Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/21/1993

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Zunächst möchte ich von dieser Stelle aus ganz herzlich nachträglich Herrn Kollegen Adolf Herkenrath zum 65. Geburtstag, den er am 8. April feierte, gratulieren, ({0}) ebenso dem Kollegen Manfred Reimann, der am 14. April seinen 65. Geburtstag feierte. Herzlichen Glückwunsch! ({1}) Nun zum Amtlichen: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt: 1. Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Deutsche Mithilfe bei VN-Friedensbemühungen 2. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Keine Beteiligung der Bundeswehr an der Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina - Drucksache 12/4710 -Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Beteiligung der Bundeswehr am AWACS-Einsatz - Drucksache 12/4754 -Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Hilfseinsatz der Bundeswehr für humanitäre Maßnahmen der Vereinten Nationen in Somalia - Drucksache 12/4759 Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 4 auf: ZP1 Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Deutsche Mithilfe bei VN-Friedensbemühungen ZP2 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Keine Beteiligung der Bundeswehr an der Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina - Drucksache 12/4710 ZP3 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P. Beteiligung der Bundeswehr am AWACS-Einsatz - Drucksache 12/4754 ZP4 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Hilfseinsatz der Bundeswehr far humanitäre Maßnahmen der Vereinten Nationen in Somalia - Drucksache 12/4759 Zur Regierungserklärung liegen zwei Entschließungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste vor. Ich weise darauf hin, daß über die beiden Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. und den Antrag der SPD im Anschluß an die Aussprache namentlich abgestimmt wird. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache nach der Regierungserklärung drei Stunden vorgesehen. - Auch dagegen höre ich keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Das Wort zu einer Regierungserklärung hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Dr. Klaus Kinkel.

Dr. Klaus Kinkel (Minister:in)

Politiker ID: 11002696

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute geht es über den konkreten Anlaß dieser Debatte hinaus um eine Frage von grundsätzlicher außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung, nämlich: Finden wir als vereintes und souveränes Deutschland nach dem Ende der bipolaren Welt des Ost-West-Konflikts zu einem neuen außen- und sicherheitspolitischen Konsens, der uns in einer veränderten Weltlage zu einem handlungsfähigen und verantwortungsbewußten Partner der Weltgemeinschaft macht? Sind wir bereit, die Friedensaufgaben uneingeschränkt wahrzunehmen, die die Völkergemeinschaft von uns als führender Industrienation angesichts völlig neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen erwartet? Nach den unheilvollen Erfahrungen mit unserer Geschichte hat der Deutsche Bundestag in den 50er Jahren um einen verteidigungspolitischen Grundkonsens gerungen; mit der Schaffung der Bundeswehr haben wir es uns damals wahrlich nicht leichtgemacht. Die Aufgaben der Bundeswehr wurden zu Recht auf die Verteidigung unseres Territoriums an der Nahtstelle zweier Bündnissysteme beschränkt, die mitten durch unser Land lief und die Welt über 40 Jahre in zwei feindliche Lager teilte. Aus dieser Lage heraus haben wir jahrzehntelang unsere Sicherheit definiert und dementsprechend den Auftrag der Bundeswehr ausschließlich in der Verteidigung im Rahmen des NATO-Bündnisses gesehen. Dies war der von unserer Gesellschaft und auch von der Politik getragene politische Grundkonsens. Mit dem Fall von Mauer und Eisernem Vorhang hat die bipolare Weltordnung ein Ende gefunden. Damit wurde auch dem bisherigen Sicherheitsverständnis eine wesentliche Grundlage entzogen. Ja, auch in der neuen Weltlage bedeutet die Schaffung von Sicherheit vorwiegend Landesverteidigung. Aber wir brauchen unsere Bundeswehr heute nicht mehr ausschließlich dafür, unser Land gegen einen potentiellen Angreifer zu verteidigen. Statt dessen sind drei neue, wesentliche Aufgaben dazugekommen: Konfliktverhütung, Friedenssicherung und Friedensschaffung. Durch den Wegfall des Ost-West-Konflikts haben sich die Vereinten Nationen aus ihrer jahrzehntelangen Lähmung im wahrsten Sinne des Wortes befreien können. Erstmals besteht die Chance, daß diese Organisation zu dem wird, was ihre Gründungsväter im Auge hatten, nämlich zum zentralen Friedenshüter der Menschheit. Das ist der Kern dieser Debatte. Der Kern ist nämlich: Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, zu einem neuen, erweiterten politischen und verfassungsrechtlichen Konsens über die Aufgaben unserer Bundeswehr kommen, zu einem Konsens, der uns in die Lage versetzt, an der Lösung dieser drei genannten neuen zentralen Sicherheitsaufgaben unter UNO-Dach und an der Seite unserer Partner mitzuwirken. ({0}) Meine Damen und Herren, das ist ein gesellschaftspolitischer und politischer Meinungsfindungs- und auch Entscheidungsprozeß, der uns, wie ich finde, nicht ganz zu Unrecht umtreibt und bei dem es in einem Rechtsstaat doch wahrhaftig - das ist jedenfalls mein Gefühl - keine Schande ist oder sein kann, wenn man auch in schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen verschiedener Meinung ist. Es besteht in diesem Haus weitgehend Einigkeit darüber, daß die Bundeswehr in die Lage versetzt werden muß, sich an Friedenssicherungen - ich nenne es einmal Blauhelm-Missionen - zu beteiligen. Wir ringen aber nun seit langer Zeit um die Frage, ob sich die Bundeswehr auch der Aufgabe der Friedensschaffung stellen muß. Die Antwort der Koalition, der Bundesregierung lautet hierauf eindeutig ja. ({1}) Unser Vorschlag für eine entsprechende Grundgesetzänderung liegt auf dem Tisch. Mein Appell an alle, vor allem aber natürlich an die große Oppositionspartei SPD, ({2}) in dieser Debatte ist, sich nun endlich mit großem Ernst und auch - das sage ich als Außenminister aus der Erfahrung der letzten Monate - mit staatspolitischer Verantwortung um eine Lösung zu bemühen, die unser Land unter den neuen Gegebenheiten handlungsfähig macht und auch unseren verunsicherten Soldaten den sicheren Rahmen gibt, den sie für ihre Aufträge brauchen. ({3}) Es ist höchste Zeit zum Handeln. Ich sage deutlich und klar, daß wir mit unserem quälenden Prozeß innen- und außenpolitischen Schaden zu nehmen drohen. Die Bundesregierung hat zusammen mit ihren Partnern auf den revolutionären Wandel in Europa primär mit politischen und wirtschaftlichen Konzepten geantwortet. Es hat nie die Absicht bestanden, Außen- und Sicherheitspolitik in der sich neu ordnenden Welt auf das Militärische zu verengen. ({4}) Die Schaffung einer weltoffenen und bürgernahen Europäischen Union, ihre feste transatlantische Verankerung sowie die stufenweise Ausdehnung dieses Stabilitätsraumes nach Osteuropa - das ist der Kern der notwendigen Antwort auf die neue Weltlage. Und die Staatengemeinschaft versucht heute, in einer neuen Gemeinsamkeit, in neuen Anläufen unter Führung der Vereinten Nationen und regionaler Abmachungen wie der KSZE der mit dem Ende der Blöcke leider aufgeflammten zahllosen Konflikte nationaler und ethnischer Minderheiten und der religiösen Konflikte Herr zu werden. Die Vereinten Nationen sind leider an ihren Grenzen angekommen. Seit 1991 hat sich das Friedensengagement der UNO vervierfacht. Derzeit wirken 53 000 UNO-Soldaten aus 64 Ländern weltweit an 13 Friedensoperationen mit. Mit der UNOSOM II, der Somalia-Initiative, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde, werden es über 80 000 sein. Trotz unserer verfassungsrechtlichen Beschränkungen können wir auf eine langjährige, bemerkenswerte Bilanz deutscher personeller Beteiligung an humanitären Friedensmissionen der Vereinten Nationen zurückblicken. Ich denke an die Zurverfügungstellung von Lufttransportkapazitäten der Bundeswehr an die Vereinten Nationen nach dem YomKippur-Krieg im Jahre 1973, an die logistische Unterstützung der Abrüstungsmission im Irak durch Bundeswehrpiloten, an unsere Feldlazarette in Kambodscha, natürlich an die Luftbrücke nach Sarajewo oder an die Transall-Versorgungsflüge nach Ostbosnien und nach Somalia. All diesen Aktionen ist bei aller Verschiedenheit eines gemeinsam: Es ging immer darum, Menschen in Not zu helfen und sie vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu bewahren. Hier wurde und wird kein militärischer Zwang ausgeübt. Es geht nicht und ging nicht um einen militärischen Einsatz. ({5}) - Den wollen wir gar nicht. Die Behauptung, die Bundesregierung betreibe mit der Forderung nach uneingeschränkter Übernahme aller Pflichten der UNO-Charta eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik, ist absurd. ({6}) Sind denn die Finnen, die Kanadier oder die Iren, die seit Jahren an allen Brennpunkten der Welt für die UNO ihren oft lebensgefährlichen Dienst tun, deshalb Militaristen? ({7}) Sind die Franzosen oder die Engländer, die im ehemaligen Jugoslawien die Bevölkerung versorgen, die Amerikaner, die Italiener oder Inder, die in Somalia mit der Waffe in der Hand ein Volk vor Anarchie und Hungertod bewahren, alle Kriegstreiber? Wollen wir unsere eigenen Besatzungen in den Transall-Maschinen, die Ostbosnien versorgen, wollen wir unsere Bundeswehrsoldaten in den AWACS-Maschinen diesem Vorwurf aussetzen? Dürfen denn nicht gerade Soldaten sich humanitär betätigen? - Ich glaube, dies alles zeigt, wie absurd der Vorwurf einer geplanten Militarisierung ist. ({8}) Meine Damen und Herren, der blutigste und unmenschlichste der neu aufgeflammten Konflikte spielt sich in unserem eigenen Hause, in Europa, ab, im ehemaligen Jugoslawien. Ein völkischer Eroberungskrieg - und es ist nichts anderes - am Ende des 20. Jahrhunderts ist eine ungeheuerliche Herausforderung der Staatengemeinschaft, eine Herausforderung gerade beim Neuanfang in Europa, eine Herausforderung für die sich neu ordnende Staatengemeinschaft. Diese Staatengemeinschaft hat leider - das müssen wir sagen - bisher kein Mittel gefunden, dem Morden, dem Vertreiben, dem Vergewaltigen ein Ende zu setzen. Der Fall von Srebrenica hat uns erneut das ganze Ausmaß der menschlichen Tragödie wahrhaftig dramatisch vor Augen geführt. Ich verstehe - ich habe das von diesem Pult aus schon zwei- oder dreimal gesagt, ich wiederhole es - die Empörung, die Enttäuschung der Menschen über die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, das Blutvergießen zu beenden, nur zu gut. Aber ein Rezept, wie man Serbien unterhalb eines massiven militärischen Eingreifens mit ungewissem Ausgang und dem Risiko einer unberechenbaren Ausweitung der Kriegshandlungen in die Schranken weisen könnte, hat eben auch noch niemand vorgelegt. ({9}) Eines wird jedoch mittlerweile jedem überdeutlich, auch denen, die anfangs zögerlich waren: Belgrad versteht offensichtlich nur die Sprache des äußersten Drucks. Dieser Druck wächst, für viele - auch für mich - manchmal zu langsam oder zu spät; aber es wird doch langsam deutlich, daß die Geduld der Staatengemeinschaft am Ende ist. Der Beginn der militärischen Luftüberwachung durch die NATO, die jüngsten Äußerungen von Lord Owen, dem Europa-Beauftragten, zur Notwendigkeit schärferer Maßnahmen gegen die serbische Seite setzen klare Zeichen. Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 820 eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen. Serbien mag heute noch militärisch triumphieren; aber wenn es seine Politik nicht ändert, droht ihm - das steht inzwischen fest - die völlige politische und wirtschaftliche Isolierung, auf die wir im Rahmen der Europäer besonders massiv gedrängt haben. Deutschland hat sich von Anfang an an den internationalen Bemühungen zur Lösung dieses Konflikts aktiv beteiligt. Unser Anteil an EG-Beobachtermissionen entspricht unserer Größe und Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft. Wir sind mit dem zweitstärksten Kontingent an den Missionen beteiligt, mit denen die Nachbarstaaten Serbiens und Montenegros bei der Überwachung der Sanktionen unterstützt werden. Den gleichen Zweck wird die Polizei- und Zollaktion der WEU zur Unterstützung des Embargos auf der Donau erfüllen. Wir werden dort mit vier BGS-und Zollbooten und ca. 50 Mann von Zoll und Polizei den größten personellen und materiellen Beitrag leisten, damit die Donau endlich nicht mehr zum Embargobruch mißbraucht wird. ({10}) Mit unseren humanitären Leistungen im ehemaligen Jugoslawien stehen wir von allen europäischen Staaten an der Spitze. Wir haben unter den EG-Staaten mit Abstand die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Der bislang von Bundesregierung, Bundesländern und privaten Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellte Finanzbedarf beläuft sich inzwischen auf fast 540 Millionen DM. Wir können uns also mit diesen Beiträgen wahrhaftig sehen lassen. Ein zentraler Bereich unserer Hilfe ist die Unterbringung von Vertriebenen in Bosnien-Herzegowina und im angrenzenden Kroatien durch den Bau von Flüchtlingslagern und die Wiederherstellung vorhandener Unterkünfte. Auf all diesen Gebieten leistet unser Technisches Hilfswerk Beachtliches, Bewundernswertes. Die Bundesregierung bemüht sich intensiv um die Versorgung der durch den Krieg am schlimmsten betroffenen Männer, Frauen und Kinder aus dieser Region. Im Kessel von Bihac versorgen wir Verwundete. Nicht zuletzt beteiligt sich die Bundeswehr an den Versorgungsflügen nach Sarajewo und an den Flügen zum Abwurf von Lebensmittelsendungen über eingeschlossenen ostbosnischen Ortschaften. Dies ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Ich möchte auch von dieser Stelle aus unseren besonderen Dank - den Dank der Bundesregierung - und unsere Anerkennung dem selbstlosen Einsatz aller deutschen Helfer zollen, der Bundeswehr, vor allem den deutschen Flugzeugbesatzungen, die dabei, obwohl es humanitäre Einsätze sind, Leib und Leben riskieren. ({11}) Meine Damen und Herren, die Herstellung eines neuen politischen und rechtlichen Konsenses über den außen- und sicherheitspolitischen Beitrag Deutschlands zur Sicherung des Weltfriedens ist inzwischen zu einem Problem geworden, das gelöst werden muß, wenn wir uns im Bündnis, in der Europäischen Gemeinschaft und im UN-Rahmen nicht auf Dauer ins Abseits begeben wollen. Ich füge hinzu: Wir alle müssen umdenken. Ich achte die Motive derer, die sich über ein erweitertes Engagement unserer Bundeswehr Sorgen machen. Ich möchte nichts beiseitewischen. Aber die Vorstellung, der wirtschaftsstärkste und jetzt bevölkerungsreichste Staat in der Mitte Europas könne sich nach dem Fall von Mauer und Eisernem Vorhang in eine Art Schnekkenhaus zurückziehen, während unsere Partner für uns die Kastanien aus dem Feuer holen, hält doch der Realität nicht stand. ({12}) Unsere Partner in Allianz und WEU haben über 40 Jahre lang mit für unsere Sicherheit gesorgt. ({13}) Wenn wir diese Partner nun bei den neu hinzugekommenen Aufgaben der Friedenssicherung und Friedensschaffung im Stich lassen, dann werden wir letztlich bündnisunfähig. Nein, wir wollen keine unbesonnenen Draufgänger, wir wollen aber auch keine Drückeberger sein. ({14}) Ja, wir wollen und müssen unsere Geschichte im Auge behalten, dürfen uns aber auch nicht hinter ihr verschanzen. ({15}) Ich finde, daß eine Lehre aus dieser Geschichte wirklich nur lauten kann: Nie wieder aus der Gemeinschaft westlicher Völker ausscheren, nie wieder Sonderwege, auch nicht den der moralischen Besserwisserei und der Gesinnungsethik! ({16}) Ja, meine Damen und Herren, Friedenssicherung hat absoluten Vorrang, friedliche Konfliktlösung hat absoluten Vorrang. Militärischer Zwang darf bei der Sicherung des Friedens immer nur das allerletzte Mittel sein. Aber - auch das habe ich von dieser Stelle aus schon einmal gesagt -: Haben wir denn vergessen, daß nur Waffengewalt - und nicht Friedensmärsche - den Verbrechen Hitlers 1945 ein Ende gesetzt hat? ({17}) Können wir die Augen davor verschließen, daß eben das Morden auf dieser Welt, die nicht besser geworden ist, mit Worten allein nicht abzustellen ist? ({18}) - Dem Zwischenrufer von links würde ich sehr gern antworten. Aber da ich es aus Gründen des Stils jetzt nicht tun will, mache ich es später unter vier Augen, dafür aber um so deutlicher. ({19}) Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um den politischen Konsens. Wir brauchen auch den verfassungsrechtlichen Konsens. Wir müssen durch eine Ergänzung des Grundgesetzes die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr bei friedenserhaltenden und friedensschaffenden Maßnahmen endgültig außer Streit stellen und dabei vor allem die entscheidende Frage der Mitwirkung des Bundestages regeln. Denn die bisherige Nichtlösung hat doch eine paradoxe Konsequenz - dies ist das, was ich mit besonderem Nachdruck sagen möchte -: Die im Koalitionsvorschlag für eine Grundgesetzänderung vorgesehene und in einer Demokratie unverzichtbare Einschaltung des Parlaments hat in der jetzigen Lage keine rechtliche Verankerung. Diese brauchen wir aber, erst sie wird dem Parlament das Recht verschaffen, von Fall zu Fall darüber zu entscheiden, ob und wie wir uns an solchen Aktionen beteiligen wollen; einem Automatismus jeder Art wäre dadurch vorgebeugt. Wir brauchten uns mit diesem rechtlichen Problem, das wir lange kennen und bei dem wir verschiedene Rechtsauffassungen haben, lange Zeit in der Praxis nicht zu befassen. Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien hat jedoch eine Antwort erzwungen. Erstmals wurde dies bei der Kontrolle der Seeblockade in der Adria und bei dem AWACS-Einsatz mit deutschen Soldaten über Österreich und Ungarn deutlich. Zum Schwur kam es beim Einsatz deutscher Soldaten in den AWACS-Maschinen zur Überwachung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina. Die SPD verweigerte ihre Zustimmung zur Teilnahme und zur Verfassungsänderung. In der Koalition und der Regierung wollten wir von Anfang an politisch gemeinsam das Mitfliegen unserer Soldaten, konnten uns aber in der Rechtsfrage nicht einigen. Ich wiederhole: Ist es nicht denkbar, ist es nicht vertretbar, daß in einem Rechtsstaat in einer gesellschaftspolitisch so ungeheuer wichtigen Frage, die verfassungsrechtlich ungeheuer kompliziert ist, verschiedene Auffassungen bestehen? Ich meine - nochmals -: Ja, das muß möglich sein. Ich wiederhole auch, was ich schon mehrfach draußen gesagt habe: Es war gerade für mich als früheren Justizminister ein qualvoller Ausweg, in dieser Frage die Entscheidung des höchsten Gerichts zu suchen. Aber es war, wenn man es politisch durchsetzen wollte, was jedenfalls der F.D.P. rechtlich nicht möglich erschien, ohne eine solche Klärung der einzige Ausweg. Es stand letztlich unsere Berechenbarkeit als Bündnispartner auf dem Spiel. Ein Aussteigen aus den integrierten AWACS-Besatzungen hätte den von der UNO dem Bündnis übertragenen Auftrag gefährdet. Das war die im Vergleich zu den vorausgegangenen Entscheidungen, die wir zu treffen hatten, bei denen diese Querverbindung in diesem Ausmaß und in dieser Intensität eben nicht da war, neue und veränderte Situation. ({20}) Dies waren im übrigen auch die tragenden Gründe für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn uns diese Entscheidung des Gerichts eine Botschaft verkündet, dann kann es für meine Begriffe doch nur die sein: Es liegt nun in der Verantwortung der Politik des Deutschen Bundestags, den verfassungsrechtlichen Konsens für die Übernahme nicht nur aller Rechte, sondern auch aller Pflichten eines Mitglieds der Vereinten Nationen herzustellen. ({21}) Diese Aufgabe wird von Tag zu Tag dringlicher, denn weitere Anforderungen des UNO-Generalsekretärs werden auf uns zukommen. Die Welt und ihre Konflikte warten nicht, bis wir sozusagen unser Haus in Ordnung gebracht haben. Nochmals: Der Vorschlag der Koalition für die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes liegt vor. Er stellt keinen Freibrief für Einsätze aller Art aus, sondern bindet diese an Entscheidungen des Weltsicherheitsrats; Alleingänge sind ausgeschlossen. Die Entscheidung über den Einsatz wird in die Hände des Deutschen Bundestages gelegt, in Ihre Hände. Ist das eigentlich nicht genug an Vorsichtsmaßnahmen? Mißtrauen Sie sich selber? Mißtrauen wir uns selber, ({22}) nicht ausreichend mit einer Bremse versehen zu sein? Ich appelliere nochmals an die SPD, sich an der Lösung dieser für die deutsche Außenpolitik so wichtigen Frage zu beteiligen. Der Vorschlag der SPD reicht nach unserer Meinung nicht aus; die Praxis zeigt es ja. Ihr Grundgesetzänderungsvorschlag hätte den AWACS-Mitflug über Bosnien nicht abgedeckt; darüber haben wir uns unterhalten. ({23}) Allein diese Tatsache läßt für meine Begriffe erneut die Feststellung zu, daß Ihr Vorschlag jedenfalls für die Praxis nicht ausreicht. Die Trennung zwischen friedenserhaltenden und friedensschaffenden Missionen entspricht weder den politischen noch den praktischen Erfordernissen. Das zeigt sich täglich in Kambodscha, in Bosnien und Somalia. Ich fordere die SPD auf und lade sie ein, zusammen mit der Koalition die Teilblockade unserer Außen- und Sicherheitspolitik zu beenden. Es darf nicht zur Isolierung Deutschlands in der Staatengemeinschaft kommen. ({24}) Wie wichtig das ist, zeigt die Bitte von UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali um die Entsendung eines Bundeswehrkontingents zu humanitären Hilfen nach Somalia. Die Bundesregierung wird sich dieser Bitte nicht verschließen. Wir haben heute morgen im Kabinett eine Entscheidung getroffen. Wir haben nach sorgfältiger Prüfung festgestellt, daß diesem Einsatz keine verfassungsrechtlichen Schranken entgegenstehen, und trotz gewisser Veränderungen im Verantwortungsprofil wird die Aktion im Rahmen unseres Angebots vom 17. Dezember 1992 stehen. Sie findet in einem befriedeten Gebiet statt. Der Kollege Rühe und ich haben heute morgen im Auswärtigen Ausschuß und im Verteidigungsausschuß dazu vorgetragen. Das sichert uns der Generalsekretär der UNO zu. Die Aktion dient rein humanitären Zwecken. Wir werden bei dem Auftrag für unsere Soldaten den seit Dezember 1992 eingetretenen Veränderungen der Lage in Somalia Rechnung tragen. Die Aufgabe unserer Bundeswehrsoldaten wird es sein, eine Verteilerorganisation für rein zivile Hilfsgüter und für Versorgungsgüter für UNOSOM-II-Einheiten einzurichten und zu betreiben. Militärische Güter dürfen nur im Rahmen des zulässigen Umfangs der Selbstverteidigung transportiert werden. Die mitgeführte eigene Bewaffnung dient ausschließlich dem Selbstschutz und wird in Art und Umfang entsprechend ausgerichtet sein. Der von Generalsekretär Boutros-Ghali von uns erbetene humanitäre Beitrag kann eben insoweit nicht von anderen Institutionen übernommen werden. Sie wissen, wir gehen auch mit dem THW nach Somalia. Wir sind dort in vielen zivilen Bereichen tätig. Nur die Bundeswehr ist unter den in Somalia gegebenen Umständen in der Lage, die erbetene spezielle Hilfe wirksam zu leisten. Wir dürfen nicht vergessen, daß ein befriedetes Gebiet unter den Bedingungen Somalias eben nicht einer deutschen Fußgängerzone entspricht. ({25}) Hier verfügt die Bundeswehr gerade hinsichtlich des Selbstschutzes über ganz andere Möglichkeiten als eine zivile Organisation. Auch die anderen Staaten wählen für ihre humanitäre Hilfe nicht ohne Grund militärische Kontingente im Umfang von 30 000 Soldaten. ({26}) Übrigens hat mich - vielleicht zeigt das wenigstens ein bißchen, daß wir mit dem, was wir vorhaben und heute beschlossen haben, draußen gut ankommen - Boutros-Ghali heute nacht aus Rom angerufen und erklärt, er bedanke sich persönlich und für die UNO für das, war wir - er sagte: hoffentlich morgen - im Kabinett beschließen werden. ({27}) Unser Einsatz in Somalia wird sich andererseits nicht auf den Einsatz von Bundeswehr beschränken. Diese Mission wird lediglich ein, wenn auch wichtiger, Teil unseres humanitären Engagements bleiben. Wir leisten wichtige Wiederaufbauhilfe durch die geplante Mitwirkung beim Aufbau einer somalischen Polizei sowie durch die Wiederherstellung der Trinkwasser- und Stromversorgung durch das Technische Hilfswerk. Auch 1993 wird Somalia Schwerpunkt unserer humanitären Hilfe bleiben. Ich weiß mich als Außenminister in der Kontinuität aller meiner Vorgänger, wenn ich sage: Deutsche Außenpolitik war und bleibt auch künftig Friedenspolitik. ({28}) Sie wird weiterhin auf Kontinuität und Berechenbarkeit aufbauen. Aber wir müssen in unsere Politik die notwendigen Veränderungen der Weltlage aufnehmen. Den Frieden zu stärken heißt heute in erster Linie, auch die Vereinten Nationen zu stärken. Hierfür wollen, ja müssen wir nun die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, und zwar so, wie es von uns zu Recht erwartet wird. Hans-Dietrich Genscher, mein Vorgänger, hat dies bereits 1991 in New York vor den Vereinten Nationen zugesagt. Wir sind im Wort. Vergessen wir das nicht! Deshalb nochmals meine Mahnung: Versagen wir nicht - und zwar gemeinsam - vor einer staatspolitischen Aufgabe! Machen wir unser Land zu dem handlungsfähigen und verantwortungsbewußten Partner, den die Weltgemeinschaft und wir selber in uns sehen wollen! ({29})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster hat der Abgeordnete Karsten Voigt das Wort.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, das Thema Ihrer Regierungserklärung lautet „Deutsche Mithilfe bei VN-Friedensbemühungen". Aber in Ihrer Regierungserklärung haben Sie überwiegend zu Blauhelm-Einsätzen und militärischen Kampfeinsätzen geredet. Bis zur deutschen Einheit haben wir im Bundestag miteinander über den besten Weg zur Abrüstung und zur friedlichen Verständigung mit unseren osteuropäischen und südosteuropäischen Nachbarn und über Schritte zu einer stabilen gesamteuropäischen Friedensordnung gesprochen. Seit der deutschen Einheit müssen wir mit Ihnen über immer neue Varianten deutscher Militäreinsätze streiten; erst über den Einsatz deutscher Fregatten in der Adria, dann über die deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen über dem ehemaligen Jugoslawien und nun über die verfassungsrechtliche Grundlage der von Ihnen schamhaft als Selbstschutzkomponente verschleierten militärischen Blauhelm-Einsätze der Bundeswehr in Somalia. Für diese Veränderung in unserer außen- und sicherheitspolitischen Diskussion: weg von den friedenspolitischen hin zu militärpolitischen Prioritäten, ({0}) weg von der diplomatischen Krisenvorbeugung hin zur militärischen Konfliktbewältigung, trägt diese Bundesregierung und tragen auch Sie persönlich, Herr Bundesaußenminister, die Hauptverantwortung. ({1}) Bundesaußenminister Genscher beendete seine Amtszeit mit dem Versprechen des Endes der militärischen Bedrohung. Sie begannen Ihre Amtszeit mit der Unterzeichnung der Petersberger Erklärung, mit der neue militärische Aufgaben für die Westeuropäische Union vereinbart wurden. Ich verherrliche nicht Bundesaußenminister Genscher als Friedensfürst und beurteile Sie nicht als Kriegstreiber. Aber dieser Paradigmenwechsel ist weniger das Ergebnis des Wechsels der Person der Außenminister als das eines schleichenden und sich jetzt beschleunigenden Kurswechsels in der außen- und sicherheitspolitischen Konzeption des vereinigten Deutschlands. ({2}) Seit Ihrem Amtsantritt habe ich Sie immer wieder zu einer konzeptionellen Erneuerung der deutschen Außenpolitik aufgefordert. Ein Staat, dessen außen-und sicherheitspolitische Rahmenbedingungen sich mit der Vereinigung und mit dem Ende des Ost-West-Konflikts so radikal verändert haben, kann sich nicht mit dem Bekenntnis zur Kontinuität begnügen. Aber weil Sie seit Ihrem Amtsantritt mit der konzeptionellen Erneuerung der Außenpolitik nachhinken - das ist leider auch heute, neben gewissen Ansätzen in der Einleitung, so gewesen, daß Sie überwiegend zu militärischen Komponenten gesprochen haben -, haben Militärpolitiker den Kurs zur konzeptionellen Veränderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik mit ihren Prioritäten prägen können. Dies ist nicht allein die Schuld der Verteidigungspolitiker. Dies ist auch die Schuld des Versagens der Außenpolitiker und des Nachhinkens Ihrer konzeptionellen Erneuerung. ({3}) Mit der Entscheidung der NATO, außerhalb ihres geographischen Geltungsbereichs AWACS-Flugzeuge und Kampfflugzeuge einzusetzen, hat das Atlantische Bündnis eine tiefgreifende Änderung und Erweiterung seines bisherigen Auftrags vorgenommen. Sie haben versäumt, das Plenum des Bundestages über die Ihnen seit Monaten bekannte Planung zur Änderung des NATO-Konzepts umfassend und frühzeitig zu informieren. Jetzt hat in der parlamentarischen Osterpause das Bundeskabinett in Ihrer Abwesenheit, am Parlament vorbei, den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen. ({4}) Dies ist neben allen anderen Problemen, die damit verbunden sind, eine erneute Provokation dieses Bundestages. ({5}) Daß die Regierungsparteien diese Provokation im nachhinein auch noch abdecken wollen, zeigt, daß sie in Wirklichkeit kein Selbstbewußtsein als Parlamentarier haben. ({6}) Mit der Entscheidung der Bundesregierung, deutsche Soldaten an den Militäraktionen der NATO zu beteiligen, wird die Bundeswehr erstmals außerhalb der Bündnisgrenzen andere Aufgaben erfüllen als humanitäre Hilfe oder Informationsgewinnung. Dieser Kampfeinsatz der Bundeswehr ist seit ihrer Gründung die am tiefsten greifende Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik und der Bundeswehr. Karsten D. Voigt ({7}) Wir werden diesen Kampfeinsatz nicht hinnehmen, weil wir nicht verantworten können, daß künftig ein Bundeskabinett, welcher Zusammensetzung auch immer, am Parlament vorbei und im Widerspruch zum Grundgesetz auch Kampfeinsätze beschließen kann, deren Risiken nicht so harmlos sind wie die der AWACS-Einsätze, sondern die faktisch bedeuteten, daß Deutschland durch eine Kabinettsentscheidung in den Krieg gezogen würde. ({8}) Die AWACS-Entscheidung der Bundesregierung widerspricht dem Selbstverständnis der Bundesrepublik in der Vergangenheit und aller Bundesregierungen bis in die jüngste Zeit. ({9}) Auf diese Tatsache hat der von Ihnen häufig zitierte, von mir geschätzte ehemalige Bundeskanzler Schmidt erneut in den vergangenen Tagen hingewiesen. Er hat gesagt: Der Kernauftrag unserer Streitkräfte ist, gemeinsam mit den Truppen unserer Verbündeten die Sicherheit unseres eigenen Landes und des Territoriums unserer Verbündeten zu wahren. Dafür und für nichts anderes haben wir die Bundeswehr geschaffen. ({10}) - Das hat er jetzt, am 16. April 1993, gesagt. Daß die Liberalen, die ihre Geschichte als Hüter der Rechtsstaatlichkeit begannen, in dieser Verfassungsfrage vorwiegend opportunistisch taktieren und der liberale Außenminister bei dieser historischen Weichenstellung im Kabinett fehlt, ist Ausdruck des politischen Substanz- und Funktionsverlustes der F.D.P. ({11}) Daß Sie jetzt auch versuchen, diesen Blauhelmeinsatz, der nicht nur ein humanitärer, sondern eindeutig auch militärischer Einsatz ist, im Rahmen einer von Ihnen neu erfundenen Grauzone in der Verfassung, die ich ironisch „Blauzone" nennen möchte, als Nicht-Blauhelmeinsatz zu definieren, zeigt, daß Sie diesen erneuten Umfaller nur verschleiern wollen. Wenn der Einsatz deutscher Fregatten in der Adria und der Kampfeinsatz deutscher Offiziere in AWACSFlugzeugen, den wir für verfassungswidrig halten und über den wir vor dem Verfassungsgericht streiten, wenigstens zur Beendigung des Krieges im ehemaligen Jugoslawien oder zur Verringerung der Leiden in Bosnien-Herzegowina beigetragen hätte! Aber dies bleibt ein leeres Versprechen. Die Uminterpretation, der Bruch der Verfassung ist real; die Hoffnung der Menschen in Bosnien auf wirksame Hilfe bleibt Illusion. Ich bin Vorsitzender eines Hilfsvereins, der seit Jahren gesammelte Medikamente und Babynahrung in Kleintransportern direkt zu den Opfern in Bosnien, aber auch zu den Flüchtlingen in Kroatien und auch Serbien bringt. ({12}) Diese Hilfe ist sicherlich unzureichend; sie vermag weniger auszurichten als die Hilfsflüge der Bundesluftwaffe nach Sarajevo, nach Ostbosnien, die wir ja unterstützen. Aber jede Unterstützung, auch jeder kleine Hilfsverein, ({13}) bewirkt in der konkreten Situation mehr gegen die Leiden in Bosnien als dieser AWACS-Einsatz und dieser Adriaeinsatz, über die wir jetzt vor dem Verfassungsgericht streiten. ({14}) Die deutsche Beteiligung an der militärischen Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien - und das ist die bittere Wahrheit - hilft den Menschen dort nicht. Sie hilft denen nicht, die Angst vor Tod, Vertreibung und Mißhandlung haben. Sie hilft denen nicht, die Hunger leiden, weil die Versorgung mit Hilfsgütern abgeschnitten ist. ({15}) Sie hilft denen nicht, die sich über Monate in Notquartieren oder überfüllten Flüchtlingslagern aufhalten müssen und die nicht wissen, wann und wo sie eine neue Lebensgrundlage finden. ({16}) Nicht mit diesen AWACS-Einsätzen, wohl aber durch das humanitäre Engagement vieler ziviler Organisationen wird den Frauen, Männern und Kindern geholfen, die in diesem Krieg schwere traumatisierende Mißhandlungen erlitten haben. ({17}) Die AWACS-Flüge sind auch keine Hilfe für diejenigen, die ihre Angehörigen in diesem Krieg verloren haben oder die in furchtbarer Ungewißheit über das Schicksal der Menschen sind, die ihnen nahestehen. Die AWACS-Flüge helfen den Menschen nicht. Sie sollen ein Symbol von Politik sein. Einige Regierungen wollen mit diesem Symbol davon ablenken - das ist die Realität -, daß sie keine Flüchtlinge aus Bosnien aufnehmen wollen. ({18}) Andere Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates wollen durch diese militärische Kampfgebärde verschleiern, daß sie in Wahrheit trotz gegenteiliger Versprechungen im Wahlkampf nicht bereit sind, für die Bosnier zu kämpfen. Insbesondere die Christdemokraten wollen diese AWACS-Einsätze, um eine neue Militärpolitik unter Bruch des bisherigen verfas12932 Karsten D. Voigt ({19}) sungspolitischen Konsenses durch Austricksen der F.D.P. zu einer neuen Verfassungswirklichkeit werden zu lassen. ({20}) Nicht weil wir den Menschen in Bosnien nicht helfen wollen, sondern weil wir ihnen nur durch wirksame Maßnahmen helfen wollen, sind wir gegen diese AWACS-Einsätze der Bundeswehr. ({21}) Denn wir sagen: Es ist geboten, den Menschen dort zu helfen, wo es irgendwie geht, und wie es geht: durch die Versorgung mit Hilfsgütern, über die Luftbrücken, mit finanzieller und logistischer Hilfe bei der Sanierung von Flüchtlingsunterkünften, mit medizinischer Hilfe. ({22}) Das ist mit der Gesamthilfe von 658 Millionen DM für das ehemalige Jugoslawien und zahlreiche Hilfsorganisationen gemacht worden, die wir ja alle mittragen. Nun zu Somalia. Politisch bewerten wir den geplanten Einsatz deutscher Soldaten in Somalia anders als die AWACS-Flüge und die Fregatteneinsätze in der Adria. Es gibt keinen somalischen Staat; er ist zusammengebrochen und im Chaos versunken. Die SPD unterstützt und drängt daher auf sinnvolle - ich betone: sinnvolle - humanitäre Hilfsmaßnahmen Deutschlands für Somalia. Aber wir bestehen darauf, daß wir bis zum Beginn dieser Aktion in den parlamentarischen Beratungen prüfen, wie Hilfsaktionen, auch humanitärer Art, sinnvoll durchgeführt werden können und ob sie sinnvoll geplant werden. ({23}) Soweit es hier um Unterstützung mit Sachmitteln, um den Einsatz deutscher Zivilpersonen oder um den Einsatz unbewaffneter Soldaten geht, stellen sich dabei keine verfassungsrechtlichen Probleme. ({24}) Aber der Einsatz bewaffneter Infanteristen mit Maschinengewehren und Kanonen ({25}) - auch Kanonen! -, den die Bundesregierung verharmlosend Selbstschutzkomponente nennt, um den verfassungspolitischen Salto mortale der F.D.P. zu verschleiern, erfordert eine vorhergehende Verfassungsänderung. ({26}) Die SPD hat daher vor über einem Jahr eine entsprechende Anderung des Grundgesetzes vorgeschlagen. Wir machen Ihnen heute ein großzügiges Angebot. ({27}) - Ja, so sind wir. - Wir wollen, daß der Bundestag, wenn es möglich ist, noch innerhalb der nächsten 14 Tage, das Grundgesetz so ändert, daß humanitär sinnvolle Blauhelmeinsätze in Somalia verfassungsrechtlich unumstritten beginnen können. Wir sind bereit, eine Formulierung in der Verfassung zu vereinbaren - dabei kann man durchaus auch über Vorschläge von Ihnen in der Ziffer 1 Ihres ehemaligen Antrags reden -, ({28}) die Blauhelmeinsätze wie in Somalia, natürlich mit vorheriger Zustimmung des Bundestages, zuläßt, ohne ansonsten die zwischen uns und Ihnen strittigen Fragen vorab rechtlich entscheiden zu wollen. Diese sind ja strittig vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie dieses in Wahrheit großzügige Angebot der SPD ({29}) um der Hilfe für die Menschen in Somalia und um der Rechtssicherheit unserer Soldaten willen an - heute, hier und jetzt! Wenn die Regierungsparteien dieser Initiative der SPD heute ihre Zustimmung geben, ({30}) kann ein Rechtsstreit über einen friedenserhaltenden Blauhelmeinsatz in Somalia auch im Interesse der betroffenen Soldaten vermieden werden. Wenn Sie diesen großzügigen Vorschlag ablehnen, dann wollen Sie in Wahrheit gar keinen Kompromiß im Parlament, dann zielen Sie, wie es viele Leute aus der CSU bereits gesagt haben, statt auf einen parlamentarischen Kompromiß auch weiterhin auf verfassungsrechtlich zweifelhafte einseitige Aktionen der Bundesregierung. Lassen Sie mich zum Schluß noch dies sagen. Sie reden davon, daß dieser Einsatz in befriedeten Gebieten - nach der Definition der Vereinten Nationen - stattfinden soll. Daß der Bundesverteidigungsminister den Einsatz von bewaffneten Soldaten mit Maschinengewehren und kleineren Kanonen für erforderlich hält, zeigt, daß es so befriedet dort nicht zu sein scheint. Wir müssen damit rechnen, daß bei diesem ersten derartigen Einsatz der Bundeswehr auch Menschen zu Schaden kommen, ja Menschen sterben. Wir riskieren, daß der bis heute in der Bevölkerung vorhandene politische Konsens, die politische Zustimmung zu Blauhelmeinsätzen schwindet, wenn dann die ersten Zinksärge mit Toten aus Somalia kommen. Lassen Sie uns deshalb auch um des Konsenses über die Blauhelmeinsätze willen und auch um der Sicherheit der Soldaten willen heute in dieser Frage eine Vereinbarung treffen, Blauhelmeinsätze verfassungsrechtlich zu ermöglichen. Vertagen wir den anderen Streit auf später; er wird vor dem Grundgesetz zu entscheiden sein. Aber bestehen Sie nicht auf Ihrer Maximalforderung. Damit jagen Sie in Wirklichkeit die Soldaten in eine zweifelhafte Lage, die rechtlich und faktisch unsicher und in der Öffentlichkeit umstritten ist. Das können Sie eigentlich nicht verantworten. Sie, Herr Bundesaußenminister, können es, Karsten D. Voigt ({31}) nach alledem, was Sie früher gesagt haben, erst recht nicht. ({32})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht Dr. Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Regierungserklärung des Bundesministers des Auswärtigen, ({0}) und sie begrüßt und unterstützt die Entscheidungen der Bundesregierung, der Anforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu einem humanitären Einsatz in Somalia und der Aufforderung von UNO und NATO nachzukommen, sich an der Durchsetzung des vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängten Verbots von Flügen über dem ehemaligen Jugoslawien zu beteiligen. Beide Entscheidungen der Bundesregierung unterstützt die CDU/CSUBundestagsfraktion. ({1}) Herr Kollege Voigt, ich empfand es schon als ein besonderes Beispiel von Erbärmlichkeit im menschlichen Umgang miteinander, daß Sie bei einer Entscheidung, die in der Koalition vor der Osterpause getroffen worden ist und die wir hier, wenn ich mich richtig erinnere, am 25. und 26. März, Donnerstag und Freitag, im Deutschen Bundestag diskutiert haben, die dann wegen des Terminplans im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einem Zeitpunkt, als der Bundesminister des Auswärtigen nicht zu seinem Vergnügen in einer wichtigen Mission für die Bundesrepublik Deutschland unterwegs war, in seiner Abwesenheit noch einmal gewissermaßen notariell vollzogen wurde, die aber politisch lange vorher getroffen und hier im Bundestag debattiert worden war, dem Bundesminister vorwerfen, er sei nicht hier gewesen. So sollte man nicht miteinander umgehen. ({2}) Die Form, wie Sie geglaubt haben, Urteilsschelte an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April üben zu sollen, fällt auf Sie und Ihre Fraktion zurück. ({3}) Aber die Schwäche, der Mangel an gedanklicher Klarheit Ihrer Position wird schon in Ihren letzten Aufforderungen sichtbar. Sie haben nämlich gesagt - das muß man noch einmal nachvollziehen -: Laßt uns jetzt die Blauhelmeinsätze durch eine Annahme unseres Vorschlags außer Streit stellen; und über den Rest, was AWACS anbetrifft, kann man dann ja vor dem Verfassungsgericht streiten. ({4}) - Aber, Herr Kollege Voigt, falls Sie die Güte hatten oder haben, den Antrag der SPD zu lesen, wissen Sie vielleicht, daß mit der Annahme Ihres Antrags der Streit in Sachen AWACS in Karlsruhe natürlich entschieden ist. Denn durch Ihre Verfassungsänderung soll der AWACS-Einsatz ja ausgeschlossen werden. Deshalb ist das nun wirklich kein Vorschlag zur Sache. Das hätten Sie wissen müssen. ({5}) Wenn Sie mit Ihren Argumenten ernstgenommen werden wollen, sollten Sie etwas sorgfältiger argumentieren. Da Sie das, was Sie gesagt haben, sogar aufgeschrieben hatten, ist das besonders jämmerlich. ({6}) Meine Damen und Herren, es ist leider wahr: Die Dürftigkeit Ihrer Argumentation ist dem Anlaß dieser Debatte wirklich nicht angemessen. ({7})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, gern.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäuble, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen - vielleicht haben Sie nicht sorgfältig zugehört -, daß ich ausdrücklich gesagt habe, daß wir bereit sind, eine Verfassungsformulierung vorzuschlagen und mit Ihnen zu vereinbaren, die den sonstigen Rechtsstreit, der in Karlsruhe anhängig ist - über Kampfeinsätze -, unberührt läßt, so daß Blauhelmeinsätze eindeutig geklärt sind? Insofern haben Sie offensichtlich bei Ihrer Kritik nicht zur Kenntnis genommen, was ich gesagt habe. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Voigt, ich bin gern bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sie offenbar überlegen - das begrüße ich -, Ihren Antrag zu ändern. Aber Sie haben uns unmittelbar am Schluß Ihrer Rede aufgefordert, Ihrem Antrag zuzustimmen. Diesen kenne ich. ({0}) Sie haben schon auf Ihre ein Jahr alte Alternative Bezug genommen, und ich bin des Hörens mächtig. ({1}) - Wir können es im Stenographischen Protokoll nachlesen. Aber wenn Sie Ihre Positionen insoweit korrigieren wollen, ist das ja ein Schritt in die richtige Richtung. Er wird wahrscheinlich nicht reichen. Aber ich begrüße jeden Schritt in die richtige Richtung. Nur: Mit der Initiative zur Änderung des Grundgesetzes, die Ihre Fraktion eingebracht hat, würde der AWACS-Einsatz ausdrücklich ausgeschlossen. Und das ist nicht die Position der Koalition. ({2}) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich denke, daß wir uns auf der einen Seite hüten müssen, in dieser Debatte die beiden konkreten Entscheidungen der Bundesregierung, die wir begrüßen und unterstützen, zu dramatisieren. Weder das Verbleiben von Soldaten der Bundesluftwaffe in den integrierten AWACS-Verbänden noch das Erfüllen der Bitte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen um humanitäre Hilfe durch ein Bataillon der Bundeswehr in befriedeten Gebieten in Somalia ist ein Einsatz von Soldaten der Bundeswehr, den man in seiner Gefährdungsauswirkung dramatisieren sollte. Man sollte ihn auch nicht verharmlosen. Ich warne vor beidem. Aber auch, wenn dies richtig ist, so ist auf der anderen Seite das eigentliche Thema dieser Debatte nach meiner Überzeugung die Frage, wie wir Frieden und Freiheit heute und in der Zukunft für unser Land und für unsere Bevölkerung sichern. Das ist die eigentliche Frage dieser Debatte. Sie, Herr Kollege Voigt, haben von einem Paradigmenwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik mit dem Ende des Ost-West-Konflikts gesprochen. Das ist richtig. Auch der Bundesminister des Auswärtigen hat dies getan. Er hat die besseren Konsequenzen daraus gezogen. Das ist die eigentliche Frage. Natürlich haben sich weltpolitisch, in Europa und in unserem Lande dramatische Veränderungen vollzogen. Es geht nicht darum, daß irgend jemand süchtig darauf ist, Soldaten der Bundeswehr in irgendwelche gefährlichen oder nicht gefährlichen Einsätze zu schicken, sondern es geht darum, daß wir unter veränderten Bedingungen den Friedensauftrag der Bundeswehr auch für die Zukunft für unser Land und unsere Bevölkerung sicherstellen wollen, nämlich Krieg unter allen Umständen zu verhindern. ({3}) Niemand macht es sich bei einer Entscheidung über humanitäre oder andere Einsätze von Soldaten der Bundeswehr leicht. Wir alle denken an die Soldaten und an die Familien der Soldaten und fühlen uns ihnen verantwortlich. Aber zu dem, was sich in unserer Welt, in Europa und für unser Land so dramatisch verändert hat und weiter verändert, gehört eben beispielsweise, daß es wieder möglich geworden ist - leider! -, daß mitten in Europa, ein paar hundert Kilometer von uns entfernt, ein entsetzlicher, bestialischer Krieg stattfindet und immer noch nicht verhindert werden kann. Und zu dem Schrecklichen, was sich verändert hat, gehört, daß aus nationalen und Volksgruppenkonflikten und aus religiösen Auseinandersetzungen wieder barbarischer Krieg werden kann, der im Zeichen des Ost-West-Konflikts vierzig Jahre lang so nicht möglich gewesen ist. Was sich verändert hat, ist, daß sich die Proliferationsproblematik, insbesondere was atomare Waffen betrifft - denken Sie an die Ankündigung Nordkoreas, aus dem Sperrvertrag auszutreten -, unter ganz neuen und dramtischen Vorzeichen für uns stellt. Was sich verändert hat, ist, daß die Stabilität in einem Europa ohne Mauer und Stacheldraht und Eisernen Vorhang bei einem so ungeheuren Gefälle - wirtschaftlich, sozial, ökologisch - nicht nur zu gigantischen Wanderungsbewegungen, die die Stabilität und den Frieden gefährden können, den inneren wie den äußeren, geführt hat, sondern daß auch ökologische Probleme - denken Sie an die Sicherheit von Kernreaktoren in dem ganzen Bereich, wo vor kurzem noch der Weltkommunismus geherrscht hat - zu dramatischen Zuspitzungen führen können. Deswegen bleibt die Frage, und sie muß neu beantwortet werden: Wie können wir in einer solchen Welt und unter allen Umständen Frieden und Freiheit sichern? Das ist die Frage der Fragen. Dazu müssen wir mehr und bessere Antworten geben, als in dem, was die Sozialdemokraten bisher zu dieser Debatte beigesteuert haben, angelegt ist. ({4}) Wir halten die Entscheidung der Bundesregierung für richtig - insofern haben wir ja sogar Ansätze von Übereinstimmung -, daß soviel wie irgend möglich heute und morgen - hoffentlich morgen noch mehr als heute - an Sicherung von Frieden und Freiheit mit Hilfe der und durch die Vereinten Nationen erfüllt werden muß. Das gilt für Somalia, das gilt für den Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Auch hier handelt es sich um den Vollzug eines Beschlusses des Sicherheitsrats der Verinten Nationen. Das gilt in Kambodscha, und es soll gelten, wo immer es möglich ist. Nur, Herr Kollege Voigt, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es macht doch keinen Sinn, sich dafür auszusprechen, im Rahmen der Vereinten Nationen Beiträge zur Friedenssicherung zu leisten und dann aber auch jeden Beschluß der Vereinten Nationen hier im Deutschen Bundestag oder in der Weltmacht SPD nicht so vollziehen zu wollen, weil man sich eben für klüger hält als den Rest der Welt. ({5}) So kommen wir natürlich nicht zu unserem Beitrag im Rahmen der Friedenssicherung der Vereinten Nationen. Wenn wir die Vereinten Nationen stärken wollen, damit sie ihre Aufgabe zur Sicherung, zur Bewahrung und zur Herstellung von Frieden besser meistern können, als es heute möglich ist, dann müssen wir auch unsere Beiträge dazu leisten und können nicht jedes Mal, wenn wir dazu gefordert werden - der Generalsekretär war hier, und er hat geschrieben -, sagen: Aber das machen wir nicht, und das sehen wir anders, und das wollen wir auch nicht. Wenn sich alle so verhalten, werden die Vereinten Nationan niemals in die Lage kommen, Beiträge zur Friedenssicherung, zur Friedensherstellung und zur Friedenswahrung zu leisten. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. April - die sollten Sie auch lesen - -({6}) - Gut! ({7}) - Ich bin nicht überheblich, sondern ich zitiere. Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Deutscher Bundestag -- 12. Wahlperiode Dr. Wolfgang Schäuble in dem es auf Seite 15 heißt, daß wir dann, wenn man der Position der Sozialdemokraten folgen würde und wenn die Bundesrepublik Deutschland ihre Mitwirkung an dem integrierten multinationalen Verband im Rahmen einer völkerrechtlich vereinbarten Friedenssicherungsaufgabe im Augenblick der Aktion abbricht, damit den uns obliegenden Beitrag zur Friedenssicherung gerade jetzt nicht leisten würden. ({8}) - Das ist das Zitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. ({9}) Ich habe zwei Sätze zusammengezogen. ({10}) - Ich kann auch beide vorlesen. - Daß die PDS für die SPD sprechen muß, ist ja auch schon wieder bemerkenswert. ({11}) Wenn Sie, wie Ihr Vorsitzender, von dem wir ja gerne - ob, Herr Verheugen, mit der Vorwahl 00 oder anders - auch mal wieder ein Wort dazu hören würden, vom Gewaltmonopol der Vereinten Nationen träumen, also von der alleinigen Zuständigkeit der Vereinten Nationen, dann, bitte sehr, sollten wir wenigstens bei den ersten Schritten der Vereinten Nationen, wo unsere Beiträge gefragt sind, uns nicht versagen und nicht verweigern; denn das ist nun ein Widerspruch in sich. ({12}) Ich füge gleich hinzu: Wir sind in einer Welt, die voller Gefahren ist und wo es natürlich um Frieden und Freiheit nicht nur für andere, sondern in Zukunft auch für uns geht. Wer vermag denn auszuschließen, daß die Konfliktpotentiale, die es überall auf der Welt und deren es viel zu viele gibt, rasch in neue, beispielsweise diktatorische Strukturen münden und daß solche diktatorischen Strukturen dann versuchen, von der Unfähigkeit zur Lösung der Probleme im eigenen Land wieder nach außen abzulenken? ({13}) Dann sind wir schnell in ganz neuen Situationen der Friedensgefährdung auch für uns. Dann werden wir uns ganz schnell daran erinnern, daß wir Frieden und Freiheit über fast die ganze Lebenszeit meiner Generation der Tatsache verdanken, daß wir im Bündnis mit anderen Frieden und Freiheit über mehr als vier Jahrzehnte in Deutschland und Europa bewahrt haben. ({14}) Daß dies möglich war, dazu mußte die Bundesrepublik Deutschland auch und gerade in Form des Verteidigungsbeitrags durch die Bundeswehr ihren Beitrag leisten. Sonst wäre es so nicht möglich geworden. Sonst wird es auch in Zukunft nicht möglich sein. Deswegen ist der Friedens- und Verteidigungsauftrag der Bundeswehr ganz unverändert und wird auch durch die Regierung und die Koalition überhaupt nicht verändert. ({15}) Vielmehr wird er lediglich in einer veränderten Weltlage auf diese veränderte Weltlage - und zwar in Kontinuität unserer Politik über fast vier Jahrzehnte - angewendet, um Frieden und Freiheit auch in Zukunft zu sichern. Wir haben Frieden und Freiheit niemals für uns alleine erhalten und niemals für uns alleine bewahrt und niemals für uns alleine sichern können. Wir werden Frieden und Freiheit auch in der Zukunft nicht alleine sichern und bewahren können. ({16}) Deswegen müssen wir in der europäischen Integration und in der atlantischen Integration bleiben. Deswegen müssen wir unsere Beiträge zur Friedenssicherung und Friedensherstellung durch die Vereinten Nationen leisten. Es gibt keinen besseren Weg, um Frieden und Freiheit auch in Zukunft zu sichern. ({17}) Weil dies so ist, dürfen wir auch in der Zukunft niemals Alleingänge machen. Das ist übrigens der Inhalt des Vorschlags der Koalition zur ergänzenden Klarstellung des Grundgesetzes, nämlich daß sichergestellt wird, daß die Bundesrepublik Deutschland niemals mehr einen militärischen Alleingang begehen kann. Dies auszuschließen wäre doch Ihrer Zustimmung wert, so wie wir ja in unserer Initiative zur klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes auch vorschlagen, daß wir die Frage der Parlamentsbeteiligung an solchen Entscheidungen regeln. ({18}) Ich finde überhaupt, wir sollten uns nicht anmaßen, alle künftigen Fallgestaltungen der internationalen Politik, der Aufgabe der Friedenssicherung, in Artikeln und Absätzen des Grundgesetzes im vorhinein zu regeln. Ich finde, wir sollten den Streit auch nicht in Karlsruhe führen - vielleicht stimmen wir darin überein -, sondern hier in Bonn politisch entscheiden. Aber wenn wir in Bonn politisch entscheiden wollen, dann müssen Sie natürlich den verfassungsrechtlichen Streit deblockieren; denn das kann nicht sein: Wenn in Bonn politisch entschieden wird, dann muß die Mehrheit entscheiden; das ist das Prinzip der Demokratie. Solange Sie aber eine Position einnehmen, mit der Sie der Mehrheit untersagen wollen zu entscheiden - ob es nun die Regierung oder die Mehrheit im Bundestag ist -, wollen Sie den Streit eben gerade nicht politisch entschieden sehen, sondern Sie wollen aus der Minderheit eine Mehrheit machen, und das ist undemokratisch. ({19}) Unsere Position, die Position der CDU/CSU, in Sachen Grundgesetz ist völlig klar. Das Grundgesetz schränkt diese Einsatzmöglichkeiten nicht ein. Deswegen hat auch das Verfassungsgericht in seinem Urteil - jedenfalls für das einstweilige Verfahren - bestätigt, daß die Entscheidung der Bundesregierung verfassungsrechtlich in Ordnung ist. ({20}) - Verzeihen Sie, daß Bundesverfassungsgericht - die Wahrheit kann man nicht durch Geschrei abstreiten - hat im einstweiligen Verfahren entschieden, indem es die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, daß die Entscheidung der Bundesregierung verfassungsrechtlich einstweilig in Ordnung ist. So habe ich es gesagt, und dabei bleibe ich. ({21}) Sie haben eine Initiative zur Änderung des Grundgesetzes im Bundestag eingebracht, mit der Sie diese Entscheidung der Bundesregierung verfassungsrechtlich ausschließen wollen, und das entspricht nicht der Position, den Streit von Karlsruhe nach Bonn zu verlagern. Deswegen sollten Sie Ihre Initiative zurückziehen und unserer Initiative zustimmen. Dann können wir hier in Bonn entscheiden; dann können wir hier im Bundestag politisch debattieren und entscheiden. Im übrigen wollen wir heute auch - und Sie können zustimmen - im Bundestag über die AWACS- und die Somalia-Entscheidung der Bundesregierung abstimmen. Sie sind herzlich eingeladen, unseren Anträgen zuzustimmen. ({22}) Aber was Alleingänge anbetrifft, so hat schon Bundesaußenminister Klaus Kinkel zu Recht gesagt: Die Totalverweigerung, die eine Folge der sozialdemokratischen Position ist, daß sich nämlich immer dann, wenn die Vereinten Nationen, im Sicherheitsrat beschlossen, uns durch den Generalsekretär auffordem, unseren Beitrag zu leisten oder die NATO in Erfüllung eines Beschlusses des Sicherheitsrates beschließt, mit integrierten Verbänden einen Beitrag zu leisten, die Sozialdemokraten verweigern, das ist eben auch die Form von Alleingängen, mit der Sie uns in die Isolierung führen und mit der wir Frieden und Freiheit nicht auf Dauer sicherstellen. ({23}) Ihr verstorbener Vorsitzender Willy Brandt -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Dr. Schäuble, sind Sie bereit, Zwischenfragen zu beantworten?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde zunächst gern den Satz zu Ende führen, Herr Präsident. - Ihr verstorbener Vorsitzender Willy Brandt hat einmal von der „Weltmacht SPD" gesprochen. Hören Sie doch auf, und lassen Sie uns miteinander aufhören, uns bei jeder Entscheidung - Sie als SPD oder wir als Deutscher Bundestag ({0}) - Sie als SPD oder wir gemeinsam als Deutscher Bundestag - für klüger und kompetenter zu halten als etwa die NATO insgesamt oder auch die Vereinten Nationen. ({1}) So kommt man nicht zur internationalen Zusammenarbeit! - Bitte schön.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zunächst der Abgeordnete Wallow, bitte.

