Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
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Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich eines während der Sommerpause verstorbenen Kollegen gedenken.
Wir trauern um Dr. Franz-Hermann Kappes, der am 24. August 1992 allzufrüh, im 54. Lebensjahr, an Herzversagen gestorben ist.
Franz-Hermann Kappes wurde am 5. November 1938 in Wiesbaden geboren. Nach dem erfolgreich absolvierten Studium der Rechtswissenschaft und der Philosophie in Münster und München arbeitete er zunächst im höheren Verwaltungsdienst des Bundes, danach in der Staatskanzlei des Landes RheinlandPfalz. 1977 bis 1985 war Franz-Hermann Kappes Landrat des Kreises Darmstadt-Dieburg und ließ sich dann als Rechtsanwalt in Darmstadt nieder.
Franz-Hermann Kappes war 1962 der CDU beigetreten, und als er 1987 erstmals für den Bundestag kandidierte, erwarb er im ersten Anlauf das Mandat. Seither vertrat er den hessischen Wahlkreis Bergstraße im Deutschen Bundestag. Der Schwerpunkt der parlamentarischen Arbeit des Juristen lag im Rechtsausschuß, wo er zuletzt Obmann seiner Fraktion war. Er hat uns im Verfassungsausschuß vertreten.
Daneben galt sein vielfältiges ehrenamtliches Engagement dem kirchlichen und dem sozialen Bereich, im sozialen vor allem der Drogenhilfe.
Um die Verbindung zu seinem ursprünglichen Beruf nicht zu verlieren, behielt er auch als Abgeordneter seinen Lehrauftrag an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer bei, wo er öffentliches Recht lehrte.
Franz-Hermann Kappes starb unerwartet einen Tag nach seiner silbernen Hochzeit. Unser aller Anteilnahme gilt seiner Frau und seinen drei Kindern.
Der Deutsche Bundestag wird Franz-Hermann Kappes ein dankbares und ehrendes Gedenken bewahren.
Sie haben sich zu Ehren des Toten erhoben. Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte angesicht der Ausschreitungen gegen Asylsuchende und Ausländer eine Erklärung für unser Haus verlesen.
Erneut geht eine Gewaltwelle gegen Fremde, vor allem Asylsuchende, und ihre Unterkünfte über unser Land und droht, zum Flächenbrand zu werden. Dabei hat das Ausmaß an Brutalität und krimineller Energie erschreckend zugenommen. Diese blindwütige Gewalt macht vor Menschen nicht halt, wie uns allein die Opfer der letzten Nacht zeigen.
Sie fordert den Rechtsstaat in doppelter Weise heraus: in der vorbeugenden Abwendung der Gewalt und dem unbedingten Schutz vor Gewalt, aber ebenso in der konsequenten Anwendung der Gesetze gegen die Gewalttäter und ihre Sympathisanten. Denn nichts rechtfertigt Gewalt - weder die große Zahl der Flüchtlinge, die in unserem Land Asyl suchen, noch soziale Belastungen und Spannungen in den neuen und auch den alten Bundesländern. Gewalt löst Probleme nicht. Sie verschärft sie. Deshalb ist Gewalt auf das schärfste zu verurteilen.
Rechtsextreme Ausschreitungen gegen Ausländer sind kein isoliertes deutsches Phänomen. Deshalb brauchen wir über die anstehenden politischen Entscheidungen in unserem Land hinaus dringend auch europäische Antworten. Die Bundesrepublik Deutschland ist kein ausländerfeindliches Land. Die übergroße Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Staates lebt seit Jahrzehnten friedlich mit Ausländern zusammen. Die erfolgreiche Integration vieler Ausländergruppen in unsere Gesellschaft beweist, daß nicht Ablehnung und Haß, sondern Offenheit und Toleranz die Mehrheit der Menschen in unserem Land leiten.
Wollen wir ein friedliches und tolerantes Miteinander sichern, so genügt es nicht, unsere Bürgerinnen und Bürger aufzurufen, die Demokratie zu schützen und Angriffe auf Ausländer abzuwehren. Wir Parlamentarier sind gefordert, hier im Parlament zu handeln. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen für unsere wehrhafte Demokratie. Gewalttätige können und dürfen nicht unser Handeln leiten, sondern wir sind verpflichtet, unsere Debatten in Entscheidungen umzusetzen - Entscheidungen auf der Ebene des Asylrechts, Maßnahmen zur Bekämpfung des Mißbrauchs in diesem Bereich. Aber ebenso notwendig
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
sind Entscheidungen zur wirksamen Bekämpfung der Kriminalität, damit Menschen erfahren, daß wir das jeweils Notwendige und Mögliche tun; Entscheidungen aber auch, die der sozialen und seelischen Entwurzelung der Menschen, darunter vieler Jugendlicher, Rechnung tragen, nicht nur in den neuen Bundesländern.
Angesichts der weltweiten Flüchtlingsströme wissen wir um die Größe der Herausforderung, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Der Herausforderung des weltweiten Flüchtlingsdrucks können wir auch nicht nur als einzelne Nation begegnen. Sie läßt sich nur in gemeinsamer europäischer und internationaler Anstrengung verringern. Jeder Schlag in das Gesicht eines Ausländers ist auch ein Schlag in unser Gesicht. Jeder Stein, der durch das Fenster eines Heims fliegt, in dem Asylbewerber wohnen, fliegt auch durch unser Fenster. Jeder Brandsatz, der geschleudert wird, droht auch unser Heim anzuzünden.
Der Deutsche Bundestag verurteilt die Übergriffe auf Ausländer und Asylsuchende auf das schärfste. Wir treten der Gewaltkriminalität gemeinsam und mit Entschlossenheit entgegen.
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Bevor wir in die Tagesordnung im engeren Sinne eintreten, lassen Sie mich noch einige Mitteilungen verlesen. Der Abgeordnete Wolfgang Kubicki hat am 2. August 1992 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
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Als seine Nachfolgerin hat die Abgeordnete Dr. Michaela Blunk am 7. August 1992 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich heiße die neue Kollegin herzlich willkommen und wünsche gute Zusammenarbeit.
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Der Kollege Detlef Kleinert feierte am 26. Juli seinen 60. Geburtstag.
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Ich gratuliere ihm nachträglich sehr herzlich und spreche im Namen des ganzen Hauses die besten Glückwünsche aus.
Gestatten Sie nun noch eine Mitteilung zum Stenographischen Protokoll. Der Stenographische Dienst muß vorübergehend in drei Liegenschaften in einiger Entfernung zum Plenarsaal untergebracht werden. Durch diese Tatsache werden sich Rückstände bei den Übertragungen ergeben. Dadurch wird es länger dauern, bis die Manuskripte zur Korrektur an die Redner gehen können. In manchen Fällen wird das erst an den folgenden Tagen der Fall sein. Als Folge wird auch der gedruckte Sitzungsbericht nicht mehr wie bisher am nächsten Tag erscheinen können. Der Ältestenrat wird sich noch in dieser Woche mit der Regelung der Korrekturfristen befassen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 1993 ({5})
- Drucksache 12/3000 -
Überweisung:
Haushaltsausschuß
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 - Drucksache 12/3100 Überweisung: Haushaltsausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die heutige Aussprache nach der Einbringungsrede des Bundesministers der Finanzen vier Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Waigel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der heute zur Beratung vorgelegte Entwurf des Bundeshaushalts 1993 und der Finanzplan bis 1996 sind unser Beitrag zu einem gesamtdeutschen Pakt der Vernunft und der Solidarität, mit dem wir die Einheit Deutschlands vollenden wollen.
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- Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man zu dieser Aussage lachen kann
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und wie man sie in Frage stellen möchte. ({2})
Denn unser Haushalt ist auch ein Angebot an alle gesellschaftlichen Gruppen, an Betriebe und Arbeitnehmer, an Länder und Gemeinden, am großen nationalen Einigungswerk mitzuwirken.
Dieser Bundeshaushalt leistet mit rund 92 Milliarden DM den größten Beitrag zum Finanztransfer für die jungen Bundesländer, der in diesem Jahr brutto einen Betrag von insgesamt rund 160 Milliarden DM erreicht. Ein solches solidarisches Werk innerhalb eines Volkes, einen solchen Lastenausgleich hat es in der Geschichte der Völker noch nicht gegeben.
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Aber Wachstum, Beschäftigung und steigender Wohlstand in den jungen Bundesländern können nur durch unternehmerische Investitionen und lohnpolitische Vernunft gewonnen werden. Der Haushaltsentwurf 1993 setzt auf strikte Konsolidierung und Selbstbescheidung. Aber wir können die gesamtstaatlichen Finanzierungsaufgaben nur lösen, wenn in allen staatlichen Haushalten das Prinzip des „Sowohl-AlsAuch" durch die Maßgabe des „Entweder-Oder" ersetzt wird.
Die Welt schaut auf das wiedervereinigte Deutschland. Man erwartet von uns zunehmende internatioBundesminister Dr. Theodor Waigel
nale Verantwortung und die Bewältigung unserer inneren, nationalen Aufgaben. Mit der Beschlußfassung über den Solidaritäts- und Sparhaushalt 1993 können wir ein klares Zeichen der Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit setzen.
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Unsere Finanzpolitik bleibt auf bewährtem und erfolgreichem Kurs, und der Bundeshaushalt 1993 ist die Antwort auf die Herausforderungen des kommenden Jahres.
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Meine Damen und Herren, wer verlangt, diesen Haushalt abzusetzen, der sollte sich daran erinnern, daß, als diese Seite den Finanzminister stellte, in zehn Jahren fast nicht ein einziges Mal der Haushalt rechtzeitig und pünktlich vorgelegt und verabschiedet worden ist.
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Wer den Haushalt grundsätzlich in Frage stellt und den planmäßigen Verlauf der Haushaltsdebatte aufhalten will, handelt gegen die Interessen derjenigen, denen der Haushalt Hilfe und Unterstützung bringt.
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Der Bundeshaushalt 1993 und der Finanzplan bis 1996 beschreiben die konsequente Fortsetzung unserer Konsolidierungspolitik.
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- Das wäre zwar schade; aber ich kann das nicht ausschließen.
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Die Steigerung des Ausgabevolumens ist 1993 auf 2,5 % begrenzt. Die durchschnittliche Steigerungsrate bis 1996 von 2,3 % liegt weit unter dem erwarteten nominalen Anstieg des Bruttosozialprodukts von knapp 7 %. Die Nettokreditaufnahme des Bundes wird 1993 auf 38 Milliarden DM reduziert und bis 1996 auf deutlich unter 25 Milliarden DM zurückgeführt.
Der Entwurf des Haushalts 1993 ist ein echter Sparhaushalt. Der Verteidigungshaushalt ist gegenüber dem bereits degressiven Finanzplan noch einmal um knapp 2 Milliarden DM gekürzt worden. Durch eine Senkung der Sonderleistungen für den Berliner Haushalt bereiten wir die Einbeziehung Berlins in den Länderfinanzausgleich ab 1995 vor. Das ist nur möglich, weil auch der Berliner Senat mit einer sehr starken Kraftanstrengung versucht, seinen Haushalt entsprechend zu gestalten. Ich bewundere hier, was der Berliner Finanzsenator Pieroth auf die Beine bringt.
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Die Finanzhilfen gehen im Bundeshaushalt 1993 um 10 % auf 20 Milliarden DM zurück. Niemand konnte sich bei der Haushaltsaufstellung 1993 auf das Gewohnheitsrecht einer automatischen Etataufstokkung berufen. Ich möchte mich ausdrücklich bei meinen Kabinettskollegen bedanken, die bei den natürlich nicht leichten Chefgesprächen diese Grundlinie akzeptiert haben.
Unser Sparkonzept hat national und international breite Zustimmung gewonnen. Die Deutsche Bundesbank, die OECD, der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EG und viele andere sagen: Mit dieser Haushaltsplanung ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg.
Diese Anerkennung hat einige in der SPD nicht ruhen lassen. Sie haben herausgefunden: Formal ist das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts 1993 um 7 Milliarden DM höher als im Finanzplan des Vorjahres. Aber wer rechnet, der sollte auch richtig rechnen. Das größere Volumen ergibt sich schon allein auf Grund der Durchleitung des Länderanteils an der Mehrwertsteuerfinanzierung des Fonds Deutsche Einheit in Höhe von rund 4 Milliarden DM und der Umschichtung der Einkommenshilfen für die Landwirtschaft von der Einnahme- auf die Ausgabeseite. Wenn wir dann noch unseren Teil des Punktes Mehrwertsteuer einbeziehen, dann enthält der Etat keine Steigerung. Im Grunde genommen ist es ein Haushalt, der nicht steigt, und insofern ein stärkerer Sparhaushalt als jeder, der je vorgestellt wurde.
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Entscheidend für den weiteren Gang der Wiedervereinigung sind die wirtschaftlichen Perspektiven, vor allem im internationalen Zusammenhang. Angesichts ungünstigerer Konjunkturindikatoren und rückläufiger Auftragseingänge wird manchem unsere Abhängigkeit von einer gesunden weltwirtschaftlichen Entwicklung erst wieder voll bewußt. Wir hatten bei unseren Wachstumserwartungen auf eine deutliche Exportbelebung spätestens im zweiten Halbjahr 1992 gesetzt. Damit ist jetzt frühestens Anfang 1993 zu rechnen.
In den Vereinigten Staaten ist der Übergang von schleppendem Wachstum zu einem nachhaltigen Aufschwung noch nicht gelungen. Das Vertrauen von Investoren und Konsumenten hat sich noch nicht verbessert. Nach den weitgehenden Zinssenkungen der letzten Monate ist dort auch der konjunkturpolitische Handlungsspielraum weitgehend ausgeschöpft.
In Japan führte die Korrektur der spekulativen Überhitzung an den Finanz- und Immobilienmärkten ebenfalls zu einer erheblichen Abkühlung des Wachstumstempos. Bei unseren großen europäischen Nachbarn - Frankreich, Italien und Großbritannien - haben sich ursprüngliche Anzeichen einer konjunkturellen Verbesserung im weiteren Jahresverlauf nicht bestätigt.
Wir müssen auch die aktuelle Entwicklung auf den Kapital- und Devisenmärkten sehr genau beobachten. Sollte sich die aktuelle Dollarschwäche verfestigen, so würde unsere Exportwirtschaft zusätzlich belastet. Das entscheidende Instrument zur Beruhigung der Finanzmärkte und zur Verbesserung der weltweiten Wachstumsbedingungen ist die Zusammenarbeit in der G 7 und im Kreis der europäischen Finanzminister. Deutschland wird durch seine Konsolidierungsund Stabilisierungsanstrengungen den Erwartungen unserer Partner entsprechen und die Voraussetzungen für künftige Zinssenkungen schaffen. Zugleich setzen wir auch auf den Kooperationswillen der ande8664
ren Staaten, die unsere historisch einmalige Situation kennen.
In Deutschland wird es angesichts des skizzierten Szenarios allenfalls beim ursprünglich erwarteten Zuwachs von real 1,5 % im Westen und rund 2 % in ganz Deutschland bleiben. Vorübergehend verbesserte Wachstumsschätzungen haben sich nicht bestätigt. Es wäre deshalb falsch, sich von unverändert hohen Wachstumsraten abhängig zu machen und wie selbstverständlich ungesicherte, wachstumsbedingte Steuermehreinnahmen in Finanzierungskonzepte einzustellen.
Gleichzeitig besteht kein Anlaß zu einer Revision der letzten Steuerschätzung. Die leichte wirtschaftliche Abschwächung im zweiten Quartal wurde bereits in den Schätzannahmen berücksichtigt.
In den jungen Bundesländern konnte der dramatische Produktionsabfall im Zusammenhang mit dem marktwirtschaftlichen Bereinigungsprozeß um die Jahreswende 1991/92 abgefangen werden. Aber trotz der erfreulichen Entwicklung in einigen Branchen, insbesondere beim Bau und bei den Dienstleistungen, ist ein breiter selbsttragender Aufschwungprozeß noch nicht feststellbar.
Doch die Einheit ist nicht die Ursache der Wirtschaftsprobleme im Osten. Es wäre falsch, den zunächst drastischen Produktionsverfall und den jetzt nur zögernden Aufschwung in den jungen Bundesländern der Währungsunion und der Wiedervereinigung zuzuschreiben. Es kann auch nicht an finanziellen Engpässen liegen, wenn der brandenburgische Finanzminister Kühbacher Anlaß hat, den zu langsamen Mittelabfluß zu beklagen. Entscheidend für die ungünstigere Wirtschaftsentwicklung waren vielmehr die folgenden drei Faktoren: der katastrophale Zustand der DDR-Wirtschaft, über deren wahre Leistungsfähigkeit die Kommunisten auch sachkundige Beobachter erfolgreich getäuscht hatten; der fast vollständige Wegfall der Ostmärkte, die für die Betriebe im Beitrittsgebiet noch vor zwei Jahren von überragender Bedeutung waren; und die gravierende Produktivitätslücke, die sich seit Beginn des Wiedervereinigungsprozesses durch die zu rasche Anhebung der Löhne und Gehälter aufgetan hat.
Wie wenig die Einheit mit den aktuellen Wirtschaftsproblemen zu tun hat, zeigt auch die Entwicklung in den übrigen osteuropäischen Staaten. Obwohl diese Länder ihr Wirtschaftsgebiet durch die eigenständige Währung von anderen Märkten abgrenzen können, ist dort die Produktion ebenso wie im Beitrittsgebiet im Durchschnitt um ein Drittel gegenüber 1989 zurückgegangen.
Angesichts der gewaltigen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa und der sich daraus ergebenden Folgerungen für die Finanzpolitik ist der immer wieder erhobene Vorwurf der Steuerlüge geradezu absurd.
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Der Begriff der Lüge fällt im übrigen sehr schnell auf diejenigen zurück, die ihn in die Welt gesetzt haben. Meine Damen und Herren, wer so arbeitet, der muß darauf gefaßt sein, sich die Begriffe Asyllüge, Blauhelmlüge, Mehrwertsteuerlüge und vieles anderes gefallen zu lassen.
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Besonders originell ist die immer wieder gestellte Frage: „Schließen Sie Steuererhöhungen für den oder jenen Zeitraum aus?" Wer so fragt, wird dem Selbstverständnis der Politik als Antwort auf Entwicklungen und neue Herausforderungen in keiner Weise gerecht.
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Die Frage als solche verengt den Handlungsspielraum der Politiker und der Politik in unzumutbarer Weise.
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Wir würden uns gegen unsere Verantwortungsethik wenden, wenn wir uns zu Festlegungen zwingen ließen, die zu einem späteren Zeitpunkt im krassen Widerspruch zum Notwendigen stünden.
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Wenn ich mich gegen diese Fesselung der Politik wende, dann geht es nicht um Prinzipienlosigkeit. Aber ich möchte auch in Zukunft meine Politik nach festen Wertvorstellungen und nicht nach aufgezwungenen Vorfestlegungen gestalten, die keinen Spielraum mehr für notwendige Entscheidungen in der Politik lassen.
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Aus der gegenwärtigen Wachstumspause wird neue wirtschaftliche Dynamik erwachsen. Insbesondere in den Vereinigten Staaten sind bei niedriger Inflation und geringen Zinsen die Startblöcke schon befestigt. Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen, an dem für das nächste Jahr prognostizierten weltweiten Wirtschaftswachstum von bis zu 3 % in vollem Umfang teilzuhaben, wenn wir nicht Ballast abwerfen und unser Schiff manövrierfähig halten.
Die Finanzpolitik wäre bei weitem überfordert, wenn sie diese Aufgabe allein lösen sollte. Aber die Finanzpolitik wird ihren wichtigen Beitrag leisten, um Zukunftsvertrauen weiterhin zu begründen und das Ansehen Deutschlands als eines Horts der Stabilität und des Wachstums in der Welt zu festigen.
Dabei stehen vier Aufgaben im Vordergrund: die Begrenzung und Rückführung der durch die Wiedervereinigung überhöhten öffentlichen Defizite auf ein auch langfristig tragbares Niveau; die Einigung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen fairen Finanzausgleich, der einen zügigen Aufbau im Osten ermöglicht, ohne einzelne Gebietskörperschaften zu stark zu belasten; die Konsolidierung und Abwicklung der finanziellen Erblast, des gescheiterten sozialistischen Systems; und die Verwirklichung verbesserter Wachstumsgrundlagen vor allem im Hinblick auf den Binnenmarkt 1993 und die europäische Wirtschafts- und Währungsunion.
Unser mittelfristiges finanzpolitisches Ziel ist die Rückführung des gesamten öffentlichen Defizits von
4,3 % des Bruttosozialprodukts im letzten Jahr auf 2 bis 2,5 % bis 1996.
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Damit können wir die im Vertrag von Maastricht definierte Haushaltsdisziplin als Voraussetzung für den Beitritt zur europäischen Währungsunion mit Sicherheitsabstand einhalten.
Der Finanzplan des Bundes ist keine unverbindliche Absichtserklärung. Wir haben genau gerechnet und die absehbaren Risiken in den Haushaltsplanungen berücksichtigt. Insbesondere haben wir ab 1995 mit einem Volumen von 15 Milliarden DM Vorsorge für die Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und mit 13 Milliarden DM für die Beteiligung des Bundes an der dauerhaften Finanzierung der Treuhandverbindlichkeiten getroffen.
Zusätzliche Verpflichtungen können über einen Zeitraum von vier Jahren nicht ausgeschlossen werden. Ich nenne nur die Stichworte EG-Finanzierung oder Gewährleistungen.
Die Struktur oder auch das Haushaltsergebnis im einzelnen Jahr kann deshalb nach aller haushaltspolitischen Erfahrung vom jetzigen Planungsstand abweichen. Aber entscheidend sind das Festhalten am Kurs niedrigerer Ausgabenzuwachsraten und das beschlossene Moratorium, das für alle Veränderungen auf der Einnahme- und der Ausgabenseite vollständige Kompensation fordert.
Länder und Gemeinden haben in der Sitzung des Finanzplanungsrates am 3. Juni dieses Jahres erneut ihre Bereitschaft unterstrichen, den Konsolidierungskurs der Bundesregierung zu tragen. Ihr klares Bekenntnis zur gesamtstaatlichen Defizitbegrenzung ergibt sich auch aus dem Beschluß der Finanzministerkonferenz vom 30. Januar dieses Jahres. Dort heißt es: „Die Haushaltsdisziplin ist eine zentrale Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion."
Tatsächlich können wir nur dann die öffentlichen Defizite im angestrebten Umfang reduzieren und den Finanzausgleich zwischen Ost und West für alle tragbar gestalten, wenn sich die Länder ebenfalls grundsätzlich an der 3-%-Ausgabenlinie orientieren. Einige Länder, vor allem diejenigen mit erheblichen eigenen Haushaltsproblemen, haben ihren Planungen diese Zuwachsrate bereits zugrunde gelegt.
Ich unterstelle niemandem unnötige Ausgaben. Ich will den Ländern und Gemeinden auch keinen Schuldendeckel überstülpen. Aber es geht darum, im nationalen Interesse auch wichtige Projekte zunächst zurückzustellen, um Spielraum für die vordringlichen Wiedervereinigungsaufgaben zu gewinnen.
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Das Beispiel der ersten Hälfte der 80er Jahre zeigt: Konsolidierungsfortschritte sind am leichtesten zu erreichen, wenn alle Gebietskörperschaften an einem Strang ziehen. 1983 belief sich z. B. der Zuwachs der Länderausgaben auf nur 1,8 %. Die Ausgaben der Gemeinden gingen sogar um 0,9 % zurück.
Wir brauchen eine föderale Konsolidierungsstrategie, bei der auch der Bund den Ländern und Gemeinden hilft, ihre Ausgaben begrenzen zu können. Ein Ansatzpunkt wäre die Begrenzung des Asylantenstroms und die Kürzung der Sozialhilfe für Asylbewerber.
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Nachdem die SPD ihren Kurswechsel beim Thema Änderung von Art. 16 vollzogen hat, besteht die Chance - ({21})
- Ich nehme doch an, daß Sie Ihre Parteiführung nicht im Regen stehen lassen.
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Darum wiederhole ich den Satz - ich nehme an, daß beim zweiten Vorlesen kein Widerspruch mehr aus den Reihen der SPD kommt; sonst könnten wir unter Umständen heute schon die Kräfteverhältnisse auf dem Sonderparteitag feststellen -:
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Nachdem die SPD ihren Kurswechsel beim Thema Änderung von Art. 16 vollzogen hat, besteht die Chance, die explodierende Zahl der Asylbewerber wieder zurückzuführen.
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Ein weiterer Konsolidierungsansatz könnte auch darin bestehen, die vorgegebenen Ausstattungsstandards für öffentliche Einrichtungen in der Verantwortung von Ländern und Gemeinden zu überprüfen. Schließlich sollten auch die Einsparungspotentiale durch Privatisierungsmaßnahmen bei den übrigen Gebietskörperschaften genutzt werden.
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Der Bund wird mit gutem Beispiel durch die Restprivatisierung seines industriellen Anteilsbesitzes und durch die Vorbereitung einer Teilveräußerung der Telekom vorangehen.
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Einsparungsspielräume, insbesondere für die Gemeinden, werden sich auch mit der Einführung der Pflegeversicherung ab 1996 ergeben. Schließlich hat auch die Begrenzung der Personalausgaben in den frühen 80er Jahren erhebliche Entlastung für alle öffentlichen Haushalte gebracht.
Meine Damen und Herren, spürbare Konsolidierungserfolge sind die notwendige Voraussetzung für die Gestaltung eines fairen Finanzausgleichs ab 1995. Alle politisch Verantwortlichen müssen ihren Einsparungsbeitrag leisten, um den Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte zu begrenzen und konjunkturelle Risiken zu verringern. Darauf hat der Kollege Spöri zu Recht in der letzten Woche hingewiesen.
Bundesminister Dr. Theodor Walgel
Ein zweites entscheidendes Element eines gesamtwirtschaftlich finanzierbaren und dauerhaften Finanzausgleichs wäre ein auf zwei bis drei Jahre begrenzter Verzicht auf reale Einkommenssteigerungen im Westen. Einen solchen Solidarpakt habe ich bereits am 26. Mai 1992 vorgeschlagen. Der freiwillige und vorübergehende Verzicht auf realen Einkommenszuwachs wäre in jedem Fall eine bessere Lösung als der Rückgriff auf zusätzliche Steuererhöhungen. Der Gedanke, den der Kollege Rappe als Vorsitzender einer großen Gewerkschaft heute zum Tragen gebracht hat, weist in diese Richtung. Ich möchte ihm für dieses beispielhafte Signal durchaus meine Anerkennung aussprechen.
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Mit einem Solidarpakt ist allerdings nur schwer zu vereinbaren, wenn einige Anleger, aufgefordert durch eine großflächige Anzeigenkampagne bedeutender deutscher Banken, ihr Kapital in sogenannte Fluchtburgen transferieren.
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Die Regierung des Großherzogtums Luxemburg hat im übrigen kein Interesse daran, zur neuen Heimat des europäischen Fluchtkapitals zu werden. Über diesen Problemkreis werden zwischen der luxemburgischen und der deutschen Regierung demnächst Gespräche geführt.
Ich meine, die deutschen Banken sollten sich gut überlegen, was sie hier anrichten. Sie sollten diese Aktionen korrigieren und ihren Beitrag dazu leisten, daß das nicht zu Verwirrung, zu großer Verärgerung und zu großer Enttäuschung führt.
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Das exakte Volumen des mittelfristig erforderlichen West-Ost-Finanzausgleichs muß in gemeinsamen Beratungen aller Beteiligten ermittelt werden. Wir müssen dabei auch definieren, wie groß der Nachholbedarf der östlichen Länder im Infrastrukturbereich tatsächlich ist und in welchem Zeitraum eine annähernde Gleichstellung zwischen Ost und West realistisch erwartet werden kann.
Unabhängig von den konkreten Zahlen, die sich aus diesen Beratungen ergeben werden, ist eines klar: Ein Finanzausgleich, der den zur Zeit noch deutlich überproportionalen Anstieg der Verschuldung in den östlichen Bundesländern spürbar begrenzt und die Lasten gleichmäßig auf alle Schultern verteilt, erfordert ein erhebliches Volumen. Es wird deutlich über die bisherigen rund 30 Milliarden DM hinausgehen, die im Rahmen des Fonds Deutsche Einheit bis 1994 geleistet werden.
Die bisherige Lastenverteilung zwischen dem Bund und den alten Bundesländern kann nicht Ausgangspunkt für die anstehenden Verhandlungen sein. Zur Finanzierung des Fonds Deutsche Einheit tragen die alten Länder zu einem Drittel, der Bund demgegenüber zu zwei Dritteln bei.
Uns geht es um eine mittelfristige Perspektive des Finanzausgleichs ab 1995. Wir wollen jetzt eine Konsenslösung vorbereiten, um diese zentrale Aufgabe aus den Wahlen und aus den politischen Auseinandersetzungen des Jahres 1994 herauszuhalten. Jeder Versuch, bei der Lösung der Finanzausgleichsproblematik eine Partei gegen die andere auszuspielen, müßte scheitern. Statt dessen brauchen wir eine gemeinsame, sorgfältige Vorbereitung. Es geht nicht um Verzögerungstaktik, sondern um die Berücksichtigung aller Interessen schon am Beginn der Beratungen.
Wer ein Scheitern dieser Beratungen von Anfang an einkalkuliert, sollte sich vor Augen führen, welche Konsequenzen sich daraus ergäben. Ich bin sicher, niemandem wäre damit gedient, wenn uns am Ende eine Lösung vorgegeben würde, die sich allein an den rein rechtlichen Gegebenheiten orientierte, wenn Bundestag und Bundesrat zu einer solchen Lösung nicht imstande wären und uns möglicherweise das Bundesverfassungsgericht sagen müßte, was zu tun ist.
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Wir müssen auch die endgültige Erblastfinanzierung gemeinsam regeln; denn die östlichen Bundesländer würden eindeutig überfordert, wenn sie ihren Anteil an den Schulden des Kreditabwicklungsfonds und der Treuhandanstalt allein übernehmen müßten.
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Wie Bund und Länder die Erblastfinanzierung gemeinsam gestalten, ist Thema der anstehenden Verhandlungen. Grundvoraussetzung für eine tragbare Lösung hier wie beim Finanzausgleich ist eiserne Sparsamkeit auf allen Ebenen.
Zur Abwicklung der Erblastschulden käme die Errichtung eines Erblastentilgungsfonds in Frage, in dem ähnlich wie im Fonds Deutsche Einheit - ({32})
- Sie sollten ganz vorsichtig sein, weil solche Vorschläge von Ihrer Seite gemacht worden sind, bevor ich eine solche Idee auch nur aufgegriffen habe.
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Über das genaue Volumen der Erblastschulden werden wir erst in den kommenden Jahren völlige Gewißheit gewinnen. Beim Kreditabwicklungsfonds sind wir bisher von Verpflichtungen von rund 100 Milliarden DM bis Ende 1993 ausgegangen. Im Zusammenhang mit der Eröffnungsbilanz der Deutschen Kreditbank und dem risikobehafteten Transferrubel-saldo können sich noch höhere Verpflichtungen ergeben.
Bei der Treuhandanstalt gehen wir bisher von einer Gesamtverschuldung von rund 250 Milliarden DM Ende 1994 aus. In Kürze wird die DM-Eröffnungsbilanz der Treuhandanstalt vorliegen. Aber es darf nicht nur eine DM-Eröffnungsbilanz sein, sondern wir müssen damit vielmehr eine DDR-Schlußbilanz verbinBundesminister Dr. Theodor Waigel
den, um die Menschen darüber aufzuklären, was wir im Sommer 1990 wirklich gemeinsam übernehmen mußten.
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Der letzte kommunistische Ministerpräsident der DDR, Modrow, hatte das Volksvermögen noch auf über 1 Billion Mark der DDR, die frühere stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Frau Professor Luft, auf noch 750 Milliarden Mark geschätzt. Diese Bewertungen waren von vornherein nicht ernst zu nehmen. Aber auch viele aus unseren Reihen - ich nenne nur den von uns allen hoch geschätzten und verdienstvollen Detlev Karsten Rohwedder - gingen noch von einem Wert der Treuhandbeteiligungen von rund 600 Milliarden DM aus. Tatsächlich geht es um einen Fehlbetrag in dreistelliger Milliardenhöhe.
Mit der Eröffnungsbilanz der Treuhandanstalt wird endgültige Ernüchterung bei denjenigen einkehren, die früher auf der Basis des vermuteten Volksvermögens Umverteilungsmodelle entwickelten. Das ist bitter für die Deutschen in den jungen Bundesländern, die in den letzten 40 Jahren nicht weniger intelligent und fleißig gearbeitet haben als ihre Mitbürger im Westen. Es ist zugleich aber auch ein deutlicher Hinweis zur Selbstbescheidung für alle diejenigen, die die Treuhandanstalt immer noch als Selbstbedienungsladen betrachten.
