber immer geknüpft, wann Verhandlungen über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter stattzufinden hätten. Nicht von ungefähr ist im letzten Dezember die französische Regierung in Bonn vorstellig geworden, um über die früher erhaltenen 400 Millionen DM hinaus jetzt für ihre Zwangsarbeiter Leistungen zu fordern. Wie man es auch dreht und wendet, nichts führt daran vorbei, daß die Bundesregierung der Sowjetunion ein Angebot für die Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter und der übrigen NS-Opfer, also etwa der KZ-Insassen, unterbreiten muß. (Beifall des Abg. Dr. Feige [Bündnis 90/ GRÜNE] Es ist gegenüber den genannten Opfern unwürdig und unlauter, jetzt nur besondere Härtefälle in eine eventuelle Regelung einzubeziehen. Alle Verfolgten haben einen Anspruch darauf, eine mindestens symbolische Entschädigung zu erhalten. Sofern man daran denkt, der Sowjetunion ein den Westabkommen vergleichbares Globalabkommen anzubieten, darf dieses materiell nicht so ausgestaltet sein, daß schon vorher feststeht, daß die meisten Opfer nichts erhalten werden. Zum Schluß frage ich mich: Wo werden die notwendigen Beträge in den Haushaltsplänen bereitgestellt? Ich habe die Befürchtung: Die Haushaltsdebatte wird abgeschlossen werden, und man wird diese Beiträge vergessen haben. Die Abgeordneten vom Bündnis 90/GRÜNE fordern deshalb mit allem Nachdruck, die notwendigen Mittel für die Entschädigung von Zwangsarbeitern und NS-Opfern im Haushalt zur Verfügung zu stellen. Ich danke Ihnen. ({5})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Das Wort hat der Abgeordnete Peter Kittelmann von der CDU/CSU-Fraktion.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf zum deutsch-sowjetischen Vertrag über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik. Wir drücken damit nicht nur Dank und Anerkennung aus; wir erkennen zugleich die Chancen, die dies für die deutsche Wirtschaft langfristig bedeutet. Wir unterstützen die eingeleiteten Reformprozesse in der Sowjetunion. Auf der anderen Seite wissen wir, daß den neuen Bundesländern, vormals durch Zwangverträge angekettete und abhängige Partner der UdSSR, wirtschaftlich geholfen werden muß, an die Traditionen anzuknüpfen. Es besteht kein Zweifel daran, daß wir die Sowjetunion im Bemühen um Reformen, die sich auf demokratische Strukturen, die Einhaltung von Menschenrechten und die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit beziehen, nachhaltig unterstützen. Zu einem solchen nachdrücklichen Engagement gehört freilich die Bereitschaft, der Sowjetunion im Prozeß des Übergangs zur Marktwirtschaft zur Seite zu stehen. Der hier zur Debatte stehende Gesetzentwurf vermag dazu einen wertvollen Beitrag zu leisten. Der privatwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Investoren beider Seiten könnte damit ein schneller und notwendiger Anschub gegeben werden. Das Zusammenwirken der privaten Investoren von unserer Seite mit den in der Sowjetunion zuständigen ist ein Teil des großen Problems, über das wir uns in den Ausschüssen unterhalten müssen. Dem Gesetz kommt erhebliche Bedeutung für ganz Deutschland zu. Wir hoffen auf der einen Seite, daß die Sowjetunion in ihren Reformbestrebungen erfolgreich ist. Auf der anderen Seite erhalten wir langfristig eine Option, künftig für die gesamte deutsche Wirtschaft Chancen zu eröffnen. Wir erinnern uns: Zu Beginn der historischen Umwandlung im Osten und schon vorher herrschte ein geradezu hektisches Gedränge deutscher Firmen im Kampf um Marktanteile in der UdSSR. Im Moment aber herrscht Flaute. Sie muß überwunden werden. Dazu allerdings gehört dann auch die Überwindung der Schwierigkeiten, die gerade zu dieser Flaute geführt haben. Das wiederum setzt die Analyse dieser Schwierigkeiten voraus. Durch die Dezentralisierung der Außenwirtschaft und die massive Verschlechterung der Zahlungsbilanzsituation ist das Risiko im Sowjetunion-Geschäft für die deutschen Investoren gewachsen. Sie klagen über sowjetische Zahlungsverzögerungen; der Markt werde durch Unwägbarkeiten im wirtschaftlichen Reformprozeß und durch akute Devisenknappheit gravierend beeinträchtigt. Die Konzentration des sowjetischen Exports auf Güter aus dem Rohstoff- und Energiebereich bewirkt ferner eine strukturelle Schwächung des sowjetischen Exportgüterangebots. Hinzu kommt, daß die Konturen des sowjetischen Konzepts zur Weiterführung der Handelsbeziehungen mit Unternehmen der neuen Bundesländer noch nicht erkennbar sind. Nun muß den Problemen von beiden Seiten entgegengewirkt werden, um die auf Grund dieser Faktoren mittelfristig zu erwartende Senkung des Handelsniveaus abzufedern. Um das zu erreichen, zielt das Gesetz auch auf einen Aus- und Aufbau der Informations- und Kontaktmöglichkeiten der Unternehmen ab. Der Vertrag, den wir heute an die Ausschüsse zur Beratung überweisen, dokumentiert vor allem die umfassende Neugestaltung der deutsch-sowjetischen Beziehungen nach der deutschen Einigung. Darüber hinaus - das ist in diesen Tagen von besonderer Dringlichkeit - beinhaltet das Gesetz zunächst Bestimmungen zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den neuen Bundesländern und der Sowjetunion in der Übergangsphase nach der deutschen Einigung. Diese Übergangsphase ist möglichst so zu gestalten, daß tiefe