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäuble, sind Sie der Auffassung, daß die konservative Mehrheit der zweitgrößten Industrienation der Welt, nämlich Japans, die ein Gesetz zur Teilnahme an BlauhelmAktionen beschlossen hat, das diese auf 2 000 Soldaten begrenzt, und zwar mit ganz bestimmten Aufgaben unterhalb dessen, was wir hier unter BlauhelmEinsätzen diskutieren, ({0}) dieses Land in die außenpolitische Isolierung treibt oder daß gar diese Nation als eine Nation von Drükkebergern zu bezeichnen wäre?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich fühle mich mehr für deutsche Politik als für japanische zuständig und verantwortlich. Ich meine auch gelernt zu haben, daß Japan weder Mitglied der Europäischen Gemeinschaft noch des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses ist. ({0}) Ich meine mich auch zu erinnern, daß Japan nicht über 40 Jahre geteilt war und nicht eine Hauptstadt hat, die auch geteilt war, und das bei uns mit einer Verantwortung von vier Mächten für Deutschland und Berlin als Ganzes. Deswegen, Herr Kollege, verzeihen Sie: Die japanische Entscheidung respektiere ich; sie entbindet uns aber nicht von der Verantwortung für Deutschland und Europa und für die Sicherung von Frieden und Freiheit bei uns. ({1}) Ich sage noch einmal - und ich meine es wirklich im Sinne von Werben -: Helfen Sie mit, daß wir unseren Beitrag zu weltweiter, atlantischer, europäischer Zusammenarbeit in der Politik der Friedenssicherung, der Friedensbewahrung und Friedensschaffung leisten können! Helfen Sie mit, daß wir politische Auseinandersetzungen im Deutschen Bundestag austragen und entscheiden können und nicht vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden lassen müssen. Es ist in der Debatte um die - zugegeben - ungewöhnliche verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung in Karlsruhe auch an die großen außenpolitischen Auseinandersetzungen im Deutschen Bundestag in den 50er Jahren erinnert worden. Aber, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, damals waren das Auseinandersetzungen, wo zwischen Mehrheit und Minderheit, zwischen Regierung und Opposition gestritten wurde und mit Mehrheit entschieden werden konnte und mit Mehrheit entschieden worden ist. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir. ({2}) - Nein, wir sind uns in der Sache völlig einig, und in dem Moment, in dem wir die verfassungsrechtliche Blockade aufgelöst haben, werden Sie sehen, daß wir eine völlig geschlossene und einige Koalition haben, so wie Sie es heute auch gesehen haben. ({3}) - Nein, das Grundgesetz ist überhaupt nicht schlecht; aber Sie sollten sich vielleicht daran erinnern - ich sehe Ihren früheren Fraktionsvorsitzenden gerade in Ihren Reihen sitzen -, daß es die Regierung Schmidt war, die gegen das Votum des damaligen Justizministers erklärt hat, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Teilnahme an Blauhelm-Einsätzen nicht in Frage komme. So lange ist das her, Herr Kollege Vogel. ({4}) Das geschah damals gegen Ihr Votum als Justizminister, weil Sie damals als Justizminister dafür votiert haben, daß das Grundgesetz sehr wohl solche Einsätze zulasse. ({5}) Aber es war die Regierung Schmidt, die gegen das Votum des Justizministers diese Position eingenommen hat, die wir jetzt mühsam wieder auflösen müssen. ({6})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Würden Sie jetzt eine Frage des Abgeordneten Dr. Vogel beantworten? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie zur Kenntnis nehmen ({0}) - das ist genau der Fragestil, den Sie üblicherweise auch goutieren -, oder würden Sie mir, wenn Sie nicht zur Kenntnis nehmen, darin zustimmen, daß das Justizministerium unter meiner Verantwortung gesagt hat, Blauhelm-Einsätze seien zulässig? Herr Kollege Genscher ({1}) - hören Sie doch zu - hat das Kabinett davon überzeugt, daß diese Position falsch ist, nicht haltbar ist. ({2}) Ich habe mich dem angeschlossen, und die Position, die Sie jetzt kritisieren, hat das Kabinett Kohl bis vor einem Jahr genauso vertreten wie damals das Kabinett Schmidt. Das ist die Wahrheit. Erfinden Sie keine Märchen! ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Vogel, ich bin - ganz wie Sie wünschen - bereit, zur Kenntnis zu nehmen oder Ihnen auch darin zuzustimmen, daß Sie das gesagt haben. Aber es ändert nichts daran, daß die Entscheidung der Bundesregierung Schmidt damals sicher eine politische Entscheidung war, sich an Blauhelm-Einsätzen nicht zu beteiligen, und zwar aus wohlerwogenen und nachvollziehbaren Gründen, die die Regierung Kohl übernommen hat. ({0}) - Verzeihen Sie, lassen Sie mich antworten. Weil Sie mich gefragt haben, möchte ich Ihnen antworten; das ist doch der richtige Umgang miteinander. Nach Meinung meiner Fraktion - ({1}) - Es wäre doch hilfreich, wenn wir die Chance dieser Debatte nutzen würden, ein paar Punkte zu klären. ({2}) Aus der Sicht meiner Fraktion war es ein Fehler, der aus dieser Zeit kommt, daß man eine politische Entscheidung, die in Zeiten der deutschen Teilung politisch richtig war, mit falschen, unzutreffenden, auch von Ihnen für unzutreffend gehaltenen verfassungsrechtlichen Argumenten begründet hat, ({3}) und diesen Fehler müssen wir j etzt korrigieren. Das ist ein mühsamer Prozeß, und daran haben wir alle unseren Anteil. Aber da wir unseren Anteil übernehmen - auch die Koalition -, lade ich Sie ein, Ihren Anteil bei der Lösung, bei der Korrektur dieses Fehlers auch zu tragen, und dann hat Karlsruhe wieder seine Ruhe und die Politik ihren Vorrang. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Vogel.

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäuble, würden Sie einräumen, daß sich Ihre zweite Intervention und Äußerung von der ersten deutlich unterschieden hat, und würden Sie einräumen, daß es nicht möglich ist, mich für eine Position in Anspruch zu nehmen, die durch juristische Argumente des Kollegen Genscher so überzeugend widerlegt worden ist, daß zwei Kabinette sie bis vor einem halben Jahr vertreten haben? ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Vogel, ich unterstelle Ihnen, daß es Ihnen bei dieser Debatte so ernst Ist wie mir. Ich habe Sie angesprochen, weil Ihr Fraktionskollege Voigt gesagt hat, der Somalia-Einsatz sei durch das Grundgesetz nicht gedeckt. Sie haben damals dafür votiert, daß etwas wie der Somalia-Einsatz durch das Grundgesetz gedeckt ist, und jetzt sagen Sie, daß der Kollege Genscher, zu Ihren und unseren Regierungszeiten ein besonders überzeugendes Mitglied der Bundesregierung und auch des Deutschen Bundestages - ({0}) - Ich bin weniger höhnisch als Sie; das muß ich Ihnen sagen, aber das lassen wir dahingestellt sein. Herr Kollege Vogel, ich würde Sie alle gern einladen, in aller Offenheit mit uns gemeinsam noch einmal darüber nachzudenken - es vielleicht auch auszusprechen und dann zu reparieren -, daß das Dilemma, in dem sich deutsche Politik befindet, darin besteht - das wiederhole ich -, daß zu einer politisch richtigen Entscheidung, richtig in den Zeiten der deutschen Teilung, nämlich zu der Entscheidung, sich als geteiltes Deutschland an Blauhelm-Einsätzen nicht zu beteiligen, zu einer Entscheidung, die - da stimmen wir ja auch überein - im vereinten Deutschland politisch so nicht mehr richtig ist, ({1}) eine unzutreffende verfassungrechtliche Begründung gegeben worden ist, ({2}) und dies müssen wir korrigieren. Wir laden Sie ein, es dadurch zu korrigieren, daß wir gemeinsam eine klarstellende Ergänzung des Grundgesetzes beschließen. Wenn Sie daran nicht mitwirken, muß der Streit in Karlsruhe entschieden werden; aber das ist Ihre Verantwortung. Wenn Sie das nicht wollen, dann sollten Sie unsere Position übernehmen. Ich werbe dafür: Lassen Sie es uns hier bald miteinander verfassungsrechtlich klarstellen, damit wir in Zukunft wieder politisch debattieren und entscheiden können. Ich sage noch einmal: Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Einsatzarten wird - auch das hat der Bundesaußenminister gesagt - zunehmend obsolet. Sind die Versorgungsflüge nach Sarajevo, die Luftbrücke, und die Hilfsflüge nach Ostbosnien, die eindeutig humanitäre Maßnahmen sind, nicht vielleicht die gefährlichsten Einsätze, die Soldaten der Bundeswehr in ihrer Geschichte überhaupt leisten mußten, ({3}) auch im Vergleich zu AWACS und im Vergleich zu Somalia? Deswegen will ich an dieser Stelle, Herr Bundesaußenminister, auch für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich Dank aussprechen: an die Soldaten der Bundeswehr in allen Einsätzen von Kambodscha bis Somalia, an die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks und an die Mitarbeiter vieler Hilfsorganisationen, die einen humanitären Dienst für Menschenrechte, für das Überleben, auch für Frieden und Freiheit leisten. ({4}) Wir verleihen diesem Dank am besten Ausdruck, denke ich, wenn wir als zuständiger Deutscher Bundestag auch die politische Verantwortung für diese Entscheidungen übernehmen. Wir sollten den verfassungsrechtlichen Streit beenden und die Klarstellung schaffen, damit wir hier mit den vom Wähler zugeteilten Mehrheiten politisch entscheiden können. Ich möchte in diesen Dank an die Soldaten der Bundeswehr sowie an die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks und anderer gemeinnütziger Organisationen auch ausdrücklich den Dank an die Soldaten unserer Verbündeten einbeziehen, die in Jugoslawien und anderswo einen ungeheuer wichtigen Dienst - und einen gefährlicheren Dienst - für den Frieden leisten, die 40 Jahre Frieden und Freiheit für uns im geteilten und heute vereinten Deutschland gesichert haben ({5}) und die wir nicht zum Objekt unserer scheinbaren Friedensbewegtheit machen dürfen. Wenn ich mir die Erbärmlichkeit der diesjährigen sogenannten Ostermarschierer noch einmal vor Augen führe, muß ich sagen: Etwas Schäbigeres hat es in diesem Lande schon lange nicht mehr gegeben. ({6}) Ganz abgesehen davon finde ich es eigentlich bemerkenswert, daß Karneval oder Fasching oder Fastnacht ausgefallen ist, als Kuwait befreit wurde, der Krieg in Jugoslawien uns aber nicht daran gehindert hat, Karneval zu feiern. ({7}) Ganz offensichtlich sind immer noch zu viele gewohnt, nur dann für den Frieden zu demonstrieren, wenn man damit gleichzeitig gegen die Soldaten unserer Verbündeten demonstrieren kann. ({8}) Damit sollten wir auch endlich Schluß machen. Ich sage noch einmal: Allein hätten wir den Frieden nie erhalten und bewahrt, und allein werden wir den Frieden auch in Zukunft nicht erhalten können. ({9}) Wir verdanken Frieden und Freiheit anderen, und deswegen ist der „Ohne mich"-Standpunkt immer falsch gewesen, im Innern wie nach außen. ({10}) - Sie! ({11}) - Genau Sie! ({12}) Solange Sie sich jedem Beitrag dann verweigern, wenn er konkret gefordert wird - das ist die Position der Sozialdemokraten, jedenfalls bis zur Rede des Kollegen Voigt; es kann ja besser werden; es kommen ja noch weitere Redner -, setzen Sie Ihren „Ohne mich" -Standpunkt aus den fünfziger Jahren außenpolitisch in den neunziger Jahren fort und führen uns in die Isolierung. In die dürfen wir nicht gehen! ({13}) Wer Frieden und Freiheit bewahren will, muß seiner Verantwortung heute gerecht werden. Dazu lade ich Sie herzlich ein und bitte Sie um Ihre Mitwirkung. ({14})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist ein erneutes Beispiel für die gewandelte Rolle Deutschlands in der Welt; allein, der Erkenntnisstand ist noch nicht überall gleich verbreitet. Das muß man sagen, nachdem man die Rede des Kollegen Voigt gehört hat. Bei manchen Mitgliedern der SPDFraktion hat man deutlich den Eindruck, daß sie das Tal des Erkennens zu durchwandern bereit sind, aber halt noch mittendrin sind und noch unentschlossen sind, nach welcher Seite es denn weitergehen soll. ({0}) Im übrigen, Herr Voigt, will ich auch die Kritik an Herrn Kinkel zurückweisen, weil er in einer ausländischen Mission war. Das war genauso unfair, wie wenn ich jetzt kritisierte, daß Ihr Fraktionsvorsitzender bei dieser wichtigen Debatte nicht anwesend ist; aber er hat sich vorher dafür entschuldigt, und deswegen tue ich das nicht. ({1}) Wir sollten hier, meine ich, die notwendige Fairneß im Umgang miteinander walten lassen. ({2}) Es ist ja nicht so, daß wir unsere Mitwirkung an der Friedenspolitik der Völkergemeinschaft anderen aufzwingen, sondern es ist so, daß die Völkergemeinschaft das von uns erwartet, das von uns fordert ({3}) und daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen uns anschreibt und anruft mit der Bitte, wir mögen uns an den Friedensaktionen der VN beteiligen. Die Partnerländer sind eben nicht bereit, zehn oder fünfzehn Jahre zu warten, bis Deutschland soweit ist, wie es der Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Schröder, kürzlich vorgeschlagen hat. Nein, heute sind wir aufgefordert, an der Friedenspolitik mitzuwirken. Heute trifft uns die volle Mitverantwortung unserer Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen; denn das sind die Pflichten, die wir eingegangen sind. Seit wir ein voll souveräner Staat sind, sind wir auch aufgefordert, diese Pflichten zu übernehmen. Wir wollen eben keinen deutschen Sonderweg. Es war doch eine gemeinsame Überzeugung der demokratischen Parteien in diesem Hause, daß wir das nicht wollen, und zwar auf Grund der schlechten Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gesammelt haben. Wenn wir keinen deutschen Sonderweg wollen, dann müssen wir eben gemeinsam mit der Völkergemeinschaft und dem Bündnis handeln und können uns international nicht in eine Position der Isolation begeben. ({4}) In einer nahe zusammengerückten Welt können wir nicht mehr abseits stehen, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden, wenn Aggressionshandlungen und Kriegsgreuel geschehen. Ein Menschenleben ist heute - und das ist eine allgemeine Erkenntnis bei uns - so wertvoll wie das andere. Die Zeiten, in denen man von Kriegen fern auf dem Balkan, in Asien oder Afrika gesprochen hat, sind vorüber. Die Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft stehen heute in gemeinsamer globaler Verantwortung. Hans-Dietrich Genscher hat hierfür den Begriff der Weltinnenpolitik geprägt. ({5}) Dabei geht es weder um die Militarisierung der deutschen Politik noch um die Suche nach einfachen Lösungen und schon gar nicht um Macht- und Hegemoniestreben. Es geht schlicht und einfach darum, deutsche Politik mit der aktiven Friedenspolitik der Völkergemeinschaft in Übereinstimmung zu bringen. Das ist die Aufgabe, der wir uns zuzuwenden haben. Die Vereinten Nationen und mit ihnen KSZE und NATO müssen zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung die ihnen zugewiesenen Aufgaben aber auch erfüllen können. Deutschland muß hierzu den notwendigen Beitrag leisten. Dazu hat sich Deutschland mit seinem Beitritt zu den Vereinten Nationen verpflichtet. Die F.D.P. hat bereits im Frühjahr 1991, also sehr früh nach der Erlangung der Souveränität, ihre Beschlußlage auf die heutige Rolle Deutschlands ausgerichtet. Wir haben schon damals gefordert, daß Deutschland nach der Herstellung der vollen Souveränität an der Durchsetzung von Entscheidungen des Weltsicherheitsrates mit Streitkräften der Bundeswehr mitwirken soll. Wir haben uns dabei sowohl für die Teilnahme der Bundeswehr im Rahmen der UNFriedenstruppen als auch an Kampfeinsätzen ausgesprochen, die auf Entscheidungen des Weltsicherheitsrates zurückzuführen sind. Nach unserer Rechtsauffassung, die auch die Rechtsauffassung aller bisherigen Bundesregierungen war, ist hierfür aber eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Mit der Beteiligung deutscher Soldaten an den jetzt vom Sicherheitsrat beschlossenen AWACS-Einsätzen haben wir den Rubikon überschritten. ({6}) Dr. Hermann Otto So1ms Bisher war der Einsatz deutscher Soldaten nur auf das Bündnisgebiet beschränkt. Erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und erstmals nach der Aufstellung der Bundeswehr geht es um die Mitwirkung deutscher Soldaten an einem Kampfeinsatz außerhalb des Verteidigungs- und Bündnisauftrages. ({7}) Selbst diejenigen, die der Meinung sind, daß solche Truppeneinsätze von der Regierung auf der Basis von Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen werden können, müssen einräumen, daß diese Rechtsauffassung unter Verfassungsrechtlern ernsthaft umstritten ist. Wer trotzdem so handelt, kann das Risiko nicht ausschließen, damit die Verfassung zu brechen. ({8}) Infolgedessen bestand Einvernehmen in der Koalition darüber - auch deshalb, weil wir in der Zielsetzung völlig einig sind -, daß im Wege einer klarstellenden Grundgesetzänderung dieses Risiko der Verfassungswidrigkeit zu beseitigen ist; denn darin liegt der natürliche und politisch gebotene Weg, verfassungsrechtliche Klarheit zu schaffen. In den gewählten Gremien muß man diese Änderung vornehmen. Weil die Koalition diesen Weg beschreiten will, hat sie einen Grundgesetzentwurf, den Sie ja kennen, im Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf liegt im Rechtsausschuß. Sie können daran mitwirken, ihn zu verabschieden. Wir haben mit diesem Entwurf nach unserer Meinung der SPD eine breite Brücke gebaut. Aber bislang ist die SPD nicht bereit, an der Verabschiedung dieses Entwurfs mitzuwirken. In diese ungeklärte Situation fiel nun die Entscheidung der Vereinten Nationen, die NATO zu bitten, die AWACS-Einsätze durchzuführen. Eine Herausnahme der deutschen Soldaten aus den AWACS-Einheiten würde diese Einsätze auf Dauer unmöglich machen. Vor diesem Hintergrund sahen wir uns gezwungen, einen zugegebenermaßen sehr ungewöhnlichen Weg zu beschreiten, nämlich den, die Mehrheitsentscheidung der Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht zu beklagen. Ich habe diese Klage für die F.D.P.-Fraktion beim Verfassungsgericht eingebracht. Interessant ist, daß entgegen vielfacher Bedenken, die vorher geäußert worden sind, das Gericht die Klage nicht für von vornherein unzulässig und nicht für völlig unbegründet erachtet hat. Damit erweist sich der Weg der Klageerhebung als berechtigt und in seinem vorläufigen Ergebnis auch als erfolgreich - darauf hat auch der Kollege Schäuble hingewiesen -; ({9}) denn nur so konnte für die deutschen Soldaten bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine rechtliche Absicherung für ihren Einsatz erreicht werden. ({10}) Meine Damen und Herren, immer noch gilt das Leitbild des Soldaten als des Bürgers in Uniform, der die zivilen Tugenden des demokratischen Staates hochhält und hochhalten soll. Dem steht auf seiten des Staates als seines Dienstherrn allerdings die Verpflichtung gegenüber, ihn bei der Erfüllung seines Auftrages rechtlich zweifelsfrei abzusichern. Der Deutsche Bundeswehrverband hat die politische Fürsorge, die die F.D.P. durch ihre Vorgehensweise zum Ausdruck gebracht hat, daher auch ausdrücklich begrüßt und in einem Schreiben an den Parteivorsitzenden gelobt. ({11}) Der Streit geht doch letztlich um die zwei Seiten ein und derselben Medaille. ({12}) Die an sich politisch gebotene Mitwirkung deutscher Soldaten an solchen Maßnahmen muß auf einem verfassungsmäßig einwandfreien Weg erreicht werden; denn wäre der- Weg verfassungswidrig, kann auch das erzielte Ergebnis keine rechtliche Billigung finden. Unseres Erachtens geht es nicht an, daß die Exekutive allein unter Umgehung des Gesetzgebers sozusagen eine neue Wehrverfassung schafft. ({13}) Das muß die alleinige und vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, der gewählten Körperschaften sein. ({14}) Auch das Gericht hat die Erwartung zum Ausdruck gebracht, daß die politischen Entscheidungen von den dafür gewählten Gremien getroffen werden sollen. Ich habe den Beschluß des Gerichtes und insbesondere die Begründung auch so interpretiert, daß den Körperschaften die Zeit eingeräumt wird bis zur Verhandlung in der Hauptsache, die politischen Entscheidungen zu treffen. Das ist unsere Chance, aber eben auch unsere Pflicht, die notwendige Klarheit auf diese Weise zu schaffen. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zur Verfassungsänderung durch den Deutschen Bundestag dürfen deutsche Truppen außerhalb des NATOGebietes ausschließlich zu humanitären Zwecken eingesetzt werden. Das scheint mir sehr wichtig zu sein. Das ist nämlich eine zwingende Folge aus dem Urteil des Gerichtes. Und das gebietet auch der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht. Dies hat die Koalition gestern einmütig beschlossen, und daran werden wir uns halten. Mit der von uns gewollten Grundgesetzänderung verfolgen wir allerdings das Ziel, einen solchen Entscheid des Gerichtes in der Hauptsache gar nicht erst notwendig werden zu lassen. Wir wollen einmal die verfassungsrechtliche Zulassung von Bundeswehreinsätzen außerhalb des NATO-Gebietes, zum anderen die Mitwirkung des Parlaments an diesbezüglichen Entscheidungen der Bundesregierung. Die SPD läuft meiner Ansicht nach deshalb in doppelter Hinsicht Gefahr, wenn sie den von uns Dr. Hermann Otto So1ms angestrebten Weg der Vernunft und der Solidarität in der Völkergemeinschaft nicht mitgeht. ({15}) Einerseits trägt die SPD bei einer entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichtes die volle Verantwortung dafür, daß dem Parlament die notwendigen Mitwirkungsmöglichkeiten anschließend versagt blieben. Die Bundesregierung könnte allein entscheiden, wenn das Gericht Art. 24 Abs. 2 für einschlägig halten würde.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Dr. Solms, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heuer zu beantworten?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Einen Moment. Andererseits gefährdet sie die internationale Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik für den Fall, daß das Verfassungsgericht Bundeswehreinsätze außerhalb des NATO-Gebietes für verfassungswidrig erklären würde. Die SPD muß dieses doppelte Dilemma lösen. Es zeigt sich bislang keine Persönlichkeit in der SPD - das ist der traurige Eindruck -, die die Einsicht hätte oder die Kraft aufbringen würde, Sie aus diesem doppelten Dilemma zu befreien. Dazu sind Sie aber aufgerufen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte schön, Herr Professor Heuer.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Solms, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, jetzt seien nur humanitäre Einsätze zulässig? Dann wären doch wohl die AWACS-Einsätze jetzt nicht zulässig. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Sie das Urteil gelesen hätten, dann hätten Sie erkannt, daß das Bundesverfassungsgericht den Einsatz deutscher Soldaten in den AWACS-Verbänden nicht untersagt hat, sondern aus außen- und bündnispolitischen Gründen zugelassen hat bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Damit ist der Einsatz dieser Truppen in meinen Augen rechtlich abgesichert bis zur Entscheidung in der Hauptsache. ({0}) Alle Einsätze darüber hinaus dürfen bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder bis zu einer entsprechenden Verfassungsänderung nur humanitäre Hilfsaktionen beinhalten. Sie dürfen sich auf keine Einsätze darüber hinaus erstrecken.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte schön, Herr Professor Heuer, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zwischenfrage.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Habe ich Sie so richtig verstanden, daß das Urteil sagt, die AWACSEinsätze seien einmalig, und andere Einsätze dieser Art nicht zulässig?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es würde Ihnen helfen, wenn Sie das Urteil lesen würden. ({0}) Dann bräuchten Sie mich nicht zu fragen. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Professor Heuer, dazu hatten Sie nicht das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich glaube, der Mehrheit der Zuhörer im Saal ist klargeworden, was ich habe zum Ausdruck bringen wollen. Aber ich kann es für schwer Verstehende wiederholen: Diese AWACS-Einsätze sind zulässig. Weitere militärische Einsätze sind bis zur verfassungsrechtlichen Klärung nicht zulässig. ({0}) Wir fordern die SPD deshalb ja auch dazu auf, konstruktiv an der notwendigen verfassungsrechtlichen Klarstellung mitzuwirken. Eine Beschränkung auf Blauhelm-Einsätze reicht nicht aus. Das ist hier ausgiebig dargelegt worden. Das wäre nur der halbe Weg, und das würde unseren Pflichten in den Vereinten Nationen und in den anderen Bündnissen nicht genügen. Wir können damit im übrigen auch nicht warten - das ist von einigen angedeutet worden -, bis die UNO-Reform durchgeführt worden ist, weil kein Mensch weiß, wann das stattfinden wird. Eines muß aber gerade im Hinblick auf die Einsätze in Ex-Jugoslawien klar sein: Einsatz deutscher Truppen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien darf es keinesfalls geben - weder zu Wasser, zu Lande noch in der Luft. Das ist schon aus historischen Gründen geboten. Das ist jedenfalls die volle Überzeugung der F.D.P. Wir wissen uns in dieser Überzeugung einig mit dem Herrn Bundeskanzler, der das mehrfach bestätigt hat.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Dr. Solms, der Abgeordnete Schily bittet Sie, eine Frage zu beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Sohns, wir sind uns sicherlich darin einig, daß Sie die Begründung Ihres Antrages beim Bundesverfassungsgericht aus Überzeugung eingereicht haben. Sie sind sicherlich auch der Meinung, daß Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht nach Möglichkeit beschleunigt werden sollen. Wie werden Sie sich denn verhalten, wenn das Bundesverfassungsgericht Ihrer Rechtsauffassung folgt?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist doch völlig selbstverständlich, daß sich eine Rechtsstaatspartei dem Votum des Verfassungsgerichtes unterwerfen und dem folgen wird. Das ist auch für die CDU/CSU überhaupt keine Frage. ({0}) Das ist überhaupt keine Frage. Wenn das Bundesverfassungsgericht solche Einsätze verbietet, können sie nicht durchgeführt werden, bis eine entsprechende Verfassungsänderung beschlossen worden ist. Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich noch kurz auf Somalia eingehen. Auch hier tragen wir Mitverantwortung vor der Weltgemeinschaft. Auf Bitte der Vereinten Nationen wird die Bundesregierung deutsche Soldaten zum ausschließlich humanitären Einsatz in befriedeten Gebieten und mit dem Recht auf Selbstverteidigung bereitstellen. Es handelt sich eindeutig nicht um Kampfeinsätze. Im Einvernehmen mit dem Kolationspartner ist vielmehr sichergestellt, daß es beim humanitären Einsatz bleibt. Damit handeln wir auch in der Logik des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Trotzdem höre ich aus der SPD, daß sie zwar politisch einverstanden sei, jedoch den Beschluß aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mittragen zu können glaubt. Um derartige Zweifelsfälle ein für allemal auszuräumen - das sage ich nun zum letztenmal -, sollte die SPD über ihren Schatten springen und an der bündnispolitisch und völkerrechtspolitisch notwendigen Grundgesetzänderung mitwirken. Das ist sie ihrer Verantwortung als große Oppositionspartei in diesem Hause gegenüber der deutschen Politik, aber auch gegenüber unseren Freunden, unseren gemeinsamen Bündnispartnern schuldig. Bosnien und Somalia sind nicht die einzigen Fälle, die uns in dieser Weise beschäftigten werden. Die heutige Debatte wird, falls es keine Grundgesetzänderung gibt, viele Nachfolgedebatten haben. Deutschland muß sich seiner Verantwortung stellen. Wir alle müssen unseren Beitrag dazu leisten, auch wenn es uns schwerfällt und wenn man manchmal lieber aus der Verantwortung fliehen würde. Aber ich glaube, dazu sind wir nicht gewählt. Vielen Dank. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin, der Abgeordneten Frau Lederer, das Wort erteile, möchte ich das Haus über nachfolgendes informieren: Interfraktionell ist vereinbart, die Tagesordnung zu erweitern um: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Unverzügliche Verabschiedung einer Grundgesetzänderung für Blauhelm-Einsätze - Drucksache 12/4768 Dieser Antrag soll in der laufenden Debatte mitberaten werden. Ich muß dazu die Zustimmung des Hauses einholen und frage, ob es dagegen Widerspruch gibt. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen. Ich erteile der Abgeordneten Frau Lederer das Wort.