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Vor dem Hintergrund der bald vorliegenden Bilanzzahlen werde ich es nicht hinnehmen, wenn immer wieder versucht wird, der Treuhandanstalt unrealistische Substanzerhaltungskonzepte aufzudrücken, um auf der anderen Seite die angeblich unverantwortliche Verschuldungspolitik der Bundesregierung zu beklagen.
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Die Bundesregierung hat in der Treuhandanstalt zu keinem Zeitpunkt ein reines Abwicklungsinstitut für das sozialistische Volksvermögen gesehen. Es ging immer um Investitionen in die marktwirtschaftliche Ordnung, um die Erhaltung zumindest des industriellen Kernbereichs und um die Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze. In den letzten zwei Jahren beliefen sich allein die ausgabewirksamen Sanierungsleistungen der Treuhandanstalt auf 36 Milliarden DM. 1993 wird ein weiterer zweistelliger Milliardenbetrag hinzukommen. Darüber hinaus hat die Treuhandanstalt Altschulden und Ausgleichsforderungen in Höhe von 90 Milliarden DM übernommen.
Die Treuhandanstalt ist kein offener Kredittopf. Wir haben durch das kürzlich verabschiedete Treuhandkreditaufnahmegesetz die jährliche Neuverschuldung auf 30 Milliarden DM begrenzt. Mit diesem Gesetz wurde der Treuhandanstalt zugleich der Zugang zu den Kapitalmärkten und zu günstigen Finanzierungskonditionen erleichtert. Auf der Grundlage der Haftung des Bundes für die Schulden der Treuhandanstalt haben die internationalen Kapitalmarktexperten der Treuhandanstalt völlig zutreffend
das Prädikat einer ersten Adresse gegeben und ihr die bestmögliche Einstufung verliehen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Frau Präsidentin Breuel und ihren Mitarbeitern, vor allen Dingen auch ihrem Vorgänger Rohwedder, meinen ausdrücklichen Dank und aie Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit auszusprechen.
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Die Privatisierung von 8 800 Unternehmen innerhalb von zwei Jahren, die Vereinbarung von 150 Milliarden DM privater Investitionen und die Sicherung von über 1 Million Arbeitsplätzen beschreiben eine Privatisierungs- und Aufbauleistung, wie es sie in der Geschichte der industrialisierten Staaten bisher nicht gegeben hat.
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- Wenn es die Treuhandanstalt nicht gegeben hätte, wären viel mehr Menschen ohne Perspektive arbeitslos. Jede Privatisierung hat ein Stück Markt in die jungen Bundesländer gebracht und damit Arbeitsplätze gesichert. Was hilft es uns denn, wenn wir Altschulden erlassen, neues Kapital zuführen, das beste Management einstellen, aber anschließend keine Märkte für die Produkte haben? Insofern ist ihre Kritik an der Privatisierung verfehlt, weil nur sie Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen hat.
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Privatisierung, Sanierung und dort, wo unvermeidbar, die schonende Stillegung durch die Treuhandanstalt sind Teil eines Aufbauwerks Ost, das wir im Interesse aller Deutschen vor zwei Jahren begonnen haben. Im Zeitraum von 1991 bis 1993 beläuft sich der gesamtstaatliche Nettotransfer in die jungen Bundesländer auf insgesamt rund 350 Milliarden DM. Die Größenordnung dieses Transfers beantwortet eigentlich schon die Frage nach einem Lastenausgleich.
Im übrigen wird die Bundesregierung in Kürze den Entwurf eines Entschädigungsgesetzes einbringen. Durch dieses Gesetz sollen Art, Umfang und Fälligkeit der Entschädigungen und Ausgleichsleistungen festgelegt werden. Durch den einzurichtenden Entschädigungsfonds soll der Bundeshaushalt grundsätzlich nicht belastet werden. Allerdings muß ein angemessener Teil der Erlöse aus dem Treuhand- und Finanzvermögen zur Finanzierung des Entschädigungsfonds herangezogen werden. Insofern kann es über die endgültige Finanzierung der Treuhandschulden mittelfristig auch zu einer gewissen Belastung des Bundeshaushalts kommen.
Im Mittelpunkt steht aber nicht die Begleichung alter Schulden, sondern der Aufbau neuer Werte, die auch die nächste Generation noch nutzen kann. Wir fördern die Gründung neuer Unternehmen und betriebliche Investitionen mit allen nur denkbaren Instrumenten bis an die Grenzen, die uns durch die Europäische Gemeinschaft gezogen werden. So steht allein für die Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsstruktur" 1993 ein Bewilligungsrahmen von zusätzlich 4,35 Milliarden DM zur Verfügung. Die
Investitionszulage wird in degressiver Form noch einmal bis Ende 1994 verlängert.
Wir begleiten darüber hinaus den harten wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß durch umfassende soziale Vorsorge in den jungen Bundesländern. Zur Entlastung des Arbeitsmarkts haben wir für den Bereich Vorruhestands- und Altersübergangsgeld im Finanzplanungszeitraum allein knapp 30 Milliarden DM vorgesehen.
Die umfassende und notwendige Finanzierung des Aufbaus in den jungen Bundesländern muß im Westen aufgebracht werden. Aber wir dürfen die Betriebe und die Beschäftigten nicht überfordern.
Das westdeutsche Sozialprodukt umfaßt 93 % der gesamtdeutschen Leistungen. Mit jedem Punkt Wachstum, den wir im Westen verlören, stünden rund 30 Milliarden DM nicht mehr für das solidarische Aufbauwerk im Osten zur Verfügung. Jeder, der - wie zuletzt die SPD mit ihrem Petersberger Programm - jetzt noch zusätzliche Transfers und Fördermaßnahmen vorschlägt, muß sich deshalb zuerst nach den volkswirtschaftlichen Kosten, nach den Wirkungen auf Inflation, Investitionen und außenwirtschaftliches Gleichgewicht, fragen lassen.
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Ich habe bei meinem Besuch in MecklenburgVorpommern und in Sachsen sehr viel Anerkennung für die Aufbauleistungen und Hilfe aus dem Westen registriert. Wer sich die Mühe macht, genau hinzusehen, erkennt, was im Osten im Wohnungswesen, bei der Renovierung der Städte und öffentlichen Einrichtungen, was im Handwerk und Handel schon erreicht wurde.
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- Das reicht noch nicht aus, sondern das muß fortgesetzt werden.
Frau Krause-Burger hat in einem bemerkenswerten Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29./30. August 1992 auf diese stille Entwicklung hingewiesen. Sie schreibt:
Aber manch einer klagt auch nur, weil alle klagen
(
Ja!) oder weil es von ihm erwartet wird.
({0})
- Frau Krause-Burger gehört nicht der CDU/CSU und auch nicht der F.D.P. an. Ich zitiere eine sehr unabhängige Journalistin. Sie schreibt weiter:
Irgendeinen Grund findet man immer, und welcher Rundfunk- oder Fernsehreporter mag seinem Chef einen Bericht über den hochzufriedenen Elektromeister aus Dresden anbieten?
({1})
Als bei meinem Besuch in Stralsund der Oberbürgermeister dort von einem Journalisten gefragt wurde: „Was sagen Sie jetzt dem Finanzminister, wenn Sie ihn endlich vor sich haben?", antwortete er: „Ich bin mit der Entwicklung zufrieden." Daraufhin kam die Frage: „Haben Sie sich versprochen?" Am Abend wurde er noch einmal von einem Journalisten angerufen und gefragt, ob er bei dem Satz bleibe und ob er zitiert werden dürfe. Nur, das finden wir in unserer Presse kaum, weil es nicht in die aktuelle Landschaft paßt.
({2})
Aber das ist durchaus die Grundstimmung der Menschen, die sich deutlich von dem abhebt, was über die Situation permanent berichtet wird.
Tatsächlich läßt sich das, was in 40 Jahren in Westdeutschland organisch gewachsen ist, nicht mit der Brechstange innerhalb weniger Monate und Jahre im Osten erzwingen. Nachdem die kommunistische Kommandowirtschaft mit ihren Fünfjahresplänen gescheitert ist, dürfen sich heute die Erwartungen nicht wieder auf ähnliche unrealistische Zielvorgaben richten.
Meine Damen und Herren, wir müssen neben der Konsolidierung gleichzeitig die Wachstumsvoraussetzungen für unsere Volkswirtschaft verbessern. Gerade angesichts der hohen Finanztransfers nach Ostdeutschland müssen wir weiter in die Wachstumsgrundlagen investieren. Wir haben in der Koalition vorgestern über ein Konzept für ein steuerliches Standortsicherungsgesetz gesprochen, mit dem wir unsere Unternehmen auf den europäischen Binnenmarkt und die durch die Währungsunion noch stärker zusammenwachsende Gemeinschaft vorbereiten wollen.
Durch das am 1. Januar 1993 in Kraft tretende, aber bereits beschlossene Steueränderungsgesetz 1992 wird in einem ersten Schritt insbesondere die Substanzbesteuerung der Betriebe verringert und der Mittelstand steuerlich entlastet. In einer zweiten Stufe geht es künftig vor allem um die Senkung der im internationalen Vergleich zu hohen Ertragsteuerbelastung der Betriebe.
Mein Konzept für ein Standortsicherungsgesetz, das spätestens 1994 in Kraft treten soll, enthält die folgenden Eckpunkte: Der Einkommensteuersatz für gewerbliche Einkünfte und der Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne werden von 53 % bzw. 50 % auf 44 % gesenkt.
({3})
Durch die spürbare Verringerung der Einkommensteuer auf gewerbliche Einkünfte werden die zahlreichen mittelständischen Personenunternehmen genauso gestellt wie die Kapitalgesellschaften.
({4})
Um diesen notwendigen Erfolg sicherzustellen, war
ein differenzierter Einkommensteuersatz erforderlich. Nur so konnte das begrenzte Finanzvolumen auf
den zentralen Wachstumsbereich unserer Wirtschaft konzentriert werden.
Für kleine und mittlere Unternehmen soll eine eigenkapitalschonende Ansparabschreibung eingeführt werden. Begünstigt sind alle Betriebe, die bisher schon § 7 g des Einkommensteuergesetzes nutzen konnten.
Bei der Erbschaftsteuer gilt künftig wie bei der Vermögensteuer ein Freibetrag von 500 000 DM und ein Bewertungsabschlag von 25 %.
Die Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer und der Vermögensteuer im Beitrittsgebiet wird bis zum Ende des Jahres 1995 verlängert. Auch die Sonderabschreibungen im Beitrittsgebiet sollen länger als bisher geplant möglich sein.
Durch die vereinbarte spürbare Entlastung der betrieblichen Erträge wird die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Investitionsstandorts im Verhältnis zu unseren europäischen Nachbarn entscheidend verbessert. Allerdings - das hat auch die deutsche Wirtschaft akzeptiert - ist eine Nettoentlastung der Betriebe angesichts der akuten Finanzierungsaufgaben zur Zeit nicht möglich. Deshalb haben wir in unser Steuerpaket Maßnahmen zur Begrenzung von betrieblichen Abschreibungserleichterungen als Gegenfinanzierung aufgenommen.
Die soziale Ausgewogenheit unseres Steuerreformkonzepts wird vor allem durch den Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen gewährleistet. Im übrigen kommt es auf Grund der vollständigen Kompensation der Steuerentlastung zu keinem Vorteil für die sogenannten Besserverdienenden. Schließlich wird die soziale Symmetrie auch durch die Anhebung des Grundfreibetrages gesichert.
Ich lade die Steuer- und Finanzfachleute aller Fraktionen ein, an der Erarbeitung des Konzeptes mitzuarbeiten. Das gilt vor allen Dingen für den heute nicht anwesend sein könnenden Vorsitzenden des Finanzausschusses. Ich hoffe, daß wir in den Einzelgesprächen das möglichst rasch voranbringen. Ich glaube, auch die SPD wird zu diesem Konzept ja sagen können, damit es auch im Bundesrat akzeptiert wird. Es wäre ein wichtiger Schritt für unsere Wachstumsvorsorge, für die Arbeitsplätze und insbesondere für die Menschen im Osten, aber auch die im Westen, wenn wir gemeinsam schnellstmöglich dieses Konzept verwirklichen könnten, um damit ein beispielhaftes Signal für den Aufbau im Osten, aber auch für die Fortführung im Westen zu setzen.
({5})
- Wir haben uns die Konzepte genau angesehen, auch das des Kollegen Poß. Ich habe mich darüber gefreut, - ({6})
- Nein, das ist nicht das beste, weil wir damit sehr viele in die Aktiengesellschaft getrieben hätten. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen, daß die Betriebe ihre Unternehmensrechtsform beibehalten können, die für die Welt beispielhaft ist.
Dieses Konzept, Herr Kollege Poß - Sie haben es ja begrüßt -, ist, glaube ich, ein guter Ausgangspunkt für eine positive Beratung. Ich lade Sie dazu herzlich ein.
({7})
Zu einer umfassenden Wachstumsstrategie gehört neben gesamtwirtschaftlicher Konsolidierung und Steuerstrukturreform auch die Konzentration der begrenzten öffentlichen Mittel auf die zentralen Zukunftsaufgaben. Wir wollen den Verkehrshaushalt um 10,7 %, von 40 Milliarden DM im Jahre 1992 auf 44,3 Milliarden DM, aufstocken. Mit den zusätzlichen Mitteln können die Verkehrsprojekte in den jungen Bundesländern, die bisher aus dem 1993 auslaufenden Gemeinschaftswerk finanziert wurden, uneingeschränkt fortgeführt werden. Diese Investitionen werden nicht zu Lasten gleichfalls vordringlicher Verkehrsinfrastrukturprojekte im Westen gehen.
Ein Schwerpunkt des Verkehrshaushalts sind auch der Ausbau und die Modernisierung des Streckennetzes in den jungen Bundesländern. Der Reichsbahn werden hierfür insgesamt 7,6 Milliarden DM zur Verfügung stehen.
Auf Dauer können wir den hohen Defiziten im Bereich des Schienenverkehrs nur durch umfassende Reformmaßnahmen und eine stärkere Annäherung an privatwirtschaftliche Organisations- und Entscheidungsprinzipien begegnen.
({8})
Deshalb hat das Bundeskabinett am 15. Juli 1992 beschlossen, die Reichsbahn und die Bundesbahn zusammenzuführen und auf handelsrechtlicher Grundlage neu zu ordnen.
Die für die Reform notwendigen Finanzmittel sind - ich sage das ganz offen; wir haben das schon früher gesagt - im Rahmen des Bundeshaushalts nicht zu erbringen. Deshalb müssen die über die jetzigen Haushaltsansätze hinaus notwendigen Mittel durch einen Solidarbeitrag des Straßenverkehrs aufgebracht werden. Wir werden uns für eine mit der Europäischen Gemeinschaft abgestimmte Neukonstruktion eines Verkehrsfinanzausgleichs einsetzen. Sie soll dazu beitragen, unsere Verkehrssysteme insgesamt leistungsfähiger und umweltfreundlicher zu gestalten.
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft Bildung und Forschung im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeit nach Kräften unterstützen; denn der Industriestandort Deutschland bezieht einen Großteil seiner Attraktivität aus der Dichte der Spitzenforschung.
Im Bereich der Weltraumforschung stehen in nächster Zeit wichtige Richtungsentscheidungen an. Wir wollen auf der ESA-Ministerratstagung in Granada im November das künftige europäische Weltraumprogramm mit den veränderten finanziellen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsländern in Übereinstimmung bringen.
({9})
Darüber hinaus geht es um zusätzliche Kooperationschancen insbesondere mit den Vereinigten Staaten und Rußland.
Für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau werden im nächsten Jahr 1,6 Milliarden DM, im Finanzplanungszeitraum insgesamt 8 Milliarden DM bereitstehen. Bei aller Notwendigkeit auch des Hochschulausbaus im Westen appelliere ich an die Verantwortlichen in den alten Bundesländern, ihre Forderung nach einer weiteren Aufstockung der Mittel zu überprüfen. Die Priorität des Hochschulbaus im Osten ist unbestritten. Im übrigen haben wir die Fördermittel erst 1991 um 500 Millionen DM aufgestockt; allein 200 Millionen DM davon sind den westdeutschen Hochschulen zugute gekommen.
Zu einer zukunftsbezogenen und die Strukturanpassung fördernden Finanz- und Wirtschaftspolitik gehört auch eine Agrarpolitik, die unseren landwirtschaftlichen Familienbetrieben die Anpassung an den Strukturwandel in der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht. Wir wollen die entfallende Umsatzsteuerregelung für die Landwirtschaft in Abstimmung mit der Gemeinschaft durch nationale Ausgleichsmaßnahmen auffangen. Im Rahmen der hierfür vorsorglich eingeplanten Mittel steht mittelfristig auch ein ausreichender Betrag für die Reform der agrarsozialen Sicherungssysteme zur Verfügung.
Unsere Wirtschaftsordnung beruht auf dem grundlegenden sozialen Konsens. Für uns steht die Soziale Marktwirtschaft nicht auf dem Papier; die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit ist tägliche Aufgabe und Verpflichtung. Im Bundeshaushalt 1993 findet der von der SPD immer wieder verkündete soziale Kahlschlag nicht statt. Die Sozialausgaben nehmen vielmehr 1993 um 6,2 % auf 149 Milliarden DM zu.
({10})
Wir haben in den letzten beiden Jahren über einen nie dagewesenen Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente den Anstieg der Arbeitslosigkeit in den jungen Bundesländern wirksam begrenzt. Statt der von der SPD beschworenen 3 Millionen Arbeitslosen sind es zur Zeit 1,2 Millionen.
Allein für die Vorruhestandsregelung stehen im Bundeshaushalt 1993 4,5 Milliarden DM zur Verfügung. Damit wird gut 200 000 Empfängern die Möglichkeit eröffnet, ohne zu große finanzielle Einbußen in den Ruhestand überzuwechseln.
Angesichts dieser hohen Aufwendungen werden jedoch jetzt finanzielle Grenzen der Arbeitsmarktpolitik deutlich. Ein weiterer Zuschuß des Bundes an die Bundesanstalt für Arbeit ist im Haushalt 1993 nicht finanzierbar. Deshalb ist eine Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz erforderlich. Es muß ein noch wirksamerer Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und die Konzentration der Leistungen auf die vordringlichen Aufgaben im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit erreicht werden.
({11})
In die Haushaltspläne des Bundes ist bereits seit 1991 eine Reihe von Vermerken aufgenommen worden, die es ermöglichen, bundeseigene Grundstücke
unter bestimmten Voraussetzungen weit unter ihrem vollen Wert zu veräußern. Dabei geht es um die Förderung von Verwaltungsaufgaben in den jungen Bundesländern, um den Bau von Sozialwohnungen und sozialen Einrichtungen sowie um die Errichtung von Hochschulen und überbetrieblichen Umschulungseinrichtungen.
Daneben haben wir umfassende Zahlungserleichterungen durch Stundungsmöglichkeiten geschaffen und den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, Planungsgewinne abzuschöpfen, wenn bisher militärisch genutzte Grundstücke bereits vor der Fertigstellung einer Bauleitplanung veräußert werden.
Wir müssen in unsere Wirtschaftskraft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt investieren. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen: Wir sind eine offene Gesellschaft in einer Welt, in der zu unserer Freude in den letzten Jahren viele Grenzen und Barrieren gefallen sind. Deshalb können wir uns auch angesichts größter nationaler Herausforderungen nicht ins nationale Schneckenhaus zurückziehen.
({12})
Mit großer Sorge beobachten wir nach wie vor die Entwicklung im früher kommunistischen Mittel- und Osteuropa. Rußland, die übrigen GUS-Staaten und die anderen ehemaligen Mitglieder des RGW sind dabei, ihre politischen und wirtschaftlichen Systeme grundlegend umzugestalten. Aber der Übergang zu einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ist lang und mühsam. Die Reformen werden auch durch weitreichende Befürchtungen der Bevölkerung gebremst, die im Zusammenhang mit der Auflösung der alten Ordnung bisher vor allem mit Inflation, emporschnellenden Staatsdefiziten, drastischen Produktionseinbrüchen und dramatisch ansteigender Arbeitslosigkeit konfrontiert wurde.
Ein Scheitern des wirtschaftlichen und politischen Reformkurses in Mittel- und Osteuropa wäre für den Westen, auch für uns, eine Katastrophe.
({13})
Die Gefahren durch riesige Flüchtlingsströme, vagabundierende Atomwaffen und überschwappende nationale Konflikte wären überhaupt nicht mehr wirksam zu begrenzen.
Die großen Industrieländer haben deshalb unter deutschem Vorsitz auf dem Gipfeltreffen in München Rußland und den anderen neuen Staaten ihre konkrete Zusammenarbeit und Hilfe zur Selbsthilfe angeboten. Dieses Angebot schließt ein: Unterstützung der Reformen durch die internationalen Finanzinstitutionen, Schuldendiensterleichterungen, fachkundige und praxisnahe Beratungshilfe, Unterstützung der Investitionen im Öl- und Gassektor und nicht zuletzt, auch in unserem eigenen Interesse, Förderung der Sicherheit in den Kernkraftwerken sowjetischer Bauart.
Ein entscheidender Erfolg des Münchener Gipfeltreffens war die grundsätzliche Einigung über ein 24-Milliarden-DM-Hilfspaket für Rußland. Eine erste
Kredittranche des Internationalen Währungsfonds für Rußland in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar wurde inzwischen bewilligt. Gespräche über den Abschluß einer umfassenden Kreditvereinbarung finden zur Zeit in Moskau statt.
Mit diesen Kreditzusagen sind wir dem von uns immer wieder beharrlich geforderten Burdensharing, einer gerechten Lastenteilung bei der Hilfe für Osteuropa, ein gutes Stück nähergekommen. Das war auch dringend erforderlich; denn seit Beginn des Reformprozesses in Osteuropa hat Deutschland mit über 100 Milliarden DM an bilateraler und multilateraler Hilfe den allergrößten Teil der Unterstützung der mittel- und osteuropäischen Staaten aufgebracht.
Wir sind grundsätzlich bereit, die GUS-Staaten und gleichzeitig die ostdeutschen Lieferbetriebe durch die weitere Bewilligung von Hermes-Bürgschaften zu unterstützen. Das Kabinett hat dementsprechend am 1. Juli die Anfang des Jahres zugesagten Deckungsmöglichkeiten noch einmal bestätigt: 5-MilliardenDM-Rahmen für Kreditgeschäfte von mehr als einem Jahr und kurzfristige Deckung ohne Begrenzung auf einen Gesamtbetrag.
Der 5-Milliarden-DM-Rahmen ist zur Zeit jedoch nur mit 2,3 Milliarden DM belegt. Angesichts der Liquiditätsengpässe der Betriebe in den GUS-Staaten ist eine rasche Ausnutzung des verbleibenden Dekkungsspielraums eher unwahrscheinlich. Ich sehe deshalb zur Zeit kaum Möglichkeiten, im Rahmen der Bürgschaftsgewährung zusätzliche Absatzchancen für die ostdeutschen Betriebe zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, zu unserer internationalen Verantwortung und zur nationalen Wachstumsvorsorge gehört auch, daß wir uns mit ganzer Kraft für das Ziel der Europäischen Union einsetzen. Mit der Zuleitung des Zustimmungsgesetzes an Bundesrat und Bundestag hat die Bundesregierung das Verfahren zur Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union eingeleitet. Europa steht vor seiner entscheidenden Bewährungsprobe. Das negative Votum in Dänemark war für uns alle eine Warnung. Jetzt kommt es auf die Volksabstimmung in Frankreich
an.
Die Europäische Gemeinschaft - das geht in dieser Diskussion manchmal verloren - hat den europäischen Völkern und den Menschen in Europa in den letzten Jahrzehnten ungeahnte Vorteile gebracht:
({14})
wirtschaftlicher Aufschwung, zunehmende Freundschaft und ein fester Zusammenhalt gegenüber der kommunistischen Bedrohung. Jetzt, da es darum geht, auf der Grundlage der Gemeinschaft der Zwölf ein wirklich einiges, freies und offenes Europa zu schaffen, schrecken viele vor dieser Perspektive zurück. Viele Deutsche fürchten um die Stabilität ihrer D-Mark. Auch die wuchernde Brüsseler Bürokratie und gewisse Tendenzen zum Zentralismus wecken Widerstand.
Gleichzeitig wird im Ausland die eigentlich weitgehend getilgte Angst vor dem scheinbar übermächtigen Deutschland geschürt. In diesem Zusammenhang
sind einige Überschriften und Kommentare der internationalen Presse für uns nicht akzeptabel.
({15})
Wenn ein Kommentator in der ausländischen Presse im Zusammenhang mit der Zinsdiskussion über einen „Krieg gegen die Deutschen" sinniert, dann ist das ein Anschlag auf den europäischen Gedanken und seine Verankerung in der deutschen Bevölkerung; und das wird der deutschen Haltung und unserer Politik nicht gerecht.
({16})
Wir müssen die sichtbar gewordenen zentrifugalen Kräfte in der Gemeinschaft wieder unter Kontrolle bringen, denn Europa wird gebraucht: bei der Überwindung der Reformprobleme in Osteuropa, bei der Sicherung von Wachstum und Stabilität in unseren Ländern, beim Umweltschutz und beim Asylproblem, bei der Bewältigung der tragischen nationalen Konflikte, die vor unserer Haustür im früheren Jugoslawien ausgetragen werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir auf die Befürchtungen der Menschen eingehen. Wir müssen die Konstruktion der zukünftigen europäischen Währung besser erläutern. Sie wird nach dem Vorbild der D-Mark geformt und deshalb ebenso stabil sein. Wir müssen den Brüsseler Zentralismus und Bürokratismus einschränken.
({17})
Das im Vertrag von Maastricht verankerte Prinzip der Subsidiarität darf nicht nur auf dem Papier stehen.
Schließlich müssen wir auch weit überzogene Vorstellungen der Kommission und einiger Länder über den zukünftigen Finanzbedarf der Gemeinschaft zurückweisen.
({18})
Angesichts der dringenden nationalen Konsolidierungsaufgaben in fast allen europäischen Ländern kann nicht über Steigerungsraten im EG-Haushalt von über 10 % diskutiert werden, wie der erste Kommissionsvorschlag zur Neuordnung der Gemeinschaftsfinanzen es zunächst vorsah.
({19})
Darüber sind sich die Finanzminister der EG-Staaten einig.
In der Fülle der finanzpolitischen Aufgaben spiegelt sich der Umbruch wider, der sich in Deutschland, in Europa und in der Welt vollzieht. Dieser Umbruch, über den wir uns erst allmählich klar werden, verlangt von uns allen ein höchstes Maß der Anpassung. Die großen Veränderungen in Deutschland und der Welt haben die Menschen unsicher gemacht. „Die Deutschen beginnen, sich zu fürchten", hat Frau Professor Noelle-Neumann eine demoskopische Bilanz, die am 23. Juni in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht wurde, überschrieben. Diese Angst zeigt sich auch in den Krawallen in Rostock und in anderen deutschen Städten. Wir müssen die rechtsra8672
dikalen Verführer isolieren und bestrafen. Aber das reicht nicht aus. Wir müssen auch nach den tieferen Ursachen für Enttäuschung und Unruhe fragen.
({20})
Kardinal Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris, hat die Verwirrung der Menschen in Europa, gut zwei Jahre nach dem Aufbruch im Winter 1989, bei einem Vortrag für die Katholische Akademie in München kürzlich wie folgt beschrieben: Freiheit in Osteuropa, Triumph der Demokratie, aber gleichzeitig neue Tyranneien, Wiederauftauchen verschütteter Streitereien, Widerspruch der Nationalismen, Intoleranz und Fanatismus, die aus der Tiefe der Zeiten hervorgebrochen zu sein scheinen - die täglich erhaltenen Nachrichten lassen die Menschen im Westen verwirrt und schweigend zurück - nach der Euphorie des großen symbolischen Ereignisses, als die Mauer fiel. Und obwohl die Standbilder der politischen Idole umgestürzt sind, bleiben die Völker der ehemals kommunistischen Länder im Elend und in der Enttäuschung des Alltags, der dem früheren so ähnlich ist.
Wir müssen Verwirrung und Angst überwinden, indem wir den Menschen Orientierung geben. Wer in Staat und Wirtschaft heute Verantwortung trägt, darf nicht mit dem Strom schwimmen und sich allein der öffentlichen Meinung anpassen.
({21})
Denn der Strom der öffentlichen Meinung hat keine eindeutige Richtung und verschluckt in seinen Wirbeln jeden, der sein Handeln nicht nach Prinzipien bestimmt.
({22})
Wenn wir den Menschen sagen, was notwendig und richtig ist, werden wir neues Zukunftsvertrauen begründen.
({23})
- Jawohl, wir sind dazu bereit und bedanken uns, wenn Sie uns dabei unterstützen, selbstverständlich!
({24})
Bei unseren Entscheidungen wollen wir aber zugleich die Empfindungen der Menschen, vor allem die Wunden, die 40 Jahre kommunistischer Unterdrückung geschlagen haben, bedenken.
Mit dem Bundeshaushalt 1993 und der Finanzplanung bis 1996 setzen wir klare wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Prioritäten. Wir werden die wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands so schnell wie möglich vollenden. Wir setzen auf den sozialen Konsens durch eine faire Lastenverteilung zwischen Ost und West und zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen, nicht zuletzt auch zwischen den staatlichen Ebenen. Wir wollen stetiges Wachstum und Stabilität für unser Land, aber auch für unsere Partner in Europa und in der Welt. Wir wollen den inneren Frieden bewahren und unnütze, kräfteraubende Verteilungskonflikte beenden.
Aktuelle Umfragen zeigen: Die Deutschen haben zunehmend Angst vor der Zukunft, beurteilen ihre gegenwärtige Situation aber gleichzeitig als gut oder sogar sehr gut. Es ist Aufgabe der Politik, diese Divergenz abzubauen. Wir dürfen unsere Debatten nicht allein auf Karenztage, Beitragssätze oder steuertechnische Einzelheiten verkürzen.
({25})
Sonst verlieren wir den Blick für die großen Aufgaben, zu deren Lösung die Wähler uns bestimmt haben.
({26})
Meine Damen und Herren, wir stehen vor schwierigen Aufgaben. Aber es geht nicht um schicksalhafte Fügungen, sondern um eine gestaltbare Zukunft. Deshalb sollten wir allen Kleinmut beiseite schieben und uns den drängenden Aufgaben zuwenden.
({27})
Wer, wenn nicht die Deutschen im Herzen eines freien Europas, sollte von der Aufhebung der Teilung profitieren? Warm, wenn nicht jetzt, sollten wir die Einheit vollenden. Wie, wenn nicht durch gemeinsames Handeln, sollten wir die Zukunft gewinnen?
Ich appelliere an alle Verantwortlichen in den Betrieben, bei den Gewerkschaften, bei den übrigen gesellschaftlichen Gruppen und bei Ländern und Gemeinden:
({28})
Nehmen wir die Aufgabe der Einheit gemeinsam an; denn nur in solidarischer Zusammenarbeit können wir für uns und für unsere Nachkommen Frieden und Freiheit auf die Dauer gewinnen.
Ich danke Ihnen.
({29})
Als nächste hat die Abgeordnete Frau Ingrid Matthäus-Maier das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin! Vom Bundeshaushalt, von der Finanzplanung und von der Einbringungsrede des Finanzministers erwartet die Öffentlichkeit Antworten auf die drängenden Probleme unseres Landes. Dies sind vor allem der wirtschaftliche und soziale Aufbau in den neuen Ländern, die bedrückende und noch wachsende Wohnungsnot sowie die ausufernde Staatsverschuldung. Millionen von Menschen vor allem in den neuen Bundesländern sind arbeitslos oder drohen es zu werden. Die Gefahr der Deindustrialisierung ganzer Landstriche im Osten wächst. Millionen Menschen treibt die Unsicherheit um, wie es weitergeht. Vor allem auch viele Frauen und Jugendliche empfinden ihre Lage als bedrückend oder gar aussichtslos.
In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Bezahlbarer Wohnraum für Familien mit Kindern und für Bezieher niedriger und mittlerweile auch mittlerer Einkommen fehlt nicht nur in den Ballungsräumen, sondern zunehmend überall im Lande. Wer eine
Wohnung hat, lebt häufig in der Angst, sie demnächst nicht mehr bezahlen zu können - und das alles vor dem Hintergrund einer Staatsverschuldung von 1,6 Billionen DM, die noch unsere Kinder und Enkel als Erblast bedrücken wird.
Wer in dieser Situation von der Bundesregierung klare Antworten, solide Konzepte und energisches Handeln erwartet hat, ist tief enttäuscht.
({0})
Ich darf die Zwischenzeit dazu nutzen, die Damen und Herren zu bitten, Platz zu nehmen oder den Raum zu verlassen.
Mehr noch: Man ist fassungslos. „Tollhaus", „Panik" , „Chaos" schreiben die Zeitungen. Über die Bundesregierung heißt es: „blinder und hilfloser Aktionismus", „beispielloses Durcheinander" , „zunehmende Kopf- und Bedenkenlosigkeit", „Ideen aus dem Schnapsladen", „Tohuwabohu" und „Finanzchaoten".
