Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen! Ich eröffne nach einer kurzen Nacht die 100. Sitzung des 12. Deutschen Bundestages.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Kündigung des ILO-Abkommens 96: Privatisierung der Arbeitsvermittlung
Diese Aktuelle Stunde hat die Fraktion der SPD verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat der Abgeordnete Heyenn das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Guten Morgen! Die Koalition hat sich darauf geeinigt, das ILO-Abkommen 96 zu kündigen. Das Kabinett will diese Entscheidung am kommenden Mittwoch nachvollziehen.
Es geht dabei nicht um die Beseitigung irgendeines Monopols, sondern um die rechtliche Vorbereitung des nächsten oder übernächsten Schritts zur Deregulierung, das heißt auf deutsch und im Klartext: zur Zerschlagung zentraler Einrichtungen unseres Sozialstaats.
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Nächster oder übernächster Schritt deshalb, weil bei dem Tempo, mit dem sich diese Bundesregierung jetzt daranmacht, Institutionen und Regeln, die zu den Eckpfeilern der sozialen Marktwirtschaft und zu den Garanten des sozialen Friedens gehören, abzuschaffen, niemand mehr folgen kann.
Nur ein Beispiel: Da hat man erstaunt und erschrokken zur Kenntnis zu nehmen, daß zukünftig Tarifverträge durch Betriebsvereinbarungen abgedungen werden und die Tarifautonomie damit ausgehöhlt werden soll. Schon wird der nächste Angriff vorbereitet: Weil es nicht ganz so einfach und auch schwierig durchzusetzen ist, daß ABM-Beschäftigte zu untertariflichen Arbeitsbedingungen und -entgelten beschäftigt werden, schreibt Herr Möllemann, der Vizekanzler,
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an den Kanzler, Herrn Kohl, am 22. Juni und schlägt ihm vor, AB-Maßnahmen durch Gemeinschaftsarbeiten zu ersetzen, möglicherweise für einen Stundenlohn von 2 DM.
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Dann interessieren überhaupt keine tarifvertraglichen Bedingungen mehr.
In dieses Konzept der umfassenden Deregulierung gehört auch die Kündigung des ILO-Abkommens 96. Diese Kündigung macht nur dann Sinn, wenn man die gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung zulassen will,
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wenn die Suche nach Arbeit, die Vermittlung in Arbeit nach dem einzelwirtschaftlichen Gewinnkalkül, nach Prinzipien der privaten Profitmaximierung erfolgen soll.
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Im Klartext: Diese Bundesregierung will offensichtlich die Arbeitssuche ebenso organisieren wie heute die Wohnungssuche organisiert ist. Wir lehnen das ab. Uns reicht das Beispiel am Wohnungsmarkt.
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Wir wollen nicht, daß wie jetzt die Menschen bei privaten Grundstücksmaklern, Wohnungsmaklern zukünftig Arbeitslose vor gebührenabzockenden Arbeitsvermittlern Schlange stehen. Wir wollen, daß Arbeit und Arbeitsplätze geschaffen werden und nicht die Arbeitslosigkeit und die Vermittlung in Arbeit ein gewinnträchtiges Geschäft werden.
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Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sicherlich das Recht, das ILO-Abkommen zu kündigen. Es ist verfassungsrechtlich eine unbefriedigende, aber abgesicherte Position. Der Bundestag muß ein ILO-Abkommen ratifizieren, aber kündigen kann es die Bundesregierung allein.
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Wir bedauern, daß die Bundesregierung nicht dennoch - und dazu hätte sie die Möglichkeit gehabt - das Parlament befragt hat. Das Parlament hätte sich, wie ich meine, dazu eine Meinung bilden sollen.
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Danach hätte die Bundesregierung anfangen können zu denken. Sie hat hier nicht gedacht.
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Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
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Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Louven.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der kurzen Nacht, Herr Kollege Heyenn, haben Sie sich heute morgen hier schon sehr kampfeslustig gezeigt. Wenn man Ihnen Glauben schenken darf, stehen wir ja unmittelbar vor der Zerschlagung des Sozialstaats Deutschland.
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Ich will versuchen, Ihnen in aller Ruhe zu schildern, was wir wollen.
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Wir wollen mehr Bewegung, mehr Flexibilität in die Arbeitsvermittlung bringen. Wir wollen durch eine Weiterentwicklung der Vermittlung zu einer höheren Effizienz kommen,
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und wir wollen nicht, Herr Büttner, daß es zu Wildwestmethoden auf dem Arbeitsmarkt kommt, und erst recht wollen wir nicht, daß die Bundesanstalt am Ende nur noch für Problemfälle zuständig bleibt.
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Wir wollen auch nicht, daß Vermittler zu Lasten des Mittelstands ihr Abwerbehandwerk betreiben.
Deshalb hier die eindeutige Aussage, daß wir nicht daran denken, eine auf Gewinn orientierte Vermittlung zuzulassen.
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Sosehr wir die Anstrengungen der Bundesanstalt begrüßen, effektiver zu werden - ich erinnere hier an die Programme SIS und BIZ -, bleibt, daß sie ein immer größer werdender Moloch ist, der am Bürokratismus erstickt. Herr Büttner, hier greife ich Ihre Ausführungen von vorgestern auf.
Erreichen wollen wir unsere Ziele durch ein grundsätzliches Recht auf Zulassung zur nicht auf Gewinn gerichteten Vermittlung. Dies ist insbesondere für Kammern, Verbände und Organisationen wichtig, die dann für ihre Mitglieder tätig werden können. Gemeinsame Arbeitgeberbüros, die es heute schon für andere Dienstleistungsbereiche gibt, können dann
auch für ihre Firmen im Bereich der Arbeitsvermittlung tätig werden.
Arbeitsvermittlung für Führungskräfte ohne jede Einschränkung gab es schon bisher, jedoch fehlte ihr die Rechtsgrundlage. Schließlich wollen wir ein vereinfachtes Lizenzverfahren, keine umfassende Fachaufsicht der Bundesanstalt mehr, nur noch eine eingeschränkte Rechtsaufsicht.
Jedermann, meine Damen und Herren, darf wissen, daß es in diesen Fragen bei uns unterschiedliche Meinungen gegeben hat. Die einen, die Sozialpolitiker, glaubten, dies alles sei unterhalb der Schwelle der Kündigung des ILO-Abkommens möglich. Die anderen vertraten eine vorsorgliche Kündigung. Und dies ist eine vorsorgliche Kündigung. Wir schließen nicht aus, daß wir, wenn die von mir angesprochenen Maßnahmen greifen, dem Abkommen eines Tages wieder beitreten können.
Dies hat überhaupt nichts damit zu tun, daß wir internationale Sozialnormen verlassen. Meine Damen und Herren, ich darf aus einem Brief des DGB, unterschrieben von Frau Engelen-Kefer - und die weiß sicher, wovon sie redet -, zitieren, in dem sie an den Bundeskanzler geschrieben hat, sich für die federführend vom Bundesarbeitsminister entwickelten Positionen einzusetzen. Genau diese Positionen vertreten wir. Es kam mir darauf an, dies hier deutlich zu machen: Mit einer Zerschlagung des Sozialstaats hat dies, Herr Kollege Heyenn, nicht das geringste zu tun.
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Als nächste spricht die Kollegin Dr. Gisela Babel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer heute Herrn Heyenn aufmerksam zugehört hat, muß wieder einmal enttäuscht feststellen: Es gibt die Wiederholung des bekannten Tremolos von Sozialabbau und Ausbeutung, Abendland fast am Untergang. Mit dieser Einstellung kann man natürlich die Kündigung des ILO-Abkommens nicht richtig bewerten. Ich glaube, die Koalition hat eine richtige Entscheidung getroffen, und sie hat eine Option eröffnet. Mehr ist es ja noch nicht. Es soll auf dem Arbeitsmarkt eine sachgerechte Auflockerung des Monopols der Bundesanstalt für Arbeit geschaffen werden.
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Meine Damen und Herren, wer schon jetzt das Menetekel einer ruinierten Bundesanstalt für Arbeit oder das Ende der Transparenz auf dem Arbeitsmarkt an die Wand malt, vergißt, daß die Arbeitsverwaltung ein modernes Dienstleistungsunternehmen ist und daß sich dieser Anspruch durchaus auch mit der Bereitschaft, sich im Wettbewerb zu stellen, verträgt.
Andere Arbeitsverwaltungen, z. B. in Großbritannien, in der Schweiz, in Holland oder in Dänemark, haben diesen Weg schließlich auch beschritten
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und sind dabei gar nicht schlecht gefahren.
Weitere Länder - z. B. Schweden und Österreich - werden diesem Beispiel folgen.
Auch der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem nicht nur das Vermittlungsmonopol für Führungskräfte, sondern darüber hinaus auch für alle anderen Arbeitnehmer in Frage gestellt. Bezeichnend ist, daß die EG-Kommission darüber hinaus noch ein Vertragsverletzungsverfahren in dem gleichen Bereich eingeleitet hat.
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Dies sind alles Indizien dafür, daß eine solche Auflokkerung auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten dringend geboten ist.
Aus diesem Grund frage ich: Warum sollen sich denn nicht der mündige Bürger, der Arbeitskräftesuchende, z. B. der mittelständische Betrieb, eines privaten Vermittlers bedienen können?
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Es könnte durchaus sein, daß eine solche Arbeitsvermittlung durchaus motivierter geschähe als eine staatliche, die ja derzeit wahrlich auch nicht unter Unterbeschäftigung leidet.
Herr Kollege Louven hat schon richtig gesagt: Wir wollen keinen Wildweststil. Wir wollen auch keine Rückkehr zu unwürdigen Zuständen wie etwa zu Beginn des Jahrhunderts.
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Wir wollen eine seriöse, fachlich qualifizierte private Arbeitsvermittlung, die durchaus ihren Markt und ihre Aufgaben hat. Sie kann die Zeiten der Arbeitslosigkeit verkürzen und somit auch zu einer - vielleicht nur kleinen, aber sicher in dieser Zeit wichtigen - Entlastung der Finanzen der Bundesanstalt für Arbeit führen. Niemand - ich betone: niemand - will das staatliche Instrument der Arbeitsvermittlung abschaffen. Dies sei auch all denen gesagt, die dieses Thema benutzen, um Ängste zu schüren. Ich bin zuversichtlich, daß die Attraktivität der Bundesanstalt durch die angestrebte Umwandlung hin zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen ohne Einbußen für Arbeitslose oder Arbeitssuchende bleiben wird.
Wir werden in der Koalition nach der Sommerpause in sicherlich nicht einfachen Verhandlungen zu einem Ergebnis kommen, das Wettbewerb und den Schutz der Arbeitnehmer sowie ein hohes Leistungsniveau der Arbeitsverwaltung sichert. Ich gebe zu, es gibt unterschiedliche Auffassungen. Aber in den Augen der F.D.P. ist eine gewerbliche Arbeitsvermittlung durchaus eine Bereicherung und eine Verbesserung der heutigen Lage.
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Ohne Prophet sein zu wollen - in einigen Jahren wird uns die Opposition dafür dankbar sein, daß wir
diese nur jetzt bestehende Option wahrgenommen haben.
Ich bedanke mich.
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Als nächste Rednerin spricht die Abgeordnete Renate Rennebach.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Kündigung des ILO-Abkommens 96 durch die Bundesregierung - nebenbei bemerkt: ohne sich durch das Parlament beraten zu lassen - wird nun der Weg bereitet, ein Ergebnis der von den F.D.P.-Wirtschaftsministern erdachten Deregulierungskommission in die Tat umzusetzen.
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- Das mag ja sein.
Ziel ist die Zerschlagung des Monopols der Bundesanstalt für Arbeit. Schlagwort Nummer 1: Privatisierung der Arbeitsvermittlung.
Wir Sozialdemokraten - und das wird Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, bedauerlicherweise nicht erschüttern - warnen Sie nachdrücklich vor dem zu erwartenden Ergebnis Ihres so selbstherrlichen Tuns. So wird das Ergebnis aussehen:
Erstens. Unternehmen engagieren durch private Vermittlung olympiareife Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; jung, knackig, dynamisch und, wenn es geht, männlich mit ein wenig auch weiblichen Eigenschaften.
Zweitens. Die älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bleiben außen vor und dürfen weiterhin von der Bundesanstalt für Arbeit verwaltet werden.
Drittens. Diese Arbeitnehmerinnen werden dann von der Bundesanstalt für Arbeit an die Unternehmen vermittelt, die sich die teuer privat vermittelten Olympioniken nicht leisten können. - Ist es das, was Sie, die die freie und Soziale Marktwirtschaft so hochhalten, unter freiem Wettbewerb verstehen?
Viertens. Die Unternehmen, die sich private Vermittlung leisten können, werden bald durch ihre Freunde in der Koalition darauf hinwirken, keine Beiträge mehr an die Bundesanstalt für Arbeit zahlen zu müssen. Warum auch? - Denn sie bezahlen ja dann viel Geld dafür, daß sie die Bundesanstalt nicht mehr brauchen. Wer glaubt, daß die Vermittlung kostenneutral und ohne Gewinn passieren kann, der träumt.
Fünftens. Professor Spur vom Fraunhofer-Institut hat einmal anläßlich einer Technologiediskussion von „Restmenschen" gesprochen, die den karitativen Verbänden zur Verwaltung übergeben werden sollen.
Sechstens. Wenn Sie denn, meine sehr verehrten Koalitionsdamen und -herren, auch zu diesem Punkt „Weiter so" sagen, können wir nur sagen: Kehren Sie um in Ihrem Tun! - Denn Sie können doch nicht allen
Ernstes wollen, daß eine der ureigensten Verpflichtungen unseres demokratischen Staates, die Verbesserung der Chancen von Menschen am Arbeitsplatz, aufgegeben wird, nur damit einige private Vermittler einen Weg hin zur goldenen Nase finden. Soll die Bundesanstalt für Arbeit eine Armenhausverwaltung der Neuzeit werden? - Das alles können Sie doch nicht wollen. Aber all das werden Sie genau damit erreichen.
({1}) - Eben.
({2})
- Ich bin Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft.
Und das wollen Sie auch noch in einem Moment, wo alle Anzeichen auf eine ernst zu nehmende Krise in unserem Land hindeuten, wenn Sie auf der Regierungsbank und auch in den Fraktionen dies geflissentlich übersehen. Ich bitte Sie: Kehren Sie um, kündigen Sie das ILO-Abkommen nicht. Im Gegenteil: Verbessern Sie die Instrumente und die Organisation der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist im Moment der einzige richtige Weg.
Ich danke Ihnen.
({3})
Als nächster spricht der Kollege Matthias Wissmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es scheint sich noch nicht bis zu manchen Sozialdemokraten herumgesprochen zu haben, daß Monopole nicht mehr zeitgemäß sind und daß in ganz Europa private Arbeitsvermittlungen zunehmend eine Chance bekommen.
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In Dänemark, Großbritannien, Irland, Portugal und den Niederlanden werden private Arbeitsvermittlungen zugelassen. Selbst in Ländern wie Italien und Griechenland oder in Spanien, wo Sozialdemokraten regieren, werden private Arbeitsvermittlungsmöglichkeiten in zunehmendem Maße toleriert. Wer den europäischen Markt will, kann nicht an einem rigiden Monopol festhalten, wenn er sich den Veränderungen stellen will, denen auch wir uns im europäischen Markt stellen wollen.
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Als größter Arbeitsmarkt der Europäischen Gemeinschaft können wir es uns weder arbeitsmarkt-
noch wirtschaftspolitisch leisten, bei der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte das Schlußlicht zu bilden. Wir alle haben großen Respekt vor der Leistung vieler Mitarbeiter in der Bundesanstalt für Arbeit und in den Arbeitsämtern.
Aber wir können den Blick nicht vor der Tatsache verschließen, daß nach Untersuchungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft und vieler anderer die
Meldequote gegenwärtig noch 30 % beträgt. Wir können den Blick auch nicht davor verschließen, daß das Arbeitsvermittlungsmonopol nicht mehr in der Lage ist, die Schere zwischen Arbeitslosigkeit und offenen Stellen zu schließen.
Im Mai 1992 waren allein in den alten Bundesländern rund 1,7 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Dem standen 357 000 gemeldete offene Stellen gegenüber. Wir behaupten nicht, daß private Vermittlungen die staatliche Arbeitsvermittlung ersetzen können. Aber wir sind davon überzeugt, daß sie sie ergänzen kann. Uns geht es um eine sinnvolle Ergänzung der staatlichen Arbeitsvermittlung.
Wir wissen, die Zulassung privater Arbeitsvermittler ist kein Allheilmittel für die schwerwiegenden Strukturprobleme des Arbeitsmarkts.
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Aber wir versprechen uns Vorteile von einer Auflokkerung des Arbeitsvermittlungsmonopols. Dies kann zu folgendem führen: erstens zu einer Stärkung der Vermittlungseffizienz durch größere Kundenorientierung, zweitens zu einer Verbesserung des Leistungsangebots der Arbeitsvermittlung durch Wettbewerb privater und öffentlicher Vermittler, drittens zu einem schnelleren Arbeitsmarktausgleich und viertens möglicherweise auch zu einer Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit und der Beitragszahler.
Würde es durch eine effizientere Arbeitsvermittlung gelingen, die Dauer der Arbeitslosigkeit im Durchschnitt um nur eine Woche zu verkürzen,
({3})
hätten wir im Jahresdurchschnitt 75 000 Arbeitslose weniger.
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Dadurch würden die Kosten der Arbeitslosigkeit um mehr als 1,5 Milliarden DM gesenkt.
Das Spektrum der Möglichkeiten reicht weit. Es reicht von einer ausdrücklichen Verpflichtung der Bundesanstalt für Arbeit zur Zusammenarbeit in der Arbeitsvermittlung mit Dritten über Zugangserleichterungen bei nicht auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlungen bis hin zur Zulassung privater gewerbsmäßiger Vermittlungstätigkeit. Eine Entscheidung über die genaue Form haben wir bisher nicht getroffen. Wer aber erreichen will, daß wir im europäischen Verbund mehr Flexibilität bekommen, der muß jetzt das ILO-Abkommen kündigen.
Ich sage noch einmal: Es geht nicht um den Ersatz der Arbeitsämter. Es geht um eine sinnvolle Ergänzung. Ich fände es ganz sinnvoll, wenn manche Sozialdemokraten auch in dieser Frage ihr strukturkonservatives Denken überwinden würden.
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Es spricht jetzt die Abgeordnete Petra Bläss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorausPetra Blass
schicken, daß ich die morgendliche Debatte sehr begrüße; denn die Diskussion in den vergangenen Monaten einerseits und der drohende Kabinettsbeschluß zur Aufkündigung des ILO-Abkommens über die grundsätzliche Nichtzulassung privater, auf Gewinnabzielung orientierter Arbeitsvermittlung andererseits haben in meinen Augen große Unsicherheit geschaffen.
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage vom März 1992 schuf in meinen Augen alles andere als Klarheit, so etwa die Antwort auf unsere siebente Frage. Ich zitiere die Frage:
Wäre ein staatliches Vermittlungsmonopol nach Meinung der Bundesregierung eine marktwidrige Regulierung?
Die Antwort der Bundesregierung:
Das Alleinvermittlungsrecht der Bundesanstalt für Arbeit ist kein Vermittlungsmonopol. Die Bundesregierung sieht von der Beantwortung einer rein hypothetischen Frage ab.
({0})
Abgesehen davon, daß ich es ganz witzig finde, wie hier geantwortet wurde, besteht für mich ein Widerspruch zum offiziellen Vokabular. Ich habe mir extra einmal die Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Dienste hierzu und auch den offiziellen Sprachgebrauch angesehen. Es ist durchaus vom Begriff des Vermittlungsmonopols die Rede. Auch ein vertröstend klingender Satz wie „Es gibt keine Verordnungen oder Übereinkünfte, die die Zulassung einer privaten Arbeitsvermittlung zwingend erforderlich machen" ist für mich alles andere als beruhigend.
Die PDS/Linke Liste wendet sich entschieden dagegen, daß sich die BRD aus der internationalen Sozialnorm des ILO-Abkommens zurückzieht. Ich möchte hier vorausschicken, daß aus meiner Sicht zum einen nicht das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit die Herausforderung für die Politik darstellt, sondern die unverändert hohe Zahl von Arbeitslosen. Zum anderen bin ich der Auffassung, daß sich aus der Vollendung des europäischen Binnenmarktes keinerlei Notwendigkeit ergibt, private Arbeitsvermittlung in der BRD zuzulassen; denn ILO-Abkommen - da habe ich mich kundig gemacht - gehen nach Art. 234 des EWG-Vertrages vor. Der europäische Binnenmarkt und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - das Urteil vom April 1991, das hier immer zitiert wird, bezieht sich lediglich auf hochqualifizierte Managementfunktionen im Zusammenhang mit grenzüberschreitendem Dienstleistungsverkehr - dürfen nicht zum Vorwand genommen werden, um Sozialabbau im Bereich der öffentlichen Arbeitsvermittlung zu betreiben.
Mit Recht sprechen die Gewerkschaften davon, daß die Zulassung gewerbsmäßiger Arbeitsvermittlung einen Angriff auf den sozialen Grundkonsens darstellt, und befürchten, daß sich private Arbeitshändler an unkomplizierten Fällen eine goldene Nase verdienen. Ich denke, mit der Not der Arbeitslosen darf man keine Geschäfte machen. Nur die öffentliche Arbeitsvermittlung bietet Gewähr, daß die Notlage der Arbeitssuchenden nicht ausgenutzt wird.
({1})
Obendrein sehe ich die Gefahr, daß private Makler analog dem Wohnungsmarkt, um überhaupt Geschäfte zu machen, womöglich Fachkräfte aus bestehenden Arbeitsverhältnissen herauskaufen könnten. Ich halte die Privatisierung der Arbeitsvermittlung beileibe nicht für ein Patentrezept, denn Arbeitslosigkeit verringert man nicht auf dem Wege der Vermittlung, sondern mit Hilfe einer aktiven Wirtschafts- und Strukturpolitik.
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Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit stellte im Frühjahr zu Recht fest- ich zitiere ihn hier bewußt als Autorität -: „Uns fehlen Arbeitsplätze, die können auch private Vermittlungen nicht schaffen."
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Erwartungen, die generelle Zulassung privater gewinnorientierter Vermittlungsbüros könne über gängige arbeitsmarktpolitische Aktivitäten hinaus nennenswerte Beiträge zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme leisten, sind also unrealistisch; denn private Arbeitsvermittlung würde nichts am gravierenden Mißverhältnis zwischen der hohen Zahl der Arbeitslosen und dem geringen Stellenangebot ändern.
Für mich stehen die neuerlichen Äußerungen aus dem Kabinett schon im Widerspruch zu Antworten auf unsere kleine Anfrage, etwa zu folgender Antwort:
Die Bundesanstalt für Arbeit führt die ihr nach dem Arbeitsförderungsgesetz übertragenen Aufgaben insgesamt erfolgreich und wirksam durch.
Ich denke, die Aussage ist durchaus berechtigt, denn mit 3 Millionen Arbeitsplatzvermittlungen im vergangenen Jahr hat die Bundesanstalt fürwahr ihre Funktionsfähigkeit eindeutig unter Beweis gestellt.
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Die Einschätzung ändert natürlich nichts daran - darüber sind wir uns im Saal sicher einig -, daß die Vermittlungspraxis der Arbeitsämter verbesserungsfähig ist, daß eine nachhaltige Verbesserung der öffentlichen Arbeitsvermittlung erforderlich ist.
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Hier möchte ich bewußt die DGB-Forderungen, die in den an die Fraktionen gerichteten Briefe enthalten sind, noch einmal nennen: mehr Kundennähe, besserer Bürgerservice, größere dezentrale Handlungsspielräume der Arbeitsämter, Abbau zentralistischer Weisungen und Strukturen, bessere Qualifikation der Arbeitskräfte in den Arbeitsämtern, eine Verstärkung des Außendienstes.
Lassen Sie mich mit einem Zitat schließen, denn ich hoffe sehr, daß die Bundesregierung zu ihren im März 1992 8462
Die Zeit ist beendet.
- es ist nur ein Satz - gemachten Äußerungen steht. Sie schrieb in Beantwortung unserer Frage:
Es geht darum, Regelungen zu vermeiden, die die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit beeinträchtigen, zu finanziellen Belastungen für die Arbeitslosen führen, oder die die berufliche Integration insbesondere derjenigen Arbeitslosen erschweren
({0})
- das ist alles ein Satz -,
die wegen gesundheitlicher Einschränkungen, Behinderungen wegen ihres Alters oder auch aus anderen Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt sind.
Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Geduld.
({1})
Das spricht für die Länge deutscher Sätze.
Jetzt spricht der Abgeordnete Konrad Gilges.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissmann und Frau Babel, wie wenig glaubwürdig und wie wenig überzeugend Ihre Argumente im Hinblick auf die Absicht zu kündigen sind, hat Herr Louven hier vorgestellt; denn er hat eine andere Interpretation dessen dargestellt, was Sie denn nach der Kündigung machen wollen.
({0})
Es wäre einmal interessant, daß Sie, die Koalitionsfraktionen, uns endlich einmal mitteilen, was Sie denn nun mit der Kündigung beabsichtigen, wie der Weg aussieht.
({1})
Das heißt, Sie müssen doch einmal in der Fraktion, uns, der Öffentlichkeit - darauf haben wir Anspruch - Ihre Linie im Hinblick auf die beabsichtigte Kündigung - was heißt: private Arbeitsvermittlung - hier vor dem Deutschen Bundestag darstellen.
({2})
Was Sie machen, ist erstens natürlich ein Angriff auf das Sozialstaatsgebot unseres Grundgesetzes.
({3})
Es ist zweitens die Aufkündigung eines Grundkonsenses, der in langen Debatten zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaftlern und staatlichen Instanzen hergestellt worden ist, den Sie hier mit der Kündigung vornehmen. Die Gewerkschaften, insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund, empfinden das auch so; der Gewerkschaftsbund wird dementsprechend
reagieren. Es ist eine Kampfansage an die Gewerkschaften und an die Arbeitnehmer in dieser Republik.
({4})
Drittens. Die private gewinnorientierte Arbeitsvermittlung - wie Sie sie wollen, Herr Wissmann, Herr Louven nicht - bedeutet natürlich, daß es unter Umständen zwar eine Arbeitsvermittlung geben könnte, aber es gibt keine Arbeitsberatung, und es gibt keine Arbeitsförderung, die im AFG - es gibt ja diese Dreiteilung - festgeschrieben ist. Was ist eigentlich mit der Arbeitsberatung, und was ist mit der Arbeitsförderung? Das sollen die staatlichen Instanzen übernehmen. Die einen machen die Gewinne, und die anderen machen die ernste Arbeit, die notwendig ist, um den Arbeitslosen in diesem Lande zu helfen.
({5})
Viertens. Mich interessiert die Antwort des Herrn Blüm auf den Möllemann-Brief. Sie ist noch nicht veröffentlicht. Vielleicht kann sie der Parlamentarische Staatssekretär heute hier einmal mitteilen.
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Ich will zum nächsten Punkt kommen. Die Handwerker und der Mittelstand in der Bundesrepublik sind der Überzeugung, daß diese Regelung dazu führt, daß es in Zukunft Kopfjäger und Menschenhandel in unserer Republik gibt.
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Sie sagen das zwar etwas anders - ({8})
- Entschuldigen Sie, die Handwerker sagen doch mit Recht: Das führt doch dazu, daß die qualifizierten Arbeitskräfte
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insbesondere im technischen Bereich vom privaten Arbeitsvermittler zur Industrie hin abgeworben werden. Wer sich ein bißchen auskennt, weiß, daß diese Möglichkeit heute schon den Handwerkern Schwierigkeiten macht,
({10})
und sie wird verstärkt. Das heißt, Sie schädigen die Handwerker, und Sie schädigen den Mittelstand. Auch die Verbände haben das so gesagt; Sie können es in den Presseveröffentlichungen nachlesen.
({11})
Die „Bonner Rundschau" hat mit Recht geschrieben, daß der Streit, den Sie hier provozieren, unnötig ist. Es wäre an der Zeit, daß Sie diesen Streit endlich beilegen und zur Vernunft zurückkehren.
({12})
Herr Louven, ich sage Ihnen: Ihr Konzept der begrenzten Arbeitsvermittlung ist nicht glaubwürdig. Es wird auch nicht funktionieren
({13})
- ich sage es Ihnen ja -, weil der Herr Wissmann
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- er ruft es ja dazwischen: „auch nicht funktionieren kann", wenn ich ihn richtig verstanden habe -,
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es gar nicht will. Das heißt, die Wirtschaftsfraktion in Ihrer Fraktion will es nicht, und die F.D.P. will es auch nicht. Deswegen sind das schöne Sprüche.
({16})
Im Ergebnis wird die private gewinnorientierte Arbeitsvermittlung herauskommen.
Deswegen ist es Ihre Aufgabe als Handwerksmeister, zu verhindern, daß sich solche wirtschaftsorientierten Vertreter wie der Herr Wissmann in Ihrer Fraktion durchsetzen. Sie würden dann einen guten Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Handwerks leisten.
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Frau Babel, es stimmt auch nicht, daß es ein Monopol der Bundesanstalt gibt. Es gibt auch heute schon Arbeitsvermittlung von außerhalb. Wir Abgeordneten machen das schon mal, wenn ein junger Mann zu uns kommt und fragt: Kannst du mir nicht eine Lehrstelle besorgen? Dann sprechen wir mit einem Handwerksmeister.
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- Entschuldigung, Herr Louven, natürlich ist das zulässig. Auch über die Zeitungen gibt es ja Stellenvermittlungen.
Es geht doch nicht um die Frage, daß hier ein Monopol besteht, sondern um die Frage, daß es demnächst Makler geben wird, die damit Gewinne machen werden. Die Gewinne sind ihr oberstes Ziel bei der Arbeitsvermittlung.
({19})
- Nein, ich habe doch nichts dagegen, daß Gewinne gemacht werden, Frau Babel.
Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.
Ich bin sofort fertig. - Das führt letztendlich dazu, daß Sie die Arbeitsvermittlung in dieser Republik nicht verbessern; Sie werden sie vielmehr zum Nachteil der Arbeitnehmer und insbesondere der Arbeitslosen verschlechtern.
({0})
Als nächster spricht der Abgeordnete Ernst Hinsken.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn hier am frühen Morgen mit den Wörtern „Kopfjäger",
({0})
„Menschenhandel",
({1})
auf der anderen Seite „Olympioniken" - ich glaube, Sie gehören dazu, sonst hätten Sie dieses Wort nicht in den Mund genommen ({2})
und verschiedenes mehr herumgeschmissen wird, dann ist das gerade in dieser Debatte ganz, ganz weit herbeigeholt und entbehrt jeder Grundlage.
({3})
Lieber Kollege Heyenn, es geht nicht darum, daß Arbeitsvermittlung in Zukunft zum Geschäft wird, sondern wir wollen durch diese Maßnahme erreichen, daß die Arbeitsvermittlung in Zukunft effizienter gestaltet wird. Das ist die Grundmaxime unseres Handelns.
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Das, was mein Vorredner eben gesagt hat, nämlich daß gegebenenfalls das Handwerk und der Mittelstand darunter zu leiden haben, ist wiederum an den Haaren herbeigezogen, weil gerade die unter dem momentanen System am meisten zu leiden haben, weil sie, wenn sie dringend jemanden brauchen, um die Arbeit bewältigen zu können, niemanden bekommen.
({5})
Machen wir uns doch alle zusammen nichts vor. Schauen Sie sich die heutigen und die morgigen Zeitungen, die Wochenendausgaben, an, dann stellen Sie fest, daß die Angebote von Arbeitsplätzen und die Stellengesuche immer mehr werden.
({6})
Da frage ich mich natürlich nach der Effizienz der Arbeitsämter.
({7})
Dann frage ich mich: Warum ist das erforderlich? Warum muß das sein? Ist es nicht für uns alle nachdenkenswert, wenn wir feststellen müssen, daß ca. dreiviertel aller Arbeitsvermittlungen nicht durch die Bundesanstalt für Arbeit vorgenommen werden, sondern bisher auf diese Art und Weise, über Inserate
oder andere Möglichkeiten, abgewickelt worden sind?
({8})
Man kann hier einfach nicht glauben, daß es überhaupt eine Bundesanstalt für Arbeit gibt!
Meine Damen und Herren, Ziel für uns alle muß es sein, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen auch die durchschnittliche Laufzeit zu verkürzen. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit liegt leider Gottes bei uns im Schnitt bei sechs Monaten, die durchschnittliche Laufzeit liegt bei ca. acht Wochen. Warum soll das nicht verkürzt werden können?
Wir können auch von unseren europäischen Nachbarn lernen. Matthias Wissmann hat auf diesen Aspekt bereits verwiesen.
({9})
In anderen Ländern rund um die Bundesrepublik Deutschland - ich möchte sie jetzt nicht mehr namentlich nennen ({10})
sind bereits private Arbeitsvermittler zugelassen, oder man ist auf dem Weg dorthin.
({11})
- Das ist doch schon gesagt worden! Gehen Sie nach Holland. Sogar im ehemals langjährig sozialistisch regierten Schweden hat man hier einen Umkehrprozeß eingeleitet.
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So, jetzt reden alle mit allen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, daß nur einer redet.
Richtig, Frau Präsidentin. Man merkt, daß nach dieser langen Parlamentsnacht in der Zwischenzeit einige Kollegen auf der linken Seite ausgeschlafen haben, die sich bisher ruhig verhielten.
Ich meine, bei der Gelegenheit auch sagen zu müssen, daß gerade die Forschungsinstitute u. a. auch der Bundesanstalt für Arbeit eruiert haben, daß private Vermittler ihnen nicht die Arbeit wegnehmen. Auch dies bitte ich Sie ausdrücklich zur Kenntnis zu nehmen. Es ist auch festzustellen, daß gerade durch die Kündigung des ILO-Abkommens doch in erster Linie unsererseits beabsichtigt ist, die Möglichkeit zu eröffnen, daß modellhaft private Vermittlung überprüft wird.
Ich bin im übrigen der Meinung, daß bei der Ausgestaltung des Rechtsrahmens für gewerbliche Arbeitsvermittlung Aufsichts- und Zugangsregeln vorgesehen werden sollen, die Abwerbung durch Direktansprache verbieten.