Andrea Lederer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001301, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister, es ist wirklich eine Geschichtsklitterung par excellence, wenn Sie vortragen, daß nun endlich der Gründungszweck der deutschen Bundeswehr erreicht sei, nämlich sie als zentrale Friedensstifterin der Menschheit einzusetzen. ({0}) Ich muß sagen: Das macht wiederum deutlich, welche Kontinuität unter den Stichwörtern „Wiederbewaffnung", „Nachrüstung" und jetzt nach der deutschen Einheit unter dem Stichwort „internationale Einsätze" der Bundeswehr besteht. Der Vorwurf der Militarisierung der Außenpolitik richtet sich in der Tat nicht unbedingt an die Bundeswehrsoldaten, sondern an die Bundesregierung und an diejenigen Fraktionen, die diese Politik bestimmen und tragen. ({1}) - Der Vorwurf ist absolut richtig. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU hat heute gesagt, die Frage der Fragen bestehe darin, Frieden und Freiheit für unser Land zu sichern - wörtlich; ich habe es mitgeschrieben. Wir diskutieren darüber, daß die deutsche Bundeswehr in Somalia, in Ex-Jugoslawien und in Kambodscha eingesetzt werden soll. Ich wette, die nächste Debatte über einen militärischen Einsatz führen wir zum Thema Kambodscha. Wenn das Friedens- und Freiheitssicherung für Deutschland bedeuten soll, dann muß ich sagen: Das ist nichts anderes als Militarisierung der Außenpolitik, und zwar in einem erschreckenden Ausmaß. ({2}) Ich will einmal kurz zitieren, um was es da ging, weil Sie ganz geschickt genau den zentralen Halbsatz, Herr Schäuble, beim Zusammenziehen zweier Sätze des Urteils ausgelassen haben: Erginge die einstweilige Anordnung, - so das Bundesverfassungsgericht müßte die Bundesrepublik Deutschland, indem sie ihre Mitwirkung im Augenblick der Aktion abbricht, die durch ihr bisheriges Verhalten begründete Erwartung enttäuschen. Das heißt: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben eine Außenpolitik betrieben, die Erwartungen hervorgerufen hat. Im Nachgang soll dieses Parlament das Ganze verfassungsrechtlich absichern. Das bedeutet: Künftig werden im Parlament Verfassungsentscheidungen getroffen, wenn die Bundesregierung per Kabinettsbeschluß diese oder jene internationale Aktion beschließt. Was das noch mit Demokratie und Verfassungsrecht zu tun hat, soll mir einmal jemand erklären. Das grenzt im Grunde genommen an putschistische Züge im Umgang mit der Verfassung. ({3}) In der Tat geht es darum, daß ein gesellschaftlicher Konsens aufgebrochen wird, der 40 Jahre lang bestanden hat, und die Lehre aus der Tatsache zog, daß zwei Weltkriege von diesem Land ausgingen. Der Konsens lautete: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Wenn mittlerweile - offensichtlich bestürzt - selbst ein ehemaliger CDU-Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium feststellt, die Entwicklung sei so zu charakterisieren, „Heute gehört uns Bosnien und morgen die ganze Welt", ({4}) dann muß ich fragen: An welchem Punkt sind wir eigentlich angekommen? Wohlgemerkt, das sagte ein ehemaliger Staatssekretär der CDU; allüberall zitiert. Die Bundesregierung schafft sich für eine künftige militärische Interventionspolitik Schritt für Schritt und scheibchenweise die Akzeptanz. Sie stellt es dabei relativ geschickt an: Sie gaukelt vor, sie betreibt Schönfärberei, sie redet von Humanität, wenn sie tatsächlich Säbelrasseln und Militäreinsatz meint. Sie will etwas schmackhaft machen, was diese Bevölkerung überhaupt nicht will. Laut heutiger Zeitungsmeldungen sind überhaupt nur 15 % - 15 %! - der Bevölkerung für Kampfeinsätze der Bundeswehr. Wir diskutieren hier über nichts anderes als über militärische Einsätze. Selbst der Einsatz der UNO in Somalia ist kein klassischer Blauhelm-Einsatz. Sie werden mir recht geben, wenn man noch einmal an das Kasperletheater heute in der gemeinsamen Sitzung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses erinnert, in der wir angeblich ausführlich unterrichtet worden sind. Da wurde allen Ernstes vom Außenminister vorgetragen, daß zivile Organisationen u. a. deswegen nicht in Somalia eingesetzt werden könnten, weil dort - da gab es nicht den Vergleich mit dem Fußballplatz, sondern wohlgemerkt den Vergleich mit Sarajevo - auch geschossen werden könne. Das als humanitären Einsatz in befriedeten Regionen zu verkaufen, das ist wirklich Fürdumm-Verkaufen. Ich hoffe, das nimmt Ihnen niemand ab. Wenn wir die neuesten Nachrichten aus Ex-Jugoslawien verfolgen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß der bevorzugte Bündnispartner der Bundesrepublik, Kroatien, nun ebenfalls Gebietsansprüche gegen die moslemischen Bosnier mittels Krieg, Massaker und Vertreibung durchzusetzen versucht. Dazu ist übrigens von Ihnen noch nicht ein Satz gesagt worden. Wie soll dieser Krieg eigentlich eine Beendigung finden, wenn nun auch noch die Großmächte militärisch zum Einsatz kommen wollen, wie es von Stahlhelmern aus der CDU/CSU-Fraktion allenthalben gefordert wurde? Sie hatten wirklich nichts Besseres zu tun, als das fatale Urteil des Bundesverfassungsgerichts gleich in eine Art Marschbefehl nach Ex-Jugoslawien umzumünzen. Es muß in diesem Zusammenhang noch einmal an den Entwurf der Regierungskoalition zur Grundgesetzänderung erinnert werden; denn er sieht vor, bei militärischen Pakten mit nur einem einzigen Bündnispartner auf Ersuchen oder in Einvernehmen loszumarschieren und nicht unter dem Dach der UNO - ehemals Ziffer 3 Ihres Entwurfs, jetzt Ziffer 4. ({5}) Wenn wir uns dann die Argumentation zu Somalia anhören, wo es eben keine staatliche Ordnung gebe und deswegen gar kein Einvernehmen, geschweige denn ein Hilferuf, hergestellt werden könne, man deswegen handeln müsse, und man das auf Ihre verfassungsrechtliche Perspektive überträgt, dann macht das deutlich, daß alle unsere Prognosen stimmen werden. Sie werden nach großmachtpolitischem Gutdünken da militärisch intervenieren, wo es Ihnen politisch in den Kram paßt. ({6}) Ich will in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Haltung der SPD im Hinblick auf den Einsatz in Somalia eingehen. Ich nehme an, es überrascht nicht besonders, daß ich, ehrlich gesagt, etwas erschrocken bin, wie auch hier nun schon wieder eine Tendenz zum Nachgeben, zum Anpassen sichtbar wird. Wenn Ihr Fraktionsvorsitzender gestern in den „Tagesthemen" die Bereitschaft der SPD erklärt, dem Somalia-Einsatz zuzustimmen - ({7}) - Einem Somalia-Einsatz. Das ist aber noch nicht weiter konkretisiert worden. Meines Wissens diesem. Es hieß, Voraussetzung sei nur eine entsprechende Verfassungsänderung. Wenn heute ein neues, großzügiges Angebot der SPD an die Regierungskoalition unterbreitet wird, innerhalb von 14 Tagen etwas zu verabschieden, dann prognostiziere ich: ({8}) Erstens. Es handelt sich dann offensichtlich nicht mehr um den Gesetzentwurf, den Sie zu diesem Thema eingereicht haben, sondern um eine weitergehende Fassung. Zweitens stellen Sie damit im Grunde auch den Parteitagsbeschluß, den Sie selber gefaßt haben, in Frage. Es soll durchgesetzt werden, unter UNO-Kommando mindestens auch die Grauzonen, die fließenden Übergänge dieser Einsätze zu rechtfertigen. ({9}) - Nein, ich bin überzeugt, daß es Widersprüche in dieser Frage geben wird, weil ich genau weiß, daß natürlich insbesondere Ihre Außenpolitiker nicht mehr mit der Beschränkung auf reine BlauhelmEinsätze übereinstimmen. Somalia ist kein solcher Einsatz. Wenn Sie dann dieser Aktion zustimmen wollen, heißt das, Sie wollen den nächsten Schritt in Richtung UNO-Kampfeinsätze gehen. Ich hoffe nur, daß das tatsächlich auf Widerstand in Ihrer Fraktion trifft. ({10}) Ich will zum Schluß darauf hinweisen, daß wir mit zwei Anträgen erstens dazu auffordern, die Grenzen für deutsche Bundeswehrsoldaten dichtzumachen, d. h. sie in diesem Land zu belassen bzw. sie sofort zurückzubeordern, soweit sie sich im Ausland aufhalten, und alles zu unterlassen, was eine militärische Aktivität dieses Landes zum Ziel hat. Zweitens fordern wir, die Mittel in hundertfacher Millionenhöhe, die für militärische Aktivitäten derzeit zur Verfügung gestellt werden, zivilen Organisationen zur Verfügung zu stellen, damit diese tatsächlich humanitäre Aufbauhilfe - ob in Somalia, in Ex-Jugoslawien oder sonstwo auf der Welt - leisten können. Ich habe heute im Ausschuß keine Antwort auf die Frage erhalten, ob schriftlich zivile Organisationen - abgesehen vom Technischen Hilfswerk mit 150 Mann, was ein Zehntel der Bundeswehrsoldaten ausmacht - gefragt wurden, welche Leistungen sie erbringen können und ob sie geantwortet haben. Die Antwort sind Sie mir schuldig geblieben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete Lederer, Ihre Redezeit ist zwar zu Ende, aber der Abgeordnete Duve hat noch eine Frage. Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, sie zu beantworten.

Andrea Lederer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001301, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Das mache ich gerne.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, seit zwei Tagen ist die Zufahrtsfraße zur Versorgung von 800 000 Menschen in der Region Tuzla durch kriegerische Handlungen gesperrt. Seit zehn Monaten ist die Versorgung dieser Region nur dadurch möglich, daß Blauhelme Hilfestellung leisten beim Transport über einen Forst- und Bergweg. Dieser Forst- und Bergweg ist jetzt durch die militärischen Kampfhandlungen gesperrt, die Sie selber erwähnt haben. Wie sollen humanitäre Organisationen ohne jegliche BlauhelmHilfe in der Lage sein, diese Menschen dort zu versorgen? ({0})

Andrea Lederer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001301, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Duve, Sie werden doch vielleicht mit mir darin übereinstimmen, daß erstens bereits im Hinblick auf die Entwicklung dieses schrecklichen Krieges massive, dramatische Fehler auf der diplomatischen Ebene gemacht wurden. ({0}) Zweitens werden Sie vielleicht auch zur Kenntnis genommen haben, daß meine Ausführungen nicht die Frage betreffen, ob generell die Sicherung dieser Hilfslieferungen in Frage steht, sondern daß es darum geht, ob deutsche Soldaten diese Aufgabe, verdammt noch einmal, in einem Land wahrnehmen, das hauptbetroffen vom Zweiten Weltkrieg und vom Einmarsch der Deutschen betroffen war. Dieses Thema wollen Sie nicht mehr aufgreifen. Sie thematisieren es nicht mehr. Friedens- und Freiheitssicherung werden nur noch so definiert, interpretiert und ausgeführt, daß mit dem Militär sonstwo in der Welt agiert wird. Das ist exakt der Punkt, um den es geht. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr der Abgeordneten Frau Vera Wollenberger das Wort.

Vera Wollenberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002721, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Gedenkfeier anläßlich des 50. Jahrestages des Ghettoaufstands zitierte der letzte Überlebende unter den Anführern, der Arzt Marek Edelmann, aus dem Abschiedsbrief des jüdischen Politikers Smul Zygelboim, der am 12. Mai 1943, wenige Tage vor der endgültigen Niederschlagung des Ghettoaufstandes, in London Selbstmord beging, um die Welt auf den Massenmord an Juden durch die deutschen Nationalsozialisten aufmerksam zu machen: Ich kann nicht schweigen und leben, während die Reste des jüdischen Volkes in Polen zugrunde gehen. Marek Edelmann zog dann Parallelen zwischen dem Schicksal seiner damaligen Gefährten im Warschauer Ghetto und dem Schicksal der bosnischen Muslime im ehemaligen Jugoslawien: In Bosnien gibt es Massenvernichtung, und Europa verhält sich ähnlich wie damals gegenüber den Ghettokämpfen. Marek Edelmann weiß, wovon er spricht. Seine Worte sollten uns endlich zu der Erkenntnis bringen, daß uns unsere Kinder und Enkel dieselben Fragen stellen werden, die wir unseren Eltern und Großeltern gestellt haben. ({0}) Warum hat die Welt der Vernichtung des Warschauer Ghettos zugesehen, warum wurden den jungen Kämpfern Waffen verweigert, und warum wurden nicht wenigstens die Nachschubwege für die Menschentransporte nach Auschwitz zerstört, was noch im Sommer 1944 wenigstens 200 000 ungarische Juden vor der Vergasung gerettet hätte? Diese Fragen sind bis heute unbeantwortet geblieben. ({1}) Im letzten Jahr sind mindestens 200 000 Bosnier gestorben. Sie wurden umgebracht in Konzentrationslagern, nach Vergewaltigungen, starben - wir kennen ähnliche Bilder aus der Geschichte - in geschlossenen Eisenbahnwaggons, bei Massakern, bei standrechtlichen Erschließungen und bei den ständigen Bombardements der Dörfer und eingeschlossenen Städte. ({2}) Das eingekesselte Gorazde wird über einen Gebirgstrampelpfad im Schutz der Dunkelheit mühsam mit Lebensmitteln und Waffen versorgt wie einst Leningrad über den zugefrorenen Ladogasee. Was in Leningrad „Straße des Lebens" hieß, wird in Gorazde „Pfad des weißen Todes" genannt, was die ganze Hoffnungslosigkeit der Lage in Bosnien ausdrückt. Wie in Europa, so bleibt in Deutschland das Protestpotential weitgehend stumm. Die Intellektuellen, auch diejenigen, die noch im Golfkrieg laut und vernehmlich waren, große Teile der Friedensbewegung, der Kirchen und der Gewerkschaften bleiben stumm. ({3}) Die verdienstvolle Ostermarschbewegung ging gegen weltweite Bundeswehreinsätze auf die Straße, konnte sich aber nicht zu einem einheitlichen scharfen Protest gegen den Vernichtungskrieg in Bosnien-Herzegowina und eine Verurteilung des Völkermordes an den bosnischen Muslimen durch die Serben durchringen. Statt dessen wurden Ausflüchte produziert: Alle Kriegsparteien begingen Verbrechen, das Geschehen sei mit den NS-Verbrechen nicht vergleichbar. Wirklich nicht? ({4}) - Hören Sie mir zu! Die serbischen Sonderbestimmungen für die noch nicht deportierten oder umgebrachten bosnischen Muslime sehen Verbote des Aufenthalts in öffentlichen Gebäuden vor, der Benutzung von Verkehrsmitteln, des Betretens der Straßen zu bestimmten Tageszeiten, von Beerdigungen mit mehr als zwei Teilnehmern und Zwangsarbeit. ({5}) Das ist doch sehr ähnlich den Bestimmungen im Dritten Reich. Da brauchen wir keinen Historikerstreit. Wir haben es in Bosnien mit einem Konflikt zu tun, in dem es für jede Prävention und Schlichtung mit gewaltlosen Mitteln allein zu spät ist. Die Völkergemeinschaft hat nur noch eine Alternative: der endgültigen Vernichtung der bosnischen Muslime wortreich, aber tatenarm zuzusehen oder dem Massaker ein rasches und entschlossenes Ende zu setzen. ({6}) Mit den bosnischen Muslimen wird nicht nur eine Volksgruppe ausgelöscht, die, wie einst die europäischen Juden, eine europäische Brückenfunktion hat. Gemeinsam mit den moslemischen Albanern könnten sie als einzige gewachsene europäische Moslem-Gemeinde die islamische Welt mit Europa verbinden und somit künftige Konflikte vermeiden. Diese europäische Dimension des bosnischen Krieges wird bisher übersehen. ({7}) Aber mehr noch: Eine Völkergemeinschaft, die es zuläßt, daß am Ende des 20. Jahrhunderts ein Volk massakriert und deportiert wird, verliert mit ihrer Glaubwürdigkeit ihre friedensstiftende und friedensbewahrende Autorität in künftigen Konflikten. ({8}) Die Völkergemeinschaft, repräsentiert durch die UNO in all ihrer Unvollkommenheit und Reformbedürftigkeit, hat die Aufgabe, nach dem Zusammenbruch der Ost-West-Konfrontration in den Prozeß der politischen Neuorganisation friedlich helfend einzugreifen. Die Vereinten Nationen sind aber dabei, ihr gerade erst gewonnenes Ansehen zu verspielen, weil sie nicht in der Lage sind, ihr Mitgliedsland Bosnien vor serbischen Aggressionen zu schützen. Das Risiko, daß eine erfolgreich abgeschlossene „ethnische Säuberung" anderswo Nachahmung findet, wird zukünftig weitaus gefährlicher sein ({9}) als die unbestreitbaren Risiken einer entschlossenen Entwaffnung aller Kriegsparteien ({10}) und der Errichtung eines UNO-Protektorats in Bosnien-Herzegowina, vielleicht auch im Kosovo und in Mazedonien, bis eine politische Lösung gefunden ist, die das gleichberechtigte, selbstbestimmte Zusammenleben aller ethnischen Volksgruppen garantiert. Der Vance-Owen-Plan ist dazu nicht geeignet. Einen Stufenplan für die Lösung des Konflikts zu entwickeln ist die dringlichste Aufgabe. Erst wenn den Aggressoren unzweideutig klargemacht wird, daß ihre Kriegsziele von der Völkergemeinschaft nicht toleriert werden, bestehen Aussichten auf eine dauerhafte Lösung. Innenpolitisch bedeutet das, daß nicht zugelassen werden darf, daß der Regierung die alleinige Entscheidung über den Einsatz von Streitkräften überlassen wird. Er muß sorgfältig diskutiert und dann mit überzeugender Mehrheit entschieden werden. Ich erinnere an dieser Stelle an die Forderung des Bundeswehr-Verbandes nach einer Zweidrittelmehrheit im Parlament für den Einsatz in Somalia. Grundlage aller Beschlüsse muß die vorherige Ausschöpfung aller nichtmilitärischen Mittel sein. Es ist eine Schande, daß das im Falle Bosniens nicht geschehen ist und diese Unterlassungssünde jetzt ein militärisches Eingreifen notwendig macht. Es ist auch keineswegs zu akzeptieren, daß ein sogenannter Bündnisfall automatisch den Einsatz deutscher Streitkräfte nach sich ziehen kann. Auch hier muß eine qualifizierte parlamentarische Mehrheit über jeden Einzelfall entscheiden. Sonst könnten wir uns eines Tages im Krieg mit Armenien oder dem Iran befinden, ohne daß das Parlament die Entscheidungsmöglichkeit gehabt hätte. Es bedarf deshalb einer politischen Entscheidung, keiner weiteren peinlichen Klagerei vor dem Verfassungsgericht. Es darf nicht länger hingenommen werden, daß wie im Fall Kambodscha Soldaten nach § 7 des Soldatengesetzes mit Billigung der SPD in den Einsatz geschickt werden und eine Legitimation nachträglich konstruiert wird, indem Deutschland, wie heute in einem Antrag vorgelegt, zur Signatarmacht des Pariser Abkommens von 1991 bezüglich der Lösung des kambodschanischen Bürgerkriegs gemacht werden soll. Wenn mit der Verfassung weiter willkürlich umgesprungen wird, wenn weiter Soldaten nach § 7 des Soldatengesetzes nach Kambodscha und vielleicht auch bald nach Somalia geschickt werden, wenn weiter das Verfassungsgericht als politisches Entscheidungsgremium mißbraucht wird, dann ist die Demokratie in Gefahr. Dieses Parlament sollte sich dessen endlich bewußt werden. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Konrad Weiß das Wort.

Konrad Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002461, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Schäuble, hat in seinem Beitrag diejenigen, die an den Ostermärschen teilgenommen haben, „schäbig" genannt. ({0}) Sie haben damit jene „schäbig" genannt, ({1}) die sich in der Tradition von Martin Luther King, von Gandhi, von Carl von Ossietzky und vielen anderen zur Gewaltfreiheit bekennen. Ich bekenne mich ebenfalls dazu. Ich bin einer von den Schäbigen, die an den Ostermärschen teilgenommen haben. ({2}) Herr Schäuble, an diesem Ostermarsch in Brandenburg, in Wittstock, haben Menschen von ihrem Recht - das sie sich selbst erkämpft haben -, sich unter freiem Himmel zu versammeln und ihre politische Meinung kundzutun, Gebrauch gemacht, denen vor vierzig Jahren dieses Land genommen worden ist. Es waren Bauern und Bäuerinnen, die nach einem Gottesdienst mit Kerzen friedlich an diesem Ostermarsch teilgenommen haben. Es waren junge Leute aus christlichen Gruppen von Pax Christi. Es waren Landesminister, und es waren Abgeordnete aus Land und Bund. Es waren Landräte, und es waren Kommunalpolitiker, auch aus der CDU, die Sie alle „schäbig" genannt haben. ({3}) Ich denke, es gibt nur eine Möglichkeit, Ihre unwürdige Äußerung zurückzunehmen: indem Sie sich bei all diesen Menschen, die für ihr Recht friedlich eintreten, entschuldigen. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zur Erwiderung erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Schäuble das Wort.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weiß, ich habe und wollte keinen einzelnen Teilnehmer der Ostermärsche mit irgendeinem Attribut versehen. Ich habe vielmehr das gesagt, was mit anderen Worten Ihre Fraktionskollegin Wollenberger soeben auch gesagt hat. Das wiederhole ich. Ich finde es schäbig, daß man gegen die deutsche Beteiligung an den integrierten AWACS-Verbänden demonstriert und nicht in der Lage ist, gegen die entsetzlichen Verbrechen in Bosnien-Herzegowina etwas zu sagen. ({0}) Ich würde gern den Satz hinzufügen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, daß es mir bis heute nicht gelungen ist, eine hinreichende Information darüber zu bekommen, wer die Ostermarschbewegung in diesem Jahr finanziert hat und ob dafür gegebenenfalls Beiträge von Mitgliedern von Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsverbundes verwendet worden sind.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe, das Wort.

Volker Rühe (Minister:in)

Politiker ID: 11001897

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wollenberger, Sie haben für Ihre Aussagen über die Situation im ehemaligen Jugoslawien - wie ich finde: zu Recht - Beifall von Abgeordneten aus vielen Fraktionen bekommen. Für mich haben Sie auch die moralische Glaubwürdigkeit bewiesen, die ich an Ihnen schon geschätzt habe, als Sie unter schwierigen Verhältnissen gegen das DDR-Regime angegangen sind. Ich glaube, dieses Gefühl wird angesichts des Mordens in Jugoslawien von allen geteilt. Aber es zeigt auch, daß das, was wir machen - die AWACSBeteiligung und die Hilfsflüge -, das Minimum dessen ist, was man machen muß. Deswegen verstehe ich nicht, warum es nicht möglich ist, diese Maßnahmen gemeinsam zu tragen. AWACS ist das Minimum. ({0}) Wer mehr fordert, kann es zu Recht machen. Er sollte wissen: Wir Deutschen sollten uns aus historischen Gründen zurückhalten, wie es der Bundeskanzler gesagt hat. Ich glaube aber schon, daß es richtig wäre, wieder zu diskutieren, ob das Waffenembargo gegen die Bosnier wirklich berechtigt ist, wenn man schon nicht selbst persönlich helfen will. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Müller ({0}) möchte eine Frage stellen. Sind Sie bereit, sie zu beantworten?

Volker Rühe (Minister:in)

Politiker ID: 11001897

Ja, gerne.

Albrecht Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001543, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da Sie gerade den Beitrag von Frau Wollenberger Albrecht Müller ({0}) gelobt haben, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen entgangen ist, daß sie für militärische Einsätze in Bosnien eingetreten ist. Ich möchte fragen, wie Sie und die Bundesregierung zu diesem Begehren stehen. Wenn schon, dann sollten Sie sich zu den gesamten Aussagen äußern. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Der hört nicht zu! Er kann nicht hören! -

Dr. Helmut Kohl (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001165

Unglaublich!)

Volker Rühe (Minister:in)