({0})
Immer ungeduldiger fragen die Menschen: Wo ist eigentlich der Herr Bundeskanzler? Zu Recht fragen sie das.
(
Hier!)
Herr Bundeskanzler, Ihre Aufgabe ist es nicht, das Finanzchaos Ihrer Regierung auszusitzen; Ihre Aufgabe ist es zu regieren. Dann tun Sie es auch; die Bürger warten zu Recht darauf.
({0})
Auch Sie, Herr Finanzminister, haben mit Ihrer Rede in dieses Durcheinander keine Klarheit gebracht.
({1})
Es bleibt bei den altbekannten Sprüchen: „Alles im Griff", „Staatsfinanzen in Ordnung". Der Kontrast zwischen Ihrer heutigen Rede und dem Chaos in Ihren Reihen zeigt doch, daß hier nicht die Wahrheit gesagt wird, Herr Waigel. Ich frage Sie: Könnten Sie es denn nicht endlich einmal mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer soliden Finanzierung versuchen statt mit dem dauernden Abwiegeln, Täuschen und Tricksen? Das deutsche Volk ist doch nicht doof, meine Damen und Herren.
({2})
Ein Geldbeschaffungsvorschlag jagt den anderen. Erst hieß es Autobahngebühr, dann erneute Mineralölsteueranhebung, dann Zwangsanleihe, dann Deutschlandanleihe. Eine Mehrwertsteuererhöhung geistert auch schon wieder durch die Union. Wer so hektisch nach Geld sucht, gibt zu, daß er entgegen allen Beteuerungen die Staatsfinanzen eben nicht im Griff hat. Und daß Sie uns heute einen Haushalt vorlegen, der, bevor er noch debattiert wird, längst Makulatur ist, das ist eine Zumutung für die Öffentlichkeit und für das Parlament, meine Damen und Herren!
({3})
Wir Sozialdemokraten hatten deshalb gefordert, den Haushaltsentwurf zurückzuziehen, neu zu überarbeiten
({4})
und statt dessen die dringend notwendige Debatte zur Lage der Nation zu führen. Die Regierungsmehrheit hat sich leider verweigert. Aber das hilft Ihnen nicht. Wir werden den Bundeskanzler zwingen, morgen zur Lage der Nation zu reden und endlich Farbe zu bekennen.
({5})
Unsere Vorschläge zum Aufbau in den neuen Ländern liegen auf dem Tisch.
({6})
Und auch wenn Sie zu diesen Vorschlägen immer wieder und wieder nein sagen und sich immer nur dann stückchenweise bewegen - wie bei der Eigentumsregelung -, wenn der Schaden für die Menschen unerträglich wird: Wir werden auch in Zukunft für unsere Vorschläge hartnäckig werben, weil sie vernünftig sind.
({7})
Das Angebot der SPD zu einer sachlichen Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen in Ost und West bleibt bestehen.
({8})
Was muß geschehen?
Erstens. Grundvoraussetzung für mehr Investitionen im Osten Deutschlands ist, daß die investitionsfeindliche Eigentumsregelung weiter korrigiert wird.
({9})
Zweitens. Wir brauchen ein Zukunftsinvestitionsprogramm Ost für den Aufbau der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Infrastruktur in den neuen Ländern sowie für den Städte- und Wohnungsbau. Dabei muß ein Teil der Mittel in einer Investitionspauschale an die Kommunen gehen, wie es 1991 erfolgreich geschehen ist.
({10})
Drittens. Wir brauchen einen gesetzlichen Sanierungsauftrag für die Treuhand. Erst Arbeitsplätze plattmachen und sie dann wieder mühselig neu aufbauen, das ist nicht nur unwirtschaftlich, meine Damen und Herren. Die damit verbundene Angst,
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung droht auch zu einem hochexplosiven sozialpolitischen Sprengstoff zu werden, der unser Gemeinwesen erschüttern kann.
({11})
Wir haben uns doch auch bei VW und bei Salzgitter mit dem Privatisieren Zeit gelassen. Warum müssen wir im Osten überstürzen, wofür wir im Westen jahrelang Zeit gebraucht haben?
({12})
Für viele Menschen im Osten ist die Treuhand der Buhmann. Das ist nicht immer gerecht; denn verantwortlich für die Treuhand ist der Bundesfinanzminister, der sich allerdings so recht nie um die Treuhand gekümmert hat.
({13})
Hätte Herr Waigel als Finanzminister nur halb so viel Energie für die Rettung von Treuhandunternehmen entwickelt, wie er sie als CSU-Vorsitzender für den Jäger 90 an den Tag gelegt hat, sähe es im Osten nicht so schlimm aus, meine Damen und Herren!
({14})
Viertens. Wir brauchen eine Regelung für die Altschulden der Betriebe, der Landwirtschaft und des Wohnungsbaus.
({15})
Diese Schulden haben doch nichts mit betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu tun. Sie wurden den Unternehmen vom Staat willkürlich auferlegt und hängen ihnen wie ein Mühlstein am Halse. Sie müssen davon befreit werden.
({16})
Fünftens. Wir brauchen eine Verbesserung und Konzentration der steuerlichen Investitionsförderung auf ein klares und überschaubares Instrument. Die Investitionszulage für Investitionen im Osten ist auf 20 % zu erhöhen.
({17})
Sechstens. Wir brauchen eine Perspektive für die Unternehmen, die bisher auf die osteuropäischen Exportmärkte ausgerichtet waren. Meine Damen und Herren, es ist doch ein Aberwitz, daß einerseits ein Teil der russischen Fischfangflotte nicht auslaufen kann, weil ihr Motoren fehlen, aber andererseits in Magdeburg, wo diese Motoren gebaut werden, Menschen arbeitslos werden, weil die Russen die Motoren derzeit nicht bezahlen können.
({18})
Ist es denn da nicht vernünftiger, statt den Arbeitern in Magdeburg Arbeitslosengeld zu zahlen, der Firma zeitlich befristet Hilfe zukommen zu lassen, so daß sie die Motoren trotzdem an die Russen liefern kann? Dann haben die Fischer in Rußland und auch die Arbeiter in Magdeburg Arbeit, und die Menschen für
Arbeit zu bezahlen ist allemal besser als für Arbeitslosigkeit.
({19})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie lachen.
Man hört, der Herr Möllemann prüfe so etwas.
({20})
Aber zwei Jahre nach der Einheit immer nur prüfen und prüfen, das muß nun mal ein Ende haben. Hier muß gehandelt werden! Ihr Motto „Die beste Wirtschaftspolitik ist keine Wirtschaftspolitik" hat den Aufbau im Osten ohnehin schon zu lange behindert.
({21})
Wie lange wollen Sie sich denn noch die Frage anhören, die beim letzten Karnevalsumzug in Bonn gestellt wurde, wo es hieß:
({22})
Erst hatten wir den Bangemann, dann hatten wir den Haussmann, jetzt haben wir den Möllemann; wann kriegen wir als Wirtschaftsminister denn endlich einmal einen Fachmann?
({23})
Das Wichtige daran ist,
({24})
daß Narren die Wahrheit sprechen, meine Damen und Herren.
({25})
Siebtens. Lassen Sie ab von Ihrem Vorhaben, gerade bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik zusammenzustreichen. Das schafft wieder hunderttausend neue Arbeitslose. Angesichts von teilweise 40 % oder 50 % Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern und zunehmender Verzweiflung der Menschen ist das doch der helle Wahnsinn, meine Damen und Herren.
({26})
Achtens. Wir brauchen eine Initiative zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen.
({27})
Das würde nicht nur zu einer gerechteren Verteilung des Produktivvermögens führen. Damit ergäben sich dann auch neue Möglichkeiten, die Investitionskraft der Unternehmen zu stärken und die Entwicklungen von Lohn und Produktivität einander besser anzupassen.
({28})
- Unter anderem auch, aber das reicht sicher nicht aus, Graf Lambsdorff, denn wir wollen es nicht auf einen Betrieb beschränken, wie Sie wissen.
Die jetzt in der Union geführte Finanzdebatte kommt zwar reichlich spät, aber sie könnte der Beginn des nötigen Neuanfangs sein. Immerhin hat die Union mit der Debatte Einsicht in dreierlei Punkten gezeigt.
Einsicht Nummer eins ist, daß wir für den Aufbau in den neuen Bundesländern mehr tun müssen als bisher.
Einsicht Nummer zwei ist, daß bei der Finanzierung der deutschen Einheit die Bürger mit den starken Schultern bisher kaum herangezogen wurden.
Einsicht Nummer drei ist, daß es speziell für die privaten Investitionen in den neuen Ländern zusätzliche Anreize geben muß.
Diese Einsicht allein reicht aber nicht aus. Entscheidend ist, daß auch der zweite Schritt getan wird, daß nämlich gehandelt wird. Sie müssen jetzt endlich die beiden Kardinalfehler korrigieren, die Sie bei der Herstellung der deutschen Einheit gemacht haben. Fehler Nummer eins: Sie haben den Menschen nicht die Wahrheit gesagt. Sie haben im Osten und im Westen Illusionen geweckt, die nicht zu erfüllen waren.
({29})
Zweiter schlimmer Fehler: Sie haben die zahlreichen Angebote der SPD - von Hans-Jochen Vogel über Björn Engholm bis zur Aufforderung von Altbundeskanzler Helmut Schmidt - zu einer parteienübergreifenden Zusammenarbeit für den Aufbau der neuen Länder immer und immer wieder zurückgewiesen.
({30})
Wir fordern Sie auf: Kommen Sie raus aus dieser Neinsagerecke!
({31})
Verweigern Sie nicht länger die angebotene Zusammenarbeit! Dann können wir es schaffen; allein schaffen Sie es nicht.
Ihr Vorschlag eines Solidarpaktes weist in diese Richtung, aber, meine Damen und Herren, die Oberschrift allein reicht nicht. Es kommt auf den Inhalt an, und da scheint mir, Sie treten bisher mit viel Lärm auf der Stelle. Fragen über Fragen bleiben unbeantwortet: Werden Sie Steuern erhöhen? Wenn ja, welche, wie hoch, und wer wird davon betroffen? Wollen Sie es wirklich bei der unseligen Vermögensteuersenkung für 1993 belassen, obwohl Sie zugleich die Masse der Menschen mit der Mehrwertsteuererhöhung belasten? Wie hoch sind nun eigentlich die öffentlichen Schulden? Wie hoch sind dafür die Zinszahlungen? Wie sollen sie bedient werden? Wo wollen Sie denn nun endlich sparen?
({32})
Wo bleibt der Subventionsabbau, und wo wird umgeschichtet?
Meine Damen und Herren, keine dieser Fragen hat der Finanzminister heute beantwortet. Sie haben herumgeeiert.
({33})
Im Gegenteil, in der Frage der Steuererhöhung haben Sie derart ausweichend geantwortet, daß jeder weiß: Wer so ausweichend antwortet, der hat die nächste Steuererhöhung schon in der Tasche, meine Damen und Herren.
({34})
Sie wehren sich gegen den Vorwurf der Steuerlüge. Aber Sie können machen, was Sie wollen: Dieser Bundeskanzler wird als Kanzler der Steuerlügen in die Geschichte eingehen, und Sie, Herr Waigel, als sein Helfershelfer.
({35})
Die erste Steuerlüge von vor der Bundestagswahl haben wir alle gut im Kopf. Die zweite folgte auf dem Fuße mit der Mehrwertsteuererhöhung. Viele Bürger hatten Ihnen übrigens geglaubt, daß die Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der EG-Harmonisierung erhöht werden müsse.
({36})
Doch die Richtlinie, die Sie angeblich dazu zwingt, gibt es heute immer noch nicht. Es zeigt sich, daß Sie auch da die Unwahrheit gesagt haben.
Die „Süddeutsche Zeitung" hat Sie in diesen Tagen „einen hochrangigen Verniedlicher, der den Bürgern Sand in die Augen streut", genannt. Dieses ist durch Ihren Finanzplan erneut bestätigt. Ihr Finanzplan ist nicht nur unvollständig, sondern er weist Löcher wie ein Schweizer Käse auf;
({37})
denn für erkennbare Risiken und notwendige Auf gaben ist keine Vorsorge getroffen. Beispiel Nummer 1: der Grundfreibetrag. Jeder weiß, daß in Deutschland die Lohn- und Einkommensteuer verfassungswidrig zu hoch ist. Ab einem Monatseinkommen von 792 DM zahlt ein Arbeitnehmer bereits Lohnsteuer.
({38})
Das heißt, der Staat steuert seinem Bürger einen Teil des Existenzminimums weg. Das ist verfassungswidrig, und das wird das Bundesverfassungsgericht feststellen. Deshalb muß der Grundfreibetrag erhöht werden. Sie wissen das; denn seit längerem ergehen deshalb alle Steuerbescheide nur noch vorläufig. Stellen Sie sich doch einmal vor, was Sie hier im Bundestag veranstalten würden, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister es gewagt hätte, zig Millionen Steuerbescheide vorläufig zu erlassen, weil er weiß, daß er seine Bürger verfassungswidrig besteuert. In Ihrem Haushalt, in Ihrer Finanzplanung
ist für die notwendige Senkung der Lohn- und Einkommensteuern aber kein Pfennig vorgesehen.
({39})
Die Bürgschaftsrisiken: Allein an die Staaten der ehemaligen Sowjetunion hat der Bund Bürgschaften in Höhe von 42 Milliarden DM gegeben. Eine ehrliche Finanzpolitik muß eingestehen, daß hier hohe Ausfälle zu erwarten sind. Auch hierfür fehlt in Ihrem Haushalt die notwendige Vorsorge. Wir haben im Bundestag parteiübergreifend die Reform des § 218 mit wichtigen und positiven Maßnahmen für die Familien mit Kindern und zum Schutz des ungeborenen Lebens beschlossen. Der Bundesfinanzminister will sich an den milliardenschweren Kosten für den Bau der dringend notwendigen Kindergärten nicht beteiligen und verweist auf die Länder und Gemeinden.
({40})
Aber Sie wissen doch selber: Im Finanzausgleich werden Länder und Gemeinden dafür einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer geltend machen. Das reißt dann wieder ein Loch in die Kasse, für das der Bundesfinanzminister keine Vorsorge getroffen hat.
({41})
Der Bundeskanzler hat sich auf dem Umweltgipfel in Rio für mehr Umweltschutz und eine Aufstockung der deutschen Entwicklungshilfemittel auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts ausgesprochen.
(
Aber das stimmt doch gar nicht, was Sie da sagen! Lesen Sie doch richtig!)
Das ist gut so.
(
Lesen Sie den Text richtig!)
- Dann korrigieren Sie es, Herr Bundeskanzler.
(
Nein, Sie müssen es korrigieren!)
- Wer in den letzten Jahren und Monaten Gelegenheit hatte, Falschaussagen zu korrigieren, Herr Bundeskanzler, das sind nicht wir, sondern ganz offensichtlich Sie mit Ihrer Bundesregierung.
({0})
Sieht man sich den Etat des Entwicklungshilfeministers an, so kann man feststellen, daß dieser praktisch auf der Stelle tritt.
({1})
Der Etat des Umweltministers geht sogar zurück. Entweder sind die entwicklungs- und umweltpolitischen Versprechungen des Bundeskanzlers unehrlich, oder der Bundeshaushalt stimmt nicht. Wahrscheinlich trifft beides zu.
Was machen Sie eigentlich, Herr Waigel, wenn die Konjunktur weiter erlahmt und die Steuereinnahmen nicht so ausfallen wie erwartet? Ich frage mich manchmal, ob bei dieser Bundesregierung der Finanzminister überhaupt noch in Bonn mit am Kabinettstisch sitzt oder ob er seine Zeit überwiegend als CSU-Vorsitzender in München verbringt.
({2})
Alles mögliche wird beschlossen. Dann wird verkündigt, man habe ein Problem gelöst. Nur - die entscheidende Frage der Finanzierung bleibt offen. So war es bei der Bahnreform. So war es dann auch bei der Pflegeversicherung. Am Tag danach geht dann jeweils das Hickhack um die Finanzierung los. Mir scheint, über Geld und solide Finanzen spricht man wohl gar nicht mehr in diesem Kabinett, meine Damen und Herren.
({3})
Ein weiteres Beispiel für die Unehrlichkeit der Bundesregierung ist ihr Umgang mit der Staatsverschuldung. Um die Schuldenlast der öffentlichen Hände nicht gar so groß aussehen zu lassen, verschieben Sie Hunderte von Milliarden Schulden listig in Sonderhaushalten, Verschiebebahnhöfen und diversen Schuldentöpfen. Ihr neuestes Meisterstück haben Sie jetzt geliefert, indem Sie die über 50 Milliarden DM Schulden von Reichs- und Bundesbahn in einen neuen Schuldentopf packen, den Sie auch noch „Sondervermögen" nennen.
({4})
Ein Sonderhaushalt, der aus überhaupt nichts anderem besteht als aus zig Milliarden DM Schulden, erhält den schönen Titel Sondervermögen. Da packt man sich doch an den Kopf, meine Damen und Herren.
({5})
Ein wahres Lehrstück ist der größte Schuldentopf - die Treuhandanstalt. Zunächst hieß es - übrigens noch in der Debatte vom letzten Jahr - von seiten des Herrn Finanzministers, das sei eine Privatholding, die den Bundeshaushalt überhaupt nicht belaste. Dann sollte plötzlich die eine Hälfte der Schulden von den neuen Bundesländern übernommen werden, was ja offensichtlich gar nicht geschafft werden kann. Dann hieß es aber, die alten Bundesländer sollten die Hälfte übernehmen. Dabei ist die Wahrheit doch ganz einfach. Sie steht schwarz auf weiß im Einigungsvertrag: Die Treuhand ist eine bundesunmittelbare Anstalt des Bundes, deshalb müssen die ganzen 250 Milliarden DM in die Finanzplanung des Bundes eingestellt werden. Sie stellen aber nur 125 Milliarden DM ein, die anderen 125 Milliarden DM sind weg. Diese wundersame Schuldenversenkungsaktion für 125 Milliarden DM wird nicht lange halten. Auch in dieser Frage, Herr Finanzminister, wird Sie die Wahrheit ereilen.
Zur Zeit beträgt die Verschuldung der öffentlichen Hände in der Bundesrepublik Deutschland 1,6 Billionen DM. Auf jedem Bürger lastet eine Staatsverschuldung von 20 000 DM. Zum Ende der Finanzplanung
1996 werden es fast 2,3 Billionen DM Staatsschulden sein.
({6})
Das macht eine Staatsverschuldung von rund 28 000 DM pro Bürger aus.
Obwohl der Staat in jeder Minute 1,4 Millionen DM Steuern einnimmt, macht er zusätzlich in jeder Minute 360 000 DM neue Schulden und zahlt für diese Schulden in jeder Minute 244 000 DM Zinsen. Jede Minute gibt es neue Staatsschulden etwa in der Größenordnung des Wertes eines Eigenheims. Jede Minute werden Zinsen auf Staatsschulden in Höhe von einer Viertelmillion DM fällig. Bald schon wird jede fünfte Steuermark für Zinszahlungen der öffentlichen Hand aufgebracht werden müssen. 6 400 DM muß eine vierköpfige Durchschnittsfamilie im Jahr allein für die Zinsen des Staates aufbringen.
({7})
Sie, Herr Waigel, werden als größter Schuldenmacher in die Geschichte dieses Landes eingehen. Unsere Kinder und Enkel werden für diese enormen Schulden noch bezahlen müssen.
Wir Sozialdemokraten sind der Ansicht: Diese Schuldenexplosion muß endlich gestoppt werden. Deswegen lehnen wir eine weitere Erhöhung der Staatsschulden schlicht und einfach ab.
({8})
Es scheint klar, meine Damen und Herren, daß Ihre Vorschläge für eine Zwangsanleihe oder eine Deutschlandanleihe jetzt vom Tisch sind. Das ist auch gut so, denn das wären natürlich überwiegend neue Staatsschulden gewesen, und außerdem - und das ist besonders wichtig - wäre dies sozial ungerecht; denn Sie würden von den Höherverdienenden das Geld nur leihen, während Sie bei den kleineren und mittleren Einkommen ununterbrochen abkassieren, meine Damen und Herren.
({9})
Und schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Zwangsanleihe schon 1984 für verfassungswidrig erklärt.
Aber, meine Damen und Herren, wenn es so ist, daß die Zwangsanleihe und die Deutschlandanleihe vom Tisch sind, dann, scheint mir, steht doch die Regierung jetzt ganz ohne Hemd und Hose da,
({10})
denn das einzige, was auch nur den Anschein sozialer Ausgewogenheit erwecken sollte, die Zwangsanleihe für höhere Einkommen, wurde wieder aus dem Verkehr gezogen. Wie können Sie denn dann überhaupt noch von einem Solidarpakt sprechen, wenn in diesem Solidarpakt aber auch nicht ein einziges Element
für eine solidarische Finanzierung durch höhere Einkommen vorhanden ist, meine Damen und Herren?
({11})
Wenn Sie nicht unserem Vorschlag folgen, nämlich der Verlängerung des Solidaritätszuschlags für Einkommen über 120 000 DM, dann beinhaltet Ihr Solidarpakt doch in der Sache nichts anderes als einen Lohnverzicht für Arbeitnehmer. Die CDU-Kollegen aus den neuen Ländern müssen sich ganz schön verschaukelt vorkommen. Sie sind hier ganz schön ausgetrickst worden, und Herr Krause, ihr Sprecher, hat eine ganz besonders zwielichtige Rolle dabei gespielt.
({12})
Nein, meine Damen und Herren, mit immer neuen Tricks werden Sie die Staatsfinanzen nicht in den Griff bekommen. Sie sind auf der Suche nach dem Dukatenesel, aber ich frage Sie: Warum schließen Sie sich nicht unserer Forderung an, finanziell solide, sozial gerecht und in der Verfassung ausdrücklich vorgesehen, nämlich der Verlängerung des Solidaritätszuschlages bei Einkommen über 120 000 DM bei Verheirateten beziehungsweise 60 000 DM bei Ledigen hinaus unter Anrechnung von Investitionen im Osten? Ich sage Ihnen: Sie werden daran nicht vorbeikommen!
({13})
Das ist keine Frage von Philosophie oder von Ideologie, das ist eine ganz einfache Frage des Rechnens, weil es ohne das nicht geht. Und je besser Sie aus der Nein-Sager-Ecke herauskommen, um so besser für Sie, meine Damen und Herren!
({14})
Meinen Sie denn, uns Sozialdemokraten macht es Spaß, den Menschen eine Steuererhöhung anzukündigen?
({15})
Aber wenn sie denn unvermeidbar ist, dann sollte man sie den Menschen offen und ehrlich sagen. Wer angesichts der großen Herausforderungen der deutschen Einheit meint, die Einkommen von über 120 000 DM im Jahr könnten zur deutschen Einheit nicht mehr beitragen als bisher, liegt schief.
({16})
Ich kenne viele Menschen mit solchen Einkommen - und das weiß ich doch auch von uns selber -, die bereit sind, auch über den 1. Juli 1992 hinaus diesen Zuschlag zu zahlen. Wir wissen doch, daß Einkommen in dieser Größenordnung 1990, als der Fall der Mauer Gott sei Dank schon da und die Einheit zum Greifen nahe war, eine kräftige Steuersenkung erhalten haben. Rund 10 Milliarden DM der 20 Milliarden DM Steuersenkung im Jahre 1990 gingen doch an Einkommen oberhalb von 100 000 DM. Da soll es dann eine Katastrophe sein, wenn man, zeitlich befristet, diese Steuersenkung wieder einsammelt für den Aufbau im Osten? Nein, meine Damen und Herren, das werden Sie uns nicht erklären können.
Und wenn Sie uns schon nicht glauben, dann darf ich daran erinnern, daß es der Verteidigungsminister Rühe war, der dieser Tage von einer Gerechtigkeitslücke gesprochen und gemeint hat, die soziale Symmetrie sei in diesem Lande bei der Finanzierung der Einheit nicht gewährleistet. Herr Rühe hat recht, meine Damen und Herren!
({17})
Natürlich würde man sich in der jetzigen Konjunkturlage auch ökonomisch etwas anderes lieber wünschen als den Solidaritätszuschlag, aber unser Vorschlag ist ökonomisch auf jeden Fall besser als die von Ihnen durchgesetzte Mehrwertsteuererhöhung und als Ihre verschiedenen Anleihemodelle, die die Staatsverschuldung und damit die Zinsen immer weiter nach oben treiben und damit der Konjunktur wirklich schaden.
Wenn nun sogar Arbeitgeberpräsident Murmann sagt, daß er den Solidaritätszuschlag besser finde als Ihr Anleihechaos, dann ist das doch ein Wort. Für die Wirtschaft ist das das Ergebnis einer einfachen Rechnung. Im Gegensatz zur Bundesregierung hat die Wirtschaft dort Gott sei Dank keine Blockade. Die Wirtschaft braucht vor allem Verläßlichkeit und Berechenbarkeit. Was ihr dagegen wirklich schadet, ist das finanzpolitische Durcheinander dieser Bundesregierung mit noch höheren Schulden, noch höheren Zinsen, noch mehr Inflation und schließlich doch noch höheren Steuern. Dieses Finanzchaos ist Gift für die Konjunktur und schadet, Herr Bundesfinanzminister, dem Standort Deutschland mehr als die Höhe des Körperschaftsteuersatzes mit einem halben Punkt hinauf oder hinunter.
({18})
Meine Damen und Herren, was mich bei diesem Geldbeschaffungschaos besonders bedrückt, ist, daß damit abgelenkt wird von unserer vordringlichen Aufgabe als Finanzpolitiker, nämlich der Aufgabe, in den öffentlichen Haushalten sehr viel mehr als bisher zu sparen. Das ist doch der Dreh- und Angelpunkt einer soliden Finanzpolitik.
({19})
Alle öffentlichen Haushalte müssen auf den Prüfstand.
({20})
Diese Einsicht, scheint mir, hat sich in der Öffentlichkeit, aber auch bei vielen Politikern noch nicht ernsthaft durchgesetzt. Ein Verteidigungshaushalt von über 50 Milliarden DM. Neue Agrarsubventionen, Steuersubventionen ohne Ende, Vermögens- und Gewerbesteuersenkungen, Senkung des Spitzensteuersatzes, mehr Geld für Europa, expo 2000, Olympische Spiele, Umzug von Regierung und Parlament, mehr Entwicklungshilfe, die Ausgaben für 700 000 Aussiedler und Asylbewerber - all dies zusammen, meine Damen und Herren, egal wie man die Positionen inhaltlich bewertet, all dies gleichzeitig neben dem Aufbau im Osten, das werden die öffentlichen Haushalte nicht schaffen. All dies kann nicht gleichzeitig finanziert werden. Wir überfordern damit den Staat, wir überfordern damit den Bürger. Wir wollen doch nicht in italienische und US-amerikanische Verhältnisse geraten.
({21})
Dort ist der Staat bereits handlungsunfähig. Noch sind wir nicht so weit, aber wenn wir nicht ernsthaft das Ruder herumreißen, dann besteht die Gefahr, daß wir auch in solche Zahlungsunfähigkeit hineinlaufen.
Meine Damen und Herren, mit dem Sparen ist es bei Ihnen nicht weit her. Ich begrüße, daß Sie im Verteidigungshaushalt gespart haben. Das ist ein erster Schritt, aber er reicht doch nicht aus. Wer will uns denn eigentlich weismachen, daß man in einem Verteidigungshaushalt von über 50 Milliarden DM nicht noch etwas herausholen kann? Einen Verteidigungshaushalt so hoch wie im kalten Krieg und zugleich den Aufbau der neuen Länder am Ende des kalten Krieges - das kriegt man zusammen nicht in den Griff, meine Damen und Herren.
({22})
Es heißt jetzt, Sie hätten den „Jäger 90" gestoppt. Schön wär's ja! Aber im gleichen Atemzug kündigen Sie ein anderes Jagdflugzeug an, das dann nicht mehr „Jäger 90" heißen, aber fast genausoviel kosten soll. In der Zeitung steht: 90 Millionen DM pro Stück, meine Damen und Herren.
({23})
90 Millionen DM, damit ist das neue Jagdflugzeug so teuer wie der „Jäger 90" von vor zwei Jahren. Für das Geld, das ein einziges neues Jagdflugzeug, heißt es nun „Jäger 90" oder „Jäger light", kosten soll, können Sie aber rund tausend Sozialwohnungen bauen. Und was wir brauchen, sind Sozialwohnungen und nicht ein neues Jagdflugzeug, wie Sie das auch immer nennen, meine Damen und Herren.
({24})
Zweitens: Der Bundesfinanzminister drückt sich nach wie vor davor, die von den Deutschen zuviel gezahlten 2 Milliarden DM Beitrag zu den GolfKosten von den Amerikanern zurückzufordern. Der Finanzminister sagt, er würde um die 2 Milliarden DM nicht feilschen. Wenn aber ein ganzer Bundestagsausschuß, nämlich der Ausschuß für Gesundheit, Sie einstimmig auffordert, daß sich der Bund an der Sanierung der Trinkwasserversorgung in den neuen Ländern beteiligt, dann feilschen Sie, dann sind Ihnen schon 100 Millionen DM im Jahr zuviel. Allein von den Zinsen für die zuviel gezahlten deutschen Golf-Gelder könnten Sie Jahr für Jahr mehr als 100 Millionen DM für die Sanierung des Trinkwassers im Osten einsetzen.
({25})
Daß Sie die 2 Milliarden DM in den Schornstein
schreiben, ist ein Verstoß gegen Ihre Pflicht, sorgfältig
mit Steuergeldern umzugehen, meine Damen und Herren.
({26})
Drittens. Warum ziehen Sie im Westen noch immer sündhaft teure Straßenbauprojekte durch, obwohl die Menschen sie oft nicht wollen? Herr Krause, von den 100 Milliarden DM des Bundesverkehrswegeplans über zehn Jahre gehen zwei Drittel des Geldes nicht in den Osten, sondern in den Westen. Hier tut dieser famose Verkehrsminister also mehr für den Ausbau im Westen als für den Aufbau im Osten. Das ist doch Unsinn!
({27})
Man kann doch im Westen Geld runterfahren, damit im Osten die Reichsbahn saniert wird und Straßen gebaut werden.
({28})
Viertes Beispiel. In einer Zeit, in der die Schulden dieses Staates in den Himmel wachsen, hat die Bundesregierung für 1993 eine Senkung der Vermögen- und Gewerbesteuer durchgesetzt.
({29})
Björn Engholm hat in diesen Tagen ein Programm für mehr sozialen Wohnungsbau vorgelegt. Die Antwort des Finanzministers war, dafür habe er kein Geld. Tatsache ist aber: Mit den 4,5 Milliarden DM, die die Gewerbe- und Vermögensteuersenkung kostet, könnten fast 50 000 Sozialwohnungen gebaut werden.
({30})
Da wäre das Geld doch sicher besser angelegt als in einer Vermögen- und Gewerbesteuersenkung.
({31})
Meine Damen und Herren, Ihre Zwischenrufe zeigen mir, daß Sie offensichtlich die verheerenden Wohnungsverhältnisse in den Ballungsgebieten nicht kennen. Wissen Sie denn nicht, daß immer mehr Bezieher mittlerer Einkommen mittlerweile unterhalb der Armutsschwelle geraten, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden?
({32})
Wie können Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung denn eigentlich auf die Idee kommen, die Gelder für das Wohngeld auch noch abzusenken? Nein, hier muß gehandelt werden, und daran werden auch Sie nicht vorbeikommen.
({33})
Fünftens. Dringend notwendig ist auch die Verstärkung des Wohneigentums für breite Schichten. Noch
immer aber ist es so, daß Bürger mit hohem Einkommen für ihr Eigenheim mehr als doppelt soviel steuerliche Entlastung vom Staat erhalten als untere und mittlere Einkommen. Bis weit hinein in Ihre Fraktion beklagen die Wohnungsbaupolitiker diesen Zustand. Das ist nicht nur sozial ungerecht, wie jeder sieht. Dies ist auch finanzpolitisch unsinnig; denn wenn ich bei den hohen Einkommen spare und statt dessen die Förderung für mittlere und niedrige Einkommen erhöhe, dann erhöht sich auch der private Eigenheimbau - und genau das wollen wir.
({34})
Sechstens. Der gleiche Sparansatz - das Sparen an der einen Stelle und das Umschichten an die Stellen, wo das Geld hin muß - ist doch auch bei der Finanzierung eines höheren Kindergeldes möglich. Ich weiß, daß Sie an dieser Stelle immer unruhig werden.