Meine Damen und Herren, durch die Kündigung des ILO-Abkommens befindet sich die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. Jetzt liegt es an uns, die gesetzliche Grundlage so auszuformulieren und so zu gestalten, daß wir über Modelle zu vernünftigen Ergebnissen kommen, die zu guter Letzt einer schnelleren Vermittlung Rechnung tragen, die den Arbeitgebern einerseits und den Arbeitnehmern andererseits, die oftmals viel zu lange arbeitslos sind, entgegenkommt.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Heinrich Kolb.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße nochmals für die F.D.P.-Bundestagsfraktion die vorsorgliche Kündigung des ILO-Abkommens.
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Sie eröffnet die Möglichkeit, ohne Zeitdruck zu prüfen, was auf dem Gebiet der Arbeitsvermittlung verändert werden kann und sollte. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion spricht sich auch dafür aus, nun auch tatsächlich die Voraussetzungen für die Zulassung privater, auch gewerblicher, Vermittler zu schaffen. Die Kündigung des ILO-Abkommens ist nicht, wie uns die Kollegen Gilges und Heyenn weismachen wollen, der Super-GAU des Sozialstaates.
({1})
Im Gegenteil, Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Folge der Zulassung privater Vermittler wird ein wesentlich verfeinertes, spezialisiertes Vermittlungsangebot sein.
Als Unternehmer bin ich gewohnt, in Märkten zu denken. Wo Angebot und Nachfrage nicht zur Dekkung kommen können, sind Märkte gestört. Auf den Arbeitsmarkt bezogen bedeutet Marktstörung: Unternehmen finden keine geeigneten Mitarbeiter, oder Menschen bleiben über längere Zeit arbeitslos. Ein Nebeneinander von privater und staatlicher Arbeitsvermittlung wird vor diesem Hintergrund den Anforderungen des Arbeitsmarktes besser gerecht werden können, als allein eine mit Vermittlungsmonopol ausgestattete Bundesanstalt für Arbeit dies kann.
({2})
Schon vom Wortlaut des § 3 AFG her ist Arbeitsvermittlung für die Bundesanstalt für Arbeit eine Aufgabe neben anderen. Die Bundesanstalt erbringt im Schwerpunkt Leistungen für die versicherten Arbeitnehmer. Ihr Interesse bei der Arbeitsvermittlung ist naturgemäß wiederum auf die Begründung von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gerichtet.
Private Vermittler - darin stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Wissmann - können die Arbeit der Bundesanstalt für Arbeit auch dort ergänzen, wo diese bisher nicht tätig ist oder wo in der Praxis der
Arbeitsämter nur unzureichend Aufgaben wahrgenommen werden können, wo sich aber das Interesse der Unternehmen oder das Interesse der Arbeitsuchenden auf spezielle Beschäftigungen und spezielle Beschäftigungsformen richtet. Dies gilt etwa bei der Vermittlung von nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungen, bei flexibler Beschäftigung oder bei kurzfristigen Vollzeitarbeitsverhältnissen.
Es ist eingewendet worden - die Kollegin Bläss hat das vorgebracht -, auch private Vermittler könnten keine Arbeitsplätze vermitteln, wenn keine Arbeitsplätze vorhanden seien.
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Dem halte ich die Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt der alten Bundesrepublik seit September 1989, also seit Anschwellen der Aus- und Übersiedlerströme nach Westdeutschland, entgegen. Von September 1989 bis April 1992 kamen 831 000 Aussiedler nach Westdeutschland. Von September 1989 bis Juni 1990 sind 505 000 Übersiedler, nach dem 1. Juli 1990 mindestens weitere 320 000 Menschen aus dem Beitrittsgebiet in die alten Bundesländer zugezogen. Das sind insgesamt mehr als 1,65 Millionen Menschen, darunter viele im erwerbstätigen Alter. Gleichzeitig wurden 1,48 Millionen neue Stellen geschaffen. Die Arbeitslosigkeit blieb mit saisonalen Schwankungen bei etwa 1,7 Millionen Personen weitgehend unverändert. Obwohl also eine sehr hohe Zahl von Personen zusätzlich eine Berufstätigkeit anstrebte, führte der boomartige Zuwachs an Beschäftigungssuchenden nicht zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit.
({4})
Anders ausgedrückt: Unternehmen waren und sind bereit, in volkswirtschaftlich relevantem Ausmaß zusätzlich Mitarbeiter einzustellen, wenn diese ihrem Anforderungsprofil entsprechen.
({5})
Die Zahl der möglichen Arbeitsverhältnisse in einer Volkswirtschaft ist nicht konstant, sondern variabel.
({6})
Durch private Vermittler, die sich in einem hohen Maße auf Anforderungen einzelner Branchen oder Unternehmen spezialisieren, kann die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt erhöht werden.
({7})
Schließlich ist die Befürchtung geäußert worden, gewerbliche private Arbeitsvermittlung führe zur Abwerbung von Arbeitnehmern, vor allem von Facharbeitern aus Klein- und Mittelbetrieben. Diesem Argument widerspreche ich deutlich. Die Gefahr eines modernen Sklavenhandels - da kann ich Sie beruhigen - besteht nicht.
({8})
Arbeitnehmer entscheiden frei, wo sie arbeiten wollen. Ebenso sind finanzielle Aspekte nicht allein ausschlaggebend für die Wahl eines Arbeitsplatzes. Ich betone: Interessanterweise waren es in der Koalitionsarbeitsgruppe gerade die mittelständischen Unternehmer, die auf die Aufhebung des Vermittlungsmonopols drängten.
({9})
Insgesamt bietet die Zulassung von privaten Arbeitsvermittlern zusätzliche Chancen für den Arbeitsmarkt. Die durch die Kündigung des ILO-Abkommens gegebenen Möglichkeiten sollten in diesem Sinne genutzt werden.
({10})
Als nächster spricht der Abgeordnete Hans Urbaniak.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier ist behauptet worden, die private Arbeitsvermittlung sei in der Europäischen Gemeinschaft oder überhaupt in Europa weit verbreitet. Ich darf Ihnen hier mitteilen, daß das, was Sie behauptet haben, überhaupt nicht stimmt.
({0})
- Sie haben sich nicht hinreichend orientiert. Sie können doch gerade auf diesem sensiblen Gebiet nicht etwas in die Welt setzen, was nicht stimmt!
({1})
Unsere Arbeitnehmer sind doch auf die Arbeitsämter angewiesen. Bei uns kann jeder Arbeit vermitteln, ohne Geld daran zu verdienen. Das ist doch wichtig.
({2})
Ich nenne Länder mit nicht gewerbsmäßigen Vermittlungsagenturen: Belgien, Luxemburg, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Niederlande, Portugal, Großbritannien und auch Schweden. - Das ist aufgeführt in der Informationsschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes, ISA.
({3})
- Sie wollen wohl nicht der ISA als Institution unterstellen,
({4})
daß sie verkehrte Tatbestände veröffentlicht! Wie soll ich sonst Ihr hämisches Lachen werten? Das können Sie wohl nicht unterstellen. Das wäre eine schlimme Unsachlichkeit.
Nun höre ich, Herr Louven, Sie wollen das auflokkern. Das soll so richtig aufgelockert werden.
({5})
Hans Eberhard UrbanIak
Das ist ja System. Das ist Demontage, wie Sie sie seit 1982 auf dem Felde der Sozialpolitik betreiben. Dem können Sie sich nicht entziehen!
({6})
Der zweite Punkt, den Sie gebracht haben, ist auch nicht in Ordnung. Sie können nicht Engelen-Kefer zitieren, Sie habe sich an den Kanzler gewandt. Sicher hat sie das getan, aber nicht, um das ILO-Abkommen zu kündigen, sondern um Verbesserungen zu erreichen. Das ist doch selbstverständlich! Sie müssen das in diesem Kontext vortragen und nicht zerreißen. So kann man nicht debattieren.
({7})
Ich sage: Private Arbeitsvermittlung mit staatlicher Subventionierung darf nicht in Frage kommen. Darum stelle ich folgendes fest: Eine Wirtschaftspolitik, die sich zum Ziel setzt, Vollbeschäftigung zu schaffen, braucht keine Deregulierung oder den Schnickschnack, den Sie auf diesem Felde betreiben. Die beste Voraussetzung wäre gegeben, wenn alle Gruppen von Arbeitnehmern, auch die weniger qualifizierten, bei Vollbeschäftigung überhaupt eine Tätigkeit finden. Also betreiben Sie diese Politik doch! Wir können sie bei Ihnen nicht erkennen. Die Politik der Deregulierung führt zu nichts. Es ist eine weitere Demontage von sozialen Rechten. Makler haben ein breites Feld. Aber bei der Arbeitsvermittlung haben sie nichts zu suchen, meine Damen und Herren.
({8})
Eine Arbeitsvermittlung mit staatlicher Finanzierung, bei der die Leute hinterher abrechnen, was sie pro Kopf eingenommen haben, kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. Das ILO-Abkommen darf nicht gekündigt werden. Das ist unsere Meinung!
({9})
Als nächster hat der Abgeordnete Rainer Haungs das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre schön, Herr Kollege Roth, wenn auch bei der SPD bei diesem wichtigen Thema die Stunde der Wirtschaftspolitiker beginnen würde.
({0})
Was mich bei den Argumenten, die von den Kollegen von der SPD vorgetragen worden sind, am meisten stört - manche sind sicherlich auch beachtlich -, ist, daß Sie doch wahrscheinlich dieselbe Analyse haben wie viele bei uns, nämlich: Die Anstrengungen der Bundesanstalt für Arbeit zur besseren Arbeitsvermittlung sind zwar beachtenswert, aber in der Summe unbefriedigend. Sie werden genauso wie viele bei der Analyse feststellen, daß es hilfreich wäre, wenn die Bundesanstalt für Arbeit mehr qualifizierte Arbeitsvermittler hätte, wenn es schneller ginge usw.
({1})
Wenn wir von dieser Analyse ausgehen und feststellen, daß der Arbeitsmarkt durch die Bemühungen der Bundesanstalt für Arbeit allein nicht so geregelt wird, wie wir es politisch wollen, dann wäre der zweite Schritt sinnvoll, den wir jetzt gehen, nämlich zu sagen: Wir müssen mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben.
({2})
- Herr Gilges, Sie haben doch schon gesprochen. Sie hatten die Möglichkeit, sich zu äußern, und wir haben Ihnen auch gelauscht und haben vieles gehört.
Sie haben die Frage gestellt: Warum wurde das ILO-Abkommen gekündigt, und was beabsichtigt die Koalition hier zu tun? Gekündigt wurde zum einen deshalb, weil es eine Frist gibt. Fristen haben es an sich, daß sie eingehalten werden müssen. Wenn wir nicht gekündigt hätten, hätten wir zehn Jahre lang keine Möglichkeit, hier etwas zu erreichen. Wir wollen jetzt schauen, daß alle Gestaltungsmöglichkeiten, die von meinen Kollegen vorhin dargestellt wurden, in Zukunft wahrgenommen werden können.
Ich sehe überhaupt nicht ein, daß zwar beispielsweise die gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung für Führungskräfte, die bisher eingeschränkt möglich war, jetzt uneingeschränkt möglich ist, daß aber der Kern des Problems, die Vermittlung eines breiten Potentials an Fachkräften, an qualifizierten Kräften oder an qualifizierungsfähigen Kräften, bisher nicht angepackt werden konnte. Für normale Arbeitskräfte, den Kern des Arbeitsmarkts, sind diese Dinge bisher nicht möglich. Das muß geändert werden!
Was mich an der ganzen Diskussion etwas stört, ist, daß der Begriff Deregulierung - dieses Wort ist zugegebenermaßen nicht schön - als Schimpfwort benutzt wird.
({3})
Wir alle wissen, daß in vielen Bereichen die Marktkräfte nicht so funktionieren, wie wir es gem hätten. Deshalb müßten Sie - Sozialpolitiker und Wirtschaftspolitiker - ernsthaft darüber nachdenken, ob Sie hier nicht auch dazu beitragen sollten, daß die Soziale Marktwirtschaft in den Bereichen, wo die Märkte verkrustet sind, so funktioniert, daß sie zum Wohle der Allgemeinheit beiträgt.
Ich verstehe überhaupt nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, warum wir in anderen Bereichen so sehr die Vorteile privatwirtschaftlicher
Organisation loben und eine solche Organisation auch gemeinsam beschließen.
({4})
Wir haben beispielsweise erst vor kurzem beschlossen, daß die Flugsicherung privatisiert werden soll, weil wir der Meinung sind, daß sie als Behörde nicht arbeiten kann. Das ist mit den Stimmen der SPD geschehen. Zusammen mit der SPD und den Gewerkschaften wollen wir jetzt aus den nicht funktionierenden Behördenunternehmen Bundesbahn und Reichsbahn ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in allen diesen Bereichen sind doch Menschen tätig. Machen Sie hier bitte keinen Trennungsstrich. Wenn es uns gelingt, auch nur tausend Menschen schneller in Arbeit zu bringen, ist dies eine gelungene Unternehmung.
({5})
Sie sprechen nur von den Menschen, aber Sie handeln nicht für die Menschen.
({6})
Sie bringen den Popanz der Gewinnorientierung vor. Ein größeres Zerrbild habe ich noch nie gesehen. Wir wollen Möglichkeiten für alle schaffen, ob es sich um Verbände, Kammern, karitative oder gewerbsmäßge Einrichtungen handelt. Wenn Sie der Auffassung sind, es soll eine angemessene Kostenerstattung bei der Kalkulation zugrunde gelegt werden, dann bauen Sie hier bitte nicht den Popanz der Gewinnmaximierung, der Zerschlagung des Sozialstaats und des Angriffs auf die Gewerkschaften auf. Das sind alles große Worte, die im täglichen Geschäft nicht helfen.
Lassen Sie mich als Handwerker und Kleinunternehmer zum Abschluß folgendes sagen. Es wird hier immer so getan, als sei das Handwerk dagegen. Das ist falsch. Gerade die kleinen Unternehmen brauchen diese Vermittlungsbemühungen, weil sie schon lange resigniert haben, ihren Bedarf an Arbeitskräften bei der Bundesanstalt für Arbeit zu melden.
({7})
Zum Problem der Abwerbung: Sie wissen so gut wie ich, daß wir einen sehr dynamischen Arbeitsmarkt haben, daß über Annoncen, über Gespräche, über Kollegen laufend nach einem Arbeitsplatz gesucht wird, der vielleicht besser bezahlt ist, der vielleicht besser den gegebenen Qualfikationen entspricht. Das Argument, hier würden nur Fachkräfte abgeworben und vermittelt, stimmt nicht;
({8})
denn bei der Differenziertheit der Berufsbilder ist es überhaupt nicht möglich, den Olympioniken, wie Sie ihn so gern nennen, zu suchen und zu finden. Es gibt sehr wohl Arbeitskräfte mit Teilqualifikationen, die gerade mit Hilfe spezialisierter Arbeitsvermittler auf Arbeitsplätze, die bisher nicht besetzt sind, vermittelt werden können, wodurch wiederum Arbeitsplätze frei werden.
Die Kündigung des ILO-Abkommens ist gerechtfertigt. Es liegt jetzt an uns, die daraus resultierenden Möglichkeiten zu nutzen.
Vielen Dank.
({9})
Als nächster spricht Dr. Bernd Protzner.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Sozialstaat. Wir von der Union bekennen uns auch zum Sozialstaatspostulat des Grundgesetzes.
({0})
Wir wollen dieses Postulat und unseren Sozialstaat behalten. Das enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit, einzelne Regelungen dieses Sozialstaats auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Maßstab für diese Überprüfung muß der Mensch sein, nicht irgendeine Tradition, die wir in diesem Land einmal eingeführt haben.
Der Mensch, das sind für mich die Arbeitnehmer und die Unternehmer. Lassen Sie mich bei den Arbeitnehmern beginnen. Wir hatten vor der Kündigung des ILO-Abkommens den bemerkenswerten Tatbestand der Ungleichbehandlung bzw. der Existenz von zweierlei Recht für Große und für Kleine. Für die Großen gibt es viel mehr Recht, für die Kleinen viel weniger. Offensichtlich wünschen Sie das so.
({1})
Ich nehme Bezug auf die Vereinbarung zur Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung bezüglich der Führungskräfte der Wirtschaft und zur Dienstanweisung. Wer in diesem unserem Land über 120 000 DM im Jahr oder faktisch über 80 000 DM verdient, der kann sich von fachkundigen Kräften beliebig beraten lassen. Derjenige aber, der darunter liegt, der Facharbeiter oder die von Ihnen angesprochene Facharbeiterin, der kann das nicht, der ist auf die Arbeitsberatung und die Arbeitsvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit angewiesen.
({2})
Er ist verpflichtet, zu einem Berater zu gehen, der ihm auf Grund des ersten Buchstabens des Nachnamens zugeteilt ist, den er nicht frei wählen kann, zu dem er vielleicht gar kein Vertrauen hat, zu dem er nicht die entsprechende Beziehung aufbauen kann.
Gleichermaßen gilt das für den Unternehmer. Auch hier sind die Großunternehmen die Bevorzugten, die mittelständischen Unternehmen die Benachteiligten.
({3})
Ein großer Konzern, der eine große Vermögensberatungs- oder Vermögensanlagegesellschaft aufbauen
will, wo die Sekretärin nicht mehr „Sekretärin",
sondern „Chefassistentin" heißt, und über 80 000 DM verdient, der kann sich sein gesamtes Personaltableau von einer Unternehmensberatungsgesellschaft erstellen und sich die Leute zusammensuchen lassen. Der darf das! Der Mittelständler aber, der Handwerker, der Facharbeiter braucht, der darf das nicht.
({4})
Er muß nach Ihren Vorstellungen zur Bundesanstalt für Arbeit gehen, wo die entsprechende Fachkraft für 250 Betriebe zuständig ist und nicht die notwendige Zeit aufbringen kann.
({5})
Das ist ungerecht. Das bedeutet Ungleichheit vor dem Gesetz. Bei Ihnen haben die Großen mehr Rechte als die Kleinen. Das ist in höchstem Maße unsozial.
({6})
Es stünde einer sozialdemokratischen Partei gut an, unsoziale Tatbestände abzubauen.
({7})
Ich sage aber: Wir sind die Partei, die die Soziale Marktwirtschaft entwickelt hat, die dies daher verfolgen will und Ihnen gern die Arbeit abnimmt, hier mehr Sozialstaat herzustellen.
({8})
Mit der Kündigung des ILO-Abkommens schaffen wir dieses Mehr an Sozialstaatlichkeit. Ich halte diese Kündigung deshalb für richtig und für notwendig.
Auf die vorhergehenden Bemerkungen, wie es in Europa ausschaut: In Großbritannien haben wir neben der staatlichen eine private Arbeitsvermittlung. In Dänemark ist es ebenso. In den Niederlanden gilt dies ab 1. Januar 1991.
({9})
Selbst Schweden ist auf dem Weg. Ich meine, das von Ihnen genannte Institut müßte einmal seine eigenen Angaben überprüfen.
Wir sind auf dem Weg, und ich meine, wir sollten hier in Europa gemeinsam bessere Wege gehen, weil uns die Arbeitsmarktbelastungen in Europa gemeinsam als Aufgabe gestellt sind.
Vielen Dank.
({10})
Als letzter spricht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Günther.
({0})
Frau Präsidentin, wenn Sie mich auffordern, zu reden, will ich das selbstverständlich tun. Ich hatte mich nicht gemeldet; der Respekt vor Ihrem Amt aber gebietet, daß ich etwas sage.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat das Abkommen noch nicht gekündigt. Sie hat die von einer möglichen Kündigung notwendigen Schritte eingeleitet: Sie hat die Sozialpartner angehört; diese Anhörung ist abgeschlossen. Deshalb wird die Bundesregierung am 1. Juli entscheiden, ob das Abkommen gekündigt wird oder nicht.
({1})
- Ich spreche jetzt auch für Herrn Blüm.
({2})
Das können Sie so nehmen.
Sollte die Bundesregierung den Beschluß fassen, das Abkommen zu kündigen, dann auf der Grundlage des Koalitionsbeschlusses, der im wesentlichen aussagt, daß die Kündigung vorsorglich erfolgen soll, weil sonst innerhalb von zehn Jahren keine Kündigung erfolgen kann. Über das, was dann folgt, hat man ohnehin ein Jahr Zeit nachzudenken, weil innerhalb des ersten Jahres keine Veränderungen vorgenommen werden können.
Wir werden sicher in Ruhe gemeinsam in den parlamentarischen Beratungen feststellen, was bei der Vermittlung von Arbeitslosen verbessert werden kann. Dies ist das Ziel jedenfalls auch des Bundesarbeitsministers.
Vielen Dank.
({3})
Damit beende ich die Aktuelle Stunde.
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, habe ich einige amtliche Mitteilungen zu machen.
Zunächst teile ich Ihnen mit, daß der Abgeordnete Harald B. Schafer ({0}) als ordentliches Mitglied aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidet. Die Fraktion der SPD schlägt den Abgeordneten Gunter Huonker, der bisher stellvertretendes Mitglied war, als Nachfolger vor. Neues stellvertretendes Mitglied soll der Abgeordnete Hermann Bachmaier werden. Sind Sie damit einverstanden? - Kein Widerspruch. Damit sind der Kollege Gunter Huonker als ordentliches und der Kollege Hermann Bachmaier als stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuß bestimmt.
Aus der Gemeinsamen Verfassungskommission scheidet Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als stellvertretendes Mitglied aus. Als Nachfolger schlägt die Fraktion der F.D.P. den Abgeordneten Ulrich Irmer vor. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Damit ist der Kollege
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ulrich Irmer als stellvertretendes Mitglied in der Gemeinsamen Verfassungskommission bestimmt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1. Aktuelle Stunde: Kündigung des ILO-Abkommens 96: Privatisierung der Arbeitsvermittlung
2. Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission
Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
- Drucksache 12/2873 -3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. Willfried Penner, Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beibehaltung der bisherigen Förderungshöhe für die Kultur in den neuen Bundesländern - Drucksachen 12/1437, 12/2299 -4. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 60 02 Titel 882 04 - Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an strukturschwache Bundesländer - Drucksachen 12/2402, 12/2854 -5. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Geplanter Erwerb einer Kinderkrippe und eines Kinderhorts für die Institutionen und Organe der Gemeinschaften ({4})
Geplanter Erwerb eines Grundstücks für den Bau einer Kinderkrippe in Woluwe - Drucksachen 12/2315 Nr. 2.1, 12/2855 -6. Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ({5})
- Drucksachen 12/1985, 12/2922, 12/2935 -7. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 10 04 Titel 682 08 ({7}) - Drucksachen 12/2586, 12/2930 -8. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe sowie außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 1214
- Deutscher Wetterdienst - apl. Titel 685 01 - Beitrag zum Sekretariatsneubau EUMETSAT - im Haushaltsjahr 1992 - Drucksachen 12/2646, 12/2931 -9. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1992
hier. Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 02 Titel
685 08 - Kassenhilfe an die Rundfunkanstalten
„Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" -- Drucksachen 12/2641, 12/2932 -10. Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 65 zu Petitionen - Drucksache 12/2916 -11. Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 66 zu Petitionen
- Drucksache 12/2917 -12. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Umsetzung des Westsahara-Friedensplans der Vereinten Nationen - Drucksache 12/2896 -13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Drucksache 12/2866 -14. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: KSZE-Parlamentarierversammlung - Drucksache 12/2893 -15. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Fritz Schumann ({10}), Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Bestandsgarantie für sanierungsfähige Betriebe der Treuhandanstalt - Drucksache 12/2848 16. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Sicherung von Sportstätten in den neuen Ländern - Drucksache 12/2534 Außerdem ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 4 b - Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag - mit einer Redezeit von 30 Minuten zu beraten. Der Punkt soll nach Tagesordnungspunkt 18 aufgerufen werden.
Sind Sie mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Der Ältestenrat hat sich gestern darauf verständigt, daß in der ersten Sitzungwoche im September wegen der vorgesehenen Haushaltsberatungen keine Fragestunden, keine Aktuellen Stunden und keine Befragung der Bundesregierung stattfinden, weil in der Debatte über den Haushalt alle Fragen von aktuellem Interesse angesprochen werden können. Sind Sie auch mit dieser Vereinbarung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt ({11})
- Drucksachen 12/2463, 12/2691 -
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({12})
- Drucksache 12/2906 Berichterstattung:
Abgeordnete Detlev von Larcher
Elmar Müller ({13})
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({14}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 12/2907 Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({15}) Dr. Wolfgang Weng ({16}) Helmut Wieczorek ({17})
({18})
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Debatte eine halbe Stunde vorgesehen. - Damit sind Sie einverstanden.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD namentlich abstimmen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat der Abgeordnete Dankward Buwitt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem guten halben Jahr tritt das ein, auf das wir in der EG seit Jahrzehnten hingearbeitet haben: Am 1. Januar des nächsten Jahres wird der Europäische Binnenmarkt Realität. Kontrollen von Personen und Waren an den Grenzen der zwölf Mitgliedstaaten fallen weg. Lange Staus an den Binnengrenzen, die vor allem für die LKW-Fahrer zum zermürbenden Alltag gehören, werden Probleme
von gestern sein. Der freie Verkehr von Dienstleistungen und Kapital wird Realität werden.
Neben der Beseitigung der Grenzkontrollen ist die Abschaffung der Steuergrenzen eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Vollendung des Binnenmarktes. Dieser Schritt zum Binnenmarkt ist aber nur dann möglich, wenn wir zu einer Harmonisierung der indirekten und der speziellen Verbrauchsteuern gelangen.
Um das zu erreichen, hat es auf EG-Ebene lange und schwerfällige Verhandlungen gegeben. Hierbei hat die Bundesregierung immer verstärkt darauf gedrängt, schon jetzt, also zum 1. Januar 1993, das sogenannte Ursprungslandprinzip zur Anwendung zu bringen. Schließlich konnte man sich am 16. Dezember 1991 nur auf einen Kompromiß einigen, der in der Form der Änderungsrichtlinie zur 6. EG-Richtlinie die Grundlage für den heute zur Verabschiedung stehenden Gesetzentwurf bildet.
Wir wissen alle, daß die getroffene Vereinbarung in dieser Richtlinie leider nicht mehr als ein Schritt in die richtige Richtung ist. Das endgültige Ziel kann damit noch nicht erreicht werden.
({0})
Bei diesem Besteuerungsverfahren handelt es sich nur um eine Übergangsregelung. Ich sage noch einmal: Sie entspricht nicht den Vorstellungen, die wir alle vom Gemeinsamen Markt haben.
({1})
Um die Prozesse auf dem Weg zum Binnenmarkt in Gang zu halten, sah die Bundesregierung jedoch keine andere Möglichkeit, als diesem Kompromiß zuzustimmen, immer jedoch unter der Maßgabe, daß es sich hierbei um eine befristete Übergangsregelung handelt. Am 1. Januar 1997 - so ist es vorgesehen -wird diese Übergangslösung durch eine Regelung zur Besteuerung im Ursprungsland ersetzt werden. Erst dann haben wir den wirklichen EG-Binnenmarkt, wie wir uns ihn vorgestellt haben und wie wir ihn anstreben.
({2})
- Man muß nicht immer so pessimistisch sein wie Sie, Herr von Larcher.
Ob ein Unternehmer z. B. aus Berlin oder aus Frankfurt seine Ware nach Paris, nach Köln, nach London oder anderswohin liefert, im Binnenmarkt gibt es dann beim Besteuerungsverfahren keine Unterschiede mehr.
Zurück zu den uns vorliegenden Übergangsregelungen. Das größte Problem werden wir bei der Durchführung dieses Gesetzes haben. Besonders wird hier die Finanzverwaltung gefordert sein. Einerseits wird es für sie schwer, die neuen Vorschriften rechtzeitig umzusetzen. Andererseits wird sie sich anfangs gegenüber den Unternehmen flexibel zeigen müssen, wenn Unstimmigkeiten bei der Durchführung dieser Vorschriften auftauchen. Um beim Bestimmungslandprinzip bleiben zu können, kommt es vorerst nur zu einer Verlagerung der steuerlichen Erfassung von den Grenzen zu den Finanzämtern und in die Betriebe.
Mit der Beibehaltung des Bestimmungslandprinzips bis Ende 1996 kann ein wichtiger Streitpunkt im Harmonisierungsprozeß vermieden werden. Die Regelungen in der Änderungsrichtlinie erfordern keine nachträglichen Korrekturen der nationalen Steueraufkommen. Dies bedeutet, daß es nicht zu langwierigen Kämpfen um die richtige Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Herstellerländern und Verbraucherländern auch bei Handelsungleichgewichten kommt.
Der Nachteil des Systems ist ein hoher Bedarf an Informations- und Kontrollmechanismen. Ein besonders signifikantes Beispiel dafür ist die Notwendigkeit der Zuteilungen und der ständigen Angabe der Umsatzsteueridentifikationsnummern.
Das Argument, daß die Aufwendungen für dieses Übergangssystem verschwendet seien, zieht jedoch nicht, da ein ähnliches System auch für die Besteuerung ab 1997 bei noch nicht vollständiger Harmonisierung der Steuern notwendig sein wird. Um in diesem Fall eine schnelle, unbürokratische und zuverlässige Umsatzbesteuerung gewährleisten zu können, wird es wichtig sein, während der Übergangszeit Erfahrungen zu sammeln und entscheidende Vorarbeiten in den nächsten Jahren zu leisten. Dies ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möglich.
Auch das Ifo-Institut hat in seiner Stellungnahme beim Hearing zu diesem Gesetzentwurf im Finanzausschuß die Auffassung vertreten, es sei klar erkennbar, daß das Informations- und Kontrollsystem zum einen in der Übergangsphase eine ordnungsgemäße steuerliche Erfassung der innergemeinschaftlichen Lieferungen gewährleiste und daß zum anderen nach Ablauf der Übergangslösung im Binnenmarkt auf der Basis der zusammenfassenden Meldungen der liefernden Unternehmen eine gewisse Kontrolle im Zusammenhang mit der Vorsteuererstattung angewendet werden müsse.
Ein zweiter Teil des Gesetzentwurfs umfaßt die Aufhebung einiger Bagatellsteuern. Vom 1. Januar 1993 an sind die Steuern auf Leuchtmittel, Salz, Zucker und Tee endgültig abgeschafft. Die Beibehaltung dieser Steuern würde die betroffenen Unternehmen im Wettbewerb mit Herstellern aus Staaten, in denen diese Steuern nicht erhoben werden, benachteiligen. Der Verzicht auf diese Steuern bedeutet allerdings einen direkten Einnahmeausfall von 500 Millionen DM pro Jahr für die Bundesrepublik. Wir hoffen, daß diese Ausgabenentlastung der Unternehmen zumindest teilweise den Verbrauchern zugute kommen wird.
({3})
Zugleich ist diese Maßnahme ein weiterer Schritt zur Harmonisierung der Verbrauchsteuern in der EG.
Zwar wird diese Übergangszeit nicht ohne Probleme sein. Sie ist jedoch unvermeidbar, wenn wir von
unserem Weg zu einem vereinten Europa nicht abweichen wollen.
Aus diesem Grund empfiehlt der Finanzausschuß, mit dem Gesetz eine Entschließung anzunehmen, die die Bundesregierung in ihren Bemühungen, die Übergangszeit möglichst kurz zu halten, unterstützen soll.
({4})
Lassen Sie mich einige Worte zu dem Antrag der SPD auf Verlängerung der Investitionshilfe in den neuen Bundesländern sagen. So, wie der Antrag heute vorgelegt worden ist, wird er ungefähr einen Kostenaufwand von 11 Milliarden DM ausmachen.
Meine Damen und Herren, Sie versuchen, dieses Gesetz zu benutzen, um eine Sache, die nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit diesem Gesetz steht, zu transportieren.
({5})
Zugestandenermaßen ist das in der Vergangenheit oft genug gemacht worden. Ich glaube, wir haben es gemeinsam bedauert; denn zur Klarheit der Gesetzgebung trägt das selbstverständlich nicht bei. Es gibt auch von der Sache her überhaupt keinen Zwang und keine Notwendigkeit, das heute zu machen.
({6})
- Herr von Larcher, sie sehen oft vieles anders. Die Investitionszulage in den neuen Bundesländern ist bis zum 31. Dezember dieses Jahres geregelt. Es besteht also überhaupt kein zeitlicher Zwang, dieses jetzt zu machen.
Ich glaube, wir sind uns alle im klaren darüber - das Bundeskabinett hat auch so beschlossen -, daß es eine Fortsetzung der Förderung von Investitionen in den neuen Bundesländern geben muß. Wir sind sicherlich recht beraten, lieber Investitionen in Gang zu bringen und zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen, als Langzeitarbeitslosigkeit zu unterstützen. Aber wir müssen auch überlegen, wie wir das machen wollen, ob es nicht richtig ist, dies besser zielgerichtet und damit effizienter zu gestalten.
({7})
Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel sagen. Die großflächigen Verkaufseinrichtungen und -märkte können wir teilweise nicht abwehren, weil andere Festlegungen dazu beitragen, daß sie genehmigt werden müssen; sie kommen in Scharen. Da werden wir sicher überlegen müssen, ob es richtig ist, daß wir diese noch mit einer Investitionszulage unterstützen. Das heißt, wir werden überlegen müssen, wo von uns gewollte zukunftsträchtige Arbeitsplätze eigentlich entstehen und wie wir diese entsprechend unterstützen können.
Das Bundeskabinett hat beschlossen, daß es eine Fortsetzung geben soll. Wir werden uns in der nächsten Woche mit diesen Maßnahmen beschäftigen und beraten, wie wir nach dem 1. Januar 1993 die Investitionsfreudigkeit in den neuen Bundesländern durch
Maßnahmen weiter unterstützen. Die neuen Bundesländer können sich darauf verlassen, daß wir das Maximum des sinnvoll Machbaren auch in die Tat umsetzen werden.
Daher, meine Damen und Herren, fordere ich Sie auf, heute die Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung in der EG zu verabschieden und sich in der kommenden Woche mit der Investitionsförderung in den neuen Bundesländern auseinanderzusetzen.
Recht herzlichen Dank.
({8})
Als nächster spricht der Abgeordnete Gunter Weißgerber.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Buwitt, einig sind wir uns sicherlich in der Bewertung des vor uns liegenden Gesetzes. Wir sind noch weit entfernt von einem tatsächlichen Binnenmarkt. Die Bewertungen sehen wir genauso wie Sie.
Die SPD vermißt u. a. Regelungen zur Personenbeförderung und zu ermäßigten Steuersätzen. Besonders bedauerlich ist aus unserer Sicht die fehlende Befristung für die Übergangsregelungen. Diese sind für alle Beteiligten unbefriedigend. Die SPD hat im Finanzausschuß die Befristung bis zum 31. Dezember 1996 gefordert. Nur damit wäre zu verhindern gewesen, daß es nach 1996 bei einem steuerlichen Scheinbinnenmarkt bleibt.