Politiker ID: 11001897

Ich habe es differenziert gelobt. Ich habe; so glaube ich, deutlich gemacht, was ich meine. Für uns bleibt es dabei, keine deutschen Truppen dort einzusetzen, auch keine deutschen Kampfflugzeuge. ({0}) Aber es muß doch wohl möglich sein, einer solchen Kollegin zu bescheinigen, daß sie an dieses Thema moralisch glaubwürdig herangeht und daß man das sehr wohl diskutieren kann. ({1}) Herr Kollege, Sie haben sich gegen unsere AWACS-Beteiligung gewandt. Ich habe gesagt: Das ist das Minimum, was man für Jugoslawien angesichts der Verbrechen, die dort stattfinden, tun muß. ({2}) Ich möchte in dieser Debatte meinem Kollegen Klaus Kinkel sehr herzlich für das danken, was er für die Soldaten der Bundeswehr gesagt hat. Das gilt auch für das, was Wolfgang Schäuble und der Vorsitzende Solms von der F.D.P. gesagt haben. Das ist wichtig für die Soldaten. Denn der einzelne Soldat trägt heute ein größeres Risiko als in den Zeiten der großen Ost-West-Konfrontation in Europa. Wenn es damals zum Konflikt gekommen wäre, wären Millionen betroffen gewesen, mindestens so viele Zivilisten wie Soldaten. Heute wird das Risiko für den einzelnen Soldaten größer. Deswegen ist es wichtig, daß er spürt, daß seine Leistung gewürdigt wird. Der Ernstfall ist längst da. Wir haben Glück gehabt, daß die von allen gebilligten Hilfsflüge nach Sarajevo mit dem Beschuß, den wir erlebt haben, nicht zum Absturz einer Maschine geführt haben. Angesichts der schwierigen Entscheidungen, die hier ständig zu fällen sind, ist es wichtig, daß die Soldaten das spüren. Ich habe eine Bitte an die sozialdemokratischen Kollegen, Herr Kollege Voigt: daß aus dieser Debatte unabhängig von juristischen und politischen Auseinandersetzungen ein Signal an die Soldaten geht. Wenn die Entscheidung gefallen ist - sie ist gefallen -, daß sie z. B. nach Somalia gehen müssen, sollten sie spüren, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ihnen für diesen schwierigen, aber wichtigen Einsatz Rückendeckung geben. ({3}) Politische Auseinandersetzungen kann man ruhig weiter führen, auch juristisch in einer angemessenen Form. Aber wir müssen es schaffen, daß aus dieser Debatte ein Signal herauskommt. Ich weiß, daß auch Sie so denken. Die Soldaten, die dort hingehen, gehören allen politischen Gruppierungen an, nicht allein den Regierungsparteien. Lassen Sie diese Soldaten spüren, daß es ein wichtiger Auftrag ist, den sie dort für Deutschland und für die Vereinten Nationen durchführen. Darum bitte ich. ({4}) Mich hat in den letzten Wochen kaum etwas mehr empört als eine Äußerung, die den führenden Generälen auf der Hardthöhe unterstellt hat, sie würden leichtfertig mit dem Leben der ihnen anvertrauten Soldaten umgehen. Ich muß sagen: Das ist empörend, wenn in dieser Weise über die militärische Führung gesprochen wird. ({5}) Es war kein Sozialdemokrat, der dies gesagt hat. Ich habe niemanden kennengelernt, der so vorsichtig ist wie gerade die militärischen Führer. Manchmal sind sie vorsichtiger als die Politiker - das muß ich einmal mit aller Klarheit sagen -, und das ist auch gut so. ({6}) Die Entscheidungen auf der politischen Ebene und die Abstimmung zwischen mir, dem Außenminister - um ihn handelt es sich in der Regel - und der militärischen Führung sind schwierig: Fliegen wir nach Sarajevo, ja oder nein? Fangen wir mit den Flügen wieder an? Fliegen wir nach Ostbosnien, obwohl es konkrete Abschußdrohungen gegeben hat? Sie müßten einmal miterleben, wie sorgfältig und mit welch großer Fürsorge für die Soldaten sich gerade die militärische Führung engagiert. Deshalb sollte man solche Äußerungen wie die eben zitierte zurückweisen. ({7}) Bei aller Vorsicht wird es in der Zukunft Opfer geben. Für diesen Fall ist es ganz wichtig, daß wir eine klare Grundlage haben. Wir gehen vorsichtig vor, aber wir müssen auch unsere Verantwortung wahrnehmen, politisch und militärisch. ({8}) Bei der AWACS-Entscheidung ging es über den Einzelfall hinaus in Wirklichkeit um die Kontinuität der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Ich möchte unterstreichen, was Wolfgang Schäuble hier angesprochen hat. Das ist der Kern der ganzen Sache. Das Nordatlantische Bündnis war 40 Jahre lang für Deutschland von existenzieller Bedeutung, und Deutschland war 40 Jahre lang ein verläßlicher, berechenbarer und handlungsfähiger Partner. Deutschlands Beitrag zu diesem Bündnis und seine Solidarität standen niemals in Zweifel. Selbst das Risikobewußtsein, im Verteidigungsfall womöglich zum Schlachtfeld zu werden, hat uns nie in die Versuchung geführt, die Gemeinsamkeit mit unseren Verbündeten in Frage zu stellen; denn wir wußten: Nur der feste Zusammenhalt in einem verteidigungsfähigen Bündnis gibt uns Schutz und Sicherheit. Seine unverbrüchliche Zuverlässigkeit und Solidarität haben Deutschland nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs die Rückkehr in die Völkerge12948 meinschaft erst ermöglicht. Ich wiederhole es: Seine Zuverlässigkeit und Solidarität haben Deutschland nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges die Rückkehr in die Völkergemeinschaft ermöglicht. Das erst hat uns den Handlungsspielraum verschafft, auch als geteiltes Land Sicherheitspolitik gleichberechtigt und aktiv mitzugestalten. Auf der Grundlage von Verteidigungsfähigkeit und Solidarität wurden auch die Entspannungs- und die Ostpolitik, an denen die Sozialdemokraten maßgeblich mitgewirkt haben, der Sieg der Demokratie und schließlich die Wiedervereinigung im Konsens mit unseren Partnern möglich. Auch in Zukunft bestimmt nicht eine politische Sonderrolle, sondern bestimmen Solidarität und Mitverantwortung die deutsche Staatsräson. Hier liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Politik im Sinne unserer Werte und Interessen in der Völkergemeinschaft, im geeinten Europa und in der NATO. Die Nordatlantische Allianz war, ist und bleibt ein politisches Bündnis von Demokratien. Ihr Bündniszweck war schon immer die Förderung des Friedens in den internationalen Beziehungen, ausdrücklich im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen. Eine breit angelegte Kooperation gerade mit den ehemaligen Gegnern und politisches Krisenmanagement bestimmen heute die Politik der Allianz. Die Vereinten Nationen und die KSZE wollen sich darauf abstützen. Sie haben im Grunde genommen niemand anders, der das durchführen kann. Diese Konstellation ist der Garant für mehr Freiheit, Humanität und Gerechtigkeit in der Welt. Das heißt, die westliche Bündnisgemeinschaft ist für ihre Mitglieder und die Vereinten Nationen - das ist das Neue - unersetzlich, damit man in diesem Sinne tätig werden kann. Was die AWACS-Flugzeuge angeht, so muß man sehen: Es sind integrierte und keine nationalen Flugzeuge. Hier begibt man sich schon in Friedenszeiten in eine gegenseitige Abhängigkeit. Man muß sich aufeinander verlassen können. Das war doch das Gefährliche an der Situation: Wenn man sich nicht aufeinander verlassen kann, gibt es wieder nationale Flugzeuge, dann gibt es eine Renationalisierung unserer Politik. Das wäre ein fataler außenpolitischer Schaden, der dann einträte. ({9}) Die Wirkungen gehen doch darüber hinaus; deswegen ist es wirklich eine Frage von allergrößter außenpolitischer Bedeutung. Wenn die deutsch-französische Brigade, integriert bis in die Kompanien hinein, mit gemeinsamem Gewehr, mit gemeinsamer Mütze - wir arbeiten an weiteren Dingen -, nicht von einem gleichen Auftrag ausgeht, zumal sie sich in einer gegenseitigen Abhängigkeit befindet, wie will sie dann zusammenarbeiten? Wie soll das Euro-Korps arbeiten können? Wir arbeiten mit den Niederländern an einer Integration auf der Korpsebene. Morgen werde ich mit den Amerikanern zwei Korps begründen: ein deutsch-amerikanisches und ein amerikanisch-deutsches. Das Prinzip unserer Politik lautet: gegenseitige Abhängigkeit, nicht Renationalisierung. Wenn man - ob mit großen oder mit kleinen Partnern - gegenseitige Abhängigkeit will, dann muß man auch in der Zielsetzung übereinstimmen und darf sich nicht in einer Sonderrolle isolieren. Darum geht es im Kern. ({10}) Über Somalia haben der Außenminister und ich vor dem Verteidigungsausschuß und dem Auswärtigen Ausschuß ausführlich berichtet. Wir haben Ihnen alle Informationen gegeben. Ich glaube, daß wir jetzt eine gute Entscheidungsgrundlage geschaffen haben, damit wir einen Beitrag zu einer besseren Entwicklung in Somalia und zur Handlungsfähigkeit Deutschlands in den Vereinten Nationen leisten können. Ich möchte hier noch einmal mit aller Klarheit sagen: Kein Vater, keine Mutter muß sich Sorgen darüber machen, daß ihr wehrpflichtiger Sohn unfreiwillig in einen solchen Einsatz geschickt wird. Der Einsatz ist freiwillig für Wehrpflichtige und Reservisten. ({11}) Im Zusammenhang mit Kambodscha hatten wir eine Vielzahl von Meldungen, gerade von Reservisten, die sich dort in einer schwierigen Lage betätigen wollten. Wir können also auf dieser Grundlage hervorragend arbeiten. Hier braucht sich niemand Sorgen zu machen. Es gibt eine ganz klare Grundlage. Nur für Berufs- und Zeitsoldaten handelt es sich um einen Teil der Berufsausübung. Alle anderen werden befragt und nur auf freiwilliger Basis eingesetzt. Ein letztes Wort an die Sozialdemokraten. ({12}) - Nicht das letzte Wort; ich werde es immer wieder einmal versuchen. Im Rahmen dieser Rede soll es das letzte Wort sein. ({13}) - Ist in Ordnung. Ich komme aus dem Norden und bin insofern nicht weit weg von Hannover. Der Ministerpräsident von Niedersachsen, der Kollege Schröder, hat in der plastischen Art, wie er das gelegentlich schafft, sehr deutlich gesagt: Die Weltgeschichte ist kein Amtsgericht. Wolfgang Schäuble hat an die Aussage von Willy Brandt erinnert: Die SPD soll nicht so tun, als wäre sie eine Weltmacht. Ich glaube, wenn wir mit gesundem Menschenverstand und auch weiterhin mit Behutsamkeit vorgehen - als Verteidigungsminister möchte ich ganz klar sagen: Auch dann, wenn es keinen Streit über verfassungspolitische Grundlagen gäbe und alle der Meinung wären, daß alles möglich ist, ginge ich trotzdem ganz behutsam vor und würde in jedem Einzelfall entscheiden und keineswegs alles akzeptieren und tun, was von uns verlangt wird -, aber auch mit Blick auf die neue Lage, in der wir uns international gesehen befinden, sollte es möglich sein, daß der Konsens wächst. Meine Bitte ist nochmals: Geben Sie den Soldaten, die jetzt nach Somalia gehen, ein Signal, daß sie für ihren schwierigen Auftrag Ihre Rückendeckung haben. Vielen Dank. ({14})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Günter Verheugen das Wort.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Einige von uns haben vor 14 Tagen die Erfahrung gemacht, daß es wirklich wahr ist, daß man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist. ({0}) Man soll, wenn man vom Gericht kommt, versuchen, klüger zu sein als vorher. Das, was wir alle gemeinsam aus dem Karlsruher Urteil lernen können und lernen müssen, ist dies: daß politische Entscheidungen hier in diesem Raum gefällt werden müssen und nicht vor den Schranken des Verfassungsgerichts. Das ist eine klare Botschaft. ({1}) Darum muß ich die Bundesregierung auffordern, sich verfassungstreu zu verhalten und die Rechte dieses Parlaments nicht zu umgehen. Das Problem ist ja dadurch entstanden, daß eine große Fraktion und mit ihr die Mehrheit der Bundesregierung den bis ins vergangene Jahr bestehenden Konsens verlassen haben. ({2}) Sie haben den Konsens verlassen, nicht die Sozialdemokratische Partei. ({3}) Nun gehen Sie hin und nennen alle diejenigen, die einen neuen Konsens nicht zu Ihren Bedingungen akzeptieren wollen, Verweigerer. So geht das natürlich nicht. ({4}) Wenn wir einen neuen Konsens haben wollen, dann müssen wir uns gemeinsam darum bemühen. Es kann nicht so sein, daß eine Partei oder eine Fraktion ein Diktat aussprechen will, dem sich die anderen zu beugen haben. So kann das nicht funktionieren. ({5}) Die Regierung hat einen gefährlichen Weg beschritten. Nachdem sie die Grundgesetzänderung, die sie eigentlich für notwendig gehalten hat, bisher nicht bekommen hat, handelt sie so, als hätte sie diese Grundgesetzänderung bereits, und hat dadurch die F.D.P., aber auch uns gezwungen, die verletzten Rechte des Parlaments vor dem Verfassungsgericht zu suchen. Ich fordere Sie jetzt noch einmal mit allem Nachdruck auf, darauf zu verzichten, Anordnungen zu treffen, die den Einsatz der Bundeswehr angehen, die nicht auf einer klaren verfassungsrechtlichen Grundlage beruhen. ({6}) Der Schutz der Soldaten, Herr Verteidigungsminister, den Sie gerade mit Recht gefordert haben, und auch die moralische Unterstützung für die Soldaten, die Sie gerade ebenfalls mit Recht gefordert haben, werden am besten dadurch gewährleistet, daß Sie die Angehörigen der Bundeswehr nicht in solche Situationen bringen, daß sie in Einsätze geschickt werden, deren verfassungsrechtliche Grundlage unklar ist. ({7}) Wir sind bereit, an einem neuen Konsens mitzuwirken, ganz gewiß. Aber dazu gehört es, daß wir uns zunächst einmal über ein paar Voraussetzungen verständigen. Wie sieht eigentlich die deutsche Verantwortung in der neuen Weltsituation, die Herr Kinkel zutreffend beschrieben hat, aus? Wir haben vielleicht alle gemeinsam geglaubt, als die kommunistische Staatenwelt und mit ihr der Ost-West-Konflikt zusammenbrachen, daß wir jetzt in eine Ära langanhaltenden Friedens und dauerhafter Stabilität eintreten würden. Das war ein schrecklicher Irrtum für den, der das geglaubt haben sollte. Sie sehen, Instabilität wächst, Konflikte, die früher unter Kontrolle gehalten waren, brechen auf, und daneben bestehen die alten globalen Risiken weiter. Ich frage einmal: Müssen wir nicht, bevor wir darüber diskutieren, was für Instrumente wir im alleräußersten und letzten Fall gebrauchen, nämlich das Militärische, uns darüber verständigen, welche Instrumente uns zur Verfügung stehen, um beispielsweise eine abgestimmte europäische und globale Strategie gegen die globalen Risiken wie Verelendung, Umweltzerstörung, Überbevölkerung, ethnische, soziale und religiöse Konflikte, neuer Fundamentalismus zu entwickeln? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es eigentlich unterhalb der militärischen Ebene? Warum wird darüber nicht so intensiv diskutiert wie über das, was wir hier seit einiger Zeit besprechen? ({8}) MuB nicht die Frage diskutiert werden, wie die Sicherheitsstrukturen in Europa neu geordnet werden müssen, nachdem der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist? Reicht es wirklich aus, über Streitkräfteeinsatz zu reden? Ist es nicht notwendig, darüber zu sprechen, ob es möglich ist, konfliktvermeidende, konfliktverhütende, deeskalierende Elemente in die europäische Politik zu bringen? Brauchen wir nicht ein funktionierendes kollektives europäisches Sicherheitssystem? Sollten wir nicht darüber reden, wie wir z. B. die KSZE dahin bringen, daß sie diese Rolle übernehmen kann? In diesem Zusammenhang muß auch über die Rolle der NATO und der WEU gesprochen werden. Das akzeptieren wir doch. Wir sehen doch auch, daß der klassische Verteidigungsauftrag von NATO und WEU an Bedeutung verloren hat. ({9}) Aber ich finde es nicht richtig, daß Sie jetzt, indem Sie einfach Fakten schaffen, der NATO und der WEU eine Rolle zuschreiben, die sie von ihren Verträgen her nicht haben. ({10}) Vielmehr wäre es richtig, diese Verteidigungsbündnisse in eine Entwicklung einzubinden, die zu einem funktionierenden kollektiven europäischen Sicherheitssystem führt. ({11}) Richtig wäre es, darüber zu diskutieren, wie wir dazu beitragen können, daß die Vereinten Nationen zu dem gemacht werden, was sie sein sollen, nämlich die Weltfriedensinstanz, ({12}) die mit eigenen Mitteln - wohlgemerkt: mit eigenen Mitteln - dann eingreift, wenn die internationale Sicherheit und der Frieden gefährdet sind, und zwar mit politischen Mitteln und im allerletzten und äußersten Fall auch mit militärischen Mitteln. Was können wir tun, um die UNO dazu wirklich in die Lage zu versetzen? ({13}) Herr Kinkel, Sie haben uns eben eine beeindrukkende Zahl genannt. Sie haben gesagt: Es gibt 54 000 Angehörige von Friedenstruppen der Vereinten Nationen, die überall in der Welt Dienst tun. Sie fanden es schlimm, daß Deutsche nicht dabei sind. Sie können neben jeden einzelnen dieser 54 000 Soldaten, die dort zur Zeit Dienst tun, einen Angehörigen der Bundeswehr stellen, wenn Sie das wollen. Das Angebot, eine solche Verfassungsänderung zu machen, liegt vor; denn nicht ein einziger dieser 54 000 befindet sich in einem Kampfeinsatz - nicht ein einziger! ({14}) Nicht eine einzige der mehr als 40 friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen seit ihrem Bestehen ist eine Operation unter Einbeziehung von Kampfeinsatz gewesen - nicht eine einzige! Was Sie meinen, ist etwas völlig anderes. Ich höre das Stichwort AWACS sehr wohl. Was sich hier entwickelt, kann doch nicht in unserem Sinne sein, nämlich daß sich Staaten oder Staatengruppen, die früher interveniert hätten, ohne daß die UNO eingeschaltet war, heute, nachdem die UNO nicht mehr blockiert ist durch gegenseitiges Veto, eine Legitimation für Investitionen holen, die sie früher allein durchgeführt hätten. Das kann doch nicht der Sinn sein. ({15}) Vielmehr wollen wir doch die Entnationalisierung dieser Zwangsmittel. Das muß die Völkergemeinschaft, die Staatengemeinschaft selber und mit eigenen Mitteln tun, aber nicht so, wie es jetzt im AWACSFall geschieht - der Golffall war exakt derselbe -, ({16}) indem einfach autorisiert wird: Wer will, der darf. Das ist nicht die Friedenspolitik, die wir für richtig halten. Vielmehr streben wir eine Entwicklung der Vereinten Nationen an, die mit eigenen Mitteln, aus eigener Fähigkeit und in eigener Verantwortung diese Maßnahmen wirklich durchführt. ({17}) - Ich beantworte keine Zwischenfragen, Herr Hornhues. Ich möchte einen zusammenhängenden Gedanken zu Ende bringen können. Es ist doch nicht wahr, daß die sogenannte humanitäre Intervention, über die hier gesprochen worden ist, bereits der Tatbestand wäre, mit dem wir es zu tun haben. Humanitäre Interventionen gibt es in Wirklichkeit nicht. Staaten sind dazu nicht bereit. Warum niemand bereit ist, im ehemaligen Jugoslawien das zu tun, was die Menschen dort verlangen und was hier heute von verschiedenen Seiten verlangt worden ist, liegt doch daran - Herr Solms hat das heute in einem Zeitungsinterview die „Schmutzarbeit" genannt -, daß die Staaten nicht bereit sind, diese Schmutzarbeit zu übernehmen. Zeigen Sie mir doch irgendeinen Staat auf der Welt, der das macht. Schmutzarbeit, die Sie meinen, nämlich das Eingreifen als allerletztes und alleräußerstes Mittel, dürfen Sie nie in die Hände von Nationalstaaten legen, weil Sie niemals ausschließen können, daß dann nationalstaatliche Interessen in Wahrheit im Vordergrund stehen, wie es im Golfkrieg der Fall gewesen ist. Vielmehr müssen Sie das in die Hand der internationalen Staatengemeinschaft legen und nirgendwohin sonst. Genau da wollen wir hin. ({18}) Dann möchte ich gerne, daß uns der Herr Außenminister und auch der Herr Verteidigungsminister eine Frage beantworten. Wenn Sie von uns erwarten, daß wir Ihnen die Bundeswehr als ein interventionsfähiges Instrument präsentieren, also eine Grundgesetzänderung beschließen, die das ermöglicht - jetzt wollen wir einmal im Klartext sagen, interventionsfähiges Instrument heißt: eine Bundeswehr, die sich an Kriegen beteiligen kann, auch wenn nicht wir oder einer unserer Bündnispartner angegriffen ist; ich muß ja die Wahrheit sagen, um was es hier geht -, dann sagen Sie uns bitte, welche Kriege Sie dann führen wollen, an welchen Sie sich dann beteiligen wollen und mit welchem politischen Ziel. Wo in der Welt sehen Sie einen Konflikt, der durch einen internationalen Krieg beendet werden könnte, ohne daß es am Ende dieses Krieges das politische Problem genauso gibt, wie es das vor diesem Krieg gab? Nennen Sie mir einen einzigen. ({19}) Wenn Sie eine so grundlegende Änderung der deutschen Außenpolitik vornehmen wollen, wie Sie das vorhaben, nämlich Streitkräfte wieder zum operativen Gegenstand der Außenpolitik machen wollen, dann müssen Sie doch sagen, zu welchem Zweck und nach welchen Maßstäben das geschehen soll. Ich habe hier schon einmal gefragt: Wollen Sie wirklich akzeptieren, daß die Frage des Einsatzes der deutschen Streitkräfte danach entschieden wird, welcher internationale Fernsehsender von welchem Konflikt in der Welt uns gerade die Bilder nach Hause liefert? ({20}) Sie sind uns alle diese Antworten schuldig geblieben. Statt dessen sagen Sie: Ihr verweigert euch. ({21}) - Ich bemühe mich um eine ernsthafte Argumentation. Reagieren Sie bitte entsprechend. Nun möchte ich Ihnen etwas sagen: Sie machen es sich sehr einfach und reden vom Verweigern. Haben Sie eigentlich übersehen, daß es in der deutschen Geschichte eine Tradition gibt und daß diese Tradition von der Sozialdemokratischen Partei verkörpert wird, eine Tradition, die besagt, daß der Krieg eben kein Mittel der Politik, kein Instrument der Außenpolitik sein kann? ({22}) ({23}) Wir stehen hier für eine der besten und wertvollsten Traditionen der deutschen Geschichte. Sie können von uns nicht erwarten, daß wir das für eine Politik hergeben, deren Inhalte und Ziele Sie zu definieren nicht bereit und in der Lage sind. Das können Sie nicht erwarten. ({24}) Es gibt hier noch eine Partei, die für eine große und bedeutsame Tradition steht: Das ist die F.D.P., die für die Tradition des Rechtsstaates steht. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat mir ganz zu Unrecht unterstellt, ich hätte Spaß daran, Ihnen da Schwierigkeiten zu machen. Ganz im Gegenteil, mich schmerzt es, wenn ich sehe, wie wenig Sie bereit sind, diese große rechtsstaatliche Tradition fortzusetzen. ({25}) Sie haben eine Klage in Karlsruhe eingereicht, in der Sie folgendes sagen; ich muß aus der dort immer noch vorliegenden Klage zitieren; Sie haben sie ja nicht zurückgezogen. Dort sagen Sie: Das Diensttun deutscher Soldaten in den AWACS-Aufklärungsmaschinen über BosnienHerzegowina auch für die militärische Durchsetzung der VN-Überflugverbote kann sich auf keine ausdrückliche Zulassung nach Art. 87 a stützen. Die entsprechenden Dienstanordnungen der Antragsgegner verstoßen deshalb gegen das Grundgesetz. Genauso ist es. Wenn es so ist, wie Sie sagen, nämlich daß es gegen das Grundgesetz verstößt, dann kann sich doch eine der Tradition des Rechtsstaats verpflichtete Partei nicht damit begnügen, daß sie eine einstweilige Anordnung nicht bekommen hat, sondern sie muß dann doch die politischen Möglichkeiten nutzen, den rechtsstaatswidrigen Zustand zu beenden. ({26}) Das können Sie heute sehr einfach tun, indem Sie unserem Antrag zustimmen, der genau dem entspricht, was Sie in Karlsruhe vorgelegt haben, nämlich daß dieser Einsatz verfassungswidrig ist und daß die Bundesregierung ihn deshalb zu beenden hat. Dann würde das Parlament von seinen Rechten und von seiner Verantwortung auch Gebrauch machen. Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem geplanten Einsatz in Somalia sagen. Ich möchte hier ganz deutlich sagen: Wir sind mit aller Entschiedenheit dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland einen großzügigen personellen und materiellen Beitrag zum Gelingen dieser größten aller bisherigen Friedensoperationen der Vereinten Nationen leistet. Die Menschen in diesem Land, die nicht von uns, sondern von anderen so aufgerüstet worden sind, daß sie in die Lage geraten sind, solch schreckliche Kriege zu führen, haben einen Anspruch darauf, daß wir ihnen helfen. Aber es gibt viele offene Fragen. Davon, ob die Art und Weise des Bundeswehreinsatzes, die Sie jetzt planen, wirklich dem entspricht, was die Menschen in Somalia brauchen, ({27}) bin ich nach dem, was der Verteidigungsminister und der Außenminister uns heute gesagt haben, keineswegs mehr überzeugt. Ich bin keineswegs mehr davon überzeugt, daß das die richtige Form des Einsatzes ist. Erlauben Sie mir, eine einzige Frage zu stellen, die heute hier noch niemand gestellt hat. Wenn die Bundeswehr dort - in einem befriedeten Umfeld - humanitäre Hilfe leisten soll, es aber dennoch notwendig ist, sie durch Waffen - bis hin zu 20-mm-Kanonen - zu schützen, können Sie mir dann, Herr Dr. Kinkel, bitte einmal verraten, wie Sie es verantworten können, daß 150 Helfer des THW, die niemand schützt, dort humanitäre Hilfe leisten? ({28}) Wie können Sie das verantworten? Entweder Sie haben ein befriedetes Umfeld - dann können die Hilfsorganisationen, die wir haben, die wesentlich mehr Erfahrung in diesen Dingen haben und die im Bereich der humanitären Hilfe wesentlich effektiver arbeiten können als die Bundeswehr, dort eingesetzt werden -, oder Sie haben dieses befriedete Umfeld nicht. ({29}) Dann ist es eben kein humanitärer Einsatz. Sie beschreiben das nur deshalb als einen humanitären Einsatz, damit Sie nicht wieder nach Karlsruhe gehen müssen. Das ist der einzige Grund. ({30})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Verheugen, Ihre Redezeit ist schon überschritten.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum letzten Satz. - Wir machen Ihnen heute wirklich ein Angebot. Die Verfassungsänderung, die wir vorgeschlagen haben, stellen wir erneut zur Diskussion. Wir fordern Sie auf, sie gemeinsam mit uns zu verabschieden. Da diese Verfassungsänderung einen Punkt enthält, den Sie in der Tat nicht akzeptieren können - das gebe ich zu -, denn sie besagt ja: Blauhelme ja, aber alles andere nein, wollen wir sie darauf reduzieren, daß wir im Bundestag jetzt nur den Punkt „Blauhelme ja" zur Entscheidung stellen. Dann bleibt der Rechtsstreit offen. ({0}) Wir können ihn entweder politisch oder anders entscheiden. Aber wenn Sie wollen, daß Deutschland das tut, was die Vereinten Nationen mit Recht von Deutschland verlangen, wenn Sie wollen, daß sich Deutschland an der Hilfe für Menschen beteiligt, die Hilfe brauchen, dann gehen Sie auf den Vorschlag ein, den wir gemacht haben! ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile dem Kollegen Detlef Kleinert das Wort.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die F.D.P. hat Gott sei Dank eine ganze Reihe guter Leute. Darum konnten wir auch einige gute Leute an Sie abgeben, wie man soeben wieder gehört hat. Das kann man ja einmal ganz neidlos sagen, so wie die Dinge sich entwickelt haben. Denn immerhin hat Herr Verheugen auf sehr intelligente und komplizierte Weise versucht, den inneren Konflikt, der die SPD daran hindert, das zu tun, was sie von uns verlangt, nämlich politisch zu handeln, hinter einem Dunst von Bedenken und kleinlichen Erwägungen zu verbergen. ({0}) Das war tadellos gemacht. Etwas komplizierter war es schon bei Herrn Voigt, mit Verlaub gesagt, lieber Herr Kollege, denn ich habe auch Verständnis für Ihre komplizierte Situation. Mir haben gutunterrichtete Menschen aus Ihrer Fraktion gesagt, daß Sie lieber die Rede von Herrn Kinkel gehalten hätten. Wenn das so ist, dann kann ich gut verstehen, daß Ihre Rede nicht so sehr überzeugend geklungen hat. ({1}) Aber das ist natürlich noch keine solide Basis, um sich mit den ernsten Fragen zu befassen, deretwegen wir hier heute miteinander debattieren. Die Wurzel war doch 1945. 1945 bis 1950 - mindestens - ist doch niemand in diesem Land auf die Idee gekommen, daß es jemals wieder möglich sein würde, daß ein Deutscher eine Waffe - zu welchem Zweck auch immer, sage ich am Anfang meiner Ausführungen - wieder in die Hand nimmt. ({2}) Dann mußten wir uns in ganz mühsamen, schwerwiegenden Debatten, die uns vor Zerreißproben gestellt haben - nicht nur zwischen Fraktionen und Parteien, sondern auch innerhalb der Parteien -, dazu durchringen, wenigstens die Basis für unsere Bundeswehr gemeinsam zu schaffen. Heute, in einer völlig veränderten außenpolitischen und damit natürlich auch verteidigungspolitischen Situation und angesichts von darüber hinausgreifenden Fragen - ich behaupte: glücklicherweise darüber hinausgreifenden Fragen - des internationalen, des gemeinsamen Einsatzes von Waffen, haben wir erneut über die Fragen von damals nachzudenken. Deshalb sind wir alle so engagiert. Deshalb haben wir - jeder von uns - nicht nur Schwierigkeiten mit anderen, sondern auch mit uns selbst. Aber da nützt es gar nichts, sich hinter einzelnen komplizierten Rechtskonstruktionen zu verbergen oder Einzelheiten herauszugreifen, ob AWACS-Einsätze oder Einsätze in Somalia für den dort eingesetzten Soldaten vielleicht gefährlicher wären. Wir müssen uns dann vielmehr auch der Grundsatzfrage in ihrer vollen Breite stellen. Ich möchte hier nur zu einigen der angeschnittenen, eher rechtlichen Fragen Stellung nehmen, nachdem unser Fraktionsvorsitzender, Herr Solms, zu der politischen Grundsatzhaltung unserer Partei und Fraktion Stellung genommen hat. Mein Kollege Irmer wird noch etwas zur außenpolitischen Seite sagen. Wenn Sie fordern, wir sollten politisch handeln, dann müssen Sie auch dazu beitragen, daß dies geschehen kann, und dürfen nicht - je nach Tagessituation - wieder das dazu passende Bedenken vortragen, sondern Sie müssen mit uns zusammen konstruktiv nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Wir haben vieles angeboten. Es ist nicht so, daß die Detlef Kleinert ({3}) Koalition nicht gehandelt hätte. Ein Antrag auf Grundgesetzänderung liegt diesem Hause vor. ({4}) Wir sind nicht der Meinung - wie das bei Ihnen angeklungen ist -, daß wir Sie nach der Devise „Vogel, friß oder stirb!" zu irgend etwas verpflichten könnten, geschweige denn wollten, was unseren Vorstellungen genau entspricht, sondern wir sind der Meinung, wir möchten gern mit Ihnen beraten und nicht - dazu noch falsche - Rechtsauskünfte von Ihnen bekommen. Wir hatten zwei unterschiedliche verfassungsrechtliche Ansichten. Die sind bekannt - Herr Verheugen hat darauf hingewiesen. Wir haben die F.D.P.-Meinung in dieser wichtigen verfassungsrechtlichen Frage nie geändert. Die Union hat, mit sehr guten Gründen, eine andere Meinung vertreten. Sie wird von maßgeblichen Verfassungsrechtlern unterstützt, wie unsere Ansicht auch von maßgeblichen Verfassungsrechtlern unterstützt wird. In dieser Sitaution ist eine politische Entscheidung nur noch in der Weise möglich, daß die eine oder die andere Seite mit gleichermaßen guten Gründen sagt: Jetzt fällt eine verfassungswidrige Entscheidung. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sagt die SPD: Wir ändern zusammen das Grundgesetz, und zwar nicht an der vorderen Kante, so, wie wir es bei uns gerade eben durchkriegen, ({5}) sondern so, daß es die Probleme wirklich und dauerhaft lösen hilft, oder wir müssen uns an die einzige Instanz wenden, die Verfassungsrecht jenseits von Meinungsaustausch sichtbar machen kann, nämlich das Bundesverfassungsgericht. Das haben wir in getreulichem Verfolg unserer eberzeugung und in tadelloser Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner getan. Es gibt in vielen Bereichen des bürgerlichen Rechts, des Gesellschaftsrechts, des Wettbewerbsrechts Prozesse, die ausgetragen werden, um eine klare Grundlage für das weitere Verhalten der beiden Parteien nach dem Urteil zu gewinnen und keineswegs, um sich bis ans Lebensende zu zerstreiten, so, wie andere das gerne hätten. ({6}) - Herr Helmut Schmidt hat nun wahrlich schon viel Gutes gesagt, besonders, wenn ich daran denke, was er alles über die Fraktion der SPD in diesem Hause gesagt hat, bis er gegangen ist. ({7}) Aber er kann sich ja in dieser Frage auch einmal geirrt haben. ({8}) Ich bin nun einmal der Meinung, daß wir bei dieser verfassungsrechtlichen Situation einen intelligenten, wenn auch schwierigen Weg beschritten haben, und zwar in erster Linie, weil uns das verfassungsrechtliche Umfeld, die Verfassungswelt, in der wir nun einmal leben, da es die Väter des Grundgesetzes aus guten Gründen so gewollt haben, dazu gezwungen hat. Wir wollten nun einmal solche Entscheidungen an Zweidrittelmehrheiten gebunden wissen. Wenn Sie sich versagen, bleibt uns nur noch ein Weg, wenn wir den Einsatz von Leib und Leben unserer Soldaten so ernst nehmen, daß wir dann nicht von einem Tag auf den anderen die damit in engstem Zusammenhang stehenden verfassungsrechtlichen Ansichten ändern. Deshalb haben wir diesen Weg beschritten. Aber Sie gehen her und nölen weiter an der Sache herum, der eine etwas intelligenter und präziser, der andere etwas allgemeiner. In der jetzt entstandenen internationalen Situation haben wir neue Aufgaben. ({9}) Denen wollen wir uns politisch stellen; aber solange Sie sich politisch versagen, vertrauen wir in die Weisheit des Bundesverfassungsgerichts, was keineswegs bedeutet, daß wir nicht ab sofort und immer weiter, wie in der Vergangenheit auch schon - viele von Ihnen wissen das ganz genau -, bereit sind, mit Ihnen über die politische Lösung gescheite Gespräche zu führen. Danke schön. ({10})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich habe das Zwischenfragebegehren des Abgeordneten Schmude gesehen, aber der Kollege Kleinert sprach bereits auf Kosten der Redezeit des Kollegen Irmer. Deshalb konnte ich Sie nicht mehr aufrufen. Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Freimut Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die von meinem Kollegen Verheugen angesprochene Situation - Blauhelme sind da, aber alle gucken zu - ist in Wahrheit seit 48 Stunden in bezug auf die vorhin von mir angesprochene Lage in der restbosnischen Region Tuzla bereits eingetreten. Das heißt, kroatisches und serbisches Militär behindert an zwei verschiedenen Stellen die ungeheuren humanitären Anstrengungen, die von uns allen mitgetragen werden. Die einzige Zufahrtsstraße ist gesperrt. Es sind aber UNO-Soldaten aus sehr vielen Nationen da. Sie haben nicht den Auftrag, das Verhungern durch die militärische Sicherung dieser Straße zu verhindern. Wir alle in Westeuropa werden in den nächsten Wochen wahrscheinlich vor der Frage stehen, ob dieser Auftrag über die UNO erteilt werden soll oder nicht. Es kann sein - ich sage das für meine Person, wie Sie wissen, und ich bin in dieser Frage sehr engagiert; das weiß auch meine Fraktion -, daß dieser militärische Auftrag von irgendeiner Seite kommen muß, um das Verhungern von dann fast einer Million Menschen zu verhindern, von denen ein Großteil bereits Flüchtlinge und Vertriebene in der Region sind. ({0}) Es ist für uns Deutsche außerordentlich schwer, da mitzureden, weil wir die verfassungsrechtlichen Fesseln haben, die Verheugen hier zu Recht betont hat. ({1}) Dieser Frage werden wir uns alle stellen müssen, wenn die Hilfeschreie weiter kommen. Der Bürgermeister von Tuzla hat mich gebeten, die Frage der militärischen Sicherung der einzigen Zufahrtsstraße hier im Deutschen Bundestag anzusprechen. Das habe ich hiermit getan. ({2})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Uwe-Jens Heuer. ({0})

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war zwölf Jahre, als der Zweite Weltkrieg von Großdeutschland begonnen, und ich war 17 Jahre, als das Fiasko der deutschen Weltherrschaftspläne offenbar wurde. ({0}) Bis vor kurzem war für mich kaum ein Gedanke so absurd wie der, jemals bei Entscheidungen über Kriegseinsätze deutscher Soldaten in aller Welt mitwirken zu müssen. ({1}) Beide deutsche Staaten hatten sich auf Landesverteidigung beschränkt, und dieser Zustand fand meine volle Zustimmung. ({2}) Es war gut, daß weder die BRD in Vietnam noch die DDR in Afghanistan militärisch involviert waren. ({3}) Auch zur Zeit der staatlichen Vereinigung Deutschlands war der Grundsatz der militärischen Enthaltsamkeit der Deutschen noch Verfassungskonsens aller politischen Kräfte der Bundesrepublik. Gegenwärtig erleben wir eine Veränderung dieser Situation. Schrittweise soll der militärische Handlungsspielraum über die Landesgrenzen hinaus erweitert werden. Herr Solms hat ja schon von einem Überschreiten des Rubikons gesprochen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht am 8. April auf Antrag der F.D.P.-Fraktion und der SPD-Fraktion eine Entscheidung durch Verweigerung einer einstweiligen Anordnung getroffen. Im Gegensatz zu dem, was Herr Schäuble hier vorhin gesagt hat, der als Einser-Jurist gilt, hat das Bundesverfassungsgericht über diese Frage nicht inhaltlich entschieden. Ich glaube, das ist auch die überwiegende Meinung in diesem Hause. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings erklärt: Würde die von der Bundesregierung beabsichtigte Mitwirkung beim AWACS-Einsatz nicht erfolgen, so würde das Vertrauen, das die BRD im NATO-Bündnis erworben hat, aufs Spiel gesetzt, und der dadurch entstehende Schaden wäre nicht wiedergutzumachen. Eine zeitweilige Grundgesetzverletzung wiege demgegenüber offenbar weniger schwer. Das Ganze heißt, auf einen Nenner gebracht: Das NATO-Bündnis ist wichtiger als das Grundgesetz. Sicher ist das Bundesverfassungsgericht von der Koalitionsregierung politisch erpreßt worden. Es ging, wie die „Wochenpost" vom 15. April schrieb, dort zu wie auf einer Wehrkundetagung. Ich wußte, daß die DDR-Führung nicht viel von Verfassung und Recht hielt. ({4}) Mich erschreckt es immer wieder, wenn es bei Politikern der BRD nicht wesentlich anders ist - ungeachtet ihrer ständigen Anklage an die Adresse des angeblichen Unrechtsstaates DDR. ({5}) Ich befürchte, daß hier im Zusammenwirken von Verfassungsorganen und Medien der BRD, wie es in der „Frankfurter Rundschau" vom 16. April 1993 hieß, das Bundesverfassungsgericht als Fährtensucher im verteidigungs-, bündnis- und verfassungspolitischen Dschungel dient: „Wenn der Weg frei ist, kommt der Rest nach. " Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß von den Medien nach einem altbekannten Konzept verfahren wird, das einmal - ich zitiere aus der „Zeit" vom 9. April - so formuliert wurde: „Es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, daß die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien begann. Das heißt also, bestimmte Vorgänge so zu beleuchten, daß im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde, wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muß man es mit Gewalt abstellen; ({6}) so aber kann es auf keinen Fall weitergehen. " Das sagte Adolf Hitler am 10. November 1938 vor 400 Journalisten. Wir erleben in diesen Wochen, wie unserer Verteidigungspolitik eine völlig veränderte Zielrichtung gegeben wird, die in keiner Weise durch das Grundgesetz abgedeckt wird. Das Grundgesetz verbietet nach dem Wortlaut des Art. 87a den Einsatz von Truppen außerhalb der Landesverteidigung. Das wurde von den Wissenschaftlern überwiegend so gesehen. Auch die F.D.P. hat in ihrem Antrag vom 2. April, also vor noch nicht einmal drei Wochen, auch mit Unterschrift von Herrn Kleinert erklärt, daß eine solche ausdrückliche Ermächtigung nach Auffassung der Antragsteller im Grundgesetz nirgends zu sehen ist. Es ist also nicht richtig, daß Helmut Schmidt das angerichtet hat. Die F.D.P. war dieser Auffassung jedenfalls noch vor drei Wochen, daß ein solcher Einsatz grundgesetzwidrig ist, und sie muß dieser Auffassung eigentlich auch heute noch sein. Sie hat in ihrem Antrag dann weiterhin gesagt, es gebe jetzt allerdings eine neue Argumentation, die wegen ihrer schlagartigen Anfachung ab 1989 ein wenig dem Schein gewisser Ergebnisorientiertheit unterliege. - Das ist alles Originaltext des Antrages. Diese Position war über Jahrzehnte hinweg unstrittiger Grundkonsensus der Bundestagsparteien und fand ihren Ausdruck auch in einem entsprechenden Beschluß des Bundessicherheitsrates vom 3. November 1992. Ich meine, daß es nicht einfach Positivismus ist, an diesem verfassungspolitischen Konsens festzuhalten, sondern Bekenntnis zu einer Normalität, die die Deutschen in beiden Staaten geeint hat. Der Bundestag sollte die Kraft aufbringen, an diesem Konsens festzuhalten.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Heuer, der Herr Kollege Seifert möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Kollege Heuer, weil Sie gerade von der Wiedervereinnahmung - ich sage es einmal so - sprechen: Könnten Sie mit mir übereinstimmen bzw. wie halten Sie es damit, ob es, wenn dieses nunmehr große Deutschland die Kraft aufbrächte, ausschließlich zivile, ausschließlich friedliche Außenpolitik zu betreiben, nicht ein größerer Beitrag für die Weltpolitik wäre als Krieg?

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Mein Problem in der heutigen Diskussion ist, daß hier ausschließlich von Militär die Rede ist. Es ist von einigen Rednern der linken Seite dieses Hauses, wenn ich diesen Ausdruck noch gebrauchen darf, kritisiert und gesagt worden: Habt ihr nichts anderes vor, als in der Welt Kampfeinsätze durchzuführen? Trotzdem diskutieren wir seit zweieinhalb Stunden ausschließlich über Krieg. ({0}) Meine lieben Damen und Herren von der rechten Seite, Sie haben ja für Krieg inzwischen eine neue Terminologie. Sie sagen nicht Krieg, Sie sagen Frieden schaffen. Herr Stoiber sagt Frieden stiften. Sie sagen aktive Friedenspolitik. Herr Solms, Sie sagen peace enforcing. Das heißt, Sie haben eine Terminologie, die aber immer auf Krieg und Kampf hinausläuft. Sie haben kein Konzept dafür entwickelt, was man mit dieser Welt anderes anfangen kann, als Krieg zu führen. ({1}) - Jawohl, macht denn ein Mensch von Ihrer Seite hier andere Vorschläge? Sie haben eine einzige Idee: Was kann man in dieser Situation militärisch unternehmen? Nur darüber wird ja heute diskutiert. Natürlich ist die Lage in der Welt außerordentlich schwierig. Natürlich ist die Welt in eine ungeheure Unordnung geraten nach dem Zusammenbruch des Sozialismus. Das ist ja unbestreitbar. Aber Sie bieten ja immer nur eine einzige Lösung an: das Militär. Das gilt für die rechte Seite und Teile der Mitte, wenn ich so sagen darf.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Grünbeck?

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, bitte schön.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, würden Sie als Alternative etwa das wollen, was Sie seinerzeit in der DDR gutgeheißen haben, daß wir etwa in Jugoslawien einmarschieren sollten, wie Sie seinerzeit in die Tschechoslowakei einmarschiert sind?

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Mein Herr, ich kann Ihnen darauf genau antworten. Ich bin gegen den Einmarsch in Jugoslawien. Ich war damals auch gegen den Einmarsch in die Tschechoslowakei. ({0}) Damals hatte ich nichts zu sagen. Heute muß ich mich verantwortlich entscheiden. Damals konnte ich das nicht. Ich trug keine Verantwortung dafür in der DDR. Aber heute trage ich Verantwortung. Deswegen spreche ich hier zu Ihnen. ({1}) Ich will Ihnen eines sagen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Heuer, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Grafen Schönburg-Glauchau?

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Aber gern, bitte schön!

Joachim Schönburg-Glauchau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002058, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wollten Sie dann lieber die Variante empfehlen, die die Rote Armee während des Warschauer Ghetto-Aufstandes praktiziert hat, nämlich so lange zuzusehen, bis die Aufständischen vernichtet worden sind?

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Das war übrigens nicht der Ghetto-Aufstand, das war der Aufstand der Polen, den Sie meinen, wenn ich das historisch korrigieren darf. ({0}) Es war damals Krieg, wie Sie wissen, und im Ablauf dieses Krieges wurde Gewalt angewendet, mußte Gewalt angewendet werden. ({1}) Aber Sie setzen jetzt bei den Konflikten dieser heutigen Welt die Waffen der europäischen und amerikanischen Großmächte ein. Sie wollen einen neuen Krieg auslösen, natürlich. Wenn hier von der Völkergemeinschaft gesprochen wird, dann sind damit NATO und das vereinte Europa gemeint. Herr Schäuble oder Herr Solms hat das so formuliert. Aber lassen Sie mich jetzt weiterreden. Ich muß zum Schluß kommen; ich habe nur noch zwei Minuten. Wir haben nicht viel Redezeit, wir sind eine kleine Partei. ({2}) - Das werden wir sehen. Das entscheiden die Wähler, mein Herr. Wir haben hier über den Irak-Krieg gesprochen. Haben Sie in der „Frankfurter Rundschau" vom 15. April gelesen, daß bisher 244 000 Menschen im Irak an den Folgen des Krieges und des Embargos gestorben sind. Jetzt wird kein Militär mehr eingesetzt; es gibt ein Embargo. Im Januar 1993 sind 5 512 Kinder gestorben, siebenmal mehr als im Vergleichsmonat 1990. Das sind Tote des „Friedens", das sind Tote des Embargos. Denken Sie doch einmal über diese Fragen nach. Sie müssen nicht neue Truppen in den Irak schicken; Sie müssen den Menschen dort helfen. Das einzige Angebot der Regierung dieser Bundesrepublik Deutschland für die veränderte Welt ist die Revitalisierung der Großmachtrolle Deutschlands. Herr Rühe hat hier davon gesprochen, wir brauchten eine gemeinsame Mütze. Natürlich ist es schön, wenn diese gemeinsame Mütze jetzt über Westeuropa schwebt. Was wird denn aus der übrigen Welt? Sollen die auch alle unter diese gemeinsame Mütze? Oder was macht man mit ihnen? Mein Problem ist das ausschließliche Beharren auf der militärischen Lösung der Probleme. Für mich bedeutet deutsche Normalität zunächst eine Beibehaltung unserer militärischen Zurückhaltung. Wir sollten weiterhin mit Thomas Mann davon ausgehen, daß Krieg nichts anderes ist als Drückebergerei vor den Aufgaben des Friedens. Ich will Ihnen noch einmal eins sagen. Sie stellen immer wieder die Frage nach der Vergangenheit, und Sie tun es mit Recht. Ich diskutiere sehr gern über Vergangenheit. ({3}) In der CSSR hat es beim Einmarsch keine Toten gegeben, und hier wird heute schon von den Opfern des nächsten Krieges gesprochen. ({4}) Und außerdem: Wir tragen für die Gegenwart die Verantwortung, für die Kriege, die jetzt geführt werden. Wir in diesem Hause sind für die Toten des Dritten Weltkrieges verantwortlich und sei es als Frucht einer immer mehr zunehmenden Zahl von Kolonialkriegen neuen Stils. Das müssen Sie sich überlegen. Danke schön. ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Abgeordneter Heuer, Sie kennen vermutlich meine Abneigung gegen Ordnungsmaßnahmen und Ordnungsrufe. Ich möchte mir nur erlauben, Sie als Rechtsprofessor darauf hinzuweisen, daß es in dem Staat, den Sie BRD zu nennen belieben, keine Erpressung eines Verfassungsorgans durch das andere gibt. ({0}) Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Professor Karl-Heinz Hornhues.

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Heuer, vielleicht kommt einmal der Tag, an dem auch Ihre Reden erträglich werden, nämlich dann, wenn Sie begriffen haben, ({0}) daß es für uns schwer erträglich ist, Ihre moralischen Ergüsse hier erleben zu müssen und jemanden vor sich zu haben, der seit 1948 meiner Kenntnis nach ununterbrochen bis zu ihrem Ende Mitglied der SED gewesen ist und alles mitgenommen hat und damit auch die Mitverantwortung für 1968 trägt. Solange das nicht klar und anders ist: Halten Sie sich zurück, und behelligen Sie uns nicht! ({1}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich bei manchen Teilen der Debatte heute gefragt, wie es einem geht, der manchem hier im Hause zuhört und vielleicht sehr unmittelbar betroffen ist, weil er - leider ist Kollege Duve nicht mehr im Saal, er hat es mit zitternder Stimme gesagt - weiß, wovon gesprochen wird: von dem, was heute in Bosnien geschieht, von dem, was an Gewalt geschieht. Herr Kollege Voigt, da ist es schon fast zynisch, wenn Sie uns klarzumachen versuchen, daß die beste Anwort auf die Gewalt sei, eine Bürgerinitiative zu machen und den Opfern zu helfen. ({2}) - Nein, nein. Lesen Sie genau nach, was Sie gesagt haben! Ich will Ihnen eines sagen. Man kann über den AWACS-Einsatz streiten und darüber, wie effektiv er im einzelnen sein mag und ob er die große Lösung bringt. Aber den Eindruck zu erwecken, als wäre dies gar nichts, als wäre hingegen die gutgemeinte, sinnvolle und vernünftige Hilfe für Opfer die Antwort auf Gewalt und noch einmal Gewalt und noch einmal Gewalt in Bosnien-Herzegowina, müssen wir schlicht als zynisch empfinden. Soll das bei aller Ehrfurcht vor Ihrer pazifistischen Tradition, auf die sich Kollege Verheugen berufen hat, eine der Kernantworten der SPD sein? ({3}) Herr Kollege Verheugen, Sie haben uns manches mit warmen Worten ans Herz gelegt. Offenbar haben Sie dem Bundesaußenminister am Anfang und in weiten Teilen nicht zugehört, als er deutsche Außenpolitik in den Zusammenhängen definiert hat, in denen wir sie heute diskutieren. Sie haben uns empfohlen, wir sollten zunächst einmal, bitte schön, konfliktverhütende Elemente diskutieren, wir sollten über die neue Rolle der NATO diskutieren, fragen, was das Bündnis, die EG denn alles sein könnten. Mein und unser und das Problem vieler ist, daß Ihre Empfehlung dann so seltsam ist, wenn sie angesichts von Opfern stattfindet, die unmittelbar vor uns stehen, liegen und verrecken. ({4}) Wir haben nicht die Wahl, die Sie uns aufzudrücken versuchen, zu sagen: Wir diskutieren erst einmal die Grundfragen der Vereinten Nationen, wir diskutieren erst einmal, ob und was man denn könnte. ({5}) An uns stellt sich eine ganz klare Frage. Über viele Antworten, die man geben könnte, kann man streiten, ob sie gut oder richtig sind. Die einzige Antwort kann aber nicht lauten, darüber zu diskutieren, was man tun könnte. ({6}) Für unsere Bürger gilt in diesem Lande - ({7}) - Herr Präsident, Kollege Verheugen meinte, dies sei, auf mich bezogen, nicht nur heuchlerisch, sondern ich sei ein Heuchler. Ich möchte dies so festgehalten wissen. ({8}) Ich komme darauf gleich noch einmal zurück. Denn wer hier heuchelt, Herr Verheugen, das sollen, bitte schön, andere beurteilen, diejenigen, die heute ihre Angehörigen verlieren. ({9})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Wenn der Zwischenruf „Heuchler" gefallen ist- ({0}) - Herr Kollege Hornhues, nehmen Sie die Entschuldigung an?

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, natürlich. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme noch einmal zurück auf den Punkt. Heute sterben Menschen; aber Ihre Antwort war die Empfehlung, erst einmal in Ruhe zu diskutieren, was Sache ist. Ich bin froh, daß sich die Bundesregierung endlich entschlossen hat, im Verband mit den Verbündeten, wo auch mancher Druck und manche Überzeugungsarbeit notwendig waren, etwas zu tun, den Versuch von Hilfe zu machen, so unvollkommen sie im einzelnen sein mag, und in Bosnien-Herzegowina auf die Serben, so heftig es geht, Einfluß zu nehmen. Damit wird vielleicht doch noch der Weg zum Frieden wiedergefunden. Dies in der von Ihnen vorgenommenen Weise zu diskreditieren und beleidigend darzustellen, wie Sie das getan haben, halte ich meinerseits für schier unerträglich. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen ganz konkreten Punkt hinweisen, der in der Debatte heute noch überhaupt keine Rolle gespielt hat. Am 16. April haben die Vereinten Nationen die UNOSicherheitsratsresolution 820 beschlossen. In bezug auf Bosnien-Herzegowina sind viele Resolutionen beschlossen worden, aber dies ist die zweite wichtige Resolution, hinter der mit massivem Engagement die Vereinigten Staaten mit stehen. In dieser Resolution wird ultimativ das Totalembargo gegen Serbien für den 26. April 1993 angekündigt, und das ist in wenigen Tagen. Ich begrüße nachdrücklich, Herr Außenminister, daß die Bundesregierung entsprechend dieser Resolution unverzüglich die bei dieser totalen Blockade auf sie selbst zukommenden Maßnahmen und Verordnungen vorbereitet hat, damit die totale Blockade gegenüber Serbien ab Montag bei uns durchgesetzt wird. Wir waren uns sicher, Herr Außenminister, daß das gleiche Engagement bei der Europäischen Gemeinschaft, bei unseren Freunden und Verbündeten vorhanden ist. Die Hoffnung ist immer gering, aber man soll die Hoffnung auch nie aufgeben. Die Hoffnung besteht jetzt darin, daß es im Verbund doch noch gelingt, durch die Totalisolierung, die wir oft gefordert haben und die jetzt endlich doch kommt, Serbien und die serbischen Faschisten zur Vernunft zu bringen. ({0}) - Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Wir erwarten von der Bundesregierung - und wir sind sicher, daß sie es tun wird -, daß sie alle weiteren Chancen nutzen wird, um gemeinsam mit den Verbündeten in der Europäischen Gemeinschaft, in der WEU und der NATO darauf hinzuwirken, Serbien nicht wieder zu erlauben, noch einmal und noch einmal einen Trick zu finden und noch einmal und noch einmal ins nächste Ultimatum hineinzurutschen. Die Chancen sind gering, aber sie sind nicht null; denn viele, die andere Wege meinten gehen zu müssen oder Zweifel hatten, sind zu der Erkenntnis gekommen, daß die Wege, die bisher gegangen wurden, zu Ende gegangen sind. In diesen Zusammenhang gehört auch - lassen Sie mich dies sagen -, daß wir gegenüber den Ländern, die als Nachbarn von den Sanktionen in besonderer Weise negativ betroffen sind, fair genug sind, weil sie ihrerseits erheblich darunter zu leiden haben. Wir haben ihnen versprochen und in Aussicht gestellt, daß wir ihnen gegebenenfalls helfen würden. Dies muß auch geschehen. Wir danken der Bundesregierung dafür, daß sie den Beschluß gefaßt hat, an dem gemeinsamen Bemühen der Völkergemeinschaft, den Menschen in Somalia wieder Hoffnung auf Zukunft im eigenen Land zu geben, teilzunehmen. Ich bin in den letzten Tagen oft gefragt worden: Was habe wir da verloren? Warum? Darauf lassen sich eine Reihe von Antworten geben. Für alle Antworten reicht die Redezeit nicht. Ich will nur eine Antwort geben, und die möchte ich den Soldaten mit auf den Weg geben, die für uns dort ihren Beitrag mit anderen zu leisten versuchen, damit das, was im UNO-Auftrag von den Amerikanern unter dem Stichwort „restore hope" einmal begonnen wurde, Wirklichkeit wird. Wir haben vor Weihnachten durch das Fernsehen, Herr Verheugen, die Bilder tagtäglich ins Haus geliefert bekommen. Sonst wären wir vielleicht nicht wach geworden. Ich beschimpfe das Fernsehen nicht, weil es uns die Probleme dieser Welt serviert, sondern ich bin ihm dankbar, daß es uns auf manche Dinge aufmerksam macht, die wir sonst nicht einmal zur Kenntnis nähmen. Die Soldaten der Bundeswehr gehen dorthin, um für uns zu helfen, daß dort wieder Frieden Einzug halten kann, daß für die Menschen in Somalia Hoffnung auf Zukunft in ihrer Heimat Platz greift und sie nicht zu Millionen ihr Land verlassen müssen und uns im Fernsehen ihre Kinder nicht wieder als lebende Skelette vorgeführt werden müssen. Wir danken all denen, insbesondere den Wehrpflichtigen, die sich dafür freiwillig gemeldet haben, wir danken all denjenigen in den Organisationen der verschiedensten Hilfswerke, die sich eingesetzt haben und einsetzen werden. Sie handeln dafür, daß Menschlichkeit und Frieden Platz in dieser Welt haben. Herr Heuer, Ihre anderen Diffamierungen bei diesem Thema können wir bei anderer Gelegenheit behandeln. Herzlichen Dank. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Abgeordnete Gerd Poppe.