({35})
Frau Merkel hat einen entsprechenden Vorstoß gemacht. Warum? Frau Merkel hat mit uns zusammen festgestellt, daß z. B. eine Spitzenverdienerfamilie ohne Kinder Jahr für Jahr eine Steuersenkung über das Splitting von 22 842 DM im Jahr erhält. Meine Damen und Herren, eine Niedrigverdienerfamilie mit einem Kind bekommt in 14 Jahren nicht soviel Hilfe vom Staat wie die Spitzenverdienerfamilie ohne Kind in einem Jahr und jedes Jahr wieder.
({36})
Frau Merkel, deswegen war Ihr Ansatz, zu sagen: „Wir müssen mehr die Familie mit Kindern als die Tatsache der Eheschließung fördern", doch ein richtiger Ansatz.
({37})
Nur die Antwort, nämlich ein Familiensplitting, das war nicht der richtige Weg, weil dann die soziale Ungerechtigkeit noch wachsen würde.
Ich frage Sie, Frau Merkel, aber ich frage Sie auch alle zusammen: Ist es denn nicht möglich,
({38})
parteiübergreifend eine Initiative zu starten, daß wir Kindergeld, Kinderfreibetrag bei der Steuer und einen Teil des Ehegattensplittings zusammenfassen und damit das Kindergeld vom ersten Kind an auf 250 DM pro Monat erhöhen?
({39})
Das ist vernünftig, das ist finanziell solide, weil es keinen Pfennig mehr kostet. Es würde gerade den Beziehern kleiner Einkommen im Westen, aber vor allen Dingen im Osten helfen.
({40})
- Graf Lambsdorff, das ist eine Steuererhöhung? Wieso ist das eine Steuererhöhung?
({41})
In der Tat - ich sage das, weil Sie das ansprechen - würde für bestimmte Einkommen - ich hatte das eben angesprochen -, die heute vom Ehegattensplitting im Jahr bis zu 22 842 DM profitieren, dieser Vorteil zurückgehen.
({42})
Aber wer wirklich zur Kenntnis nimmt, daß uns insbesondere die kirchlichen Verbände jeden Tag ins Stammbuch schreiben, daß die Familien mit Kindern mittlerweile immer mehr an die Sozialhilfeschwelle heranrutschen, der muß das tun und darf sich nicht hinter eigensüchtigen Interessen verstecken.
({43})
Siebtens. Warum gehen Sie nicht endlich an den Abbau von Steuersubventionen heran? Da würde Graf Lambsdorff wahrscheinlich sagen: Abbau von Steuersubventionen ist Steuererhöhung. Diese Rechnung kenne ich. Das paßt zu ihm. Aber den kleinen Leuten in die Tasche packen! Das kennen wir.
({44})
Warum kürzen Sie nicht endlich die bisherige unbegrenzte Abzugsfähigkeit von Bewirtungsspesen? Warum kürzen Sie nicht endlich die bisherige Abzugsfähigkeit von Kraftfahrzeugkosten für private Betriebs-Pkw? Keiner versteht, warum in diesem Lande Schmiergelder steuerlich abzugsfähig sind. Außerdem vermag ich nicht einzusehen, warum Spitzenverdiener, die zwei Kinder unter zehn Jahren haben, für eine Haushaltshilfe 12 000 DM im Jahr absetzen können, wofür ihnen der Staat 6 360 DM zurückgibt, während Otto Normalverbraucher nicht einmal den Kindergartenbeitrag von der Steuer absetzen kann. Mit den 500 Millionen DM, die die Streichung dieses Steuerprivilegs bringt, könnten wir entweder 20 000 neue Kindergartenplätze schaffen oder aber manche von den vielen Kindergartenplätzen, die Sie im Osten jetzt über die Wupper springen lassen, sanieren und erhalten.
({45})
Sie stehen immer wieder vor der Alternative: Kürzen Sie bei ungerechten Subventionen, und geben Sie das Geld dahin, wo es gebraucht wird - gerade im Osten -, oder bleiben Sie dabei, daß Spitzenverdiener in erster Linie Ihre Klientel sind.
Meine Damen und Herren, über 500 Millionen DM gibt diese Bundesregierung allein für Öffentlichkeitsarbeit aus. Niemand will doch so viel Propaganda von Ihnen hören.
({46})
Stellen Sie sich das vor: 500 Millionen DM, und die Politik ist dadurch auch nicht besser geworden.
Wenn wir also wirklich von einem Sparhaushalt reden wollen, was Sie dauernd tun, Herr Waigel, dann fordern wir Sie dazu auf, in all den genannten Positionen, konkreten Einsparvorschlägen der SPD, mit uns zusammenzuarbeiten; denn für den dringend notwendigen Aufbau im Osten, für den Kampf gegen die Wohnungsnot und für die überfällige Sanierung der Staatsfinanzen brauchen wir gerade jetzt eine starke Regierung und eine ehrliche, solide und sozial gerechte Finanzpolitik. Beides fehlt bisher. Wir brauchen übrigens endlich auch einen Finanzminister, der sich mehr um solide Staatsfinanzen kümmert als um sein Amt als CSU-Vorsitzender.
Unsere Vorschläge für den Aufbau im Osten für mehr Wohnungen und für solide und gerechte Finanzen liegen auf dem Tisch. Wir sind zu einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit bereit.
({47})
Aber wenn Sie, meine Damen und Herren in der Bundesregierung, zu dieser notwendigen gemeinsamen Anstrengung nicht in der Lage sind, dann machen Sie denen in Ihren Reihen Platz, die längst eingesehen haben, daß es so nicht weitergeht, und die auch bereit sind, die Fesseln, in die Sie sich verstrickt haben, zu lösen.
Dieses Land braucht eine Kurskorrektur und wieder eine handlungsfähige Regierung. Es liegt an Ihnen, meine Damen und Herren in den Koalitionsfraktionen, daß unter dem Siechtum dieser Bundesregierung nicht auch noch unser Staat und unsere Demokratie dauerhaften Schaden nehmen.
Ich danke Ihnen.
({48})
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jochen Borchert.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei dem Bundesfinanzminister für die nüchterne, sachliche und klare Darstellung der Finanzsituation und der Risiken bedanken.
({0})
Die Sachlichkeit in dieser Rede ist besonders deutlich geworden durch das Kontrastprogramm der finanzpolitischen Sprecherin der SPD.
({1})
({2})
Die Rede des Finanzministers hat sich wohltuend von der Polemik und den Verdrehungen der Frau Kollegin Matthäus-Maier abgehoben.
({3})
Lassen Sie mich an zwei Beispielen gleich zu Beginn deutlich machen, daß die Frau Kollegin trickst, verdreht und, wie ich glaube, auch bewußt die UnwahrJochen Borchert
heit sagt. Frau Matthäus-Maier, Sie haben den Finanzminister aufgefordert, die Mittel für den Golfkrieg, die wir an die Vereinigten Staaten gezahlt haben, zurückzuzahlen.
({4})
- Die zuviel gezahlten. Sie wissen, daß die Abrechnungen der Vereinigten Staaten deutlich über den Zusagen liegen. Sie polemisieren hier wider besseres Wissen
({5})
ohne jede Rücksicht auf internationale Beziehungen.
({6})
Zweiter Punkt. Sie haben kritisiert, daß der Bundeskanzler die Zusagen, die er in Rio zur Entwicklungshilfe gemacht hat, nicht einhält. Sie kennen die Aussagen des Bundeskanzlers. Ich will Sie hier noch einmal zitieren:
Wir bekennen uns deshalb zur Verstärkung der öffentlichen Entwicklungshilfe und bestätigen ausdrücklich das 0,7-Prozent-Ziel.
({7})
Wir wollen so bald wie möglich erreichen, daß hierfür 0,7 % des Bruttosozialprodukts eingesetzt werden.
({8})
Dabei weise ich darauf hin, daß die Hilfen Deutschlands für seine östlichen Nachbarn angemessen zu berücksichtigen sind.
Frau Kollegin, wenn diese Hilfen mit berücksichtigt werden,
({9})
wird das 0,7-Prozent-Ziel schon heute erreicht. ({10})
Sie kennen dieses Zitat. Trotzdem sagen Sie, der Bundeskanzler würde seine Zusagen nicht einhalten. Hier haben Sie wider besseres Wissen etwas behauptet, was nicht stimmt.
({11})
Mir ist bei dieser Rede der Frau Kollegin natürlich auch klargeworden, warum die SPD forderte, die Haushaltsdebatte abzusetzen.
({12})
Wer sowenig Alternativen zur Finanzpolitik hat, der kann eigentlich nur fordern, diese Debatte abzusetzen.
({13})
Meine Damen und Herren, zwei Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir vor einer wichtigen Phase der Gestaltung der weiteren wirtschaftlichen
Entwicklung Deutschlands. Vor zwei Jahren haben wir alle die wirtschaftlichen Schäden unterschätzt, die 40 Jahre Sozialismus in der DDR hinterlassen haben.
({14})
- Sie sagen: nicht alle. Ich bitte Sie, die Aussagen etwa von Lafontaine und anderen nachzulesen, die von der DDR als einer blühenden Industrienation gesprochen haben. Hier gibt es, glaube ich, aus Ihren Reihen mehr Belege als auf unserer Seite.
({15})
Verrottete Produktionsanlagen, Schäden in allen Bereichen der Infrastruktur und unvorstellbare Umweltlasten sind die Altlasten von 40 Jahren sozialistischer Planwirtschaft. 40 Jahre sind die Bürger um die Früchte ihrer fleißigen Arbeit betrogen worden. Diese Lasten und das Wegbrechen der Märkte in Osteuropa verzögern den Aufbau der neuen Bundesländer und erschweren die weitere wirtschaftliche Entwicklung.
Wir wissen heute, daß der Aufbau der neuen Bundesländer länger dauert und mehr finanzielle Mittel erfordert. Die Finanzierung des Aufbaus der neuen Bundesländer und die Finanzierung der sozialistischen Erblast ist eine solidarische Aufgabe, bei der alle mithelfen müssen. Weder die alten Bundesländer noch die Tarifpartner dürfen so tun, als brauchten sie die Wiedervereinigung nicht zu berücksichtigen. Die Vollendung der Einheit läßt sich nur durch Sparen und Umschichten und eine vorübergehend höhere Kreditaufnahme der öffentlichen Hand finanzieren.
Zwischen Ende 1989 und Ende 1991 ist im Zeichen der Vereinigung Deutschlands die Verschuldung der Gebietskörperschaften um mehr als ein Viertel gewachsen. Dieser Trend muß gestoppt werden. Mittelfristig muß dies über eine deutliche Senkung der Neuverschuldung aller öffentlichen Ebenen sichergestellt werden. Denn die Bürger brauchen eine sichere finanzpolitische Perspektive. Nationale und internationale Finanzmärkte erwarten unseren Beitrag zur Zinssenkung. Das Sparkapital wird dringend für private Investitionen benötigt. Die einmalige Aufgabe der Wiedervereinigung rechtfertigt es, die notwendigen Finanztransfers in der ersten Anschubphase verstärkt durch Kredite zu finanzieren.
Im Mai 1992 wurde gemeinsam durch die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung der strenge Konsolidierungskurs erneut bestätigt. Im Lichte dieses Beschlusses können sich der Haushaltsentwurf 1993 und der Finanzplan bis 1996 durchaus sehen lassen.
({16})
Die wirtschaftlichen Daten für den Haushalt sind so vorsichtig geschätzt, daß konjunkturelle Risiken im Haushalt aufgefangen werden.
({17})
Sie fragen, Frau Kollegin, was wir angesichts der schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Konjunktur machen. Ich kann nur sagen, daß dies bei unserer vorsichtigen Schätzung berücksichtigt worden ist. Dies unterscheidet unsere solide Haushaltspolitik von der Haushaltspolitik der 70er Jahre.
({18})
Der Haushaltsentwurf 1993 erreicht mit einer Steigerung von 2,5 % exakt den vorgegebenen Eckwert. Die durchschnittliche Steigerungsrate von 1992 bis 1996 unterschreitet mit 2,3 % die Zielvorgabe. Die Nettokreditaufnahme kann deutlich abgesenkt werden. Sie wird bis 1996 auf unter 25 Milliarden DM abgesenkt. Das Moratorium für alle finanzwirksamen Ausgaben wird voll erfüllt. Meine Damen und Herren, der Bund kann eine positive Konsolidierungsbilanz vorlegen. Darauf sind wir zu Recht stolz.
Wir überlegen jetzt, wie durch einen Solidarpakt der öffentlichen Hand und der Tarifpartner die Bedingungen für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern weiter verbessert werden können. Es geht dabei um Aufgaben, die nicht durch den Bundeshaushalt allein geleistet werden können. Die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum werden durch das Ausgabeverhalten der öffentlichen Hand auf allen Ebenen und durch die Tarifpolitik entscheidend mitgeprägt. Die Kritik der SPD, daß durch diese Überlegungen der Haushaltsentwurf 1993 und die mittelfristige Finanzplanung Makulatur seien, zeigen, daß die SPD die Herausforderung der Einheit bis heute nicht begriffen hat.
({19})
Es geht uns nicht um neue Geldquellen für den Bundeshaushalt, sondern um eine Begrenzung des Ausgabenzuwachses bei Bund und Ländern. Es geht doch darum, daß sich alle Ebenen der öffentlichen Hand und die Tarifparteien gemeinsam der Aufgabe Vollendung der deutschen Einheit stellen. Dabei muß es die Aufgabe sein, die Belastungen auf alle gerecht zu verteilen.
Der Bund kann im Gegensatz zu den Ländern eine erfolgreiche Konsolidierungsbilanz vorlegen. Die SPD verkürzt die Diskussion auf die Frage nach neuen Einnahmequellen, um damit von dem Versagen der SPD-regierten Bundesländer abzulenken. Die SPD fordert eine Ergänzungsabgabe und will die Länder sofort an den Mehreinnahmen beteiligen, obwohl Länder und Gemeinden Westdeutschlands bisher so gut wie keine Anstrengungen unternommen haben, um den Ausgabenanstieg zu begrenzen.
Wir brauchen keine Debatte über neue Einnahmen für die alten Bundesländer. Die alten Bundesländer und ihre Gemeinden müssen vielmehr ihren Beitrag zur Entlastung der Kapitalmärkte leisten, indem sie den Ausgabenzuwachs auf 3 % begrenzen. Dabei wissen wir, es wird nicht alles finanzierbar sein, was wünschenswert ist. Aber wir lösen dieses Problem auch nicht mit immer neuen Forderungen an die Adresse des Bundes.
Das notwendigerweise abstrakte Zahlenwerk des Haushaltsentwurfs 1993 vermittelt nicht die Einsparanstrengungen, die erforderlich waren, um den Ausgabenzuwachs 1993 auf 2,5 % zu begrenzen. Gegenüber dem alten Finanzplan ergab sich ein wesentlicher Mehrbedarf beim Fonds Deutsche Einheit, bei der Arbeitslosenhilfe, bei den Gewährleistungen und bei der Gemeinschaftsaufgabe der regionalen Wirtschaftsförderung. Ein Minderbedarf gegenüber den alten Daten ergab sich bei der Verzinsung, bei der Strukturhilfe - hier hat sich die SPD hinhaltend gewehrt - und beim Zuschuß zur Rentenversicherung.
Auch der Verteidigungshaushalt 1993 wird gegenüber der bereits degressiven Finanzplanung noch einmal deutlich abgesenkt.
Bei einer Ausgabensteigerung von 2,3 % ist entgegen der Kritik der Frau Kollegin Matthäus-Maier im Finanzplanungszeitraum für erkennbare Risiken Vorsorge getroffen. Risiken, die heute noch nicht absehbar sind, werden durch globale Mehrausgaben aufgefangen.
Ab 1994 sind 5 Miliarden DM, also die Hälfte der Gesamtbelastungen, auf der Ausgabenseite als Zinszuschuß an den Kreditabwicklungsfonds berücksichtigt. Für die Altschulden und den Betrieb der Treuhandanstalt sind 13 Milliarden DM im Bundeshaushalt ab 1995 veranschlagt. Dabei ist eine hälftige Beteiligung des Bundes an den Gesamtaufwendungen unterstellt. Der Kreditrahmen für die Treuhandanstalt - auch dies wurde von der Frau Kollegin hier kritisiert - wurde von uns gemeinsam mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, offensichtlich von den Kollegen der SPD gegen das Votum der Frau Kollegin.
({20})
Ich habe heute gewartet, wann das Stichwort „Jäger 90" kommt. Von 1989 bis 1991 mußte der Jäger 90 für immer neue Finanzierungsforderungen der SPD herhalten. 1992 hat nun der Jäger 90 schuld an der Arbeit der Treuhandanstalt.
Hohe Risiken stecken in der Position der Gewährleistungen, insbesondere für die GUS-Staaten. In 1993 wird der Ansatz für Entschädigungen aus Gewährleistungen um 1,4 Milliarden DM gegenüber 1992 auf 6 Milliarden DM erhöht. Davon stehen 55 % für die GUS-Staaten bereit.
Für den Länderfinanzausgleich ist ab 1995 mit jährlich 15 Milliarden DM Vorsorge getroffen worden. Diese Beispiele zeigen: Die Bundesregierung hat die Finanzen im Griff.
Lassen sie mich zu einem weiteren Punkt der Kritik durch die SPD kommen, zur Verschuldensproblematik. Die Frau Kollegin Matthäus-Maier hat heute wieder ein Schreckensbild der Verschuldung gemalt. Wir werden gerade an diesem Punkt nichts beschönigen und nichts vertuschen. Der voraussichtliche Schuldenanstieg seit 1989, dem letzten Jahr vor der Wiedervereinigung, bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums wird voraussichtlich 1 200 Milliarden DM betragen. Das sind Fakten, die wir nicht verheimlichen.
Falsch ist allerdings die Behauptung der SPD, der Bund, diese Bundesregierung, der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister seien die für diese SchulJochen Borchert
denexplosion Verantwortlichen. Der Obmann der SPD, Helmut Wieczorek, hat am 4. Juni in diesem Hause gesagt: „Der Schuldenstand des öffentlichen Gesamthaushalts ... steigt bis 1995 ... auf 1 900 Milliarden DM.... 600 Milliarden haben wir Ihnen" - der jetzigen Regierung, 1982 - „überlassen. Die Differenz sind Ihre Schulden."
({21})
Meine Damen und Herren, es gibt eindeutig drei Verursacher: erstens die alte DDR, zweitens die Länder und ihre Gemeinden und dabei insbesondere die westlichen Bundesländer und drittens der Bund. Die Reihenfolge ist nicht beliebig gewählt. Der Bund ist, relativ gesehen, der geringste Verursacher, die alte DDR mit ihren Erblasten der größte. Ich will dies an Hand von einigen Fakten vortragen.
Bei dem Anstieg der Verschuldung um 1 200 Milliarden DM wird der öffentliche Sektor sehr weit definiert. Er umfaßt den Bund, die Länder, die Gemeinden, das ERP und die Haushalte, die durch die Wiedervereinigung entstanden sind, also den Kreditabwicklungsfonds, den Fonds Deutsche Einheit, die Treuhandanstalt einschließlich des Wohnungsbaus in der ehemaligen DDR.
Schaut man sich die Zahlen an, dann stellt man fest, daß fast die Hälfte des Schuldenzuwachses durch den Prozeß der Wiedervereinigung verursacht wurde. 250 Milliarden DM an zusätzlichen Schulden bringt die Treuhandanstalt, weil wir mit dieser Summe die verrotteten Produktionsanlagen der ehemaligen DDR sanieren müssen.
100 Milliarden DM entstehen durch den Kreditabwicklungsfonds. Nach dem Einigungsvertrag übernimmt der Kreditabwicklungsfonds die Bedienung der Altschulden der DDR und die Forderungen aus der Währungsumstellung. Diese Schulden waren zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung bereits entstanden und werden jetzt in dem Kreditabwicklungsfonds zusammengefaßt.
95 Milliarden DM Schulden entstehen im Fonds Deutsche Einheit. Der Fonds Deutsche Einheit, der bis Ende 1994 den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern untereinander ersetzt, ist mit 95 Milliarden DM über Kredite finanziert.
50 Milliarden DM Altschulden lasten auf dem Wohnungsbau in den neuen Ländern.
45 Milliarden DM entstehen beim ERP.
540 Millliarden DM oder 45 % des Schuldenzuwachses im Zeitraum von 1989 bis 1996 können durch diese Faktoren erklärt werden.
Wer ständig die hohe Schuldenzunahme bemängelt, wie es heute die SPD wieder getan hat, der muß sich klarmachen, was er damit zum Ausdruck bringt. 45 % des Schuldenzuwachses sind im weitesten Sinne vereinigungsbedingt. Wer zur Wiedervereinigung ja sagt, muß auch zu dieser Finanzierungsaufgabe ja sagen. Wer zur Schuldenübernahme aus dem Prozeß
der Wiedervereinigung nein sagt, der sagt auch nein zur Wiedervereinigung.
({22})
- Hören Sie noch einen Augenblick zu!
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Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion und der Sozialunion zum 1. Juli 1990 war klar, daß die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Gesamtheit die Erbschaft angenommen hat. Das war ein politisch notwendiger Schritt, um die Wiedervereinigung zu erreichen. Lassen Sie mich deutlich sagen: Das, was uns die alte DDR-Riege hinterlassen hat, ist schlimm. Das ganze Ausmaß wird erst allmählich sichtbar. Allein beim Kreditabwicklungsfonds und bei der Treuhand - es geht dort um die sozialistische Erblast im engeren Sinne - müssen wir 350 Milliarden DM Schulden übernehmen.
Ich gebe zu, diese Erblast hätte geringer ausfallen können, aber nur bei einem geringeren Umtauschkurs. Wo hätte er denn liegen sollen, meine Damen und Herren von der Opposition, bei 1 :5 oder 1 : 10? Wollten Sie das den Bürgern in der ehemaligen DDR bei der Währungsunion zumuten? Dies wäre nun wirklich soziale Kälte.
Im Gegensatz dazu entfallen auf den Bund nur gut 20 % des Schuldenzuwachses seit 1989, in absoluten Zahlen ausgedrückt: rund 260 Milliarden DM. Der Bund wird in diesen sieben Jahren sicherlich das Dreifache der Schulden als Bruttotransfer an die neuen Länder überweisen. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, in welchem Ausmaß der Bund seine Konsolidierungsaufgabe ernst nimmt.
({24})
Die Frage, die sich heute stellt, lautet somit nicht, wer für den Schuldenzuwachs verantwortlich ist; da bestehen, glaube ich, keine Unklarheiten. Die Frage ist vielmehr: Wie werden diese Schulden dauerhaft und solide, ohne das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu gefährden, finanziert?
Die SPD hat an dieser Stelle keine Vorschläge. Auf der Landesebene sagt die SPD: Wir haben kein Geld, wir haben damit nichts zu tun. - Sie betreiben ihr finanzpolitisches Geschäft weiter so, als hätte sich in Deutschland nichts ereignet. Mit anderen Worten: Die SPD-regierten Bundesländer sind nicht bereit, gesamtdeutsche Verantwortung zu übernehmen.
({25})
Um von dieser Verantwortung der Länder abzulenken, versucht die SPD, den Bund für alle Schulden verantwortlich zu machen.
Meine Damen und Herren, die gemeinsame Verantwortung aller Ebenen würde mit der Bildung eines Fonds sichtbar, in dem die Schulden der Treuhandanstalt und des Kreditabwicklungsfonds gebündelt werden. Die jährliche Annuität von 35 Milliarden DM könnte durch einen Vorwegabzug bei den Gemein8684
schaftssteuern finanziert werden. In ca. 25 bis 30 Jahren, also innerhalb einer Generation, wäre damit die Erblast getilgt. Das ist ein Lösungsvorschlag, der die gesamtstaatliche Verantwortung für diese Erblast deutlich unterstreicht. Mit diesem Vorschlag würden die erheblichen finanziellen Lasten gerecht auf alle Ebenen verteilt. Alle Ebenen würden auf diese Weise entsprechend ihrer Leistungskraft zum Kapitaldienst herangezogen.
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Ich fasse zusammen: Die haushaltspolitischen Herausforderungen der gesamtdeutschen Wiedervereinigung sind eine gesamtstaatliche Aufgabe. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich angemessen an der Beseitigung der sozialistischen Hinterlassenschaft beteiligen. Bund, Länder und ihre Gemeinden, insbesondere die Länder und Gemeinden im Westen, stehen gleichermaßen in der Pflicht.
Soll der geforderte Solidarpakt Erfolg haben, dann ist erforderlich, daß alle Beteiligten ihre sich selbst auferlegten Aufgaben erfüllen. Der Bund hält an den im Mai festgelegten Eckwerten fest. Gravierende Veränderungen bei den gesamtwirtschaftlichen Daten sind nicht eingetreten, neue Risiken nicht erkennbar. Der Haushalt 1993 ist solide finanziert. Der Ausgabenzuwachs bleibt mittelfristig unter 2,5 %.
Im Gegensatz dazu halten sich insbesondere die westlichen Länder und Gemeinden nicht an den im Finanzplanungsrat gemeinsam vereinbarten Konsolidierungskurs. Dies wäre jedoch notwendig, um sich solidarisch am Aufbau im Osten Deutschlands zu beteiligen. Die alten Länder weigern sich damit gleichzeitig, Vorsorge für eine angemessene Beteiligung beim Abtragen der sozialistischen Erblasten zu treffen. Daraus könnten Finanzierungslücken entstehen, die aber nicht der Bund, sondern die Länder und die Gemeinden zu verantworten haben.
Es gibt zur Fortsetzung der Konsolidierungsstrategie keine Alternative, es sei denn, wir wollten die Rahmenbedingungen für angemessenes wirtschaftliches Wachstum gefährden. Ein Prozentpunkt weniger Wachstum bedeutet rund 10 Milliarden DM weniger an Steuereinnahmen. Der Aufbau im Osten ist nur auf der Basis eines soliden wirtschaftlichen Wachstums möglich. Durch das vom Finanzminister erwähnte Standortsicherungsgesetz werden die Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland weiter verbessert. Die deutsche Einheit ist völkerrechtlich vollzogen. Wir müssen uns gemeinsam bemühen, die Einheit auch im Innern zu erreichen, indem jeder seinen Beitrag zum Solidarpakt für Deutschland leistet.
Meine Damen und Herren, in einer Zeit großer Veränderungen und des schnellen Wandels brauchen Bürger Orientierung und Sicherheit. Wir brauchen Sicherheit nach außen und Sicherheit im Innern, und wir brauchen Sicherheit und Solidität in den öffentlichen Finanzen. Dieser Haushaltsentwurf und die mittelfristige Finanzplanung schaffen finanzielle Sicherheit für Deutschland in einer Zeit des Wandels.
Vielen Dank.
({27})
Jetzt hat der Kollege Dr. Wolfgang Weng das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unstrittig, daß die Vollendung der deutschen Einheit das wichtiste Ziel unserer Politik ist und daß wir alles tun müssen, um die Angleichung der Lebensbedingungen der neuen Mitbürger so schnell wie möglich zu erreichen.
Es ist ebenso unstrittig und es ist bitter, daß die wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern in einem wesentlichen Bereich bis heute weit hinter den Erwartungen, weit hinter den Hoffnungen zurückgeblieben ist, nämlich beim Aufbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe.
Es ist traurig, daß auch in einer solchen, ja wirklich außerordentlich schwierigen Lage nicht alle Verantwortlichen an einen Tisch kommen, um nach sorgfältiger Analyse gemeinsam bestmögliche Wege der Lösung anzugehen, sondern daß das übliche und in der Öffentlichkeit zu Recht kritisierte Verfahren fortgesetzt wird: Jeder versucht, seine vermeintliche oder tatsächliche Klientel bestmöglich zu bedienen, und dies mit lautem öffentlichen Feldgeschrei. Ob es nun Tarifparteien oder auch politische Parteien sind: Einzelinteressen stehen im Vordergrund. Offensichtlich wird dabei übersehen, daß radikale Gruppierungen, die von solchem Verhalten profitieren, nicht nur vor der Tür stehen, sondern bereits einen Fuß in die Tür gestellt haben.
Frau Matthäus-Maier hat meines Erachtens mit ihrem Auftritt hier ein gutes Beispiel für eine solche Verhaltensweise gegeben.
({0})
- Ein gutes schlechtes Beispiel, Herr Kollege Schäuble. - Die Aufforderung, den Haushaltsentwurf zurückzuziehen, hat sie hier heute auch für ihre Partei noch einmal genannt. Diese Aufforderung der SPD
({1})
gehört zu solchem parteipolitischen Taktieren. Frau Kollegin Matthäus-Maier, nichts in der Finanzpolitik ist wichtiger als Beständigkeit.
({2})
Eine ständige Verunsicherung der Wirtschaft, eine ständige Verunsicherung der Kapitalmärkte,
({3})
eine ständige Verunsicherung der Investoren sorgt sehr schnell für eine Verschlechterung der Situation.
({4})
Zur Sicherheit gehört auch eine ordnungsgemäße und
zeitgerechte Beratung des öffentlichen Haushalts, wie
wir sie seit Beginn der Koalition zwischen CDU/CSU
Dr. Wolfgang Weng ({5})
und F.D.P. ständig gehabt haben, und zwar eine Beratung auf der Basis der bekannten Tatsachen unter Berücksichtigung von bekannten Risiken.
Die Haushaltsgruppe der Koalitionsfraktionen hat in die hektische Finanzdiskussion der letzten Tage die nötige Ruhe gebracht. In diesem Zusammenhang hat auch der Finanzminister hier mit seiner Haushaltsrede heute eine ganz klare Haltung eingenommen. Hierfür ist ihm ebenso wie dem Sprecher der CDU/CSU, Jochen Borchert, zu danken.
({6})
Es kann ja wohl auch nicht sein, daß nach den Festlegungen der Koalitionsfraktionen auf einen gemeinsamen Kurs im Mai dieses Jahres und nach der Billigung des Haushaltsentwurfs in den Fraktionen der Koalition und dann nach seiner Verabschiedung im Kabinett wenige Wochen später, ohne eine Veränderung der haushaltsrelevanten Daten, plötzlich das reine Chaos ausbricht.
Wir können auch nicht, wie dies der Vorsitzende der SPD, Herr Engholm, in seinem gestrigen Interview mit der „Süddeutschen Zeitung" getan hat, auf der Basis von Spekulationen arbeiten. Wenn er behauptet, die Grundlagen des Haushalts würden sich in den kommenden Monaten so sicher verändern wie das Amen in der Kirche, dann halte ich ihm entgegen, daß der Deutsche Bundestag und die verantwortliche Mehrheit der Koalition im Deutschen Bundestag möglichen Änderungen Rechnung tragen werden. Wir sind nicht so ängstlich wie Frau Matthäus-Maier, daß wir die Kompetenz des Parlaments, den Haushalt zu beraten und zu verabschieden, an die Regierung zurückgeben wollen, nachdem wir heute in diese Verantwortung gestellt werden.
({7})
Frau Matthäus-Maier, Ihre verbal immer wieder geäußerte Bereitschaft zur Mitarbeit können Sie von der Opposition jetzt bei den anstehenden Beratungen zeigen. Ihre Rede hat hierfür kein Signal gegeben, wenn man ihr auf den Grund geht.
({8})
Aber auch hier ist das Interview Ihres Vorsitzenden, Herrn Engholm, den ich vorhin genannt habe, entlarvend. Die Entscheidung über schwierige Dinge soll verschoben werden, und der Staat soll sich in ungeahnter Weise Probleme aufladen, die er nach meiner Überzeugung in keinem Fall bewältigen kann, nämlich eine totale Industriesanierung in Ostdeutschland in staatlicher Regie. Meine Damen und Herren, das wäre das Ende der Bundesrepublik als eines modernen Industriestaates mit Zukunft.
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Nun hat Herr Engholm mit seiner vorher geäußerten Bereitschaft, auf politische Führung in Deutschland zu verzichten, um in einer Großen Koalition auf leisen Sohlen Machtbeteiligung zu erreichen - und dies ohne politisch inhaltliche Alternative mit einer in sich zerstrittenen Partei -, seine persönliche Zielsetzung ja offengelegt. Von seiner SPD ist bei dieser Zielsetzung für die Lösung der anstehenden Probleme nicht viel zu erwarten.
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Die Öffentlichkeit erwartet von der verantwortlichen Politik Handlungsfähigkeit. Lassen Sie mich ein besonders augenfälliges Beispiel nennen, bei dem auch ich mich frage, ob es wirklich in der aufgezeigten Weise ablaufen muß. Vor weit über einem Jahr haben alle parlamentarisch vertretenen Fraktionen ein Konzept zur Abwehr unberechtigt einreisender Menschen aus anderen Ländern beschlossen. Jetzt hört man, daß vor Mitte nächsten Jahres mit der Durchführung nicht zu rechnen sei.
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Meine Damen und Herren, außerhalb jeder Diskussion über Änderungen der Verfassung sei gesagt: Wenn sich unsere tatsächliche Handlungsfähigkeit in solcher Weise dokumentiert, dann brauchen wir uns über Unmut und Zorn, ja, über Verzweiflung vieler Bürger nicht zu wundern.