Dabei ging es uns vor allem darum, daß die Bundesrepublik gegenüber den EG-Institutionen und den anderen Mitgliedstaaten der EG dokumentiert, daß sie festen Willens ist, ab 1. Januar 1997 zu einer endgültigen Regelung überzugehen. Die Bundesregierung sah sich nicht in der Lage, eine materiell- und formalrechtlich vertretbare Formulierung für eine gesetzliche Befristung vorzulegen; so waren die Aussagen. Sie lehnte deshalb unseren Antrag leider ab.
Nach alledem ist es für mich jedenfalls kein großes Risiko, bereits heute vorauszusagen, daß es in diesem Jahrtausend eine endgültige Regelung möglicherweise nicht geben wird.
Die SPD stimmt dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz zu, weil kein politischer Gestaltungsspielraum mehr besteht.
({0})
Am Verhandlungstisch in Brüssel saßen die Vertreter der Bundesregierung. Sie trägt die Verantwortung für resultierende Erschwernisse und Unzulänglichkeiten.
({1})
Allerdings beantragen wir die zusätzliche Aufnahme eines Art. 11 a in das Gesetz. Da der SPD besonders der Aufschwung in Ostdeutschland am Herzen liegt, fordert sie die Weitergewährung der 12%igen Investitionszulage bis 31. Dezember 1993. Hierzu verweise ich auf den SPD-Antrag „Gemeinschaftsinitiative neue Länder".
Zur Begründung gebe ich Ihnen den Standpunkt der Industrie- und Handelskammer Leipzig zur Kenntnis.
Sie gestatten eine Zwischenfrage von Herrn Faltlhauser? - Bitte.
Könnten Sie sich, Herr Kollege, vorstellen, daß Ihr Antrag, diesem Gesetz heute einen Art. 11 a anzufügen, überflüssig wird, wenn Sie hören, daß die Bundesregierung notwendigerweise erst nächste Woche im Rahmen der Haushaltsberatungen und des Haushaltsbeschlusses der Bundesregierung eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes beschließen wird, der inhaltlich eine Verbesserung des jetzigen Rechtszustandes darstellen wird, der eine Verbesserung der Investitionszulage auch von den Terminen her vorsehen wird, der aber haushaltspolitisch logischerweise natürlich voll abgestimmt sein muß, weil das Ganze viele Milliarden kostet?
Was Sie vorhaben, ist eine Ankündigung. Dazu kann ich noch nichts sagen. Wir wollen den Vertrauensschutz gewähren: Es soll so weitergehen, wie im Gesetz bisher angekündigt. Das sind die 12 % und nicht ab 1. Juli die 8 %.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Könnten Sie mir folgen, wenn ich für den Gedanken werbe, daß das Vorhaben, dessen Verabschiedung Sie heute verlangen, notwendigerweise im Gesamtzusammenhang des Bundeshaushaltes zu sehen ist und deshalb auch erst in der nächsten Woche von der Bundesregierung und dieser Koalition verabschiedet werden kann?
Wir haben dazu einen anderen Standpunkt.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Poß?
Ja, bitte.
Herr Kollege Weißgerber, können Sie mir in der Auffassung folgen, daß eine vernünftig arbeitende Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so gestaltet, daß sie von dem Termin der Beratung des Bundeshaushalts unabhängig ist?
Sicher.
({0})
- Ich mache jetzt weiter, danke schön.
Ich möchte Ihnen die Meinung der Industrie- und Handelskammer Leipzig zur Kenntnis geben - dies gilt sicher für Gesamtostdeutschland, nicht nur allein für Leipzig -: Danach wäre ein Auslaufen der 12%igen Investitionszulage zum 30. Juni 1992 für die
wirtschaftliche Entwicklung im Osten verheerend. Die Unlust zu investieren würde in diesem Fall steigen.
Fördermittel, Zuschüsse etc. können gewährt werden, die gesetzliche Investitionszulage dagegen muß gewährt werden. Dies ist der einzig fest kalkulierbare Faktor für investionswillige Unternehmer. Die klein- und mittelständischen Betriebe benötigen diese finanzielle Planungssicherheit, um zu überleben bzw. anfangen zu können. Gerade in Regionen wie der Stadt Leipzig, wo keine Firma mehr irgendwelche Landesfördermittel erhält, muß diese einzige Hilfsquelle erhalten werden. Auch dort ist man noch lange nicht über den Berg.
Die Investitionszulage ist das wirksamste Instrument zur Förderung von privaten Investitionen. Die Bundesregierung selbst führte zur Problematik aus:
Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, daß sich die für Investitionen in den neuen Bundesländern gewährte Investitionszulage als besonders attraktiv erwiesen hat.
({1})
Ihre Ausgestaltung als Basisförderung mit Rechtsanspruch, Unabhängigkeit von Gewinnerzielung und Verzicht auf branchenmäßige .. . Beschränkungen macht die Investitionszulage für die Unternehmen besonders gut kalkulierbar und erhöht damit die Planungssicherheit für Investoren.
Dies war die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Grünewald vom 2. Juni dieses Jahres.
({2})
Einen wichtigen Aspekt muß ich noch erwähnen. Am 21. Juni 1991 begründete Herr Grünewald in der Bundesratssitzung die damalige Verlängerung der Investitionszulage um sechs Monate folgendermaßen:
Die Verlängerung der Frist für die Investitionszulage von 12 % berücksichtigt, daß viele Investitionswillige wegen inzwischen allerdings Gott sei Dank beseitigter Hemmnisse nicht sofort mit ihrem Vorhaben beginnen konnten.
Beim Lesen dieses Zitats fühle ich mich verschaukelt. Erstens haben wir ein Jahr nach diesen Ausführungen noch genügend Hemmnisse, und zweitens reichen diese immer noch als ordentliche Begründung für die von uns beantragte Verlängerung aus.
({3})
Da bekanntermaßen der Bundestag heute, am 26. Juni 1992, ein Jahr später, über die damals irrigerweise durch Herrn Grünewald bereits totgesagten Hemmnisse noch beraten wird, kann ich nicht erkennen, inwiefern die damalige Begründung heute nicht tragen soll.
({4})
Wer bis heute nicht weiß, ob er auf dem Grundstück, welches er benötigt, bauen kann, der kann ganz einfach noch keine beweglichen Wirtschaftsgüter bestellen.
({5})
Er kommt also nicht in den Genuß der Investitionszulage. Dies ist die reale Folge und steht somit gegen das durch die Bundesregierung propagierte Vertrauen in deren Wirtschaftspolitik. Hier geht ein weiteres Mal wertvolles Vertrauen den Bach hinunter.
({6})
Übrigens sollten uns die damit zunächst verbundenen Steuerausfälle nicht abschrecken. Ein mißlungenes Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland wird alle Kostenkategorien sprengen.
({7})
Dies erkannte sogar der Bundeswirtschaftsminister.
({8})
Im Wirtschaftsausschuß erklärte er seinen Willen, die Investitionszulage bis Dezember 1993 zu verlängern, übrigens mit ähnlichen Begründungen, wie ich sie gerade nannte.
Graf Lambsdorff erklärte gestern im „Handelsblatt":
Die Verlängerung ist notwendig, weil die Investitionshemmnisse bisher die Auswirkungen der Zulage verhindert haben.
Ich enthalte mich eines Kommentars.
({9})
Bitte, stimmen Sie unserem Antrag zu. Diese Bitte richte ich besonders an unsere Kollegen aus Ostdeutschland. Im Anschluß an diese Debatte wird es eine namentliche Abstimmung geben. Ich nehme an, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern werden sich die Abstimmungsergebnisse mit Interesse ansehen. Bitte denken Sie daran, woher Sie kommen.
({10})
Als nächster spricht der Kollege Gerhard Schüßler.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren: Wir verabschieden heute ein ungeliebtes Gesetz. Es beinhaltet die Umstellung der vom EG-Ministerrat beschlossenen Richtlinien zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Ab 1. Januar 1993 sollen innergemeinschaftlich die steuerlichen Grenzen bei der Umsatzsteuer entfallen. Im Rahmen einer Übergangsregelung wird bei der Besteuerung zum weitaus größten Teil nach dem Bestimmungslandprinzip verfahren. Das Ursprungslandprinzip wird allerdings schon für den gesamten privaten Reiseverkehr verwirklicht.
Der private Verbraucher kann ab 1. Januar 1993 ohne wert- und mengenmäßige Beschränkungen Waren, die er in einem anderen EG-Mitgliedstaat, mit
der dortigen Umsatzsteuer belastet, erworben hat, in sein Heimatland mitbringen. Bei privaten Verbrauchern gilt also das Ursprungslandprinzip.
Die Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip sollte nach unserer Überzeugung auch für den innergemeinschaftlichen gewerblichen Handel gelten. Das war in Brüssel nicht durchzusetzen. Alle anderen europäischen Partner waren dagegen, weil sie fiskalische Nachteile befürchteten.
Nun müssen wir für eine Übergangszeit mit dem Bestimmungslandprinzip leben. Die unbestrittene Folge ist, daß die Kontrollen an den Grenzen jetzt in die Unternehmen und Finanzbehörden verlagert werden, d. h. höherer Verwaltungsaufwand, mehr Bürokratie für Finanzbehörden und Wirtschaft. Die mit dem Europäischen Binnenmarkt angestrebten Kostenvorteile treten damit nicht ein. Die Bundesrepublik Deutschland muß daher alles dafür tun, daß nach der vereinbarten Übergangszeit ab 1997 zum Ursprungslandprinzip übergegangen werden kann.
({0})
Die Bundesregierung sollte schon jetzt damit beginnen, die Vorarbeiten dafür voranzutreiben, damit sie bei Übernahme der Präsidentschaft im Ministerrat ein konsensfähiges Konzept für ein künftiges ClearingVerfahren vorlegen kann. Mit der gleichzeitig mit diesem Gesetz zu verabschiedenden Entschließung machen wir schon jetzt deutlich, daß wir die Übergangsregelung nur mit der notwendigen Befristung hinnehmen wollen.
Positiv anzumerken ist die Abschaffung der Verbrauchsteuer auf Leuchtmittel, Salz, Zucker und Tee im Gesamtvolumen von 500 Millionen DM. Es ist sicher kein alltäglicher Vorgang, daß Steuern abgeschafft werden. Insoweit ist das einen besonderen Hinweis wert.
Die F.D.P. stimmt dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung trotz erheblicher Vorbehalte zu, um den freien Personen- und Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft ohne Grenzkontrollen nicht zu gefährden.
Den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, eine Änderung des Investitionszulagengesetzes mit einem Art. 11 a in diesem Gesetzentwurf unterzubringen, lehnen wir ab,
({1})
da er erstens mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu hat, folglich auch nicht hineingehört, und wir es zweitens als falsch erachtet haben, vor den Entscheidungen des Bundeskabinetts über ein Konzept zur Verbesserung des Förderinstrumentariums für Investitionen in den neuen Bundesländern isoliert zu entscheiden.
({2})
Allerdings läßt die F.D.P.-Fraktion keinen Zweifel daran, daß sie die Verlängerung der Investitionszulage für notwendig hält; denn die fünf neuen Bundesländer befinden sich wirklich in einer Ausnahmesitu8474
ation, die die Fortsetzung und den Einsatz der Investitionszulage erforderlich machen. Wie das zu geschehen hat, darüber werden wir uns in der kommenden Woche unterhalten. Wir wissen, daß sich die Investitionszulage in den neuen Bundesländern als besonders attraktiv erwiesen hat.
Danke schön.
({3})
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt spricht Frau Dr. Höll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der europäische Einigungsprozeß, soweit er sich im Rahmen der EG vollzieht, ist vorrangig wirtschafts- und währungspolitisch ausgerichtet.
({0})
Die Rednerin kann erst sprechen, wenn im Saal die Voraussetzungen gegeben sind. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen und zuzuhören.
Die Finanzierung der EG ist jedoch weder für das kommende Jahr noch für die mit der Schaffung des Europäischen Währungsinstituts am 1. Januar 1994 beginnende zweite Phase der Wirtschafts- und Währungsunion gesichert.
Die zwölf Außenminister waren sich am vergangenen Wochenende nur darin einig, daß auch auf dem nächsten EG-Gipfel keine konkreten Zahlen festgelegt werden dürften, um den Ratifizierungsprozeß des Maastrichter Vertrags nicht zu stören. Die künftige Finanzierung der EG bleibt ungewiß, und verbindliche Aussagen und Festlegungen zur Politischen Union, vor allem zur Aufwertung des Europäischen Parlaments, liegen nicht vor.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Bundesregierung mittlerweile unter Erfolgsdruck geraten ist. Von den Richtlinien der Kommission zur Verwirklichung des Binnenmarktes müssen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bis zum 1. Januar 1993 noch weit über 100 festgelegt werden, die in bundesdeutsche Gesetze und Verordnungen eingearbeitet werden müssen.
Dieses Gesetz gibt mit den in ihm enthaltenen Bestimmungen, die Lösungen vorgaukeln und aufschieben, einen Vorgeschmack auf das, was auf uns alle zukommen wird: hektische Beratungen unter Zeitdruck, die bestenfalls zu Teillösungen führen werden. Selbst der Vertrag über die Europäische Union sieht eine über die Vergemeinschaftung der Umsatzsteuer hinausgehende Angleichung des Steuerrechts nicht vor.
Der Bundesrat verlangt, daß die Befristung der Besteuerung des gewerblichen innergemeinschaftlichen Warenverkehrs nach dem Bestimmungslandprinzip Eingang in das Gesetz findet. Die Argumente, mit denen die Bundesregierung eine solche Festschreibung ablehnt, offenbaren ihr Dilemma. Da die
Ausgestaltung des endgültigen Systems der Besteuerung unbekannt ist, muß sie sich die Option auf eine Verlängerung der sogenannten Übergangsregelung offenhalten. So würde aus dem Übergang übergangslos ein Dauerzustand.
Führwahr eine Regelung, die für die Umsetzung anderer Richtlinien des EG-Ministerrats und für das Funktionieren des Binnenmarktes wenig Gutes erwarten läßt.
Die mit dem Gesetz auch ins Leben gerufenen Nachweise für steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen liegen nicht vor. Der Entwurf einer Durchführungsverordnung zur praktischen Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen ist erst jetzt vorgelegt worden.
Frau Dr. Höll, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin immer wieder unterbrochen worden.
Dann kommen Sie bitte rasch zum Ende.
({0})
Danke. Ich bin auch gleich fertig.
Die Funktionsfähigkeit dieses Systems hängt von dringend benötigten Rechtsverordnungen sowie von Identifikationsnummern ab, die für die Zuteilung der innergemeinschaftlichen Umsätze benötigt werden. Die Zuteilung dieser Nummern müßte in allen EG-Ländern bis zum Beginn des Binnenmarkts, also in knapp einem halben Jahr, abgeschlossen sein. Die Spitzenverbände der Wirtschaft baten um einen Vordruck für die ihnen abverlangten zusammenfassenden Meldungen über ihre Umsätze innerhalb der EG. Ende Mai lag ein Entwurf noch nicht vor.
Die PDS/Linke Liste lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Unser Nein ist kein Ausdruck
({0})
einer antieuropäischen Haltung. Wer aber glaubt, die schnellstmögliche Einführung eines grenzenlosen Binnenmarkts sowie eine gemeinsame Geld- und Währungspolitik garantierten Europas Einigung, der hat auf Sand gebaut. Wir sehen uns in dieser Frage eher an der Seite von Neil Kinnock als an der Seite der europäischen Bejahungsspezialisten um Björn Engholm.
Dem vorgelegten Änderungsantrag der SPD stimmt die PDS/Linke Liste zu.
Ich danke Ihnen.
({1})
Meine Damen und Herren! Wir schließen die Aussprache.
Bevor wir zur namentlichen Abstimmung kommen, liegen noch drei Wortmeldungen zur Abgabe einer
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
persönlichen Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor. Ich beginne mit dem Kollegen Gerhard Schulz und bitte dringlich um mehr Ruhe im Raum. Es ist überhaupt nichts mehr zu verstehen.
Herr Gerhard Schulz, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich gebe diese Erklärung ab, weil aller Voraussicht nach einige weitere CDU-Abgeordnete mit mir bei der jetzigen Abstimmung mit der SPD stimmen werden.
({0}) - Der Beifall ist nicht so toll.
Seit Monaten wird von Wirtschaftspolitikern, von CDU-Politikern und von F.D.P.-Politikern darüber gesprochen, daß die Verlängerung der 12 % notwendig ist. Wir haben einige Gründe gehört. Auch ich kann die nur als richtig benennen.
Seit einigen wenigen Stunden wird uns signalisiert, daß in der nächsten Woche etwas im Kabinett beschlossen werden soll, worüber wir in der Fraktion etwas hören werden. Es heißt, daß das schon gutgehen wird. Das reicht mir nicht.
({1})
So schwer es mir fällt - solange ich nicht sehe, daß ein Äquivalent für die Kürzung der 12 % wirklich da und handhabbar ist, kann ich dem jetzt gestellten Antrag meine Zustimmung nicht verweigern.
Danke.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Grafen Lambsdorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Zwischenintervention aus zwei Gründen gemeldet.
Erstens. Der Kollege Weißgerber hat mich richtig zitiert. Ich bin für eine Verlängerung der Investitionszulage.
Zweitens. Ich bin aber nicht dafür, daß solche Beschlüsse aus der Hüfte geschossen mit einem solchen Antrag beschlossen werden.
({0})
Wir werden diese Entscheidung im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts abgewogen und vernünftig treffen.
({1})
Es wird dem Rechnung getragen werden, was für die Investitionen in den fünf neuen Bundesländern notwendig und erforderlich ist.
({2})
Zweite Bemerkung zu dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz. Ich hoffe, es ist jedermann klar, daß sich auch diejenigen - ich zähle mich dazu -, die eine
einheitliche europäische Währung wollen, völlig darüber bewußt sein müssen, daß der Punkt, den wir heute besprechen, für das Zustandekommen des Binnenmarktes schädlicher ist als die noch nicht vorhandene europäische Währung. Die nicht einheitliche Handhabung der Umsatzsteuern hindert einen Binnenmarkt mehr als unterschiedliche Währungen. Deswegen wird die Bundesregierung dringend gebeten, dieses Manko der steuerlichen Regelungen für den Binnenmarkt so schnell wie möglich zu beseitigen.
({3})
Eine dritte Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung, Bundesminister Krause.
Frau Präsidentin! Ich möchte die Gelegenheit nehmen und darauf hinweisen, daß ich als Abgeordneter spreche.
Ich bin der Meinung, daß wir dem Vorschlag der SPD nicht zustimmen können, weil er in dieser Form undifferenziert und unzureichend, vor allem aus der Sicht der ostdeutschen Existenzgründer, ist. Deshalb bin ich auch der Meinung, daß wir wesentlich differenzierter darüber nachdenken müssen, wie wir Mitnahmeeffekte bei der Investitionszulage, die heute schon erkennbar sind, vermeiden und wie wir erreichen können, daß der wirtschaftliche Umschwung, vor allem für die Menschen in Ostdeutschland, durch eine Unterstützung von neuen Existenzgründungen möglich wird.
Deshalb kann ich diesem Vorschlag nicht zustimmen, weil er nicht einer Strategie der Ergänzung der Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern entspricht, sondern letztendlich eine Maßnahme ist, die vielleicht auch darauf abzielt, die Investitionszulagen in den Händen derjenigen, die ohnehin in Ostdeutschland investieren wollen, noch um 4 % zu erhöhen. Daher muß ich Ihnen sagen, daß unser Modell - wir werden das nächste Woche als Mehrheitsfraktion dieser Regierung in der Fraktion entsprechend vortragen - drei Elemente hat.
Erstens. Investitionszulagen müssen in Ostdeutschland statt Abschreibungsmodellen möglich werden.
Herr Bundesminister Krause, bleiben Sie jetzt bei der persönlichen Erklärung?
Zweitens.
({0})
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir mit Investitionszulagen die Wirtschaftspolitik in Richtung Ost- und Mitteleuropa nicht verändern können.
Drittens. Wir müssen uns darüber klar werden, daß wir den ostdeutschen Unternehmern die Chance geben müssen, bei der Treuhandanstalt vereinfacht Unternehmen zu erwerben. Das ist unser Konzept.
Dr. Günther Krause ({1}) Vielen Dank.
({2})
Letzte Meldung, Frau Matthäus-Maier.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Graf Lambsdorff, es handelt sich nicht um einen Schuß aus der Hüfte. Seit Wochen fordern wir die Verlängerung der Investitionszulage und haben sie im Finanzausschuß eingebracht.
({0})
Zweitens. Sie drücken sich vor den notwendigen Entscheidungen. Die Wirtschaft in West und Ost braucht Klarheit, die Menschen in West und Ost brauchen Klarheit.
({1})
Wenn Ihre Koalition nicht mehr die Kraft hat, die notwendigen Entscheidungen für den Aufbau im Osten zu treffen, dann muß es dieses Parlament tun. Nehmen wir uns ein Beispiel an gestern abend.
({2})
Damit kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 12/2463, 12/2691 und 12/2906.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2908 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses im Saal, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?
({0})
Ich höre jetzt, daß die Abstimmung endgültig geschlossen werden kann. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird nach dem nächsten Tagesordnungspunkt bekanntgegeben.*) Erst dann können wir über den Gesetzentwurf weiter abstimmen.
Wir setzen die Beratung fort.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. - Sie können sich ruhig hinsetzen, meine Damen und Herren, die Abstimmung ist in der Tat zu Ende.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15a - ({0})
*) Seite 8521 B
Meine Damen und Herren, die Präsidentin hat Ihnen eben bekanntgegeben, daß wir das Ergebnis dieser namentlichen Abstimmung erst später bekanntgeben werden, damit wir mit der Tagesordnung fortfahren können. Erst dann können wir über das Gesetz endgültig abstimmen. Damit scheint Einverständnis zu herrschen.
Deshalb rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 15 a auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ältestenrates zum zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission des Altestenrates zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands
- Drucksache 12/2850 Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Erhebt sich gegen diese Vereinbarung ein Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Professor Süssmuth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission des Altestenrates vom 17. Juni 1992.
Seit dem Beschluß des Deutschen Bundestages am 20. Juni 1991, nach der Herstellung der deutschen Einheit Parlament und Regierung wieder in der deutschen Hauptstadt Berlin anzusiedeln, ist bis heute ein Jahr vergangen. Wir haben seit diesem Beschluß intensiv gearbeitet, um ihn umzusetzen und nichts zu verzögern, um dem Beschluß entsprechend seiner Verbindlichkeit und Endgültigkeit nachzukommen; wir waren und sind der Überzeugung, dies dient Bonn und Berlin.
Zur Umsetzung des Beschlusses war - wie vorgesehen - eine Föderalismuskommission einzurichten, die ihre Aufgaben ebenfalls innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes erarbeitet und beschlossen hat.
Wir haben im Ältestenrat die Konzeptkommission mit den Unterkommissionen - Baukommission sowie Personal- und Sozialkommission - eingesetzt.
Worum ging es beim ersten und geht es heute beim zweiten Zwischenbericht? Es ging um die Umsetzung von Fragen nach der räumlichen Unterbringung in Berlin mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit und die endgültige Funktionsfähigkeit. Es ging um den Raumbedarf zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit. Es ging aber ebenso um Fragen der Wohnungsversorgung, des Verkehrs, des Personal- und Dienstrechts bis hin zu der Festlegung des Gebietes für das Parlament mit all seinen baulichen Einrichtungen.
Die Baukommission hat die notwendigen organisatorischen und planerischen Gestaltungsentscheidungen für die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages in Berlin vorbereitet, die Personal- und SozialkomDr. Rita Süssmuth
mission die dienstrechtlichen, tarifrechtlichen und wohnungsfürsorgerischen Maßnahmen mitgestaltet und die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Abgeordneten der Fraktionen und der Bundestagsverwaltung zu wahren gesucht.
Ich möchte hier heute stellvertretend insbesondere dem Kollegen Kansy für die Baukommission, Herrn Kollegen Becker für die Personal- und Sozialkommission sowie der Kollegin Frau Hämmerle und Herrn Ministerpräsident Vogel für die Unabhängige Föderalismuskommission für die dort geleistete Arbeit ganz herzlich danken.
({0})
Sie alle haben in der Öffentlichkeit erfahren können, wie schwierig die Arbeit, vor allen Dingen die Arbeit der Föderalismuskommission, war.
Der erste Zwischenbericht vom 11. Dezember 1991 und der heute vorliegende zweite Zwischenbericht der Konzeptkommission beweisen, daß das Parlament in der Lage ist, in Fragen, die viele Menschen unmittelbar betreffen, für Ausgleich zu sorgen und Entscheidungen zu treffen, und dies innerhalb der gesetzten Zeit; denn es galt, dem Parlament für den 30. Juni 1992 einen Bericht vorzulegen, der für Beschlüsse dienlich ist. Dies geschieht mit dem heute vorgelegten zweiten Zwischenbericht.
Dabei ist es gerade in der Konzeptkommission auch unsere Aufgabe gewesen, entsprechend dem Beschluß für eine faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin Sorge zu tragen.
In unserem Ergebnisbericht halten wir folgendes fest: Wir haben beschlossen, das Reichstagsgebäude als endgültigen Sitz des Deutschen Bundestages festzulegen und umzubauen. Ich kann Ihnen heute sagen: Das Raum- und Funktionsprogramm wurde festgelegt. Die Ausschreibung mit internationaler Beteiligung für den Umbau des Reichstagsgebäudes ist erfolgt, ebenso die Festlegung des Parlamentsgebietes in Absprache mit der Regierung. Auch für das Regierungsgebiet ist die Auslobung für den Spreebogen erfolgt. Deshalb können wir heute sagen: Wir haben unsere Hausaufgaben erfüllt.
Wir werden immer wieder gefragt, ob wir für Berlin höhere Ansprüche stellen als für Bonn. Dazu kann ich nur sagen: Für die Arbeitsfähigkeit erwartet kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages mehr an Raum, als er gegenwärtig in Bonn hat.
({1})
In der Tat sind wir allerdings der Auffassung, daß Umbau oder Neubau, der in Berlin getätigt wird, nicht zu neuen Provisorien führt, sondern daß endgültige Sanierungs-, Umbau- oder Neubaumaßnahmen durchgeführt werden, um Kosten zu ersparen.
Wir haben die Wohnungsfrage - dazu wird der Kollege Kansy gleich Stellung nehmen -, die Grundstücksfrage und die Frage der Altbauten in Berlin, die hinzugezogen werden sollen, intensiv diskutiert.
Ich möchte heute sagen: Wir haben uns fest darauf geeinigt, daß wir im Bereich der Wohnungsfürsorge die Wohnungen mit nach Berlin bringen müssen.
({2})
damit es nicht zu einer Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt kommt.
Es gibt noch kontroverse Punkte. Sie betreffen insbesondere die Frage der Arbeitsteilung in bezug auf die Ministerien, die vertikale Arbeitsteilung. Wir haben darüber mehrfach Diskussionen geführt und werden diesen Punkt weiter diskutieren. Ich stelle allerdings auch fest, wir wollen zügig arbeiten und wollen gewährleisten, daß die Bautätigkeit beschleunigt wird, deswegen Baugesellschaft ohne baubegleitende Planung. Auch hier gibt es noch zu präzisierende Punkte.
Ich halte abschließend fest: Der Beschluß vom 20. Juni 1991 wird in allen seinen Teilen umgesetzt. Alle Vorbereitungen sind bisher zügig und ohne vermeidbare Verzögerung erfolgt. Mutmaßungen von einer Seite, der Umzug des Parlaments nach Berlin werde künstlich verzögert, und von anderer Seite, der Umzug solle überstürzt in Provisorien erfolgen, entbehren jeder Grundlage.
({3})
Wenn wir für die Arbeitsfähigkeit sagen, so schnell wie möglich, dann können wir heute in der Tat keinen ganz präzisen Zeitpunkt angeben. Er orientiert sich an der Fertigstellung des Umbaus des Reichstages, aber uns liegt daran, daß mit der heutigen Debatte Klarheit und Verbindlichkeit gewahrt bleiben und daß für alle Beteiligten deutlich wird, wir wollen den Beschluß in allen Teilen umsetzen, einen fairen Ausgleich zwischen Bonn und Berlin, gerade was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft. Es gilt, draußen deutlich zu machen, die Bevölkerung kann sich auf unsere Beschlüsse verlassen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Helmuth Becker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Etwa ein Jahr nach dem Beschluß des Parlaments, seinen Sitz von Bonn nach Berlin zu verlegen, gilt es, Bilanz zu ziehen.
({0})
Die Frau Präsidentin hat es eben schon für die Konzeptkommission getan. Ich möchte für die Personal- und Sozialkommission etwas sagen.
Der Beschluß vom 20. Juni hat bei den Mitarbeiterinnen und den Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung, der Fraktionen und der Abgeordneten zu Einschnitten in die persönliche Lebensplanung geführt. Die Betroffenheit bei den Beschäftigten war verständlicherweise sehr groß. Sie hat sich jedoch nach etwa einem Jahr Beratung in den verschiedenen Gremien des Bundestages und der Bundesregierung nach mei8478
Helmuth Becker ({1})
ner Einschätzung weitgehend gelegt. Dies ist vorrangig der sachlichen Diskussion in den Kommissionen und den Konzeptionen zu verdanken, die Parlament und Bundesregierung vorgelegt haben.
Zur Erinnerung möchte ich auf den Beschluß des Ältestenrates vom 9. September 1991 zurückblicken, mit dem eine Kommission für soziale, dienstrechtliche, tarifrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlamentssitzes nach Berlin eingesetzt wurde, deren Vorsitz ich übernommen habe. Aufgabe dieser Kommission ist es, sich mit Problemen zu befassen, die sich für die Angehörigen der Bundestagsverwaltung, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten aus dem Umzugsbeschluß des Parlaments ergeben.
Der Bundesminister des Innern hat zwischenzeitlich ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das weitgehend dazu beitragen wird, die mit dem Umzug verbundenen Belastungen bei den Betroffenen zu mildern. Dieses Paket bildet die Rahmenbedingungen für die dienstrechtlichen Regelungen für die Beamten und die tarifrechtlichen und einzelarbeitsvertraglichen Bestimmungen für die Angestellten und Arbeiter. In dieses Konzept werden die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung unmittelbar mit einbezogen. Der Personal- und Sozialkommission ist es von Beginn ihrer Beratung an ein besonderes Anliegen gewesen, daß die Bundesregierung ihre Absicht verwirklicht, die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung, der Fraktionen und der Abgeordneten gleichzubehandeln. Nach Einschätzung der Kommission kann nur auf diese Weise das Ziel erreicht werden, das sich die Personal- und Sozialkommission gesetzt hat, daß niemand gegen seinen Willen nach Berlin umziehen muß.
Die Personal- und Sozialkommission hat bei ihren Beratungen in bisher neun Sitzungen den Schwerpunkt auf die Wohnungssituation in Berlin gelegt. Nach dem von der Bundesregierung erhobenen quantitativen Wohnungsbedarf möchte die Personal- und Sozialkommission auch die qualitativen Gesichtspunkte gewahrt wissen. Beim Informationsbesuch in Berlin und im Lande Brandenburg am 12. Februar 1992 konnten sich die Mitglieder der Kommission vor Ort in Gesprächen mit den zuständigen Dienststellen davon überzeugen, daß den Umziehenden angemessener Wohnraum zu vergleichbaren Verhältnissen wie in Bonn zur Verfügung gestellt werden muß, um die Attraktivität des Umzugs zu erhöhen.
Zur Ermittlung des Wohnungsbedarfs in qualitativer Hinsicht hat die Personal- und Sozialkommission im April/Mai 1992 eine Umfrage zur Wohnungs- und Sozialsituation bei den Beschäftigten der Bundestagsverwaltung, der Fraktionen, Gruppen und Abgeordneten durchgeführt. Bezogen auf den Wohnbedarf hat sich gezeigt, daß durch alle Einkommensschichten hindurch etwa 50 % aller Beschäftigten Wohneigentum im Bonner Bereich besitzen. Bereits jetzt zeigt sich, daß die Beschäftigten im Falle eines Umzugs nach Berlin hinsichtlich der Wohnungsbedingungen nur wenige Abstriche machen wollen. Dem steht ein erheblich höheres Kostenniveau in Berlin entgegen,
das nach dem derzeitigen Stand die Wohnungsansprüche unbezahlbar macht.
Die Lösung dieser Problematik ist für die Stärkung der Umzugsbereitschaft nach Berlin von herausragender Bedeutung. Ob dabei nur zur Objektförderung des Wohnungsbaus, also zur verbilligten Zurverfügungstellung von Wohnraum, oder zur Subjektförderung, also zu Wohnkostenzuschüssen, oder darüber hinaus zu fürsorgerechtlichen Maßnahmen gegriffen wird, bedarf noch weiterer Abklärung und wird insbesondere Gegenstand unserer Beratungen im Herbst 1992 sein.
Bei dieser Frage wie auch insgesamt bei den Beratungen zeigt sich, daß Planungen der Personal- und Sozialkommission dann konkrete Formen annehmen können, wenn genauere Daten zum Umzug, insbesondere zum Umzugszeitpunkt vorliegen. Insofern ergibt sich eine enge Verzahnung mit den Beratungen der anderen Kommissionen des Ältestenrates.
An dieser Stelle möchte ich besonders auf die Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen hinweisen. Sowohl die Personalräte der Bundestagsverwaltung als auch der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und die Gewerkschaften und Berufsverbände beim Deutschen Bundestag sowie die Vertretungen der Mitarbeiter der Abgeordneten wurden in alle Beratungen der Kommission mit einbezogen. Die Diskussionen können als äußerst fruchtbar bezeichnet werden, so daß deren Anregungen in die Beratungsergebnisse einfließen konnten. Gleichzeitig konnte auf diese Weise den in weitem Umfang vorhandenen Ängsten der Beschäftigten entgegengewirkt werden, weil deutlich gemacht werden konnte, daß nicht am grünen Tisch über die Lebensplanung einzelner entschieden wird.
Lassen Sie mich zum Schluß noch sagen: Breiten Raum nahmen in den Beratungen der Personal- und Sozialkommission die Konzeptionen der Bundesregierung und der FöderalismusKommission ein, Arbeitsplätze in Bonn zu erhalten bzw. nach Bonn zu verlagern. Durch die geplanten Behördenverlegungen dürfte erreicht werden, daß eine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit insbesondere für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mir geringeren Einkommen erhalten bleiben. Mir scheint es dabei besonders wichtig zu sein, daß in die Vorschläge zur Verlegung von Bundesbehörden auch Behörden wie die Außenstelle des Statistischen Bundesamtes in Berlin mit einbezogen wurden, die gerade Bediensteten dieser Einkommensschichten Arbeitsmöglichkeiten bieten.