Gerd Poppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ginge es nach den zunehmend starken Worten, mit denen der Aggressor verurteilt wird, nach den immer intensiveren Mitleidsbekundungen für die Opfer, der Krieg in Bosnien-Herzegowina wäre längst beendet. Aber während seit mehr als einem Jahr Sanktionen beschlossen und nie durchgesetzt werden, immer neue Sanktionen angedroht, jedoch nicht verhängt werden, während unablässig Waffenstillstände ausgehandelt und sofort wieder gebrochen werden, während ein Friedensplan erdacht wird, der dem Opfer keinen Frieden bringt, dem Täter dagegen die Möglichkeit weiterer Verbrechen, während der angekündigte Gerichtshof ohne Angeklagte bleibt, weil die auf dem diplomatischen Parkett ihre künftigen Rollen einüben, während all dies geschieht, beklagen wir täglich neue Opfer: Ermordete, Gefolterte, Verhungerte und Vertriebene. Jeder weiß es inzwischen: Die Kapitulation von Srebrenica ist nicht nur eine entscheidende Niederlage der bosnischen Muslime, sie besiegelt zugleich das Scheitern der westlichen Jugoslawienpolitik, einer Politik, die letztlich demjenigen recht gibt, der gewaltsam ständig neue Tatsachen schafft. ({0}) Dieses Beispiel wird Schule machen, um so mehr, als UN, EG oder die beteiligten Regierungen auch noch jeden fehlgeschlagenen Versuch wenigstens als Teilerfolg umzudeuten suchen. Wer es kann, möge mir erklären, wieso auf einem Friedensplan beharrt wird, der auf Grund der durch den Aggressor geschaffenen Tatsachen längst obsolet geworden ist, ({1}) und wieso man über die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber Bosnien nachdenken sollte, wenn zugleich die Verteidiger von Srebrenica aufgefordert werden, ihre Waffen abzuliefern. Wir sind wieder einmal an dem Punkt angelangt, an dem beschlossen wird, daß alles, was schon einmal beschlossen wurde, auch durchgesetzt werden sollte. Dazu gehört das vor geraumer Zeit verhängte Flugverbot. Seine Durchsetzung ist möglich geworden, seit sie nicht mehr nötig ist. Serbische Kampfflugzeuge wurden seit längerem nicht mehr über Bosnien gesichtet. Die serbischen Kriegsziele werden auf andere Weise erreicht, durch die Belagerung von Städten mit Artillerie und Bodentruppen, die Vertreibung der Bevölkerung, die Blockade von Hilfskonvois. Der beschlossene Kampfeinsatz von NATO-Flugzeugen darunter AWACS-Aufklärern mit deutscher Beteiligung, wird jetzt als notwendige friedensschaffende Maßnahme dargestellt. Gestern wurde die erste Erfolgsmeldung dieser aufwendigen Aktion verkündet. Nach langen Tagen des Wartens wurde ein serbischer Hubschrauber gesichtet und zur Landung gezwungen. Diese Meldung verdeutlicht die dem Auftrag zugrunde liegende Neigung zur Selbstbeschwichtigung, anders gesagt, zur Heuchelei. Die AWACS-Entscheidung der Bundesregierung hilft nicht den Menschen in Bosnien, sondern instrumentalisiert sie als Legitimation für den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr unter Umgehung des Parlaments und der seit langem fälligen Präzisierung des Grundgesetzes. Die deutsche Beteiligung an den AWACS-Flügen ist aber nicht nur verfassungsrechtlich fragwürdig, sondern schon deswegen abzulehnen, weil diese Flüge überflüssig sind und nur der Verschleierung des Versagens dienen. Hier ist der nun in letzter Minute von der Koalition eingebrachte Entschließungsantrag insofern viel diskutabler, ehrlicher und konsequenter, als er sich auf die konkrete Lage in Bosnien bezieht, statt weiter die Scheindebatte über das Flugverbot zu bedienen. Dennoch leistet auch dieser Antrag zunächst nicht mehr als eine Auflistung häufig wiederkehrender, nie durchgesetzter Forderungen. Mit ultimativen Aufforderungen ist es schon längst nicht mehr getan. Inzwischen wollen sich nicht nur Serben, sondern auch Kroaten ihre Kriegsbeute auf Kosten der Moslems sichern. Eine partielle Aufhebung des WaffenGerd Poppe embargos, falls sie jemals richtig gewesen wäre, käme viel zu spät. In der Tat hat das Überleben das längst am Boden liegenden Volkes die höchste Priorität. Sein Leiden darf nicht verlängert werden. Aus eigener Kraft können die bosnischen Muslime den Krieg nicht beenden. Dies kann nur mit Hilfe der UNO geschehen. Darüber hinaus zeigt das traurige Beispiel Ex-Jugoslawiens die Dringlichkeit der überfälligen Neukonzeption europäischer und deutscher Außen- und Sicherheitspolitik nach dem Ende der bipolaren Welt und seit der deutschen Einheit. Deren erste Erkenntnis sollte sein: Militärbündnisse wie NATO und WEU sind auslaufende Modelle. Den Vorrang müssen kollektive Sicherheitssysteme erhalten. Dafür kommt gegenwärtig neben der UNO allenfalls die KSZE in Frage. Zu den Zielen sollte die Übertragung des globalen Gewaltmonopols auf die UNO gehören. Solange es die Bundeswehr gibt, muß auch sie in kollektive Sicherheitssysteme eingebunden werden. Nur mit dem Mandat der UNO kann ein Out-of -area-Einsatz der Bundeswehr überhaupt zur Debatte stehen. Um dies eindeutig klarzustellen, bedarf es einer entsprechenden Aussage im Grundgesetz. ({2}) Dies gilt seit der peinlichen Zurschaustellung deutscher Politikdefizite in Karlsruhe erst recht. Zweitens. Bis eine von allen gewünschte Reform der UNO vollzogen ist, wird eine lange Zeit vergehen. Diese wird geprägt sein von Konflikten unterhalb der atomaren Schwelle, für die uns als Beispiele Ex-Jugoslawien, Somalia und Kambodscha vor Augen stehen. Ob und wie in solche Konflikte seitens der UNO eingegriffen werden kann oder muß, hängt vom Einzelfall ab. Für eine deutsche Beteiligung ist Mindestvoraussetzung die Zustimmung nicht nur der Regierungsmehrheit, sondern von zwei Dritteln des Bundestages in jedem Einzelfall. Drittens. Vor einer Entscheidung über einen militärischen Einsatz, gleich welcher Art, müssen alle nichtmilitärischen Mittel ausgeschöpft sein. Dies bedeutet auch, daß Aufgaben, die von zivilen Organisationen bewältigt werden können, nicht der Bundeswehr zugewiesen werden dürfen. Es kann nicht darum gehen, nach neuen Aufgaben für die Armee zu suchen, sondern darum, sie langfristig überflüssig zu machen. Ein letzter Punkt: Zu Recht wird festgestellt, wie problematisch eine deutsche Sonderrolle wäre. Die deutsche Geschichte und die daraus erwachsene Verantwortung sind Tatsachen, die all jenen bewußt sind, die politisches Handeln auch als moralische und historische Verpflichtung verstehen; was ich allen Mitgliedern dieses Hauses ausdrücklich zubilligen möchte. Dies kann aber nicht bedeuten, sich aus den Bemühungen um die Beendigung gemeinsamer Konflikte, wo immer sie stattfinden, herauszuhalten, sondern muß dazu führen, sich aktiv an ihrer Lösung durch die internationale Gemeinschaft zu beteiligen. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sollte als Beitrag zum Schutz der Menschenrechte glaubhaft werden.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Poppe, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

Gerd Poppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001736, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der letzte Satz! - Diese dürfen aber nicht als hohle Phrase mit dem Ziel einseitigen parteipolitischen Terraingewinns oder gar für eine gewaltsame Durchsetzung sogenannter deutscher Interessen mißbraucht werden. Gegen all solche Versuche werden wir entschieden Widerstand leisten. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Christian Schwarz-Schilling.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben gerade die Schilderung vom Kollegen Duve gehört. Daraus geht ganz klar hervor, daß natürlich mehr gemacht werden muß, als hier über diese Militärfragen und über das Grundgesetz zu sprechen. Aus diesem Grunde haben wir in der Koalition auch einen Entschließungsantrag erstellt. Er betrifft überhaupt nicht das Grundgesetz. Er betrifft überhaupt nicht die Frage irgendwelcher militärischer Einsätze. Er betrifft die politische Willensbildung und den Wunsch der Bosnier, den mir der Vizepräsident noch vor zehn Tagen flehentlich vorgetragen hat: Wenn ihr uns schon nicht verteidigen könnt, warum gebt ihr uns dann nicht die Möglichkeit, legal unseren Kampf zur Verteidigung unserer Heimat zu führen? Es ist nicht wahr, daß Sie nicht verteidigen. Lassen Sie uns doch bitte dafür sorgen, daß sich der Überfallene wenigstens legitim wehren kann! Deswegen Punkt 5 dieser Entschließung. Es ist richtig, Herr Kollege Poppe, daß wir in der Gefahr sind, alles Monate zu spät zu machen. Soll denn erst die letzte Friedhofsruhe eintreten, bis wir auch zu der Entschließung kommen, wie sie Punkt 5 entspricht? Stimmen Sie deswegen wenigstens jetzt sofort diesem Antrag zu! ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort dem Kollegen Karl Lamers.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die eigentliche Schwierigkeit, heute einmal zu versuchen, mit der Opposition einen Dialog zu führen, besteht darin, daß jedermann weiß, daß viele führende Sozialdemokraten, wenn denn der Begriff der Führung beim derzeitigen Zustand dieser Fraktion und Partei erlaubt ist, sehr wohl wissen, daß das, was Sie uns hier vorschlagen, den Anforderungen, die an uns gestellt werden, überhaupt nicht gerecht wird. Sie wissen das sehr gut. ({0}) Nichtsdestoweniger fordern Sie uns auf, hier eine Grundgesetzänderung vorzunehmen, die beispielsweise - darauf hat Herr Kollege Schäuble schon hingewiesen - erzwungen hätte, daß wir aus den AWACS-Flugzeugen ausgestiegen wären und damit der schwere, nicht wiedergutzumachende außenpolitische Schaden eingetreten wäre, von dem das Gericht gesprochen hat, Herr Kollege Glotz. Ich glaube, eine in der Tat so hochpolitische Äußerung, wie Kollege Verheugen das genannt hat, hat das Gericht wirklich nicht leichthin getroffen. Nun hat Kollege Voigt hier eingangs behauptet, das, was Sie uns heute vorlegen, sei eine kleine Bewegung - so hat es Kollege Schäuble zu interpretieren versucht - in Richtung auf eine Weiterentwicklung. Das war, glaube ich, Herr Kollege Schäuble, eine vergebliche Hoffnung. Ich habe den Antrag noch einmal genau durchgelesen und kann beim besten Willen nicht feststellen, wo da diese Bewegung drin ist. ({1}) Also, wenn Sie mir erklären können, Herr Kollege Voigt, wie denn die Frage der Teilnahme deutscher Streitkräfte an über Blauhelmeinsätzen hinausgehenden Maßnahmen möglich sein soll, wenn wir diesen Ihren Antrag hier akzeptieren, dann bin ich wirklich juristisch ein bißchen schlauer geworden. Also bitte, vielleicht können Sie das in Form einer Zwischenfrage dem staunenden Publikum deutlich machen.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Kollege Voigt will das offenbar tun. Aber die Regel ist hier, daß Zwischenfragen gestellt werden, es werden keine Erklärungen abgegeben.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte, ich bin bereit.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Lamers, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir gestern und heute in der Fraktion lange über diesen Punkt diskutiert haben und bereit sind, über Formulierungen in unserem eigenen Antrag zu reden, die dazu führen könnten, daß der Rechtsstreit, der vor dem Bundesverfassungsgericht anliegt, zugunsten der einen oder anderen Seite entschieden wird, in diesem Fall zugunsten unserer Seite? Das heißt, wir sind bereit, uns auf Formulierungen zu beschränken und solche zu wählen, die ausschließlich den Blauhelmeinsatz, so wie wir ihn wollen und wie Sie ihn wollen, verfassungsrechtlich verankern und die anderen Dinge verfassungsrechtlich so lassen, wie sie jetzt sind, d. h. strittig zwischen uns und damit auch nicht geklärt. ({0})

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kollege Voigt, ich muß Ihnen gestehen, ich habe mich seit meinem Studium mit keiner einzigen juristischen Angelegenheit mehr so eingehend befaßt wie mit dieser Materie hier. Ich muß Ihnen sagen, ich kann nicht sehen, wie wir eine solche Lösung finden können. Wenn wir Blauhelmeinsätze in das Grundgesetz schreiben, ist völlig klar, daß Sie das erreicht haben, was Sie eigentlich immer erreichen wollten, nämlich alles andere auszuschließen. ({0})

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn es solch eine Formulierungsmöglichkeit gibt, sind Sie dann bereit, auf diesen Vorschlag einzugehen?

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also Herr Kollege Voigt, jetzt komme ich zum zweiten Punkt: Nein! ({0}) Selbst wenn es sie gäbe, nicht weil, wie ich eben bereits gesagt habe, selbst dieser AWACS-Einsatz, der zwar von der Form her ein Kampfeinsatz ist, aber weiß Gott kein besonders gefährlicher, wie auch das Gericht festgestellt hat, dann nicht möglich wäre. Jetzt komme ich zu dem Eigentlichen, was ich gesagt habe. Sie wissen - und es wissen ganz viele in Ihren Reihen, sie sagen es sogar mehr oder minder offen -, daß die Beschränkung auf sogenannte Blauhelmeinsätze nicht reicht. Sie wissen es, Sie wagen es aber nicht, es hier öffentlich zu sagen, weil Sie genau wissen, daß Ihre Partei Ihnen nicht folgt. Aber wie soll sie Ihnen denn jemals folgen, wenn Sie Ihrer Partei nicht sagen, was eigentlich notwendig ist? ({1}) Ein wenig Mut gehört zu jeder Führung hinzu. Der Zustand Ihrer Partei, den Sie zu Recht ja auch alle beklagen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß es diese Führung nicht gibt. ({2}) Es gibt sie in der Tat nicht. Solange es sie nicht gibt, sind das alles leere Worte. Es ist in der Tat so, wie Kollege Kleinert hier festgestellt hat: Mehr oder minder intelligent - meist minder, aber zuweilen auch etwas mehr - versuchen Sie, Ihr Dilemma hier zu verbergen. Das Dilemma besteht im Zustand Ihrer Partei und Fraktion. ({3}) Leider wird damit auch die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. ({4}) Sie wissen doch auch sehr genau, daß seit dem Golf-Krieg eine tatsächliche und rechtliche ständige Weiterentwicklung der Maßnahmen der Vereinten Nationen stattgefunden hat. Es ist vollkommen klar, daß beispielsweise die Maßnahmen in Somalia etwas völlig Neuartiges sind. Die Einrichtung der KurdenSchutzzonen war ebenfalls etwas Neuartiges. Der Auftrag der Vereinten Nationen in Kambodscha ist neuartig. Es gibt fortwährend neuartige Entwicklungen. Deswegen ist es völlig unsinnig, den Versuch zu unternehmen, so etwas, das im Fluß begriffen ist, durch eine verfassungsrechtliche Fixierung in den Griff zu bekommen. Nun komme ich auf ihren Vorwurf in diesem Zusammenhang, daß wir Maximalforderungen stellten.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Lamers, Kollege Penner hat ein dringendes Fragebedürfnis.

Dr. Willfried Penner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lamers, es mag ja sein, daß sich die Szenerien ständig verändern. Aber dann drängt sich doch die Frage auf, warum auch die CDU/CSU für Einsätze der Bundeswehr unter dem Dach der Vereinten Nationen eine Verfassungsergänzung für notwendig hält.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Penner, Sie wissen sehr gut, daß wir immer erklärt haben, auch als wir diese gemeinsame Formulierung mit dem Koalitionspartner gefunden haben, daß wir aus rechtlichen Gründen eine solche klarstellende Ergänzung - wie wir aus guten Gründen formuliert haben - nicht für notwendig erachten, daß wir aber - und das habe ich hier oftmals gesagt - alle an einem Konsens interessiert sind, daß wir ihn suchen - ich will dazu gleich noch einiges sagen -, weil wir natürlich wissen, daß in einer so grundlegenden Frage fernab von rechtlichen politische Erwägungen zu einem Konsens gehören. Das ist der Punkt.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Jetzt noch die Frage des Kollegen Wallow.

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lamers, Sie haben völlig recht. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Boutros-Ghali hat im „Europaarchiv" Nr. 5 in einem sehr differenzierten Aufsatz - ich empfehle Ihnen diesen als Lektüre -

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Wallow, eine Frage bitte!

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich spitze es auf die Frage zu. - Dort sagt er: Es geht vorrangig in Zukunft

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Wallow, in unserer Geschäftsordnung steht, daß Fragen zu stellen sind, und zwar weder mit Einleitung noch mit Nachkommentar. Also stellen Sie bitte eine Frage!

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Stimmen Sie der Auffassung des Generalsekretärs zu, daß es vorrangig in Zukunft bei den neuen Aufgaben nicht darum geht, Infanterie in die Welt zu schicken, sondern darum, mehr zivile Bedienstete zu entsenden? Sie können es dort nachlesen.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, Herr Kollege Wallow, dem stimme ich gern zu. Aber wissen Sie, jetzt sind wir wieder bei dem, was Sie in der ganzen Debatte versuchen. Sie versuchen nämlich auszuweichen. Es ist gar keine Frage, daß wir selbstverständlich allen politischen Maßnahmen zur Beilegung eines Konflikts oder zur Verhinderung seines Ausbruchs den Vorrang geben. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir sind absolut davon überzeugt, daß Prävention, vorbeugende Diplomatie in der Zukunft eine noch sehr viel größere Rolle spielen muß als in der Vergangenheit. Über all das können wir uns nicht nur unterhalten, dazu können wir uns sofort einigen. Aber damit können Sie doch nicht der Frage ausweichen, was denn nun geschehen soll, wenn ein Konflikt ausgebrochen ist. ({0}) Einer aus Ihren Reihen hat die Sache einmal auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt: Wenn ein Verbrechen geschehen ist, wenn ein Mensch erschossen wurde, dann neigt die SPD dazu, zu sagen, statt der Polizei solle der Sozialhelfer kommen. Das ist in der Tat das Problem. Mit anderen Worten: Sie dürfen mit solchen Bemerkungen, mit solchen Selbstverständlichkeiten nicht versuchen, der harten Wirklichkeit auszuweichen, sondern müssen darauf eine Antwort geben. ({1}) Ich bleibe dabei: Das Traurige, das, was die Diskussion wirklich so schwierig macht, ist die Tatsache, daß viele von Ihnen, viele Kollegen, die auch ich schätze, genau wissen, daß es wahr ist, was ich hier sage. Sie wissen es, und sie geben es auch zu. Aber niemand wagt, es hier öffentlich zu sagen. Ich frage mich vor allen Dingen: Was sagt denn Ihr Parteivorsitzender eigentlich zu dieser Frage? In den ganzen vergangenen Wochen war von ihm nichts zu hören. Jeder gönnt ihm seinen Urlaub. Aber wenn sich so etwas ereignet, wie es sich jetzt ereignet hat, dann hätte ich schon erwartet, daß der Parteivorsitzende der SPD dazu ein Wort sagt. ({2}) Verehrte Kollegen, worin kann denn der Konsens bestehen? Ich rede bewußt von Konsens. Denn einen Kompromiß in der Sache kann es insofern nicht geben, als die Sache letztlich eine Einheit ist, und das wissen Sie sehr gut. Also ist es doch naheliegend, daß man den Kompromiß da sucht, wo Demokraten ihn suchen, nämlich im Verfahren. Kollege Schäuble hat zu Recht darauf hingewiesen - Kollege Kleinert hat es auch getan -, daß wir in unserem Gesetzentwurf zur klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes die Beteiligung des Bundestages in allen denkbaren Fällen vorgesehen haben. Sollten wir unsere Anstrengungen nicht auf diesen Punkt konzentrieren? Ist das nicht die den Demokraten angemessene Form der Konsensbildung? Ich bitte Sie wirklich, sich das zu überlegen. Es ist ein Angebot, es ist ein dringendes Angebot. Ich habe die herzliche Bitte, daß Sie darüber nachdenken. Es ist doch nichts anderes, als daß wir uns institutionell, d. h. durch die Verfassung, zwingen, in jedem Einzelfall im Deutschen Bundestag einen Konsens zu suchen. Ein weitergehendes und vor allen Dingen faireres Angebot können wir Ihnen gar nicht machen. Es ist wirklich ein mehr als faires Angebot. Wir haben sogar von Quoren gesprochen, die mir, offen gestanden, Schwierigkeiten machen. Denn wir müssen dabei ja immer zwei Prinzipien berücksichtigen: Das eine Prinzip ist das der Handlungsfähigkeit der Regierung, und das andere Prinzip ist das der demokratischen Beteiligung des Parlaments. Ich habe schon öfter gesagt: Der amerikanische War Powers Act könnte uns bei der Lösung dieses Konfliktfeldes vielleicht helfen. Wirklich, verehrte Kollegen: Das ist ein ehrliches, das ist ein faires Angebot. Ich finde, darauf könnten Sie sich einlassen, wenn Sie den Mut haben, Ihrer Partei zu sagen: Ja, wir müssen in jedem Einzelfall die Kraft aufbringen, uns zu entscheiden. Das ist wirklich etwas, was mich sehr bedrückt: Das Bemühen, sich selbst ein Verfassungshindernis zu bauen, ist doch Ausweis für eine außerordentlich bedenkliche Entscheidungs- und Handlungsschwäche und Verantwortungsscheu. ({3}) - Ja, selbstverständlich! Wenn man die Verantwortung an etwas abgibt, was man sich selbst gebastelt hat, ({4}) dann kann man nicht für sich in Anspruch nehmen, ein ernstzunehmender Partner in der Weltgemeinschaft zu sein. ({5}) Daß wir, verehrte Kollegen, in jedem Einzelfall noch zurückhaltender sein müssen, wenn es um den Einsatz militärischer Mittel geht, darüber brauchen wir nicht miteinander zu streiten. Wir werden auch jetzt wieder an diese Notwendigkeit erinnert; das ist wohl wahr. Aber wir können uns nicht vor dieser Entscheidung drücken. Der amerikanische Senator Cohen hat in einem Artikel in der „Herald Tribune" einen sehr interessanten Satz geprägt. Er hat gesagt: Deutschland kann sich weder vor der Geschichte verstecken noch hinter seiner Geschichte verstecken. - Das ist die Sache auf den Punkt gebracht. Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir diese Debatte wirklich ernsthaft führen wollen. Vielen Dank. ({6})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Blunck um das Wort gebeten.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jedes militärische Eingreifen bringt Tod, bringt Vernichtung, löst überhaupt keine Probleme, sondern verschärft sie nur - mit all den entsetzlichen Folgen. Militärisches Eingreifen ist nach meiner Überzeugung kein Zeichen von Verantwortung, geschweige denn von mehr Verantwortung. Ich empfinde es als zynisch, wenn Herr SchwarzSchilling hier militärisches Eingreifen fordert, ({0}) wohlwissend, daß das Waffenembargo - wie wir heute im Wirtschaftsausschuß gehört haben - von dieser Bundesregierung überhaupt nicht konsequent überwacht wird. Dies ist, finde ich, überhaupt nicht zu akzeptieren. Ich glaube, mehr Verantwortung würde bedeuten, weniger Waffen zu produzieren und weniger Waffen zu liefern. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Frau Kollegin Blunck, wenn ich richtig zugehört habe, hat der Kollege Schwarz-Schilling kein militärisches Eingreifen gefordert. ({0}) Bitte, Sie haben das Recht, auf diese Intervention zu antworten.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier betonen, daß ich ausdrücklich gesagt habe, daß dieser Antrag weder etwas mit dem Grundgesetz noch mit militärischem Eingreifen zu tun hat. Aus diesem Grunde auch meine Bitte, ihn aus diesem Streit herauszunehmen und ihn in einer anderen Beziehung zu sehen. Ich halte es nun wirklich für beinahe unanständig, hier jetzt genau das Gegenteil zu behaupten. Hören Sie bitte zu, ehe Sie so etwas sagen! ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Ich erteile das Wort Herrn Staatssekretär Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Frau Kollegin Blunck, ich habe mich hier zu Wort gemeldet, um etwas richtigzustellen, was Sie hier fälschlicherweise behauptet haben, nämlich daß heute im Wirtschaftsausschuß die Aussage gefallen sei, daß das Wirtschafts- und Waffenembargo regelmäßig mit Duldung der Bundesregierung durchbrochen werde. Dies ist nicht der Fall. Ich habe gesagt: Das Wirtschafts- und Waffenembargo wird durchweg konsequent beobachtet und von den Firmen beachtet. Ich habe darüber hinaus deutlich gemacht - ebenso der anwesende Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen -, daß alle Vorsorge getroffen wird, dieses Embargo ausreichend zu überwachen. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Entschuldigung, ich muß ja mindestens warten, bis ein Redner seinen Satz zu Ende gesprochen hat, und wenn mit diesem Satz seine Rede endet, ist eine Zwischenfrage nicht mehr möglich. Und ein Dialog findet jetzt auch nicht statt. Wir haben eine Rednerliste. Nun erteile ich dem Kollegen Kolbow das Wort.

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der geschätzte Kollege Hornhues hat aufgefordert, uns auch und vornehmlich in die Lage der Betroffenen zu versetzen. Dazu gehören natürlich auch die Bundeswehr und unsere Soldaten. Wie den Soldaten selbst an Ort und Stelle tatsächlich zumute ist, welche Gefahren für Leib und Leben auch bei ausschließlich humanitären Aufgaben bestehen, darüber wird manchmal gern hinweggeredet. Über 800 Tote bei bisherigen Blauhelmeinsätzen, 29 davon in Bosnien, gestern ein bulgarischer UN-Soldat in Kambodscha! Da wird gestorben, da wird natürlich in Kampfeinsätzen auch getötet. Die Folgen für Berufs- und Zeitsoldaten sind fatal. Ihre Entscheidung, ob sie sich an entsprechenden Kommandos freiwillig beteiligen, ist nicht immer freiwillig, obwohl es nach außen so dargestellt wird. Der Befehl gilt auch dann. Das muß auf unserer Argumentationsseite, verehrter Herr Kollege Lamers, natürlich auch eingebracht werden. Es ist unklar, ob der Befehl überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Auch beim Eid ist umstritten, ob er Einsätze außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung zuläßt. Immer mehr Soldaten machen sich Gedanken darüber, immer mehr werden dadurch belastet. ({0}) - Nein, lieber Kollege Bötsch. Sie wissen das auch viel besser; das weiß ich aus persönlichem Dialog. ({1}) - Wenn wir uns gegenseitig zuhören, bringen wir auch diese lange Debatte in Anstand voreinander über die Bühne. Ich bin gern bereit, Zwischenfragen zu beantworten. Aber es muß doch möglich sein, Argumente vorzutragen, und ich weiß, daß das möglich ist. Das ist eine Abwägungsentscheidung von unserer Seite, die ich mir erlaube im Auftrag meiner Fraktion hier vorzutragen; das können Sie nicht einfach so wegwischen. Unsere Soldaten haben einen Anspruch darauf, daß wir uns darum kümmern. ({2}) Eid, Befehl und Gehorsam: Die im Zusammenhang mit dem AWACS-Einsatz - das ist ja auch dargelegt worden - von allen Fraktionen hauptsächlich juristisch und politisch geführte Diskussion hat die Problematik für die Soldaten weitgehend außer acht gelassen. Herr Kollege Schäuble, natürlich ändert sich der Auftrag; Herr Solms hat es doch angesprochen. Wir kriegen eine neue Wehrverfassung, wenn wir den Auftrag für die Landesverteidigung und die Bündnisverteidigung, die wir nach wie vor für richtig halten, erweitern und dann in Blauhelmeinsätze, erweiterte Blauhelmeinsätze oder Kampfeinsätze gehen. Das ist eine völlig neue Situation in unserem Lande. Die kann nicht über Nacht, auch nicht von dieser Koalition, verordnet werden. ({3}) Über Innere Führung, Herr Bundesminister, wird zwar viel theoretisiert, „der Staatsbürger in Uniform" als neuer Typ des deutschen Soldaten gelobt, aber an bestimmten Traditionen der militärischen Praxis wird selbst in Ausnahmefällen nicht gerüttelt. Ich komme auf die mangelnde Vorbereitung unserer Soldaten zum „Weltbürger in Uniform", wie es die Zeitung „Die Woche" genannt hat, noch zurück. Aber in dieser Lage gibt es schon Äußerungen, die zumindest den Eindruck entstehen lassen, daß manche sehr schnell dabeisein wollen. Ich verallgemeinere nicht. Und wir haben auch als Opposition die Pflicht, zuzuhören und zu werten und, wenn Sie das nicht aufnehmen, Ihnen das im Entscheidungsprozeß zu sagen. Ein Kommandierender General des in Aufstellung befindlichen deutsch-französischen Corps hat in der „International Herald Tribune" geäußert, Kampfeinsätze seien jetzt für die Bundeswehr notwendig. Das ist auch dem Kollegen Wimmer in Amerika begegnet. Da ist ein deutscher General Kronzeuge für die Forderungen der Politik, Kampfeinsätze durchzusetzen, geworden. Dies möchte ich so nicht umsetzen, und dies möchte ich nicht als Ursächlichkeit haben. Da haben sich auch unsere Soldaten in hoher Funktion zurückzuhalten. ({4}) Wer bestimmt denn eigentlich in diesem Zusammenhang, was notwendig ist? Kann man es uns in diesem Augenblick verdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir hellhörig werden, daß wir befürchten, hier könnten militärische Überlegungen die Oberhand über politische Überlegungen gewinnen? ({5}) Es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das hier vorzutragen. Ich sage auch - in einer bewußten Überspitzung -, daß ein Golfkriegstrauma mancher Offiziere, von der Teilnahme ausgeschlossen zu sein, ausgelöst durch verständnislose Blicke verbündeter Soldaten, eine solche radikale Änderung der bisherigen Politik nicht rechtfertigen kann. ({6}) Wo bleibt dann in diesem Zusammenhang die sicherheitspolitische Konzeption? ({7}) Wo bleibt die selbstbewußte Vertretung deutscher Interessen in internationalen Gremien durch unsere Regierung? Uns kann niemand abverlangen, gegen unsere Überzeugung, gegen bestehende Verträge von NATO und WEU, gegen unsere Verfassung an solchen Operationen teilzunehmen. Da kann ich auch die Frage stellen, wie Sie sie an uns richten - dann sind wir in der Balance, Herr Kollege Lamers, in der sicherlich schwierigen Balance, die uns auch blokkiert; ich sehe das -: Wo bleibt die Standfestigkeit in grundsätzlichen Fragen? ({8})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Kolbow, vielleicht schaffen wir es, daß die Konferenzen auf der Regierungsbank so langsam dem Ende zugeführt werden. - Bitte, fahren Sie fort.

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. ({0}) - Das ist richtig. Aber ich war jetzt so bei der Sache, daß ich dies, was auch ich gerügt hätte, gar nicht bemerkt habe. Insofern habe ich mich beim Präsidenten sehr herzlich zu bedanken. Ich möchte auch noch einmal etwas aufnehmen, was heute schon eine Rolle gespielt hat und was eigentlich deutlich macht, in welcher Situation wir uns befinden. Japan, ein Land mit vergleichbaren Hypotheken aus der jüngeren Geschichte, hat sich keineswegs für Kampfeinsätze entschieden, sondern sich wohlweislich auf Blauhelmmissionen beschränkt. Sicher, wir sind in Bündnisse integriert, Japan nicht. Bei uns ist es schwieriger, die japanische Position einzunehmen. Aber wäre es nicht einen japanischdeutschen Dialog wert, zu gemeinsamen Wegen der Beteiligung dieser beiden durch ihre Vergangenheit so belasteten Staaten zu kommen? Die japanische Entscheidung ist doch trotzdem eine Überlegung auch für uns wert. Mitmachen allein, ein „normaler Staat werden wie alle anderen", wie das immer heißt, das sind keine akzeptablen politischen Kriterien. Es sind meiner Meinung nach Formeln aus einer verflossenen Zeit des Nationalismus, aus der Vergangenheit. Sie offenbaren meines Erachtens ein eindimensionales und ein zu militärisches Denken. ({1}) Das stärkt die UNO nicht, sondern das schwächt sie. Der Generalsekretär der UNO hat - wir haben ihn alle miteinander im Auswärtigen Ausschuß gehört - bei seinem Bonner Besuch immer wieder verdeutlicht, daß militärische Maßnahmen nur die Ultima ratio sein können und daß davor alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen sind. Seine „Agenda für den Frieden" stellt das eindrucksvoll mit nichtmilitärischen Maßnahmen in den Mittelpunkt. Ich möchte, weil Sie immer darauf hinweisen, wie sehr sich die Weltlage geändert hat, ein Zitat von Herrn Rühe bringen, der zu Beginn seiner Amtszeit auf die Notwendigkeit eines Konsenses hingewiesen hat. In der Demokratie, so haben Sie gesagt, lasse sich nur durchsetzen, was eine Mehrheit finde. - Die jetzige Alles-oder-nichts-Position der Regierung findet aber weder in der Bevölkerung noch in den Streitkräften unseres Landes, die in dieser schwierigen Frage ein Spiegelbild der Bevölkerung darstellen, eine Mehrheit. Vor weniger als einem Jahr, am 3. Juni 1992, haben Sie, Herr Rühe, vor der Versammlung der Westeuropäischen Union eindrucksvoll erklärt: Auf der anderen Seite - so Ihre Worte lassen sich aber 40 Jahre außenpolitische Erfahrungen nicht über Nacht abschütteln. Das Hineinwachsen in eine größere internationale Verantwortung muß ein organischer Prozeß sein, der Zeit braucht. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung von deutschen Soldaten an Kampfeinsätzen, wofür es auch Verständnis bei unseren Verbündeten gibt. Ist denn dieser Prozeß, so frage ich, plötzlich im April 1993 beendet gewesen? Warum die unserer Meinung nach fatale Fixierung auf Kampfeinsätze als Conditio sine qua non? ({2}) Die Koalition ist uns auch heute - trotz aller Aggressivität auch uns gegenüber, die ich auf Grund der Prozeßgegnerschaft von F.D.P. und CDU/CSU und Vizekanzler und Kanzler zum Teil verstehe - eine ausreichende Begründung dafür schuldig gelieben. ({3}) - Ich kann Sie doch auch einmal so ärgern wie Sie uns, verehrter Kollege Schäuble. Das können wir auch, mit der linken Hand sogar. ({4}) Sie mußten diese Begründung schuldig bleiben, denn es gibt dafür keine. In der Haushaltsdebatte am 9. September 1992, Herr Rühe, haben Sie ausgeführt: Natürlich habe ich großes Verständnis für die tiefempfundenen Gefühle der Abscheu, der Wut und Empörung, die unser Volk empfindet, wenn Tag für Tag in Wort und Bild berichtet wird, was sich im ehemaligen Jugoslawien abspielt, in einem Land, das unsere Bürger aus millionenfacher Erfahrung zu kennen glaubten. Aber es gibt keine militärische Lösung durch Eingriffe von außen. Mittlerweile ist diese Einsicht zur Grundlage des Handelns der Staatengemeinschaft geworden. Dem kann man aus meiner Sicht - ich will hier nicht für alle sprechen; das kann ich nicht, weil das jeder mit sich selbst ausmachen muß - nur zustimmen. ({5}) Aber warum dann, so frage ich, nur wenige Monate später eine völlig entgegengesetzte Entscheidung? Warum die Teilnahme an der Durchsetzung des Flugverbots, die den Menschen in Bosnien überhaupt nicht hilft und nun einmal Auswirkungen nicht nur reflexiver, sondern auch tatsächlicher Art auf Kriegseinsätze hat, liebe Kolleginnen und Kollegen? So ist die Rechts- und Verfassungslage. Herr Mahrenholz hat als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts darauf hingewiesen - ich hoffe, er darf in diesem Hause als Mitglied eines anderen Verfassungsorgans trotz des schwebenden Verfahrens zitiert werden -, daß die Sache eben noch nicht entschieden sei und die anhängige Klage - das wird auch die Kolleginnen und Kollegen der F.D.P.-Fraktion beruhigen - weder unzulässig noch unbegründet sei, man also noch zu dem von uns für richtig gehaltenen Ergebnis kommen könne, daß das, was da geschehen ist, verfassungswidrig sei.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Kolbow, Geschmacksfragen entscheidet jeder selbst.

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich habe den Soupçon bemerkt, aber ich glaube, es war eine läßliche Sünde. Sie haben Signale angefordert. Ich weiß, daß auch unsere Soldaten einen Anspruch darauf haben, wenn sie denn in sechs Wochen nach Somalia gehen und dann dort eine Aufgabe zu verrichten haben, die streitbefangen ist, die gerichtsanhängig ist. Das ist nicht die beste Grundlage für Soldaten in einem Einsatz. Unsere Soldaten sind keine Bauern, die auf einem internationalen Schachbrett nach Belieben hin-und hergeschoben werden können. ({0}) Sie sind keine Manövriermasse zum Buhlen um höheren internationalen Ruhm von irgend jemandem, auch nicht dieser Bundesregierung. Im Falle Somalia haben Sie eine Erklärung zur Meldung in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung", was die Begründung auch dieses Einsatzes angeht, gegeben. Nur hoffe ich - und habe bei Ihnen auch keinen Zweifel, daß das so ist -, daß hier nicht der Spruch gilt: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer." Deswegen ist Zurückhaltung auch bei öffentlichen Äußerungen, insbesondere von der nichtpolitischen Seite der Hardthöhe, geboten. Unsere Soldaten haben Anspruch auf Rechtssicherheit und einen verantwortungsbewußten Umgang mit der Befehls- und Kommandogewalt. Wir haben immer den mündigen Soldaten, den „Staatsbürger in Uniform" gewollt. Dieses Konzept hat mehr Erfolg gehabt, als heute manchem lieb ist. Die Bundeswehr ist weitgehend in die Gesellschaft integriert, stärker, als es im übrigen einer Berufsarmee möglich wäre. In diesem Zusammenhang müssen wir auch feststellen: Sie ist ein Teil dieser Gesellschaft, die mit überwältigender Mehrheit gegen eine derartige Ausweitung der Aufgaben der Bundeswehr ist. So jedenfalls gestern noch einmal auch der Wehrbeauftragte im Bayerischen Fernsehen. Kollege Wittmann hat mit mir und dem Wehrbeauftragten diese Sendung bestritten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluß noch feststellen - über die Problematik des Auslandsverwendungsgesetzes zur Absicherung der Risiken für Leib und Leben unserer Soldaten reden wir in einer Kurzrunde endlich am Freitag, und dann werden wir das Nötige dazu noch sagen -: Wir können in der Abwägung der auch heute vorgetragenen Argumente der Regierung nicht folgen. Wir haben Ihnen ein Angebot zum Gespräch - zu dem wir nach wie vor stehen - gemacht; aber wir wollen alles daransetzen, eine solche Entwicklung in die falsche Richtung zu verhindern. Die Verantwortung für den zerbrochenen nationalen Konsens in der Sicherheitspolitik allerdings tragen nach dem politischen Verursacherprinzip Sie, meine Damen und Herren von der Koalition. Damit haben unsere Soldaten nicht unsere Gesellschaft im Rücken, jedenfalls nicht die Mehrheit. Und ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Eine Armee, die diese Sicherheit nicht hat, wird auch keine Sicherheit vermitteln können. Herzlichen Dank für die Geduld. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen - ich sage das jetzt an Ihre Adresse, aber auch an die Adresse derer, die in den Büros sein müssen und das über das Lautsprechersystem hören -, wir werden nach der angemeldeten Redezeit schätzungsweise, es sei denn, jemand spricht kürzer, zwei bis drei Minuten nach 18 Uhr zu den Abstimmungen kommen. Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Ulrich Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen der Kollegen der SPD heute in dieser Debatte sehr aufmerksam zugehört, und ich muß sagen: Ich bin enttäuscht. ({0}) Mir ist überhaupt nicht klargeworden, wie die SPD ihre Haltung eigentlich begründen wird. Das einzige, was ich gehört habe, ist eine Verlängerung der Verweigerungshaltung, das klare Nein, die Verantwortung Deutschlands unter dem Dach der Vereinten Nationen zu akzeptieren. Herr Verheugen, Sie haben ausgeführt, daß militärische Einsätze Probleme selbstverständlich nicht lösen können. Das ist doch eine ganz offenkundige Erkenntnis, die niemand bestreitet. Wir wissen doch alle, daß wir ein Krisenmanagement entwickeln müssen, daß wir versuchen müssen, Krisen rechtzeitig zu erkennen und zu analysieren, daß wir durch Entwicklungszusammenarbeit, daß wir durch politische, diplomatische, wirtschaftliche Mittel versuchen müssen, den Ausbruch von Krisen zuerst einmal zu verhindern, und dann, wenn sie ausgebrochen sein sollten, ebenso mit diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Mitteln den Versuch machen müssen, diese Krisen in den Griff zu bekommen. Aber es ist doch gänzlich unbestreitbar, daß es Situationen gibt, in denen dieses alles nicht mehr ausreicht. Es ist ja das Beispiel des Hitler-Krieges vorhin schon erwähnt worden; ich muß das nicht ausführen. Jetzt frage ich Sie einmal, Herr Verheugen: Wie stellen Sie sich eigentlich die Rolle der Vereinten Nationen vor? Sie haben gesagt: Nationale Einsätze dürfen nicht mehr stattfinden.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Irmer, darf ich Sie unterbrechen. - Meine Damen und Herren, es ist ein Ritual, das wir jedesmal erleben: Wenn eine Reihe von namentlichen Abstimmungen bevorsteht, beginnen im Hintergrund des Saales die Konferenzgespräche. Ich würde Sie alle bitten, Platz zu nehmen und dem Redner zuzuhören. ({0})

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich bedanke mich herzlich. - Herr Verheugen, zu Ihrer Einstellung zur Rolle der Vereinten Nationen: Sie haben so wie ich im Januar im Auswärtigen Ausschuß den Generalsekretär Boutros-Ghali gehört, der auf eine ganz klare Frage eine klare Antwort gegeben hat. Die Frage lautete: „Ist in absehbarer Zeit damit zu rechnen, daß es zu Sonderabkommen, zum Generalstabsausschuß, zu diesen Einrichtungen, die in der Charta vorgesehen sind, kommt oder nicht? " Er hat dazu ganz klar gesagt: „Es wird dazu in absehbarer Zeit nicht kommen." Wenn wir die Vereinten Nationen nicht so nehmen, wie sie heute sind und wie wir sie realistischerweise zu ändern hoffen - wir werden das in den nächsten Wochen diskutieren-, wenn wir die Vereinten Nationen nicht so einsetzen, wie sie heute sind und wie es in Zukunft realistisch möglich sein wird, dann haben wir doch nur zwei Alternativen: Entweder wir lassen die Verrückten, die Wahnsinnigen und die Kriminellen in unserer Welt unschuldige Opfer abschlachten und überlassen alles sich selbst, oder wir provozieren es, daß selbsternannte Weltpolizisten eingreifen und wirklich nationale, nationalistische Politik betreiben. ({0}) Das wollen wir nicht, und deshalb setzen wir auf die Vereinten Nationen. Einer in der Welt muß in richterlicher Funktion den Aggressor definieren, anklagen und entlarven, und einer auf der Welt muß in polizeilicher Aktion, in Ausübung des Gewaltmonopols dann auch die Möglichkeit haben, diesem Aggressor entgegenzutreten und ihn von seinem kriminellen Tun abzuhalten. Meine Damen und Herren, wenn das die Aufgabe der Vereinten Nationen ist, dann muß ich mich doch fragen: Wer soll es denn machen? Die Vereinten Nationen können beschließen; ausführen müssen es die Mitgliedstaaten, und die Bundesrepublik Deutschland ist Mitgliedstaat der Vereinten Nationen. Die zweite Frage, die Sie mir beantworten müssen: Wie begründen Sie eigentlich das deutsche Sichverweigern dem, was andere zu machen bereit sind? Herr Voigt, Sie haben vorhin die Zinksärge erwähnt, die nach Deutschland zurückkommen. Glauben Sie, daß die Tränen weniger heiß fließen, wenn in Irland, Italien oder Indien Zinksärge mit toten Soldaten angeliefert werden? Was ist denn das für eine Einstellung, zu sagen: Wir zahlen, und die anderen sollen halt ihre Köpfe hinhalten!? Die SPD - abgesehen von den Pazifisten, die ich respektiere - war zur Selbstverteidigung des Landes bereit und ist es noch. Wo ist denn der Unterschied, sich selbst zu helfen oder anderen Nothilfe zu leisten? Ich glaube, unter moralischen Aspekten ist das eine so vertretbar wie das andere.