Wenn unser entscheidendes Problem in Ostdeutschland die Hemmung wichtiger Investitionen ist, dann muß auch hier politische Handlungsfähigkeit in größerem Maße zum Tragen kommen. Der erklärte Wille der Koalition, z. B. die Beschleunigung des Ausbaus der notwendigen Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern voranzubringen, ist bekannt. Es geht beim Bau der Straßen auch zügig voran. Aber im Bereich der Bahn, vor allem bei den Projekten deutsche Einheit, taucht offensichtlich etwas auf, was sich auch bei vielen anderen Investitionsvorhaben in gleicher Weise als entscheidendes Hemmnis negativ niederschlägt, nämlich Bürokratie, um nicht zu sagen Überbürokratisierung.
({12})
Das Überstülpen des im Westen gewohnten bürokratischen Perfektionismus auf die besondere Situation der neuen Bundesländer war ein Fehler. Dieser Fehler muß korrigiert werden, wenn z. B. der bei der Telekommunikation und beim Straßenbau erfreulich vorangekommene Ausbau der Infrastruktur nicht verpuffen soll. Entscheidungsfreude und nicht das Wandern von Akten über unzählige Schreibtische überforderter Bürokraten ist gefordert.
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Wir haben, um auf die Situation des Verkehrsweges Schiene zurückzukommen, schon viel Zeit verloren. Für den Ausbau wird ja auch viel Zeit gebraucht werden. Dies alles sorgt für eine zusätzliche Verlängerung. Bei aller von meiner Person ja bekannten Wertschätzung der Rechnungshöfe bei der Kontrolle öffentlichen Finanzgebarens: Eine reine Rechnungshofmentalität bedeutet hier jahrelange Verzögerungen, und der Aufbau wird über die jetzige schwierige Situation hinaus noch nachhaltig gestört.
Die Rahmendaten für die Förderung von Industrieansiedlungen in Ostdeutschland sind so gut wie in keinem vergleichbaren Land, was die Finanzausstattung und die Steuervergünstigung von staatlicher Seite angeht. Wenn aber Unternehmer demotiviert werden - hierfür gibt es leider viele Beispiele; wir
Dr. Wolfgang Weng ({14})
haben in unserer Fraktionsklausur in der vergangenen Woche von einer ganzen Zahl von Beispielen dafür gehört, daß Anträge liegenbleiben, daß nicht entschieden wird -, dann wird die Gesamtentwicklung ganz nachhaltig gestört, es wird ihr geschadet.
Eine Entindustrialisierung im ganzen Osten muß aber verhindert werden. Die bisherigen Ansätze zur Schaffung von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe genügen nicht. Auch hierüber herrscht Einstimmigkeit und Einmütigkeit. Nur, meine Damen und Herren, Umverteilung mit staatlicher Gewalt in einer kleiner gewordenen Welt und in einem Europa ohne Grenzen wird keine Lösung bedeuten. Die Rahmendaten für Industrieansiedlungen setzt ja nicht nur der Staat - die vom Staat gesetzten Daten habe ich aufgeführt -, sondern sie werden auch vom Markt gesetzt.
Ich weiß, daß ein Rückblick hier nicht weiterhilft, möchte aber trotzdem daran erinnern, daß der Zusammenbruch des gesamten östlichen Wirtschaftsgefüges die Märkte im Osten auch dann für lange Zeit blokkiert hätte, und zwar sicherlich mit einer noch erheblicheren Einschränkung, als es ohnehin schon der Fall ist, wenn die Wiedervereinigung nicht stattgefunden hätte. Daß der Verlust dieser Märkte die Situation entscheidend und einschneidend verschlechtert hat, hat auch der Herr Bundesfinanzminister bereits vorgetragen. Wir würden uns als Staat aber ganz sicher übernehmen, wenn wir, entsprechend der Anregung von Frau Matthäus-Maier, in großem Umfang Produktion auf Staatskosten vornehmen lassen würden, ohne daß es überhaupt zahlungsfähige Käufer für die Produkte gibt.
({15})
Frau Matthäus-Maier, das von Ihnen angeführte Einzelbeispiel ist natürlich sehr plausibel und griffig, aber es greift in der Gesamtbetrachtung nicht, weil ein solches staatliches Handeln im Gesamtbereich praktisch den Staatskonkurs zur Konsequenz hätte. Wir brauchen eine Marktsituation, in der Investitionen getätigt werden.
Der rasante Anstieg der Risiken bei Exportbürgschaften für Exporte in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion macht dies ja um so deutlicher, als der Haushaltsansatz für die Gewährleistungen schon für das kommende Jahr eklatant erhöht werden mußte. Meine Damen und Herren, wir wußten seinerzeit, daß wir uns hier hohe Risiken aufladen, aber die Frage, wo die Grenze solcher Belastungen liegt, wird ja dadurch beantwortet, daß es jetzt nicht so weitergeht. Das holt einen ein. Die leichte oder vermeintlich einfache Lösung des Augenblicks ist in der Politik häufig das, was in der Konsequenz nicht mehr oder nur sehr schwer in Ordnung gebracht werden kann.
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Der Vortrag von Frau Matthäus-Maier war auch an anderer Stelle außerordentlich wenig nützlich; denn zusätzlich sind für einen Investitionsstandort steuerpolitische Rahmenbedingungen wichtig. Der Eindruck, der hier erweckt wird, als wären wir eine kleine, in uns geschlossene Nation, als ob internationale Kapitalströme keine Rolle spielten, ist einfach falsch. Wir sind darauf angewiesen, und es ist ausdrücklich wünschenswert, daß auch Investoren aus anderen Ländern zu uns kommen. Sie tun es im Moment in einem viel zu geringen Umfang, und zwar auch deshalb, weil die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht ausreichend sind.
Es ist - ich glaube, auch bei der SPD - unstrittig, daß die Forderung der deutschen Wirtschaft nach einer Unternehmensteuerreform begründet ist. Nirgendwo sind die Unternehmensteuern so hoch wie bei uns. Wer investiert denn, wenn er weiß, daß der Fiskus in dem Augenblick, in dem - vielleicht nach langen Jahren - endlich Gewinne anfallen, diese Gewinne im wesentlichen abschöpft?
Die Idee von Finanzminister Waigel, den Totschlagargumenten der sozialdemokratischen Neiddiskussion durch eine Differenzierung der Spitzenbelastung nach Einkunftsarten zu begegnen, muß sicher sorgfältig diskutiert und auch in ihrer Tragweite bezüglich anderer als der rein fiskalischen und der investiven Auswirkungen geprüft werden. Sie erscheint mir aber spontan als ein möglicher Weg aus einer politischen Sackgasse und ein erfolgversprechender Anstoß zu sein. - Hier bedürfte es eigentlich einer Reaktion unserer Fraktionen.
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Sonst entsteht der Eindruck, als ob ich mit diesen Überlegungen allein dastünde, und das ist nicht der Fall.
Soll ich zwischendurch - immer sagen: „Nun klatscht mal schön"?
Da hierdurch ich sage das schon einmal im Vorgriff auf eine sich sicherlich entwickelnde kontroverse Diskussion - niemand gegenüber dem jetzigen Zustand benachteiligt würde, die investierende Wirtschaft aber bevorzugt würde, müßten sich eigentlich auch die Organisationen der Wirtschaft diesem Gedanken gegenüber aufgeschlossen äußern.
({0})
- Ich bedanke mich für die Hilfe. Man sieht doch, was ein Zuruf aus den Reihen der Opposition gleich an Solidarisierung in den eigenen Reihen nach sich ziehen kann.
Die Wirtschaft hat der Koalition in letzter Zeit schlechte Noten erteilt, gerade deshalb, weil die Zusagen in diesem Bereich bisher nicht eingehalten worden sind.
({1})
- Ja, Herr Kollege Esters, da die schlechten Noten aber gerade in bezug auf den Bereich erteilt worden sind, bei dem sich Ihre Partei vehement gegen unsere Bemühungen wehrt, glaube ich, daß dieser Zwischenruf von Ihrer Seite nicht ganz begründet war.
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Es kommt hinzu, daß diese Kritik - wie so oft - nicht mit konkreten Vorschlägen für eine bessere Politik verbunden ist, aber damit müssen wir leben. Es ist immer so, daß sich die verantwortliche Mehrheit dem aussetzen muß, auch wenn es nicht immer ganz
Dr. Wolfgang Weng ({3})
leichtfällt, Pauschalkritik zu ertragen, ohne daß konkrete Alternativen aufgezeigt werden. Aber ich glaube, daß man in Kenntnis der von der Opposition vorgetragenen Alternativen auch dort im richtigen Moment sicherlich wieder zur Besinnung kommen wird.
Ich will allerdings einen Hinweis geben und auf einen Teil der Wirtschaft hinweisen, der sich nach meiner Überzeugung zu dem nationalen Anliegen der Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in Deutschland und des Aufbaus im Osten in unglaublicher Weise rücksichtslos verhält: Die deutschen Großbanken müssen sich die Frage stellen lassen, ob nicht in der jetzigen Situation eine massive Abwerbung von Kapital ins Ausland für unser ganzes Land schädlich ist.
({4})
Man hätte aus diesem Bereich, z. B. in den neuen Bundesländern, dem Land durchaus dienen können, wenn man sich großzügiger, wenn man sich unbürokratischer verhalten hätte. Gerade das durch die schwierige Situation beim Eigentum an Grund und Boden häufig fehlende, jedenfalls grundbuchmäßig gesicherte Eigentum ist ja oft ein entscheidendes Investitionshemmnis bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Hier hätte eine größere Beweglichkeit der Banken bei der Forderung nach Sicherheiten bestimmt eine Chance für mehr Fortschritte beinhaltet. Aber viele Menschen mit Mut und Bereitschaft zum Unternehmertum sind bei den Bankfilialen im Osten abgewiesen worden, weil sie die im Westen bankenübliche Sicherheit nicht geben konnten. Hier liegt eine nationale Aufgabe für das Kreditgewerbe; hier hätte man besser als mit großen Worten zu einer positiveren Entwicklung beitragen können.
({5})
Meine Damen und Herren, wir leben in einer offenen Welt mit offenen Grenzen. Investoren haben viele Möglichkeiten der Niederlassung, und die Koalition hat mit den von mir ausgeführten großzügigen Förderungen Wege geebnet. Daß wir mit unseren massiven Zinssubventionen aus den öffentlichen Etats Unmut bei der Deutschen Bundesbank erregt haben, kann ich verstehen; deren Aufgabe, die Sicherung der Stabilität der Deutschen Mark, ist durch diesen gespaltenen Kapitalmarkt natürlich nicht erleichtert.
Die F.D.P.-Fraktion hat in den langen Jahren eine gute Tradition aufgebaut, ihre haushalts- und finanzpolitischen Vorstellungen unter bestmöglicher Berücksichtigung der Position der Deutschen Bundesbank zu erarbeiten. Wir tun dies deshalb, weil wir die Bedeutung einer stabilen Währung für unsere Menschen richtig einschätzen. Ohne eine starke Mark, meine Damen und Herren, wäre alles noch viel schwieriger. Da wäre die heutige Wirtschafts- und Finanzsituation extrem problematisch; denn das Vertrauen von Anlegern auch aus anderen Ländern, das uns in der Phase der vereinigungsbedingt höheren Verschuldung hilft, könnten wir sonst verlieren.
Natürlich wäre wirtschaftspolitisch in der jetzigen Situation eine Zinssenkung außerordentlich wünschenswert, aber die handelnde Politik muß - ich glaube, daß wir hierzu mit dem heute diskutierten Haushaltsentwurf einen guten Beitrag leisten - für eine solche Zinssenkung auch die Voraussetzungen schaffen.
({6})
Es macht ein wenig besorgt, wenn die Deutsche Bundesbank in den letzten Tagen unter dem Druck der Politik, vor allem dem Druck aus anderen Ländern, Zinssignale gegeben hat. Sie sollte ihre Unabhängigkeit in jedem Fall wahren.
Die Sparsamkeit der öffentlichen Hände ist die erste Voraussetzung für einen Zinssenkungsspielraum. Die Sparsamkeit der öffentlichen Hände kann natürlich nicht den Bund allein betreffen.
Das Konzept der Koalition bleibt richtig. Ich erinnere an die Daten: Das Wachstum des Bundeshaushalts soll in den kommenden Jahren im Schnitt nur 2,5 % betragen. An Länder und Gemeinden im Westen ergeht der dringende Appell, es nach den zum Teil übertriebenen Aufblähungen ihrer Etats in den letzten drei Jahren jetzt wirklich mit Steigerungsraten von 3 % genug sein zu lassen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle kann natürlich eine Anmerkung in Richtung Bayern nicht ganz unterbleiben; denn der Herr Bundesfinanzminister ist ja Vorsitzender der Partei, die in Bayern mit absoluter Mehrheit im Landtag das Sagen hat. Sie haben es leider nicht geschafft, das Land Bayern auf den von Ihnen gewünschten Kurs zu bringen.
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Wenn die genannte Steigerungszahl von deutlich über 5 % stimmt, dann heißt dies, daß Sie hier eine zusätzliche Hausaufgabe haben.
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Der Herr Minister wendet sich gerade mit Grausen ab, aber wahrscheinlich wird es ihm Herr Kraus bestätigt haben, daß diese eine Angelegenheit ist, die verbessert werden sollte.
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Meine Damen und Herren, es ist schon unglaublich - hier wieder den Blick zurück in den Westen -, in welchem Maße vor allem wohlhabende Kommunen im Westen den Eindruck vermitteln, als hätte sich durch die staatliche Einheit Deutschlands nichts geändert. Statt eine für die Kapitalmärkte notwendige Atempause von einigen Jahren auf dem erreichten hohen Niveau einzulegen, wird hier oft der Eindruck einer gewissen Endzeitstimmung vermittelt: Jetzt ganz schnell noch möglichst viel; wer weiß, wie die Entwicklung weitergeht! Aber genau mit solchem Verhalten bedroht man die Entwicklung. Diese Verhaltensweise ist zwar menschlich verständlich, aber es darf nicht jeder nur an sich denken. Das ist auch ein dringender Appell an demokratisch gewählte Gre8688
Dr. Wolfgang Weng ({10})
mien in den Kommunen. Für unser Staatswesen ist solches Verhalten insgesamt eine falsche Haltung.
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An der schwerwiegenden Situation haben, wie es ja fast immer in der Politik der Fall ist, viele Aspekte schuld. Wir sollten nicht vergessen, daß 40 Jahre sozialistischer Mißwirtschaft den entscheidenden Anteil an der Misere tragen, daß uns die Dimension des Unterschieds an Produktivität, daß uns die unfaßlichen Investitionsrückstände in der Wirtschaft des Ostens, der damaligen DDR, nicht bewußt waren. Aber ich sage auch, die handelnde Politik hat bisher nicht alle Chancen dieser schwierigen Lage genutzt. Ordnungspolitische Ansätze einer anderen Struktur als der im Westen gewohnten sind häufig steckengeblieben. Die Bürokratie hat ihren schneckenhaften Langsamgang sehr schnell etabliert, Dynamik ist hierbei oft auf der Strecke geblieben. Die Chancen breiter Deregulierung sind nur in wenigen Kommunen Ostdeutschlands genutzt worden. Dabei gibt es gute Beispiele dafür, daß eine solche Politik funktioniert und daß eine solche Politik deutliche Verbesserungen der kommunalen Situation und der Situation der Bürger solcher Gemeinden nach sich zieht.
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Privatisierungen, gerade auch im Bereich öffentlicher Dienstleistungen, wären möglich; sie finden nicht im gewünschten Umfang statt. Ich bin Ihnen, Herr Finanzminister, für Ihre Ankündigung dankbar, daß die Bundesregierung hier im Westen konsequent mit Privatisierung fortschreiten wird, daß Sie das was wir gemeinsam in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, auch wirklich bestmöglich in Angriff nehmen. Ich bin Ihnen für diese Ankündigung ausdrücklich verbunden.
Die öffentliche Hand, auch der Bund, könnte allerdings mit ihrem Grundbesitz an vielen Stellen für eine Beschleunigung für Investitionen sorgen. Sie hätten das in der Vergangenheit tun können, sie können es immer noch. Trotz des weiten Entgegenkommens, daß Sie, Herr Waigel, geschildert haben, ist nicht alles Mögliche geschehen. Oft werden durch übertriebene Ängstlichkeit die Entscheidungen hinausgezögert, oft wird eine Entscheidung verhindert.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein weiteres Beispiel staatlichen Handlungsbedarfs nennen. Im Vertrag über den Abzug der Truppen der früheren Sowjetunion aus den neuen Bundesländern ist ja festgelegt, daß die Bundesrepublik für den Mehrwert, der an den Kasernenanlagen oder Wohnungsanlagen dieser Truppen entstanden ist, etwas zahlen muß, daß jedoch entstandene Altlasten in diesem Bereich gegengerechnet werden sollen. Wenn es hierbei ordnungsgemäß kaufmännisch zuginge, bestünde sicherlich ein hoher finanzieller Anspruch der Bundesrepublik gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, weil jeder weiß und jeder sehen kann, daß die Beseitigung der Altlasten einen enormen Aufwand bedeuten wird. Aber es geschieht gar nichts, es bleibt liegen, es stagniert. Und dieses Liegenlassen nützt nichts.
In Kenntnis der hohen Verbindlichkeiten - ich glaube, niemand denkt daran, daß diese hohen Verbindlichkeiten voll erfüllt werden -, die die GUS-Staaten gegenüber der Bundesrepublik haben, stellt sich doch die Frage, ob man nicht auf der politischen Ebene durch einen Erlaß eines Teiles dieser Schulden entgegenkommt und eine Vereinbarung erreicht, um dafür dann den sofortigen Zugriff auf die genannten Einrichtungen, auf die Wohnungen, auf Kasernen zu erhalten. Hier müßte intensiv verhandelt werden; denn das Liegenlassen kostet, wie gesagt, Geld, zerstört Werte und hindert die Aufwärtsentwicklung.
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Eine Chance in schwieriger Lage wäre sicher auch, wenn die Tarifparteien in größerem Maße Arbeitnehmer am Produktivkapital beteiligen würden. Die Äußerung von Frau Matthäus-Maier in dem Zusammenhang war interessant. Statt zusätzlicher und wirtschaftlich im internationalen Wettbewerb unvertretbarer Tariferhöhungen könnte eine Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem Betrieb einen wichtigen Fortschritt bedeuten.
Ich weiß, daß die Gewerkschaften im Sinne der Ausweitung ihrer eigenen Verbandsmacht lieber als Institutionen beteiligt werden möchten. Dies ist natürlich alles andere als ein liberaler Ansatz. Aber die Äußerungen von Frau Matthäus-Maier haben offengelassen, ob nicht auch über den von mir vorgetragenen liberalen Ansatz offen diskutiert werden kann. Über einen neuen Anlauf bei der Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen sollte dringend gesprochen werden.
Meine Damen und Herren, zum Stichwort Solidaritätspakt: Das Ergebnis der Lufthansa-Verhandlungen der letzten Woche zeigt ja auch, daß zumindest ein Teil der Gewerkschaften die entstandenen Notwendigkeiten erkannt hat. Das Stichwort der Öffnungsklauseln für betriebliche Eingangstarife - in Kenntnis der Tatsache, daß diese in Ostdeutschland an vielen Stellen Realität sind - muß hier wieder genannt werden. Diese Forderung der F.D.P. - Kollege Haussmann hat das heute in der Fraktion noch einmal gesagt - ist seit Anfang der 70er Jahre bisher ungehört verhallt. Aber jetzt scheint doch langsam die Erkenntnis aufzukommen, daß wir auf der richtigen Seite sind.
Meine Damen und Herren, ob wir bei höherer Abgabenlast - wie in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten gefordert - tatsächlich mehr Geld bekämen, ist zu bezweifeln. Wichtiger sind öffentliche Einsparungen. Solche öffentlichen Einsparungen sind schwierig, sind nicht populär, betreffen viele Menschen in unserem Land sehr direkt, häufig auch sozial Schwache. Für unsere notwendige sparsame Politik müssen wir unsere Bürger um Verständnis bitten. Ebenso bitte ich unsere Bürger, Zusagen und Versprechungen der Opposition auf ihren wahren Kern zu untersuchen.
({14})
Sie werden sehen, daß diese Versprechungen keine Substanz haben.
({15})
Dr. Wolfgang Weng ({16})
Die SPD hat hier keine Alternativen zur Haushaltspolitik der Koalition aufgezeigt. Sie hat das hinter lautem Geschrei zu verbergen versucht.
({17})
- Ich gebe zu: Als ich mir das mit dem „lauten Geschrei" aufgeschrieben habe, hatte ich Frau Matthäus-Maier natürlich noch nicht gehört. Sie hat heute etwas leiser geschrien als sonst.
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Wenn eine große Oppositionspartei auf den eigenen Machtanspruch verzichtet und noch nicht einmal sagt, mit welchen politischen Alternativen sie als Juniorpartner mitwirken will, hat sie ihre Funktion verloren.
Die F.D.P. geht in die Detailberatungen des heute in erster Lesung debattierten Bundeshaushalts 1993
({19})
mit der Bereitschaft, die finanzpolitische Festlegung der Koalition auszufüllen und dabei bis zum Abschluß der Beratungen im November auch neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Trotz aller Probleme: Wir sind auf dem richtigen Weg.
({20})
Nun hat der Kollege Dr. Dietmar Keller das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach drei Stunden Debatte schaltet das ZDF jetzt seine Sendung ab. PDS/Linke Liste und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen wieder vor der Tür, außerhalb der Fernsehübertragungen. Das bedarf eigentlich keines Kommentars.
Aber eines Kommentars bedarf das, was der Bundesfinanzminister gesagt hat. Man hat natürlich nicht jeden Tag Glanzstunden. Aber das, was Sie, Herr Finanzminister, heute geboten haben, war alles andere als ein Höhepunkt. Natürlich ist es im Augenblick ganz interessant und agitatorisch vielleicht auch bei diesem und jenem angekommen, was Sie über die Treuhand und die Wirtschaftskraft der ehemaligen DDR gesagt haben.
({0})
Aber ich sage Ihnen: Sie werden vor der Geschichte nicht recht behalten. Das Urteil wird viel, viel differenzierter ausfallen.
Ich staune eigentlich darüber, daß Sie Ihrem verehrten Kollegen Rohwedder nach seinem Tode solch ein schlechtes Urteil ausstellen. Herr Rohwedder ist ein ausgezeichneter Fachmann gewesen. Dieser Mann hat sich niemals um einen Betrag von 1 000 Milliarden DM getäuscht.
Ich möchte Ihnen auch folgendes sagen: Wenn es Herrn Mittag, der in der Regierungskoalition der häufigste Gast aus der DDR gewesen ist, wirklich
gelungen ist, Sie so zu täuschen, dann verstehe ich nicht, daß Sie die Bediensteten der zuständigen Stellen des Bundesnachrichtendienstes nicht schon lange entlassen haben.
({1})
Wir werden an unserer Linie festhalten und uns an diesen Diskussionen, die es im Vorfeld dieser Debatte gegeben hat, nicht beteiligen. Sie haben gesagt, das, was Sie vorlegen, sei ein „Pakt der Vernunft". Dazu kann ich nur sagen, daß das, was im Vorfeld zur heutigen Debatte passiert ist, ein Pakt der Unvernunft ist. Daran waren sehr, sehr viele in diesem Haus beteiligt.
In den Mittelpunkt der Beratungen über den Haushalt 1993 stellen wir als PDS/Linke Liste folgende Positionen:
Erstens. Wir sind gegen jede Erweiterung des militärischen Handlungsspielraums der Bundesrepublik. Wir wenden uns gegen jede deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen, unter welchem Kommando und im Rahmen welcher Organisation auch immer. Die PDS/ Linke Liste ist auch gegen eine deutsche Beteiligung an Blauhelm-Missionen. Wir fordern eine Politik der Selbstbeschränkung, der Konfliktvorbeugung und der nichtmilitärischen Konfliktbewältigung. Voraussetzung dafür ist nicht zuletzt eine drastische Kürzung des Rüstungshaushalts. Wir werden dazu in der Debatte konkrete Vorschläge unterbreiten.
Zweitens. Der Prüfstand für die Moral und die Zivilisation einer Gesellschaft ist vor allem ihr Umgang mit Flüchtlingen, Verfolgten, Diskriminierten und Gedemütigten. Deshalb fordert die PDS/ Linke Liste, das Asylrecht als grundlegendes Menschenrecht nicht anzutasten. Wir werden im Herbst ein Antirassismusgesetz vorlegen. Wir fordern mit allem Nachdruck, unseren Antrag, der vor einem Jahr, nach den Krawallen in Hoyerswerda, in diesem Haus gestellt wurde, zu beraten. Es ist ein Antrag, für eine großangelegte Aufklärungskampagne gegen den Rassismus im Haushalt finanzielle Mittel bereitzustellen. Vielleicht wären die jüngsten Zwischenfälle in Rostock und anderen Städten und Gemeinden verhindert worden, wenn unser Antrag nicht auf Eis gelegt worden wäre.
Drittens. Wer Kultur, Wissenschaft und Bildung zum Notstandsgebiet degradiert und durch Rotstiftpolitik ersetzt, muß sich nicht wundern, daß geistige und moralische Zerfallserscheinungen das gesellschaftliche Leben immer mehr prägen. Wir fordern deshalb mit allem Nachdruck die strikte Einhaltung des Art. 35 des Einigungsvertrages, damit die kulturelle und geistige Substanz im Osten Deutschlands bewahrt und gefördert wird.
Viertens. Die Politik der Bundesregierung setzt die Diskriminierung der Frauen fort. Das bedeutet die Verfestigung oder gar Verschärfung patriarchalischer Strukturen. Wir treten dafür ein, gezielte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gegen Frauenerwerbslosigkeit mit der Schaffung guter und ausreichender Angebote an Betreuungseinrichtungen für Kinder zu koppeln. Frauen- und Mädchenhäuser sowie Bera8690
tungseinrichtungen müssen eine ausreichende finanzielle Förderung erhalten.
Fünftens. Wir fordern die Einführung einer bedarfsgerechten sozialen Grundsicherung für Menschen in allen Lebenslagen und jeden Alters. Das beitragsfinanzierte soziale Sicherungssystem muß um steuerfinanzierte Elemente ergänzt werden. Wir werden dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen.
Sechstens. Wir fordern, daß die Arbeitslosigkeit, vor allem die in Ostdeutschland, endlich mit Strukturkonzepten für einen ökologischen Um- und Ausbau der Wirtschaft und mit ausreichender finanzieller Unterstützung bekämpft wird. Nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeit muß finanziert werden. Die Streichung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit muß deshalb zurückgenommen werden.
Siebtens. Die PDS/Linke Liste hat einen Entwurf für ein steuerfinanziertes und bedarfsorientiertes Pflege-, Betreuungs- und Assistenzgesetz vorgelegt. Wir fordern, daß endlich ein Gesetz zur tatsächlichen Sicherung der Pflege verabschiedet wird.
Achtens. Wir fordern ein neues Rentenrecht, das soziale Sicherung und soziale Gerechtigkeit verbindet, insbesondere durch Regelungen, die Altersarmut bei Frauen im Osten und Westen Deutschlands verhindern. Rentensteigerungen müssen mindestens die gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgleichen. Der Mißbrauch des Rentenrechts als politisches Strafrecht ist abzustellen, indem das Rentenüberleitungsgesetz korrigiert wird. Die diskriminierende Behandlung der älteren Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern muß beendet werden.
Neuntens. Die Wohnung darf nicht länger Marktobjekt sein. Sie muß als ein Sozialobjekt behandelt werden. Wohnen muß endlich als Menschenrecht betrachtet und behandelt werden. Wohnungsnot und Obdachlosigkeit müssen beseitigt und die Mieten für alle Menschen bezahlbar gemacht werden. Die Bundesregierung macht noch nicht einmal den Versuch, die in Deutschland zunehmende Wohnungsnot wirksam zu bekämpfen. Nach ihrem Willen soll sich die direkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus rückläufig entwickeln. Für die neuen Bundesländer ist bis 1996 gleichbleibend der geradezu lächerliche Betrag von 1 Milliarde DM angesetzt. Die PDS/Linke Liste fordert, mittelfristig mindestens 8 % der öffentlichen Haushalte für die Verwirklichung des Menschenrechts auf angemessene und bezahlbare Wohnungen für alle einzusetzen. Wir werden beantragen, durch Verdoppelung der im Haushalt 1993 für die Wohnungsbauförderung, das Wohnungsumfeld und den Ausbau der sozialen Infrastruktur angesetzten Beträge ein deutliches Zeichen zu setzen.
Zehntens. Die Kosten der Einheit Deutschlands müssen endlich sozial gerecht finanziert werden. Die PDS/Linke Liste fordert, die ab 1993 wirksame Senkung der Vermögen- und Gewerbesteuer, die den eigentlichen Gewinnern der Einheit Steuergeschenke von jährlich 4,5 Milliarden DM bescheren würde, zurückzunehmen. Ferner treten wir dafür ein, dem westdeutschen verarbeitenden Gewerbe eine Investitionshilfeabgabe zur Schaffung von Arbeits- und
Ausbildungsplätzen in Ostdeutschland aufzuerlegen. Unser Finanzierungskonzept enthält die Forderung nach einer Kappung des Ehegattensplittings, einer Anleihe mit Zeichnungspflicht für Banken, Versicherungen und vermögensstarken Privathaushalten, einer Ergänzungsabgabe für Besserverdienende und einer Arbeitsmarktabgabe für Beamte und besserverdienende Selbständige. Zusammen mit Subventionskürzungen, einer effektiveren Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Haushaltskürzungen könnten auf diesem Weg jährlich 100 Milliarden DM aufgebracht werden. Damit könnte eine Reihe von Problemen gelöst werden, die vor unserem Lande stehen.
Danke.
({2})
Nun hat der Kollege Werner Schulz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ohne Fernsehübertragung - es weiß eh schon jeder -: Die Verwirrung ist perfekt. Wider alle Erwartungen und entgegen allen Beschwörungsformeln: Die Deutsche Einheit rechnet sich nicht. Die Bundesregierung sitzt in der selbst eingerührten Tinte. Was bisher nur als Befürchtung galt, wird langsam Allgemeinwissen: Die gesamte Bundesrepublik, unser Gemeinwesen, wird davon in Mitleidenschaft gezogen. Entgegen aller Regel sorgen die Schadensverursacher in diesem Fall selbst für den öffentlichen Spott. Wir erleben die Uraufführung eines absurden Finanztheaters. Während der große Meister schweigt - wo ist er eigentlich? -, präsentieren uns Nebendarsteller unaufgefordert außer sich selbst ständig neueste, meist unsinnige Finanzierungsvorschläge. Den Kunststücken der Finanzkeulenjongleure sind keine Grenzen gesetzt. Hinter den Kulissen erhöht die Treuhand den Schuldenberg und läßt geräuschvoll die Kaputtsanierung laufen. Den verärgerten Zuschauern wird indessen eines klar: Sie sollen, auch wenn es am Eingang völlig anders stand, mitten im Spektakel abermals abkassiert werden.
Doch damit nicht genug: Als Strafe für einen schlampig und voreilig über die Köpfe der Betroffenen hinweg geschlossenen Vertrag von Maastricht droht ein EG-politisches Fiasko, und am Rande Europas kichert der Wahnsinn. Der Aufschwung Ost findet dank der Inkompetenz zweier F.D.P.-Wirtschaftsminister der eine tat gar nichts, der andere tut das Falsche - nicht statt. In der Asylpolitik wird die Union die Geister nicht mehr los, die sie gerufen hat. So gerät das souveräne Deutschland international in Mißkredit, schielt jedoch dessen ungeachtet nach einem Sitz im Weltsicherheitsrat.
Auch die SPD ist am Ende dieser Sommerpause nicht gerade in bester Verfassung. Während das Fußvolk noch mühselig versucht, die Weisheit der olympische Ratschlüsse vom Petersberg zu verdauen, hält sich die SPD-Führungsspitze für eine große Sachkoalition der Opportunisten bereit. Wolfgang Roth und Ingrid Matthäus-Maier streiten derweil nicht etwa Seit' an Seit', wie sie immer singen, sondern der
Werner Schulz ({0})
eine auf seiten von Wolfgang Schäuble für, die andere auf seiten von Otto Graf Lambsdorff gegen eine Zwangsanleihe. Beide üben offenbar schon einmal für das Planspiel, das zur Einstimmung auf eine große Koalition dienen soll.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich appelliere an Sie: Räumen Sie nicht das Feld der parlamentarischen Opposition! Wenn sich diese neue Linie durchsetzt, machen Sie uns acht Abgeordnete vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur einzigen ernstzunehmenden Opposition in diesem Hause. Das wäre auch für uns zuviel der Ehre und eine Last, die schwer zu tragen ist. Aber wie wollen Sie eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum Sie einer Partei die Zusammenarbeit aufdrängen, die Sie noch vor kurzem als verrottet bezeichnet haben?