wirtschaftliche Einbrüche vermieden werden. Zunächst wird es in diesem Rahmen auf die Einfuhren aus der Sowjetunion vor allem in das Gebiet der ehemaligen DDR ankommen. Der Voraussetzung dafür, dem erforderlichen freien Marktzutritt, ist von der EG entsprochen worden. Das Gesetz enthält die Übergangsregelungen der Europäischen Gemeinschaften für die traditionellen Warenschienen aus der Sowjetunion in die neuen Bundesländer. Hinzu kommt eine Reihe von Einzelmaßnahmen, die die traditionell engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der ehemaligen DDR und der UdSSR sichern sollen. Dazu gehören auch die Zusage einer kontinuierlichen Belieferung mit Ersatzteilen, die Umstellung der vertraglichen Beziehungen auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen in eigener Verantwortung und die Fortentwicklung auf der Gundlage marktwirtschaftlicher Bedingungen sowie die Ersetzung der Transferrubelverrechnung durch Zahlung in konvertibler Währung. Ferner ist, wie Sie wissen, vereinbart worden, daß die beiden deutsch-sowjetischen Kooperationsprojekte, die sich auf Erschließung von Erdgaslagern und Erzanreicherung beziehen, überprüft werden. Leistungsverrechnungen werden ebenso wie der allgemeine Warenverkehr auch für diese beiden Projekte ab 1991 auf konvertible Währung und marktwirtschaftliche Preise umgestellt. Allein für diese beiden Kooperationsprojekte mußten im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft für 1991 1,75 Milliarden DM eingestellt werden. All das, was ich bisher erwähnt habe, zeigt schon, welch riesiges Stück Arbeit wir vor uns haben. Die Sowjetunion hat ihr Interesse an weiteren wirtschaftlich Beziehungen zu den fünf neuen Bundesländern mit den angekündigten Aufträgen in Höhe von 9 Milliarden DM bekundet, für die der Bundeswirtschaftsminister eine Hermes-Bürgschaft - soweit ich unterrichtet bin, sogar zu 100 % - zugesichert hat. Damit gehen wir von unserer Seite weit über das hinaus, was es bisher gegeben hat. Herr Modrow, das ist es, was die Sowjetunion braucht, nicht hingegen ideologische Rückwärtsblicke in alter kommunistischer Vertrautheit. ({0}) Die Sowjetunion ihrerseits hat also Interesse daran bekundet, mit den fünf neuen Bundesländern zusammenzuarbeiten. Es muß alles getan werden, um den Einbruch im Handel mit der UdSSR abzufangen. Die Bundesregierung versucht mit Unterstützung der Koalitionsfraktionen und, ich glaube, auch der übrigen Fraktionen dieses Hauses, zu einer Neugestaltung der bisherigen Beziehungen zu kommen. Die Wirtschaft mit ihren privaten Investoren sollte dieses Gesetz als nachhaltigen Appell verstehen, auch in der Sowjetunion ein größeres wirtschaftliches Engagement zu riskieren. ({1}) Ich möchte Sie daran erinnern, daß die ehemalige DDR für die Sowjetunion der wichtigste Lieferant für Maschinen, Ausrüstungen und Transportmittel war. Die UdSSR sucht ihrerseits in Kooperationen mit westlichen Partnern nicht nur Zugang zu Kapital und Know-how im technischen Sektor und im Dienstleistungsbereich; sie sucht vor allen Dingen Zugang zu den westlichen Märkten. Die Sowjetunion ist darum für uns trotz aller Schwierigkeiten, die dort zur Zeit herrschen, ein interessanter Handelspartner. Mit dem geplanten Gesetz können wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, daß die Beziehungen zu diesem Handelspartner intensiviert werden. Ich danke Ihnen. ({2})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Otto Schily, SPD-Fraktion.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die besondere Bedeutung dieses Vertragswerks erlaubt es, daß wir einmal für einen kurzen Augenblick aus der Routine unseres Parlamentsbetriebs heraustreten. Ich möchte jedenfalls - in diesem Fall jenseits der Fraktionsgrenzen - dem Herrn Außenminister meine persönliche Hochachtung und meinen Dank für seine hervorragende Arbeit beim Zustandekommen dieses Vertragswerks aussprechen. ({0}) Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, ist: Ich empfinde es wirklich als beschämend - diese Kritik richtet sich auch an meine eigene Fraktion -, daß das Parlament der Bedeutung dieses Vertrags nicht durch eine genügende Präsenz gerecht wird. Es tut mir leid, das sagen zu müssen. ({1})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war für uns eine anstrengende Woche. Ich will das in diesem Zusammenhang noch einmal betonen. Ich habe von vielen Kollegen sehr viele Hinweise auf die Doppelbelastung bekomVizepräsident Helmuth Becker men, parallel zu den laufenden Plenarsitzungen andere unaufschiebbare Tätigkeiten ausüben zu müssen. Deswegen muß man in dem einen oder anderen Fall Verständnis haben. Ich will damit nichts von dem schmälern, was der Kollege Schily gesagt hat, aber ich muß auch auf diesen Tatbestand hinweisen. Meine Damen und Herren, ich kann die Aussprache schließen. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe zu den Verträgen mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auf den Drucksachen 12/198 und 12/199 an die in der Tagesordnung genannten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu noch andere Vorschläge? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 20. März 1991, 13 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen allen ein nicht zu strapaziöses Wochenende. ({0}) Die Sitzung ist geschlossen.