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Irmer, Kollege Schmude möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Irmer, wenn Sie auf irische und andere Zinksärge abstellen, dann frage ich Sie: Glauben Sie, daß Sie mit diesem Hinweis deutschen Soldaten und ihren Angehörigen ein solches Schicksal zumuten können, oder meinen Sie nicht, daß hier verantwortet und hier begründet werden muß, was wir den Menschen zumuten? ({0})

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Schmude, Sie haben damit völlig recht, und Sie wissen ganz genau, daß ich nichts anderes habe sagen wollen. Ich finde es nur ein wenig befremdlich, wenn hier immer nur gefragt wird: „Was ist eigentlich mit Deutschen?", um sich mit dieser Begründung vor der internationalen Solidarität zu drücken; denn nichts anderes ist es doch, was Sie hier an den Tag legen. ({0}) Ich habe aus der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei eigentlich immer in Erinnerung gehabt, daß der Grundsatz der internationalen Solidarität bei Ihnen eine bedeutende Rolle gespielt hat. Ich sehe heute, daß dieser Grundsatz der internationalen Solidarität in weiten Kreisen durch den Grundsatz der Selbstbespiegelung in der eigenen Betroffenheit ersetzt worden ist ({1}) und daß von Ihnen statt des Leistens von Friedensarbeit allenfalls noch das Leisten von Trauerarbeit angeboten wird. Ich möchte Sie aber jetzt noch mit einer weiteren Frage konfrontieren. Sie betrifft Ihre Taktik. Herr Voigt, Sie haben uns vorhin gesagt, was Sie uns über Ihren ursprünglichen Antrag hinaus jetzt vorschlügen, sei ganz sensationell. Ich habe es nicht verstanden, als Sie es erläutert haben. Ich habe es erst recht nicht verstanden, als ich den Text gesehen habe, der verbreitet wurde. Darin heißt es, daß Sie eine Grundgesetzänderung auf der Grundlage des Antrags der SPD-Fraktion vom 23. Juni 1992 wollen. Meine Damen und Herren, es gibt den Schriftsteller Günter Grass. Der war mal in Ihrer Partei. Er hat ein Buch mit dem Titel „Tagebuch einer Schnecke" geschrieben. Wenn ich sehe, wie Ihre Erkenntnisse fortschreiten, dann kann ich nur sagen: Diese Schnecke ist längst im Rückwärtsgang von einem Krebs überholt worden. Sie bewegen sich rückwärts, meine Damen und Herren! ({2}) Ich frage Sie, ob das, was Sie tun, auch klug ist, ob es in Ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Parlaments insgesamt klug ist. Sollte nämlich das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache zu AWACS zu dem Ergebnis kommen, daß die CDU/ CSU-Fraktion mit ihrer Rechtsauffassung recht hat und daß bereits nach der derzeitigen Textlage des Grundgesetzes alle Einsätze möglich sind, und zwar ohne Parlamentsbeteiligung - Herr Verheugen, Sie haben vorhin gesagt: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand"; auch Sie sind es, nämlich vor dem Bundesverfassungsgericht -, dann haben Sie die einmalige Chance verspielt, rechtzeitig vorher mit uns zu vernünftigen Kompromissen zu kommen. ({3}) Da auch wir Verfassungsfragen wesentlich lieber durch Zweidrittelmehrheiten im Deutschen Bundestag und im Bundesrat klären als durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, ({4}) möchte ich Sie jetzt ganz ernsthaft noch einmal auffordern: Setzen Sie sich mit uns an einen Tisch! Reden Sie über das, was wir Ihnen im Wege weiterer Kompromisse noch anzubieten bereit sind! Sie können darauf zählen, daß wir sehr kompromißbereit sind, weil wir nämlich am Erfolg orientiert sind, weil wir wollen, daß auf gesicherter verfassungsrechtlicher Grundlage in Zukunft das gemacht werden kann, was wir bündnispolitisch, außenpolitisch, menschheitsUlrich Irmer politisch, menschenrechtspolitisch für erforderlich halten. Sie haben sich dem bisher verweigert. Wir laden Sie ein: Überdenken Sie Ihre Position! Kommen Sie mit uns vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache zu dem Ergebnis, daß wir auf einer vernünftigen Basis das Grundgesetz so ändern können, daß unser Land in die Lage versetzt wird, seiner internationalen Verantwortung Genüge zu tun! Ich danke Ihnen. ({5})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Das Wort hat der Abgeordnete Ortwin Lowack.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich würde dem Außenminister und auch Wolfgang Schäuble gern zu ihren kampfbetonten und kraftvoll vorgetragenen Reden gratulieren, wenn nicht leider diese starken Worte mit einem Minimalkonsens bzw. Minimalergebnissen verbunden wären, die wir durchaus auch einmal einer kritischen Würdigung unterziehen müssen. Da darf also in Zukunft ein Kontingent deutscher Soldaten in Somalia als Versorger anderer Soldaten auftreten - so eine Art Putzkolonne; vielleicht dürfen sie auch die Stiefel putzen -, ohne daß in irgendeiner Art und Weise ihr normaler Einsatz vorgesehen ist. Gerade in diesem Zusammenhang beruft sich der Außenminister darauf, daß eben die langen inneren Kämpfe innerhalb der Regierung dazu geführt hätten. Ich habe sogar den Eindruck, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Bundesregierung war geradezu froh über den Aufruf oder die Aufforderung von Boutros-Ghali, hier in diesem Bereich einmal etwas zu tun, womit man sich möglichst nicht die Finger verbrennt. Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn ich mir die Entschließung ansehe, die die Koalition heute vorgelegt hat, stelle ich fest: Was dabei herausgekommen ist, ist leider sehr armselig. Ich darf zitieren - vielleicht weiß es noch nicht einmal der eine oder andere aus der Koalition -; in Punkt 4 heißt es: Ultimative Aufforderung an die Kriegsparteien, sofort einen Waffenstillstand zu schließen und alle schweren Waffen der Kontrolle und ausschließlichen Verfügungsgewalt der Vereinten Nationen zu unterstellen; Verehrte Kolleginnen und Kollegen, spüren Sie nicht, daß Sie sich mit so einer Sache bei den Menschen lächerlich machen, die bereits den 470. Waffenstillstand abgeschlossen haben, der nicht eingehalten wurde? - Und Sie kommen wieder mit dieser alten Kamelle! Im Punkt 5 heißt es: Sofortige Prüfung, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Bundesregierung bereit sein könnte, für eine Aufhebung des VNWaffenembargos gegen die Republik Bosnien-Herzegowina einzutreten. Die Sicherung des physischen und politischen Überlebens der nationalen Gemeinschaft der Moslems in ihrem Heimatstaat Bosnien-Herzegowina muß absolute Priorität haben. Wenn Sie das den Menschen, auch in Srebrenica, sagen, die wissen, daß sie in Kerkern, vielleicht mit aufgeschlitzten Bäuchen, abgerissenen Hoden, Erniedrigungen tiefster menschlicher Art, leben sollen, glauben Sie dann nicht, daß Sie diesen Menschen das Gefühl vermitteln, daß Sie das, was sich dort wirklich abspielt, eher mit Hohn bedenken? Wir können doch nicht die Bauchschmerzen der Koalition zu den Bauchschmerzen der Nation der Deutschen hochstilisieren. Die Deutschen wissen allmählich wirklich nicht mehr, was diese Regierung noch entscheidet und was nicht. Wir waren uns doch einig darin, Karl-Heinz Hornhues, lange schon: Der Art. 24 Grundgesetz gab der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, sich einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit anzuschließen. Wir haben das mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen getan. Wir sind berechtigt, innerhalb dieser Mitgliedschaft die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Wir haben die Kontrolle durch das deutsche Parlament in Art. 80c Abs. 3 Grundgesetz, daß nämlich bei einer kollektiven Maßnahme der Deutsche Bundestag jederzeit mit einfacher Mehrheit beschließen kann, ob diese Maßnahme richtig war oder nicht. Wenn der Außenminister an das Parlament gerichtet sagt, es liege nun am Bundestag, hier zu entscheiden, dann bin ich der Auffassung: Ja, dieses Parlament muß diesen Auftrag wahrnehmen, den die Regierung im Augenblick offenbar nicht in ausreichendem Maße wahrnimmt. Ich möchte Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr herzlich dazu auffordern: Werden Sie in Ihrer Einschätzung dessen, was die Bundesregierung hier vorlegt, realistischer! Dieses Parlament darf kein Lustgarten für diejenigen sein, die zufällig drin sind. Sie müssen vielmehr Verantwortung übernehmen. Wir sind in einer völlig neuen Situation. Sie müssen sich hier dessen bewußt sein, daß dieses Parlament auch Entscheidungen treffen muß, die bedeuten können, daß deutsche Soldaten gefährdet und daß deutsche Soldaten getötet werden können. In dieser Verantwortung stehen Sie. Diese Reife müssen Sie gegenüber den Menschen, für die Sie Verantwortung tragen, aufbringen. Wenn deutsche Soldaten im Rahmen einer Aktion der Vereinten Nationen zum Schutz von Hunderten, von Tausenden von Menschen eingesetzt werden, weil sie damit ein zutiefst menschliches Anliegen vertreten und verkörpern, und wir das Risiko eingehen müssen, müssen wir auch die Bereitschaft haben, die entsprechenden Entscheidungen im Deutschen Bundestag zu treffen. Keiner in diesem Saal kann sich vor dieser Entscheidung drücken. Es kann nicht richtig sein, daß unsere Soldaten in Zukunft nur die Putzkolonnen oder die Gulaschkanonen stellen. Sie haben eine ganz andere Ausbildung. Sie haben einen ganz anderen Auftrag. Sie haben sich in der Vergangenheit hervorragend bewährt. Wir hätten doch Frieden und Freiheit in Deutschland und in Europa so nicht erhalten, wenn wir nicht eine funktionsfähige und kampfbereite Bundeswehr gehabt hätten. Dieses Image, das den Frieden erhalten hat, brauchen wir auch in Zukunft. Was hier in den letzten Monaten passiert ist, bedeutet ohnehin schon genug Zerstörung dieses guten Rufes, den unsere Soldaten einmal hatten. Ich möchte nicht die Gründe im einzelnen anführen, aber doch sagen: Ich habe manchmal den Eindruck, daß zu viele bei uns in politischer Verantwortung stehen, die sich leider nur durch Unkenntnis des inneren Zusammenhangs der Bundeswehr auszeichnen und die selber nie dabei waren. Ich kann fünf führende Leute in der Verteidigungspolitik nennen, die alle die Bundeswehr nicht kennen, den inneren Zusammenhalt nicht kennen, aber heute darüber entscheiden. Ich habe manchmal den Eindruck: Sie kompensieren das schlechte Gewissen, das sie manchmal haben, dadurch, daß sie gerade nicht entscheiden. - Der Primat der Politik darf aber nicht zu einem Primat der Ahnungslosigkeit und der Entscheidungsunfähigkeit und der Ängstlichkeit führen. Es gibt ein berühmtes Wort eines deutschen Klassikers, Schiller, der gesagt hat: Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein. Ich möchte es anders ausdrücken: Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, dann werden die Probleme für uns nur schwieriger. Wenn wir uns von dem bestehenden Elend, zu dessen Abbau wir beitragen sollen, abwenden, dann werden wir unendlich viel an Zustimmung anderer verlieren. Wenn wir das Risiko immer nur auf Freunde abwälzen, dann werden wir letztlich auch unsere Freunde verlieren. ({0})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie bitten, den letzten beiden Rednern - die Abstimmung wird etwa um vier Minuten oder fünf Minuten nach 18 Uhr beginnen können - noch aufmerksam zuzuhören. Wenn diejenigen, die jetzt zur Abstimmung hereinkommen, einen unruhigen Saal vorfinden, dann tragen sie sofort zur Verstärkung dieser Unruhe bei. Wenn sie in einen ruhigen Saal kommen, dann haben die beiden Redner noch eine Chance. Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Glotz.

Prof. Dr. Peter Glotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000692, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch diese Debatte scheint mir gezeigt zu haben, daß es nicht einfach ist, in so einer Aussprache Rechtsfragen, politische Fragen und taktische Fragen sauber zu trennen. Ich möchte das noch einmal am Beispiel Somalia deutlich machen. Ich war gerade zu Gesprächen bei den Vereinten Nationen in New York und saß dort mit Experten des „Peace-keeping Department" zusammen. Die sagen, sie halten es für ganz unwahrscheinlich, daß man in der Praxis Peace-keeping und „robustes Peacekeeping" - das zweite ist ein neuer Begriff -, also Maßnahmen nach dem Kapitel VI und Maßnahmen nach dem Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, voneinander unterscheiden kann. Deswegen ist es höchst zweifelhaft, Herr Bundesaußenminister, daß es Ihnen möglich sein wird, zu garantieren, daß unsere Soldaten in Somalia wirklich nur in befriedeten Gegenden tätig sein können. Das heißt, die Bundesregierung ist in der Gefahr, Bundeswehrsoldaten auf Posten zu schicken, auf denen sie unter Umständen zwangsläufig gegen das Grundgesetz verstoßen müssen. ({0}) Wenn es so käme, dann wäre das doch eine eklatante Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber diesen Soldaten. ({1}) Das ist das Faktum, über das Sie sich klarwerden müssen; denn das wird ja deutlich werden. Jetzt rede ich über meine und unsere Position dazu. Wir glauben, es macht Sinn, die zerfallende Machtstruktur in Somalia - die Macht ist jetzt an irgendwelche Kommandanten übergegangen - zu befrieden und dies unter Umständen dort auch mit den Maßnahmen zu tun, die notwendig sind. Wenn es dabei notwendig sein sollte, irgendeinen Bandenchef zu disziplinieren, dann muß er diszipliniert werden. Das ist unsere Sachauffassung. Aber dazu ist nach unserer Meinung eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Wenn Sie, Herr Hornhues, und Ihre Fraktion jetzt nicht darauf bestünden, die Chance wahrzunehmen, bestätigt zu bekommen, daß Sie mit dem Grundgesetz im Grunde alles machen können, dann könnten Sie mit uns in 14 Tagen eine Verfassungsänderung haben, nach der wir in Somalia alles machen können, was Sie machen wollen. In 14 Tagen! ({2}) Eines lassen wir uns allerdings nicht einreden, meine Damen und Herren, nämlich daß wir einen gleitenden Übergang vom Peace-keeping zum Krieg akzeptieren müssen. Wir wissen, daß man beim Peace-keeping nicht hinter jeden Soldaten einen Juristen stellen kann, der sagt: Munition darfst du transportieren zur Selbstverteidigung, und das darfst du nicht transportieren. Zum Krieg aber - ich nehme den Golf-Krieg als Beispiel - haben wir Sozialdemokraten eine ganz klare Position: Kriege haben die Deutschen in diesem Jahrhundert genug geführt. ({3}) Für eine Aufgabe als Weltpolizist oder als Welthilfspolizist stehen wir nicht zur Verfügung und sind wir ziemlich ungeeignet. ({4}) Hier mache ich eine Zwischenbemerkung zum Sprachlichen. Es ist in Ordnung, wenn der Fachbegriff „Peace-keeping" mit „Friedenserhaltung" übersetzt wird. Wenn zu Kampfmaßnahmen aber gesagt wird, das seien friedenschaffende Maßnahmen, ({5}) dann erinnert mich das daran, daß Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten - auch das wurde mir dort bei meinem letzten Besuch erzählt - ein berühmter Revolver „Peace-maker" hieß und daß Ronald Reagan eine seiner Großraketen „Peacemaker" nennen wollte. Solche sprachlichen Tricks sind unangemessen. Es kann auch in der Zukunft einmal notwendig sein, einen Krieg zu führen - das haben einige Kollegen heute hier völlig zu Recht gesagt -; aber dann soll man Krieg Krieg nennen und das nicht mit komischen Sprachformeln verschleiern. ({6}) Der Herr Bundesaußenminister klagt im Wechselgesang mit dem Verteidigungsminister darüber, unter welch schrecklichem Druck auf der ganzen Welt er stehe, die Bundeswehr zu Kampfeinsätzen freizugeben. Manchmal ist dieser Sirenengesang rührend. Manchmal erinnert er ein bißchen an das Tremolo von Klageweibern. Hören Sie auf, zu weinen, meine Herren Minister! ({7}) Der Ruf der Bundesrepublik Deutschland, des Staates Konrad Adenauers oder des Staates Willy Brandts oder des Staates Theodor Heuss', hängt nicht von der Frage ab, ob in irgendwelchen AWACS-Flugzeugen deutsche Piloten sitzen oder nicht sitzen. Davon hängt der Ruf dieser Bundesrepublik nicht ab, sondern von ganz anderen Dingen. ({8}) Der Außenminister redet mit Recht von der gestiegenen weltpolitischen Verantwortung der Bundesrepublik. Ich habe eine bescheidene Frage: Glauben Sie nicht, daß wir die Mehrheit der Mitglieder der Generalversammlung der Vereinten Nationen eher damit überzeugen würden, daß wir unseren Anteil an der Entwicklungshilfe von 0,37 % auf die versprochenen 0,7 % steigern würden? ({9}) Jetzt greife ich noch einmal das Beispiel Japan auf, das der Kollege Schäuble mit dem Argument abgewehrt hat, wir seien ja in der NATO und in der EG. Das ist sicher richtig. Aber kein Sozialdemokrat hat jemals empfohlen, nicht alle Bestimmungen des NATOVertrages oder des EG-Vertrages voll zu erfüllen. Das Gemeinsame, Herr Kollege Schäuble, zwischen Japan und Deutschland ist, daß das die beiden schuldigsten Nationen im Zweiten Weltkrieg waren. Die Japaner haben, genauso wie wir, eine Verfassung, zurückgehend auf die Jahre nach 1945, die Kampfeinsätze verbietet. Sie haben jetzt ein Gesetz gemacht, das Peace-keeping-Operationen nach strengen Maßstäben regelt, nach strengeren Maßstäben als denen, die die SPD vorschlägt. Es gibt niemanden in New York - vielleicht kann man das dem abwesenden Außenminister, der das sicher weiß, noch einmal sagen -, der deshalb erklärt: Japan darf nicht in den Sicherheitsrat. Das ist der Unterschied zwischen einer selbstbewußten und einer subalternen Politik. ({10}) Ich frage die Bundesregierung, warum sie nicht den Mut hat, genauso zu handeln wie die Japaner. ({11}) Ich kenne deutsche Soldaten und auch deutsche Politiker, die sich ein bißchen ins Mauseloch verkriechen, wenn ein amerikanischer Colonel sagt: Ihr Deutschen liefert ja nur die Blutkonserven; wir aber liefern das Blut. Abgesehen davon, daß ich in den Vereinigten Staaten gute Erfahrungen mit dem Argument gemacht habe „Ihr Amerikaner habt 40 Jahre lang darauf gedrungen, daß wir nie wieder militaristisch werden; jetzt seid mal ein bißchen vorsichtig; wir können uns nicht von heute auf morgen nach dem Motto ,Kehrt Marsch!' wieder in die völlig andere Richtung ändern. ", einem Argument, dem die Amerikaner zustimmen, gibt es, sehr viel ernsthafter, darauf eine einfache Antwort: Wir Deutschen haben in diesem Jahrhundert Millionen von Menschen getötet, und es sind auch Millionen von Deutschen getötet worden. Wir haben ein Recht dazu, zu sagen: Wir helfen humanitär, wir helfen mit Geld, wir helfen mit Infrastruktur, wir helfen mit Blauhelmen, wir helfen auch mit „robusten" Blauhelm-Maßnahmen; aber mit Krieg laßt uns gefälligst für ein paar Jahrzehnte in Frieden! Wir haben ein Recht, das zu sagen. ({12}) Gegen diese Maxime gibt es einen Einwand, einen einzigen Einwand, den man akzeptieren muß. Das ist der gesinnungsethische Einwand; ich gebrauche diesen Begriff nicht negativ. Dieser Einwand, der heute vom Kollegen Schwarz-Schilling, vom Kollegen Duve, von der Kollegin Wollenberger und von anderen in unterschiedlichen Varianten gebraucht worden ist - der Kollege Poppe hat ähnliches gesagt -, lautet: Müßten sich die Deutschen heute nicht auch einer Anti-Hitler-Koalition anschließen und dann auch zu einem Krieg bereit sein? - Ich würde sagen: Ja, das ist sicher der Fall. Aber ich bitte Sie herzlich darum, mit dem Vergleich ethnonationalistischer Kriege und der Shoa, dem Judenmord der Nazis, sehr vorsichtig zu sein. ({13}) Wenn Deutsche - Herr Kollege Poppe, ich spreche Sie an - anfangen, die Einzigartigkeit des Judenmords der Nazis zu bestreiten, geraten Sie in die Schwierigkeit, den „Historikerstreit" noch einmal zu führen. Das sollten wir nicht tun. ({14}) Wir riskierten auch den endgültigen Bruch des Nachkriegskonsenses. Ich sage der Bundesregierung: Ich begrüße die Erklärung des Bundeskanzlers, die er vor wenigen Tagen sehr nachdrücklich abgegeben hat, daß deutsche Soldaten in Jugoslawien nicht eingesetzt werden. Ich füge nur hinzu: Sie müssen aufpassen, daß AWACS nicht das Fangeisen wird, mit dem Ihr Fuß bei möglichen künftigen Aktionen gefesselt bleibt. Der Äußerung von Herrn Schäuble habe ich entnommen, daß Sie das genausowenig wollen wie auch wir. Aber ich sage: Sie müssen vorsichtig sein. AWACS könnte als eine Maßnahme genommen werden, auf die man sich bei anderen beruft. Das ist die Gefahr. Die Abscheulichkeit der Verbrechen von Brzko oder Srebrenica steht außer Zweifel. Aber ich erlaube mir, das, was vorhin in einem Zwischenruf des Kollegen Schmidt gekommen ist, zu verstärken: Die 200 000 Toten in Berg-Karabach sind nicht deshalb leichter zu nehmen, weil die deutschen Medien dort keinen Korrespondenten haben. Wir Deutsche sollten gelernt haben, daß jeder Krieg bestialisch ist, und zwar nicht nur, weil er die Bestien losläßt, sondern auch, weil er Durchschnittsbürger zu Bestien macht. Ich fürchte, es wird in den nächsten 15 Jahren eine ganze Reihe von Bosniens in Osteuropa und Südosteuropa geben. Ich räume ein, die Entscheidung, ob eine militärische Intervention unvermeidbar ist, enthält immer ein Stück Willkür, wer immer sie trifft. Aber ich füge gleichzeitig hinzu: Am Ende dieses zwanzigsten Jahrhunderts sind für unser Volk Skepsis und Zurückhaltung die wichtigsten Tugenden für die einst so draufgängerischen Deutschen. ({15}) Deswegen sage ich am Schluß: Deutschland muß - da stimme ich den Rednern der Koalition zu - ein aktives und konstruktives Mitglied der Vereinten Nationen sein. Das haben alle Redner der SPD so gesagt. Aber bitte nehmen Sie zur Kenntnis: In der Definition dessen, was normal ist, folgen wir Ihnen nicht. Schon vor ein paar Jahren hat der Frankfurter Philosoph Karl-Otto Apel an uns alle die Frage gerichtet: Könnten wir aus der nationalen Katastrophe der Deutschen etwas Besonderes gelernt haben? Unsere Antwort ist: Wir könnten; ja! Wir werden nicht mitspielen. Wir sind bereit, über „robustes Peacekeeping" zu reden. Wir sind bereit, alle Anforderungen, die die Vereinten Nationen heute stellen, zu erfüllen. Aber wir werden nicht mitspielen, wenn Sie aus der Wirtschafts- und Handelsmacht Bundesrepublik Deutschland eine normale Militärmacht machen wollen. Herzlichen Dank. ({16})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Meine Damen und Herren, die Zeit ist weit fortgeschritten, und der Präsident entscheidet über die Worterteilung bei der Anmeldung von Zwischenbemerkungen. Es liegen mir zwei Anmeldungen vor, von denen ich aber angesichts des Engagements der beiden Kollegen glaube, daß wir sie auch zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch zulassen sollten. Die erste ist von Freimut Duve, die zweite von Stefan Schwarz.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vielem von dem, was mein Kollege Peter Glotz hier soeben gesagt hat, zustimmen. Ich möchte einen Punkt herausgreifen, bei dem ich ihm widersprechen muß. Solange ich politisch denken kann, habe ich es bei der Frage der Einzigartigkeit des Völkermords an den Juden durch Deutschland immer als einen Auftrag verstanden, künftig Völkermord zu verhindern und auch zu fragen, wenn er beginnt, und nicht erst zu fragen, wenn er vollzogen ist. ({0}) Die Einzigartigkeit des Holocausts gebietet auch, zu fragen, ob es in Kambodscha Völkermord gab. Ich habe es damals so geschrieben. Die Einzigartigkeit gebietet auch, zu fragen, ob in Nordguatemala 1981 Völkermordhandlungen stattgefunden haben. Die Einzigartigkeit der Shoa gebietet auch, zu fragen, ob das Gericht in Den Haag recht hatte, als es die Handlungen an den muslimischen Europäern in Jugoslawien zu Völkermordhandlungen im Sinne der Völkermorddeklaration von 1948 erklärt hat. Dies tue ich, und dies werde ich weiter tun. Dies empfinde ich als meinen Auftrag. In dieser Frage unterscheide ich mich fundamental von der Aussage: Es gab Shoa, und alles andere darf damit nicht verglichen werden. Denn das bedeutet, daß wir in die Gefahr einer Relativierung geraten, die wir Deutschen nicht tragen können. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Glotz.

Prof. Dr. Peter Glotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000692, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich gestehe dem Kollegen Duve absolut zu, daß er recht hat, wenn er sagt: Die Shoa gebietet zu fragen. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Das ist eine Frage, die sich für die Bundesregierung genauso stellt wie für uns alle. Der Kollege Duve hat gerade an drei, vier Beispielen - an drei, vier Beispielen, nicht nur an einem - zu Recht auf Völkermord hingewiesen. Die Frage ist, ob daraus - diese Konsequenz zieht nicht der Kollege Duve, aber viele andere - die moralische Pflicht zur militärischen Intervention folgt. Wenn wir damit anfangen, wird Deutschland in viele Kriege in den nächsten Jahrzehnten verstrickt werden, weil es viel schrecklicher ist, als wir es selber zugeben, ({0})) weil das, was in Jugoslawien und in Bosnien stattfindet, auch an vielen Ecken und Enden der Welt geschieht. Mein moralisches Problem ist, daß wir zwar bernerken, was in Bosnien passiert, weil wir darüber jeden Tag abends im Fernsehen in Drei-Minuten-Beiträgen informiert werden. Aber wenn 200 000 Aseris in Berg-Karabach hingeschlachtet werden, interessiert sich niemand dafür, weil wir das nicht wissen können, weil wir nicht im einzelnen darüber informiert werden. Dieses Grundproblem, wie leicht Menschen für einen Krieg zu manipulieren sind - ich habe das zum letztenmal im Golfkrieg erlebt - motiviert mich, zu sagen: Auch an diesem Punkt ist ungeheure Vorsicht notwendig. ({1})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Schwarz.

Stefan Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte mit dieser Intervention in aller Kürze auf ein paar Unterschiede aufmerksam machen und Herrn Glotz ganz persönlich ansprechen. „Laßt uns mit Krieg in Frieden" heißt auf gut deutsch: Dann müssen sie eben sterben, weil ich meinen Frieden will, Herr Glotz. ({0}) - Das ist nicht primitiv. Ich teile sehr, was Ihr Fraktionskollege Freimut Duve hier sagt. Ich will etwas sagen - das ist vielleicht nicht mehr so primitiv, weil nicht ich es sage -: Wenn der Held des Warschauer Ghettos, wie er genannt wird, Marek Edelman, zum Anlaß des Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto - er selber, der Betroffene - das, was in Bosnien geschieht, mit dem vergleicht, was den Juden geschehen ist - Herr Glotz, das müßten Sie wissen -, dann ist es nicht korrekt, wenn Sie so tun, als wolle man hier Kurzschlüsse ziehen und Deutschland in einen Krieg hineinreden. Ich möchte Ihnen, weil Sie einer der Vertreter sind, die mit Sprache umgehen können, und Sie hier und da von „humanitärem Bellizismus" sprechen, wirklich die Frage stellen - sie mag provokativ erscheinen -: Glauben Sie nicht, daß es im Extrem auch so etwas geben kann wie einen genozidalen Pazifismus? Daß man vor lauter Frieden-mit-sich-selbst-Wollen zuschaut, wie Schlimmes geschieht? ({1}) Die letzte Bemerkung. Das ist mir wichtig zu sagen und ich gestehe, daß ich es auch aus einer gewissen persönlichen Betroffenheit heraus formuliere: Sie schreiben, Herr Glotz, auf die Frage nach einer Einladung zum Streit über dieses Thema - auch Parlament ist Streit über Themen - über mich: Er hat sich darauf spezialisiert, Deutschland in einen Krieg hineinzureden, ({2}) weil er die in der Tat schrecklichen Verbrechen an bosniakischen Muslimen nicht erträgt. Die genauso schrecklichen Verbrechen an Kroaten, Serben, Menschen in Mosambik, Angola, Kambodscha, Afghanistan und sonstwo scheint er aber zu ertragen. Das sagen Sie über mich. „Warum? Der Mann ist weder böswillig noch dumm, nur" - schreiben Sie, Herr Glotz - „in ein Thema verliebt, das ihn plötzlich vom ganz unbekannten zum relativ bekannteren Politiker gemacht hat." ({3}) Herr Glotz, ich wünsche mir, daß ich nie so werde, wie dieser Brief es ausdrückt. ({4})

Hans Klein (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001114

Herr Kollege Glotz, wollen Sie dazu Stellung nehmen? ({0}) - Dann erteile ich als nächstem Redner dem Kollegen Christian Schmidt das Wort.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die wir heute geführt haben, soll nach außen wirken. Sie soll in einer Zeit, in der wir Soldaten zum humanitären Einsatz nach Somalia schicken, auch zeigen, daß sich die Politik sehr ernsthaft um die Probleme bemüht und sehr ernsthaft versucht, einen Weg zu finden für das, was an Herausforderungen für Deutschland und Europa in den nächsten Jahren besteht. Ich bin etwas enttäuscht davon, daß ich nicht in allen Beiträgen genügend davon gespürt habe. Das kann man bei dem Antimilitarismusbeitrag der PDS-Vertreter noch nachvollziehen. Das war die Terminologie des „Neuen Deutschland" von vor 20 Jahren. Aber es sind auch von der großen Oppositionspartei Dinge gesprochen worden, die so nicht stehenbleiben können. ({0}) Deutlich geworden ist in einigen Beiträgen - gerade auch beim letzten - das Ringen um Moralität, die Frage: Wohin geht Deutschland? Das gestehe ich zu. Die Antwort, Herr Glotz, die Sie geben, ist aber die falsche Antwort. Sie sprechen selber davon, wir könnten in zehn Jahren oder später zwölf Bosniens haben. Was ist unsere Antwort? Geschehenlassen? Zusehen? Sich in das Schneckenhaus zurückziehen? Nichts sagen? Christian Schmidt ({1}) Die Risiken nicht einmal abwägen? Ich glaube nicht, daß das die Antwort sein kann. ({2}) Zwölf Bosniens, zwölfmal Genozid und zwölfmal Deutschland fein außen vor - das kann doch nicht unsere Antwortaus den Erfahrungen der Geschichte sein. ({3}) Ich ziehe hier einen anderen Schluß: Wir haben Verantwortung vor der Geschichte. Deswegen muß in manchen Fällen, in Einzelfällen, auch sehr genau abgewogen werden, wie wir uns engagieren. ({4}) Wir dürfen uns aber nicht in die Geschichte flüchten ({5}) und damit politische Entscheidungen allein aus der Vergangenheit heraus begründen. Auf der Suche nach Zitaten, was denn notwendig ist für die neue Weltordnung, wie George Bush sie genannt hat, bin ich auf folgendes Zitat gestoßen, das ich mir erlaube Ihnen vorzutragen: Die führenden Politiker in der Welt müssen jetzt entschlossen handeln, um ein neues regionales und globales Friedens-und Sicherheitssystem aufzubauen. Sollte dies nicht gelingen, könnten sich die 90er Jahre als ein Jahrzehnt gefährlicher Instabilität erweisen. Ein neues System bzw. eine neue Weltordnung muß den Interessen aller Staaten gerecht werden - starker und schwacher. Die Vereinten Nationen müssen entschlossen handeln, wann immer das Völkerrecht verletzt wird. Ich wiederhole: Sie müssen entschlossen handeln, wann immer das Völkerrecht verletzt wird. - Weltweit gesehen ist die Zeit reif für die Schaffung eines internationalen Friedens- und Sicherheitssystems auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen. Die Kollegen von der SPD und andere mögen erkannt haben, woraus ich zitiere, nämlich aus der Stockholmer Initiative von Willy Brandt und Gro Harlem Brundtland. Ich will dem und muß dem nichts hinzufügen. Im Blick auf die Charta der Vereinten Nationen muß ich das doch wohl auch auf der Grundlage ihres Kapitels VII sehen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Kollege Schmidt, darf ich Sie für einen Augenblick unterbrechen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat vorhin schon

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Nun lassen wir doch bitte unsere beiden letzten Redner - das war Herr Dr. Glotz und ist jetzt Herr Christian Schmidt - in Ruhe ihre Ausführungen so beenden, daß sie auch jeder verstehen kann. Ich bitte Sie herzlich, ruhig zu bleiben. ({0})

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Das heißt, daß wir natürlich auch in der Frage eines Engagements, einer Beteiligung Deutschlands an internationalen Maßnahmen reden müssen. Der Vergleich mit Japan sticht natürlich nicht, wie wir ja bereits am AWACS-Beispiel gesehen haben. Da geht es nicht nur um den Einzelfall. Es geht um die Frage der Verläßlichkeit Deutschlands. Das ist kein Liebe-dienen vor amerikanischen Colonels, sondern bewußte und zielgerichtete deutsche Politik. Im übrigen eines dazu: In der Frage, worum es eigentlich geht, müßten wir doch wissen, daß es darum geht, Deutschlands integrative Rolle in Europa und in der Welt zu stärken. Geht es aber um Macht? Mancher hat hier unterstellt, es ginge um die Ausübung alter nationalstaatlicher Macht bis hin zu militärischer Gewalt: der Krieg als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Welcher Politik? Gedacht von den Kritikern natürlich einer nationalstaatlichen, möglicherweise sogar imperialistischen Politik. Das ist doch nicht das Thema des Tages. Der Vorwurf an uns hieß, wir seien von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit übergewechselt. Ich glaube nicht, daß das die Frage ist. Aber wer wagt es denn, das Wort von den deutschen Interessen in diesem Zusammenhang in den Mund zu nehmen? Er wird sofort in die Nähe dieses unreflektierten Nationalismus gestellt. Ich empfehle jedem, die Rede von Douglas Hurd nachzulesen, die er in Chatham House dazu gehalten hat, wie er britische Außenpolitik und britische Interessen in Zusammenhang bringt. Wehe dem, der dieselbe Rede aus den Reihen unserer Fraktion - nur mit einem Austausch der Begriffe „deutsch" und „englisch" - gehalten hätte! Möglicherweise hätte er sich starken Angriffen ausgesetzt gesehen. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit: Wir müssen reflektieren, was unsere Rolle in einer gemeinsamen künftigen neuen Weltordnung sein kann und durch was sie bestimmt wird. Sie wird bestimmt werden durch unsere Verantwortung, die wir international wie alle anderen auch übernehmen - ein Stück Normalität. Sie wird aber auch bestimmt werden durch unsere Interessen. Wir nehmen genuine deutsche Interessen wahr, wenn wir uns in den Vereinten Nationen so engagieren, wie andere es auch tun. Der Vorwurf des Militarismus kann ja nicht stechen; denn sonst müßten ja sämtliche Verbündeten, unsere Verbündeten, reine Militaristen, Kriegstreiber sein. Das hat heute nicht einmal der extreme linke Flügel zu unterstellen gewagt. Wichtig ist, daß wir in der Diskussion, die wir führen, die Rolle Deutschlands, die die Bundesregierung ziemlich klar festgemacht hat, auch im politischen Dialog endlich untermauern. Eigentlich dachte ich vor der Rede von Herrn Glotz, ich hätte doch ein paar Ansatzpunkte gefunden, ({0}) wo die SPD sagt: Der Tanker bewegt sich doch, Herr Glotz, der unbewegliche Tanker SPD. Er bewegt sich dorthin, wo nicht nur die Hauptströmung, sondern wo die Notwendigkeit des Fahrwassers ist. Das ist eben nicht allein die Frage der Blauhelmeinsätze. Es geht auch um einige andere Fragen. Es geht beispielsweise um die NATO. Es geht auch um die Bereitschaft, sich Christian Schmidt ({1}) im Falle eines bewaffneten Konflikts, in welcher Form auch immer, mit einer Entscheidung für jeden Einzelfall zu beteiligen. Ich hoffe, daß ich einige Signale richtig verstanden habe. Unsere Position ist klar. Die CDU/CSU hat von ihrer Position bis jetzt kein Jota abrücken müssen. Sie hat in Bereitschaft zur demokratischen Problemlösung ein Angebot gemeinsam in der Koalition vorgelegt, das praktikabel ist, das die Parlamentsbeteiligung vorsieht und das ein Angebot für Sie ist, dem zuzustimmen, und ich bitte, daß Sie in das Fahrwasser hineingehen, das wohl oder übel in Kürze für Sie selber nicht vermeidbar sein wird, wenn Sie außenpolitisch überhaupt noch akzeptiert werden wollen. ({2}) Die anderen - die Amerikaner, die Engländer oder wer auch immer - werden von dieser SPD ansonsten als von einer isolationistischen Partei sprechen, wenn sie nicht über ihren eigenen Schatten springt. Ich meine das sehr ernst. Ich will zum Abschluß noch auf einen Punkt hinweisen. Jemand, der Wehrdienst geleistet hat - das sind sicher sehr viele von uns; ich gehöre dazu -, kann nachempfinden, daß viele gemischte Gefühle haben werden, wenn sie nach Somalia gehen, auch die, die sich freiwillig bereit erklären, diesen Dienst zu tun. Wir müssen und sollten ihnen sagen, daß von uns jedwede technische, organisatorische und politische Unterstützung ausgehen wird. Wir müssen auch sagen, daß wir bereit sind, diesen Soldaten mit allen Konsequenzen unsere Unterstützung zu geben. Das heißt für mich: Die Anträge der Koalition sollten so, wie sie auf dem Tisch liegen, die Zustimmung des ganzen Hauses erfahren. Insonderheit der Antrag, der uns von Karsten Voigt nahegebracht werden sollte, zu dem Uli Irmer schon das Wesentliche gesagt hat, ist leider eine Mogelpackung - wie so manches, was man in der letzten Zeit von der SPD erlebt hat. Wir werden natürlich nicht Grundgesetzänderungen nach dem Prinzip der Salamitaktik machen oder vielleicht sogar noch hineinschreiben, es gebe ungeklärte Fragen, in denen das Verfassungsgericht entscheiden sollte. Wir wollen alles hier und gemeinsam entscheiden. Sie sind dazu eingeladen. Der Ball liegt bei Ihnen. Bewegen Sie sich. Tun Sie Ihre Pflicht für Deutschland! ({3}) Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen. Zunächst stimmen wir über drei Entschließungsanträge ab. Zum ersten Entschließungsantrag, zu dem auf der Drucksache 12/4767, wünscht der Kollege Karsten Voigt das Wort. Bitte!