Mit der geplanten Personalbörse müßte es nicht nur für die Beschäftigten bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages, sondern auch für die Beschäftigten bei den Fraktionen und Abgeordneten möglich sein, bei den in Bonn verbleibenden oder einzurichtenden Behörden unterzukommen. In weitreichendem Maße kann dann ein einfacher Austausch der Behörde erfolgen, ohne daß die Beschäftigten ihren Lebensraum verlassen müssen.
Abschließend möchte ich kurz in die Zukunft blikken. Die Wohnungssituation wird weiterhin eine herausragende Rolle spielen. Erste Gespräche mit dem
Helmuth Becker ({2})
Bundesinnenminister, dem Bundesfinanzminister und dem Bundesbauminister haben bereits stattgefunden; sie werden nach der Sommerpause fortgesetzt. Dabei sollen die bisherigen abstrakten Überlegungen in konkrete Einzelprojekte Eingang finden, mit denen den Betroffenen genauere Angaben zu den Wohnverhältnissen in Berlin gemacht werden können.
Mein Dank gilt allen Mitgliedern der Kommission wie auch den Vertretern der Bundesregierung, die durch ihre Mitarbeit zu einem aus meiner Sicht erfreulichen Ergebnis der Arbeit der Personal- und Sozialkommission beigetragen haben.
Ich will Sie mit zwei Zahlen noch einmal auf die Situation in Berlin und hier aufmerksam machen. In Berlin arbeiten gegenwärtig 57 000 Bedienstete bei den Bundesbehörden. Dabei sind die etwa 50 000 Beschäftigten im nachgeordneten Bereich bei den Generaldirektionen der Bundesbahn und 50 000 Beschäftigte bei der Deutschen Bundespost nicht mitgerechnet; diese Zahlen umfassen auch diejenigen Beschäftigten in den neuen Bundesländern.
Alles in allem: Wenn wir in guter Zusammenarbeit zwischen Personalvertretungen und allen Mitgliedern unserer Kommission so weitermachen wie bisher, dann glaube ich, daß wir allen Ängsten und Befürchtungen der hier in Bonn Beschäftigten die Grundlage wesentlich entziehen können. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine weitere gute Arbeit.
({3})
Als nächster spricht der Abgeordnete Dietmar Kansy.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beim Umzug nach Berlin spielen Baumaßnahmen eine entscheidende - natürlich nicht die alleinige - Rolle. So ist es nicht verwunderlich, daß Umfang, Dauer, Kosten und Umstände dieser Maßnahmen berechtigterweise als ein Gradmesser dafür betrachtet werden: Wie ernst ist der Wille, möglichst schnell nach Berlin zu kommen?
Leider eignen sich diese Maßnahmen auch für einige wenige verbliebene Grabenkämpfer - mehr im Bereich der Medien als der Politik - dazu, die Schlachten von gestern immer wieder neu zu schlagen, obwohl wir in der Baukommission und in allen anderen Kommissionen vom ersten Tage unserer Arbeit an über alle Fraktionsgrenzen hinweg stets nach dem Prinzip gearbeitet haben: Der Beschluß vom 20. Juni ist unumstößlich. Es geht jetzt um das Wie und nicht mehr um das Ob. Warum also Zweifel am baulichen Konzept, Kritik an dem angeblich zu großen Umfang der Baumaßnahmen, Vorwürfe zum Zeitpunkt des Umzugs trotz vielfacher Erklärung von uns - wobei es den Berlinern zu langsam und den Bonnern zu schnell geht -, warum Polemiken über Kosten, wobei einerseits Vorwürfe zu hören sind, die Kosten seien viel zu hoch, und andererseits Vorwürfe, wir würden keine Kosten angeben?
Ich möchte als Vorsitzender der Baukommission, die sich in sehr intensiver Arbeit mit Fakten und nicht mit Emotionen befaßt, diese Plenardebatte dazu nutzen, einiges klarzustellen.
Der Deutsche Bundestag ist ein Arbeitsparlament. Für die Arbeitsfähigkeit - die Präsidentin hat es gesagt - haben wir den Raumbedarf entsprechend dem Status quo in Bonn zum Zeitpunkt der Abstimmung festgelegt, ohne irgendwelche Bonner Neubauten. Ich lade die Bürgerinnen und Bürger und auch manche lautstarken Kritiker in den Medien ein, sich anzusehen, unter welchen räumlichen Verhältnissen wir schon hier in Bonn arbeiten. Der Deutsche Bundestag besteht ja nicht nur aus ein paar hundert Parlamentariern. Es sind fast 4 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von unseren Sekretärinnen in den Büros bis zu Wissenschaftlern in den Enquete-Kommissionen. Wir brauchen vernünftige Flächen, wenn wir in dieser schwierigen Zeit arbeiten wollen. Das war unser Anspruch. Die 125 000 Quadratmeter Hauptnutzfläche, die wir in Bonn haben - ich sage noch einmal: die nicht ausreichend sind -, haben wir zur Grundlage der Arbeitsfähigkeit in Berlin genommen. Wer hier kritisiert, bringt das Parlament an den Rand der Arbeitsunfähigkeit.
Es wird immer wieder die Frage gestellt: Warum gehen Sie nicht in die vielen Altbauten, die wir in Ostberlin haben? Erstens sind nicht alle sofort verfügbar. Wir haben sie fast alle besichtigt. Zweitens gehen wir ja zum erheblichen Teil dorthin. Die Ministerien für Außenhandel und für Volksbildung und die ehemalige Pädagogische Akademie - vom Reichstag und dem Reichstagspräsidentenpalais will ich gar nicht reden - sind wichtige Bausteine zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit. Die ehemaligen DDR-Ministerien der Justiz und der Kultur, das Gebäude der ehemaligen Generalstaatsanwaltschaft und andere haben wir bereits für die Zwecke des Deutschen Bundestags gesichert.
Zum Reichstag hat die Frau Präsidentin schon Stellung genommen. Ich möchte nur noch einmal wiederholen: Dieser Bau, zu dem wir uns nach langer Diskussion durchgerungen haben, verkörpert den schwierigen Weg Deutschlands zur Einheit in Freiheit und Demokratie. Es wird eine Riesenherausforderung werden, den Architektenwettbewerb, den wir mit der Abgabefrist 23. Oktober dieses Jahres ausgelobt haben, vernünftig zu gestalten. Das Preisgericht dafür wird vom 7. bis 9. und vom 27. bis 29. Januar 1993 tagen.
Zweitens, meine Damen und Herren, geht es - und das ist genauso wichtig wie das eigentliche Reichstagsgebäude - um die Gestaltung des Parlamentsviertels. Für das Areal des sogenannten inneren und äußeren Spreebogens sowie des östlich des Reichstags liegenden Dorotheenblocks haben wir bereits am 25. März einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb mit der Abgabefrist 12. Oktober 1992 ausgelobt. Das Preisgericht wird zweimal im Dezember dieses Jahres tagen.
Dies ist die erste Stufe. Ich möchte nur noch sagen: Für die volle Funktionsfähigkeit des Bundestags, also weit nach dem Umzugstermin, haben wir einen Raumbedarf von insgesamt 185 000 Quadratmetern Hauptnutzfläche vorgesehen und eine Raumreserve von 30 000 Quadratmetern, die weit in das nächste Jahrhundert reicht.
Meine Damen und Herren, im Februar nächsten Jahres - dies ist auch eine Antwort auf die Frage: Warum ist in Berlin nichts zu sehen? - werden die beiden Wettbewerbsergebnisse, die sehr eng aufeinander abgestimmt werden müssen, in einem zweiten Kolloquium- ich hoffe, wir nennen es diesmal „Bundestag Berlin"; das würde dann schon der Situation entsprechen ({0})
mit der Öffentlichkeit diskutiert. Dann kommt eine Überarbeitungsphase von etwa einem Vierteljahr. Erst dann können Detailplanung, Entwurf, Ausschreibung, Vergabe und Bau folgen.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die von der Präsidentin bereits erwähnte neu zu gründende Baugesellschaft des Bundes arbeitsfähig sein. Sie wird bundeseigen sein, aber privatrechtlich organisiert. Diese Form haben wir gewählt, um privatwirtschaftliches Handeln mit der grundgesetzlich vorgeschriebenen haushaltsrechtlichen Verantwortung des Bundes in Einklang zu bringen.
Weil mir die Zeit die Möglichkeit versperrt, Details darzulegen, möchte ich vor uns selber, aber auch vor der Öffentlichkeit bekennen: Wir werden uns als Parlament in der Planungsphase über einen Beirat intensiv beteiligen, aber es wird nicht erneut eine baubegleitende Planung geben, bei der wir Parlamentarier bis zum Schluß herumfummeln, selbst wenn die Gebäude schon im Bau sind. Es hat irgendwann einmal Schluß zu sein, und dann wird vernünftig gebaut. Das wird auch dem Terminplan guttun.
Meine Damen und Herren, wir haben in dem Bericht bewußt keine Termine genannt, obwohl wir in der Baukommission Schätzungen vorgenommen haben, und zwar deshalb, weil uns der Abschluß der von mir schon erwähnten Wettbewerbe Anfang 1993 für eine seriöse Angabe der Zeiträume unabdingbar erscheint. Ich verhehle nicht: Um so enttäuschter sind wir, daß dies zu Vorwürfen und Spekulationen geführt hat. Berliner Stimmen „Der Umzug in ein wirklich arbeitsfähiges Parlament war doch in vier Jahren zu schaffen! " sind ebensowenig sachorientiert wie Bonner Stimmen, die immer vom nächsten Jahrhundert reden.
({1})
Beide Aussagen sind falsch. Ich verbürge mich - ich sage das in der Öffentlichkeit - als Vorsitzender der Baukommission dafür, daß wir weiter zügig und zielgerichtet arbeiten. Sollte das durch irgend jemanden behindert werden, werde ich das auch öffentlich sagen.
({2})
Aus ähnlichen Gründen wie bei den Terminen haben wir bei den Baukosten in diesem Bericht auf Angaben verzichtet. Selbstverständlich ist auch hier vorgedacht und in dem heute möglichen Rahmen diskutiert worden. Aber, meine Damen und Herren, man muß sich vor Augen führen, daß nur die Kosten zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit umzugsbedingt
sind, weil alles andere über den Status quo Bonn hinaus automatisch auch in Bonn zur Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit angefallen wäre.
Weiter muß man sich vergegenwärtigen, daß diese Kosten - ich würde einmal sagen: die Bauhauptkosten - erst ab etwa 1995 und dann auf die nächsten 10 Jahre verteilt anfallen werden. Um aber auch hier unverantwortlichen Spekulationen und Aussagen etwas Paroli zu bieten, darf ich Sie auf einige Grobschätzungen in Anlage 3 des Berichts des Ältestenrats und der Konzeptkommission verweisen. Dort sind beispielsweise für den Deutschen Bundestag 3 Milliarden DM aufgeführt, davon 1 Milliarde DM nicht umzugsbedingt. Für die Bundesregierung sind grob 4 Milliarden DM angegeben, davon 1 Milliarde DM nicht umzugsbedingt. Für die öffentlichen Anteile für die Wohnraumversorgung von Regierungs- und Parlamentsmitarbeitern ist eine Größenordnung von bis zu 2 Milliarden DM enthalten, für die Verkehrsinvestitionen, die nur auf Grund des Umzugs von Parlament und Regierung erforderlich werden, ca. 3 Milliarden DM. Hinzu kommen Planungs- und Grundstückskosten, Personalumsetzungskosten sowie die Hilfen für die Stadt Bonn und die Region Bonn, zu der wir alle stehen. Dies aber ist eine Dimension, die mit manchen Veröffentlichungen der letzten Monate in den Medien überhaupt nichts zu tun hat. Ich möchte dies in dieser Debatte klarstellen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei den Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung, den verschiedenen Ministerien und des Berliner Senats - Herr Regierender Bürgermeister, es war eine gute Zusammenarbeit - bedanken. Die Sitzungen gingen oft bis spät in die Nacht. Wir werden weiterarbeiten; ich hoffe, daß Sie uns, was Ihre Mitarbeit betrifft, in demselben Maße unterstützen, wie das in den vergangenen Monaten der Fall war.
Vielen Dank.
({4})
Als nächster spricht der Abgeordnete Professor Jürgen Starnick.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir vor einem Jahr an dieser Stelle über den Sitz des Deutschen Bundestages und der Regierung voller Emotion, Hoffnung, Ängste, letztlich aber im Bewußtsein unserer Verantwortung für die Entwicklung des wiedervereinigten deutschen Staates diskutierten, war deutlich geworden, daß es nicht in erster Linie um das Schicksal von Bonn und Berlin geht - obwohl regionale Interessenlagen in einer solchen Diskussion nie auszuklammern sind -, sondern daß wir vor allem den Ansatz für den Weg suchten, den ein wiedervereinigter, aber doch neuer gemeinsamer deutscher Staat gehen sollte, den Ansatz für seine Identität, für sein Verhältnis zur deutschen Geschichte, für seine Einordnung in Europa, für sein Gewicht in der internationalen Völkergemeinschaft und last, not least für die ZukunftsDr. Jürgen Starnick
perspektive und das Wohlergehen der Bürger, die in ihm leben.
Deshalb ist wohl auch im Zusammenhang mit der heutigen Debatte die Frage erlaubt: Wo stehen wir heute? Können wir der Hoffnung sein, daß sich die mit der Wiedervereinigung verbundenen Erwartungen erfüllen, oder überwiegen die Enttäuschungen?
In Berlin, wo die mit der Gewinnung der inneren Einheit verbundenen Probleme unvergleichlich stärker sichtbar werden als anderswo, wo die Menschen mit den durch die Teilung bedingten unterschiedlichen Lebenserfahrungen unmittelbar aufeinandertreffen und sich aneinander reiben, wo der Prozeß des Aufeinanderzugehens und des sich miteinander Auseinandersetzens beispielhaft und wohl auch stellvertretend für das gesamte Deutschland geführt wird, kann man sich zur Zeit nicht des Eindrucks erwehren, daß das, was Honecker durch die eigenstaatliche Identität der DDR zu erreichen versuchte, was dennoch in der 40jährigen Geschichte des Nebeneinanders von Bundesrepublik und DDR nicht gelang, nämlich die Deutschen auseinanderzudividieren, heute zwanglos vonstatten geht.
({0})
Die einerseits wohl fälschlich erweckten, überzogenen Erwartungen, mit der Einführung der D-Mark und der Wiedervereinigung ließen sich die gleichen Lebensbedingungen und nahezu gleicher Wohlstand für alle Deutschen schlagartig erreichen, und die zufriedene Selbstbezogenheit andererseits, die dann in Unzufriedenheit umschlägt, wenn Anstrengungen abgefordert werden, läßt die Deutschen in Ost und West heute weiter voneinander entfernt erscheinen als je zuvor.
Viele, die vor einem Jahr in der Debatte wirtschaftliche und soziale Auswirkungen einer Entscheidung über den Sitz des Parlamentes und die damit verbundene persönliche Betroffenheit nicht gering erachteten, gleichwohl die Bedeutung dieser Entscheidung für die Überwindung der deutschen Teilung und das Finden eines neuen Selbstverständnisses in den Vordergrund stellten, mögen dieses wohl schon geahnt haben.
Es mag deshalb nicht verwunderlich sein, daß die Frage, wie Parlament und Regierung mit der Entscheidung vom 20. Juni vorigen Jahres umgehen, als Prüfstein des guten Willens und für das Aufeinanderzugehen der Menschen zwischen Ost und West verstanden wird. Am Umgang mit diesem Beschluß wird von den Bürgern draußen auch die Glaubwürdigkeit der Politik gemessen. Um so wichtiger ist es, daß der Beschluß vom 20. Juni Bestand hat.
({1})
Ich bin deshalb den Kollegen in meiner Fraktion, aber auch denen der anderen Fraktionen außerordentlich dankbar, daß sie sich nach anfänglichen vereinzelten Bestrebungen, den Beschluß vom 20. Juni zu revidieren, in eindeutiger Mehrheit und mit Entschiedenheit dafür ausgesprochen haben, den
Beschluß umzusetzen und nicht mehr in Frage stellen zu lassen.
({2})
Ich habe als Berliner großen Respekt vor jenen, die im vorigen Jahr engagiert, ja leidenschaftlich für Bonn gefochten haben, aber heute klar und unzweifelhaft für die Verwirklichung dieses Beschlusses eintreten.
({3})
Für viele, die ihren Wahlkreis in der Umgebung von Bonn haben, Frau Matthäus-Maier, ist dies sicherlich keine populäre Haltung.
In Berlin werde ich oft gefragt, wie lange die Politiker in Bonn die Berliner noch schmoren lassen wollten, wann denn endlich konkrete Schritte für den Umzug des Parlamentes nach Berlin zu erkennen sein würden. Wenn ich darauf antworte, daß das, was der Bundestag am 20. Juni vorigen Jahres beschlossen hat, nämlich innerhalb von vier Jahren die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes in Berlin zu erreichen, nicht realisierbar sei, sondern die Jahre 1997, 1998 einen realistischen Zeitpunkt für die volle Arbeitsaufnahme des Parlamentes in Berlin darstellten, so löse ich in der Regel Betroffenheit oder jenen mitleidigen Blick aus, der ausdrückt: Was bist du doch als Berliner Politiker in Bonn für eine Flasche.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bonner Umfeld: Auch wir Berliner haben unser Kreuz zu tragen. Um so wichtiger ist es, daß wir uns davon nicht irritieren lassen, sondern vielmehr gemeinsam darangehen, alles Notwendige für Berlin und Bonn zu richten.
Die Konzeptkommission hat unter Assistenz der Baukommission für Berlin ein gutes Stück Arbeit geleistet. Sie hat einhellig den Umzug nach Berlin als eine nationale Aufgabe begriffen, die nicht nur Angelegenheit des Parlamentes und der Regierung in Bonn, selbstverständlich auch der Berliner sei, sondern auch eine Angelegenheit, die alle Deutschen betrifft. Den Berlinern mag der Gedanke noch recht fremd sein, daß ihre kleine, ehemals eingemauerte Insel Berlin nicht mehr allein ihre Stadt, sondern die Hauptstadt aller Deutschen ist und daß diese die Berechtigung haben, sich in Berlin einzumischen.
Spätestens durch die Tatsache, daß sich nicht nur deutsche Architekten und Städteplaner in großer Anzahl am städtebaulichen Wettbewerb für die Umgebung des Reichstagsgebäudes beteiligen, sondern daß dieser Wettbewerb eine weite internationale Aufmerksamkeit erfährt, wird deutlich werden, welch große Herausforderung mit der Umsetzung des Beschlusses vom 20. Juni verbunden ist.
Dabei will das Parlament nach Meinung der Konzeptkommission in Berlin nicht pompös oder monströs auftreten. Es versteht sich als ein bürgernahes Parlament und will dies auch durch die Art der Bauten zum Ausdruck gebracht wissen.
({4})
Das Reichstagsgebäude soll nicht Repräsentationsort,
sondern Arbeitsstätte sein. Wir Berliner mußten
erkennen, daß das Reichstagsgebäude gegenwärtig diesen Anspruch nicht erfüllen kann, sondern daß bauliche Verbesserungen erforderlich sind, wodurch der Ablauf des Reichstagsumbaues zum Taktgeber für den Umzug des Deutschen Bundestages nach Berlin wird. Man mag in Berlin manch böses Wort darüber verlieren. Aber Berlin hat nichts davon, wenn der Deutsche Bundestag nicht mit aller Kraft und in gewohnter Intensität am neuen Ort arbeiten kann und deshalb noch mit einem Standbein in Bonn bleibt.
({5})
So eröffnet sich auch die Chance, daß zeitgleich mit dem Umbau des Reichstagsgebäudes in seiner Umgebung Neubauten errichtet werden, durch die mehr als jene Arbeitsfähigkeit gewährleistet werden kann, die im Beschluß vom 20. Juni gemeint war.
Berlin kann aber andererseits erwarten, daß in Bonn nunmehr der Mut aufgebracht wird, einen Zeitplan für den Umzug von Parlament und Regierung zu erarbeiten, an dem sich die Beteiligten zu orientieren haben werden. Dies wird nach der Sommerpause die wesentliche Aufgabe der Konzeptkommission - in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung - darstellen. Um einen solchen Zeitplan auch einhalten zu können, sind Konzept- und Baukommission, wie Herr Kansy schon sagte, festen Willens, sich von jenen Unwägbarkeiten zu befreien, die bisher den Ablauf der Baumaßnahmen am Parlamentsgebäude in Bonn bestimmt haben. Es bedarf eines straff geführten Baumanagements, das uns Parlamentarier vor der Versuchung bewahrt, baubegleitend zu planen. Natürlich muß das Parlament auf seine Bauten in Berlin Einfluß nehmen können. Aber diese Einflußnahme hat mit dem Abschluß der Vorplanung zu enden. Eine privatrechtliche Baugesellschaft, wie sie in Konzept- und Baukommission bereits intensiv diskutiert und wie sie im vorliegenden Bericht im Grundansatz beschrieben wurde, ist dafür der richtige Ansatz. Über die Feinheiten der Konstruktion sollte man sich gleich nach der Sommerpause verständigen.
({6})
Auch Bonn, so meine ich, kann mit der Arbeit der Konzeptkommission zufrieden sein. Trotz mancher Fingerhakeleien zwischen Bonn-Anhängern und Berlin-Anhängern ist wohl allgemein anzuerkennen, daß die am 20. Juni formulierte Erwartung, eine faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin zu finden, von allen Mitgliedern der Konzeptkommission ernst genommen wurde. Wenn auch das von der Regierung gefundene Modell bezüglich der Standortverteilung von Ministerien oder von Teilen derselben von vielen als nicht optimal, von manchen als schädlich für die Zusammenarbeit von Parlament und Regierung angesehen wird,
({7})
so muß man doch anerkennen, daß durch die Bildung von Politikbereichen in Bonn ein Weg eröffnet wird, durch den Bonn eine veränderte, ja neue Identität erlangen kann, mit der sich diese Stadt wirtschaftlich behaupten, ja für die Wirtschaft auch attraktiv erscheinen kann.
Allerdings kann die Fürsorge für Bonn nicht Angelegenheit allein des Bundes sein. Das Land Nordrhein-Westfalen darf sich seiner Verantwortung für die Region Bonn nicht entziehen. Als Berliner weiß ich, daß es für die Entwicklung einer Stadt und einer Region auch schädlich sein kann, wenn man ihr eine bedrängte Lage allzusehr versüßt. Allzuviel Süße läßt die Zähne faulen; man verliert den Biß und sieht schnell alt aus.
Politik überzeugt durch Standhaftigkeit, mit der in ihr Argumente vertreten werden. Gleichwohl kann sie nicht statisch sein. Erlauben Sie mir deshalb, zu sagen, daß ich die acht in Bonn verbleibenden Bundesministerien als ein Faustpfand in Bonner Hand für das Versprechen betrachte, daß der Bund für die Entwicklung dieser Stadt verantwortlich bleibt.
({8})
- Das kommt ja noch. - Diese Verantwortlichkeit ist gerechtfertigt, weil diese verhältnismäßig kleine Stadt Bonn, außer daß sie eine Universitätsstadt ist, letztlich durch die Monostruktur als Verwaltungsstadt geprägt ist und weil es Jahrzehnte bedarf, eine solche Struktur zu ändern.
Träte aber nun der Fall ein, eine in diese Struktur passende große internationale Institution käme nach Bonn, so änderte dies doch erheblich die Geschäftsgrundlage für die bisher geführte Diskussion und den heute mehrheitlich gefundenen Konsens.
({9})
- Ja, das sage ich auch durchaus. - Bonn sollte sich unter dieser Konsequenz eine solche Chance nicht entgehen lassen; wäre es dann doch mehr als eine Bundesstadt.
({10})
In diesem Zusammenhang kann ich der Entscheidung der Bundesregierung, acht Ministerien in Bonn zu belassen, auch einen guten Aspekt abgewinnen. Ein Stichtagsumzug von Bundestag und Bundesregierung, wovon manche mir vermittelte Vorstellung spricht, wird wohl nicht zu bewerkstelligen sein. Einen Umzug nach Berlin wird man als Prozeß begreifen und strukturieren müssen, bei dem jene Komponenten, mit denen sich nicht die Konzeptkommission, sondern die Föderalismuskommission befaßt hat, einzubeziehen sind.
Ich will mich hier nicht mit den Beratungen der Föderalismuskommission auseinandersetzen, obwohl aus Berliner Sicht auf manche Ungereimtheiten aufmerksam zu machen wäre.
Aber die Realisierung dessen, was beide Kommissionen vorschlagen, muß Zug um Zug erfolgen. Denn dieser Prozeß muß für die große Anzahl der hiervon Betroffenen erträglich gestaltet werden.
({11})
Den Betroffenen muß die Möglichkeit eröffnet werden, am gegenwärtigen Beschäftigungsort unter dem Dach der öffentlichen Hand den Arbeitgeber zu wechDr. Jürgen Starnick
sein. Die Mitarbeiter des Deutschen Bundestags erwarten mit Recht von ihrem Arbeitgeber ein hohes Maß von Einsicht in ihre Belange und Flexibilität in der Art und Weise, wie sich dieser Prozeß für sie gestaltet.
Den Beschäftigten sollte deshalb schon frühzeitig die Möglichkeit eingeräumt werden, sich in der einen oder anderen Weise entweder nach Berlin oder in Bonn verbleibend neu zu orientieren. Soweit sie sich für Berlin entscheiden, sollte ihnen bereits jetzt der Weg eröffnet werden, Vorsorge für einen neuen Lebensbereich zu betreiben. Das gilt vor allem für Wohnungen. Die Tatsache, daß dem Bund in Berlin die Wohnungen der Alliierten zufallen, sollte von der Bundesregierung nicht als eine Klemme betrachtet werden, in die man kommt, weil zu befürchten ist, daß man bei einer zwischenzeitlichen Vermietung die Wohnungen nicht zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung hat, zu dem man sie benötigt, sondern als eine Chance, Mitarbeiter in Bonn für Berlin gewinnen zu können.
Auf jene 5 000 Wohnungen der Alliierten in Berlin sollten schon heute die Bundesbediensteten in Bonn, die sich für Berlin entscheiden, einen Zugriff haben. Dies wäre wohl auch eine Erleichterung für den angespannten Berliner Wohnungsmarkt, wo bereits heute die Nachfrage nach Wohnungen das Angebot übersteigt.
Ich sehe das rote Lämpchen vor mir leuchten. Ich darf deshalb, obwohl ich gern noch einiges angefügt hätte, abschließend sagen, daß es auf dem Weg des Deutschen Bundestags nach Berlin noch viele Hürden zu überwinden gibt. Manche mag das beruhigen, manche sogar erfreuen. Aber wenn wir es mit der Vollendung der Einheit Deutschlands ernst meinen, müssen wir unsere ganze Kraft darauf richten, dieses Ziel zu erreichen. Hierfür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
({12})
Als nächste spricht die Abgeordnete Angela Stachowa.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als an jenem denkwürdigen 20. Juni 1991 exakt um 21.49 Uhr die Schlacht der Argumente um Deutschlands Hauptstadt wohltuend zivilisiert geschlagen war und der Gewinner einen Namen hatte, standen am Schluß der Debatte die Worte: „Jetzt wird gefeiert." Heute befinden wir uns längst inmitten der Mühen der Ebenen, hatte doch ein trefflich formulierter Berlin-Antrag dereinst den Hauptstadtkuchen so verteilt, daß jede der beiden Seiten glauben konnte, sie habe das größte Stück erhalten. Spitze Zungen behaupten gar, daß Berlin allein den Titel, Bonn aber die Funktionen erhalten habe. Doch enthalten wir uns dieser Art von Polemik und erinnern wir uns kurz.
Die Entscheidung des Bundestages für den BerlinAntrag war zuvorderst eine politische und wurde zudem auch im Wissen um die zu diesem Zeitpunkt
unzureichenden sachlich-fachlichen Grundlagen des Für und Wider getroffen.
Zwei Überlegungen waren jedoch dominant; erstens die, daß Politik dort gemacht werden müsse, wo die Probleme der deutschen Politik, namentlich der Vollendung der Einheit Deutschlands, besonders spürbar seien; zweitens jene, daß eine Entscheidung für Berlin ein Votum für eine gleichberechtigte Entwicklung der fünf neuen Bundesländer sowie für integrative Ost-West-Beziehungen in Europa weit über die EG-Grenzen hinweg wäre.
Wenn die Konzeptkommission, deren Mitglied ich bin, ein Jahr danach in dem vorgelegten Bericht mehrheitlich feststellt, daß die zentralen Entscheidungen vorbereitet und getroffen seien, um die zügige und gleichberechtigte Verwirklichung des Beschlusses in allen seinen Teilen zu gewährleisten, so sollten wir diese Wertung - vornehmlich mit Blick auf die genannten Ansprüche - doch noch etwas intensiver hinterfragen. Niemand schätzt die jetzt geleistete immense Arbeit gering. Dennoch muß mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, daß der Sichtwinkel - abgesehen von verschiedenen Äußerungen zur Stadt Bonn -, nüchtern betrachtet, möglicherweise einige Nummern zu klein ist.
({0})
- Ich denke schon.
({1})
- Sie können das an den Unterschriften in der Anwesenheitsliste sehen. - Es sollte insgesamt, meine ich, etwas größer angedacht werden. Aber dies ist lediglich ein Zwischenbericht.
Lassen Sie mich dafür ein besonders plastisches Beispiel nennen. An einer einzigen Stelle im Bericht blickt, bezogen auf ein Teilproblem, etwas durch, was man ansatzweise als großen Atem bezeichnen könnte. Ich zitiere:
Das künftige Parlamentsviertel ist ein herausragender Ort in der Mitte Berlins, an dem die Chance besteht, mit einer neuen räumlichen und strukturellen Ordnung die über 40 Jahre getrennten Teile der Stadt wieder zusammenzufügen und diesem Bereich seine gesellschaftliche sowie städtebauliche Identität zurückzugeben.
Es ist zweifelsohne zweitens unumstritten, daß die Vorbereitung des Umzugs des Parlaments und die Ansiedlung der Kernbereiche der Regierungsfunktionen in Berlin mit Akribie betrieben werden müssen. Daß aber an die Ausgestaltung Berlins nahezu ausschließlich in der Fragestellung gedacht wird: Wie kann man die aufgeteilte alte Hauptstadt Bonn in Berlin unterbringen und wie Verkehr und Kommunikation zur Resthauptstadt Bonn bewerkstelligen?, ist politisch nicht zu verantworten. Während die ausführlichen geistigen Bemühungen um das Profil der Bundeshauptstadt Bonn im Bericht mit der sinnbildlichen Überschrift „Zukunft Bonns" eingeleitet werden, kann ich bisher weder im konzeptionellen noch im
praktischen Vorgehen Ansätze erkennen, die Zukunft Berlins in den Dimensionen der langfristig-schöpferischen Planung seiner neuen Gesamtfunktion bei einer gegebenen Kulturlandschaft in des Wortes weitestem Sinne vorzudenken.
({2})
Ganz gleich, was man nimmt, ob stadtstrukturelle Ordnungen, Wohnungen oder Mieten und Verkehr, all dies wird vorrangig aus der Sicht des Regierungs- und Parlamentsbedürfnisses gedacht und nicht in erster Linie aus der Sicht der in dieser Stadt wie in ihrem Umland lebenden Menschen, von der nachhaltigen Förderung einer zukunftsorientierten Wirtschaftsstruktur und dem Ausbau von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur ganz zu schweigen.
Gerade weil dem so ist, weil keine markanten Orientierungseckpunkte gesetzt werden, wächst in Berlin von Tag zu Tag die Gefahr der weiteren Eskalation von Fehlentwicklungen in Gestalt des Davongaloppierens der Bodenpreise, der Mietexplosionen, des Wohnungsnotstandes, der Arbeitslosigkeit, des Kahlschlages in der Kultur - um hier nur einiges zu nennen.
Man muß deshalb keine prophetische Gabe besitzen, wenn man schon jetzt feststellt, daß so etwa um das Jahr 2000 herum, wenn der Beschluß des Bundestages vielleicht verwirklicht sein wird, deutsche Politik genau dort gemacht wird, wo die Probleme der deutschen Einheit besonders spürbar sein werden, falls jetzt nicht die notwendige Korrektur erfolgt. So weit aber wollte der eingangs genannte Aspekt der politischen Entscheidung für Berlin wohl doch nicht gedacht worden sein.
Die Mehrzahl der Abgeordneten der Gruppe PDS/ Linke Liste ist deshalb der Auffassung, daß schnellstmöglich ein Umdenken erfolgen muß. Nicht das Forcieren von Teilplanungen, sondern die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts ist nötig - deshalb unser vorliegender Entschließungsantrag in Drucksache 12/2850. Wir sind der Meinung, daß weitere Einzelentscheidungen ohne trag- und mehrheitsfähiges Gesamtkonzept die Gestaltung der deutschen Hauptstadt und die Vollendung der Einheit Deutschlands nicht befördern, sondern unnötig teuer und komplizierter werden lassen. Damit wäre aber weder den Menschen in Berlin noch den Befürwortern Berlins und in der Endkonsequenz auch nicht den Anhängern Bonns gedient.
Verantwortliche Entscheidung durch den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung und nicht vorschnelles Schaffen von Fakten ohne Gesamtkonzept, das müßte unsere Devise sein. Ich rufe dazu auf.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Als nächster spricht der Kollege Franz Müntefering.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Präsidentin hat vorhin den Vorsitzenden der Kommissionen des Ältestenrates für deren Arbeit gedankt. Sie hat sich natürlich nicht selbst miteinbezogen. Ich finde aber, wir sollten als Bundestag ihr ein herzliches Dankeschön für ihre Arbeit an der Spitze der Konzeptkommission sagen.
({0})
Umziehen ist eine komplizierte Angelegenheit; das haben wir in dem Jahr gelernt. Das gilt generell; aber das gilt besonders, wenn Zehntausende von Menschen mit ihren Familien umziehen, wenn man in eine städtebauliche Gemengelage hineingeht, die ein Stück kompliziert ist, wenn der Zielort einige hundert Kilometer weit weg ist und wenn die Institutionen, um die es geht, hier Bundestag und Regierung, handlungsfähig bleiben müssen, auch in der Phase des Umzugs. Das ist eine komplizierte Angelegenheit; das haben wir gelernt.