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Meine Damen und Herren, das finanzpolitische Chaos bei den Regierungsparteien entspricht der Misere, die sich in den neuen Bundesländern angebahnt hat, die sie zugelassen und zum Teil verschuldet haben. Statt der versprochenen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung ist ein beispielloser Prozeß der Deindustrialisierung in Ostdeutschland zu verzeichnen. Der von der Bundesregierung beharrlich betonte Rechtsgrundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" hat einzigartige Ungerechtigkeiten gebracht. Über 1 Million Anträge auf Rückerstattung von Eigentumstiteln haben dafür gesorgt, daß bei vielen Menschen in Ostdeutschland das Vertrauen in den Rechtsstaat verlorenging, ehe es überhaupt richtig entstehen konnte.
Auf ein weiteres Kennzeichen des Niedergangs im Osten will ich hier hinweisen. Es betrifft die Austrocknung und Verödung kultureller Einrichtungen. Viele Bibliotheken, Jugendzentren und Kultureinrichtungen werden endgültig verschwinden, wenn die Streichung der Mittel im beabsichtigten Umfang fortgesetzt wird. Angesichts der furchtbaren Ereignisse von Rostock, die sich vielerorts wiederholen, ist das ein verhängnisvolles Versäumnis. Ich möchte an dieser Stelle die Bundesregierung auffordern, gerade im Bereich der Jugendarbeit genügend Mittel bereitzustellen.
Die „Fahrt ins Blaue", wie im Sommer 1990 das „Handelsblatt" den damaligen Kurs der Bundesregierung bezeichnete, ist nun zu einem wahren Horrortrip geworden. Es herrscht Panik auf der Titanic, wie Kollege Poß richtig festgestellt hat. Ich verstehe nur nicht, warum Sie den alten Tanker SPD noch ins Schlepptau bringen möchten.
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- Sie tun sich geflissentlich hervor, um so etwas in der Öffentlichkeit zumindest in Erwägung zu bringen.
Der erfahrene Außenlotse jedenfalls hat instinktsicher den Kahn bereits verlassen. Selbst den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien dämmert es inzwischen, allerdings nur, weil die Abgeordneten aus den neuen Bundesländern mittlerweile ein wenig mehr aufbegehren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben in dieser Woche Gelegenheit, das noch
deutlicher zu unterstreichen. Sie wissen doch: Die Probleme lösen sich nicht, indem Sie auf Godot warten oder den vermeintlichen Sitzriesen. Die Menschen in den neuen Bundesländern lassen sich nicht mehr mit blumigen Versprechungen abspeisen. Sie wollen, daß jetzt gehandelt wird. Die „Frankfurter Rundschau" faßt das Problem ganz einfach zusammen: Die Misere hat einen Namen - Helmut Kohl.
In einem legt die Regierung jedoch Spitzentempo vor: In der kurzen Zeit zwischen der Verabschiedung des Haushalts im Kabinett und seiner ersten Lesung im Bundestag hat sie es fast ohne Zutun der Opposition geschafft, die Haltlosigkeit ihres eigenen Haushaltsentwurfs zu demonstrieren. Die Forderung von Frau Matthäus-Maier, diesen Haushalt gar nicht erst zu beraten, sondern ihn gleich zurückzuweisen, ist ausgesprochen konsequent. Denn die Zahlen für den I laushalt 1993 und die Finanzplanung der nächsten Jahre sind schon jetzt Makulatur. Wir diskutieren hier eigentlich über Phantomzahlen, die nicht einmal vom Finanzminister ernstgenommen werden.
({3})
Bis heute 12 Uhr wollte die Koalition Klarheit in das Kuddelmuddel bringen. Was bisher herausgekommen ist, wirft weitere Fragen auf. Was steckt hinter der Zauberformel „Solidarpakt", „Pakt der Vernunft"? Ich kenne von Herrn Honecker die Prägung „Koalition der Vernunft" . Keine Gefahr: Sie sind damit nicht gemeint gewesen. Was steckt hinter der Zauberformel „Solidarpakt"? Wo sind die substantiellen Vorgaben? Irgendwie erinnern mich diese Formulierungen an die DDR-Pappkartons mit leeren Worten.
Hartnäckig wird noch immer geleugnet: Die Bürgerinnen und Bürger müssen erneut mit höheren Steuern und Abgaben rechnen. Bisher hatte die Bundesregierung das Glück höherer Steuereinnahmen und Bundesbankgewinne als geplant. Aber das konjunkturpolitische Pulver ist längst verschossen. Wohlgemerkt, mir ist nicht bange, daß Deutschland das Geld ausgehen könnte - wohl eher der Verstand.
Nach dem Solidaritätszuschlag und der Mehrwertsteuererhöhung werden wir jetzt mit der Steuerlüge Nr. 3 konfrontiert. Die jüngste Debatte bei der CDU um eine „Zwangsanleihe", „Investitionsanleihe", „Deutschland-Anleihe ", erneute Mehrwertsteuererhöhung, „Solidarpakt" - ich wollte Herrn Schäuble fragen, er ist leider nicht mehr hier, was denn heute eigentlich gilt - verwirrt selbst die Erfinder, habe ich den Eindruck. Auf seiten der Bundesregierung besteht vor allem Ratlosigkeit, wofür sie dieses Geld eigentlich haben will. Sie kommen uns vor wie der Arzt, der dem Patienten beste Gesundheit bescheinigt, gleichzeitig aber eine schwere Operation vorbereitet.
({4})
So konzeptlos wie die Sache bislang angepackt wurde, ist zu befürchten, daß auch weiteres Geld sinnlos aus dem Fenster geworfen wird. Die Bundesregierung sollte vielmehr beantworten, warum ihre bisherige Politik so kläglich versagt hat, warum aus
Werner Schulz ({5})
dem „Aufschwung Ost" außer einem konjunkturellen Strohfeuer West nicht viel geworden ist, wie es dazu gekommen ist, daß es entgegen des Kanzlers Prophezeiung doch vielen schlechter geht als vor der Wende. Ich jedenfalls sehe keine blühenden Landschaften, noch nicht einmal Vorstufen, allenfalls Industriebrachen.
({6})
- Aber der Vernichtungsprozeß zumindest ist in zwei Jahren wunderbar gelungen.
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Weil Sie nicht im mindesten bereit sind, Ihre Politik in Frage zu stellen, sondern lediglich Löcher stopfen wollen, etwa das dunkle Gerechtigkeitsloch, das Volker Rühe plötzlich entdeckt hat, fühlen sich viele Steuerzahler als Lückenbüßer. Angeblich sind doch alle Risiken im Haushalt ausreichend berücksichtigt. Ich denke, diese Regierung steht viel eher vor einem abgrundtiefen Glaubwürdigkeitsloch. Solange die wahren Kosten der deutschen Einheit verschleiert werden, werden wir einer Zwangsanleihe nicht zustimmen, schon deswegen nicht, weil wir Ihren leichtfertigen Umgang mit der Verfassung nicht mitmachen.
Wenn es Ihnen opportun erscheint - und das ist bei Geld besonders schnell der Fall -, geht Ihnen eine Verfassungsänderung offenbar leicht von der Hand. Es ist schon merkwürdig: Als es um den Beitritt der DDR ging, durfte möglichst kein Jota am Grundgesetz geändert werden. Jetzt kann es Ihnen gar nicht schnell genug gehen, diese Verfassung zu beschneiden. Aber selbst wenn Sie sagen könnten, wofür Sie das Geld ausgeben wollen, selbst wenn es Rechtens wäre, würden wir Ihre Zwangsanleihe nicht gegenzeichnen. Die ökonomischen Argumente sprechen eindeutig gegen dieses späte Produkt des Sommerlochs. Ob zwangsweise oder freiwillig, hoch- oder niedrigverzinst, in jedem Falle treiben Sie damit die Staatsverschuldung hoch und belasten zusätzlich den Kapitalmarkt. Letztlich - und das ist schon richtig gesagt worden - handelt es sich bei der Zwangsanleihe um nichts anderes als um eine verkappte Steuer oder Abgabe.
Was wir brauchen, sind wirtschaftspolitische Konzepte, solche, die den Namen wirklich verdient haben. Warum gehen Sie also nicht gleich auf unsere Vorschläge ein und erheben statt der Zwangsanleihe eine Abgabe auf nicht im Osten investierte Gewinne bzw. Vermögen? Wir sagen Ihnen auch gerne, wie dieses Geld sinnvoll ausgegeben werden kann: zum Beispiel für aktive Sanierungspolitik, für Industrie- und Strukturpolitik, für regionale Entwicklungspolitik, für einen Risikokapitalfonds, für mittellose Existenzgründer oder enteignete Ostdeutsche, was so ziemlich das gleiche ist, zur Forschungs- und Entwicklungsförderung, kurz gesagt: für Entwickeln statt Abwickeln.
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Meine Damen und Herren, der Finanzpolitik helfen keine Care-Pakete, eine Umkehr, ein Kurswechsel, ist erforderlich. Und der verlangt genau das, was der Regierungspolitik noch immer fehlt: Mut und Phantasie. Von Anfang an war ein Lastenausgleich für die deutsche Einheit nötig; jetzt ist er überfällig.
Dazu müssen, erstens, hohe Einkommen und Vermögen - und auch jene Einkommen und Vermögen, die durch die deutsche Einheit besonders begünstigt sind - stärker als bisher an der Finanzierung der Lasten beteiligt werden.
Zweitens. Das Prinzip Aufbau vor Ausbau West muß Priorität erhalten. Dies bedeutet, daß zugunsten des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Bundesländern die Ausgaben in den alten Bundesländern eingeschränkt werden müssen.
Notwendig ist drittens die Festlegung eines gerechten Finanzausgleichs zwischen den Bundesländern. Die Bundesregierung und auch die westlichen Bundesländer müssen dabei das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Prinzip des Einstehens füreinander in besonderem Maße beachten.
({9})
Viertens steht nach wie vor die Aufgabe der drastischen Kürzung der 130 Milliarden DM Subventionen in den alten Bundesländern zugunsten einer sanierungsbedürftigen Industriesubstanz im Osten.
Die Lasten sind alles andere als gerecht verteilt. Der Unmut darüber nimmt zu. Auch das ist der Stoff, aus dem Politik- und Staatsverdrossenheit wachsen. Wir brauchen endlich eine große Debatte über die Ziele der Finanzpolitik, eine Aussprache über Richtung und Zweckmäßigkeit von Einsparungen bei öffentlichen Ausgaben. Die Steuerzahler wollen wissen, welche Belastungen noch auf sie zukommen, wofür ihr Geld wirklich ausgegeben wird, und - das ist ein Wesensmerkmal einer gesunden Demokratie - sie wollen mit entscheiden, was mit ihren Steuergeldern passiert. Dem gewissenhaften Steuerzahler platzt allmählich der Kragen, wenn er mit faulen Tricks von Leuten zur Kasse gebeten wird, die offenbar nicht mit Geld umgehen können - jedenfalls nicht mit dem anderer.
Die Bundesregierung hat dies noch immer nicht begriffen. Dieser Lernprozeß wird ihr aber nicht erspart bleiben. Ansonsten werden sich die Bürgerinnen und Bürger, was sicher auch das beste ist, bald diese Regierung ersparen.
({10})
Nunmehr hat der Herr Abgeordnete Roth das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unstreitig haben die großen jährlichen Haushaltsdebatten, gesamtwirtschaftlich betrachtet, in den letzten Jahren unter einem günstigeren Stern gestanden als in diesem Jahr im Zeichen einer konjunkturellen Zwischenflaute. Ich räume freimütig ein: Auch die politischen
Adolf Roth ({0})
Präliminarien der letzten Wochen haben das Ausgangsklima dieser Haushaltsdebatte nicht verbessert. Aber wir Haushaltspolitiker sind natürlich froh, daß diese Zeit der öffentlich zelebrierten finanzpolitischen Werkstattgespräche vorbei ist, daß wir jetzt in die Einzelberatungen des Haushalts eintreten können und von unserem parlamentarischen Königsrecht der Budgetbewilligung in sachgerechter Weise Gebrauch machen können.
({1})
Unser Koalitionspartner hat uns ja in diese Debatte öffentlich einen Wunsch mitgegeben, dem wir nur zu gerne folgen. Wir müssen gerade durch sachgerechte Politik den Menschen Mut machen
({2})
und nicht Mißmut. Ich bin sicher, daß die Einbringungsrede, die der Bundesfinanzminister heute gehalten hat, in der seine Politik der konsequenten staatlichen Sparsamkeit und der Priorität für den Aufbauprozeß in Ostdeutschland zum Ausdruck kamen, ein stimmiger Anfang gewesen ist, jedenfalls wesentlich eindrucksvoller als die bisherigen sachlich dürftigen und perspektivlosen Beiträge der parlamentarischen Opposition in diesem Hause.
({3})
Insbesondere habe ich mich gewundert, daß, wenn man schon öffentlich den Ruf erhebt, alles müsse als Makulatur eingestampft werden, man müsse die Haushaltseinbringung und die Beratung total verschieben, überhaupt keine sachbezogenen Vorschläge unterbreitet werden konnten. Das zeigt die Ideen- und Perspektivlosigkeit dieser Opposition.
({4})
Meine Damen und Herren, an bestimmten Tatsachen kann doch niemand herumdeuteln:
({5})
Erstens. Die Koalitionsbeschlüsse vom Frühsommer dieses Jahres, vom 5. Mai und vom 30. Juni,
({6})
sind zielführend, und sie sind im vorliegenden Haushaltsentwurf der Bundesregierung vollständig und korrekt umgesetzt worden.
Zweitens. In völliger Übereinstimmung mit dem, was auch im Finanzplanungsrat vereinbart worden ist, daß nämlich die jährlichen Zuwachsraten der Staatsausgaben auf allen Ebenen zurückgeschnitten werden müssen, hat dieser Bundeshaushalt mit einer Steigerungsrate von 2,5 % und einer Rückführung der Kreditaufnahme um 2,5 Milliarden DM auf 38 Milliarden DM auch eine klare Perspektive aufgezeigt.
({7})
- Das werden wir womöglich im Anschluß hören. Als hessischer Staatsbürger wäre ich sehr interessiert, einmal den Alternativvorschlag des Bundeslandes Hessen im Sinne einer eigenen Einsparpolitik hier zur Kenntnis gebracht zu bekommen. Ich habe neulich
nur gelesen, daß man unerwartete höhere Steuereinnahmen in diesem Jahr sofort in einen Nachtragshaushalt gesteckt hat, weil demnächst in Hessen eine Kommunalwahl stattfindet. Das, Frau Staatsministerin Fugmann-Heesing, ist sicher keine Alternative zu der Politik, die jetzt vereinbart worden ist.
({8})
Drittens. Wenn alle Ebenen gefordert sind, wenn sich insbesondere die Bundesländer und ihre Gemeinden in ihrer Haushaltswirtschaft diesem kompromißlosen Sparzwang unterwerfen, dann, aber auch nur dann, können sowohl die Steuerpolitik als auch die Defizitfinanzierung auf dem Kapitalmarkt im Einklang mit den konjunktur-, wachstums-, sozial- und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen gehalten werden.
Viertens. So schwierig die Einzelberatungen des Haushalts 1993 sein werden - bei nicht mehr vorhandenen Reserven und bei äußerst knappen Ansätzen in den Einzeletats -, so führt kein Weg daran vorbei, daß zeitgleich mit dieser Haushaltsberatung 1993 bis zur Schlußlesung im November ein grundlegendes Konzept für die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs erarbeitet werden muß.
Finanzpolitisch ist für 1993 Vorsorge getroffen worden. Ich wäre dankbar, wenn auch von den Kollegen aus den östlichen Bundesländern wenigstens im Ansatz das mit einem Wort der Anerkennung bedacht würde, was hier im Finanzpaket 1992 auf den Weg gebracht wurde und in der Vorsorge auch im Bundeshaushalt. Aber wir wissen, daß 1994 finanzpolitisch ein Brückenjahr sein wird, wo ein gewisser Zuführungsbedarf für die Finanzierung der Länderetats in Ostdeutschland besteht. Hier hat der Bund in der Finanzplanung Vorkehrungen getroffen, die von den Bundesländern im Westen noch nachvollzogen werden müssen.
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 1993 ist angesichts dieser kurz beschriebenen Herausforderung ein Testfall für die Durchhaltefähigkeit des Haushaltsausschusses und des Gesamtparlaments in Sachen Einsparpolitik. Wir haben für Ostdeutschland - und das ist Kern dieses Spar- und Solidarhaushalts 1993 - immerhin die Leistungen von 86 Milliarden DM auf 92 Milliarden DM erhöht, um knapp 7 %.
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Wir haben auch - entgegen anderslautenden öffentlichen Äußerungen - die Leistungen, die in den zwei Startjahren im Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost enthalten gewesen sind, verstärkt über die normalen Einzelpläne jetzt weiter finanziert. Das ist auch der Opposition durchaus geläufig. Insofern, meine ich, sollten wir uns jetzt auch bemühen, uns angesichts bestimmter Zusatzbelastungen, die gar nicht aus der Einheit Deutschlands unmittelbar herrühren, zu einer gewissen Solidarität im Parlament zu verständigen. Es bleibt ja nicht nur bei den unausweichlichen Haushaltsproblemen der neuen Bundesländer, sondern wir müssen auch mit schwerwiegenden externen internationalen Faktoren in der Haushaltspolitik fertigwerden. Der Golf-Krieg mit seiner Finanzierung ist vorhin genannt worden, wenn auch in verzerrender Weise
Adolf Roth ({10})
und wahrheitswidrig. Tatsache ist, daß wir dafür 18 Milliarden DM völlig unvorhergesehen und außer der Reihe aufwenden mußten.
({11})
Tatsache ist aber auch, daß wir für den Reformprozeß im Bereich der ehemaligen Sowjetunion, also in den neuen GUS-Republiken, eine breite Palette von Unterstützungsmaßnahmen geleistet und zugesichert haben. Das beginnt bei Zuschüssen und Leistungen von über 18 Milliarden DM für die Truppenrückführung der Sowjetunion. Wir haben im zweiten Halbjahr 1990 Warenlieferungen im sogenannten TransferRubel-Geschäft vorfinanziert, in harter D-Mark finanziert. Es sind ungebundene Finanzkredite in Höhe von 12 Milliarden DM gegeben und garantiert worden. Wir haben allein seit dem Fall der Mauer zusätzlich Exportkredite in den GUS-Bereich in einer Höhe von 24,5 Milliarden DM über das Hermes-Instrumentarium verbürgt. Einschließlich der Finanzierung von großen Investitionsprojekten der russischen Naturgas- und Erzgewinnung und der gedeckten Zinsforderungen aus den vielen Finanzleistungen ist hier ein Gesamtpaket von über 80 Milliarden DM - wohlgemerkt nur für den GUS-Bereich und ausschließlich in den letzten drei Jahren - zustande gekommen. Darüber muß die Öffentlichkeit auch diskutieren. Man kann nicht einfach den Eindruck erwecken, als seien das Nebensächlichkeiten der deutschen Finanzpolitik, mit der eine Regierung am Rande ihrer Hauptverantwortlichkeiten fertigzuwerden hat.
({12})
Meine Damen und Herren, was dies bedeutet, spüren wir im Haushalt 1993. Die bedingungsgemäßen Entschädigungen aus Bürgschaften, Garantien und anderen Gewährleistungen werden im kommenden Jahr die traurige Rekordhöhe von 6 Milliarden DM erreichen. Das sind immerhin 1,5 unseres gesamten Bundeshaushaltes. Deutlich mehr als die Hälfte dieser Entschädigungen werden im GUS-Bereich fällig werden, über 3 Milliarden DM. Ich darf nur darauf hinweisen: Vor 1991 ist in der alten Sowjetunion nicht ein einziges Mal aus dem internationalen Bürgschaftsbereich irgend etwas entschädigt worden. Meine Damen und Herren, dies belegt, daß das totale Wegbrechen der Ostmärkte nicht nur für die neuen Bundesländer, sondern auch für Teile der westdeutschen Wirtschaft und insbesondere für den deutschen Steuerzahler zu einer erheblichen Hypothek und zu einer schlichten Katastrophe geworden ist.
Mit der wahrlich großzügigen Einräumung von zusätzlich 5 Milliarden im Deckungsrahmen zu Beginn des Jahres 1992 sind wir, was die Risikobewertung für einen schadensfreien Verlauf der Kreditgewährung betrifft, haushaltsrechtlich bis an die äußerste Grenze des rechtlich Möglichen gegangen. Die nicht erfüllten Zahlungsverpflichtungen, die aktuellen russischen Zahlungsrückstände aus gedeckten Forderungen, ja eine sehr weitgehende faktische Zahlungsunfähigkeit der GUS-Republiken hat zusätzliche Bewegungsspielräume endgültig vernichtet.
Der Haushaltsausschuß hat deshalb seit Monaten
deutlich gemacht, daß hier die Reichweite des Hermes-Instrumentariums versagt. Das gilt auch, möchte
ich hier anmerken, für alle jetzt hier diskutierten Formen von unechten Bürgschaften, bei denen äußerlich normale Hermes-Deckungen in voller Höhe als unbedingte überjährige Zahlungsverpflichtungen im Sinne sogenannter Verpflichtungsermächtigungen in den Bundeshaushalt eingestellt werden. Das gilt auch für andere Formen von Lastenverschiebungen in die Zukunft, etwa über bundesverbürgte Schuldscheingeschäfte mit russischen Importeuren. Sie sind weder industriepolitisch sinnvoll noch passen sie in den Moratoriumsbeschluß, in den Eckbeschluß der Koalition.
Meine Damen und Herren, der Bundeswirtschaftsminister ist hinsichtlich der Aufgabe, vor der er jetzt steht, nicht zu beneiden, ein Maßnahmenbündel zur Erschließung anderer Märkte für Ostdeutschland vorzulegen, so wie es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Leipzig am 28. August erörtert hat. Jeder weiß, daß hier auch im Sinne einer Offenheit und Glaubhaftigkeit das haushaltspolitisch Machbare den Betroffenen auch benannt werden muß. Industriepolitik mit zusätzlichen Baransätzen oder Verpflichtungsermächtigungen in Milliardenhöhe ist nicht ohne gleichwertige Einschränkung an anderer Stelle leistbar. Sie ist auch ordnungspolitisch eine eher fragwürdige Veranstaltung.
Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf die Darlegungen der Deutschen Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht verweisen dürfen, wo aus der geld- und stabilitätspolitischen Verantwortung unserer Zentralbank heraus die außerordentlich expansive Wirkung aller Liquiditätsund Rentabilitätshilfen beschrieben worden ist, die im Zusammenhang mit den Zinssubventionen und den anderen Subventionierungsinstrumenten in jüngster Zeit für die staatliche Wirtschaftsförderung in Deutschland geleistet worden sind.
Dies belastet natürlich den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungskreislauf, sosehr wir die Hebel- und Multiplikatorwirkung im Sinne eines erwünschten Investitionsanschubs in Ostdeutschland gewollt haben. Wir haben hier Haushaltsmittel eingespart und einen maximalen Erfolg erreicht, aber wir sind an die Grenze des Leistbaren gekommen und dürfen deshalb hier nicht nachlegen, wie es jetzt von vielen gefordert wird. Das Dilemma ist doch eindeutig: Wir subventionieren Marktzinsen herunter, die viel höher sind, als sie sein müßten, wenn es diese Zinsverbilligungskonzepte nicht gäbe.
Meine Damen und Herren, wegen der sachlichen Dringlichkeit der Investitionsförderung, der Wohnungsmodernisierung , der Existenzgründungsprogramme, Eigenkapitalprogramme, Gemeindeprogramme müssen wir diese Konzepte durchhalten. Wir können jetzt nicht aussteigen, auch dort nicht, wo Mitnahmeeffekte sichtbar sind. Aber wir müssen die Meinung der Bundesbank ernst nehmen, denn wir wollen so bald wie möglich eine Zinswende in Deutschland, die der gesamtstaatlichen Konjunktur in positiver Weise zugute kommt.
Adolf Roth ({13})
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Satz zur Kreditaufnahme des Bundes in 1993 sagen. In der veranschlagten Nettokreditaufnahme von 38 Milliarden DM sind ja Milliardensummen für Schuldendienstverpflichtungen für den Fonds Deutsche Einheit und die Erstattung von Zinsleistungen des Kreditabwicklungsfonds enthalten. Übrigens sind die Wirtschaftspläne dieser Institutionen Teil des ordentlichen Bundeshaushalts und keine „Nebenhaushalte", wie Frau Matthäus-Maier hier immer wieder darzulegen versucht.
({14})
Mit 45 Milliarden DM Zinsaufwand liegen wir mittlerweile um 7 Milliarden DM über der Nettokreditaufnahme, d. h. der Bund gibt in den Kapitalmarkt 7 Milliarden DM mehr an Zinsen und Tilgung hinein, als er in demselben Zeitraum an neuen Krediten aufnimmt. Das ist weniger als ein Nullsummenspiel.
({15})
Herr Abgeordneter Roth, diese Ihre Bemerkungen veranlassen den Abgeordneten Wieczorek, obwohl Sie fast am Ende Ihrer Redezeit sind, um eine Zwischenfrage zu bitten. Ich nehme an, Sie beantworten sie.
Ich wollte den Kollegen Roth nur fragen, ob er mir in diesem Zusammenhang einmal den Begriff der Nettokreditaufnahme erklären kann.
({0})
Ich hätte vom finanzpolitischen Sprecher der Opposition erwartet, daß er weiß, wie sich die Nettokreditaufnahme zusammensetzt, nämlich aus den Bruttokreditaufnahmen und den Tilgungen innerhalb eines Jahres. Ihm dürfte auch klar sein, daß in diesem Zusammenhang auch die Zinsen auf die vorhandenen Altschulden fällig werden. Insofern bleibe ich dabei: Die Zinsleistungen sind um 7 Milliarden DM - wenn es nicht noch mehr ist - höher als die Aufnahme neuer Kredite auf dem Kapitalmarkt.
({0})
Die Antwort wird, was ihre Kürze anlangt, den Abgeordneten Struck hoffentlich befriedigen.
({0})
Meine Damen und Herren, es gibt keine Alternative zu einer eisernen Sparpolitik. Das Ziel unserer Haushaltsarbeit für 1993 ist klar vorgegeben: Wir werden an die Sachprobleme herangehen. Je besser wir mit den Sachproblemen fertig werden - da bin ich ganz zuversichtlich -, desto besser werden wir auch politisch mit dieser Opposition im Deutschen Bundestag fertig werden.
Herzlichen Dank.
({0})
Nunmehr hat die Ministerin der Finanzen des Landes Hessen, Frau Dr. Fugmann-Heesing, das Wort.
Staatsministerin Dr. Annette Fugmann-Heesing ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Länder stellen Bundeshaushalt und mittelfristige Finanzplanung des Bundes wichtige finanzpolitische Eckpfeiler dar. Hierin - so die Erwartungen der Länder - müssen Aussagen zu den dringenden finanzpolitischen Fragen enthalten sein; Fragen, die wir nicht auf die lange Bank schieben können, sondern kurz- und mittelfristig lösen müssen. Diese Fragen, diese Probleme konzentrieren sich vor allem auf die finanzwirtschaftliche Bewältigung der deutschen Einheit. Die Menschen im Lande wollen endlich wissen, wohin die Reise geht.
({1})
Der Bundeshaushalt gibt darauf keine Antwort.
({2})
Er ist Stückwerk, wo doch Schwerpunkte gesetzt werden müßten.
In den von Ihnen vorgelegten Zahlenwerken ist tatsächlich nichts davon zu spüren, daß die Ausgaben für die neuen Länder das Schwergewicht des Haushalts darstellen.
({3})
Die Aufwendungen des Bundes für die jungen Länder betragen 92 Milliarden DM. Das sind rund 21 % der gesamten Bundesausgaben. Nun leben in den neuen Bundesländern knapp 20 % der deutschen Bevölkerung. 21 % der Bundesausgaben für 20 % der Bevölkerung - da kann man schwerlich von einem echten Schwerpunkt für die neuen Bundesländer sprechen.
({4})
Würden Sie echte Schwerpunkte setzen, z. B. durch eine Aufstockung des Programms Aufschwung Ost, durch eine Wiederbelebung der kommunalen Investitionspauschale, wie es mittlerweile auch aus den Reihen der Regierungskoalition gefordert wird, durch verstärkte Unterstützung der Bundesanstalt für Arbeit, könnte tatsächlich davon gesprochen werden, daß die Hilfe für die neuen Länder im Mittelpunkt des Haushalts steht.
Es ist sogar zu befürchten, daß der Bund seine Aufwendungen für die neuen Länder schrittweise reduzieren wird.
({5})
- Dazu komme ich noch.
Der Bundeshaushalt 1993 und mehr noch der Finanzplan bis 1996 folgen dem seit Anfang 1990 von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg der finanzpolitischen Vernebelung, insbesondere was
Staatsministerin Dr. Annette Fugmann-Heesing ({6})
die Kosten und Belastungen der Bundesländer angeht.
({7})
Ich darf erinnern: Der Fonds Deutsche Einheit mit einer Belastung der Länder von 47,5 Milliarden DM wurde im Mai 1990 beschlossen. In der Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Juni 1990 heißt es dazu - ich zitiere -:
Der Bundesrat stellt in Übereinstimmung mit der Bundesregierung fest, daß die Höhe der Länderbeteiligung an den Kosten der Einheit durch den vorliegenden Gesetzentwurf abschließend geregelt ist.
({8})
Risiken, die über die festgelegten Beträge hinausgehen, sind daher vom Bund zu tragen.
({9})
Dem hat die Bundesregierung zugestimmt. Wo bleibt Ihr Erinnerungsvermögen, Herr Waigel? Was ist von der Ernsthaftigkeit solcher Zusagen des Bundes im Gesetzgebungsverfahren zu halten?
({10})
Die alten Länder - man kann es nicht oft genug betonen - waren damals und sind heute solidarisch mit den neuen Ländern.
({11})
Wir wollen nur endlich die vollständigen Zahlen - da kann ich Ihren Zuruf nur aufgreifen - über die finanziellen Auswirkungen der Einheit auf den Tisch haben.
({12})
Im Rahmen der Beratungen zum Einigungsvertrag - nur einen Monat später - wurden die Länder entgegen der erwähnten Zusicherung des Bundes mit einer erhöhten Umsatzsteuerbeteiligung der neuen Lander konfrontiert. Nach langen Verhandlungen wurde das im Einigungsvertrag festgelegte Modell der abgestuften Umsatzsteuerbeteiligung festgeschrieben; auch hier mit der klaren Zusicherung des Bundes an die neuen Bundesländer, daß damit eine ausreichende Finanzausstattung gefunden sei und die alten Bundesländer weitere Forderungen nicht zu erwarten hätten.
({13})
Trotzdem: Wir wollen Ehrlichkeit in der Auseinandersetzung. Ich möchte nur an das erinnern, was in der Vergangenheit geschehen ist.
({14})
Deshalb auch die Forderung der Länder, endlich die Zahlen umfassend auf den Tisch zu legen.
({15})
- Hören Sie mir doch zu; ich kann verstehen, daß Sie es nicht wissen wollen.
Es kam kurze Zeit später erneut zu Finanzverhandlungen mit dem Ergebnis vom 28. Februar 1991, wonach die neuen Länder bereits ab 1991 zu 100 % in die Umsatzsteuerverteilung einbezogen wurden. Die Belastungen aus diesen beiden Umsatzsteuervereinbarungen betragen für die alten Länder fast 50 Milliarden DM in vier Jahren.
Nun wird dieses bekannte Verwirrspiel fortgesetzt. In Ihrem Finanzplan, Herr Waigel, legen Sie ein Modell zur Verteilung der Schulden des Kreditabwicklungsfonds und der Treuhandanstalt vor, das weder der Rechtslage entspricht noch die finanzielle Leistungsfähigkeit der verschiedenen Gebietskörperschaften berücksichtigt.
({16})
Die Schulden des Kreditabwicklungsfonds sollten zu 50 % der Bund und zu 50 % alle Länder - nicht nur die neuen, wie es der Einigungsvertrag vorsieht - tragen.
({17})
Ich halte es für ein starkes Stück, daß Sie den Ländern einen solchen Vorschlag über die Presse vorgestellt haben statt in den dafür vorgesehenen Gremien.
({18})
Dies ist schlechter Stil im Umgang mit Verfassungsorganen.
({19})
- Herr Waigel, ist in diesem Punkt zu weit gegangen, nicht ich.
({20})
In derselben Pressemeldung vom 2. Juli 1992 haben Sie auch eine hälftige Aufteilung der Treuhandschulden zwischen Bund und Ländern vorgeschlagen.
({21})
Die Treuhand ist eine Anstalt des Bundes, über deren Geschäftsgebaren allein der Bund bestimmt. Sie, Herr Waigel, haben bekanntlich im Mai 1990 die von meinem Kollegen Schleußer und dem bayerischen Finanzminister Tandler geforderte Beteiligung oder Mitsprache der Länder abgelehnt.