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dieser Entschließungsantrag ist in seiner endgültigen Fassung erst kurz vor der heutigen Sitzung vorgelegt worden. Deshalb erkläre ich für mich und zahlreiche Kollegen, daß die meisten Formulierungen in diesem Antrag für uns akzeptabel sind, daß aber einige Formulierungen einer Beratung im Ausschuß bedurft hätten. Die Koalitionsfraktionen haben aber auf einer sofortigen Abstimmung beharrt und sind nicht mit einer Überweisung einverstanden. Deshalb werden sich die meisten Kollegen von der SPD bei dieser Abstimmung der Stimme enthalten. ({0}) Darüber hinaus möchte ich für das Protokoll mitteilen, daß auf Grund der Beschlußfassung in der SPD-Fraktion der letzte Absatz der Drucksache 12/4710, Seite 2 der Vorlage, zurückgezogen ist.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf der Drucksache 12/4767. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist angenommen: mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, wenigen Stimmen aus der SPD-Fraktion und einigen Stimmen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Enthaltungen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der SPD-Fraktion und in der F.D.P.-Fraktion sowie bei zahlreichen Ablehnungen aus der PDS/Linke Liste und der SPD und einer aus der F.D.P. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/4755. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dieser Entschließungsantrag ist mit der großen Mehrheit des Hauses gegen die Stimmen der PDS/Linke Liste sowie des Abgeordneten Konrad Weiß ({0}) ({1}) bei einigen Enthaltungen abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/4758 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und einigen weiteren Enthaltungen ist auch dieser Entschließungsantrag abgelehnt. Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Beteiligung der Bundeswehr am AWACS-Einsatz, Drucksache 12/4754. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, gestatten Sie zwischendurch eine Bemerkung. Zu dieser Abstimmung haben gemäß § 31 der Geschäftsordnung unsere Kollegen Dr. Burkhard Hirsch, Frau Dr. von Teichman und Frau Dr. Michaela Blunk schriftliche Erklärungen abgegeben, die wir zu Protokoll nehmen. *) Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben? - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. *) Anlage 2 Vizepräsident Helmuth Becker Das Ergebnis der Abstimmung geben wir Ihnen später bekannt. *) Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt ab über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Hilfseinsatz der Bundeswehr für humanitäre Maßnahmen der UNO in Somalia. Es handelt sich um die Drucksache 12/4759.**) Auch hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich sehe, daß die Urnen wieder besetzt sind, und eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch jemand im Saal ist, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat. - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, auch bei dieser Abstimmung mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird später bekanntgegeben. ***) Ich frage jetzt das Haus: Können wir mit den namentlichen Abstimmungen fortfahren? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Darm stimmen wir jetzt ab über den Antrag der Fraktion der SPD auf Nichtbeteiligung der Bundeswehr an der Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina. Es handelt sich um die Drucksache 12/4710. Die SPD-Fraktion verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob noch ein Mitglied im Hause ist, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat. - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich auch diese Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. - Das Ergebnis wird später bekanntgegeben.****) Bevor wir zur nächsten Abstimmung kommen - das ist die letzte namentliche Abstimmung -, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung bekannt. Es handelte sich um den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. „Beteiligung der Bundeswehr am AWACS-Einsatz" auf Drucksache 12/4754. Abgegebene Stimmen: 555; ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt 338 Kolleginnen und Kollegen. Mit Nein haben gestimmt 208. Enthalten haben sich 9 Kollegen. *) Seite 12974 B **) Erklärung zur Abstimmung Anlage 5 ***) Seite 12976 C ****) Seite 12979 D Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 553; davon: ja: 336 nein: 208 enthalten: 9 Ja CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({2}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({3}), Klaus Büttner ({4}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({5}), Manfred Carstensen ({6}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, Udo Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl Fischer ({7}), Dirk Erik Fischer ({8}), Leni Fockenberg, Winfried Francke ({9}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({10}), Johannes Geiger, Michaela Dr. Geiger ({11}), Sissy Geis, Norbert Dr. Geißler, Heiner Dr. von Geldern, Wolfgang Gibtner, Horst Glos, Michael Göttsching, Martin Götz, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Harries, Klaus Haschke ({12}), Gottfried Haschke ({13}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({14}), Otto Hauser ({15}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({16}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({17}), Michael Junghanns, Ulrich Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kittelmann, Peter Klein ({18}), Günter Klein ({19}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({20}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({21}), Volkmar Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({22}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Limbach, Editha Link ({23}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lippold ({24}), Klaus W. Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({25}), Wolfgang Louven, Julius Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Maaß ({26}), Erich Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({27}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({28}), Elmar Vizepräsident Helmuth Becker Müller ({29}), Hans-Werner Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({30}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({31}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Paul Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Protzner, Bernd Rahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Dr. Riedl ({32}), Erich Riegert, Klaus Ringkamp, Werner Rode ({33}), Helmut Rönsch ({34}), Hannelore Roitzsch ({35}), Ingrid Romer, Franz-Xaver Dr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth ({36}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({37}), Helmut Sauer ({38}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({39}), Günther Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({40}), Andreas Schmidt ({41}), Trudi von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({42}), Dieter Schulz ({43}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Vogel ({44}), Friedrich Vogt ({45}), Wolfgang Dr. Voigt ({46}), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({47}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({48}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({49}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang SPD Dr. Wernitz, Axel F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg ({50}), Dieter-Julius Eimer ({51}), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Gries, Ekkehard Grüner, Martin Günther ({52}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({53}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Koppelin, Jürgen Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lühr, Uwe Mischnick, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({54}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({55}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({56}), Arno Dr. Schnittler, Christoph Schuster, Hans Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Thiele, Carl-Ludwig Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({57}), Wolfgang Wolfgramm ({58}), Torsten Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner Nein SPD Andres, Gerd Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker ({59}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Bindig, Rudolf Blunck ({60}), Lieselott Bock, Thea Dr. Böhme ({61}), Ulrich Börnsen ({62}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({63}), Hans Büchner ({64}), Peter Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Dr. Diederich ({65}), Nils Diller, Karl Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({66}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({67}), Evelin Fischer ({68}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({69}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Gansel, Norbert Gilges, Konrad Gleicke, Iris Dr. Glotz, Peter Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({70}), Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Dr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Hiller ({71}), Reinhold Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Janz, Ilse Dr. Janzen, Ulrich Dr. Jens, Uwe Jungmann ({72}), Horst Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann ({73}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({74}), Dieter Marx, Dorle Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({75}), Franz-Josef Dr. Meyer ({76}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({77}), Michael Müller ({78}), Albrecht Müller ({79}), Rudolf Müller ({80}), Jutta Müller ({81}), Christian Neumann ({82}), Volker Neumann ({83}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, Peter Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Penner, Willfried Peter ({84}), Horst Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd Rixe, Günter Schaich-Walch, Gudrun Schily, Otto Schloten, Dieter Schmidbauer ({85}), Horst Schmidt ({86}), Ursula Schmidt ({87}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schütz, Dietmar Dr. Schuster, Werner Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Sielaff, Horst Simm, Erika Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Stiegler, Ludwig Dr. Struck, Peter Terborg, Margitta Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Verheugen, Günter Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({88}), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Waltemathe, Ernst Walter ({89}), Ralf Walther ({90}), Rudi Wartenberg ({91}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({92}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({93}), Gert Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Weyel, Gudrun Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({94}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({95}), Hermann Dr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, Hanna Zapf, Uta Dr. Zöpel, Christoph F.D.P. Lüder, Wolfgang PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({96}), Fritz Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Poppe, Gerd Schenk, Christina Schulz ({97}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß ({98}), Konrad Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Enthalten SPD Duve, Freimut Dr. Gautier, Fritz Leidinger, Robert F.D.P. Dr. Blunk ({99}), Michaela Grünbeck, Josef Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Starnick, Jürgen Dr. von Teichman, Cornelia Fraktionslos Lowack, Ortwin Damit ist der Antrag angenommen. Meine Damen und Herren, wir stimmen nun als letztes über den Antrag der Fraktion der SPD zur unverzüglichen Verabschiedung einer Grundgesetzänderung für Blauhelm-Einsätze, Drucksache 12/4768, ab. Auch hier ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß ich auch diese Abstimmung schließen kann, und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.*) Wir haben inzwischen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. „Hilfseinsatz der Bundeswehr für humanitäre Maßnahmen der Vereinten Nationen in Somalia", Drucksache 12/4759, vorliegen. Abgegebene Stimmen: wiederum 555; ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt 341, mit Nein haben gestimmt 206 Abgeordnete. 8 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. *) Ergebnis Seite 12982A Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 553; davon: ja: 339 nein: 206 enthalten: 8 Ja CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({100}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({101}), Klaus Büttner ({102}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({103}), Manfred Carstensen ({104}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, Udo Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl Fischer ({105}), Dirk Erik Fischer ({106}), Leni Fockenberg, Winfried Francke ({107}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({108}), Johannes Geiger, Michaela Dr. Geiger ({109}), Sissy Geis, Norbert Dr. Geißler, Heiner Dr. von Geldern, Wolfgang Gibtner, Horst Glos, Michael Göttsching, Martin Götz, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Harries, Klaus Haschke ({110}), Gottfried Haschke ({111}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({112}), Otto Hauser ({113}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({114}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr. Jobst, Dionys Vizepräsident Helmuth Becker Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({115}), Michael Junghanns, Ulrich Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kittelmann, Peter Klein ({116}), Günter Klein ({117}), Hans Klinkert, Ulrich Köhler ({118}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({119}), Volkmar Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({120}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Limbach, Editha Link ({121}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lippold ({122}), Klaus W. Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({123}), Wolfgang Louven, Julius Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Maaß ({124}), Erich Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({125}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({126}), Elmar Müller ({127}), Hans-Werner Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({128}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({129}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Paul Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Protzner, Bernd Rahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Dr. Riedl ({130}), Erich Riegert, Klaus Ringkamp, Werner Rode ({131}), Helmut Rönsch ({132}), Hannelore Roitzsch ({133}), Ingrid Romer, Franz-Xaver Dr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth ({134}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({135}), Helmut Sauer ({136}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({137}), Günther Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({138}), Andreas Schmidt ({139}), Trudi von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({140}), Dieter Schulz ({141}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Vogel ({142}), Friedrich Vogt ({143}), Wolfgang Dr. Voigt ({144}), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({145}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({146}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({147}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang SPD Dr. Wernitz, Axel F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg ({148}), Dieter-Julius Eimer ({149}), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Gries, Ekkehard Grünbeck, Josef Grüner, Martin Günther ({150}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({151}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Koppelin, Jürgen Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe Mischnick, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({152}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({153}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({154}), Arno Dr. Schnittler, Christoph Schuster, Hans Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Thiele, Carl-Ludwig Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({155}), Wolfgang Wolfgramm ({156}), Torsten Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner Fraktionslos Lowack, Ortwin Nein SPD Andres, Gerd Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker ({157}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried. Bindig, Rudolf Blunck ({158}), Lieselott Bock, Thea Dr. Böhme ({159}), Ulrich Börnsen ({160}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({161}), Hans Büchner ({162}), Peter Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Dr. Diederich ({163}), Nils Diller, Karl Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({164}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({165}), Evelin Fischer ({166}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({167}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Gansel, Norbert Gilges, Konrad Gleicke, Iris Dr. Glotz, Peter Vizepräsident Helmuth Becker Grat, Günter Großmann, Achim Haack ({168}), Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Dr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Hiller ({169}), Reinhold Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Janz, Ilse Dr. Janzen, Ulrich Dr. Jens, Uwe Jungmann ({170}), Horst Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Leidinger, Robert Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann ({171}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({172}), Dieter Marx, Done Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({173}), Franz-Josef Dr. Meyer ({174}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({175}), Michael Müller ({176}), Albrecht Müller ({177}), Rudolf Müller ({178}), Jutta Müller ({179}), Christian Neumann ({180}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({181}), Horst Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd Rixe, Günter Schaich-Walch, Gudrun Schily, Otto Schloten, Dieter Schmidbauer ({182}), Horst Schmidt ({183}), Ursula Schmidt ({184}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schütz, Dietmar Dr. Schuster, Werner Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Sielaff, Horst Simm, Erika Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Stiegler, Ludwig Dr. Struck, Peter Terborg, Margitta Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Verheugen, Günter Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({185}), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Waltemathe, Ernst Walter ({186}), Ralf Walther ({187}), Rudi Wartenberg ({188}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({189}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({190}), Gert Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Weyel, Gudrun Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({191}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({192}), Hermann Dr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, Hanna Zapf, Uta Dr. Zöpel, Christoph F.D.P. Dr. Blunk ({193}), Michaela PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({194}) Fritz Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Schenk, Christina Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß ({195}), Konrad Fraktionslos Dr Briefs_ Ulrich Enthalten CDU/CSU Graf von Schönburg-Glauchau, Joachim SPD Duve, Freimut Dr. Gautier, Fritz Neumann ({196}), Volker F.D.P. Dr. Hirsch, Burkhard Dr. von Teichman, Cornelia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Poppe, Gerd Schulz ({197}), Werner Der Antrag ist damit ebenfalls angenommen. Wenn es keinen Widerspruch gibt, fahren wir mit der Tagesordnung fort. Die beiden noch ausstehenden Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen gebe ich zwischendurch bekannt. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat heute als Themen der Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern; Beseitigung von Investitionshemmnissen im eigentumsrechtlichen Bereich in den neuen Bundesländern; deutsche Beteiligung an den UNO-Friedensoperationen in Somalia. Ich glaube, der letzte Punkt ist ausgiebig behandelt worden. Das Wort für einleitende Bemerkungen hat die Bundesministerin für Frauen und Jugend, Dr. Angela Merkel.

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gleichberechtigungsgesetzes beschlossen. Es handelt sich bei diesem Gesetz um das wichtigste gesetzgeberische frauenpolitische Vorhaben dieser Legislaturperiode. Die Regelungen des zweiten Gleichberechtigungsgesetzes reichen von der Frauenförderung und der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer in der Bundesverwaltung über die wirksamere Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frauen auch in der Privatwirtschaft und den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bis hin zu Regelungen über die verbesserte Repräsentanz von Frauen in Gremien, die im Einflußbereich des Bundes liegen. Das Gleichberechtigungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für die verbesserte Chancengleichheit der Frau im Beruf und im öffentlichen Leben und auch für die Einbeziehung der Männer in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir verfolgen dabei einen pragmatischen Weg und verzichten bewußt auf diriBundesministerin Dr. Angela Merkel gistische Maßnahmen, z. B. Quotenregelungen, und auch auf zusätzliche Bürokratisierungen. Das Gleichberechtigungsgesetz kann Unternehmen der Privatwirtschaft weder aus rechtlichen noch aus wirtschaftspolitischen Gründen zu einer Frauenförderung analog der Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst verpflichten - das wird in der öffentlichen Diskussion oft verkannt -, aber einige Bestimmungen des Gleichberechtigungsgesetzes gelten auch uneingeschränkt für die Privatwirtschaft, so z. B. die Regelungen des Gleichberechtigungsgesetzes zur wirksameren Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots bei der Bewerbung von Frauen um einen Arbeitsplatz und ihrem beruflichen Aufstieg sowie beim Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Trotz intensiver Prüfung ließ sich unsere ursprüngliche Absicht einer weiteren Förderung des sozialen Ehrenamts und der Familienarbeit durch steuer- oder sozialrechtliche Lösungen wegen der angespannten Haushaltslage nicht umsetzen. Das Gesetz enthält folgende Schwerpunkte: Gesetzesziel für die Bundesverwaltung ist die berufliche Förderung der Frauen einschließlich der Beseitigung ihrer Unterrepräsentanz in allen Bereichen, besonders in Funktionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben. Dazu muß jede Dienststelle einen jeweils dreijährigen Frauenförderplan mit verbindlichen Zielvorgaben aufstellen. Jede Dienststelle hat grundsätzlich ab einer Mindestgröße von 200 Beschäftigten eine Frauenbeauftragte zu bestellen, deren wichtigste Aufgabe die Mitwirkung und Kontrolle bei der Aufstellung und Durchführung des Frauenförderplans ist. Die Frauenbeauftragte übt diese Tätigkeit weisungsfrei aus. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer in der Bundesverwaltung zu verbessern, müssen auch die Stellen für Vorgesetzten-und Leitungsaufgaben grundsätzlich in Voll- und Teilzeitform ausgeschrieben werden. Somit wird die Dienststelle zur Schaffung eines ausreichenden Angebots an Teilzeitarbeitsplätzen für Frauen und Männer mit Familienpflichten aufgefordert. Durch eine Änderung der dienstrechtlichen Vorschriften wird auch bei Positionen mit Vorgesetzten-und Leitungsaufgaben ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf Teilzeit und Beurlaubung aus familiären Gründen eingeräumt. Die häusliche Pflege wird in gleicher Weise wie bisher schon die Kinderbetreuung als Verzögerungsfall berücksichtigt, und die Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Laufbahnbewerbern mit Familienpflichten wird heraufgesetzt. Im Betriebsverfassungs- und Bundespersonalvertretungsgesetz wird der Aufgabenkatalog hinsichtlich der Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen erweitert. Ein weiterer Punkt ist der Abbau der Benachteiligung von Frauen wegen ihres Geschlechts durch einen Arbeitgeber bei der Einstellung oder beim beruflichen Aufstieg. Es ist so, daß die Entschädigungsleistungen im Falle eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot erhöht werden. Außerdem ist ein großer Fortschritt die Verschärfung des Gebots der Stellenausschreibung für Frauen und Männer durch die Umwandlung der bisherigen Soll- in eine Muß-Vorschrift. Bei höherbewerteten Positionen wurde dieses Gebot bis heute vielfach nicht beachtet. Das Gesetz zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist ein weiterer Artikel in unserem Gleichberechtigungsgesetz. Sein Geltungsbereich erstreckt sich über den öffentlichen Dienst hinaus auch auf die Privatwirtschaft. Wir haben uns auf eine Begriffsbestimmung festgelegt und außerdem Marge-stellt, daß eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ein dienst- oder arbeitsrechtliches Vergehen ist. Das Gesetz über die Berufung und Entsendung von Frauen und Männern in Gremien im Einflußbereich des Bundes steht bisher ebenfalls ohne Vorbild da. Es verpflichtet sowohl den Bund als auch alle gesellschaftlichen Institutionen, Organisationen und Verbände, für Gremiensitze grundsätzlich sowohl einen Mann als auch eine Frau zu benennen. Wir erwarten von diesem Gremiengesetz, daß die massive Unterrepräsentanz von Frauen in Gremien - die Beteiligung von Frauen hat bislang die Größenordnung von 6 % erreicht - durch diese Doppelvorschläge deutlich abgebaut wird. Wir kommen mit dem Gleichberechtigungsgesetz dem Auftrag in Art. 31 des Einigungsvertrages und außerdem einer Verpflichtung aus der Koalitionsvereinbarung nach. Ich hoffe, daß mit diesem Gesetzesvorschlag die Frauenförderung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf einer verbesserten gesetzlichen Grundlage geregelt werden können. Herzlichen Dank.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Bevor ich Fragen zulasse, möchte ich die Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekanntgeben. Ich gebe zunächst das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Keine Beteiligung der Bundeswehr an der Durchsetzung des Flugverbots über BosnienHerzogewina" auf Drucksache 12/4710 bekannt. Abgegebene Stimmen: 551; ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 199 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 343 Abgeordnete gestimmt. Es gab 9 Enthaltungen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 551; davon: ja: 201 nein: 342 enthalten: 8 Ja SPD Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker ({0}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Bindig, Rudolf Blunck ({1}), Lieselott Bock, Thea Dr. Böhme ({2}), Ulrich Börnsen ({3}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({4}), Hans Büchner ({5}), Peter Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Vizepräsident Helmuth Becker Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Dr. Diederich ({6}), Nils Diller, Karl Dr. Dobberthien, Marliese Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({7}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({8}), Evelin Fischer ({9}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({10}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Gansel, Norbert Gilges, Konrad Gleicke, Iris Dr. Glotz, Peter Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({11}), Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Dr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Hiller ({12}), Reinhold Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Janz, Ilse Dr. Janzen, Ulrich Dr. Jens, Uwe Jungmann ({13}), Horst Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Dr. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Kubatschka, Horst Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Leidinger, Robert Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann ({14}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({15}), Dieter Marx, Dorle Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Mattischeck, Heide Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({16}), Franz-Josef Dr. Meyer ({17}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({18}), Michael Müller ({19}), Albrecht Müller ({20}), Rudolf Müller ({21}), Jutta Müller ({22}), Christian Neumann ({23}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({24}), Horst Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd Rixe, Günter Schaich-Walch, Gudrun Schily, Otto Schloten, Dieter Schmidbauer ({25}), Horst Schmidt ({26}), Ursula Schmidt ({27}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schutz, Dietmar Dr. Schuster, R. Werner Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Sielaff, Horst Simm, Erika Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Stiegler, Ludwig Dr. Struck, Peter Terborg, Margitta Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Verheugen, Günter Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({28}), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Waltemathe, Ernst Walter ({29}), Ralf Walther ({30}), Rudi Wartenberg ({31}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({32}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({33}), Gert Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Weyel, Gudrun Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({34}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({35}), Hermann Dr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Wolf, Hanna Zapf, Uta Dr. Zöpel, Christoph F.D.P. Dr. Hirsch, Burkhard PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({36}), Fritz Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Schenk, Christina Weiß ({37}), Konrad Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Nein CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({38}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({39}), Klaus Büttner ({40}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({41}), Manfred Carstensen ({42}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, Udo Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl Fischer ({43}), Dirk Fischer ({44}), Leni Fockenberg, Winfried Francke ({45}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({46}), Johannes Geiger, Michaela Dr. Geiger ({47}), Sissy Geis, Norbert Dr. Geißler, Heiner Dr. von Geldern, Wolfgang Gibtner, Horst Glos, Michael Göttsching, Martin Götz, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Harries, Klaus Haschke ({48}), Gottfried Haschke ({49}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({50}), Otto Hauser ({51}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({52}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({53}), Michael Junghanns, Ulrich Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kittelmann, Peter Klein ({54}), Günter Klein ({55}), Hans Vizepräsident Helmuth Becker Klinkert, Ulrich Köhler ({56}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({57}), Volkmar Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({58}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Limbach, Editha Link ({59}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lippold ({60}), Klaus W. Dr. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({61}), Wolfgang Louven, Julius Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Maaß ({62}), Erich Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({63}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({64}), Elmar Müller ({65}), Hans-Werner Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({66}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({67}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Protzner, Bernd Rahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Dr. Riedl ({68}), Erich Riegert, Klaus Ringkamp, Werner Rode ({69}), Helmut Rönsch ({70}), Hannelore Roitzsch ({71}), Ingrid Romer, Franz Dr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth ({72}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({73}), Helmut Sauer ({74}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({75}), Günther Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({76}), Andreas Schmidt ({77}), Trudi von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({78}), Dieter Schulz ({79}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner R. Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Vogel ({80}), Friedrich Vogt ({81}), Wolfgang Dr. Voigt ({82}), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({83}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({84}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({85}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang SPD Dr. Gautier, Fritz Neumann ({86}), Volker Dr. Wernitz, Axel F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg ({87}), Dieter-Julius Eimer ({88}), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Gries, Ekkehard Grünbeck, Josef Grüner, Martin Günther ({89}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({90}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich Koppelin, Jürgen Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lühr, Uwe Mischnick, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({91}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({92}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({93}), Arno Dr. Schnittler, Christoph Schuster, Hans Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. von Teichman, Cornelia Thiele, Carl-Ludwig Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({94}), Wolfgang Wolfgramm ({95}), Torsten Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner Fraktionslos Lowack, Ortwin Enthalten SPD Duve, Freimut Meckel, Markus Oostergetelo, Jan FDP Dr. Blunk ({96}), Michaela Lüder, Wolfgang BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Poppe, Gerd Schulz ({97}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Der Antrag ist abgelehnt. Ich gebe ferner das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der vierten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Unverzügliche Verabschiedung einer Grundgesetzänderung für Blauhelm-Einsätze" auf der Drucksache 12/4768 bekannt. Hierüber haben 554 Kolleginnen und Kollegen abgestimmt. Es gab keine ungültige Stimme. Mit Ja haben 179 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Mit Nein haben 362 Abgeordnete gestimmt. Es gab 13 Enthaltungen. Vizepräsident Helmuth Becker Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 551; davon: ja: 179 nein: 359 enthalten: 13 Ja SPD Andres, Gerd Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker ({98}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Bindig, Rudolf Blunck, ({99}), Lieselott Bock, Thea Dr. Böhme ({100}), Ulrich Börnsen ({101}), Arne Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Büchler ({102}), Hans Büchner ({103}), Peter Bulmahn, Edelgard Burchardt, Ursula Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter Daubertshäuser, Klaus Dr. Diederich ({104}), Nils Diller, Karl Duve, Freimut Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke ({105}), Horst Eich, Ludwig Dr. Elmer, Konrad Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer ({106}), Evelin Fischer ({107}), Lothar Formanski, Norbert Fuchs ({108}), Katrin Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Gansel, Norbert Dr. Gautier, Fritz Gilges, Konrad Gleicke, Iris Dr. Glotz, Peter Graf, Günter Großmann, Achim Haack ({109}), Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Hanewinckel, Christel Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Dr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Hiller ({110}), Reinhold Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin Huonker, Gunter Iwersen, Gabriele Jäger, Renate Dr. Janzen, Ulrich Dr. Jens, Uwe Jungmann ({111}), Horst Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Dr. Klejdzinski, Karl-Heinz Klemmer, Siegrun Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf Kolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Leidinger, Robert Lennartz, Klaus Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann ({112}), Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß ({113}), Dieter Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Mehl, Ulrike Meißner, Herbert Dr. Mertens ({114}), Franz-Josef Dr. Meyer ({115}), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller ({116}), Michael Müller ({117}), Rudolf Müller ({118}), Jutta Müller ({119}), Christian Neumann ({120}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oostergetelo, Jan Ostertag, Adolf Dr. Otto, Helga Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter ({121}), Horst Pfuhl, Albert Dr. Pick, Eckhart Poß, Joachim Purps, Rudolf von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd Schaich-Walch, Gudrun Schily, Otto Schloten, Dieter Schmidt ({122}), Ursula Schmidt ({123}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schöler, Walter Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schütz, Dietmar Dr. Schuster, Werner Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Sielaff, Horst Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland Steen, Antje-Marie Stiegler, Ludwig Dr. Struck, Peter Terborg, Margitta Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Titze-Stecher, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Verheugen, Günter Dr. Vogel, Hans-Jochen Voigt ({124}), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Walter ({125}), Ralf Walther ({126}), Rudi Wartenberg ({127}), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis ({128}), Reinhard Weisheit, Matthias Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({129}), Gert Wester, Hildegard Westrich, Lydia Dr. Wetzel, Margrit Weyel, Gudrun Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({130}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer ({131}), Hermann Dr. de With, Hans Wittich, Berthold Wohlleben, Verena Ingeburg Wolf, Hanna Zapf, Uta Dr. Zöpel, Christoph PDS/Linke Liste Dr. Keller, Dietmar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Poppe, Gerd Dr. Ullmann, Wolfgang Nein CDU/CSU Dr. Ackermann, Else Adam, Ulrich Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Dr. Böhmer, Maria Börnsen ({132}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({133}), Klaus Büttner ({134}), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens ({135}), Manfred Carstensen ({136}), Peter Harry Dehnel, Wolfgang Dempwolf, Gertrud Deres, Karl Deb, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Dr. Dregger, Alfred Echternach, Jürgen Ehlers, Wolfgang Ehrbar, Udo Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl Fischer ({137}), Dirk Erik Fischer ({138}), Leni Fockenberg, Winfried Francke ({139}), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz ({140}), Johannes Geiger, Michaela Dr. Geiger ({141}), Sissy Geis, Norbert Dr. Geißler, Heiner Dr. von Geldern, Wolfgang Gibtner, Horst Glos, Michael Göttsching, Martin Götz, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Dr. Grünewald, Joachim Harries, Klaus Haschke ({142}), Gottfried Haschke ({143}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser ({144}), Otto Hauser ({145}), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jaffke, Susanne Dr. Jahn ({146}), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr. Jobst, Dionys Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Jung ({147}), Michael Junghanns, Ulrich Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Keller, Peter Kittelmann, Peter Klein ({148}), Günter Klein ({149}), Hans Vizepräsident Helmuth Becker Klinkert, Ulrich Köhler ({150}), Hans-Ulrich Dr. Köhler ({151}), Volkmar Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Kraus, Rudolf Krause ({152}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Dr. Lammert, Norbert Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Limbach, Editha Link ({153}), Walter Lintner, Eduard Dr. Lippold ({154}), Klaus W. Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann ({155}), Wolfgang Louven, Julius Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Maaß ({156}), Erich Männle, Ursula Magin, Theo Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Marschewski, Erwin Dr. Mayer ({157}), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Merkel, Angela Dorothea Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup, Reinhard Michels, Meinolf Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller ({158}), Elmar Müller ({159}), Hans-Werner Nelle, Engelbert Dr. Neuling, Christian Neumann ({160}), Bernd Niedenthal, Erhard Nitsch, Johannes Nolte, Claudia Dr. Olderog, Rolf Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto ({161}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Paul Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pfennig, Gero Dr. Pinger, Winfried Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Protzner, Bernd Rahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Regenspurger, Otto Reichenbach, Klaus Dr. Reinartz, Bertold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Dr. Riedl ({162}), Erich Riegert, Klaus Ringkamp, Werner Rode ({163}), Helmut Rönsch ({164}), Hannelore Roitzsch ({165}), Ingrid Romer, Franz-Xaver Dr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth ({166}), Adolf Rother, Heinz Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({167}), Helmut Sauer ({168}), Roland Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Scharrenbroich, Heribert Schartz ({169}), Günther Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({170}), Andreas Schmidt ({171}), Trudi von Schmude, Michael Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von SchönburgGlauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Frhr. von Schorlemer, Reinhard Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte ({172}), Dieter Schulz ({173}), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwarz-Schilling, Christian Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Wilfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Dr. Sprung, Rudolf Steinbach-Hermann, Erika Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Tillmann, Ferdinand Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Vogel ({174}), Friedrich Vogt ({175}), Wolfgang Dr. Voigt ({176}), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Dr. Waigel, Theodor Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({177}), Herbert Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek ({178}), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wissmann, Matthias Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({179}), Simon Wonneberger, Michael Wülfing, Elke Würzbach, Peter Kurt Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang SPD Bury, Hans Martin Dr. Dobberthien, Marliese Janz, Ilse Müller ({180}), Albrecht F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg ({181}), Dieter-Julius Eimer ({182}), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Gries, Ekkehard Grüner, Martin Günther ({183}), Joachim Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Dr. Haussmann, Helmut Heinrich, Ulrich Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert ({184}), Detlef Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Koppelin, Jürgen Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger Sabine Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe Mischnick, Wolfgang Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Peters, Lisa Dr. Pohl, Eva Richter ({185}), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schäfer ({186}), Helmut Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({187}), Arno Dr. Schnittler, Christoph Schuster, Hans Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Manila Dr. Semper, Sigrid Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. von Teichman, Cornelia Thiele, Carl-Ludwig Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Walz, Ingrid Dr. Weng ({188}), Wolfgang Wolfgramm ({189}), Torsten Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla Lederer, Andrea Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({190}), Fritz Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Köppe, Ingrid Schenk, Christina Weiß ({191}), Konrad Fraktionslos Lowack, Ortwin Enthalten SPD Kubatschka, Horst Marx, Dorle Mattischeck, Heide Neumann ({192}), Volker Rixe, Günter Schmidbauer ({193}), Horst Simm, Erika Urbaniak, Hans-Eberhard Waltemathe, Ernst Dr. Wernitz, Axel F.D.P. Dr. Blunk ({194}), Michaela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schulz ({195}), Werner Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Vizepräsident Helmuth Becker Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Mir liegt zunächst die Wortmeldung von Frau Petra Bläss zu den Ausführungen der Frau Ministerin vor. Bitte, Sie haben das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen zum Gleichberechtigungsgesetz. Die erste Frage lautet: Ist im Gleichberechtigungsgesetz an Maßnahmen der „positiven Diskriminierung" zur aktiven Befreiung der Frau von Benachteiligung und Ungleichheiten gedacht, d. h. welche konkreten Überlegungen gibt es hinsichtlich des Abbaus von Vorzugsbehandlungen von Männern? Die zweite Frage: Wie soll verhindert werden, daß das Gleichberechtigungsgesetz lediglich die vollständige Anpassung von Frauen an von Männern dominierte Strukturen fördert? Alle Erfahrungen besagen ja, daß Wertvorstellungen und Fähigkeiten von Frauen nur durch Strukturveränderungen endlich zur Geltung kommen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Minister, bitte.

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Kollegin Bläss, um mit der Strukturveränderung zu beginnen: Ich möchte sagen, daß es sich um ein Gesetz handelt, das sich in seinen wesentlichen Teilen auf den öffentlichen Dienst bezieht. Es ist nicht daran gedacht, die Struktur des öffentlichen Dienstes zu verändern, sondern daran, Frauen die Möglichkeit zu geben, an den verschiedenen Positionen zu partizipieren, und zwar vor allen Dingen in dem Sinne, daß Frauen, die Erziehungs-, Pflegepflichten mit der Berufstätigkeit vereinbaren müssen oder wollen, verbesserte Chancen eröffnet werden, dies auch zu tun. Was eine „positive Diskriminierung" anbelangt, so muß man natürlich sagen, daß erst einmal das Leistungskriterium gilt. Wir haben sodann verschiedene Vorschläge gemacht, wie auf gesetzlicher Grundlage im Rahmen eines Frauenförderplans dafür gesorgt werden kann, daß über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg festgeschrieben wird - mit flexiblen Zielvorgaben, dann aber festgelegt im Frauenförderplan -, in welcher Weise man sich die Besetzung bestimmter Positionen vorzustellen hat. Im Einzelfall kann das selbstverständlich nur nach den normalen Kriterien, die im öffentlichen Dienst gelten, durchgeführt werden. Ich betrachte es als eine positive Regelung, daß auch hinsichtlich Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben ein Anspruch auf Teilzeitarbeit bestehen soll, wenn es sich um Familienpflichten oder Pflegeleistungen handelt. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Es geht also nicht darum, das Gleichbehandlungsgebot in irgendeiner Weise zu vernachlässigen, sondern nur darum, aus der konkreten Lebenssituation, die sehr häufig Frauen betrifft, die richtigen, pragmatischen Schlußfolgerungen zu ziehen. Selbstverständlich achten wir auch auf einen anderen Aspekt. Sie haben in Ihrer Frage sozusagen impliziert, daß es eine grundsätzliche Benachteiligung von Frauen gibt. Wir haben ja dem EG-Anpassungsgesetz durch die Normierung des § 611 a BGB betreffend ein Benachteiligungsverbot bei Einstellung und Beförderung schon Rechnung getragen. In dem Gesetzentwurf geht es nur darum, durch angemessene Entschädigungsleistungen sicherzustellen, daß sich die Betriebe auch an diese gesetzliche Vorschrift halten. Es geht ferner darum, daß die Stellen für Frauen und Männer ausgeschrieben werden müssen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Zu einer weiteren Frage Frau Kollegin Ulrike Mascher.

Ulrike Mascher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem einleitenden Beitrag von verbindlichen Zielvorgaben gesprochen. Sie haben in Beantwortung der Frage der Kollegin Bläss soeben jedoch von flexiblen Zielvorgaben gesprochen. Meine erste Frage ist: Wer definiert diese Zielvorgaben, und wie werden sie durchgesetzt? Hat die Frauenbeauftragte in dieser Beziehung Rechte? Hat sie z. B. das Recht, sich gegen personelle Maßnahmen auszusprechen, wenn sie Frauen benachteiligen? Die zweite Frage: Sie haben davon gesprochen, daß der Aufgabenkatalog im Betriebsverfassungsgesetz erweitert werden soll. Heißt das, daß die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates so erweitert werden, daß er wegen Benachteiligungen von Frauen bei personellen Einzelmaßnahmen z. B. seine Zustimmung verweigern kann?

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Minister, bitte.

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Frau Kollegin Mascher, zur Verbindlichkeit der Zielvorgaben: Es wird ein Frauenförderplan auf der Grundlage dieses Gesetzes aufgestellt, der für drei Jahre gilt. Dieser Frauenförderplan hat Zielvorgaben für die konkrete Situation in der Behörde. Wir fixieren nicht für alle Behörden einen bestimmten Frauenanteil, sondern wir schauen, wie es in einer bestimmten Behörde mit der personellen Besetzung aussieht. Die Frauenbeauftragte stellt dann im Zusammenhang mit der Verwaltung einen Frauenförderplan auf. Deshalb sprechen wir von flexibler Zielvorgabe. Sind die Zielvorgaben aber für eine Frauenbehörde fixiert, handelt es sich um einen verbindlichen Frauenförderplan. Dadurch ist es vielleicht zu diesem Mißverständnis gekommen. Sie haben weiterhin nach den Rechten der Frauenbeauftragten gefragt. Die Frauenbeauftragte ist Teil der Verwaltung. Sie ist aber in ihrer Tätigkeit als Frauenbeauftragte nicht weisungsgebunden, sondern für die Belange der Frauen in der entsprechenden Behörde da. Die Frauenbeauftragte genießt einen Schutz, der dem der Personalratsmitglieder ähnlich ist, d. h. einen Kündigungsschutz. Die Frauenbeauftragte ist dafür zuständig, daß der Frauenförderplan, allerdings zusammen mit der Verwaltung, umgesetzt wird. Die Frauenbeauftragte hat Vortragsrecht, allerdings kein Vetorecht. Sie kann zwar gegen die Beschlüsse der Leitung Einspruch einlegen, kann diese aber nicht aufheben. Was die Mitbestimmungsrechte anbelangt, so haben wir den Katalog der Aufgaben der Betriebs-und Personalräte auf die Aufgabe der Frauenförderung erweitert. Es ist aber nicht so, daß über die derzeitigen Mitbestimmungsregelungen hinaus jetzt Einstellungen oder Bestellungen verweigert werden können, die bislang nicht verweigert werden konnten.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Ich rufe nun als nächste Fragestellerin unsere Frau Kollegin Dr. Maria Böhmer auf.

Dr. Maria Böhmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002630, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie sprachen eben von den Zielvorgaben als einem ganz wichtigen Bestandteil der Frauenförderpläne. Sicherlich müssen dazu aber noch weitere Maßnahmen kommen. Welche Maßnahmen sind im Bereich der Frauenförderpläne noch vorgesehen? Wie wird sich die Bundesregierung einen Überblick über die Wirksamkeit dieses Gesetzes in bezug auf die Umsetzung der einzelnen Maßnahmeteile verschaffen?

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Frau Kollegin Böhmer, selbstverständlich werden, bevor der Frauenförderplan erstellt wird, erst einmal statistische Angaben über die Zahl der Frauen in den verschiedenen Positionen erfaßt. Dies wird dann alle drei Jahre überprüft, d. h. der Bericht wird fortgeschrieben. Selbstverständlich wird - das haben wir heute schon auf Grund von parlamentarischen Anfragen - eine Gesamtübersicht erstellt, so daß sich eine völlig unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Behörden nicht vollziehen kann. Im Rahmen der Frauenförderung und der Arbeit der Frauenbeauftragten besteht natürlich die Aufgabe auch darin, die Stellenausschreibungen genau zu beobachten, weil die Ausschreibung - auch in Teilzeitformen, und zwar auch für Vorgesetztenstellen - sehr wichtig ist. Die Frauenbeauftragte hat, wenn das Einverständnis der entsprechenden Frauen vorliegt, auch die Möglichkeit, die Personalakten einzusehen, um bestimmte Einstellungs- oder Qualifizierungsgespräche mitzuverfolgen. Die Frauenbeauftragte hat gerade auch in Fortbildungsfragen ein Recht, zu schauen, daß das, was wir wollen, nämlich familiengerechte Fortbildungszeiten, auch in Beurlaubungsphasen möglich ist. Das ist ein großer Fortschritt, denn für viele Frauen und auch Männer ist es heute während der Freistellungszeiten nicht möglich, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Die nächste Frage stellt jetzt unsere Kollegin Frau Maria Eichhorn.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, nach Art. 13 des Bundesgremiengesetzes ergibt sich die Möglichkeit, Gremien, die im Einflußbereich des Bundes liegen, verstärkt mit Frauen zu besetzen. Wie sehen Sie diese Möglichkeiten in der Praxis?

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Frau Kollegin Eichhorn, es gibt ungefähr 1 000 Gremien, auf deren Besetzung die Bundesregierung einen Einfluß hat. Es handelt sich dabei um Beiräte und Kuratorien, aber auch um Aufsichtsräte, z. B. bei der Deutschen Welle, um das Bundesjugendkuratorium, um den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsminister usw. In einem der letzten Gremienberichte haben wir diese 1 000 Gremien untersucht und festgestellt, daß die Repräsentanz von Frauen in ihnen bei 6 % liegt. Eine Ursache dafür ist, daß die entsendenden Verbände häufig nur Männer entsenden. Deshalb kommt von uns der Vorschlag, jeweils einen Mann und eine Frau zu benennen. Dann kann die Auswahl erfolgen. Ich erhoffe mir davon - ich zeige es am Beispiel meines eigenen Ministeriums -, daß ich für das Bundesjugendkuratorium bei 20 Vorschlägen, von denen 14 von Verbänden kommen, nicht etwa 14 Männer oder 13 Männer und eine Frau genannt bekomme, sondern die Möglichkeit habe, zwischen 14 Männern und 14 Frauen auszuwählen. In der Weise wird eine ausgewogene Besetzung selbst eines so frauenfreundlichen Gremiums wie des Bundesjugendkuratoriums - wenn man die Erziehungsleistungen von Frauen verfolgt - möglich sein. Das ist heute nicht der Fall. Heute stammt der Frauenanteil im wesentlichen aus den Bereichen, in denen die Bundesregierung selber die Mitglieder bestellt.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Die nächste Fragestellerin ist unsere Frau Kollegin Claudia Nolte.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich nehme noch einmal Bezug auf Stellenausschreibungen. Sind bei Verstoß gegen eine geschlechtsneutrale Stellenausschreibung Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen? Wenn ja, welche? Eine zweite Frage: Inwieweit werden die Rechte der Frauen in den Personalräten gestärkt?

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Ich fange mit der zweiten Frage an. Die Rechte der Frauen in den Personalräten sind heute deshalb so schlecht - das trifft auch auf die Betriebsräte zu -, weil Frauen in diesen Gremien unterrepräsentiert sind. Deshalb ist unser Ansatz der, daß wir sagen: Es müssen mehr Frauen in die Personal- und Betriebsräte hinein, damit Frauen über die Probleme, die Frauen bewegen, sprechen können. Wir haben deshalb erst einmal gesagt, daß es auch Aufgabe der Betriebs- und Personalräte ist, sich um die Belange der Frauen zu kümmern, dafür verantwortlich zu sein. Zweitens haben wir gesagt, daß in den Wahlausschüssen bei der Wahl zu Personal- und Betriebsräten Frauen vertreten sein müssen, um sicherzustellen, daß auf den Listen auch Frauen erscheinen. Es scheint uns nicht möglich zu sein, sozusagen getrennte Wahllisten für Frauen und Männer zu machen. Ich halte das nicht für praktikabel. Die andere Frage betraf Sanktionen in dem Fall, daß der Muß-Vorschrift bei der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung nicht nachgekommen wird. Wir haben von solchen eigenständigen Sanktionen abgesehen. Eine Sanktionierung erfolgt erst dann, wenn im konkreten Fall ein Verstoß gegen die geschlechtsneutrale Behandlung der Beteiligten nachgewiesen werden kann. Durch die Ausschreibung allein kann das im konkreten Fall nicht erfolgen. Es ist ein gesetzlicher, aber kein strafrechtlicher Verstoß.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Als nächster Fragestellerin erteile ich unserer Frau Kollegin Dr. Sissy Geiger das Wort.

Dr. Sissy Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, die Einführung von Frauenbeauftragten ist ja in vielen Gremien etwas Neues. Wie kann man es denn anstellen, daß diese Frauen innerhalb ihrer Dienststelle bekannt werden? Ist daran gedacht, daß sie ein Budget z. B. für Pressearbeit oder Werbung haben, so daß sie bekannt werden, damit man weiß, daß ein Ansprechpartner vorhanden ist?