Der Umzug nach Berlin ist eine Aufgabe von allerhöchster Komplexität, eine Aufgabe, die wir zu erfüllen haben. Die Logistik für diese Arbeit müssen wir erst langsam aufbauen, sowohl beim Bundestag und bei der Bundesregierung als auch in Berlin und in Bonn. Da gibt es viele Dinge, die aufeinander abgestimmt werden müssen.
Es gibt bisher kein schuldhaftes Verzögern bei der Umsetzung des Beschlusses vom 20. Juni 1991. Wenn es eine Änderung des Terminplans, der vorgegeben war, gegeben hat, dann liegt das daran, daß der Beschluß im Grundsatz klar, aber in diesem Detail nicht realitätsnah war. Wir haben im Laufe des Jahres festgestellt: Das mit den vier Jahren wird nicht gehen. Wir werden im weiteren noch darüber zu sprechen haben, wann wir die genaue Terminfixierung für den Umzug des Deutschen Bundestages vornehmen können.
Ich bin dafür, daß wir dies sobald wie möglich machen; aber ich bin auch dafür, daß wir das erst dann tun, wenn wir den Termin verantwortlich benennen können. Wovor wir uns hüten müssen, ist, daß erneut ein Termin genannt wird, der irgendwann wieder in Frage steht. Wir müssen Mitte nächsten Jahres, wenn die Wettbewerbe ausgewertet sind und wenn vor allen Dingen für die Großbaustelle Spreebogen die nötigen Zeitplanungen durch die Baugesellschaft, die zu gründen ist, vorliegen, so schnell wie möglich miteinander festlegen: Das ist das Halbjahr, das ist das Jahr, in dem der Umzug stattfindet. Das muß dann auch klar sein, damit Berlin, Bonn und alle, die betroffen sind, auch wissen, woran sie sind.
({1})
Wir müssen aber auch sehen, daß das in Berlin eine Baustelle von außerordentlicher Intensität wird. Ich muß das so deutlich sagen, damit es draußen keine Illusion darüber gibt.
({2})
Es geht nicht nur darum, wie schnell man ein Haus, Ausschußsäle, Fraktionssäle und das Kanzleramt bauen kann, sondern es geht darum, wie man dies einigermaßen zeitgleich, synchronisiert mit vielen
anderen Aufgaben, die zu erfüllen sind, hinbekommt. Wir müssen sehen, daß es außer der Baustelle am Spreebogen, wenn die Bundesregierung nicht zu bremsen ist, 2 km weiter, in der Mitte von Berlin, noch eine geben wird, die ähnlich groß ist.
Wir müssen - ich will nicht sagen, es wird die dichteste Baustelle der Welt sein, aber etwas ähnliches wird es schon sein, auf 2,5 mal 1,5 km wird viel verbaut werden - genau wissen, daß die Logistik für diese Aufgabe der entscheidende Punkt ist, an dem wir gemessen werden. Deshalb müssen wir da genau sein. Deshalb muß die Baugesellschaft, die wir schaffen werden, so ausgestattet sein, daß sie das leisten kann.
({3})
Das können wir nicht selbst. Da müssen Profis ran. Das wollen wir denen gerne in die Hand geben - mit der nötigen Vorbereitung und Kontrolle.
Also: Umziehen ist kompliziert, aber Umziehen ist auch eine Chance. Umziehen ist eine Chance für Berlin, für Bonn und für den Bundestag. Für Berlin, wenn Berlin es schafft, sich als Bundeshauptstadt mit Bundestag und Bundespräsident, mit Kernbereichen der Bundesregierung als die Hauptstadt Deutschlands darzustellen. Es ist eine Chance für Bonn, wenn Bonn seine Möglichkeiten, die wir ihm geben werden, nutzt, von einer guten Ausgangsbasis seine Politikbereiche, so wie man es wünscht, auszubauen. Es ist eine Chance für den Bundestag, weil wir bei dieser Gelegenheit des Umzugs zweifelsfrei auch einige unserer alten Gewohnheiten überprüfen sollten. Da geht es um Funktionszusammenhänge, um die Rolle des Parlaments, um die Publikumsfreundlichkeit des Parlamentsgebäudes und um die Bedeutung wachsender Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.
({4})
Umziehen ist kompliziert. Umziehen ist eine Chance. Umziehen ist auch ein Risiko. Ein Risiko will ich ganz kurz benennen: Ich sehe es in der Arbeitsteilung der Bundesregierung, wie sie bisher vorgeschlagen worden ist. Die Vorstellung, daß zukünftig zehn Minister mit Ministerium in Berlin und acht in Bonn sein sollen, ist eine Vorstellung, die nicht einleuchtet. Deshalb setze ich noch einmal den Vorschlag dagegen, daß wir uns dafür entscheiden, daß natürlich das Kanzleramt, aber auch alle Ministerien und alle Minister ihren Dienstsitz in Berlin nehmen, daß aber alle Ministerien mit dem größten Teil ihres Ministeriumskörpers, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Bonn bleiben. Das ist nicht eine schmale Kopfstellenregelung nach Weng, das ist auch nicht eine Lösung nach Geißler, wonach alles in Bonn bleiben sollte, sondern das ist die praktikablere und vernünftigere Möglichkeit der Organisation von Regierung,
({5})
wobei man das immer noch mit einer vernünftigen Organisationsreform der Regierung selbst koppeln kann. Darauf sollten wir Wert legen.
({6})
Die Art und Weise, wie der Deutsche Bundestag seinen Beschluß vom 20. Juni 1991 umsetzt, wird das Bild vom Deutschen Bundestag in Deutschland in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten entscheidend mitprägen.
({7})
Deshalb ist das Wichtigste, was wir uns vornehmen müssen, Realitätssinn und Solidität im Sinne des Beschlusses. Mit Realitätssinn und Solidität haben wir es bisher gehalten, das werden wir auch weiterhin tun. Ich bin da ganz guter Dinge.
Vielen Dank.
({8})
Herr Müntefering, Sie haben das Podium schon verlassen, und Herr Weng steht erstaunt am Mikrophon.
({0})
Aber vielleicht kann er trotzdem noch seine Frage stellen?
Ich wollte, Frau Präsidentin, nur darauf hinweisen, daß wir mit diesem schmalen Kopfstellenmodell nicht abschließend festgelegt sind, sondern die Idee des Kollegen Müntefering sicherlich aufnehmen könnten, wenn hier nur über das Thema diskutiert würde.
({0})
- Das ist eine Kurzintervention.
Aber dazu müßte mein Antrag die nötige Zahl von Unterschriften haben, um das überhaupt in den Bundestag einbringen zu können. Deswegen wollte ich dem Kollegen raten, den Antrag zu unterschreiben.
({1})
- Das ist keine Schleichwerbung, das ist offene Werbung, Herr Conradi, im Unterschied zu dein, was Sie üblicherweise machen.
({2})
Ich darf nach § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung kurz antworten: Zunächst ist das Sache der Bundesregierung gewesen. Zu dieser Bundesregierung gehören ein paar Minister, denen Sie vielleicht nahebringen könnten, das noch einmal zu überlegen. Entscheiden Sie es aber gleich in der Fraktion, nicht im Präsidium, damit der Beschluß auch gilt, den Sie dann fassen.
({0})
Nun hat der Kollege Konrad Weiß das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Eindruck von dem, was sich im Bereich Umzug Bonn/Berlin tut, ist durchaus zwiespältig. Das ist zum
einen durch sachliche Arbeit gekennzeichnet, die ich anerkenne, in der Konzept- und Föderalismuskommission, in der Personal- und in der Baukommission, zum anderen aber auch durch das wiederholte und dumme Infragestellen unserer Entscheidung im vergangenen Jahr.
In dieser Woche findet in Bonn die 50. Demonstration statt. Ich respektiere das als Ausdruck echter Sorge. Aber ich frage mich: Wann findet in Bonn endlich die erste Demonstration statt gegen die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland, gegen die Wohnungsnot in Ostdeutschland, gegen die Enteignung in Ostdeutschland und dagegen, daß Hunderttausende Ostdeutscher mobil sein müssen, um ihrer Arbeit nachgehen zu können? Sie gehen ihrer Arbeit nach von Thüringen nach Bayern, von Ost-Berlin nach West-Berlin, von Sachsen-Anhalt nach Hessen.
Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren - und da teile ich die Einschätzung vieler Kollegen nicht -, daß in den Behörden durchaus gebremst wird. Wie anders ist es sonst zu erklären, daß ganze Heerscharen von Beamten nicht in der Lage sind, eine genaue Kalkulation für den Umzug zu erstellen, sondern statt dessen die abenteuerlichsten Summen in dreistelliger Milliardenhöhe kursieren, die im Grunde genommen kontraproduktiv sind? Leider unterstützt die Bundesregierung diese Versuche dadurch, daß sie - entgegen ihren Beteuerungen - ein Regierungssplitting für den Umzug vorsieht. Dies widerspricht eindeutig dem Hauptstadtbeschluß, wonach Bonn Verwaltungszentrum, aber nicht Regierungssitz bleiben soll.
Herr Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?
Ja.
Herr Weiß, Sie sprechen gerade von den großen Summen, die immer im Gespräch sind. Was würden Sie davon halten, wenn beispielsweise ein Gebäude Unter den Linden 13-15, das der Deutschen Bank heute mit Beschluß des Parlaments zugeschanzt werden soll, für das Parlament genutzt wird? Ich denke, ein Gebäude, das die Deutsche Bank nutzen kann, könnten wir auch ganz gut nutzen.
({0})
Ich teile durchaus Ihre Einschätzung, daß die Deutsche Bank nicht ganz arm ist und sicher auch in der Lage wäre, ein anderes Objekt zu erwerben, daß sie nicht auf das Almosen des Bundes angewiesen ist.
({0})
Ich frage mich also, meine Damen und Herren, ob die Bundesministerien für Verteidigung, für Bildung und Wissenschaft, für Gesundheit, für Landwirtschaft und für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach Auffassung der Bundesregierung wirklich so zweitrangig, so
unbedeutend und so überflüssig sind, daß sie sich nicht in Berlin sehen lassen können. Ich teile ja die Auffassung, daß das Ministerium für Verteidigung gern in Bonn bleiben kann und hier schrumpfen sollte; gegen eine weitere Ausdünnung der Regierung auf diese Art und Weise bin ich nicht.
Auf zwei Stühlen sitzt auf Dauer niemand gut, auch nicht ein breiter Kanzler. Dieses Splittingkonzept ist auf Dauer nicht tragfähig. Meine Erfahrung aus dem Petitionsausschuß, aus den Eingaben von vielen tausend Bürgerinnen und Bürgern ist, daß die Beamten ihren Ministern und ihren Staatssekretären schon heute auf der Nase herumtanzen, daß Entscheidungen herausgehen, die untragbar sind und dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden. Wie soll das erst werden, wenn die Katze aus dem Haus ist, der Kanzler in Berlin ist, aber die Beamten hier in Bonn sich selbst überlassen sind?
({1})
- Über Vergleiche kann man immer streiten; mir würde auch etwas anderes einfallen.
Es muß klar sein, meine Damen und Herren: Berlin ist das politische Zentrum Deutschlands.
Ich möchte Ihnen zwei Agenturmeldungen aus dieser Woche als Beleg für die tatsächlichen Verhältnisse nennen. In dieser Woche hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen, dem kränkelnden, dahinsiechenden, bedürftigen Bonn eine Soforthilfe von 150 Millionen DM zu gewähren, davon in diesem Jahr 50 Millionen DM. Die andere Agenturmeldung lautet: Dem Haushalt in Berlin fehlen für das kommende Jahr 8,4 Milliarden DM. Deshalb müssen dort Studienplätze abgebaut werden, muß das Wohngeld gekürzt werden. Deshalb müssen 3 500 Stellen im Senat abgebaut werden. Deshalb müssen die Kindergartenbeiträge erhöht werden.
Meine Damen und Herren, gestern haben wir im Deutschen Bundestag doch eine Debatte darüber geführt, daß Kinder und Kinderkriegen gefördert werden sollen. Ich habe viele schöne Worte gehört. Wo bleiben da die Taten? Was will Bonn mit dem Geld anfangen? Will es Kindergärten bauen oder neue überflüssige Prunkbauten wie das häßliche BonnMuseum, das in der vergangenen Woche eröffnet worden ist?
({2})
- Ich finde es häßlich; es ist ein wirklich häßliches Museum.
({3})
- Ich rede doch nur subjektiv, ich kann nicht objektiv reden, Sie, glaube ich, auch nicht. Sie können immer nur als „ich" reden, aber nicht als „wir". „Vom ich zum wir", das ist lange her, das gab es irgendwann einmal in der SED. Ich weiß nicht, ob Sie da Ihre Auffassung herhaben.
Herr Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Conradi?
Herr Abgeordneter Weiß, warum haben Sie uns damals, vor fünf Jahren, als wir beschlossen haben, dieses Museum zu bauen, nicht gesagt, daß die deutsche Einheit und der Hauptstadtbeschluß kämen?
({0})
Ich habe das zwar nicht vor fünf Jahren gesagt, Herr Conradi, aber bald danach. Vielleicht lesen Sie
- Sie sind ja ein gebildeter Mensch - gelegentlich „Die Zeit".
({0})
Hätten Sie das in der Vergangenheit getan, so wäre Ihnen nicht entgangen, daß ich das bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt gesagt habe.
({1})
- Nein, der Rohbau war noch nicht fertig.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Limbach?
Ja, gern.
Herr Kollege Weiß, wissen Sie wirklich nicht, daß die Soforthilfe für die Region Bonn deshalb notwendig ist, weil Bonn und die Region Strukturveränderungen in die Wege leiten und bewältigen müssen, und zwar auf Grund des Beschlusses vom 20. Juni des vergangenen Jahres sowie des damit verbundenen Verlusts von Arbeitsplätzen von etwa 10 % der hiesigen Bevölkerung? Das sind Zahlen, die erheblich sind. Ist es nicht ein Unterschied, ob in einem laufenden Haushalt Geld fehlt oder ob Strukturwandlungen, die durch einen Beschluß des Deutschen Bundestages erforderlich sind, mit sehr bescheidenen Summen gefördert werden müssen?
Ich weiß das durchaus, Frau Kollegin; ich respektiere das. Aber ich weiß auch, daß Berlin in ungleich höherem Maße mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist, ohne entsprechende Förderung zu bekommen.
Meine Damen und Herren, die Arbeit der Kommission ist durchaus zu würdigen. Ich will mir das allerdings hier ersparen. Meine Redezeit ist sehr knapp.
Ich will aber noch einige kritische Anmerkungen zu dem machen, was bisher beschlossen worden ist. Dazu gehört, daß der Umzug des Bundestages erst nach Herstellung der Arbeitsfähigkeit und unter Verzicht auf Provisorien stattfinden sollte. Ich denke, es stände dem Deutschen Bundestag gut an, das Schicksal, das Los von Hunderttausenden, von Millionen Deutschen zu teilen, die in diesen Zeiten mit Provisorien leben müssen. Wir können doch nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen und erst alles perfekt und fertig haben wollen, ehe wir uns von der Stelle bewegen.
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- In Berlin stehen bereits heute zehntausend - das kann der Regierende Bürgermeister sicher genau sagen - Wohnungen frei, die vom Bundesvermögensamt zurückgehalten werden. Die drohen zu verfallen.
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- Sicher, nicht so viel, aber immerhin Tausende. Der Regierende Bürgermeister wird Ihnen die genaue Zahl sicher nennen können. Es ist - so finde ich - ein Skandal, wenn Wohnungen, ohne daß ein Konzept dafür vorliegt, wann sie denn genutzt werden können
- ob in fünf, in sechs oder in acht Jahren -, vom Bundesvermögensamt, nicht vom Senat, leerstehen gelassen werden.
Meine Damen und Herren, die Verhandlungen über die Rechtsverhältnisse sind naturgemäß schwierig und nicht befriedigend. Aber ich denke, auch hier könnte bei mehr Engagement der Bonner Beamten durchaus einiges gemacht werden. Auch wenn die Klärung der Rechtsverhältnisse objektiv schwierig ist, so müßte es doch möglich gewesen sein, innerhalb eines Jahres zu befriedigenden Verhandlungsergebnissen zu kommen.
Eines will ich ganz klar sagen: Ich habe kein Verständnis für Spekulanten und für Ur-Ur-Uralterben, die darauf hoffen, vom Bund in großer Höhe entschädigt zu werden und deshalb auf ihren Grundstücken sitzen. Ich bin der Auffassung, daß man hier ganz schnell und ganz entschieden enteignen muß. Die Leute können zu einem angemessenen Preis entschädigt werden. Aber diese Grundstücke und Immobilien müssen unmittelbar für den Umzug zur Verfügung stehen.
Ich will ein Weiteres nennen: Ich glaube, daß die Großzügigkeit der Personalkommission durchaus nicht in die soziale Situation paßt, die wir in Ostdeutschland haben. Ich bin ostdeutscher Abgeordneter und kann nur als solcher sprechen. Ist es denn eine Strafe, in die deutsche Hauptstadt versetzt zu werden?
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Muß das denn wirklich mit großen Prämien bezahlt werden? Müssen denn Vorruhestandsregelungen gefunden werden, für die jeder Ostdeutsche zehn Jahre noch kostenlos arbeiten würde?
Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist um. Ich hätte noch mehr anzumerken. Ich glaube, der Zustand ist nicht befriedigend. Berlin ist Hauptstadt, und diese Bundesregierung muß endlich dementsprechend handeln.
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Als nächster spricht der Abgeordnete Dr. Franz Möller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf diese polemischen Rundumschläge und Unwahrheiten des Vorredners will ich nicht näher eingehen. Mit dieser Argumentation und mit diesen Überlegungen wären wir dem Beschluß, den wir vor einem Jahr gefaßt haben, mit Sicherheit nicht gerecht geworden.
Ich meine aber, daß es heute auch aus unserer Sicht angemessen ist, den vier Kommissionen, ihren Vorsitzenden und Mitgliedern, aber auch den Verwaltungen, insbesondere dem Arbeitsstab Berlin/Bonn im Bundesinnenministerium, für die hervorragende Arbeit herzlich zu danken, die sie in den letzten zwölf Monaten geleistet haben. Sie haben - durch die Berichte wird das bestätigt - Brücken über die Gräben geschlagen, die sich im vergangenen Jahr aufgetan haben. Das war eine der ganz wichtigen Auf gaben, die wir in den letzten zwölf Monaten zu bewältigen hatten. Dafür danken wir.
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Die heutige Beratung ist keine Fortsetzung der Debatte vom 20. Juni 1991. Die unterschiedlichen Auffassungen bestehen nach wie vor. Wir in der Region Bonn haben damals erklärt, den Beschluß zu respektieren, was wir auch getan haben. Heute geht es um die Umsetzung und um die Ausfüllung des Beschlusses des vergangenen Jahres.
Hinsichtlich des normativen Teils des Beschlusses vom 20. Juni, Sitz des Deutschen Bundestages ist Berlin, und seiner Umsetzung enthält der Bericht die einzelnen Schritte für die Arbeitsfähigkeit und volle Funktionsfähigkeit des Bundestages in Berlin.
Zu der Erwartung des Bundestages, daß die Bundesregierung den Kernbereich der Regierungsfunktionen nach Berlin verlegen soll, hat die Bundesregierung in ihrem Bericht eine Aufteilung der Ministerien vorgesehen. Der Kritik des Landes Berlin an dieser Aufgabenteilung ist entgegenzuhalten, daß in dem Beschluß vom 20. Juni an keiner Stelle eine komplette Verlagerung der Bundesregierung nach Berlin vorgesehen ist. Der Beschluß spricht nur vom Kernbereich der Regierungsfunktionen und sagt ausdrücklich, daß Bereiche der Ministerien und Teile der Regierung in Bonn verbleiben sollen. In der Begründung sagen die Verfasser des Beschlusses vom 20. Juni deutlich und klar, daß Regierungsstellen ihren Sitz in Berlin nehmen sollen.
Das wird durch den Beschluß der Konzeptkommission und auch des Ältestenrates jetzt umgesetzt. Bonn nimmt als Standort von wichtigen Ministerien, die mit der europäischen Entwicklung und anderen Politikbereichen zu tun haben, auch künftig wichtige politische Aufgaben wahr. Nur dadurch kann das weitere Ziel des Beschlusses vom vergangenen Jahr erreicht werden, den größten Teil der Arbeitsplätze in Bonn zu erhalten.
Andere konzeptionelle Überlegungen, die wir auch soeben wieder von Herrn Kollegen Müntefering und anderen Kollegen gehört haben, werden dem Beschluß vom 20. Juni nicht gerecht. Denn diese
Überlegungen beeinträchtigen etwa das Kopfstellenmodell und die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung in unvertretbarer Weise. Sie bergen insofern auch die Gefahr eines Rutschbahneffektes in sich und reduzieren die Rolle und die Funktion Bonns auf untergeordnete Verwaltungsfunktionen. Das wäre mit dem Grundsatz der fairen Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn nicht vereinbar.
Die Region Bonn, die als Bundeshauptstadt über 40 Jahre beim Aufbau und der Identifikation des demokratischen, an bundesstaatlichen Prinzipien orientierten Deutschlands Wesentliches geleistet hat, hat einen Anspruch darauf, auch weiterhin eine bedeutende Rolle im politischen Raum einzunehmen.
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Der Beschluß des Bundestages vom vergangenen Jahr wird zu Arbeitsplatzverlusten in den Ministerien in Höhe von etwa 23 000 Stellen führen. Weitere 25 000 Stellen kommen mittelbar hinzu. Durch den Beschluß der Föderalismuskommission werden aber nur 9 300 Arbeitsplätze wieder nach Bonn verlagert. Ich glaube, das steht in keinem gerechten Verhältnis. Ich will das jetzt nicht beklagen, sondern nur sagen, daß damit in Bonn weit über 30 000 Arbeitsplätze direkt und indirekt gefährdet sind.
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Das wird leider Gottes sehr schnell vergessen und der Eindruck erweckt, als wenn die Region den Schlag des vergangenen Jahres bereits verkraftet hätte. Dieser Eindruck ist falsch.
Die Region muß auf einer vollständigen Umsetzung des Beschlusses vom 20. Juni 1991 bestehen und den Bund in die Pflicht nehmen, als Veranlasser für die Folgen auch die finanzielle Verantwortung zu tragen und für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Die Ansiedlung von Arbeitsplätzen ist so lange durch den Bund zu fördern, bis der Verlust tatsächlich ausgeglichen ist. Eine Beteiligung der Region und der Länder ist nur bei Projekten gerechtfertigt, die nur teilweise mit dem Umzug in Verbindung stehen.
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Das hat die Konzeptkommission einvernehmlich festgestellt.
Besonderes Augenmerk werden wir auf die gesetzliche Regelung richten; die Bundesregierung hat das angekündigt.
Ein kurzer Ausblick: Trotz der jetzt erkennbaren Bemühungen der verschiedenen Kommissionen des Deutschen Bundestages und der Vorstellungen und Absichten der Bundesregierung bleibt der Beschluß vom 29. Juni schlecht - für Bonn, aber auch für Berlin.
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Mit dem heutigen Bericht wird jedoch eine faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin in den Grundrissen sichtbar. Diese Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin wird aber nur dann gelingen und
Bestand haben, wenn sich alle auf Dauer bemühen, in einem breiten Konsens auch die Auswirkungen zu tragen. Wir sind dazu bereit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Peter Conradi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer in den letzten Monaten die Presse verfolgt und in den Sitzungen der Kommissionen gut zugehört hat, hatte oft den Eindruck, es gehe um den Kampf zweier Städte, einen historischen Kampf wie zwischen Sparta und Athen - oder Böblingen und Sindelfingen -,
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um Berlin und Bonn.
Es gab ein manchmal ärgerliches, manchmal lächerliches Gefeilsche um vermeintliche Vorteile. „Im Verteilungskampf zwischen Bonn und Berlin", so schrieb eine Zeitung, „gibt es keine Schamgrenze". Manchmal hatte man den Eindruck, Bonn stehe symbolhaft für den Westen dieser Republik, der sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt, etwas abzugeben.
Ich habe Verständnis dafür, daß die Wunden der Entscheidung vom letzten Jahr schwer verheilen. Ich habe großes Verständnis für die Sorgen der Betroffenen, nicht ganz so großes für die Sorge der Betroffenen in der B-Besoldung. Wir nehmen diese Sorgen ernst. Der Zwischenbericht macht deutlich, daß wir uns um die Sorgen der Betroffenen, um ihre Zukunft kümmern. Aber das Stänkern und das Feilschen sollte jetzt aufhören. Bonn ist wichtig, Berlin ist wichtig; aber wichtiger als Bonn und Berlin ist die Arbeitsfähigkeit von Parlament und Regierung.
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Daß das Parlament und die Regierung bei der Umsetzung des Verteilungskonzepts der Bundesregierung arbeitsfähig sein werden, bezweifle ich: Zehn Ministerien in Berlin, acht in Bonn, erste und zweite Dienstsitze, viel Hin und Her - das alles überzeugt nicht. Das Modell befriedigt das Prestigebedürfnis Bonns - politisches Zentrum, zweiter Regierungssitz; das steht zwar alles nicht im Beschluß, aber es macht warm -, realistisch ist es nicht. Die Bonner Ministerien werden zweitklassig sein, weitab vom Parlament, weitab vom Bundeskanzler, weitab vom Bundesfinanzminister. Jeder zukünftige Bundeskanzler und jede zukünftige Bundeskanzlerin kann im Rahmen der Richtlinienkompetenz des Art. 65 des Grundgesetzes die Aufteilung der Ministerien ändern. Der Beschluß der Bundesregierung gibt Bonn keine Sicherheit.
Den Geißler-Vorschlag - die Regierung bleibt in Bonn, das Parlament geht nach Berlin - hat das Haus klar abgelehnt. Auch eine Neuauflage mit einem Kopfstellenmodell kommt nicht in Frage.
Der Beschluß vom 20. Juni will in Bonn ein Verwaltungszentrum des Bundes. Das wird am besten erreicht, wenn die überwiegend mit Verwaltungsaufgaben befaßten Regierungsstellen hier in großen Bundesverwaltungsämtern zusammengefaßt werden.
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Die Bearbeitung der Zahnarztrechnung des dritten Botschaftsrats im Tschad, die Sockenbestellung für den Bundesgrenzschutz oder die Überwachung des Hauptzollamtes in Lörrach sind keine politischen Aufgaben. Es kann viel mehr in Bonn verbleiben, als derzeit geplant wird.
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Das wäre eine große Chance für eine schlankere, beweglichere, politischere Bundesregierung. Es müßte eine Lust sein zu regieren. Wir sollten weiter darüber reden, ob der Verteilungsplan, der jetzt vorgeschlagen wird, wirklich das Gelbe vom Ei ist.
Bis jetzt reden wir vor allem von Quadratmetern, Gebäuden, Bauzeiten, Terminen und Geld. Die Aufgabe, Berlin mit dem Umzug von Parlament und Regierung zur Hauptstadt zu machen, ist aber nicht nur eine quantitative Aufgabe, sie ist vor allem eine qualitative Herausforderung. Was ist eine Hauptstadt? Wie stellt sich eine Hauptstadt, wie stellen sich Regierung und Parlament dar?
In Bonn haben wir auf der grünen Wiese gebaut; in Berlin ist die Geschichte überall präsent: die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, die Pläne und Bauten der Nazis wie der SED. Dort zu bauen ist eine geistige und eine kulturelle Aufgabe. Da müssen wir mit den Berlinern rücksichtsvoll umgehen, nicht wie eine neue Besatzungsmacht.
Es gibt einige ungute Beispiele, etwa wenn das Bundespräsidialamt verlangt, beide Spree-Uferwege am Schloß Bellevue aus Sicherheitsgründen zu sperren - ähnlich dann der Bundeskanzler -; oder wenn jetzt verlangt wird, das Opernpalais mit Bürokraten des Präsidialamts zu besetzen. Man könnte fast sagen, die Herren seien machtversessen.
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So jedenfalls sollte sich eine Demokratie in Berlin nicht aufführen.
Das gilt auch für den Plan der Bundesregierung, in der Mitte Berlins vier große Ministerien unterzubringen. Das ist unfreundlich, das erschlägt die Mitte der Stadt. Wir wollen dort die Mischung von Läden, von Bildung, von Restaurants, von Wohnen, auch von Büros. Dort kafkaesk Bürokratensilos zu bauen, in deren Gängen man auf Rollschuhen entlangfahren muß, ist kein guter Vorschlag. Warum sollte in Berlin nicht möglich sein, was in anderen Hauptstädten Usus ist, nämlich die Regierung, die Ministerien kreuz und quer in der Stadt in vielen Gebäuden unterzubringen?
Ich plädiere dafür, daß wir mit den Berlinern freundlich umgehen; wir kommen nicht als Gäste, wir
kommen, um zu bleiben. Wir wollen das Einverständnis der Berliner mit unseren Plänen, d. h. wir wollen sie in das, was wir vorhaben, einbeziehen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle: Wir haben am 20. Juni vorigen Jahres einen wichtigen und historischen Beschluß gefaßt und sind gemeinsam dabei, diesen umzusetzen.
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Im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen; und auch im Nachklang schien es zunächst so, als wenn sich die Gemüter nicht beruhigen könnten, Frau Matthäus-Maier. Dieser Beschluß ist aber Resultat eines demokratischen Meinungsprozesses; er verlangt unser aller Respekt, und er mahnt auch zur Friedenspflicht.
Inzwischen rauchen Berlin- und Bonn-Befürworter die Friedenspfeife. Je länger sie sie rauchen, um so mehr und besser schmeckt der Tabak. Die Zutaten können sich, so meine ich, durchaus sehen lassen. Der Zwischenbericht der Konzeptkommission führt sie aus.
Sowohl für die Glaubwürdigkeit des Deutschen Bundestages als auch für die Nation insgesamt scheint es mir von herausragender Bedeutung zu sein, noch einmal festzustellen, daß Berlin nicht nur Hauptstadt ist und Sitz des Bundestages sein wird, sondern eben auch Sitz der Bundesregierung. So klar dies mit dem Beschluß besiegelt ist, so klar ist die Konsequenz des Beschlusses, nämlich eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn. Deshalb heißt es im Beschluß der Bundesregierung eindeutig und unmißverständlich: Berlin ist Sitz der Bundesregierung, und das heißt: ohne Wenn und Aber.
Ich freue mich darüber, daß der Ausgleich für Bonn zu einer grundsätzlichen Sicherheit der Region führen wird. Deshalb mein Appell an die kleinen Minderheiten, die in den Medien häufig unverhältnismäßig großes Echo finden und damit einen falschen Eindruck vermitteln:
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Schließen auch Sie Ihren Frieden mit einem Beschluß, der unumkehrbar ist!
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Diese Unumkehrbarkeit ist nicht nur Folgerung des hier behandelten Beschlusses, sondern inzwischen politischer Wille - das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen - der großen Mehrheit des Deutschen Bundestages.
Für Berlin gab es nie Zweifel daran, daß mit dem Beschluß eine große Verpflichtung eingegangen wird und Berlin-Befürworter auch an ihrer Glaubwürdigkeit gemessen werden. Deshalb freuen wir Berliner uns, daß der Beschluß so umgesetzt wird, wie es der Bericht im wesentlichen dokumentiert. Besonders betont werden muß in diesem Zusammenhang die enge Zusammenarbeit zwischen Bau- und Konzeptkommission, die sich in der Praxis hervorragend bewährt hat.
Es ist bedauerlich, zu sehen, daß zeitliche Vorgaben nicht ganz eingehalten wurden; doch sind die zentralen Entscheidungen vorbereitet und schon getroffen worden. Eine zügige Umsetzung des Beschlusses muß gewährleistet werden.
Ich darf aber auch sagen: Die Berliner Bevölkerung möchte so schnell wie möglich Baukräne und tiefe Gruben sehen, wo gearbeitet wird. Das heißt: Aus der Diskussion hinein in die praktische Umsetzung!
Der Beschluß des 20. Juni will einen Ausgleich zwischen Bonn und Berlin. Der Ausgleich zwischen neuen und alten Bundesländern ist dabei von ebenso großer Bedeutung. Es bleibt festzustellen, daß sehr viele Kompromisse ausgearbeitet wurden, die nicht immer die Zustimmung Berlins gefunden haben. Das betrifft nicht nur, Herr Minister Seiters, die Aufteilung der Ministerien, sondern auch die problematische Formulierung wie die des ersten und des zweiten Dienstsitzes.
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Ist eine solche Formulierung nicht kontraproduktiv zur vollen Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Bundesregierung?
In Berlin, aber auch darüber hinaus auch in vielen Gebieten Deutschlands bleibt die Frage: Hätte der Umzug, vor allen Dingen der des Parlaments, nicht schneller und konsequenter vollzogen werden können? Die Differenzierung zwischen Arbeits- und voller Funktionsfähigkeit wird häufig verwischt.
Auch die Ergebnisse der Föderalismuskommission, über die wir gleich sprechen werden, sind aus Berliner Sicht nicht unproblematisch. Das betrifft nicht nur die Enttäuschungen Berlins über den geplanten Abzug des Bundesverwaltungsgerichts und wesentlicher weiterer Einrichtungen, sondern auch die Grundsatzfrage, ob hier wirklich eine gerechte Aufteilung im Sinne des Teilens zwischen den neuen und den alten Bundesländern stattgefunden hat. Ob es der Weisheit letzter Schluß ist, daß Institutionen, die im östlichen Teil Berlins gerade neu gestaltet wurden, jetzt wieder abgezogen werden, das wissen die Götter.
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Meine Damen und Herren, ich sage eindeutig, daß für mich der vorgesehene Schwerpunkt von Entwicklungs- und Europainstitutionen in Bonn nicht heißen wird, daß nicht auch von Berlin als Sitz der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages wesentliche Impulse der Europa- und Entwicklungspolitik ausgehen werden. Es ist für uns beruhigend, daß die Föderalismuskommission ihre Arbeit fortsetzen soll.
Ich darf abschließen: Viele Probleme werden, wie aus den Kommissionen ersichtlich, weiter in der Diskussion bleiben. Dabei wird es stets einen schwierigen Balanceakt zwischen der möglichen optimalen OrgaPeter Kittelmann
nisation der Bundesregierung und ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament auf der einen Seite und einem akzeptablen Ausgleich für Bonn, aber nicht nur für Bonn, sondern für alle Bundesländer auf der anderen Seite geben.
Ich denke, die Berichte der Kommission haben die notwendigen Pflöcke eingesetzt. Die deutsche Öffentlichkeit erwartet von uns Politikern aller Parteien ein ernstes Umsetzen des Beschlusses vom 20. Juni in politische Verantwortung. Werden wir dieser Aufgabe gerecht!