({22})
Staatsministerin Dr. Annette Fugmann-Heesing ({23}) Damals erwarteten Sie Gewinne. Heute erwarten Sie Verluste, und daran sollen nun die Länder beteiligt werden.
({24})
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, für diese Aufteilung der Treuhandschulden zwischen Bund und Ländern gibt es weder eine rechtliche Grundlage, noch werden Sie die Zustimmung der Länder dazu erhalten;
({25})
die Länder sind zur Übernahme dieser Schulden überhaupt nicht in der Lage.
({26})
Daß die Kommunen in den neuen Ländern mit der Übernahme der Schulden der Wohnungsbaugesellschaften zum 1. Januar 1994 überfordert sind, haben inzwischen auch Mitglieder der Bundesregierung erkannt. Deshalb fordert die Bundesbauministerin, diese Schulden auf den Kreditabwicklungsfonds und damit mindestens zur Hälfte auf den Bund zu übertragen.
({27})
Hier herrscht größere Unsicherheit über die zukünftige Schuldenaufteilung denn je. Herr Waigel, Sie können nicht scheibchenweise neue Belastungen ankündigen. Warum machen Sie keine Finanzpolitik aus einem Guß,
({28})
warum legen Sie nicht endlich eine Gesamtkonzeption vor?
({29})
Wo bleibt Ihre Bestandsaufnahme? Die Menschen in den neuen und in den alten Ländern warten darauf, Wirtschaft und Industrie warten darauf, auch die Länder warten darauf.
({30})
Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die bereits Mitte 1990 in dem Gesetz zur Wirtschafts- und Währungsunion für den 1. Januar 1995 verabredet worden ist, kommt nicht voran. Schon vor geraumer Zeit haben Sie; Herr Waigel, die Vorlage eines Eckpunktepapiers angekündigt; bis heute haben wir vergeblich darauf gewartet. Aber Eckpunkte sind noch lange keine gesetzlichen Formulierungen.
({31})
Sie ersetzen insbesondere kein Gesamtfinanzierungskonzept.
({32})
Es reicht nicht, für diesen ganzen Komplex lapidar 15 Milliarden DM in den Finanzplan einzustellen.
({33})
Es muß insbesondere darum gehen, die Finanzausstattung der neuen Länder mittel- und langfristig zu sichern, die finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der alten Länder zu erhalten,
({34})
den Auftrag aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1992 zum Länderfinanzausgleich zu erfüllen und Vorschläge zur Beseitigung der extremen Haushaltsnotlage von Bremen und dem Saarland zu erarbeiten und - als weitere Konsequenz aus diesem Urteil zugunsten der anderen finanzschwachen Länder Grundzüge einer vorsorgenden, präventiven Haushaltsnotlagenpolitik aufzustellen.
Meine Damen und Herren, angesichts der komplexen Materie und angesichts der noch verbleibenden Zeit erscheint es mir durchaus fraglich, ob bis Mitte 1994 tatsächlich eine abschließende, dauerhafte Regelung für einen gesamtdeutschen Finanzausgleich geschaffen werden kann. Jede Änderung an einzelnen Vorschriften beeinflußt die finanzielle Leistungsfähigkeit aller Länder sofort und unmittelbar.
Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist um so schwieriger zu bewerkstelligen, als die neuen Länder ab 1995 enorme Finanzierungsdefizite erwarten müssen. Zur Abdeckung dieser Defizite wird auch ein gesamtdeutscher Länderfinanzausgleich allein nicht ausreichen. Deshalb wird angesichts dieser Defizite eine weitere finanzwirtschaftliche Übergangsregelung erforderlich sein, mit der der Bund und die alten Länder die Finanzausstattung der neuen Länder absichern müssen. Es drängt sich der Verdacht auf, daß sich die Bundesregierung aus dieser auch von ihr erkannten, aber noch nicht zugegebenen Problematik herausstehlen und die Hauptlast unter dem Deckmantel der Ländersolidarität vor allem den alten Ländern aufbürden will.
Um nicht mißverstanden zu werden: Die alten Länder werden sich auch in Zukunft solidarisch und bereitwillig an den finanziellen Leistungen für die neuen Lander beteiligen
({35})
- ich will Ihnen hinterher gern einmal die Zahlen erläutern -, wie auch das Land Hessen in den letzten zehn Jahren über 10 Milliarden DM im Länderfinanzausgleich an die finanzschwächeren alten Länder gezahlt hat.
({36})
Es darf allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, daß die alten Länder bis Ende 1994 bereits fast 114 Milliarden DM Transferleistungen an die neuen Länder zahlen werden.
Der Bundesfinanzminister täuscht sich, wenn er meint, die Länder gegeneinander ausspielen zu können. Wir Länder fordern gemeinsam eine ausgabengerechte Finanzausstattung. Hier zeichnet sich ab 1993 eine erhebliche Schieflage in der bundesstaatlichen Finanzverteilung zugunsten des Bundes und zu Lasten der Länder und Gemeinden ab. Der Bund kann teilungsbedingte Aufgaben zurückführen, er hat Steuererhöhungen beschlossen, die im wesentlichen
Staatsministerin Dr. Annette Fugmann-Heesing ({37}) ihm allein zufließen, er finanziert einen Teil seiner Hilfen für die neuen Länder allein durch Umschichtung zu Lasten der alten Länder.
({38})
Die alten Lander haben diese Möglichkeiten nicht.
({39})
In diesem Zusammenhang will ich ganz deutlich darauf hinweisen, daß die Forderung, die Länderhaushalte dürften jährlich nur um 3 % steigen, die völlig unterschiedlichen Strukturen von Länderhaushalten und Bundeshaushalt außer acht läßt.
({40})
Das scheinen auch Sie, Herr Roth, nicht zu realisieren, wenn Sie auf den hessischen Nachtrag hinweisen; über die Einzelheiten könnten wir uns gern noch unterhalten.
({41})
- Ich komme noch zum Finanzplanungsrat. - Nicht nur angesichts der wesentlich höheren Personalkostenquote und auf Grund des kommunalen Finanzausgleichs ist eine solche Steigerungsrate kurzfristig überhaupt nicht und auch mittelfristig nur außerordentlich schwer zu verwirklichen. Deshalb haben die alten Länder in der Sitzung des Finanzplanungsrates am 3. Juni 1992 unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die 3-%-Linie kurzfristig nicht zu verwirklichen ist. So steigt - das werden Sie wissen, Herr Waigel - z. B. der Landeshaushalt des Freistaates Bayern nach den mir heute vorliegenden Informationen im Jahre 1993 um 5,9 %.
({42})
Was Bayern schon nicht leisten kann, wird von anderen Ländern mit deutlich schlechteren Finanzstrukturen noch weniger zu schaffen sein - es sei denn, es werden Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger deutlich eingeschränkt.
({43})
In aller Regel trifft dies die sozial Schwächeren, wie etwa bei Ihrer Kürzung der Aids-Hilfen. Eine solche Leistungseinschränkung kann und wird ein Finanzminister eines Landes nicht akzeptieren. Oder, Herr Waigel, wollen Sie Haushaltssicherungsgesetze?
Meine Damen und Herren, wenn nun von dem Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag gesagt wird, die Steuern müßten nur deshalb steigen, weil die Lander ihre Haushalte stärker als um 3 % erhöhen,
({44})
so muß ich dieser drohenden Legendenbildung aufs
schärfste widersprechen. Wem sind denn die bisherigen Steuererhöhungen ganz wesentlich zugeflossen? - Doch nicht den alten Ländern!
({45})
Und wenn von Ländern und Gemeinden verstärkte Sparsamkeit gefordert wird, um Steuererhöhungen zu vermeiden, die sicher wieder wesentlich dem Bund zuflössen, kann ich nur fragen: Welche weiteren Belastungen wollen Sie vom Bund auf die Länder abwälzen?
({46})
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die deutsche Einheit jetzt zum Vorwand genommen wird, die föderalen Strukturen in Frage zu stellen.
({47})
Herr Waigel, Sie wissen, daß Sie den Ländern mit Ihrer Vorgabe von 3 % jeglichen Gestaltungsspielraum nehmen, zumal wir für 1993 mit einer Preissteigerungsrate von deutlich über 3 % rechnen müssen. Hinzu kommt, daß ein völliger Rückzug der Länder aus Investitionen den Weg der Wirtschaft in eine Rezession beschleunigen würde.
({48})
Ein Abschwung West aber wird die Mittel für den langersehnten Aufschwung Ost erst recht nicht erbringen. Ich habe durchaus Sympathie für die Forderung der ostdeutschen Ministerpräsidenten, die sie mit der plakativen Formel „Aufbau Ost vor Ausbau West" verkündet haben. Aber von einem Abbau West war nun wahrlich nicht die Rede.
({49})
Meine Damen und Herren, die Verabschiedung eines Bundeshaushalts im Kabinett und die Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung sollten eigentlich haushalts- und finanzpolitische Ruhe bedeuten und den Ländern und Kommunen verläßliche Daten für die nächsten 12 Monate an die Hand geben.
({50})
Gerade das Verwirrspiel der letzten Tage - ich nenne nur die Stichworte Zwangsanleihe, Deutschlandanleihe, Autobahnvignette und Mehrwertsteuererhöhung - zeigen, daß die mit dem Bundeshaushalt und der mittelfristigen Finanzplanung vorgelegten Zahlen unvollständig, wenn nicht sogar schon längst überholt sind.
Die Bundesregierung muß endlich zugeben, daß die notwendigen Leistungen für die neuen Länder mittelfristig nicht nur über eine erhöhte Kreditaufnahme und eine Ausgabenreduzierung finanziert werden können, sondern daß auch deutliche und dauerhafte Einnahmeverbesserungen notwendig sind.
Frau Staatsministerin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Ich kann und will Ihnen das Wort nicht entziehen; das ist grundgesetzlich geregelt. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Redezeit, die
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
Sie jetzt verbrauchen, auf Kosten Ihres Kollegen Kuessner aus der SPD-Fraktion geht, und bitte, das zu berücksichtigen.
Staatsministerin Dr. Annette Fugmann-Heesing ({0}): Ich bin sofort fertig.
Dies gilt insbesondere für die Bewältigung der Zinsen und Tilgung für Kreditabwicklungsfonds und Treuhandanstalt. Herr Waigel, Sie können diese Schulden nicht vor unserer Tür abkippen; denn Sie wissen ganz genau, daß die Länder damit überfordert wären. Warum wählen Sie nicht den offenen und ehrlichen Weg und erhöhen die Steuern für diejenigen, die erhöhte Steuern auch zahlen können?
({1})
Eine Verlängerung des Solidaritätszuschlags, allerdings mit Einkommensgrenzen, würde genau den Betrag in die Kassen bringen, der zur finanziellen Bewältigung der DDR-Altschulden erforderlich ist.
Prüfen Sie solche Vorschläge vorurteilsfrei! Eine ehrliche Steuererhöhung ist allemal besser und wird auch eher akzeptiert als eine verdeckte, die nur die Staatsverdrossenheit fördert.
({2})
Meine Damen und Herren, das im Bundeshaushalt und im mittelfristigen Finanzplan vorgelegte Zahlenwerk spiegelt nur eines vorbildlich wider: das Chaos, das in der Bundesregierung herrscht.
({3})
Dadurch wird eine solide, mittelfristig abgesicherte und Vertrauen schaffende Finanzpolitik behindert und der Aufschwung Ost gerade verhindert. Dies kann das Land Hessen nicht unterstützen.
({4})
Nunmehr erteile ich der Abgeordneten Ina Albowitz das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe zu Beginn meines Debattenbeitrages durchaus ein, sehr verehrte Frau Kollegin Matthäus-Maier, daß ich von der Opposition heute außerordentlich enttäuscht bin. Ich hatte nach den Beiträgen der Opposition in den letzten Tagen eigentlich erwartet, daß Sie uns heute einmal konkret sagen, was Sie anders bzw. was Sie
({0})
besser machen wollen. Ich weiß nicht, ich habe eigentlich nur Altbekanntes gehört; es war wirklich nichts Neues, Frau Kollegin. Ich habe einmal addiert, was Sie in den letzten Wochen so alles herausgegeben haben. Das war, glaube ich, eines der umfangreichsten Steuererhöhungspakete der letzten Jahre; es belief sich nämlich auf über 50 Milliarden DM.
({1})
- Ah ja, aber es bleiben 50 Milliarden DM; diese bestreitet ihr nicht.
({2})
Im übrigen, Frau Kollegin, bin ich wirklich einmal gespannt, wann Sie auf die Frage antworten - ich weiß ja, daß Ihnen das leid tut -, wie wir demnächst, über das Jahr 2000 hinaus, unsere Luftwaffe eigentlich ausstatten wollen. Ich weiß ja, daß der Jäger 90 nun weg ist; das wissen auch Sie. Aber was wollen wir denn demnächst mit unserer Luftwaffe machen?
({3})
Ich meine, die Diskussion darüber brauchen wir nicht heute zu führen; nur, irgendwann müssen Sie uns, glaube ich, einmal sagen, was wir mit unserer Luftwaffe machen sollen.
({4})
- Zu diesem Thema komme ich noch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ausufernde Diskussion der letzten Wochen über Zwangs- und Deutschlandanleihen, höhere Steuern und sonstige Finanzierungsinstrumente ist nicht nur unsinnig gewesen, sondern auch überflüssig wie ein Kropf. Sie verunsichert die Bürger in Deutschland und Europa sowie Industrie und Handwerk, also die Investoren, die sich aktiv am Aufbau der neuen Bundesländer beteiligen.
({5})
- Sehr schön. Aber die Opposition war mit daran beteiligt.
({6})
- Oh ja. Ich denke, Frau Schulte hat das in einer Presseerklärung der SPD, die ich gestern abend auf den Tisch gekriegt habe, neidlos zugegeben; lesen Sie sie einmal nach.
({7})
- Sie hat von den Besserwissis unter den westdeutschen Politikern geschrieben. Ich glaube nicht, daß wir diese in Opposition und Regierung einteilen können. Lesen Sie Ihre eigenen Presseerklärungen, die Sie herausgeben, einmal genau durch.
Meine Damen und Herren, manche Äußerungen der letzten Tage erwecken den Eindruck, es liege am fehlenden Geld, daß der Aufschwung Ost nicht, wie von uns allen gewünscht - ich denke, da sind wir wieder einer Meinung -, noch deutlicher und schneller in Gang kommt. Doch das Gegenteil ist der Fall. In zahlreichen Fördertöpfen stehen ausreichende Mittel zur Verfügung.
({8})
Private Investitionen sind das Fundament eines soliden wirtschaftlichen Aufschwungs in den neuen Bundesländern und helfen den Menschen auf Dauer mehr als die Transfers, die rein konsumtiv verwendet werden. 1993 entfallen 25 Milliarden DM der 91,9 Milli8700
arden DM an Bundesausgaben für die neuen Länder auf investive Maßnahmen. Bedarf und Ansatzpunkte für private Investitionen gibt es genug. Bevor wir anfangen, Steuern oder Abgaben zu erhöhen, sollten wir deshalb unsere Aufmerksamkeit zunächst den investitionshemmenden strukturellen Mangeln widmen. Hier können und müssen wir noch viel tun.
({9})
Zum Beispiel, meine Kolleginnen und Kollegen, behindern weiterhin offene Vermögensfragen zahlreiche unternehmerische Initiativen. Durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz ist den Investitionen so weit wie möglich Vorfahrt eingeräumt worden. Jetzt geht es darum, die Anträge in den Vermögens- und Grundbuchämtern schneller zu bearbeiten. Hier muß mehr personelle Hilfe durch Westbeamte geleistet werden.
({10})
Wir sollten auch überlegen, ob wir nicht den Menschen, die jetzt wenig Aussicht haben, wieder auf Dauer in den Arbeitsmarkt Ost eingegliedert zu werden, durch Zeitverträge eine Chance geben können, in diesem Bereich eine sinnvolle Berufs- und Lebensperspektive zu erhalten.
({11})
Das zweite Beispiel. Planungsrecht und Genehmigungsverfahren müssen für die neuen Länder vereinfacht werden. Gerade dort können wir es uns nicht leisten, daß unternehmerische Initiative durch ein Übermaß an Bürokratie und Reglementierungen, welche sich bei uns in den letzten 40 Jahren aufgebaut hat, erstickt wird. Meine Damen und Herren, wenn wir 1945 bereits so viele Vorschriften, Normen, Vorgaben und Gesetze gehabt hätten wie heute, wäre der erfolgreiche Aufbau der Bundesrepublik mit Sicherheit nicht gelungen.
({12})
- Danke schön, Herr Vorsitzender.
Die Tarifpolitik ist korrekturbedürftig. Die Steigerungen bei den Ostlöhnen müssen in den kommenden Jahren gebremst werden; denn das bereits jetzt zu hohe Niveau vernichtet Arbeitsplätze bzw. verhindert deren Entstehen. 1989 lag die damalige DDR bei der Höhe der Arbeitskosten gleichauf mit einigen Entwicklungsländern. 1993 werden die Arbeitskosten an vielen Standorten in den neuen Bundesländern bereits höher liegen als in Japan. Von einer solchen Steigerung ist die Produktivität hingegen noch weit entfernt.
Die Tarifparteien sind gefordert. Angesichts solcher Kostensteigerungen ist selbst eine großzügige Investitionsförderung häufig ohne Chancen. Das gilt vor allem für den Mittelstand, dem in dieser Situation besondere Bedeutung zukommt.
Wir brauchen aber auch in den alten Bundesländern moderate Lohnabschlüsse. Die Ansprüche an das Sozialprodukt müssen auch im Westen wieder am Machbaren, nämlich an der Produktivitätssteigerung,
ausgerichtet werden. Mit einer solchen Solidarität kann die innere Einheit Deutschlands auch auf wirtschaftlichem Gebiet verwirklicht werden.
({13})
Nach Ansicht der F.D.P. müssen Arbeitszeit, Löhne und Gehälter wesentlich flexibler gestaltet werden. Die Situation in den neuen Bundesländern ist je nach Region und Branche zu unterschiedlich, als daß nach altem Gewerkschaftsmuster alles über einen Kamm geschoren werden kann. Übrigens wissen die verantwortlichen Betriebsräte vor Ort besser, was für die Sicherung der Arbeitsplätze und das Schaffen von Konkurrenzfähigkeit richtig ist. Die Strategie der Gewerkschaften, jegliche Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen zu verhindern, hat im Westen bereits Arbeitsplätze vernichtet und vielen Arbeitslosen den Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt.
({14})
In der besonderen Situation der neuen Bundesländer sind die Folgen einer solchen Strategie noch fataler.
Daß es anders gehen kann, zeigt das jüngste Beispiel, der Tarifabschluß bei der Lufthansa. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß die einsichtige Haltung der Betriebsräte und Beschäftigten auch in anderen Fällen Nachahmer findet. Leider mußte allerdings die Lufthansa erst in eine gewaltige Schieflage geraten, ehe eine solche Flexibilität ermöglicht wurde.
({15})
Für viele Unternehmen in den neuen Bundesländern könnte es dann allerdings schon zu spät sein.
({16})
- „Aufsichtsrat" ist ein guter Hinweis. - Denn leider ist nicht jedes Unternehmen so prestigeträchtig wie die größte deutsche Fluglinie, was sogar die ÖTV zum Einlenken veranlaßte.
({17})
Meine Damen und Herren, Einschränkungen werden natürlich nicht nur von den Gewerkschaften verlangt, sondern von uns allen. Eine Diskussion, die sich lediglich darum dreht, wer wann warum und wieviel zu zahlen hat und die das Sparen beim Ausgeben zu vergessen scheint, verkürzt das Problem in sträflicher Weise. Kernstück jeder Finanzpolitik muß die sparsame Haushaltsführung sein.
({18})
Diese Koalition hat es nach 1982 geschafft, innerhalb von nur drei Jahren 40 Milliarden DM einzusparen. Und wir werden es wieder schaffen, wenn wir gemeinsam an einem Strick ziehen.
({19})
Für den Haushalt 1993 stehen die Eckdaten fest. 2,5 % Ausgabensteigerung sind für das kommende Jahr und 2,3 % im Schnitt in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Ich bin sicher, wir schaffen es. Die Haushälter der Koalition - auf die Opposition kann man sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht verlassen - werden mit weiteren Einsparungen dafür sorgen, daß
wir Spielraum bekommen, um die finanzielle Marschroute auch bei neuen, jetzt noch nicht vorhersehbaren Belastungen einzuhalten.
({20})
Um das zu erreichen, benötigen wir aber auch die Unterstützung der Abgeordneten in den Fachausschüssen. Ich appelliere an Sie alle, meine Kolleginnen und Kollegen, bei Ihren Vorschlägen während der kommenden Wochen und Monate auch immer die finanzielle Seite im Hinterkopf zu behalten. Wenn Sie Überlegungen für neue, sinnvolle Aufgaben oder Prioritätenänderungen haben, dann bitte ich Sie, gleichzeitig die entsprechenden Einsparungs- bzw. Deckungsvorschläge vorzubringen, damit sich das Gesamtvolumen des Etats nicht erhöht.
Ich gehe auch davon aus, daß die Bundesregierung sich ebenfalls an die vorgegebene Linie hält und in den kommenden Monaten Selbstdisziplin wahrt. Das bis zum Ende der Legislaturperiode beschlossene Ausgabenmoratorium ist der richtige Weg der Haushaltspolitik.
({21})
Die Abgeordneten des Haushaltsausschusses werden nicht die Buhmänner sein, wenn sie Ausgaben kürzen, streichen oder sperren müssen. Sparen und Konsolidieren geht uns alle an; niemand kann sich dieser Verantwortung entziehen.
Sparbemühungen des Bundes allein reichen jedoch nicht. In den vergangenen Jahren waren die Steigerungsraten bei den Haushalten von Ländern und Gemeinden teilweise mehr als doppelt so hoch wie im Bund, obwohl dieser die Hauptlast bei der Finanzierung der Einheit trägt.
Frau Ministerin, ich denke, Ihr Beitrag soeben zur Finanzpolitik der Länder war in dem Zusammenhang weiß Gott nicht erhellend. Da zeigt sich, wie wenig hinter so mancher hehren Beteuerung der Solidarität steckt.
({22})
- Herr Kollege Weng, wir sind, wie immer, einer Meinung.
({23})
- Ach, das ist bei uns nicht gefährlich. Es ist Übereinstimmung.
Ich hoffe, daß der Egoismus der Westländer - nur davon handelte Ihre Rede, von nichts anderem ({24})
angesichts der zu lösenden Probleme nun nachläßt und auch deren Haushalte künftig nicht um mehr als 2,5 % steigen.
({25})
- Vielen Dank. Ich komme darauf zurück.
Würden wir dieses Ausgabenwachstum auf allen Ebenen durchhalten, so könnten pro Jahr fast 50 Milliarden DM eingespart werden. Dies verdeutlicht:
Zum Sparen gibt es keine Alternative, vor allem keine Steuer- oder Abgabenerhöhung mit deren schädlichen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.
({26})
- Keine Erhöhung! Sparen wollen wir, Frau Kollegin, sparen, im Gegensatz zu Ihnen!
Härtetest für die Solidarität der Westländer - und das war wirklich der gute Beitrag eben - wird die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ab 1995. Ich habe wenig Hoffnung, daß diesmal nicht versucht wird, alle Verantwortung auf den Bund abzuwälzen. Aber manchmal geschehen ja Wunder.
Unerläßlich für eine erfolgreiche Haushaltspolitik ist eine Verbesserung der Qualität des Standortes Deutschland, weil jeder zusätzliche Prozentpunkt mehr Wachstum und Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe bringt. Deshalb muß eine aufkommensneutrale Reform der Unternehmensteuer die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessern.
Damit darf nicht mehr lange gewartet werden, denn die Probleme in Deutschland und auf dem europäischen Binnenmarkt stehen vor der Tür.
Ich danke Ihnen.
({27})
Ich erteile dem Abgeordneten Hinrich Kuessner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte zur Einbringung des Haushalts 1993 gibt Gelegenheit zur Standortbestimmung und zur Zukunftsbeschreibung für unser politisches Handeln.
Zwei Jahre nach der Einheit Deutschlands reagiert Bonner Politik noch immer überrascht auf Ereignisse im Osten. Politisches Gestalten eines Aufschwungs Ost kann ich bei der Bundesregierung bisher nicht erkennen.
Rostock hat gezeigt, daß die Zeiten nicht für vordergründige Parteipolemik geeignet sind. Wir Politiker aller Parteien müssen zeigen, daß wir unser Handwerk verstehen und nicht bloß Sprechblasen produzieren.
({0})
Es ist unsere Aufgabe, Zukunftsbilder zu entwickeln, Wege in diese Zukunft aufzuzeigen und diese Wege befahrbar zu machen.
Ein politisches Ziel der deutschen Innenpolitik ist in Art. 72 Grundgesetz festgeschrieben: die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus. Diesem Ziel haben wir uns alle gestellt. Der Weg dorthin ist noch nicht klar zu erkennen. Dabei müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern in Ost und West die Wahrheit sagen und sie in die Erarbeitung der Projektierung einbeziehen. Zwischenziele müssen abgesteckt und abgerechnet werden.
Für die Projektierung und den Ausbau dieses Weges brauchen wir Zeit. Es kann nicht alles auf einmal erreicht werden. Planungen über 15 Jahre und mehr sind nötig; alles andere sind hohle Versprechungen.
({1})
Wenn wir über so einen langen Zeitraum eine stetige Verbesserung im Osten erreichen wollen, ist eine Voraussetzung, daß wir die Verhältnisse in den alten Bundesländern nicht destabilisieren.
({2})
In den alten Bundesländern müssen die Menschen auf Wachstum verzichten. Da wir den Aufschwung nur mit einer starken Wirtschaft im Westen erreichen, dürfen Wirtschaft und öffentliche Hand im Westen nicht überfordert werden. Wir müssen offen miteinander darüber reden, wo diese Grenze der Überforderung für den einzelnen, die öffentliche Hand und die Wirtschaft ist.
({3})
Die Politik des Nebelwerfens muß beendet werden.
Der zur Zeit betriebene Aktionismus bringt nichts und kostet viel Geld. Die Verantwortlichen im Osten brauchen die Sicherheit, daß Geld auch in den nächsten Jahren fließt.
({4})
Dann kann vieles mit mehr Ruhe und Sachverstand angegangen werden. Die innere Einheit müssen wir mit den Menschen in Ost und West gestalten. Sie müssen für den Weg gewonnen werden, und sie müssen Belastungen aushalten. Die hektische Ausgestaltung der Einheit müssen wir beenden.
Der erste Schritt dazu kann beim Haushalt 1993 gemacht werden, indem wir jeden Einzelplan durchforsten. Es muß überlegt werden, was auf später und was sinnvollerweise in die Finanzierung von Ost nach West geschoben werden kann. Hier gibt es sicher Reserven.
Voraussetzung für diese Arbeit ist, daß wir gemeinsam - damit meine ich Abgeordnete aus Ost und West - dies wollen und tun. Denn was ein erträglicher Verzicht ist, kann nur mit Hilfe des Kenners der Region entschieden werden. Es kann sein, daß aus meiner Sicht als Ostdeutscher im Westen auf manches verzichtet werden kann, was aber aus der Sicht eines Westdeutschen die Schmerzgrenze überschreitet.
({5})
Diese Diskussion müssen wir als Bundespolitiker in unsere Verantwortung für die gesamte Republik führen.
Ich bin bisher nicht davon überzeugt, daß wir die Finanzprobleme in Deutschland über die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab 1995 lösen. Als dies im Einigungsvertrag vereinbart wurde, wurde
manches nicht so gesehen, wie es heute ist. Die vom damaligen DDR-Finanzminister Romberg vorgelegten Zahlen wurden ignoriert. Jetzt kann man es nicht mehr leugnen, daß bei diesem System alle Westländer zu Nettozahlern werden. Daran kann die innere Einheit in Deutschland zerbrechen. Die Frage der Belastbarkeit und der Akzeptanz in den alten und neuen Ländern darf nicht außer acht gelassen werden.
Es ist Sache der Regierung, dem Parlament eine Aufstellung der Kosten für die Angleichung der Lebensverhältnisse und eine Aufstellung der Finanzierung vorzulegen. Es geht nicht darum, irgendwo Geld zusammenzukratzen, wie es die CDU/CSU in den letzten Wochen versucht hat. Der gesamtwirtschaftliche Bedarf muß benannt werden.
Politik besteht darin, den Annäherungsprozeß zu gestalten. Zwei Jahre nach der Einheit darf man von einer Bundesregierung erwarten, daß sie ihr Konzept auf den Tisch des Parlaments legt. Ich habe das heute vermißt.
({6})
Bei dieser Umverteilung von Mitteln ist darauf zu achten, daß sie für die Bürger, aber auch für die Wirtschaft durchsichtig gemacht wird. Sie muß nachvollziehbar sein, und darf nicht gegen Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen. Bei dieser Umverteilung darf es im Westen nicht zu einer einseitigen Bevorzugung der Wohlhabenden kommen. Der kleine Mann darf nicht den Eindruck gewinnen, daß er stärker zur Kasse gebeten wird als der, der sich auf Grund der Machtposition seines Reichtums besser wehren kann. Bisher ist dieses im Prozeß der Einheit nicht optimal gelaufen.
Demokratie und Marktwirtschaft setzen die Aktivität des einzelnen Bürgers voraus. Darum halte ich es für unerläßlich, daß in den neuen Ländern Einheimische die Chance erhalten, Eigentümer und auch Geschäftsführer von Unternehmen zu werden.
({7})
Zu beidem müssen einzelne befähigt werden.
In den neuen Ländern gibt es Menschen, die auf eigenes Risiko in die Marktwirtschaft starten wollen und dies auch schon getan haben. Die IHK in Rostock - ihr Einzugsbereich ist der ehemalige Bezirk Rostock an der Ostseeküste - hat 26 000 Mitglieder. Diese Zahl spricht für Risikobereitschaft. Das Problem der neu entstehenden Betriebe von Einheimischen ist das fehlende Kapital. Darum muß der Boden für sie beleihbar gemacht werden, z. B. durch langfristige Pachtverträge und Erbbaurechtverträge. Aber es wird auch ein Innovationsfonds benötigt, der hilft, den Eigenmittelanteil bei Förderprogrammen aufzubringen.
In der letzten Woche führten wir in Greifswald mit der Friedrich-Ebert-Stiftung ein wirtschaftspolitisches Seminar durch. Ein Vertreter des Schweriner Wirtschaftsministeriums warb um Anträge auf Fördermittel. Für 8 Millionen DM können in Mecklenburg-Vorpommern Anträge gestellt werden. Diese Anträge kommen nicht, da die Antragsteller eine 60%ige
Eigenfinanzierung nachweisen müssen. Diese Hürde ist zu hoch.
({8})
In der Landwirtschaft ist die Politik der Regierung geradezu kontraproduktiv. Im Unterausschuß Treuhand hörten wir gestern wieder: Die im Auftrag der Bundesregierung agierende Treuhand hat bis jetzt nur wenige langfristige Pachtverträge abgeschlossen. Das ist geradezu ein Skandal.
({9})
Die Bestellungen für die Ernte 1993 laufen. Aber die Pachtverträge der Treuhand kommen später. Man rechnet bei uns in Mecklenburg-Vorpommern mit Unternehmenszusammenbrüchen, nur weil die Regierung durch Nichthandeln Lösungen verhindert hat.
({10})
In den Zeitungen in Mecklenburg-Vorpommern kann man lesen - ich hätte gern, daß die CDU-Kollegen zuhören -, daß der CDU-Landwirtschaftsminister aus Schwerin und sein Staatssekretär immer wieder diesbezügliche Forderungen aufstellen, weil sie ebenso wie ich der Überzeugung sind, daß langfristige Pachtverträge eine Lebensfrage für ostdeutsche Unternehmen sind. Die CDU-Kollegen aus dem Bundestag zeigen diesen Schweriner Kollegen leider die kalte Schulter.
({11})
- Warum werden die Verträge dann nicht abgeschlossen? Handeln Sie!
({12})
Dies kann bei uns keiner nachvollziehen und treibt die Wut in unseren Dörfern in die Nähe der Schrekkenswelle, die zu den Rostocker Ereignissen geführt hat.
In der Landwirtschaft in den neuen Ländern wird einseitig eine Gruppe bevorzugt. Das Wiedereinrichtungsprogramm ist in Gefahr, zu einem Wiedergutmachungsprogramm für die Alteigentümer zu verkommen. Draußen vor bleiben die, die zur Zeit der DDR in der Landwirtschaft gearbeitet haben und jetzt dort weitermachen wollen. Sie haben aber keine Chance, weil sie aus den bekannten Gründen zu DDR-Zeiten keine landwirtschaftliche Nutzfläche erwerben konnten. Das Ganze geschieht am Parlament vorbei.