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Die Frauenbeauftragten sind Teil der Verwaltung. Sie werden von der Verwaltung durch Ausschreibung bestellt. Ich glaube, schon durch die Ausschreibung ist dafür gesorgt, daß das in gewisser Weise bekannt wird. Außerdem müssen natürlich genau wie Name oder Person der Frauenbeauftragten auch der Frauenförderplan und alle anderen Angelegenheiten der Frauenbeauftragten öffentlich bekanntgemacht werden. Es ist nicht daran gedacht, für die Frauenbeauftragte in der jeweiligen Behörde extra eine Öffentlichkeitsarbeit zu organisieren. Sie ist Teil der Verwaltung; das muß man schon sagen. Die Frauenbeauftragte vertritt Frauen und ist von bestimmten Arbeiten freigestellt; aber an Budgets ist nicht gedacht. Sie denken sicherlich an den Personalrat oder den Betriebsrat. Ich will an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen: Die Frauenbeauftragten sind - Sie merken das auch an den Regelungen für Personalräte oder Betriebsräte - natürlich eine neue Einrichtung. Wir haben ganz deutlich gesagt: Sie sind Teil der Verwaltung, ansonsten müßten wir eine spezielle Mitbestimmung für Frauen einführen. Das halte ich nicht für sinnvoll. Das Ziel ist natürlich, daß sich die Betriebs- und Personalräte im Sinne der Interessenvertretung der Angestellten und Arbeiter auch um die Belange der beschäftigten Frauen kümmern. An eine Sonderinstitution im Sinne einer neuen Mitbestimmung ist in keiner Weise gedacht.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren! Ich lasse zu diesem Themenbereich noch zwei angemeldete Fragen zu; dann kommen wir zu einem anderen Bereich, zu dem mir schon Wortmeldungen vorliegen. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Dr. Edith Niehuis.

Dr. Edith Niehuis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001609, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem ersten Beitrag die sexuelle Belästigung angesprochen und von arbeitsrechtlichen Konsequenzen gesprochen. Ich hätte ganz gern gewußt, wie Sie mit Ihrem Gesetz den erfolgreichen Beschwerdeweg und die Beweisführung sicherstellen wollen. Dann möchte ich noch wissen, zu welchen arbeitsrechtlichen Konsequenzen es in welchen Fällen kommt. Sie haben in Ihren ersten Ausführungen die Privatwirtschaft ausgeklammert und in erster Linie vom öffentlichen Dienst geredet. Meine Frage ist: Nach Art. 1 GG sind die Grundrechte für alle drei Gewalten des Staates unmittelbar bindendes Recht. Wenn Sie nun versuchen, Art. 3 GG, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind, per Gesetz umzusetzen, dann muß ich Sie fragen, warum Sie einen so großen Bereich wie die Privatwirtschaft ausklammern. Ich frage das insbesondere deswegen, weil der Staat ansonsten keine Schwierigkeiten damit hat, Ordnungsvorbehalte in der Privatwirtschaft durchzusetzen. Das Betriebsverfassungsgesetz und das Kündigungsschutzgesetz sind dafür Beispiele, auch das DSD und die gesamte Umweltschutzgesetzgebung. Haben Sie nicht genügend Kraft, einem so wichtigen Grundrecht wie dem, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind, auch in der Privatwirtschaft Geltung zu verschaffen?

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Frau Kollegin Niehuis, ich habe in meinem Vortrag deutlich gemacht, daß in dem Gesetz selbstverständlich auch Regelungen für die Privatwirtschaft sind und daß z. B. der Schutz vor sexueller Belästigung auch für den privatwirtschaftlichen Bereich gilt. Die sexuelle Belästigung betrifft im wesentlichen Frauen. Die Regelung bezüglich der Stellenausschreibung gilt auch für die Privatwirtschaft, ebenso die Sanktionierung im Falle eines Verstoßes gegen das Prinzip der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung. Die Frage ist nur, in welcher Weise es möglich oder sinnvoll ist, für die Personalpolitik der Unternehmen, für die der Bereich der Mitbestimmung gilt, solche Regelungen anzuwenden, wie man das für die Behörden des Bundes, also für den öffentlichen Dienst, derartig detailliert tun kann. Zu diesem Punkt kann ich nur sagen, daß die gesamten betrieblichen Regelungen darauf hindeuten, daß das in keiner Weise üblich ist und daß dafür ein anderes Instrumentarium vorhanden ist, und zwar ein Instrumentarium, das die Grundrechte nach Art. 3 GG selbstverständlich auch heute schon Männern und Frauen in gleichem Maße zugesteht. Wir sind beide der Meinung, daß eine Ergänzung des Art. 3 GG sinnvoll ist. Es gibt aber heute schon die Regelung von Art. 3 Abs. 2 GG, in dem steht: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Dieser Gleichheitsgrundsatz wird juristisch - das findet sich seit vielen Jahren in vielen Gesetzgebungsvorhaben der jetzigen Bundesregierung und aller früheren Bundesregierungen wieder - natürlich auch verwirklicht. Die wenigen Stellen, die ich genannt habe und bei denen z. B. die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung bis heute nicht Usus ist, müssen bereinigt werden. Trotzdem sind es verschiedene Tatbestände, ob der Bund als Arbeitgeber auftritt oder ob wir Bereiche regeln, die sonst durch andere Gesetzlichkeiten geregelt werden. Das hat nichts mit Kraft zu tun. Diesen Ausdruck halte ich nicht für sinnvoll. Man kann hier allenfalls sagen: Die Bundesvorschriften, das, was wir für den öffentlichen Dienst regeln, zeigen, in welcher Weise sich der Arbeitgeber Bund vorstellt, daß Frauen die gleichen Chancen wie Männer bekommen sollen und wie man Beruf und Familie miteinander vereinbart. Der zweite Punkt war die sexuelle Belästigung. Hier verhält es sich so, daß wir nach einer Begriffsbestimmung der sexuellen Belästigung gesagt haben, daß sich die Frauen natürlich erst einmal bei der zuständigen Stelle der Verwaltung beschweren können, daß die Frauenbeauftragte das selbstverständlich mitverfolgt oder die Beschwerde aufnimmt und daß dann die Maßnahmen Abmahnung, Umsetzung und Versetzung bis hin zur Kündigung ergriffen werden können, die auch sonst bei dienst- und arbeitsrechtlichen Verstößen angewandt werden. Selbstverständlich müssen Streitigkeiten vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden, wie es auch heute der Fall ist, wenn es um arbeitsrechtliche Verstöße geht, bei denen unterschiedliche Auffassungen vorliegen. Wir haben zum Schutz der Frauen eine Bestimmung eingeführt, die besagt: Falls das Opfer der sexuellen Belästigung der Meinung ist, daß die Dienststellenleitung nicht adäquat reagiert hat, ist es möglich, den dienstlichen Pflichten bei Fortzahlung des Lohnes fernzubleiben, so lange, bis eine Klärung herbeigeführt wird. Wir wissen, daß sich Frauen, die sexuell belästigt werden, in einer sehr schwierigen Situation befinden. Dies ist eine sehr weitgehende Vorschrift, die, glaube ich, deutlich macht, daß wir die sexuelle Belästigung sehr ernst nehmen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Ich lasse noch eine letzte Frage von Frau Kollegin Christina Schenk zu. Bitte.

Christina Schenk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001957, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, ich bitte Sie darzulegen, weshalb die Bundesregierung die Quotierung nicht für ein geeignetes Mittel hält, um auf dem Wege der Gleichstellung von Frauen und Männern ein gutes Stück voranzukommen. Dies sage ich vor allem dem Hintergrund der Tatsache, daß es ja sehr verschiedene Vorstellungen über Quotierung und über Quotierungsmodelle gibt, so daß mir das Argument, dies sei eine dirigistische Methode, nicht zu greifen scheint.

Dr. Angela Merkel (Minister:in)

Politiker ID: 11001478

Es gibt in der Tat sehr unterschiedliche Vorstellungen über Formen von Quotierung; deshalb ist es jetzt auch schwierig, sie alle zu diskutieren und jeweils im Ausschlußverfahren zu sagen, warum ich sie nicht für praktikabel halte. Wenn ich mir die Situation in verschiedenen Behörden anschaue, stelle ich fest, daß sich das Problem wie folgt stellt: Ich nehme das Beispiel von Referatsleiter- oder Abteilungsleiterstellen. In der Bundesregierung gibt es aus meiner Sicht leider nur drei weibliche Abteilungsleiter. Ich wüßte nicht, in welcher Weise wir jetzt Quotierungen festlegen könnten, um zu sagen - ich halte das nicht für sinnvoll -: Wir wünschen uns, daß in drei Jahren 10, 20 oder 30 % der Abteilungsleiter weiblich sind. Darauf muß bei der einzelnen Behörde sukzessiv hingearbeitet werden. Das kann man nicht gesetzlich vorgeben. Anders verhält es sich, wenn man grundsätzliche Festlegungen, wie ich es z. B. im Arbeitsförderungsgesetz befürwortet habe, derart trifft, daß man sagt: Frauen sollen entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitslosigkeit an bestimmten Maßnahmen beteiligt werden. Das würde ich nicht Quotierung nennen, sondern Gerechtigkeit. Auf der einen Seite müssen wir praktikabel vorgehen, auf der anderen Seite bin ich persönlich - um das auch ganz klar zu benennen - der Meinung, daß eine generelle Bevorzugung von Frauen nur aus Gründen des Geschlechts bei Vorliegen der Leistungsgleichheit - das ist ja der Punkt; darin sind wir uns ja einig, daß die Leistungsgleichheit gegeben sein muß - aus meiner Sicht nicht hinreichend ist, weil es noch andere Gründe geben kann, die man dabei auch bedenken muß. Ich bin nicht der Meinung, daß das, wenn es generell festgeschrieben wird, noch dem Gleichheitsgrundsatz entspricht. Hierüber gibt es einen Rechtsstreit, der zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgetragen wird; ich weiß nicht, wie er ausgeht. Ich habe meine Meinung dazu gesagt.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können uns bei der Frau Ministerin für die Beantwortung der Fragen zu ihrem Themenbereich bedanken. Wir kommen jetzt zum Themenbereich „Beseitigung von Investitionshemmnissen im eigentumsrechtlichen Bereich in den neuen Bundesländern". Dazu habe ich noch zwei Fragen. Die erste Frage stellt Herr Kollege Dr. Uwe Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich dachte eigentlich, der Herr Staatssekretär würde in die Materie erst einmal einführen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Nein, es wird nur zu einem Thema eingeführt.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf dann vielleicht fragen, ob der Herr Staatssekretär nicht auch meint, daß die nach meinen Kenntnissen etwa 1,2 Millionen Fälle auf Rückübertragung von Eigentum in Ostdeutschland, die bei den Gerichten anstehen und geregelt werden müssen, nicht ein Investitionshemmnis ersten Ranges sind, und was er zu tun gedenkt, damit dieses Investitionshemmnis möglichst schnell beseitigt wird.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Wer möchte antworten? - Herr Bundesminister Friedrich Bohl antwortet. Bitte sehr.

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Kollege Jens, es ist richtig, daß in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet wird, daß durch die Rückgabeansprüche zum Teil bis zu 200 Milliarden DM Investitionen in den neuen Ländern blockiert werden. ({0}) - Unter anderem. Wir sind der Sache nachgegangen und haben festgestellt, daß man deshalb auf die Zahl von 200 Milliarden DM gekommen ist, weil man 2 Millionen Rückgabeansprüche mit 100 000 DM Investitions12988 hemmnis multipliziert hat. Man hat also einfach, was zunächst nicht illegetim ist, unterstellt, daß für jeden Antrag sozusagen 100 000 DM Investitionen frei werden könnten. Wir haben aber festgestellt, daß sich die 2 Millionen Rückgabeansprüche nicht auf wirtschaftliche Einheiten, sondern auf sämtliche Flurstücke beziehen, so daß die genannte Grundannahme schon einmal falsch ist. Natürlich sind auch nicht alle Rückgabeansprüche automatisch berechtigt. Vielleicht darf ich folgendes sagen. Wir haben insgesamt 1 155 000 vermögensrechtliche Anträge mit 2,5 Millionen Einzelansprüchen. Wir müssen jetzt zwischen Anträgen, bei denen es um Grundstücke, und Anträgen, bei denen es um Unternehmen geht, unterscheiden, weil Unternehmen für die Investitionen eine besondere Rolle spielen. Da haben wir festgestellt, daß es per 31. Dezember letzten Jahres 120 000 Anträge auf Rückgabe von Unternehmen gegeben hat. Wir haben festgestellt, daß die Erledigungsquote hier ganz unterschiedlich ist. Damit komme ich im Grunde genommen zu dem Kern Ihrer Frage, Kollege Jens. Wir haben festgestellt, daß von diesen Anträgen insgesamt inzwischen 23 % beschieden und erledigt sind. In Sachsen zum Beispiel sind 43 % der Anträge erledigt, während in anderen Bundesländern, also Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, aber auch Thüringen - ich kann da jetzt gar keine parteipolitische Färbung erkennen, um dem gleich vorzubeugen - erheblich weniger beschieden wurde. Dies macht deutlich, daß die Ämter für offene Vermögensfragen von den Ländern, von den Kommunen entsprechend ausgestattet werden müssen, damit wir dort weiterkommen. Die Erledigungsquote, wenn ich das sagen darf, bei der Rückgabe von Grundstücken liegt bei gut 14 %. Wir haben insgesamt 280 000 Verfahren auf Rückgabe zwischenzeitlich abgeschlossen. Auch hier gibt es ganz unterschiedliche Erledigungsquoten. Sachsen-Anhalt liegt mit über 20 % an der Spitze. Ich möchte noch einmal sagen: Wir haben, soweit das in unserer Zuständigkeit liegt, darauf gedrängt, daß die Amter für offene Vermögensfragen personell besser ausgestattet werden. Wir hatten im April letzten Jahres insgesamt ungefähr 2 300 Mitarbeiter in den neuen Ländern. Durch die Bemühungen der Bundesregierung, aber auch der alten Länder haben wir jetzt etwas mehr als 4 000 Mitarbeiter; also keine Verdoppelung, aber fast eine Verdoppelung. Das hat ohne Zweifel mit dazu beigetragen, daß wir einen gewissen Antragsstau beseitigen konnten. Wir sind auch bei den Oberfinanzdirektionen ganz gut weitergekommen, die durch die Treuhand die Zuordnung in die kommunalen Vermögen vornehmen. Auch hier, glaube ich, kann man in der Tendenz feststellen, daß wir weitergekommen sind. Ich höre immer die Zahl, man brauche 20 Jahre, um die Anträge abzuarbeiten. Ich muß sagen, ich halte diese Zahl für weit übertrieben. Wir hatten in den letzten drei Monaten, also Oktober, November, Dezember des letzten Jahres - mir liegen die Zahlen für dieses Jahr noch nicht vor - 3 % Erledigung - ich rede zu lange, Herr Präsident? Ich will gleich Schluß machen, ich will Ihre Mahnung gern aufnehmen - im Vierteljahr, aber mit zunehmender Tendenz. Sie sind selbst der Rechenkünste so kundig, daß Sie sich ausrechnen können, daß wir damit weit unter 10 Jahren bleiben. Auch das ist noch nicht ausreichend. Aber ich sage noch einmal: Die unmittelbare Zuständigkeit liegt nicht beim Bund. Der Bund kann nur stimulierend, anregend wirken. Zuständig sind die Länder.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Bundesminister, es sollte keineswegs ein Hinweis darauf sein, sich mit Ihren interessanten Ausführungen zu diesem Thema kürzer zu fassen. Ich muß nur sagen: An sich ist die Zeit der Befragung der Bundesregierung jetzt abgelaufen. Ich habe noch eine Frage und würde die noch zulassen; sie geht auf Kosten der Fragestunde. Unser Kollege Hans-Joachim Hacker möchte noch fragen.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In Verbindung mit der Verabschiedung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes hatte der Deutsche Bundestag die Entschließung verabschiedet, daß erwartet wird, daß die ehemaligen Fedi-Heime an der mecklenburgvorpommerschen Ostseeküste bis Ende 1992 privatisiert werden, damit sie dann zu Beginn der neuen Saison wieder eröffnet werden können. Vor diesem Hintergrund frage ich die Bundesregierung: Wie ist die Erfüllung dieser Entschließung des Bundestages, und welcher Stand ist erreicht worden?

Friedrich Bohl (Minister:in)

Politiker ID: 11000230

Herr Präsident, Herr Kollege, ich muß gestehen, daß ich auf diese spezielle Frage jetzt nicht vorbereitet bin. Aber ich stelle Ihnen selbstverständlich umgehend die Antwort zu. Wenn Sie dann noch Fragen haben, stehe ich Ihnen auch für ein persönliches Gespräch gern zur Verfügung. ({0})

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Vielen Dank, Herr Minister. Damit sind wir am Ende der Befragung der Bundesregierung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 12/4734 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Die beiden Fragen 3 und 4 des Kollegen Wolf-Michael Catenhusen sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die beiden gestellten Fragen 5 und 6 der Frau Kollegin Uta Würfel sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Die Fragen 7 und 8 der Frau Kollegin Marion Caspers-Merk sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Vizepräsident Helmuth Becker Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Frage 9 des Kollegen Lowack soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der gestellten Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rudolf Kraus zur Verfügung. Frage 11 des Kollegen Claus Jäger soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 10 des Kollegen Horst Kubatschka auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die zunehmende Verdrängung deutscher Arbeitnehmer auf dem Bausektor durch Werkverträge mit Niedriglöhnen, und wird sie die Vorschläge der Bauindustrie aufgreifen, statt der derzeitigen Werkvertragsregelung sogenannte Gastarbeitnehmer-Verträge zu ermöglichen, mit denen Ausländer befristet direkt von deutschen Firmen angestellt und auch nach deutschen Regeln entlohnt werden könnten?

Rudolf Kraus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001202

Herr Kollege Kubatschka, die Bundesregierung hat inzwischen eine Reihe von Maßnahmen festgelegt, die sicherstellen sollen, daß illegale Praktiken, die im Gefolge der Beschäftigung von Werkvertragsarbeitnehmern aufgetreten sind, wirksam bekämpft und die Arbeitserlaubnisse für Werkvertragsarbeitnehmer auch zahlenmäßig zurückgeführt werden. Die ergriffenen Maßnahmen haben bereits zu einem spürbaren Rückgang der Beschäftigungszahlungen vom 1. Oktober 1992 von 116 000 Werkvertragsarbeitnehmern bis Ende März 1993 auf 86 400 Werkvertragsarbeitnehmer, davon übrigens 66 000 im Baubereich, geführt. Um weitergehende Wettbewerbsgleichheit mit deutschen Unternehmen herzustellen, werden vermehrte Kontrollen über die Zahlung der deutschen Tariflöhne durch die Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt. Auch die Bezahlung einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von bis zu 2 000 DM für jeden Werkvertragsarbeitnehmer wird Wettbewerbsvorteile ausgleichen helfen. Durch die Verschärfung der Sanktionsregelungen und durch die Vereinbarungen können künftig bei Lohndumping ausländische Unternehmer von der Werkvertragstätigkeit ausgeschlossen werden. Im übrigen wird die Beschäftigung von Werkvertragsarbeitnehmern weiter abnehmen, da die befristeten Zusatzkontingente im Baubereich nicht verlängert werden. Das bedeutet eine Reduzierung der Kontingente 1993 um 14 500 und 1994 um nochmals 8 000, so daß Ende 1994 die Werkvertragskontingente auf ca. 55 000, im Baubereich auf 35 000, zurückgehen werden. Bei dieser Sachlage sieht die Bundesregierung keinerlei Veranlassung, das Instrument der Werkvertragsarbeitnehmerregelung durch eine unmittelbare Beschäftigung bei deutschen Arbeitgebern zu ersetzen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil der illegalen Beschäftigungsverhältnisse ein, die durch Werkverträge hervorgerufen wurden?

Rudolf Kraus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001202

Ich denke nicht, daß es überhaupt eine vernünftige Schätzung der Anzahl derjenigen gibt, die als Vehikel für Schwarzarbeit speziell die Werkverträge benutzen. Wir sind der Überzeugung, daß alle vier Arten der legalen Beschäftigung von Ausländern natürlich auch Möglichkeiten bieten, illegal in der Bundesrepublik zu arbeiten. Offizielle Zahlen darüber gibt es nicht. Die Schätzungen reichen nach meiner Kenntnis von insgesamt 300 000 bis 500 000; eine Zahl, die insbesondere von der Baugewerkschaft immer wieder genannt wird.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Bauindustrie bereit wäre, wesentlich höhere Löhne an etwaig Beschäftigte außerhalb der Werkverträge auszuzahlen? Ist damit nicht eigentlich den Heimatländern mehr geholfen als jetzt mit der Werkvertragsregelung?

Rudolf Kraus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001202

Das sind zwei Fragen. Zur ersten Frage: Diese Möglichkeit, daß die Bauwirtschaft höhere Löhne an Gastarbeitnehmer zahlt, kann nur dann sinnvoll sein, wenn Sie unterstellen, daß heute entgegen den Vereinbarungen für Werkverträge Untertariflöhne gezahlt werden. Es ist nicht legal, wenn dies geschieht. Die Bauwirtschaft ist nicht in der Lage und jedenfalls nicht verpflichtet, höhere Löhne zu zahlen. Ich glaube auch nicht, daß sie darauf bestehen würde, höhere Löne als die Tariflöhne zu zahlen. Zur zweiten Frage, wie dem Land mehr gedient ist. Dies ist eine Frage, die man natürlich sehr unterschiedlich beantworten kann. Sie wissen, daß bei uns die alternative Regelung, die zur Werkvertragsregelung in Frage kommt, die Gastarbeiterregelung ist, die speziell den Sinn hat, Know-how, also Kenntnisse, Ausbildungsstandards, den Umgang mit moderner Technik, Managementkenntnisse und dergleichen zu vermitteln. Auf der anderen Seite ist es so, daß natürlich auch die Firmen und die Regierungen unserer Nachbarländer auf die Einhaltung der völkerrechtlich abgeschlossenen Werkvertragsabkommen allergrößten Wert legen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Kollegin Kolbe, eine Zusatzfrage.

Regina Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001173, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie kennen sicherlich die Forderung, die Werkverträge in Gastarbeiterverträge umzuwandeln. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Rudolf Kraus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001202

Frau Kolbe, wir können uns dies in manchen Bereichen vorstellen, aber immer nur unter der Voraussetzung, daß es sich nicht um Bereiche handelt, in denen dann deutsche Arbeitnehmer deshalb nicht in Arbeit kommen, weil wir derartige Verträge abschließen. Hier könnten durchaus Gastarbeitnehmerverträge in sehr geringem Umfang Werkverträge ersetzen. Diese würden Werkvertragskontingente ersetzen. Allerdings ist es das Ziel - das Sie auch mehrfach angesprochen haben -, dafür zu sorgen, daß deutsche Arbeitnehmer speziell auch im Baubereich die Chance einer Einstellung bekommen. Sie behaupten hier auch immer - das haben Sie schon mehrfach getan -, daß gerade in den neuen Bundesländern noch sehr viele Bauarbeiter arbeitslos sind. Dem Ziel, diese in Arbeit zu bringen, kommen Sie nicht näher, wenn Sie Werkvertragskontingente durch Gastarbeitnehmerkontingente ersetzen. Beides würde bedeuten, daß auf deutschen Baustellen, also auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, Ausländer beschäftigt sind. Dies ist nach Auffassung der Bundesregierung nur dann ökonomisch sinnvoll und politisch vertretbar, wenn es sich um Bereiche handelt, um einzelne spezifische Berufe, für die in der Bundesrepublik keine Arbeiter zu bekommen sind.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich abgeschlossen. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Frauen und Jugend. Zur Beantwortung der vom Kollegen Claus Jäger gestellten Frage Nr. 12 steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Cornelia Yzer zur Verfügung. Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß das 1992 erschienene, von der „Bundesweiten Koordination Frauen gegen den § 218" herausgegebene Buch „Vorsicht, Lebensschützer - die Macht der organisierten Abtreibungsgegner" in weiten Teilen wörtlich aus einem Braunbuch der Stasi entnommen ist, das in den 70er Jahren aus der damaligen DDR zu Desinformationszwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust worden war, und wie beurteilt die Bundesregierung bejahendenfalls, daß auf diese Weise Stasi-Desinformationen als seriöse Nachrichten getarnt in Deutschland verbreitet werden?

Cornelia Yzer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002580

Herr Kollege Jäger, Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und inwieweit für das von der „Bundesweiten Koordination Frauen gegen den § 218" herausgegebene Buch „Vorsicht, Lebensschützer" Materialien des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR verwandt wurden. Die Bundesregierung sieht es grundsätzlich auch nicht als ihre Aufgabe an, Veröffentlichungen einzelner Interessengruppen daraufhin zu überprüfen, auf welche Quellen bei der argumentativen Darstellung des jeweiligen Anliegens zurückgegriffen wurde. Beim Gegenstand der vorliegenden Anfrage ist eine Zuordnung des vermutlich technischen Begriffs „Braunbuch der Stasi" auf Grund der Vielzahl die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfender und desinformatorischer Informationen der ehemaligen DDR kaum möglich.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bedeutet diese Antwort, daß die Bundesregierung gar nicht überprüft hat oder nicht überprüfen konnte, um welches Braunbuch es sich handelt und auch keinen konkreten Vergleich anstellen konnte?

Cornelia Yzer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002580

Ich sagte bereits, Kenntnisse darüber lagen nicht vor. In diesem Falle einen unmittelbaren Vergleich zwischen einzelnen Schriften vorzunehmen, ist auch nicht Aufgabe der Bundesregierung.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Herr Kollege Jäger, noch eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da es auf der anderen Seite sicher Aufgabe der Bundesregierung ist, dafür zu sorgen, daß nicht Stasi-Machwerke unter anderem Titel in Deutschland als seriöse Informationsquelle verbreitet werden, frage ich, ob Sie bereit sind, mir dieses Braunbuch, sobald sich Ihr Haus vergewissert hat, um was für ein Braunbuch es im einzelnen geht, zur Verfügung zu stellen, damit ich selbst den Vergleich vornehmen kann. ({0})

Cornelia Yzer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002580

Herr Kollege, wir haben Recherchen angestellt. Ich wies bereits darauf hin, daß auf Grund der Vielzahl verunglimpfender Schriften im einzelnen nicht auszumachen war, auf welches Schriftwerk sich Ihre Anfrage bezog. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, Ihnen weiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die Beantwortung der gestellten Fragen. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich erledigt. ({0}) - Entschuldigung, das habe ich übersehen. Wenn Sie sich deutlich melden, gibt es keine Probleme.

Christina Schenk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001957, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte die Frage anschließen: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die von den angeblichen Desinformationen Hauptbetroffene, die Taschenbuchautorin Christa Mewes, nicht den Versuch unternimmt, über eine einstweilige Verfügung die Weiterverbreitung der angeblichen Verleumdungen und Falschmeldungen zu unterbinden? Wie kommt es, daß Frau Mewes dies nicht schon 1981 getan hat, als das Buch „Wer mit wem - Braunzonen zwischen CDU/CSU und Neonazis" erschien, das unter anderem als Quelle für das jetzt beanstandete Buch „Vorsicht, Lebensschützer - die Macht der organisierten Abtreibungsgegner" diente?

Cornelia Yzer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002580

Frau Abgeordnete, es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, das Verhalten von Frau Mewes zu beurteilen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Bläss.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Frage des Abgeordneten Jäger auf einen Artikel des rechtsradikalen Blattes „Junge Freiheit" stützt? Wie bewertet sie diese Quelle? In ihr wird ein Kommentar der Lebensschützerin Christa Mewes falsch zitiert, so daß aus der Behauptung, das Buch enthielte 16 Falschaussagen, die in Stasi-Manier erfunden wurden, die Meldung entstanden ist, das Buch würde aus einem Braunbuch der Stasi zitieren.

Cornelia Yzer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002580

Frau Abgeordnete, die Bundesregierung überprüft grundsätzlich nicht, auf welche Quellen Fragesteller zurückgreifen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich nochmals für Ihre Antwort auf die beiden Fragen. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung. Der Abgeordnete Stephan Hilsberg, der die beiden Fragen aus diesem Geschäftsbereich gestellt hat, ist leider nicht anwesend. Die Fragen werden nach der Geschäftsordnung behandelt. Ich bedanke mich aber dafür, daß Sie hier zur Verfügung gestanden haben. Dann kommt der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier steht uns zur Beantwortung der gestellten Fragen unser Kollege Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bertram Wieczorek zur Verfügung. Die Fragen 17 und 18 der Frau Kollegin Ulrike Mehl sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dann bleiben die beiden Fragen des Kollegen Klaus Harries. Ich rufe zunächst die Frage 15 auf: Haben nach Kenntnis der Bundesregierung privat errichtete und betriebene Abwasseranlagen im kommunalen Bereich einen nennenswerten Umfang erreicht, und könnten in etwa Zahlen für entsprechende private Abwasseranlagen im kommunalen Bereich in den alten Bundesländern und in den neuen Ländern getrennt genannt werden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Herr Präsident! Herr Kollege Harries, wenn Sie es gestatten, würde ich beide Fragen im Zusammenhang beantworten, weil das von der Fragestellung her einfach zwingend erforderlich ist.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Kollege Harries ist einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 16 des Kollegen Klaus Harries auf: Ist es privaten Investoren möglich, derartige Abwasseranlagen preiswerter zu errichten und auch zu betreiben, obwohl der Stand der Technik in vollem Umfange berücksichtigt wird? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Angesichts des gewaltigen Investitionsvolumens für Bau und Sanierung von Abwasserentsorgungsanlagen einerseits und immer knapper werdender öffentlicher Mittel andererseits kommt der Einbeziehung privaten Kapitals und Know-hows bei der Realisierung der Investitionsvorhaben in diesem Bereich eine herausragende Rolle zu. Niemand wird und kann den Kommunen ihre Entscheidung zugunsten einer privatwirtschaftlichen oder hoheitlichen Lösung abnehmen. Was die Bundesregierung kann und auch tut, ist, die Informationsgrundlagen über die zur Wahl stehenden Alternativen zu vertiefen. Ergänzend zum „Leitfaden zur Abwasserbeseitigung" und zu dem Bericht „Privatisierung der kommunalen Abwasserentsorgung - ja oder nein?" hat das Bundesumweltministerium kürzlich einen Bericht „Privatwirtschaftliche Realisierung der Abwasserentsorgung" veröffentlicht, der erste Erfahrungen bei der Durchführung privatwirtschaftlich betriebener Projekte in den jungen Ländern vermittelt. Bei den vom Bundesumweltministerium geleiteten Projekten war eine Verringerung der Kosten und damit eine Entlastung der kommunalen Haushalte festzustellen. Bei einem der betreuten Projekte reduzierte sich die geplante Investitionssumme nach Einschaltung der BMU-Beratung von 100 Millionen DM auf 80 Millionen DM. Die Vergabesumme beträgt nach einem sehr gut nachgefragten Wettbewerb ohne Reduzierung der ausgeschriebenen Leistung jetzt etwa 45 Millionen DM. Bislang haben privat errichtete und betriebene Abwasseranlagen im kommunalen Bereich weder in den alten noch in den jungen Bundesländern einen nennenswerten Umfang erreicht. Beachtlich ist allerdings, daß nach derzeitigem Kenntnisstand in den jungen Bundesländern bereits ca. 50 Projekte - ich möchte hinzufügen: mit steigender Tendenz -, in den alten Ländern dagegen nur ca. 20 durchgeführt werden. Generelle Aussagen lassen sich auf Grund der bisherigen Erfahrungen noch nicht machen. Es ist allerdings immer wieder festzustellen, daß im Wettbewerb deutliche Kostenreduzierungen zu erreichen sind. Herr Kollege Harries, den Erfahrungsbericht würde ich im Anschluß gern an Sie übergeben.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Eine Zusatzfrage. Bitte, Kollege Harries.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie eine Investitionssumme nennen, die private Betreiber für Abwasseranlagen in den neuen Ländern getätigt haben?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Ja. Wir schätzen, daß in dem Bereich der geplanten und auch durchgeführten Investitionen zur Zeit 2,5 Milliarden DM in den neuen Bundesländern gebunden wurden.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Noch eine Zusatzfrage. Kollege Harries, bitte.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es nach Ihren Kenntnissen, Herr Staatssekretär, Unterschiede in der privaten Investitionsintensität zwischen den fünf neuen Bundesländern?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Ja, gewisse Unterschiede zwischen den neuen Bundesländern sind festzustellen. Ich würde daraus aber noch keine Bewertung ableiten, da 50 Projekte dafür wirklich noch zu gering sind. Ich darf Ihnen noch einmal den Gesamtinvestitionsbedarf im Abwasserbereich nennen: ca. 100 Milliarden DM. 2,5 Milliarden sind also noch nicht signifikant vergleichbar. Ich würde die Entwicklung noch einige Zeit abwarten. Aber Sie haben recht: Von den faktischen Zahlen her gibt es Unterschiede.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Eine weitere Zusatzfrage. Kollege Harries, bitte.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. - Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, obwohl ich das nicht gefragt habe, eine gewisse Tendenz auszudrücken, ob es auch private Investitionen bei Trinkwasseranlagen und bei Abfallanlagen gibt?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Ja, es gibt im Bereich der Entsorgungswirtschaft ein erstes privatwirtschaftliches Projekt im Freistaat Sachsen. Im Trinkwasserbereich wollen wir ohnehin gemeinsam mit den Landesbehörden darauf hinwirken, daß bei den Investitionen und auch unternehmerisch Trinkwasser und Abwasser als eine Einheit behandelt werden und dort auch entsprechend investiert wird.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Es war ja durchaus ein gewisser Zusammenhang zwischen Abwasser und Trinkwasser herstellbar. Nun noch eine Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, woraus erklären Sie sich die Einsparungen, die durch die privaten Betreiber eingetreten sind? Trauen Sie den Gemeinden und kommunalen Betreibern nicht zu, dieselben Einsparungen zu erreichen?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Theoretisch sind sowohl bei hoheitlichen, also kommunalen Modellen - sprich Regiebetrieb, Eigenbetrieb, auch Eigengesellschaft - wie bei privatwirtschaftlichen die gleichen Einsparungseffekte möglich. Ich habe ja eben gesagt, daß die Erfahrungen in den neuen Bundesländern noch nicht ausreichen, eine umfassende Wertung zu geben. Wir stellen jedoch immer wieder fest, daß Privatunternehmen Einsparungen erreichen. Voraussetzung - und das ist ein schwieriger Prozeß - sind natürlich ordentliche Vertragsgrundlagen, also ein Vertrag, der dann auch über einen langen Zeitraum Bestand hat. Sie wissen, daß es zwischen Kurzzeitbetreibermodellen und Langzeitbetreibermodellen eine große Spanne gibt: zwischen fünf und 30 Jahren. Wenn man dort alle möglichen Optimierungsvarianten einsetzt, stellen wir immer wieder deutliche Unterschiede fest. Ich will eine Zahl nennen, auch wenn dies vielleicht nicht ganz objektiv ist: Wir sehen Tendenzen einer Verbilligung von ca. 20 % bei den bisher durchgeführten und von uns betreuten Projekten.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, der Kanal gehört ja auch zur Abwasserentsorgung. Sehen Sie da Möglichkeiten, private Investoren mit einzuschalten?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Bei der desolaten Situation der Umweltinfrastruktur in den neuen Bundesländern gehen wir davon aus - wir beraten auch die Kommunen in dieser Richtung -, daß dann, wenn schon privatwirtschaftliche Modelle den Vorrang bekommen, eine Ausschreibung sowohl für die Kläranlage als auch für die Kanalisation, sozusagen für ein Investitionsprojekt, erfolgt. Sie müssen davon ausgehen, daß von dem Gesamtvolumen der Kosten vier Fünftel in den Kanalbau und nur ein Fünftel in den Kläranlagenbau gehen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Claus Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß die von Ihnen genannten privaten Entsorgungseinrichtungen das gleiche Leistungsniveau und die gleiche Zuverlässigkeit aufweisen wie die öffentlichen, die von den Gemeinden hoheitlich betriebenen Entsorgungseinrichtungen?

Dr. Bertram Wieczorek (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002500

Es ist zunächst einmal davon auszugehen, daß wir eine gewisse Qualität und auch eine gewisse Leistung in Form einer Reinigungsleistung bei den Kläranlagen und einen sicheren Zustand der Kanalisation erwarten. Das ist für die Unternehmen, die in den alten und neuen Bundesländern tätig sind, nichts Neues. Der neue Faktor, der dazukommt, ist das Betreibermodell. Wir gehen davon aus, daß sich ein Unternehmer, wenn er sich hier bindet, gegenüber einer Kommune eine ganze Generation verpflichtet, und meinen, daß es hier keine Unterschiede geben wird. Ganz im Gegenteil, es gibt einige Andeutungen in den neuen Bundesländern in der Richtung, daß bei privatwirtschaftlichen Modellen nach der Bauphase die Qualitätsparameter besser sind als bei kommunalen Modellen. Aber, wie gesagt, das sind nur Einzelbeispiele.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Keine weitere Zusatzfrage. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Bereich. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Es waren folgende Fragen gestellt worden: Vom Kollegen Dr. Burkhard Hirsch die Fragen 24 und 25, sie sollen schriftlich beantwortet werden; vom Kollegen Dr. Egon Jüttner die Fragen 26 und 27, auch sie sollen schriftlich beantwortet werden; vom Kollegen Jürgen Augustinowitz die Frage 28, auch sie soll schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit ist dieser Geschäftsbereich erledigt. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Vizepräsident Helmuth Becker uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb zur Verfügung. Die Frage 29 des Kollegen Konrad Gilges ist zurückgezogen. Das gilt auch für die Frage 30 des Kollegen Gilges. Frau Kollegin Monika Ganseforth möchte die Fragen 31 und 32 schriftlich beantwortet haben. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Uns bleibt aus diesem Geschäftsbereich die Frage 33 des Kollegen Kubatschka. Wie beurteilt die Bundesregierung die Berechnungen, die in StromTHEMEN 2/93 veröffentlicht wurden, denen zufolge der Stromverbrauch aller Fernsehgeräte in Deutschland pro Jahr rund 6,2 Mrd. kWh betragen und von denen allein auf den Stand-by-Betrieb rund 1 Mrd. kWh entfallen soll, und hält sie die Aussage für realistisch, daß alle rund 33 Millionen Fernsehempfänger in Deutschland zusammen einen Anschlußwert von fast 4 000 Megawatt repräsentieren, ungefähr so viel, wie man mit fünf großen Steinkohle-Kraftwerken von je 750 Megawatt Leistung abdecken könnte? Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Kubatschka, die zitierten Zahlen zum Stromverbrauch der Fernsehgeräte in Deutschland beruhen auf Schätzungen der Elektrizitätswirtschaft, da es natürlich nicht für jedes einzelne Gerät genaue Schätzungen und gesonderte Messungen geben kann. Der Artikel in „Stromthemen" 2/93 weist dabei für die Daten zum Verbrauch des Stand-by-Betriebes ausdrücklich auf zusätzliche Unsicherheiten der Schätzungen hin. Die Daten geben nach Auffassung der Bundesregierung zumindest die Größenordnung des Stromverbrauchs der Fernsehgeräte zutreffend wieder. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß der spezifische Stromverbrauch der Fernsehgeräte in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen ist, was sich mit wachsendem Anteil neuer Geräte am gesamten Gerätebestand zukünftig auch im Gesamtstromverbrauch der Fernsehgeräte niederschlagen wird. Auch der den Berechnungen zugrunde gelegte Anschlußwert von rund 120 Watt pro Gerät ist nach Auffassung der Bundesregierung durchaus realistisch. Rein rechnerisch entspricht diese Leistung der Leistung von insgesamt fünf Kohlekraftwerken. Dabei wird allerdings vernachlässigt, daß Fernsehgeräte ungleichzeitig und im Durchschnitt nur 3,7 Stunden pro Tag - das entspricht 1 350 Stunden pro Jahr - in Betrieb sind, während Steinkohlekraftwerke in der Mittellast 4 000 bis 5 000 Stunden im Jahr, teilweise sogar in der Grundlast mit mehr als 5 000 Stunden pro Jahr eingesetzt werden. Selbst bei einem theoretischen Verzicht auf den Betrieb von Fernsehgeräten generell könnte deshalb nur ein Teil der 4 000 Megawatt Kraftwerksleistung eingespart werden.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Zusatzfrage des Kollegen Kubatschka, bitte.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben ja schon geschildert, daß wir beim Energieverbrauch fallende Tendenz haben, bezogen auf die Geräte. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, daß sich der Energieverbrauch bei Fernsehgeräten weiter verringert?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Kubatschka, durch den technischen Fortschritt wird es eine weitere Verringerung des spezifischen Verbrauchs geben, so wie sich schon in den letzten Jahren der Anschlußwert kontinuierlich von 180 Watt auf unter 80 Watt bei modernen 70-cm-Geräten vermindert hat. Ich denke, daß sich diese Entwicklung noch etwas fortsetzen läßt.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auch wenn die Zahlen für den Stand-by-Betrieb nur geschätzt sind: Ein Sechstel - und vermutlich wird die Tendenz stimmen - des Energieverbrauchs entfällt auf den Stand-by-Betrieb. Hält die Bundesregierung aus dieser Sicht den Standby-Betrieb für sinnvoll?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Kubatschka, es gibt Hinweise und Annahmen, daß der Stand-by-Betrieb auch dazu beiträgt, den Verschleiß der Geräte zu vermindern. Hierzu laufen zur Zeit noch Untersuchungen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen müßte bei einer entsprechenden Wertung auch berücksichtigt werden. Ich will aber noch einmal vertiefen, was ich bereits sagte: daß eben die Bandbreite der Leistungsaufnahme sehr groß ist. Sie reicht von 3 Watt bis 18 Watt, wobei moderne Geräte nur noch 3 Watt an Leistung benötigen. Der Durchschnitt liegt bei 10 Watt. Ich will aber auch darauf hinweisen, daß ohnehin empfohlen wird, die Stand-by-Schaltung bei Verlassen der Wohnung auszuschalten, z. B. wegen der Brandgefahr durch Erhitzung des Gerätes. Eine abschließende Wertung wird allerdings erst möglich sein, wenn die Ergebnisse der von mir zitierten Untersuchungen vorliegen.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000127

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit ist auch der Geschäftsbereich Wirtschaft erledigt; denn die Fragen 34 und 35 der Frau Kollegin Albowitz sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung steht uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung. Frau Staatssekretärin, wir bedanken uns sehr für Ihre Anwesenheit. Aber die Fragen 36 und 37 der Frau Kollegin Lederer sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 38, 39 und 40 werden nach der Geschäftsordnung behandelt, weil die Fragesteller nicht anwesend sind. - Damit ist dieser Geschäftsbereich erledigt. Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Manfred Carstens zur Verfügung, dem wir aber schon gesagt haben, daß er sich entfernen kann, weil die hier gestellten Fragen 41 und 42 des Kollegen Ralf Walter ({0}) ebenfalls schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 43 und 44 des Kollegen Klaus-Jürgen Hedrich sind zurückgezogen. Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 22. April, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.