Danke schön.
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Nun erteile ich der Abgeordneten Ingrid Matthäus-Maier das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor fast genau einem Jahr entschied der Bundestag, daß Berlin zukünftig Sitz von Regierung und Parlament sein werde. Es wird Sie nicht verwundern, daß ich auch nach diesem Jahr diesen Beschluß für eine Fehlentscheidung halte.
Herr Conradi, Sie sagen, diese Skepsis der Bonn-Befürworter habe etwas damit zu tun, daß der Westen nichts an den Osten, in diesem Fall nach Berlin, abgeben wolle.
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Ich glaube, das ist falsch, das trifft nicht den Punkt.
Der Punkt ist ein anderer: Sehr viele Menschen in unserem Lande sind bereit, zu teilen, Solidarität zu üben und auch abzugeben. Aber ein Grund für die Politikverdrossenheit und die Verärgerung ist, daß das gesamte Geld und die gesamte Energie nicht in die Schaffung neuer Arbeitsplätze und in den Bau von Wohnbauten gesteckt werden, sondern in den Bau von neuen Repräsentationsbauten.
({1})
Aber entschieden ist entschieden. Ich habe bereits vor der Abstimmung erklärt, daß ich die Entscheidung respektiere.
Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weiß zu beantworten?
Ja.
Bitte schön.
Frau Kollegin, sind Sie wirklich der Meinung, daß die Schaffung von drei Bundesbehörden im Land Brandenburg mit insgesamt 1 714 Arbeitsplätzen eine gerechte Teilung bedeutet, daß es hierbei gerecht vorgeht?
Dies hat Herr Conradi nicht gesagt. Herr Conradi hat gesagt - ich gebe es sinngemäß wieder -: Der Widerstand derer, die für Bonn waren, spiegele die Nichtbereitschaft des Westens wider, mit dem Osten zu teilen. Dies ist nicht nur eine Fragen von Behörden - wir werden in der Diskussion über die Föderalismuskommission darüber sprechen -, dies ist auch eine Frage von sehr, sehr vielen Dingen, die wir gemeinsam im Bundestag beschlossen haben. Es gab im letzten Jahr Transfers von etwa 150 Milliarden DM, in diesem Jahr gibt es sie wieder. Ich halte das für richtig. Ich gehöre zu denen, von denen Sie wissen, daß sie meinen, das reicht nicht aus. Heute morgen haben wir noch über die Verlängerung der Investitionszulage abgestimmt. Alles Dinge, die teuer sind.
Im übrigen, Sie sind fast nie in der Konzeptkommission anwesend, Herr Kollege. Das muß ich einmal sagen, wenn Sie mich fragen. Wenn Sie allein sehen, wie viele Abgeordnete, hochbezahlte Bürokraten und Ministerialbeamte in der Konzeptkommission und in den anderen Kommissionen sich um die Umsetzung des Beschlusses kümmern, dann verstehen Sie, was ich meine, wenn ich sage und dabei bleibe, es wäre aus meiner Sicht besser gewesen, wenn wir die gesamte Energie und das viele Geld in die Schaffung neuer Arbeitsplätze und den Bau von Wohnungen gesteckt hätten und nicht in den Bau von Repräsentationsbauten in Berlin.
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Frau Abgeordnete, nun fahren Sie aber in Ihrer Rede fort, sonst ist die Antwort länger als die ganze Redezeit. Bitte schön.
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Aber, ich habe gesagt, entschieden ist entschieden.
Trotz dieser verbleibenden Meinungsunterschiede finde ich, daß wir in der Konzeptkommission gemeinsam viel erreicht haben. Das ist ein Fortschritt. Zwei Beispiele: Es besteht Einvernehmen darüber, daß es zur Umsetzung des Beschlusses eines Gesetzes bedarf, um die Aufgabenverteilung zwischen Bonn und Berlin festzulegen. Aber für den Inhalt dieses Gesetzes darf ich darauf hinweisen, daß der Beschluß vom 20. Juni eben zwei Teile hat, und zwar den Umzugsteil, aber auch den Teil des Ausgleiches für die Region Bonn. Es ist darauf zu achten, daß in diesem Gesetz nicht nur der Umzugsteil, sondern auch der Ausgleichsteil für Bonn gemäß den Versprechungen umgesetzt wird. Dafür haben wir alle gemeinsam den Auftrag des Bundestages erhalten.
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Also, ich lasse das jetzt noch einmal zu. Aber ich mache darauf aufmerksam, daß es bei Fünf-Minuten-Beiträgen wie bei einer Aktuellen Stunde an sich nicht üblich ist,
Zwischenfragen zuzulassen, da sonst in der Tat die Summe der Antworten länger ist als die zugestandene Redezeit. Ich wäre dankbar, wenn sowohl die Frage als auch die Antwort kurz wären.
Bitte sehr.
Ich bedanke mich sehr. Frau Kollegin, sind Sie nicht der Meinung, daß dieses erzielte Übereinkommen in der Konzeptkommission damit zu tun hat, daß Kosten bisher nicht bekannt sein können und auch nicht bekannt sind?
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Ich glaube, daß der Kollege Grüner im Prinzip recht hat. Damit bin ich genau bei meinem nächsten Punkt. In diesem Gesetzentwurf muß endlich - so schreibt es das Vorblatt vor - eine seriöse Kostenschätzung und ein Finanzierungsplan enthalten sein. Die Stunde der Wahrheit kommt. Daß die Kosten für eine solche Mammutaktion höher sein werden, als manche sich das denken - wobei ich ausdrücklich sage, die Zahl von 100 Milliarden DM halte ich für völlig unseriös - ({0})
- Ich bitte um Entschuldigung, keiner, der in diesem Raume sitzt, hat aus meiner Erinnerung die Zahl 100 Milliarden in den Mund genommen. Ich jedenfalls habe das nicht getan und die Kollegen aus der Region auch nicht.
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Daß solche Sachen, vor allen Dingen, wenn sie sich so massieren, besonders teuer sind, sieht man daran, daß der Plenarsaal - Herr Kansy, wenn ich unrecht habe, korrigieren Sie mich bitte -140 Millionen DM kosten sollte und jetzt 240 Millionen DM kostet. Es erweist sich bei solchen Bauten schlicht und einfach, daß sie nachher sehr viel teurer sind, als man sich das vorher denkt.
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Außerdem begrüße ich, daß die Konzeptkommission einhellig bekräftigt hat, daß entsprechend dem Veranlasserprinzip der Bund die finanzielle Verantwortung auch für die Ausgleichsmaßnahmen durch Wirtschaftsförderung trägt.
Strittig bleibt, was unter dem „größten Teil der Arbeitsplätze" zu verstehen ist. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß sich das lediglich auf die Arbeitsplätze in den Ministerien bezieht. Wir meinen, bei der Berechnung der Arbeitsplätze müssen auch das Präsidialamt und der Bundestag einschließlich der Mitarbeiter der Fraktionen und der Abgeordneten mit einbezogen werden.
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Meine Damen und Herren, einen letzten Punkt. Ich weiß, daß die Berliner über die Ergebnisse der Föderalismuskommission nicht begeistert sind. Ich kann Ihnen nur sagen: Je mehr Arbeitsplätze in Bonn bleiben, um so weniger muß umgezogen werden.
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Was eine Behörde konkret angeht: Beim europäischen Gipfel in Lissabon steht die Entscheidung über den Sitz der Europäischen Zentralbank an. Es steht für uns fest, daß schon aus Gründen der Geldwertstabilität die Europäische Zentralbank in das bewährte Stabilitätsumfeld nach Deutschland kommen muß. Ein natürliches Prä hat dabei die Stadt Frankfurt. Aber es darf nicht passieren, daß durch das Beharren auf Frankfurt die Europäische Zentralbank für Deutschland möglicherweise ganz verloren geht. Wenn Frankfurt nicht durchsetzbar ist, dann bietet sich Bonn als hervorragender Standort an, meine Damen und Herren.
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Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Rudolf Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir fünf kurze Bemerkungen, um die Position der Bundesregierung noch einmal zu bekräftigen.
Erstens. Die Bundesregierung hat am 3. Juni 1992 ihren Gesamtbericht vorgelegt mit dem Ziel, den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni in allen seinen Teilen gleichwertig umzusetzen. Sie verfährt nach der folgenden Richtschnur: Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung, soziale Verpflichtung der Bundesregierung für die Beschäftigten in den Bonner Ministerien und im Deutschen Bundestag, Bestandskraft der Lösungen, um Rutschbahneffekte möglichst auszuschließen.
Nun bin ich dagegen, daß wir den Beschluß des Bundestages nach der einen oder anderen Seite uminterpretieren. Er hat viele Bestandteile. Deswegen sage ich nach meiner festen Überzeugung und auch nach dem einstimmigen Beschluß des Kabinetts: Das Kombinationsmodell ist fair, sinnvoll, vernünftig und am besten geeignet, dem Beschluß des Deutschen Bundestages zu entsprechen.
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Ich kann eine bessere Alternative nicht erkennen. Ich sage dies auch mit Blick auf die Vorgabe, daß bei Verlagerung des Regierungssitzes nach Berlin etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze der Ministerien in Bonn verbleiben sollen.
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Zweitens. Der Bericht vom 3. Juni dokumentiert den Willen der Bundesregierung, den Umzug nach Berlin mit Sorgfalt und auch mit Augenmaß im Hinblick auf die damit verbundenen finanziellen Fragen vorzubereiten. Die Verlagerung des Parlaments und von Regierungsfunktionen nach Berlin sowie die SicherBundesminister Rudolf Seiters
Stellung der Funktionsfähigkeit Berlins als Sitz von Parlament und Regierung erfordern dabei eine dauerhafte intensive Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem Bund und natürlich - wegen der zunehmenden Verflechtung mit der umliegenden Region - auch mit Brandenburg.
Die Bundesregierung wird daher mit dem Senat von Berlin eine dauerhafte vertragliche Regelung ihrer Zusammenarbeit vornehmen. Ich gehe davon aus, daß diese Vereinbarung alsbald abgeschlossen werden kann. Berlin kann sicher sein, daß der Beschluß des deutschen Bundestages so zügig wie möglich umgesetzt wird.
Drittens. Auch nach der Verlegung des Sitzes von Parlament und Regierung nach Berlin wird Bonn bedeutende politische Funktionen behalten, die der Region eine Zukunftsperspektive eröffnen. Man kann es nicht oft genug unterstreichen: Die Region Bonn hat Wesentliches zum Aufbau der demokratischen bundesstaatlichen Bundesrepublik Deutschland beigetragen und hat deshalb Anspruch auf unsere Solidarität und auf unsere Unterstützung.
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Die Bundesregierung wird daher zeitgleich mit dem Umzug Einrichtungen und Institutionen des Bundes nach Bonn verlagern, um die in Bonn verbleibenden Politikbereiche zu stärken und damit zur Stabilisierung der politischen Aufgabenfelder in Bonn beizutragen.
Im Zusammenwirken mit der Region Bonn und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wird der Bund die Voraussetzungen dafür schaffen, daß Bonn neue Funktionen in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie in der NordSüd-Zusammenarbeit erhält. Der Bund wird einen erheblichen Beitrag leisten, um die Anstrengungen der Region für eine Umorientierung und eine Umstrukturierung zu einer zukunftsorientieren Wirtschaftsstruktur zu unterstützen. Der Bund weiß, welche Verantwortung er gegenüber der Region Bonn hat. Ich sage aber auch, daß der Bund nicht alle Anstrengungen allein tragen kann. Die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie die Region selbst müssen ebenso ihren Beitrag leisten.
Die Bundesregierung wird der Region Bonn in Kürze Vorschläge für vertragliche Regelungen über Ausgleichsleistungen unterbreiten, die sie zur Übernahme und Ansiedlung neuer Funktionen und Institutionen im politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich befähigen und die erforderliche Zusammenarbeit und eine aufgabenorientierte Finanzierung zum Gegenstand haben sollen. Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vorlegen.
Viertens. Die Bundesregierung wird die Verlegung ihres Sitzes und die Verlagerung von Regierungsfunktionen in zeitlicher Abstimmung mit der Verlagerung des Parlaments vornehmen.
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In Übereinstimmung mit der Auffassung der Konzeptkommission - auch das Parlament ist hier gefragt, und das Parlament hat seine Meinung geäußert - und der Baukommission des Ältestenrates werden die erforderlichen Zeitvorstellungen allerdings erst nach Abschluß der laufenden baulichen Wettbewerbe im Frühjahr 1993 näher konkretisiert werden können.
Fünftens. Die Entscheidung zugunsten Berlins als Sitz von Regierung und Parlament unseres wiedervereinigten Landes war eine souveräne Entscheidung des deutschen Parlaments. Sie dokumentiert den Willen des Deutschen Bundestages zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands und den besonderen Rang, den Berlin hierbei einnimmt. Die Entscheidung beinhaltet zugleich das ernsthafte Bestreben aller politischen Kräfte in unserem Lande, in Würdigung der Funktion und der Leistungen Bonns als provisorische Bundeshauptstadt und seines wesentlichen Beitrags beim Aufbau der neuen Bundesrepublik Deutschland die Region bei der Gestaltung einer neuen Identität nachdrücklich zu unterstützen.
Ich will ausdrücklich erklären, daß die Bundesregierung gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag, den Ländern Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie den betroffenen Regionen alles tun wird, die Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni weiter zügig voranzutreiben.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen.
Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist mehrmals auf die Bedeutung des Beschlusses vom 20. Juni des vergangenen Jahres hingewiesen worden: die Vollendung der deutschen Einheit, die Vollendung auch der inneren Einheit Deutschlands. Es ist darauf hingewiesen worden, daß in vielen Arbeitsgruppen intensive Arbeit geleistet worden ist. Ich will mich dem hier formulierten Dank ausdrücklich anschließen. Es ist davon die Rede gewesen, daß inzwischen zwischen sogenannten Bonnern und Berlinern die Friedenspfeife geraucht wird. Ich habe allerdings manchmal den Eindruck, daß das lange Rauchen eine gesundheitspolitische Erkenntnis deutlich macht: Langes Rauchen ist ungesund. Das, meine Damen und Herren, darf nicht zu falschen Schlußfolgerungen führen.
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Kein Zweifel: Unendlich gründliche Arbeit wurde in vielen Kommissionen und Amtsstuben zur Umsetzung
Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ({2})
des parlamentarischen Willens geleistet. Ich will hier auch keinen Zweifel aufkommen lassen und in meine Formulierungen des Dankes ausdrücklich einbeziehen, daß die materiellen Transfers von West nach Ost gewaltig sind. Aber ich stelle mir die Frage: Wo bleibt eigentlich der Geist der Reden von Wolfgang Schäuble, von Willy Brandt, von Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl, der Geist dieser Reden, die im letzten Jahre diesen Saal - und nicht nur ihn - beflügelt haben?
Meine Damen und Herren, was war der Kern des Beschlusses des Deutschen Bundestages? Ich will das knapp, aber unmißverständlich darzustellen versuchen.
Erstens. Es ist festgelegt worden: Berlin ist Sitz von Bundestag und Bundesregierung.
Zweitens. Zentrales Anliegen des Beschlusses war es, Deutschland zu einen. Deutschland steht zu seinen Versprechen und stellt sich seinen Aufgaben. Es hakt die Einheit nicht einfach ab als eine einfache bloße Vergrößerung der Bundesrepublik. Die Vollendung der Einheit sollte darüber hinaus den Föderalismus stärken. Dabei ging es nicht etwa nur um Arbeitsplätze, sondern es ging um viel mehr: um gesamtstaatliche gesellschaftliche Repräsentanz, und zwar verteilt über das ganze Land.
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Drittens. Bonn muß einen bundesstaatlichen Ausgleich für den Verlust seiner Aufgaben als provisorische Hauptstadt erhalten. Der Ausgleich für Bonn ist ein Teil, aber nicht der zentrale Teil des Beschlusses zur Vollendung der Einheit.
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Viertens. Der Bericht des Arbeitsstabes Berlin/ Bonn - darauf muß ich hier deutlich hinweisen - gibt Anlaß zu einigen kritischen Anmerkungen, und zwar gerade in Anwendung und Vollendung des Beschlusses vom 20. Juni des vergangenen Jahres. Der erste Dienstsitz aller Bundesministerien muß nach diesem Beschluß Berlin sein. Alles andere steht im Widerspruch zu dem Bundestagsbeschluß.
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Das gilt aus meiner Sicht selbstverständlich auch für die Schaffung sogenannter selbständiger Politikbereiche.
Der Hauptstadtbeschluß legt fest - Herr Kollege Möller, darauf sollten wir uns nun wirklich einmal verständigen -, daß Bonn ein Verwaltungszentrum des vereinten Deutschlands wird. Eine zweite Hauptstadt oder Regierungsstadt kann es nicht geben. Dabei geht es nicht um Arbeitsplätze, sondern es geht um die Funktionsfähigkeit des Regierungs- und Parlamentssitzes. Es geht um die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland. Um dieses Selbstverständnis geht es und nicht um andere Dinge.
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Meine Damen und Herren, ich muß auch folgende Anmerkung machen; Frau Matthäus-Maier hat mich zu einigen kritischen Anmerkungen auch in diese Richtung veranlaßt. Natürlich wird hier intensiv über Strategien für Bonn diskutiert. Das ist auch richtig. Aber es sei mir doch der Hinweis erlaubt, daß das Bonner Kompensationsmodell für verlorengegangene Arbeitsplätze auch auf die Region Berlin/Brandenburg Anwendung finden könnte. Vor allen Dingen denke ich beispielsweise auch an Leipzig, an Rostock und an Cottbus.
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Dieses sollte man bei allen Darlegungen nicht vergessen.
Im Hinblick auf die Finanzfrage, Frau Matthäus-Maier, möchte ich folgendes sagen. In dem Augenblick, da wir uns einer schnellen Entscheidung zur Verlagerung von Regierungs- und Parlamentssitz verweigern, da die Diskussion immer wieder verzehrend aufgenommen wird, kommt es zu einem Attentismus bei den Investitionen insgesamt im Osten Deutschlands.
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Dieser Attentismus führt im Ergebnis zu mehr notwendigen Steueraufwendungen der Bürger. Es wird teurer. Ich bitte, auch dieses endlich einmal mit in die Diskussion einzubeziehen.
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Bei der Umsetzung der Hauptstadtentscheidung hat man jedenfalls in vielen Punkten den Eindruck, daß der Geist vom 20. Juni des vergangenen Jahres sehr weit zurückgedrängt wird.
({10})
In diesem Zusammenhang ist eine Anmerkung zur Föderalismuskommission notwendig. Meine Damen und Herren, es besteht kein Zweifel: Berlin war und ist willens, zur Stärkung der föderativen Strukturen Behörden und Institutionen auch an die neuen Länder abzugeben. Daran gibt es keinen Zweifel. Aber das Ziel der Arbeit der Föderalismuskommission sollte die gemeinsame Anstrengung sein, die neuen Länder zu stärken.
Der Vorschlag der Kommission kündet allerdings aus meiner Sicht von einer verengten Intention: Es gibt praktisch nur eine Umverteilung im Osten Deutschlands. Die meisten der alten Bundesländer verweigern ihren Beitrag. Insofern kann ich nur festhalten, daß die Föderalismuskommission bisher jedenfalls ihren Arbeitsauftrag nicht erfüllt hat.
({11})
Es ist einfach richtig, wenn heute hier im Bundestag beschlossen wird, daß die Arbeit fortgesetzt werden muß.
Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ({12})
Ich will einige Anmerkungen zu den Beispielen machen. Der Bundesgerichtshof gehört meiner Ansicht nach nach Leipzig.
({13})
Ich erinnere an einen in anderem Zusammenhang immer wieder vorgetragenen Grundsatz, nämlich: Rückgabe vor Entschädigung.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf Einzelfragen der Föderalismuskommission will ich nur sagen: Auch Entwicklungshilfeeinrichtungen und europäische Einrichtungen gehören an den künftigen Regierungs- und Parlamentssitz.
({14})
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Region darf nicht durch falsche Zusammenhänge beispielsweise mit Patentämtern erheblich beeinträchtigt werden.
Abschließend will ich eine persönliche Anmerkung machen. Ich habe in den letzten zwei Jahren, im Grunde seit dem Tag der deutschen Einheit, eine Fülle von sehr schönen und positiven Erlebnissen gehabt. Ich habe aber auch eine Fülle von Enttäuschungen erleben müssen. Aus diesen Enttäuschungen heraus habe ich eine Bitte. Ich glaube, aus dem verzagenden Vaterland muß endlich ein Gemeinwesen werden, das seine Schwierigkeiten im Geiste europäischen Denkens und nationaler Einheit überwindet. Dazu gehört die Gestaltung der Hauptstadt. Dazu brauchen wir sicherlich die besten Köpfe, aber, meine Damen und Herren, dazu brauchen wir auch die Überlegung, ja den Grundgedanken, daß die Gestaltung der Hauptstadt dieses Landes eine Herzenssache aller ist. Und das vermisse ich bisher noch.
({15})
Nunmehr erteile ich der Abgeordneten Siegrun Klemmer das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie auch mich aus Berliner Sicht meinen Beitrag mit einem herzlichen Dank an die Arbeit in der Konzeptkommission beginnen. Ich denke - auch das ist schon gesagt worden -, ein ganz besonderer Dank gebührt in diesem Zusammenhang der Frau Präsidentin, die mit Kompetenz und Engagement - das kann man wohl sagen - die Arbeit in dieser Kommission vorangetrieben hat.
„Vollendung der Einheit Deutschlands" ist der Antrag vom vorigen Jahr mit gutem Grund überschrieben. Wie stellt sich diese Vollendung nach einem Jahr auf Grund des zweiten Kommissionszwischenberichts dar?
Bei aller Würdigung der geleisteten Arbeit muß leider konstatiert werden, daß der Beschluß vom vorigen Jahr in zwei wesentlichen Punkten nicht umgesetzt wird; jedenfalls stellt es sich bis heute so dar. Auf diese zwei Punkte möchte ich mich konzentrieren.
Erstens. Die Arbeitsfähigkeit soll in vier Jahren hergestellt sein, heißt es unter Ziffer 2 im Beschluß. Die Konzeptkommission muß heute sagen - ich zitiere -, daß es sich wegen der umfassenden und schwierigen Aufgabe als nicht möglich erwiesen hat, die Arbeitsfähigkeit von Parlament und Regierung in nur vier Jahren herzustellen.
Gerade im Blick auf die einigungspolitische Absicht und auf die besondere Rolle Berlins als eines Zentrums der Vereinigungswirklichkeit, ist es bei aller Akzeptanz der tatsächlichen Schwierigkeiten mit Sicherheit eine Hypothek, bei der Umsetzung des Beschlusses bereits an diesem zentralen Punkt mit erheblichen Korrekturen zu beginnen; denn die Arbeitsaufnahme von Parlament und Regierung in Berlin sollte nicht zuletzt Signalwirkung für die neuen Länder - so lauteten vor einem Jahr die meisten Begründungen für den Umzug - zeigen und so etwas wie ein Abschlußpfiff des Einigungsvorganges sein.
Wenn wir uns stärker auf die zumindest vorübergehende Nutzung der vorhandenen Gebäudekapazitäten im Bundesbesitz nach deren Umbau, Sanierung oder Renovierung verständigt hätten, als dem Neubau Raum zu geben, dann, denke ich, wäre die Nähe zum ursprünglichen Termin größer geblieben.
Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Müntefering möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Liebe Kollegin, können Sie aber der Feststellung zustimmen, daß das, was Sie gerade beschreiben, daß nämlich die vier Jahre nicht eingehalten werden können, weil es nach der Beschlußfassung bestimmte Entscheidungen gegeben hat, nicht nur von den „Bonn-Befürwortern" zu verantworten ist, sondern daß sich im Verlauf der Diskussion durch alle Fraktionen hin auch die „BerlinBefürworter" für diese Vorgehensweise entschieden haben?
Das konzediere ich Ihnen gerne, Herr Kollege. Wenn das aus meinen Ausführungen nicht deutlich geworden ist, bitte ich, das zu entschuldigen. Es liegt auch nicht an der über die Fraktionen hinweg gut funktionierenden Arbeit in der Konzeptkommission; das möchte ich ausdrücklich feststellen.
({0})
Entscheidend für den Umzugstermin sind, denke ich, vor allen Dingen Planungs- und Bauabläufe. Entscheidendster Eckpunkt wird der Zeitpunkt der Fertigstellung des Reichstags nach seinem vorgesehenen Umbau zum künftigen Deutschen Bundestag sein.
Ich bin ganz sicher, daß durch die Vorbereitung der Wettbewerbe für Reichstag und Spreebogen und durch den Beschluß, eine Baugesellschaft zu gründen, die die Baumaßnahmen von Parlament und Regierung im Wettbewerbsgebiet durchführt, nun die richtigen positiven Weichen gestellt sind, die den Zug von Bonn nach Berlin oder doch mindestens seine wesentlichen ersten Waggons ohne Bremsverstärker auf Temop bringen. Wenn der letzte Handwerker den Bundestag
in Berlin verlassen hat und der Farbgeruch noch in den Räumen hängt, dann - das muß natürlich ganz klar sein - muß der Bundestag seine Arbeit dort unverzüglich aufnehmen.
Auch so manche Unbequemlichkeit - das ist ebenfalls schon heute gesagt worden - muß zunächst in Kauf genommen werden; denn Unbequemlichkeiten werden in den nächsten Jahren viele Menschen in unserem Land wahrscheinlich in weit höherem Maße in Kauf nehmen müssen.
({1})
Es wäre ein fataler Eindruck, wenn wir Abgeordneten den Eindruck entstehen ließen, daß wir nur unter Bedingungen von sozusagen De-luxe-Standards arbeiten, während immer mehr unserer Wählerinnen und Wähler auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum, nach Arbeit oder einem Kindergartenplatz sind.
({2})
Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang vor allem, daß nun endgültig Schluß ist mit jeder Sorte von wohlmeinenden sogenannten Streckungsvorschlägen.
Der zweite Bereich, von dem ich meine, daß der Beschluß vom vorigen Jahr nicht umgesetzt ist, betrifft die zukünftige Präsenz der Bundesregierung in Berlin. Der Herr Regierende Bürgermeister hat dazu gerade etwas gesagt.
Der vom Innenminister im Auftrag der Regierung vorgestellte Bericht geht im Gegensatz zum Beschluß davon aus, daß die Ministerien zwei Dienstsitze, je nach Ressort in Berlin oder Bonn, haben werden. Daß das im klaren Widerspruch zu Ziffer 3 des Beschlusses steht, wo es heißt, daß der Kernbereich der Regierungsfunktion in Berlin angesiedelt wird, ist, denke ich, keine Interpretationsfrage. In der Konzeptkommission ist darüber durchaus kontrovers diskutiert worden.
Ganz abgesehen davon, daß die vorgesehene Teilung unsinnig ist, dient sie auch ihrem vorgeblichen Zweck in keiner Weise. Denn diese Art der Aufteilung der Ministerien wird für Bonn keine Bestandsgarantie bedeuten. Besser gesichert wären Arbeitsplätze und Einrichtungen, wenn, wie im Beschluß vorgesehen, die Bundesregierung sich entschlossen hätte, die Bereiche der Ministerien und die Teile der Regierung, die primär verwaltenden Charakter haben, in Bonn zu belassen.
Wir hätten es aus Berliner Sicht auch begrüßt, wenn der Vorgang des Umzuges als Chance für einen wirklichen Neuanfang genutzt worden wäre, als Chance, die längst überfällige Verwaltungsreform beim Bund anzugehen.
Ich möchte an dieser Stelle, wenn das rote Licht es mir noch gestattet - ich hoffe, die Zwischenfrage ist nicht auf meine Redezeit angerechnet worden -,
Aber selbstverständlich nicht!
- sagen, daß Parlament und Regierung in Berlin ganz herzlich willkommen sind. Allerdings denke ich, daß die Berlinerinnen und Berliner stärker als bisher in die Vorbereitungen einbezogen werden sollten. Selbstbewußte Bezirke, kritikfähige Menschen in der Stadt sind, wie ich meine, eine große Chance für all diejenigen, die mit der Umsetzung des Beschlusses befaßt sind. Es gilt, sie in die Gespräche und die Vorbereitungen aufzunehmen. Das gilt natürlich auch für Bonn.
({0})
Bevor ich nun der Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau das Wort gebe, lasse ich zwei Kurzinterventionen zu, zunächst einmal die des Abgeordneten Konrad Weiß. Bitte kurze Kurzinterventionen!
Vielen Dank.
({0})
- Ich möchte der Kollegin Matthäus-Maier, die mich angesprochen hat, ins Gesicht sehen, wenn ich ihr antworte. Deshalb bin ich hier oben am Rednerpult.
Herr Präsident! Frau Matthäus-Maier, Sie haben bemängelt, daß ich nur selten bei Sitzungen der Konzeptkommission anwesend gewesen bin. Das ist richtig. Dem kann ich nicht widersprechen. Doch möchte ich Ihnen die Ursachen dafür nennen. Die Ursachen liegen darin, daß der Ältestenrat es zur Regel gemacht hat, daß gleichzeitig Ausschußsitzungen, Plenarsitzungen, Sitzungen von Unterkommissionen und Sitzungen von Unterausschüssen stattfinden. Dabei wird keine Rücksicht auf die Belange der kleinen Gruppen genommen. Hierbei erfahren die kleinen Gruppen leider auch keinerlei Solidarität von den Fraktionen. Ich stelle das nur fest. Ich will es nicht werten. Es liegt nicht an mir.
({1})
Wenn die Konzeptkommission künftig am Freitagnachmittag oder am Sonntag tagt, dann werde ich immer anwesend sein. Denn ich sitze dann meistens noch hier in Bonn.
({2})
Die Fürsorgepflicht des Präsidiums wird hoffentlich dafür sorgen, daß Sitzungen nicht für den Sonntagmorgen vorgesehen werden.
Frau Abgeordnete Limbach!
Ich möchte als Bonner Abgeordnete hier deutlich machen, daß nicht eines der 16 Bundesländer eine Herzensangelegenheit für mich ist, Herr Regierender Bürgermeister, sondern die Herstellung von gleichen und guten Lebensverhältnissen in allen 16 Bundesländern. Und von diesen ist Berlin nur eines.
({0})
- Bonn gehört zu Nordrhein-Westfalen; das ist auch nur ein Land.
({1})
- Und es bleibt auch drin, sehr richtig, Herr Kollege.
- Ich möchte auch deutlich machen, daß ich den Beschluß nach wie vor für falsch halte. Ich finde meine Argumente vom vergangenen Jahr auch nicht widerlegt. Aber ich weiß natürlich, daß in der Demokratie die Mehrheit zwar nicht darüber befindet, was richtig ist, wohl aber darüber, was geschehen soll.
({2})
Weil das so ist, arbeite ich in der Konzeptkommission und in der Personalkommission an der Umsetzung des gesamten Beschlusses mit, also seiner beiden Teile, des Berlinteils und des Bonnteils. Nur wenn beide Teile umgesetzt werden, kann und wird der Beschluß Bestand haben.
({3})
Nunmehr erteile ich der Bundesministerin Frau Dr. Schwaetzer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Friedenspfeife ist hier heute morgen schon mehrfach beschworen worden. Wenn ich es richtig im Kopf habe, kann der Inhalt von Friedenspfeifen die Nerven beruhigen.
({0})
- Das aber nur, wenn man zu lange raucht. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Regierenden Bürgermeister von Berlin sehr heftig widersprechen. Die Friedenspfeife ist - ein Jahr nach dem Beschluß vom 20. Juni - zur Genüge geraucht worden. Das hat dazu geführt, daß das Vorgesehene jetzt wirklich von allen Seiten akzeptiert wird, nämlich die Schaffung eines angemessenen Ausgleiches für die Region Bonn beispielsweise. Jetzt wird aber auch in Berlin akzeptiert und gesehen, daß die Bundesregierung alle Teile des Beschlusses umsetzt, wenn sie manchmal auch ein wenig schwer zu interpretieren und widersprüchlich sein mögen.
In dem einen Jahr sind wichtige Schritte für die Vorbereitung des Umzugs gemacht worden. Die geplanten Baumaßnahmen stellen dabei eine riesige Herausforderung dar, und zwar schon städtebaulich. Denn es gilt, das Neuerbaute und auch das, was umgebaut wird, in die Vergangenheit und die Entwicklung von Berlin einzuordnen, ohne daß dadurch die Herausforderung einer zukunftsorientierten Arbeitsweise in den Hintergrund gerät. Wir müssen dafür sorgen, daß die Prägung, die Berlin in vielen Jahrhunderten erfahren hat, nicht umgebogen wird. Wir müssen aber gleichzeitig sicherstellen, daß Berlin eine moderne Hauptstadt wird. Es geht darum, nichts aufzustülpen, sondern mit der Bevölkerung gemeinsam zu entwickeln, auch weiterzuentwickeln, um die Akzeptanz dieser zum Teil riesigen Bauvolumina in Berlin durch die Bevölkerung sicherzustellen.
Die Fortschritte sind deutlich sichtbar. Die Unterlagen für den internationalen städtebaulichen Wettbewerb für die geplanten Baumaßnahmen für das Parlamentsviertel im Spreebogen werden bereits seit 14 Tagen ausgegeben.
Für den Umbau des Reichstagsgebäudes zum Gebäude des Deutschen Bundestags sind die Vorbereitungen so weit fortgeschritten, daß der Bauwettbewerb national mit Zuladung internationaler Gäste durchgeführt werden kann.
Die endgültigen Ergebnisse beider Wettbewerbe werden voraussichtlich im April/Mai 1993 vorliegen, so daß dann der Deutsche Bundestag weitere Entscheidungen treffen kann.
Im übrigen ist festzuhalten - was hier auch die Kollegin Klemmer unterstrichen hat -, daß der Umbau des Reichstags Schrittmacher für die Arbeitsfähigkeit von Parlament und Regierung in Berlin und damit auch Schrittmacher für den Umzug von Parlament und Regierung sein wird.
In Berlin-Mitte - darüber waren und, ich hoffe, sind sich die Bundesregierung und der Senat von Berlin einig - soll ein zweites politisches Zentrum entstehen. Der Amtssitz des Bundespräsidenten wird dort angesiedelt sein, und zwar im Kronprinzenpalais und wegen der großen räumlichen Nähe unter Einschluß des Prinzessinnenpalais.
Gebäude für mehrere Bundesministerien und obere Bundesbehörden sollen ebenfalls in Berlin-Mitte entstehen. Dabei ist es gerade aus städtebaulichen Gründen notwendig, sicherzustellen, daß hier keine Massierung von Bauten entsteht, sondern daß die recht lockere städtebauliche Konzeption aufgenommen und weitergeführt wird.