Gestern hat Staatssekretär Grünewald im Unterausschuß Treuhand erklärt, daß die Entschädigungsregelung mit dem Wiedereinrichtungsprogramm im Herbst in den Bundestag kommt. Werden Sie dann, meine Damen und Herren aus der Koalition, bereit sein, den einheimischen Landwirten gleichwertige Chancen zu bieten? Dazu gehört auch, daß die Entschuldungsfrage in der Landwirtschaft endlich angefaßt wird. Und der Bundesfinanzminister? - Aha, er ist sogar da.
({13})
- Entschuldigung, ich ziehe das zurück. Herr Bundesminister, Sie haben den Landwirtschaftsministern der neuen Länder eine Überprüfung der Besserungsscheinregelung zugesagt. Wann kommt diese Antwort? Wer diese Zinsen - über 9 % - den Bauern aufbürdet, sagt ihnen, daß sie den Beruf wechseln sollen.
Im Umstrukturierungsprozeß ist es wichtig, daß Entscheidungen durchschaubar gemacht werden. Wenn die Entscheidungen der Treuhand zum Ziel haben, Aktivitäten auszulösen, müssen sie für Geschäftsleitung, Betriebsrat und Belegschaft nachvollziehbar sein. Es geht dabei nicht um jede Einzelheit, aber es muß für die Betroffenen erkennbar sein, daß die Entscheidungen an der Erhaltung von Arbeitsplätzen und an der Zukunft der Region, aber nicht am Gewinnstreben von einzelnen ausgerichtet sind.
Im Sommer bin ich in einem Chemnitzer Unternehmen, der Germania, zufällig in eine Situation geraten, die das falsche Herangehen mancher Mitarbeiter der Treuhand zeigt. In diesem Betrieb waren nach Aussagen eines Vertreters der Chemnitzer Treuhand die Privatisierungsverhandlungen zu einem positiven Ende geführt worden. Die Berliner Treuhand war anderer Auffassung und genehmigte den Verkauf nicht. Die zuständigen Mitarbeiter der Berliner Treuhand hielten es aber nicht für notwendig, diese Entscheidung zu erläutern. In Chemnitz mußte der Eindruck entstehen, daß hinter der Berliner Entscheidung ganz andere Interessen standen.
Diese falsche Informationspolitik der Treuhand ist für den Erneuerungsprozeß zerstörerisch. Auch eine richtige Entscheidung kann dadurch unwirksam gemacht werden. In der DDR haben wir es 40 Jahre erlebt, daß die Herren in einer Zentrale immer die nach ihrer Meinung für die Bevölkerung richtigen Entscheidungen getroffen haben. Sie fürchteten sich vor dem Sachverstand vieler, weil sie ihm nicht gewachsen waren. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.
Ein wichtiger weiterer Baustein für die Gestaltung der inneren Einheit ist eine funktionierende Verwaltungsstruktur in den Kommunen. Hier sind wir noch lange nicht am Ziel. Dies muß noch stärker als unsere politische Aufgabe erkannt werden. Ohne funktionierende Verwaltungen in den Gemeinden und Kreisen wird die Angleichung der Lebensverhältnisse nicht bezahlbar sein.
({14})
Es wird ein Faß ohne Boden. An die Spitze der Kommune gehören in der Regel schon länger dort wohnende.
({15})
Wir brauchen aber auch hier eine gute Zusammenarbeit von Ost- und Westdeutschen. Der Druck ist so groß, daß man bei der Arbeit lernen muß. Dies ist nur
möglich, wenn Sachverstand vorhanden ist. Guter Wille allein ist zu wenig. In den kommunalen Verwaltungen geht vieles noch zu langsam. Das Arbeitsmaß ist nicht selten so erdrückend, daß Menschen zusammenbrechen.
Allen Mitarbeitern aus Ost und West, die in den Kommunen der neuen Länder tätig sind, gilt mein großer Respekt. Aber wir müssen hier noch weitere Schritte machen. Die Arbeit in den Kommunen ist in den neuen Ländern in der Regel nicht attraktiv und anlockend. Es gibt viele objektive Schwierigkeiten, die Kommunalpolitiker nicht allein beseitigen können.
Bei den Vermögensämtern ist der Stellenwert der kommunalen Aktivitäten für den Aufschwung Ost nicht immer gegenwärtig. Die Stadt Wolgast bemüht sich z. B. seit Monaten um ein ehemaliges NVA-Gelände. Es soll als Gewerbegebiet genutzt werden. Immer wieder treten Verzögerungen auf. Solche Entscheidungen müssen Vorrang haben. Oberbehörden müssen den Kommunen manchmal mehr Vertrauen schenken.
Vor den Kommunen und Kreisen steht noch die Gebietsreform in den neuen Ländern. Dies bringt viel Unruhe und Störungen in die tägliche Arbeit. Diesen kann man aber nicht ausweichen. Die Gebietsreform muß möglichst schnell vollzogen werden. Optimal wäre es, wenn sehr schnell danach die Kommunalwahlen durchgeführt werden; denn dann kann die Arbeit in den für die nächsten Jahre gültigen Strukturen durchgeführt werden. An dieser Stelle sollten wir auf Parteipolitik verzichten.
Wir können uns in den Kommunen keinen Stillstand leisten. Dazu kommt, daß alle Parteien in den ländlichen Gemeinden Schwierigkeiten haben, genügend gute Leute zu mobiliseren. Wer den Aufschwung Ost und nicht nur den Wahlsieg seiner Partei will, sollte sich jetzt schon Gedanken darüber machen, wie kompetente Bürgerinnen und Bürger für die kommunale Arbeit gewonnen werden können.
Für die Kommunalwahlen könnte ich mir besonders in den ländlichen Gemeinden parteiübergreifende Bürgerbündnisse vorstellen. Vielleicht gelingt es so, aus der Parteienverdrossenheit keine Politikverdrossenheit werden zu lassen. Wir müssen alles tun, damit die Kraft der Kommunen gestärkt wird; denn sie sind ein Schlüssel für den Erfolg bei der Gestaltung der inneren Einheit.
({16})
Die Arbeit der Kommunen beeinflußt die Höhe der Kosten. Einen sichtbaren Schritt voran hat es 1991 mit der unbürokratischen Ausreichung der Investitionspauschale in Höhe von 5 Milliarden DM gegeben. Eine weitere leicht zu handhabende Investitionspauschale könnte nach meiner Überzeugung wichtige psychologische Hürden nehmen und Initiativen auslösen. Sie sollte zweckgebunden sein, z. B. für die Modernisierung von Berufsschulen.
Dazu muß leider immer wieder gesagt werden: Die Eigentumsfragen müssen schneller gelöst werden. Noch immer wird vieles blockiert. Die zuständigen
Ämter müssen in strukturpolitische Entscheidungen eingebunden werden. Es darf nicht sein, daß ein Meistbietender den strukturellen Überlegungen der Kommune im Wege steht. Die Entscheidungen zu Eigentumsfragen müssen offensiver zugunsten von Investitionen mit dem Ziel der Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen getroffen werden.
({17})
Um einen Aufschwung Ost zu erreichen, muß produzierendes Gewerbe erhalten und, wo es nicht mehr vorhanden ist, neu angesiedelt werden.
({18})
Die Kommunen brauchen die Steuereinnahmen von ansässigen Gewerbebetrieben, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und um attraktive Angebote für Einwohner und Gäste zu bieten. Das Niveau der industriellen Produktion ist seit der Wirtschafts- und Währungsunion um fast zwei Drittel gesunken. Der ostdeutsche Markt scheint als Absatzmarkt attraktiv zu sein, aber nicht als Standort für industrielle Produktionskapazitäten. Hier ist es ebenso wie bei den großen Strukturveränderungen in den westlichen Bundesländern notwendig, aktive Strukturpolitik zu betreiben.
Die Erfahrung im Westen ist, daß man durch Wirtschaftsförderung vor allem die Sicherung von Arbeitsplätzen erreicht, nicht so sehr die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Flächenangebote auf unendlich vielen Gewerbegebieten in den neuen Ländern sind keine Gewähr für die Ansiedlung von produktivem Gewerbe.
Es ist gut, daß die Treuhand sich auf den Weg der Sanierung von Unternehmen vor der Privatisierung begeben hat. Ob die Management-KGs dafür ein brauchbarer Weg sind, werden wir im Treuhandunterausschuß diskutieren.
In Neugersdorf in der Oberlausitz habe ich mir unter diesem Gesichtspunkt die Lautex GmbH angesehen. Die anlaufenden Sanierungsvorhaben machten einen guten Eindruck. Aber letztlich kommt die Erkenntnis des Finanzministeriums und seiner Treuhand sehr, sehr spät. Die Textilindustrie in der Oberlausitz ist von 14 300 Arbeitsplätzen auf 622 geschrumpft. Hier ist eindeutig die Schmerzgrenze überschritten. Das gleiche gilt für den Maschinenbau in Chemnitz. Hierüber werden wir in diesem Hause noch ausführlicher reden müssen.
Ich gehöre zu denen, die das Ende der DDR wollten und es mit bewirkt haben. Ich wollte die Einheit Deutschlands und werde an der Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin aktiv mitwirken. Es ist ein langer Weg bis zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands. Aber sie ist eine Chance für uns alle, die wir nicht wegwerfen dürfen. Durch die vorhandenen und nicht wegzudiskutierenden Schwierigkeiten dürfen wir uns nicht abschrekken lassen.
({19})
Nicht alles ist gut, was wir unter der Überschrift „Demokratie und soziale Marktwirtschaft" in der Bundesrepublik Deutschland vorgefunden haben. Es liegt mit an uns, mehr daraus zu machen. Ein Zurück zum System der DDR gibt es für mich nicht. Das ist keine Alternative für die Zukunft. Wir brauchen für die Neuordnung in den neuen Ländern einen langen Atem. Wir müssen uns zusammenfinden und gemeinsam an dieser Aufgabe arbeiten. Dann, denke ich, kann es gelingen.
Danke.
({20})
Ich erteile dem Abgeordneten Schmitz ({0}) das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, diese Rede hat sich wohltuend von dem abgehoben, was Ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Matthäus-Maier hier geboten hat.
({0})
Ich muß sagen, es ist eine wohltuende Rede gewesen, und ich kann nahtlos anschließen.
Frau Minister Fugmann-Heesing, man muß ja gut zuhören, wenn Finanzminister aus SPD-regierten Bundesländern sprechen.
({1})
Aber ein reiches Land wie Hessen sollte eigentlich Obacht geben, ob es sich an dieser Solidarität beteiligt oder nicht. Denn wenn wir darüber reden, ob Sie bereit sind, wenigstens die einigungsbedingten Steuermehreinnahmen zur Verfügung zu stellen, könnten Sie, glaube ich, an Ihrer Staatsgrenze zu den Bürgern der jungen Bundesländer Schwierigkeiten bekommen.
Deswegen verstehe ich Ihre Einlassungen so, daß Sie vielleicht vorsorglich etwas abwimmeln oder vorsorglich erklären wollten, daß Sie zwar nicht ganz bereit seien, das zu machen, aber immerhin. Und deswegen lasse ich das einmal so stehen. Ich denke, irgendwo sind Sie in die Solidarität eingebunden, und Sie werden sich nicht herausstehlen können. Darauf können Sie sich verlassen.
({2})
Meine Damen und Herren, der Entwurf des Bundeshaushalts 1993 trägt sowohl dem Eckwertebeschluß der Koalition als auch der politischen Priorität des Aufbaus von Wirtschaft, Verwaltung und Infrastruktur in den neuen Bundesländern Rechnung. Die Aufwendungen des Bundes für die jungen Bundesländer
- das ist so eben noch einmal gesagt worden - steigen 1993 um 7 % auf 92 Milliarden DM.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen: Seit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs hat es nicht den geringsten Anlaß gegeben, die darin enthaltenen Daten in Frage zu stellen. Deswegen ist die Forderung aus den Reihen der SPD
- und das war ja in der letzten Woche kaum mit
anzusehen -, diese Haushaltsdebatte zu verschieben, für meine Begriffe nichts anderes als eine politische Luftblase. Man sollte dieses Spielchen deshalb eigentlich unterlassen. Das ist nichts sehr Aufregendes gewesen.
Für uns jedenfalls ist neben dem weiteren Aufbau von Wirtschaft, Verwaltung und Infrastruktur in den jungen Bundesländern gleichzeitig die Fortsetzung des finanzpolitischen Konsolidierungskurses zwingend erforderlich. Diese beiden Gesichtspunkte sind nach unserer Überzeugung wichtig. Deshalb steigen die Ausgaben des Bundeshaushalts bis 1996 nur um durchschnittlich 2,3 % jährlich. Das entspricht dem Eckwertebeschluß der Koalition vom 30. Juni, der nach wie vor richtungweisend ist. So kann die Nettokreditaufnahme bis 1996 voraussichtlich auf deutlich unter 25 Milliarden DM zurückgefahren werden.
({3})
- Meine Damen und Herren, seien Sie vorsichtig! Wenn Sie sich das einmal genau vor Augen führen und wenn Sie dann die Kritik so ansetzen, wie das gemacht worden ist, dann kann ich Ihnen nicht ersparen, Sie darauf hinzuweisen, daß die Regierungen Brandt und Schmidt kein einziges Mal eine so niedrige Steigerungsrate erreicht haben. Sie waren immer darüber.
({4})
- Langsam, langsam; das hat mit Schattenhaushalten überhaupt nichts zu tun!
({5})
- Herr Kollege Wieczorek, die sind von Ihnen genauso behandelt worden wie von uns!
Als 1982 der Finanzminister Stoltenberg auf Grund der Finanzlage gezwungen war, einen Haushalt ohne Steigerungsrate vorzulegen, ist ihm, auch von Frau Matthäus-Maier vorgeworfen worden - hören Sie gut zu -, er spare alles tot.
({6})
Mit diesen Argumenten ist damals gearbeitet worden. Deswegen, meine ich, sollten wir uns der Realität stellen. Der hier vorgelege Haushalt ist solide finanziert.
({7})
Wer aber die Herausforderung der Herstellung annähernd gleicher wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen in ganz Deutschland annehmen will, der muß wissen, daß diese Solidarität, die dann eingefordert wird, Geduld bei allen verlangt.
({8})
bei denjenigen, die glauben, daß allzu schnell die gleichen Lebensverhältnisse hergestellt werden können, aber auch bei denjenigen, die die Belastungen fürchten. Hier ist Geduld von uns allen verlangt.
Hans Peter Schmitz ({9})
Lassen Sie mich aber auch hinzufügen: Die Situation ist falsch eingeschätzt worden - von allen. Hat Ministerpräsident Modrow damals das Volksvermögen der ehemaligen DDR noch mit weit über 1 Billion Ostmark beziffert, so wissen wir heute, daß es in der Substanz verbraucht war. Ferner kennen wir das schlimme Ausmaß der Umweltzerstörung durch die SED-Machthaber. Sie haben die ursprünglich vorhandene Vermögenssubstanz ruiniert.
({10})
- Ich denke, das ist unbestreitbar, Herr Kollege Walther. - Was sie betrieben haben - ich sage dies, da ich weiß, daß ein Kollege der PDS nach mir sprechen wird -, ist nichts anderes als betrügerischer Staatsbankrott.
({11})
Zudem haben wir miterleben müssen - auch das wird meistens geleugnet -, wie die Märkte in Osteuropa zusammengebrochen sind. Vor diesem Hintergrund und auf Grund der vorsätzlichen Täuschung durch die SED-Machthaber sind Fehleinschätzungen von namhaften Experten über das Ausmaß der Zerstörung von Volkswirtschaft und Umwelt sowie die Dauer und die Kosten des Wiederaufbaus nicht zu vermeiden gewesen.
({12})
- Herr Kollege Vosen, wenn Sie als Bürgermeister der Stadt Düren alles wissen,
({13})
dann sind Sie ein bewundernswerter Mann, muß ich sagen.
({14})
Aus allen Kommentaren, die ich lese, weiß ich, daß auch der Bürgermeister von Düren nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit hat, und darf feststellen: Auch Sie können nicht alles wissen.
Wir wissen, daß der Wohlstand nicht vom Himmel fällt.
({15})
Wir wissen auch, daß sich dieser Wohlstand über vier Jahrzehnte in Westdeutschland entwickelt hat. Darum ist es richtig zu sagen, daß die Rahmenbedingungen, die wir in den jungen Bundesländern vorgefunden haben, zu der Erkenntnis führen müssen, daß wir gegenseitig Geduld und Verständnis brauchen.
Als die Sozialdemokraten Ende der 60er Jahre die Regierungsverantwortung federführend übernahmen
({16})
und nach 13 Jahren abtraten, hatten wir die schwerste Wirtschaftskrise und die größte Staatsverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
({17})
Um jeder Legendenbildung bezüglich der Staatsverschuldung vorzubeugen: Frau Matthäus-Maier, Sie
machen immer dasselbe Spiel. Sie rechnen quer über alle Körperschaften die Staatsschulden zusammen und sagen dann, Theo Waigel sei schuld. So machen Sie das.
({18})
- Ja, doch. Diesen Eindruck erwecken Sie.
({19})
Deswegen kann ich nur sagen - es ist interessant, wenn man das Spiel einmal betreibt -: Am 1. Oktober 1982 übernahmen wir 308 Milliarden DM Bundesschuld.
({20})
- Ich kann es Ihnen nicht ersparen; Sie wissen es ja schon. - Wir würden heute mit Sicherheit ohne Belastung dastehen, wenn wir alleine die Zinsen in Rechnung stellen, wie auch Sie das soeben gemacht haben. Wir kennen das. Wir sollten also bei der Aufrechnung etwas ehrlicher miteinander umgehen.
({21})
- Verehrteste Frau Kollegin, wir sind diejenigen gewesen, die gesagt haben: Wir stellen den Gewinn bis zu einer Höhe von 7 Milliarden DM in den entsprechenden Haushalt ein. Der Rest muß zur Schuldentilgung verwandt werden. Wir waren die ersten, die das gesagt haben.
Herr Abgeordneter, Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche.
Bei aller Freude und Spaß, den ich an gewissen Zwischenrufen habe, bitte ich Sie doch, sich so zu verhalten, wie sich das der Bürgermeister von Düren in seiner Stadtversammlung wünscht.
({0})
Deswegen bitte ich Sie, sich ein bißchen mehr zurückzuhalten.
({1})
Sehen Sie, Herr Präsident, so hat das doch etwas Gutes an sich.
Ohne die Rückkehr zu einer sparsamen Haushaltsund Finanzpolitik seit 1982 durch die Union wären die großen Aufgaben, vor denen wir heute stehen, nicht zu bewältigen gewesen und nicht zu bewältigen. Das ist unbestritten.
({0})
- Das ist keine Selbstgerechtigkeit; das wissen Sie auch.
({1})
Hans Peter Schmitz ({2})
Deswegen, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen mit Verlaub sagen: Wenn es darum geht, gemeinsam die Probleme zu bewältigen, vor denen wir stehen, dann hilft es nichts, daß wir uns gegenseitig die Schuld zuschieben.
({3})
Wir müssen vielmehr dazu kommen, daß die Zahlen, die vorgelegt worden sind, daraufhin abgeklopft werden, inwieweit Bund, Länder und Gemeinden in der Lage sind, die 3 %, die der Bund vorgegeben hat, einzuhalten, damit wir Freiräume bekommen, um die Finanzierung der deutschen Einheit auf sichere Füße zu stellen.
({4})
Deswegen kann es nicht angehen, daß wir die Abtragung der Schulden, die jetzt angewachsen sind - die Zahlen sind genannt worden; ich brauche sie nicht mehr zu nennen -, ausschließlich dem Bund zu überlassen.
({5})
Da sind die Länder und auch die Gemeinden mit gefordert.
Wir haben ein ehrgeiziges Ziel. Der Finanzplanungsrat - Frau Kollegin Fugmann-Heesing, Sie waren als Finanzministerin dabei - hat dieses Ziel vorgegeben. Deswegen habe ich die freundliche Bitte, einmal nachzuschauen, ob das, was in den Städten und Gemeinden gemacht wird, alles notwendig ist.
({6})
Auf der einen Seite Straßenneubau und auf der anderen Seite Rückbau von Straßen durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen - ich finde, das ist keine gute Politik. Das Geld könnten wir gut in den neuen Bundesländern brauchen.
Die Union hat deshalb einen Solidarpakt vorgeschlagen, der begrenzte Lohnsteigerungen in Ost und West und flexible Arbeitszeiten zum Inhalt hat. Gleichzeitig sind wir bereit, auch bei der Finanzierung der deutschen Einheit einen Weg des Kompromisses zu gehen. Nur, eines geht nicht: daß die Transferleistungen ausschließlich aus dem Bundeshaushalt kommen und sich die Länder abseits stellen und nicht bereit sind mitzumachen.
({7})
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen. Wir haben im Bundeshaushalt Sorge dafür zu tragen - deswegen, meine ich, haben wir diesen Pakt vorgeschlagen -, daß wir wieder dazu kommen, daß die Bundesbank handlungsfähig wird. Denn eines ist sicher - ich denke, auch darüber sind wir uns im klaren -: Eine Zinssenkung von 1 oder 2 % sind das beste Konjunkturprogramm, das wir haben können.
({8})
Deshalb kann ich Sie nur einladen, daran mitzuarbeiten, daß der Standort Deutschland im gemeinsamen europäischen Markt wieder entsprechend konkurrenzfähig wird. Ich finde es richtig, daß der Bundesminister der Finanzen heute vorgeschlagen hat, eine entsprechende Initiative zur zweiten Stufe der Unternehmensteuerreform zu ergreifen. Dies setzt uns in die Lage, auch in der Konkurrenz zum Ausland bestehen zu können;
({9})
denn die Herausforderungen des Binnenmarktes sind nicht zu unterschätzen.
Daß dieser Weg, den wir alle in den nächsten Jahren gemeinsam gehen müssen, nicht einfach ist, ist allgemein bekannt.
({10})
Es mag verführerisch und allzu simpel sein, meine Damen und Herren von der SPD, für sämtliche Schwierigkeiten auf diesem Weg die Bundesregierung verantwortlich zu machen,
({11})
wie es gerade Sie, Frau Matthäus-Maier, gemacht haben.
Ich bin der Meinung, es ist Zeit, daß Sie sich erklären, inwieweit Sie bereit sind, parteipolitisches Taktieren aufzugeben. Sie müssen sich im Bundesrat, wo Sie die Mehrheit haben, der Verantwortung stellen und dieser Verantwortung gerecht werden. Von Ihnen als Oppositionspartei im Bundestag erwarte ich nicht nur ausschließlich Kritik. Ich lade Sie vielmehr herzlich ein, mit konstruktiven Vorschlägen an der Gestaltung der inneren Einheit, aber auch an der sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Einheit, beizutragen.
Herzlichen Dank.
({12})
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Briefs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf für 1993 und die mittelfristige Finanzplanung bis 1996 legen in geballter Form die wirtschaftlichen Strukturprobleme des neuen Deutschlands offen. Die Debatte um die Investitionszwangsanleihe und um den sogenannten Solidarpakt zielt jedoch nicht auf die wirklichen Ursachen der Misere im Osten. Auf diese Ursachen möchte ich lenken. Insbesondere diesen Ursachen muß auch die Haushalts- und Finanzpolitik Rechnung tragen. Das tut die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung sicherlich nicht.
Als erstes ist festzuhalten - das muß man zugestehen -: Der Staat tut inzwischen einiges im Osten. Die staatlichen Infrastrukturinvestitionen betragen dort das 1,3fache der im Westen. Auch das ist freilich
angesichts des riesigen Fehlbedarfs bei weitem nicht genug.
Das Problem - und damit kommen wir zu den Ursachen - sind aber insbesondere die privaten Investitionen, vor allem die neue produktive Anlagen schaffenden Investitionen des Unternehmenssektors. Sie sind im Osten grotesk schwach ausgebildet. Hier kann insofern mit einer Zwangsanleihe bei nicht im Osten investierenden Unternehmen angesetzt werden. Das reicht jedoch nicht.
Hinzukommen muß vielmehr ein umfassendes, Nachfrage schaffendes Programm, wie es z. B. die Memo-Gruppe und auch wir schon 1991 im Umfang von 500 Milliarden DM für fünf Jahre gefordert haben. Das Hauptgewicht muß dabei auf ökologisch sinnvolle Investitionen im mittel- und geringkapitalintensiven Bereich gelegt werden, um eine entsprechend große Zahl von Unternehmen, Projekten und Beschäftigungsverhältnissen zu schaffen.
Entscheidend für die Behebung der Strukturprobleme im neuen Deutschland ist die Veränderung des Investitionsverhaltens der Unternehmen. Hieran ist auch die Haushalts- und Finanzpolitik zu messen. Die von heute auf morgen realisierte Wirtschafts- und Währungsunion 1990 fiel nämlich mit erheblichen Überkapazitäten in großenteils hochmodernen Produktionsanlagen im Westen zusammen. Diese wurden zunächst mit der zusätzlichen Nachfrage aus dem Osten ausgelastet.
Als sich die Vollauslastung abzeichnete, wurden erhebliche zusätzliche Ausrüstungsinvestitionen getätigt, allerdings fast ausnahmslos im Westen. Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen 1990 um 14,5 %, im ersten Vierteljahr 1991 um 17,4 %, im zweiten und dritten Vierteljahr um jeweils 18 % und 13,5 %. Seither schwächt sich allerdings das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen wieder ab, weil eben ein entsprechender zusätzlicher Produktionsapparat geschaffen ist.
Konsequenz: An diesem Prozeß muß angesetzt werden. Warum nutzt die Bundesregierung - das ist vielleicht der entscheidende Punkt in dieser Situation - nicht ihre guten Kontakte und Verbindungen zur Industrie und zur sonstigen Wirtschaft, um in einer konzertierten Aktion die Schaffung von Arbeitsplätzen im Osten Deutschlands durch erhebliche Aufstokkung der privaten Investitionen zu erreichen? Warum diese flaue Zwangs- und dann doch wieder NichtZwangsanleihe-Debatte? Warum nicht mit Zuckerbrot und Peitsche das Investitionsverhalten der Unternehmen zugunsten von Arbeitsplätzen im Osten verändern?
54 Milliarden DM Staatsinvestitionen für 1992 stehen nur 32 Milliarden DM private Investitionen im Osten gegenüber. Das ist einfach ein Fakt. 1991 wurde dagegen in Deutschland insgesamt vom Staat 60,4 Milliarden DM investiert, von der Privatwirtschaft dagegen 560,4 Milliarden DM. Beim Investitionsverhalten der Privatwirtschaft muß deshalb auch angesetzt werden.
Im Westen entfallen 90 % der Investitionen auf die Wirtschaft, im Osten nur 40 %. An all dem bewegen
sich die Debatte hier und die Politik der Bundesregierung vorbei.
Daß die weitergehende Verschuldungsorgie dieser Bundesregierung - Herr Schmitz, wir landen bei der Staatsverschuldung von jetzt etwa 46 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 1996 bei etwa 66 %, wenn Sie so weitermachen - den notwendigen Umlenkungsprozeß der Unternehmensinvestitionen über die Kapitalmarkteffekte und über das Hochdrücken der internen Verzinsung in den Unternehmen beeinträchtigt, sei hier nur angemerkt.
Angesichts der rasant steigenden Kapitalintensität - 1970 kostete ein Arbeitsplatz 51 000 DM, 1992 bereits über 230 000 DM -, angesichts der mit moderner Technik unvermeidlichen Verteuerung der Arbeitsplätze treten übrigens auch die Personalkosten in den Hintergrund. Der Anteil - Frau Albowitz, das müssen Sie sich einmal klarmachen - der Löhne am Industrieumsatz betrug im Ernährungsgewerbe 1987 lediglich 11 %, heute ist er noch etwas niedriger. In der Automobilindustrie waren es nur 17 %, in der Chemie 19 %, in der Stahlindustrie 21 %, in der Elektrotechnik 27 %, im Maschinenbau 29 %.
Der Fixkostenanteil - das ist die entscheidende Größe - bei Investitionsgütern betrug in den 70er Jahren 39 %, in den 80er Jahren 43 %, in den 90er Jahren bislang 48 %. Da sind wir beim Kernproblem. Er steigt gerade gegenwärtig mit neuen Techniken rasant weiter an. Das große Problem sind heute in den modernen Betrieben z. B. Gemeinkostenverrechnungssätze - aufgeschlagen auf den Lohnsatz - von 1 000 % und mehr.
Die Finanzpolitik der Bundesregierung, die Anleihediskussion und das Sozialpaktprojekt, von dem jetzt geredet wird, gehen an diesen Gegebenheiten vorbei. Sie können kein Ersatz für eine fehlende Industrie- und gezielte Branchen- und Regionalstrukturpolitik zur Veränderung des unternehmerischen Investitionsverhaltens sein.
Doch noch eine andere Schlußfolgerung ist notwendig. Aus ebendiesen Gründen kann es auch eine Aufholjagd des Ostens zur Erlangung der gleichen Wirtschafts- und Produktionsstruktur wie im Westen nicht geben. Sie ist aussichtslos, und zwar wegen der hochmodernen Überkapazitäten im Westen und wegen der hohen Arbeitsplatzkosten.
Was her muß, ist ein eigenes ökologisch und sozial geprägtes Wirtschafts- und Produktionskonzept, ein eigenes Konzept für den Osten und eine entsprechende, darauf abgestimmte Finanz- und Haushaltspolitik. Vielleicht müssen wir uns darauf einrichten, daß auf Dauer eine erhebliche Disparität zwischen Ost und West bestehen bleibt.
Warum soll in Deutschland nicht im Westen - da ist es ja eh der Fall - mit Hektik, Druck, mit moderner Technik und allen Schikanen, allerdings mit vergleichsweise auch etwas geringerer Lebensqualität gearbeitet werden, während im Osten weniger hart gearbeitet wird, dafür aber in einer gesunderen, von Anfang an ökologisch verträglich gemachten Wirtschafts- und Produktionswelt besser gelebt wird?
({0})
Warum soll der Informatikabsolvent aus Bremen nicht die Wahl zwischen einem Job mit hohem Einkommen und Streß in Düsseldorf und einem Job mit geringerem Einkommen und einem viel freundlicheren natürlichen Umfeld und einer entsprechenden Umwelt etwa in Greifswald haben?
({1})
- Na, Herr Glos, lügen Sie sich da nichts in die Tasche. Ich glaube, daß wir da an einer entscheidenden Frage sind.
Natürlich heißt das, daß der Westen auf Dauer im Rahmen des Länderfinanzausgleichs erhebliche Transferleistungen für den Osten zu erbringen haben wird.
Ein solches Grundkonzept vermissen wir, die ökologisch und sozial orientierte Linke, in der Anleihe- und Sozialpaktdiskussion, die jetzt stattfindet.
({2})
Der derzeitige Haushaltsentwurf und die Finanzpolitik der Bundesregierung sehen leider in dieser Richtung keine Ansätze vor.
Letzte Anmerkung: Allerdings müssen dazu auch die Bürgerinnen und Bürger im Osten etwas tun. Der Mob, der in Rostock nächtelang Brandsätzen auf Kinder, Frauen und Männer, die aus Not in dieses Land gekommen sind, applaudiert hat, hat damit einige Tausend Arbeitsplätze weggeklatscht. Man kann sich leicht vorstellen - und das ist nicht zu mißbilligen -, welchen Effekt bei geplanten Investitionen französischer, niederländischer oder amerikanischer Kapitalgruppen entsprechende Vorbehalte in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten haben.
Irgendwann werden es auch die westdeutschen Automobilbauer spüren. Für meine Freunde in Paris ist es geradezu schick, deutsche Wagen zu fahren. Wenn es mit den Pogromen in Deutschland so weitergeht, wird es bald verpönt sein, deutsche Waren im Ausland zu kaufen.
Die deutschen Politiker, die mit ihrer Asylrechtsbeschneidungspolitik dem rechten Mob in Rostock,
Cottbus, Eisenhüttenstadt, Düsseldorf und anderswo in Deutschland nachzugeben bereit sind, gefährden auch den international erfolgreichen Industriestandort Deutschland. Die Politik der neudeutschen Rechten ist nicht nur unmenschlich, sie ist auch ökonomisch verhängnisvoll.
Ich danke.
({3})
Nunmehr hat das Wort der Abgeordnete Dr. Dietmar Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verzichte auf meinen Diskussionsbeitrag, der mir noch für zehn Minuten zusteht. Ich halte es der Sache nicht angemessen, zu solch einem wichtigen Thema wie dem-Haushalts- und Finanzplan 1993 vor 15 Abgeordneten zu sprechen.
Das spricht nicht gegen Sie, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen, daß Sie diszipliniert gewesen, dagewesen sind. Es spricht auch nicht gegen die Gäste, die auf unserer Tribüne sind. Ich habe es nur nicht nötig, mich selbst darzustellen.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, kann ich nunmehr die Sitzung schließen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 9. September 1992, 9 Uhr ein und wünsche den Damen und Herren einen erholsamen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.