Wir wollen darüber hinaus bestehende Gebäude, soweit es baulich vertretbar ist, auch für die Unterbringung von Ministerien nutzen.
Wir haben selbstverständlich zur Kenntnis genommen, daß es in Berlin gewisse Ängste gibt, daß man durch den Bau eines politischen Zentrums in BerlinMitte eine Art Sperr-Riegel in Berlin ansiedeln könnte. Ich denke, es ist wichtig, diese Ängste von vornherein auszuschließen.
Die Entwicklung in Bonn, die städtebaulich sicher ihre Probleme aufweist, hat aber schon deutlich gemacht, daß eine Bundesregierung in einem demokratischen und föderalen Staat nicht eine Massierung von Bauten darstellt, stacheldrahtbewehrt oder mit hohen Zäunen umgeben, sondern ein Areal, das den Bürgern zugänglich ist. Dies muß in Berlin selbstverständlich sichergestellt werden, und es wird sichergestellt werden.
({1})
Im Moment wird der Raumbedarf der nach Berlin zu verlagernden Bundesministerien ermittelt und werden Bestandserhebungen über die in Berlin vorhandenen Gebäude fertiggestellt. Die städtebaulichen Rahmenbedingungen werden mit Berlin beraten.
Es soll dann neben dem Wettbewerb für den Spreebogen in Berlin-Mitte im Herbst ein zweiter städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgelobt werden.
({2})
- Danach. Die Entscheidung des Preisgerichts über diesen zweiten städtebaulichen Ideenwettbewerb erwarten wir für Mitte Juli 1993.
An dieser Stelle ein Wort zur Großbaustelle BerlinMitte. Es werden beachtliche Bauten für die Unterbringung des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung neu zu errichten und umzubauen sein. Daneben werden privatwirtschaftlich in der ziemlich direkt benachbarten Friedrichstadt, aber genauso gut bei dem in großer räumlicher Nähe zum Reichstag befindlichen Potsdamer Platz ebenfalls erhebliche Bauten durchgeführt werden.
Die Verkehrsinfrastruktur gerade in Berlin-Mitte bedarf einer gründlichen Überarbeitung und Neukonzipierung. Die dabei zu verbauenden Mittel, aber genausogut Bauvolumina, stellen riesige Herausforderungen dar. Es wird eine nie dagewesene Baustelle sein.
Die Durchführung der Baumaßnahmen von Parlament und Regierung wird demzufolge große Anforderungen an das Baumanagement stellen. Deswegen begrüßen wir die Entscheidung, die der Deutsche Bundestag getroffen hat, eine bundeseigene Baugesellschaft zu gründen.
Ein wichtiges Thema, meine Damen und Herren, ist die Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum für Angehörige und Mitarbeiter von Parlament und Regierung. Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben gesagt, daß sie die Wohnungen für die umzusiedelnden Mitarbeiter mitbringen.
In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Weiß: Es stehen in Berlin Wohnungen leer; aber ich denke, es wäre wichtig, daß auch Sie das zur Kenntnis nehmen, was Ihnen jederzeit nachgewiesen werden kann, was wir Ihnen ja auch schon mehrfach nahezubringen versucht haben: Es steht hier nichts mutwillig leer. Der sehr geringe Anteil von Wohnungen in der Verfügung des Bundesvermögensamtes, der derzeit nicht bewohnt wird, muß umgebaut werden, bevor er zu einer neuen Nutzung freigegeben werden kann. Das wird derzeit vorbereitet, damit möglichst schnell weitervermietet werden kann.
Für die Unterbringung der Mitarbeiter von Bundestag und Bundesregierung sind die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Wir rechnen mit etwa 8 000 bis 10 000 Neubauwohnungen. Dazu werden etwa 4 000 Wohnungen aus dem Bestand der bisher von den Alliierten genutzten Wohnungen bereitgestellt.
Große Fortschritte machen wir bei der Regelung der Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Berlin und Brandenburg. Vertragliche Regelungen werden in Kürze unterschrieben werden. Der Vertrag mit Berlin ist praktisch unterschriftsreif.
Frau Ministerin, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche.
Ja, Herr Präsident, sofort.
Auch mit Brandenburg wird binnen kurzem eine Einigung erzielt werden. Deswegen, meine Damen und Herren, wird sich die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den beiden Ländern Berlin und Brandenburg als zukunftsträchtig erweisen. Diese Vereinbarungen umfassen nicht nur die Unterbringung der obersten Bundesbehörden, die Wohnungsversorgung, die Verkehrs- und sonstige technische Infrastruktur, sondern auch die hauptstadtbedingten Kultur- und Bildungseinrichtungen.
Meine Damen und Herren, die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses ist auf einem guten Wege. Wir werden alles daransetzen, damit Berlin nicht nur Hauptstadt ist, sondern möglichst bald auch Regierungssitz wird.
Ich danke Ihnen.
Frau Bundesministerin, ich wollte Sie nicht unterbrechen, sondern fragen, ob Sie bereit waren, eine Frage des Abgeordneten Feilcke zu beantworten. Sie können es auch jetzt noch tun.
Herr Präsident, wenn Sie zulassen, daß ich auch nach der Rede noch diese Frage beantworte!
Aber selbstverständlich.
Frau Ministerin, es wird ja nicht angerechnet. Ich hätte ganz gern noch etwas gewußt. Sie sprachen von 8 000 bis 10 000 Wohnungen, die neu zu bauen sind. Wann wird nach heutiger Zeitplanung mit dem Bauen begonnen werden können?
Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar. Wir wollen bereits im Jahre 1993 mit dem Bau beginnen. Allerdings sind dazu noch Vorklärungen nötig und Entscheidungen zu treffen, die nicht in der Hand der Bundesregierung liegen. Wir wollen im Moabiter Werder mit dem Bau beginnen. Das Gelände gehört derzeit noch der Reichsbahn. Es muß zwischen dem Land Berlin und der Deutschen Reichsbahn eine entsprechende Nutzungsänderung vereinbart werden, damit die Reichsbahn auf die bisher vorgesehene Nutzung verzichten kann. Dann muß in der Verantwortung des Landes Berlin ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Erst wenn dieser Bebauungsplan rechtskräftig ist, können wir mit dem Bau von Wohnungen beginnen. Der Senat hat uns zugesichert, daß dies sehr zeitnah erfolgt. Ich hoffe, daß das noch im Jahre 1993 der Fall sein kann. Wir haben auf jeden Fall im Bundeshaushaltsplan Mittel für den Baubeginn 1993 vorgesehen.
Frau Ministerin, auch der Abgeordnete Weiß möchte noch eine Zwischenfrage stellen. Ich wäre aber dankbar, wenn
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
das alles recht kurz gefaßt würde; denn unsere Tagesordnung heute läßt befürchten, daß das weit in das Fußballspiel hineingeht. Ich möchte im Interesse vieler herzlich darum bitten.
Herr Abgeordneter Weiß!
Ich möchte zu Protokoll geben, Herr Präsident, daß mir das Fußballspielen egal ist
({0})
und ich hier die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten habe.
({1})
Meine Frage, Frau Ministerin, ist folgende: Sie sagten, daß die Wohnungen, die in Berlin leer stehen, renoviert werden müssen. Teilen Sie mit mir aber nicht die Auffassung, daß es in einer Situation, wo in Berlin und im übrigen auch in Brandenburg viele junge Ehepaare keine Wohnung bekommen, wo eine wirkliche Wohnungsnot herrscht, unverantwortlich ist, auch nur eine Wohnung leer stehen zu lassen?
Ich halte es in der Tat für unverantwortlich, eine Wohnung, die von ihrem baulichen Zustand her bewohnbar wäre, leer stehen zu lassen. Deswegen haben wir mit den Instandsetzungs- und Renovierungsmaßnahmen sehr abgestufte Entscheidungen vorgesehen, nämlich nur in dem Umfang, in dem es dringend erforderlich ist, damit tatsächlich eine angemessene Wohnqualität und keine Luxusqualität hergestellt wird.
Aber es gibt nun einmal aus dem Bestand, der jetzt der Bundesvermögensverwaltung zugeordnet ist, einige Wohnungen, die in dem Zustand, in dem wir sie übernommen haben, nicht weiter vermietet werden können. Sie müssen in der Tat dringend saniert werden. Die Vorbereitungen sind auf einem guten Wege.
Nun möchte ich der Abgeordneten Frau Baumeister das Wort geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast Unmögliches ist möglich geworden. Die Entscheidungen, die zur Umsetzung des Beschlusses vom 20. Juni letzten Jahres gefordert worden sind, sind rechtzeitig getroffen worden. Wie einer meiner Vorredner schon sagte: Umziehen ist schwierig. Erschwerend kommt noch hinzu, daß wir darin wenig Erfahrung haben.
Ich meine deshalb, daß der Deutsche Bundestag seine Hausaufgaben gemacht hat. Herr Regierender Bürgermeister Diepgen, der Geist, den Sie in Ihrer Rede beschworen haben, ist in der zügigen und konstruktiven Arbeit, die die Bau- und die Konzeptkommission geleistet haben, zum Ausdruck gekommen.
Mit dem zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission sind die Voraussetzungen dafür gegeben, daß Verläßlichkeit für beide Städte, nämlich für Bonn und für Berlin, geschaffen wurde. Berlin erhält Planungssicherheit und Bonn eine faire Ausgleichschance. Es bietet sich durch die Wettbewerbe die einmalige Chance, in Berlin erstens etwas zu schaffen, das Bestand hat, und zweitens eine Lösung zu finden, die die städtebaulichen Gegebenheiten in Berlin, die Idee eines richtig verstandenen Denkmalschutzes und die Anforderungen eines modernen Arbeitsparlamentes miteinander verbindet.
Grundsätzlich gilt für die CDU/CSU-Fraktion, daß der Beschluß vom 20. Juni 1991 in allen seinen Teilen nicht zur Disposition steht.
({0})
Wir wollen für Bonn einen fairen Ausgleich und in Berlin keine Provisorien, sondern dauerhafte und zugleich funktionale Arbeitsverhältnisse.
Über den Zeitplan des Umzuges ist gesprochen worden. Er läßt sich noch nicht festlegen. Ich denke, daß wir Geduld haben müssen, bis uns die Ergebnisse der Wettbewerbe vorliegen.
Ich glaube, daß die vertikale Aufteilung der Ministerien durch die Schaffung geschlossener Politikbereiche in Bonn möglich sein wird; alle anderen Möglichkeiten und Überlegungen haben jedenfalls keine überzeugenden Vorteile bieten können.
Ich bin sicher, daß die Bonner Region zu einem Standort mit zukunftsorientierter Wirtschaftsstruktur werden wird. Dazu gehört auch, daß sich die Union um die Ansiedlung internationaler Institutionen bemüht.
Durch die Arbeit der Bau- und der Konzeptkommission, meine Damen und Herren, glaube ich, sind die Gräben schmäler geworden, die sich noch in der vergangenen Zeit aufgetan haben. Unseriösen Spekulationen, was die Kosten des Umzuges einerseits, seinen Zeitpunkt andererseits betrifft, entzieht dieser Bericht die Grundlage.
({1})
Die Union wird dazu beitragen, den Beschluß des vergangenen Jahres zügig umzusetzen, ohne jedoch unüberlegte Hektik an den Tag zu legen.
({2})
Berlin muß wissen, daß der Umzug des Parlaments und der Regierung verwirklicht wird.
({3})
Bonn gebührt Dank für mehr als 40 Jahre, in denen sich die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland hat entwickeln können.
Unsere Sorgfaltspflicht gebietet uns, in Bonn für einen fairen Ausgleich zu sorgen. Diesem Anliegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird der zweite Zwischenbericht der Konzeptkommission gerecht.
Vielen Dank.
({4})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Aussprache.
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
Bevor wir zur Abstimmung kommen, habe ich noch Wünsche zu zwei persönlichen Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen.
Ich erteile zunächst dem Abgeordneten Martin Grüner das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme gegen die Beschlußempfehlungen zu den beiden Berichten, weil ich der Absicht der Bundesregierung widersprechen will, die Aufteilung der Ministerien sowie die Schaffung geschlossener Politikbereiche im vorgesehenen Berlin-Bonn-Gesetz nur im Prinzip zu regeln. Das halte ich weder politisch noch verfassungsrechtlich für zulässig.
Das Konzept der Bundesregierung zur Ausgestaltung des Regierungssitzes steht nach meiner Auffassung darüber hinaus nicht im Einklang mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991.
Falls die Bundesregierung daran festhält, daß eine weitere parlamentarische Entscheidung für die Umsetzung des Beschlusses nicht in Betracht komme, weil diese Entscheidung im Rahmen der Organisationsgewalt der Bundesregierung zu treffen sei, bin ich in meinen Rechten und Pflichten als Abgeordneter zur Überwachung und Kontrolle der Regierung verletzt. Ich meine, das gilt für den ganzen Deutschen Bundestag.
({0})
Persönlich bin ich der Meinung, daß das sogenannte Kopfstellenmodell im Vergleich zum Organisationsmodell der Bundesregierung Beträge in Milliardenhöhe einsparen würde - das erkennen wir, wenn wir uns dieses Modell genau ansehen -, für Bonn ein deutliches Mehr an Arbeitsplätzen brächte, das Umzugskartell und die beabsichtigte Verlagerung von Ämtern und Arbeitsplätzen aus Berlin und anderen Teilen der Bundesrepublik nach Bonn unterbleiben könnte, die Spitzen aller Ministerien in Berlin wären und der Wohnungsengpaß und der Büroengpaß in Berlin damit fühlbar reduziert werden könnten.
Nur ein Gesetzgebungsverfahren ermöglicht es dem Bundestag, derartige Alternativen untersuchen zu lassen und im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Nur ein Gesetz kann sicherstellen, daß die Aufteilung des Sitzes der Bundesregierung unter Gesichtspunkten der Kosten, der Verwaltungseffizienz und der Bestandskraft der beschlossenen Arbeitsteilung nicht ständig verändert und in Frage gestellt werden kann.
Im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens kann das von der Bundesregierung vorgelegte Organisationskonzept zur Erfüllung des Berlin-Beschlusses des Deutschen Bundestages auch von fachkundigen, außenstehenden Beratungsunternehmen für den Deutschen Bundestag unter den Gesichtspunkten Kosten und Verwaltungseffizienz sowie Bestandswahrscheinlichkeit begutachtet und transparent gemacht werden. In eine solche Begutachtung sollte meiner Meinung nach auch der Bundesrechnungshof einbezogen werden.
Die volle politische Verantwortung, meine Damen und Herren, für Fehlentscheidungen der Bundesregierung in diesem Bereich trägt der Deutsche Bundestag, der mit seinem Berlin-Beschluß die Grundlage dafür gelegt hat, daß Berlin Bundeshauptstadt wird, aber die größte Zahl der Arbeitsplätze in Bonn bleiben soll. Diesem Beschluß kann auch nicht durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Behörden aus Berlin und anderen Teilen der Bundesrepublik nach Bonn Rechnung getragen werden. Das war jedenfalls nicht der Sinn dieses Beschlusses.
Der politischen Verantwortung des Bundestages entspricht seine Verpflichtung zur parlamentarischen Kontrolle der Regierung, die bei der Bedeutung des Berlin-Beschlusses vom 20. Juni 1991 und seinen Kosten nur durch ein Gesetzgebungsverfahren sichergestellt werden kann. Es ist verständlich, daß der Zwischenbericht bewußt auf die Angaben von Kosten verzichten mußte und verzichtet hat. Persönlich bin ich allerdings davon überzeugt, daß die Kosten dieses Konzepts drastische Änderungen dieses Konzepts erzwingen werden.
({1})
- Zur Abstimmung.
Nach § 30 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Franz Müntefering das Wort.
Ich möchte zu dem, was der Kollege Grüner vorgetragen hat, noch einmal folgendes klarstellen: Mit dem Bericht der Konzeptkommission gibt es keine Zustimmung zu dem Vorschlag der Bundesregierung zur Aufteilung der Bundesregierung. Die Konzeptkommission hat für sich ausdrücklich festgestellt, daß dies noch zu klären ist.
({0})
Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen quer durch alle Fraktionen. Ich spreche hier nicht für eine Fraktion, sondern ich sage meine Meinung aus der Kenntnis der Arbeit der Konzeptkommission.
Wer für den Bericht der Konzeptkommission stimmt, stimmt damit nicht der Organisationsentscheidung der Bundesregierung zu, sondern ausdrücklich der Feststellung, daß darüber in diesem Herbst entschieden wird, wenn die Bundesregierung dazu ihr Gesetz vorlegt, das sie versprochen hat.
Insofern ist alles, was Sie gesagt haben, Herr Grüner, auf einer etwas wackeligen Grundlage. Ich will klarstellen: Die Konzeptkommission hat ausdrücklich festgestellt, daß es in diesem Stadium noch keine definitive Entscheidung gibt.
Zu einer Kurzintervention Martin Grüner, urn den Sachverhalt zu klären.
Herr Müntefering, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Erklärung. Ich habe aber den Bericht sehr genau gelesen. Darin steht, daß es
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 100. Sitzung. Borm, Freitag, den 26. Juni 1992 8501
dazu Meinungsverschiedenheiten gegeben hat. Aber uns wird dieser Beschluß zur Bejahung vorgelegt.
({0})
Deswegen bin ich hier sehr vorsichtig und lege Wert darauf, mit meinem Nein deutlich zu machen, daß ich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren für notwendig halte und daß wir dafür auch den Bundestag gewinnen wollen.
Nunmehr hat zu einer persönlichen Erklärung nach § 31 der Abgeordnete Ortwin Lowack das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Daran, daß ich den Beschluß vom 20. Juni 1991 für einen Fehler gehalten habe, habe ich nie einen Zweifel gelassen.
({0})
Zigtausende von Mitarbeitern in Dienststellen und deren Familien in die eine oder andere Richtung zu verschieben, viele Milliarden an Ressourcen in Arbeitsplätze zu stecken, die schon wegen der hohen Grundstückskosten niemals die gleiche Effektivität erreichen können, als wenn wir die Arbeitsplätze woanders einrichten, ist meines Erachtens politische Hybris, die wir nicht einfach so übergehen sollten.
Aber auch die Entschließung des Deutschen Bundestages, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen - denn mehr war es ja nicht -, muß doch im Kontext mit dem Bonn-Entschließungsentwurf gesehen werden, der damals nur äußerst knapp und, wie viele wissen, unter großem Druck abgelehnt worden ist. Ich bedaure, daß der Kollege Diepgen hier eine völlig falsche Interpretation des Beschlusses gegeben hat. Dort steht nicht drin, daß der Regierungssitz Berlin organisiert wird, sondern es steht eine Empfehlung für die Bundesregierung darin.
Gerade dieser Beitrag hat aber eigentlich bestätigt, daß es ein gespenstiges Verfahren ist, wenn ohne gesetzliche Regelung Maßnahmen beschlossen und hier bestätigt werden sollen, die bereits unübersehbare Kosten und personelle Konsequenzen zur Folge haben und die die unbedingt notwendige gesetzliche Regelung vorwegnehmen, obwohl gleichzeitig, allerdings ohne jede inhaltliche Darstellung, im Bericht ein Gesetz, in Aussicht gestellt und auch als notwendig erachtet wird.
Ich habe außerdem den Eindruck, daß die Bundesregierung eine parlamentarische Bestätigung für ein Verfahren sucht, das nicht gesetzmäßig und ohne notwendige Legitimation ist.
Lieber Franz Müntefering, ich bin ja dankbar für Ihren Hinweis, auch dafür, daß er hier zu Protokoll gegeben wurde. Aber die Regierungsbefragung an gleicher Stelle hat gerade diese Sicherheit nicht erbracht, die aus diesem Beitrag gesprochen hat, sondern die Regierung hat sich in der Regierungsbefragung äußerst vage geäußert, wann das Gesetz kommt, was Gegenstand des Gesetzes sein soll und welche Kosten entstehen. Solange diese Dinge nicht erörtert werden, können wir so einen Zwischenbericht
nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen. Ich muß ihn deshalb ablehnen.
({1})
Meine Damen und Herren, damit sind wir wirklich am Ende der Aussprache und der persönlichen Erklärungen.
Wir können nunmehr zur Abstimmung kommen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Ältestenrates auf Drucksache 12/2850? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, damit ist die Beschlußempfehlung mit sehr großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen aus allen Fraktionen und Gruppen angenommen.
Der Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/2886 ({0}) soll an den Ältestenrat verwiesen werden. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dies beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15b auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ältestenrates zu den Vorschlägen der unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder
- Drucksache 12/2853 ({1}) Dazu liegen ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({2}) und anderer Abgeordneter sowie ein Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor.
Der Ältestenrat hat Ihnen eine Debattenzeit von einer Stunde empfohlen. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich möchte zu Ihrer Information darauf hinweisen, daß wir im Anschluß an die Aussprache, also in ca. einer Stunde, eine namentliche Abstimmung über eine Beschlußempfehlung haben.
Die Debatte wird von dem Ministerpräsidenten Bernhard Vogel des Landes Thüringen eröffnet.
({3})
Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel ({4}): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als einer der beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission und zugleich als Ministerpräsident eines der jungen Länder habe ich urn das Wort gebeten und werde vor Frau Hämmerle, der anderen Vorsitzenden, über die Arbeit berichten.
Sie, meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, haben vor einem Jahr eine unabhängige Kommission aus 16 Bundestagsmitgliedern und aus 16 Bundesratsmitgliedern eingesetzt und uns aufgetragen, Vorschläge für eine ausgeglichene Verteilung von Einrichtungen des Bundes in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer
Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel ({5}) Berücksichtigung der jungen Länder zu machen; um den Föderalismus zu stärken, wie es hieß.
Natürlich ist diese Aufgabe im Zusammenhang mit dem Bonn-Berlin-Ausgleich zu sehen, obwohl es, meine Damen und Herren, in den neuen Ländern oft nur schwer verständlich zu machen ist, daß es zwischen Bonn und Berlin zu einem vollen Ausgleich kommen soll und daß es zugunsten der neuen Länder lediglich zu Zeichen des guten Willens kommen kann.
({6})
Die Aufgabe, die wir hatten, war sehr schwierig, zumal wir in unseren Beschlüssen an eine Zweidrittelmehrheit gebunden waren. Der Erfolg der Kommission hing lange Zeit an einem seidenen Faden, und er ist nur erreicht worden, weil von vielen viel guter Wille investiert worden ist. Es ist auch heute noch keine Frage: Wenn man aus dem Gebäude einen Stein herausbricht, dann droht das ganze Gebäude zusammenzufallen.
({7})
Natürlich, meine Damen und Herren, waren die Interessen sehr unterschiedlich. Die Geberländer haben jeder Verlegung auch nur einer einzigen Einrichtung zu widersprechen versucht. Die Empfängerländer waren mit dem, was wir vorschlugen, verständlicherweise nicht einverstanden und empfanden es als zuwenig.
In der Tat, meine Damen und Herren: Die jetzt zur Verlagerung vorgesehenen insgesamt ca. 9 000 Stellen schaffen keine ausgeglichene Verteilung. Geht man davon aus, daß der Bund - ohne oberste Bundesbehörden, ohne Bundeswehr, Bundespost und Bundesbahn - 280 000 Bedienstete hat, dann sind die zur Verteilung anstehenden 3,5 % kein Ausgleich, sondern allenfalls ein erstes Zeichen guten Willens.
({8})
Für die Arbeit, meine Damen und Herren, haben wir uns vor allem an folgenden Kriterien orientiert:
Erstens. Wir haben davon abgesehen, in den alten Bundesländern einen Ausgleich zwischen den Einrichtungen des Bundes zu schaffen. Das war in diesem Zusammenhang nicht auch noch zu bewältigen.
Zweitens. Vorrang hatte die Aufgabe, aus den Ländern Einrichtungen abzuziehen, die überproportional mit Bundeseinrichtungen bedacht sind. Das heißt, daß vor allem Hessen, Hamburg und Berlin in Frage kamen, dagegen nicht Bayern und BadenWürttemberg, die bezüglich dieser Einrichtungen stark unterrepräsentiert waren.
({9})
Wenn der verehrte Herr Regierende Bürgermeister von Berlin von einer Umverteilung im Osten Deutschlands sprach, dann ist er in aller Freundschaft darauf hinzuweisen: Hessen liegt nicht im Osten, und WestBerlin und ganz Berlin sind durch die Entscheidung zugunsten der Hauptstadt Berlin ohnehin die
Gewinner der Tagesordnungspunkte, die wir gegenwärtig hier besprechen.
({10})
Nordrhein-Westfalen war ebenfalls wegen des Bonn-Berlin-Ausgleichs weitgehend nicht in die Überlegungen einzubeziehen.
Historische Bezüge sind berücksichtigt worden. Allerdings war hierfür der historische Bezug der Rückkehr der Hauptstadt nach Berlin dominierend. Dahinter standen andere historische Überlegungen zurück.
Das Ergebnis ist, knapp gesagt, der Beschluß: Neue Einrichtungen des Bundes sollen grundsätzlich nur in neuen Ländern eingerichtet werden; Dependancen von Bedeutung, die errichtet werden müssen, sollen grundsätzlich nur in neuen Ländern eingerichtet werden; für jedes neue Land soll eine signifikante Einrichtung vorgesehen werden, also beispielsweise das Verwaltungsgericht für Sachsen, das Arbeitsgericht für Thüringen oder die regierungsnahen Teile des Bundesrechnungshofs für Brandenburg oder auch das Bundesumweltamt für Sachsen-Anhalt.
Viertens. In jedem Land soll eine nennenswerte Zahl neuer Arbeitsplätze entstehen. Dabei waren wir uns einig, das besonders belastete MecklenburgVorpommern sollte dabei in besonderem Maße - über dem Schnitt der Einwohnerzahl - berücksichtigt werden.
({11})
Fast jede Einrichtung, über die auch nur von ferne gesprochen wurde oder gesprochen werden sollte, hat gegen die Einbeziehung in die Diskussion Protest angemeldet. Von den Leitern, von den Betriebsräten, von allen nur irgendwie Formulierfähigen sind Proteste eingegangen. Man stellte die Arbeitsfähigkeit der Einrichtung in Frage, und man wies, oft nicht zu Unrecht, auf soziale Belastungen hin. Man kann die Schreiben diesbezüglich zusammenfassen: Einheit ja, Umzug nein! Dabei verkenne ich nicht, daß beispielsweise die Berufstätigkeit des Ehepartners, daß beispielsweise das eigene Haus und die Schule für die Kinder ihre Schwierigkeiten enthalten.
Wir haben Verständnis für diese Einwendungen. Wir haben auch Verständnis für den Kampf vieler Oberbürgermeister um die Erhaltung ihrer Einrichtungen. Wir haben diese Diskussion, wo es ging, sehr fair geführt.
Aber Argumente gegen die Verlagerung haben auch ihre Grenzen. Wenn aufgefordert wurde, im Falle der Zustimmung zur Verlagerung einer Einrichtung Hilfsvereinbarungen mit neuen Ländern aufzukündigen, dann hat man Dinge miteinander verbunden, die man nicht miteinander verbinden darf.
({12})
Wenn geschrieben wurde, man dürfe eine blühende Pflanze nicht in eine öde Landschaft verlegen, und man damit ein Land wie Sachsen oder MecklenburgMinisterpräsident Dr. Bernhard Vogel ({13}) Vorpommern meinte, dann hat das nichts mehr mit der Auseinandersetzung zu tun.
({14})
Wenn sich die Leitung des Goethe-Instituts mit einem Brief an alle 32 Mitglieder der Föderalismuskommission wendet und schreibt, daß man jedem Mitglied der Kommission die Möglichkeit geben wolle, die Argumente, die gegen eine Verlagerung sprächen, zu beurteilen, dann mag das das gute Recht des Goethe-Instituts sein. Wenn es aber als Argument 4 heißt - mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich -:
Das Goethe-Institut trägt seinen Namen eher zufällig
({15})
und hat mit der Person und dem Werk Goethes selber gar nichts zu tun.
({16})
- dann übersteigt eine solche Feststellung meiner Ansicht nach das Erträgliche.
({17})
Ich will zur juristischen Frage, ob eine Verlegung möglich ist oder nicht, hier nicht Stellung nehmen. Ich will nur sagen, daß es für mein Empfinden nicht gut ist, zu wissen, daß draußen in der Welt ein Institut mit dem Namen Goethes für Deutschland arbeitet, während die Leitung dieses Instituts meint, daß dieser Name nur zufällig gewählt sei und daß man mit ihm nichts zu tun habe.
Meine Damen und Herren, daß die Verlagerung, die wir vorschlagen, Schwierigkeiten mit sich bringt, ist der Kommission und natürlich auch mir selbst bewußt. Wir sind deswegen der Meinung, daß bei der Umsetzung der Beschlüsse nicht der Umzug von Menschen, sondern die Verlagerung von Stellen die Zielsetzung sein muß. Deswegen muß eine Zeitschiene gefunden werden, die zunächst einmal davon ausgeht, daß alle Beteiligten bald Klarheit erhalten, ob sie von den Maßnahmen betroffen sind oder nicht. Durch das Gespräch über jede Einrichtung muß es zu einer Realisierung zwischen Geberland, Nehmerland und Einrichtung selber kommen. Wir haben uns bemüht, es vielen recht zu machen. Allen konnten wir es nicht recht machen. Zwei Drittel Zustimmung zu erreichen war möglich; Einstimmigkeit zu erreichen war nicht möglich.
Ich ersehe aus der Drucksache, die Ihnen vorliegt, daß die Kommission ihre Arbeit fortsetzen und die Umsetzung der Beschlüsse begleiten soll. Wir wollen das gerne tun; denn wir sehen in dieser schwierigen
Aufgabe einen wesentlichen Beitrag, um zum Ausdruck zu bringen, daß das ernsthafte Bemühen besteht, ganz Deutschland in die Verteilung von Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland einzubeziehen. Ich sehe aus der praktischen Erfahrung im Alltag eine wesentliche Hilfe.
Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, dem mühsam Zustande gekommenen Werk als erstes Zeichen dieser Bereitsschaft Ihre Zustimmung zu geben.
({18})
Meine Damen und Herren, wegen der diversen Anfragen möchte ich Sie noch einmal über die Geschäftslage unterrichten. Am Ende dieses Debattenpunkts - in etwa einer knappen Stunde - findet eine namentliche Abstimmung statt. Danach wird das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz bekanntgegeben und über die gesamte Gesetzesvorlage abgestimmt.
Daran anschließend findet die Nachwahl zur PKK statt. Dieser Ablauf erschien uns aus beratungsökonomischen Gründen im Interesse der Kollegen vernünftig zu sein. Ich hoffe, damit sind diese Dinge klargestellt.
Nun kann ich der Abgeordneten Frau Gerlinde Hämmerle das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Kommission zwei gleichberechtigte Vorsitzende hat - wie im Falle der Föderalismuskommission -, dann hat das viele Vorteile, verehrter Herr Dr. Vogel: Lob und Tadel können geteilt werden. Sie wissen ja, daß ein altes Sprichwort sagt: „Geteilte Freude ist doppelte Freude, aber geteiltes Leid ist halbes Leid".
Wir haben diesen Beschluß zu erfüllen, der heute schon häufig angesprochen wurde. Alsbald nach diesem Beschluß gingen wir an die Arbeit. Sie war keineswegs von guten Wünschen und aufmunterndem Optimismus begleitet, sondern von Anfang an von Unkenrufen und der Mutmaßung, daß die Erfüllung des Auftrages, den wir uns am 20. Juni des vergangenen Jahres alle miteinander selbst gegeben haben, überhaupt nicht möglich sei.
Ich vergesse niemals die Pressekonferenz unten im Wasserwerk, auf der die Journalistinnen und Journalisten, insbesondere der hochverehrte Vertreter des Zweiten Deutschen Fernsehens, erklärt haben, dies alles sei zum Scheitern verurteilt, und wir müßten doch nun krampfhaft neue Institutionen ins Leben rufen, damit überhaupt etwas passiere.
Ich bin bei aller Kritik, die wir heute noch hören werden, sehr wohl der Meinung, daß dieses Werk so, wie es mein Mitvorsitzender, der thüringische Ministerpräsident, schon geschildert hat, gelungen ist. Viel Kritik hat die Arbeit begleitet.
Verehrter Herr Regierender Bürgermeister von Berlin, es ist ja so: Etwas, was überhaupt nicht kritisiert
wird, ist auch nichts wert. Daraus schließen wir, daß unsere Arbeit doch einen gewissen Wert hat.
({0})
Daß wir aus diesem Hause heute Kritik bekommen werden, ist uns völlig klar und ist meinerseits überhaupt nicht zu kritisieren.
Wir werden von vielen Seiten gefragt: Warum habt ihr dieses getan, jenes verlagert, dieses und jenes nicht getan? Aber manchmal werden wir auch gefragt, warum wir überhaupt etwas vorgelegt haben; und das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich absurd.
({1})
Wir, das sind die 16 Mitglieder des Bundesrates und die 16 Mitglieder des Bundestages sowie die nicht stimmberechtigten Mitglieder der Bundesregierung, wir, die Kommission - ich sage das noch einmal -, haben uns diese Aufgabe nicht selbst aus Jux und Dollerei erfunden, sondern wir sind von diesem Parlament im Vollzug unseres gemeinschaftlichen Beschlusses beauftragt worden, diese Arbeit zu erfüllen.
Wir mußten uns Kriterien geben - wir hörten es schon -; denn das Herumstochern in einem Heuhaufen von Hunderten von Bundesinstitutionen, Zuwendungsempfängern und Forschungseinrichtungen wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Wir mußten uns einen Abstimmungsmodus geben.
Ich möchte noch einmal ganz kurz die Kriterien zusammenfassen, weil sie wichtig sind. Wir wollten kein grundsätzliches Umzugskarussell durch diese Republik veranstalten. Wir wollen die Sozialverträglichkeit und die zeitliche Begrenzung berücksichtigen. Neue Einrichtungen kommen in die neuen Länder. Wir berücksichtigen die Versorgungsquote, d. h. die überproportional und die unterproportional mit Bundeseinrichtungen versorgten Länder. Und was ganz wichtig war: Das Land Nordrhein-Westfalen und insbesondere die Region Bonn sind von uns nicht weiter zu tangieren.
Die nächste Frage bezog sich auf den Abstimmungsmodus. Herr. Dr. Vogel hat ihn schon geschildert. Streckenweise haben wir nicht geglaubt, daß wir die hohe Hürde, die wir uns selbst gegeben haben - eine Zweidrittelmehrheit herzustellen -, überhaupt überspringen konnten. Wir sind am 27. Mai in die Klausur gegangen und haben bis zum späten Nachmittag nicht daran geglaubt, daß wir diese Hürde wirklich überspringen könnten.
Wir haben in gar keiner Weise erwartet, daß hier heute mit dem erforderlichen Quorum ein abschließendes Ergebnis erzielt werden könnte, so sagten Sie, Frau Präsidentin Professor Süssmuth, die an unserer Veranstaltung am 27. Mai teilgenommen haben.
Das Ergebnis - zustande gekommen in der Winterscheider Mühle - gliedert sich in zwei Teile: I. Die Vorschläge für die neuen Länder - es liegt Ihnen vor, ich muß Ihnen das nicht noch einmal vorlesen -; II. die
Ergebnisse der sogenannten Kroppenstedt-Kommission, die wir zustimmend zur Kenntnis genommen haben.
Meine Damen und Herren, es liegt mir daran, darauf hinzuweisen, daß wir - Herr Diepgen ist gerade nicht sichtbar - nicht die Erfinder, die Väter und Mütter dieses zweiten Teils der Liste sind. Diesen hat der Arbeitsstab Bonn-Berlin besorgt; wir haben es allerdings zustimmend zur Kenntnis genommen.
In diesem zweiten Teil lege ich auf zwei wesentliche Punkte wert:
Erstens. Wir haben uns dort festgelegt, daß wir die Regierung bei ihren Bemühungen um die Ansiedlung von Einrichtungen der Vereinten Nationen in Bonn und bei ihren Bemühungen um die Ansiedlung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt unterstützen wollen.
Zweitens haben wir dort festgelegt, daß Wegzüge aus Berlin mit dem Hinziehen von Parlament und Regierung gekoppelt werden sollen.
Drittens haben wir festgelegt - Herr Dr. Vogel hat es schon gesagt -, daß das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Zukunft in ganz besonderer Weise technologisch und innovativ gefördert werden soll. Unter Berücksichtigung der beiden von mir angesprochenen Punkte - Hessen und Berlin - sage ich Ihnen offen, daß mir manche Kritik aus diesem Bereich relativ unverständlich war.
({2})
In Würdigung dieser Punkte möchte ich sagen - da werden mir nicht alle zustimmen; das ist mir sehr wohl klar -: Was wir heute vorlegen, ist das Ergebnis einer Kommission, die nach bestem Wissen und Gewissen intensiv gearbeitet hat und die alle Gesichtspunkte, die zu erwägen waren, hin und her gewendet hat. Natürlich ist dieses Ergebnis nicht vollständig. Natürlich ist dieses Ergebnis nicht perfekt. Es ist nicht ohne Ecken und Kanten. Es beinhaltet Enttäuschungen - ich sehe hier einige -, es beinhaltet aber auch Freude. Es hinterläßt Verletzungen und es hinterläßt Unsicherheiten.
Mir ist sehr daran gelegen, daß der Beschluß dieses Parlaments heute ein Stückchen mit der Unsicherheit der Menschen, die bis heute nicht wissen, ob sie nun endgültig betroffen sind oder nicht betroffen sind, und mit der Unsicherheit der neuen Länder aufräumt, die bis heute nicht wissen: Was kommt zu uns, und was kommt nicht zu uns?
Wir sind auf diesen Beschluß überhaupt nicht stolz. Wir legen auch nicht die Beine auf den Tisch und sonnen uns. Es ist ja kein glänzender Erfolg. Aber auf eines sind wir stolz: auf die Fairneß bei den Beratungen, auf das Zusammenstehen in schwierigen Situationen, auf die Mitarbeit der Mitglieder der Bundesregierung und auf die Hilfe und den unermüdlichen Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir danken ihnen allen.
Wir danken ganz besonders den alten Ländern, die keine Bundeseinrichtungen haben, z. B. Saarland und Bremen, oder die unterversorgt sind, dafür, daß sie von sich aus auf den gerechten Ausgleich durch die Bundesrepublik - so sagt es ja der Beschluß Gerlinde Hämmerle
verzichtet und mit uns gemeinsam das Schwergewicht auf die neuen Länder gelegt haben.
({3})
Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Ich denke, man muß dies einmal sagen, weil Solidarität keine Einbahnstraße ist.
Die Kommission soll weiterarbeiten. Das ist auch wichtig, weil wir viele, viele Einsprüche und Eingaben von Menschen haben, denen wir durch unsere Antwort und durch unsere Weiterarbeit helfen wollen, mit dem Problem, von dem sie betroffen sind, fertig zu werden. Wir haben sehr viele beunruhigte Menschen, um die wir uns kümmern müssen.
Die Organisationsgewalt des Umzugs aber - auch das will ich ganz deutlich sagen - liegt bei der Bundesregierung.
Weiterhin müssen wir auch noch Gesetzesänderungen in dieses Haus einbringen, weil beispielsweise der Ort der hohen Gerichte im Gesetz geregelt ist. Wenn wir hier etwas ändern, müssen wir auch eine Gesetzesänderung vornehmen.
Manchmal sagt ein einfaches Sprichwort mehr als gestelzte Worte. Mit einem einfachen Sprichwort möchte ich schließen: Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.
Ich bitte Sie unter Berücksichtigung dieses schönen alten deutschen Sprichworts um Ihre Zustimmung zum Gesamtvorschlag der Kommission.
({4})
Meine Damen und Herren, ich muß nun etwas dazwischenschieben und Ihre Mitarbeit erbitten: Um 13 Uhr tagt die Gemeinsame Verfassungskommission. Die F.D.P.-Fraktion bittet mich, vorher noch eine Änderung in der Besetzung vorzunehmen.
Die F.D.P.-Fraktion hat mitgeteilt, daß der Abgeordnete Wolfgang Mischnick als ordentliches Mitglied aus der Gemeinsamen Verfassungskommission ausscheidet und daß sie als Nachfolger den Kollegen Hans-Joachim Otto vorschlägt.
Wenn das Haus jetzt damit einverstanden ist, kann er um 13 Uhr an der Sitzung der Verfassungskommission teilnehmen. - Da ich feststelle, daß Sie keine Einwendungen dagegen haben, ist das in Ordnung. Damit ist Hans-Joachim Otto als ordentliches Mitglied gewählt.
Ich kann nun der Abgeordneten Frau Ina Albowitz das Wort geben.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 20. Juni 1991 hat der Deutsche Bundestag mit seinem Umzugsbeschluß gleichzeitig die Bundestagspräsidentin beauftragt, eine Kommission einzusetzen. Deren Vorschläge für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden
im größer gewordenen Deutschland liegen nun ein Jahr später vor.
Die Föderalismuskommission, die sich aus Mitgliedern aller Verfassungsorgane, nicht stimmberechtigten Vertretern der obersten Bundesbehörden sowie weiteren Sachverständigen zusammensetzt, hat gute Arbeit geleistet.
({0})
Ihr ist es gelungen, ein Konzept zu erstellen, das unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder den zur Zeit bestmöglichen Ausgleich der föderalen Interessen herstellt.
Die Arbeit der Kommission ist ein gutes Beispiel dafür, daß es doch sehr schwierig ist, einen hehren Begriff wie „Föderalismus" mit Leben zu erfüllen. Theoretische Abhandlungen und allgemeine Bekenntnisse zu Föderalismus sind leicht. Konkrete Maßnahmen gestalten sich offensichtlich deutlich schwieriger. So konnte sich auch niemand die Entscheidung über die Umzüge ganzer Behörden einfach machen, denn hier geht es um den schwierigen Versuch, gegensätzliche Interessen, die, für sich gesehen, jeweils ihre Berechtigung haben, miteinander zu vereinbaren. Für diese Arbeit möchte ich allen Kommissionsmitgliedern herzlich danken, vor allem den beiden Vorsitzenden, unserer Kollegin Gerlinde Hämmerle und dem Ministerpräsidenten von Thüringen, Herrn Dr. Vogel.
Ein Bereich der Kommissionsarbeit bezog sich auf die Verlagerung von Bundeseinrichtungen nach Bonn, um einen teilweisen Ausgleich für den Umzug von Parlament und Teilen der Regierung nach Berlin zu schaffen. Über dieses Thema wurde bereits unter dem vorigen Tagesordnungspunkt ausführlich diskutiert. Ich möchte an dieser Stelle lediglich bemerken, daß ich die Kompensationsmaßnahmen unter den gegebenen Voraussetzungen für angemessen und für die betroffenen Behörden auch für zumutbar erachte.
Das Problem der gleichmäßigen Verteilung von Bundesbehörden im größer gewordenen Deutschland war Schwerpunkt der Tätigkeit der Föderalismuskommission. Nach deren Vorschlag werden 15 Bundeseinrichtungen mit rund 9 000 Beschäftigten in die neuen Länder verlagert. Darüber hinaus sollen dort auch alle Bundeseinrichtungen und Institutionen, die zukünftig neu geschaffen werden, angesiedelt werden.
Nach der ersten Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge setzte - wie erwartet, Frau Kollegin Hämmerle - das allgemeine Wehklagen ein. Natürlich ist jeder Umzug mit Belastungen der Arbeit und anderen Konsequenzen verbunden. Das Argument zählt und wird entsprechend berücksichtigt. Wir haben Gesetzesänderungen u. ä. vorzunehmen. Darüber ist gesprochen worden. Doch bei einer so massiven prinzipiellen Ablehnung vieler Umzugsvorschläge, wie sie aus den betroffenen Häusern teilweise zu hören war, muß man manchmal schon nachdenklich werden.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Bundespräsident hat in den yergan8506
genen Wochen viel gesagt. Manches davon hat mir gut gefallen. Über einiges muß mit Sicherheit noch geredet werden. Richtig war aber zweifellos seine Aufforderung, daß im geeinten Deutschland das Teilen noch deutlicher im Vordergrund stehen muß.
({1})
Der vorgeschlagene Umzug von Bundeseinrichtungen in die neuen Länder ist ein gutes Beispiel für diese Hilfe als erster Einstieg, denn hier werden auch mehreren Regionen in Westdeutschland durchaus jetzt schon Opfer abverlangt. Ich mache überhaupt kein Hehl daraus, daß ich für die Zukunft hier noch viel mehr erwarte. Wenn heute der Deutsche Bundestag die Vorschläge der Föderalismuskommission zur Kenntnis nimmt, wird eine für die neuen Länder akzeptable Verteilung der Bundesbehörden vorgeschlagen, auch wenn natürlich nicht alle Wünsche und Vorschläge berücksichtigt werden konnten.
Ich habe Verständnis für den Gruppenantrag von Mitgliedern aller Fraktionen, entgegen den Kommissionsempfehlungen den gesamten Bundesgerichtshof nach Leipzig zu verlagern.
({2})
Trotzdem appelliere ich an alle Abgeordneten, diesem Antrag nicht zuzustimmen.
({3})
Über eine Verlagerung des Bundesgerichtshofes von Karlsruhe nach Leipzig haben die Kommissionsmitglieder bereits ausführlich diskutiert. Der Antrag wurde jedoch mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
({4})
Die Kommission hat versucht, ein ausgewogenes Ergebnis zu erreichen. Das war auf Grund der unterschiedlichsten Problemlagen nicht einfach, meine Damen und Herren, und bedurfte auch vieler Abwägungen. Das endgültige Beratungsergebnis würde jetzt aus dem Gleichgewicht geraten, wenn man beginnt, über die Wünsche einzelner Regionen neu zu diskutieren. Unbestreitbar gibt es gute Gründe, die für eine Verlagerung sprechen. Bis 1945 war Leipzig der Mittelpunkt der Rechtsprechung in Deutschland, u. a. als Sitz des Reichsgerichtes, des Vorläufers des Bundesgerichtshofes. Diese Tradition wurde nach dem Krieg unterbrochen.
Bei allen Forderungen nach einer Verlagerung des Bundesgerichtshofes nach Leipzig sollte man auch nicht vergessen, welche Tradition sich seitdem in Karlsruhe entwickelt hat. Vor allem für die jüngere Generation, meine Kolleginnen und Kollegen, ist diese Stadt mit dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesgerichtshof das Fundament einer rechtsstaatlichen Ordnung. Den jungen Menschen in unserer Bundesrepublik wäre eine Verlagerung kaum verständlich zu machen.
Angesichts der beiden zu berücksichtigenden Traditionen kann es in dieser Frage nicht um die bloße Restauration eines Zustandes gehen, zumal BadenWürttemberg im Verhältnis zur Größe und Bevölkerungszahl mit Bundeseinrichtungen unterproportional versorgt ist. - Ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Damit da überhaupt keine Schwierigkeiten auftreten, betone ich: Ich komme nicht aus BadenWürttemberg.
({5})
- Manche auch aus Nordrhein-Westfalen.
Die Geschichte Leipzigs als Justizstandort wird von der Föderalismuskommission besonders gewürdigt, indem diese die dortige Ansiedlung des Bundesverwaltungsgerichts und des bisher ebenfalls in Berlin ansässigen 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vorschlägt.
Meine Damen und Herren, Lösungsvorschläge sind nie perfekt: die Kollegin Hämmerle hat das soeben vorgetragen. Ich denke, dies ist ein erster Einstieg. Wir haben das auch so beraten. Mit dem vorliegenden Bericht ist die Arbeit der Kommission nämlich nicht abgeschlossen. Sie wird ihre Arbeit fortsetzen, bis alle Vorschläge umgesetzt und eine annähernd ausgewogene Verteilung aller Bundeseinrichtungen und -institutionen über a 11 e Bundesländer erreicht ist.
Über den jeweiligen Planungsstand der Ressorts für Standorte von Bundeseinrichtungen wird die Bundesregierung die Kommission informieren und auch die Ausführung der Beschlüsse überwachen. Sollten bestimmte Vorschläge nicht realisierbar sein oder sollten andere Veränderungen notwendig werden, wird die Kommission über Ersatzmaßnahmen zu diskutieren haben, um das Gleichgewicht, an dem uns allen gelegen sein sollte, wiederherzustellen.
Die Weiterarbeit der Unabhängigen Föderalismuskommission garantiert somit, daß der schwierige Prozeß der Einigung Deutschlands auch künftig sachverständig begleitet wird.
Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat die Abgeordnete Angela Stachowa.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Beschluß vom 20. Juni 1991 hat die Unabhängige Föderalismuskommission den Auftrag erhalten, „Vorschläge zur Verteilung nationaler und internationaler Institutionen zu erarbeiten, die der Stärkung des Föderalismus in Deutschland auch dadurch dienen sollen, daß insbesondere die neuen Bundesländer Berücksichtigung finden mit dem Ziel, daß in jedem der neuen Bundesländer Institutionen des Bundes ihren Standort finden. Auch vorhandene Institutionen des Bundes in Berlin stehen dafür zur Disposition. " - Soweit der Text des Beschlusses.
Ich möchte betonen: Ich bin generell für eine zügige Verwirklichung des Beschlusses hinsichtlich, der Stärkung des Föderalismus in Deutschland, um auch dem Einigungsvertrag nachzukommen. Der quantitative Umfang der Arbeit der Föderalismuskommission
war beträchtlich, so wurde berichtet, und ihr wurde dafür gedankt. Allerdings, die jetzt vorliegenden Vorschläge der Unabhängigen Föderalismuskommission werden dem oben angeführten Anspruch kaum gerecht, und ich muß sie deshalb ablehnen.
Ich meine, die uns vorliegenden Vorschläge sind nicht dazu angetan, den größer gewordenen Raum Deutschland durch wohlüberlegte Gliederung im Sinne der Verteilung politisch, wirtschaftlich und geistig optimal zu bewältigen. Ich kann keine zielgerichtete Umstrukturierung zu den neuen Ländern hin erkennen, im Gegenteil.
Böswillige - ich betone: Böswillige - nennen die Vorschläge zur Verteilung von Bundesinstitutionen das Resultat eines Schachers zwischen Bundesländern einerseits sowie den anmaßenden Forderungen der Bundesstadt Bonn und des Verteilungsstreits zwischen Berlin und Bonn andererseits. Ich bin nicht böswillig; ich bin mir der Schwierigkeiten des Unternehmens bewußt. Ich glaube auch, daß eine allseits zufriedenstellende Lösung kaum möglich ist und nur schwer zu finden sein wird. Aber lassen Sie mich ein paar kleine Rechenbeispiele anführen. Von den 14 Bundesinstitutionen, die in die neuen Länder verlagert werden sollen, kommen neun allein aus Berlin und lediglich fünf aus den insgesamt zehn alten Bundesländern. Bonn selbst erhält 16 Bundesinstitutionen als Ausgleich. Das sind zwei mehr, als alle fünf neuen Bundesländer zusammen erhalten. Wie das mit dem Anspruch in Übereinstimmung steht, „daß insbesondere die neuen Bundesländer Berücksichtigung finden" sollen, ist mir schleierhaft.
Ein weiterer qualitativer Mangel der Arbeit der Föderalismuskommission besteht meines Erachtens darin, daß ihre Vorschläge bisher ökonomisch nicht durchgerechnet sind. Vor allem berücksichtigen sie nicht die notwendigen Eingriffe in Bestehendes, z. B. in bestehende kulturelle Substanz. So bedeutet die geplante Nutzung des Gebäudes des ehemaligen Reichsgerichts in Leipzig für Bundesbehörden in der Konsequenz einen existentiellen Eingriff in die Belange des Museums der bildenden Künste in Leipzig und der Gedenkstätte des Reichstagsbrandprozesses. Aus diesem Grund haben wir, die Gruppe Linke Liste/PDS, einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir fordern, daß vor der Verlagerung von Bundesbehörden in jedem konkreten Fall die erforderlichen materiellen und finanziellen Voraussetzungen für den Erhalt und das Fortbestehen kultureller Einrichtungen und kultureller Substanz geschaffen werden müssen.
Was den Umzug des Bundesgerichtshofs nach Leipzig betrifft, möchte ich neben dem soeben Erwähnten noch folgendes bemerken. Auch in unserer Gruppe gibt es dazu kontroverse Auffassungen. Die Mehrzahl unserer Abgeordneten ist, wie ich meine, aus politischen Gründen, die vor allem in der Vergangenheit liegen, gegen eine Verlagerung des Bundesgerichtshofs nach Leipzig. Ich persönlich tendiere zu einer Verlagerung aus Karlsruhe nach Leipzig. Ich meine, laut Einigungsvertrag sollen wichtige Institutionen in die neuen Bundesländer verlagert werden, wozu der Bundesgerichtshof unbedingt gehört. Ich denke, ein solcher Umzug des Bundesgerichtshofs sollte zugleich
als Chance für einen Neuanfang auch auf diesem Gebiet im geeinten Deutschland betrachtet werden. Vielleicht findet dieser Aspekt Eingang in die Überlegungen.
Meine Damen und Herren, ich bin dafür, daß die Föderalismuskommission weiterbesteht und daß sie weiterarbeitet; in Klammern habe ich hier stehen: und ihre Hausaufgaben demnächst etwas besser erledigt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Nunmehr erteile ich dem sächsischen Staatsminister der Justiz, Herrn Steffen Heitmann, das Wort.
Staatsminister Steffen Heitmann ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum erstenmal im Deutschen Bundestag. Es ist mir eine große Ehre, das tun zu können.
({1})
Noch vor zweieinhalb Jahren wäre mir das so utopisch erschienen, wie zum Mond zu fliegen.
Eine solche Rückerinnerung ist immer wieder gut, um sich die ungeheuren Veränderungen in unserem Land vor Augen zu halten.
({2})
Diesen ungeheuren Veränderungen wird aber das Ergebnis der Beratungen der Föderalismuskommission, das Sie heute zur Kenntnis nehmen und dem Sie zustimmen sollen, nicht gerecht.
({3})
Die Föderalismuskommission hatte von Ihnen den Auftrag, „für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder" zu sorgen. Nach den nahezu einstimmig beschlossenen eigenen Zielvorstellungen der Kommission sollte neben historischen, beschäftigungspolitischen, sozialen und sonstigen Aspekten insbesondere dem Grundsatz einer annähernden Bevölkerungsproportionalität Rechnung getragen werden. Was ist herausgekommen?
Ich habe durchaus Respekt vor den Bemühungen dieser Kommission. Ich weiß, wie mühsam die Verhandlungen waren. Natürlich hat diese Arbeit einen Wert, Frau Hämmerle, ohne Zweifel. Unter der Hand ist ein Bonn-Berlin-Ausgleich herausgekommen. Ein Umzug von Menschen, so sagte Herr Ministerpräsident Vogel, sei nicht vorgesehen. Ich frage Sie: Wie wollen wir im Osten z. B. eine neue Justiz aufbauen ohne die Bereitschaft von Menschen zum Umzug?
({4})
Frau Hämmerle sprach von den beunruhigten Menschen in den Behörden, die möglicherweise verlagert
Staatsminister Steffen Heftmann ({5})
werden. Im Osten haben wir Millionen beunruhigte Menschen, auf die Rücksicht zu nehmen ist.
({6})
In Arbeitsstellen ausgedrückt heißt das Ergebnis: Von rund 9 000 Stellen, die in die östlichen Länder verlagert werden sollen, sind knapp 5 000 einigungsbedingte neue Stellen, während nur etwa 4 000 sogenannte alte Stellen, und zwar - das ist völlig richtig - wirklich vorwiegend aus Berlin, das ja im Osten liegt, verlagert werden. Gleichzeitig aber werden rund 7 000 weitere alte Stellen als Kompensation nach Bonn gegeben.
Das politische Signal heißt also: 7 000 Stellen als Ersatz für rund 12 000 wegfallende Stellen in der Region Bonn mit etwa einer halben Million Menschen; rund 4 000 Stellen - nach Abzug der einigungsbedingten rund 5 000 Stellen - für 16 Millionen Ostdeutsche, bei denen die tatsächliche Arbeitslosigkeit in manchen Bereichen bei 40 % liegt.
({7})
Aber das ist ja nur ein begrenzter Aspekt der Sache. Fast völlig unbeachtet gelassen hat man die Bedeutung des Symbolwerts von Sitzverlagerungen in den Osten. Dagegen spricht man von der Versorgungsquote.
Das Ergebnis der Föderalismuskommission ist ein West-Paket
({8})
Es ist für die Menschen im Osten tief enttäuschend.
Ich gehöre nicht zu den nachträglichen Besserwissern, die die Art und Weise oder gar die Schnelligkeit des Einigungsprozesses in Deutschland kritisieren. Ich bin überzeugt: Es gab keinen anderen und keinen besseren Weg, der hätte beschritten werden können. Ich würdige auch die in der Welt einmalige Transferleistung im Zusammenhang mit der Währungsunion und die gewaltigen Finanzströme, die in den Osten fließen, wohl wissend, daß sie nicht ausreichen. Aber selbst wenn sie ausreichten, wäre die innere Einheit Deutschlands damit allein nicht erreichbar.
({9})
Es bedarf der inneren Bereitschaft, einander anzunehmen, mit innerer Überzeugung zu teilen, materiell und immateriell.
Das diffuse Gerede von einer sogenannten OstPartei kennzeichnet eine diffuse Bewußtseinslage im Osten. Ein Gutteil der Menschen im Osten fühlt sich als der ungeliebte Stiefbruder, der durchgeschleppt werden muß. Es kommt nicht darauf an, meine Damen und Herren, ob dieses Gefühl objektiv berechtigt ist oder nicht; es ist da. Daraus erwachsen gefährliche demagogische politische Kräfte. Das hatten wir in Deutschland schon einmal.
Das Ergebnis der Föderalismuskommission befördert solche Gefühle im Osten, und es beleidigt uns, die wir solche Gefühle nicht haben.
({10})
Das, was hier zu entscheiden ist, ist keine Nebensache. Ich bitte Sie, setzen Sie ein Zeichen der Bereitschaft zur inneren Integration unseres Vaterlandes.
Die Rückkehr des Bundesgerichtshofs nach Leipzig ist dafür ein Zeichen von hohem Symbolwert. Das sind keine egoistischen sächsischen Interessen, sondern das ist ein Zeichen für die Bereitschaft der politisch Verantwortlichen zur inneren Integration. Das Paket kann durchaus noch einmal aufgeschnürt werden. Es handelt sich nicht um einen Staatsvertrag, Si e haben zu entscheiden.
({11})
Nunmehr erteile ich der Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Anke Brunn, das Wort.
Ministerin Anke Brunn ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorredner wie auch einige Redner in der vorherigen Debatte geben mir Anlaß, einleitend zu sagen, daß es eines der Hauptargumente derjenigen, die im vergangenen Jahr, am 20. Juni 1991, die Mehrheit gebildet haben, war, daß man mit diesem Beschluß den neuen Ländern nicht nur symbolisch, sondern praktisch in enormer Weise entgegenkommen könne.
({1})
Eines unserer Argumente gegen diesen Beschluß war, daß es besser wäre, die ganze Kraft, auch die ganzen Kosten, die notwendig werden, in die neuen Länder zu stecken und sich einen Großteil dieses Umzugskarussells zu ersparen.
Ich will das hier nur wiederholen; ich will heute nicht den Beschluß des Bundestages in Frage stellen oder die ganze Debatte nachholen.
Wir halten den Beschluß heute, ein Jahr danach, nicht für besser als vor einem Jahr. Die Mehrheit aber ist die Mehrheit, deshalb haben wir den Blick nach vorn gerichtet. Wir meinen aber, nun müßten auch alle Elemente des Beschlusses zur Umsetzung gelangen.
({2})
Kernpunkt des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 ist die faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin und der Verbleib des größten Teils der Arbeitsplätze in Bonn. Dazu kommt der Ausgleich für den Verlust des Parlamentssitzes und Kernbereiche der Regierungsfunktionen für Bonn durch die Übernahme und Ansiedlung neuer Funktionen von nationaler und internationaler Bedeutung im politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich.
Die Entscheidung der Bundesregierung, in Bonn fünf Politikbereiche mit acht Ministerien zu belassen,
Ministerin Anke Brunn ({3})
ist eine richtige Weichenstellung. Dazu paßt auch die von der Föderalismuskommission beschlossene Verlagerung von Bundeseinrichtungen nach Bonn. Dies entspricht auch den schon frühzeitig von Nordrhein-Westfalen geäußerten Vorstellungen.
Das beschlossene Kombinationsmodell ist zum festen Bestandteil des Gesamtdesigns für die zukünftige Regierungsorganisation mit zwei politischen Zentren im vereinigten Deutschland geworden.
Die Entscheidung der Föderalismuskommission enthält meines Erachtens einen fairen Ausgleich im Hinblick auf die neuen Lander. Deshalb hat Nordrhein-Westfalen sie unterstützt, obwohl die Verlagerung des Umweltbundesamtes nach Bonn durchaus in der Logik des Kombinationsmodells der Bundesregierung gelegen hätte. Nordrhein-Westfalen hat sich aber der Einsicht gebeugt, daß Sachsen-Anhalt gerade jetzt ein unübersehbares Signal im Umweltbereich braucht.
({4})
Deshalb akzeptieren wir das Ergebnis auch unter der Voraussetzung dessen, was ich einleitend gesagt habe.
Um die acht in Bonn verbleibenden Ministerien sollen sich die zu verlagernden Einrichtungen gruppieren. Wir erwarten von ihnen wichtige Unterstützung für ein neues Profil der Region, das stärker als bisher durch Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich und im gewerblichen Sektor geprägt werden muß.
Ich möchte deshalb auch nachdrücklich an die Kooperationsbereitschaft der zugunsten von Bonn abgebenden Länder, vor allen Dingen auch an Hessen, appellieren, das Ergebnis der Arbeit dieser Kommission zu unterstützen.
({5})
Ich bitte auch Berlin, bei dem zu bleiben, wie es in der Kommission am 27. Mai abgestimmt hat.
({6})
Grundlegende Voraussetzung für die weitere Entwicklung wird sein, daß der Bund Wort hält. Wir setzen als selbstverständlich voraus, daß der Bund auch zu seinen finanziellen Verpflichtungen steht; denn es kann nicht sein, daß die betroffenen Länder und Regionen für ein vom Bund allein geschaffenes Strukturproblem bezahlen sollen.
({7})
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Hilfen für Bonn sind durch den Beschluß vom 20. Juni 1991 Teil der gesamtstaatlichen Aufgabe geworden, die Folgen der Teilung Deutschlands zu überwinden. Dazu muß der Bund stehen. Die Region verliert 22 000 bis 23 000 Arbeitsplätze direkt. Der Bund selbst ist in die Pflicht genommen, diesen Verlust auszugleichen.
Nach der Entscheidung der Föderalismuskommission und der Bundesregierung verbleibt eine Ausgleichslücke von mindestens 15 000 Arbeitsplätzen.
({8})
Diese Ausgleichslücke darf nicht in Frage gestellt werden; sie muß statt dessen geschlossen werden.
({9})
Dabei kommen auch die internationalen und europäischen Aufgaben in Frage. Deshalb begrüßen wir auch das Angebot der Bundesregierung an die Vereinten Nationen. Wir würden uns auch freuen - und es mehren sich die Anzeichen dafür, daß Bonn eine Chance hat -, wenn Bonn zum Sitz der Europäischen Zentralbank würde. Denn das wäre hervorragend für die Region und auch hervorragend für Deutschland und Europa.
Ich komme zum Schluß meiner Rede: Wenn der Bund Wort hält, dann hat die Region Bonn hervorragende Zukunftsaussichten. Doch wir fordern auch ein, daß der Bund und alle Beteiligten Wort halten.
Wir danken den Mitgliedern der Föderalismuskommission für ihre Arbeit, die ja so mühsam und schwierig ist. Diese Kommission hat gezeigt, daß es bei schwierigen Aufgaben auch möglich ist, sich über Regionen und Parteigrenzen hinweg zu verständigen. Dabei soll es bleiben.
Wir plädieren für die Annahme des Vorschlages. Herzlichen Dank.
({10})
Ich erteile das Wort nun dem Bevollmächtigten der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, Herrn Senator Peter Zumkley.
Senator Peter Zumkley ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesinstitutionen müssen in den neuen Ländern angesiedelt werden. Darüber sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Hierzu gehört auch die Verlagerung von Einrichtungen oder von Teilen dieser Einrichtungen aus den alten Ländern in die neuen Länder. Hamburg - um dies vorweg zu sagen - war und ist bereit, hierzu einen kooperativen Beitrag zu leisten.
Die Föderalismuskommission hat ihre Verlagerungsvorschläge auf den Tisch gelegt. Es ist ihr unbestrittenes Verdienst, daß es trotz sehr unterschiedlicher Interessen überhaupt gelungen ist, sich mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit auf ein Paket von Vorschlägen zu verständigen. Dieser Konsens weist jedoch erhebliche Mängel - strukturelle Mängel, Mängel in der Detailentscheidung - auf.
Die strukturellen Mängel sind heute schon deutlich kritisiert bzw. dargestellt worden. Es mangelt den Vorschlägen an einer regionalen Ausgewogenheit.
({1})
Es sollen ganze 290 Stellen von Westen nach Osten verlagert werden, und zwar 150 Stellen des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie und 140 Stellen des Bundesarbeitsgerichts. Alle weiteren für eine Verlagerung vorgesehenen Stellen betreffen Institutionen in Berlin. Keine Stelle aus dem Ballungsraum Frankfurt/Wiesbaden, keine Stelle aus Baden-Württemberg, keine Stelle aus Bayern.
({2})
Senator Peter Zumkley ({3})
Wenn im übrigen in diesem Zusammenhang behauptet wird, Hamburg sei überproportional mit Bundesinstitutionen besetzt, so trifft dies nach meiner Überzeugung nicht zu.
Ein weiterer struktureller Mangel der von der Föderalismuskommission unterbreiteten Vorschläge liegt meines Erachtens darin, daß die Ausgleichsmaßnahmen für Bonn mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor belastet sind. So wurde der Umfang der Verlagerung von Institutionen von Hessen nach Bonn unter den Vorbehalt gestellt, daß die Europäische Zentralbank nach Frankfurt kommt bzw. in Bonn eine entsprechende bedeutende europäische Institution angesiedelt wird. Diese Unsicherheit in bezug auf die Ausgleichsmaßnahmen läßt auch die Vorschläge für Verlagerungen in die neuen Länder zweifelhaft erscheinen;
({4})
denn beide Komplexe stehen in einem engen Zusammenhang. Der Vorschlag, daß nur die 140 Stellen des Bundesarbeitsgerichtes von Hessen in die neuen Länder verlagert werden sollen, läßt sich - wenn überhaupt - nur dann rechtfertigen, wenn es tatsächlich zu Verlagerungen von Hessen nach Bonn in größerem Umfang kommt.
Als Realist sehe ich heute allerdings keine Möglichkeiten, diese Strukturmängel derzeit zu beheben. Korrigierbar sind aber noch Detailmängel an dem Konsens. Detailmängel werden jetzt schon deutlich sichtbar, wenn man einzelne Vorschläge unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit der Umsetzung prüft. Die Föderalismuskommission selbst hat diese Mängel teilweise erkannt und nicht zuletzt aus diesem Grunde vorgesehen, Ersatzmaßnahmen für den Fall vorzuschlagen, daß sich der eine oder andere Vorschlag als nicht praktikabel herausstellt.
Die Vorschläge der Föderalismuskommission konnten in vielen Punkten fachlich gar nicht ausgereift sein. Institutionen wurden im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht in die Entscheidung einbezogen, ohne daß die fachlichen Aspekte auch nur oberflächlich geklärt werden konnten. Die Einrichtungen wurden ebenso wenig gehört wie die betroffenen Länder oder Fachressorts. Das hätte wahrscheinlich auch nur gestört. So mußte es in der entscheidenden Sitzung der Föderalismuskommission dazu kommen, daß auch die zuständigen Bundesministerien nicht immer eine fachliche Stellungnahme zu den Verlagerungsvorschlägen abgeben konnten, was jedoch nicht daran hinderte, diese Vorschläge in die Entscheidung einzubeziehen.
Wie unzureichend die fachliche Vorbereitung der Entscheidung war, möchte ich an dem Verlagerungsvorschlag verdeutlichen, der Hamburg betrifft.
Herr Senator, ich darf Sie eine Sekunde unterbrechen. Nach dem Grundgesetz können Sie quasi unbegrenzt weitersprechen. Nach der Abmachung, die unter den Geschäftsführern, auch mit Bundesrat und Bundesregierung getroffen worden ist, ist Ihre Redezeit schon ein Stückchen überschritten.
Senator Peter Zumkley ({0}): Herr Präsident, ich bitte darum, daß ich meinen Gedankengang noch zu Ende führen kann, weil es mir wichtig erscheint, in diesem Zusammenhang das Haus über die Auffassung Hamburgs ausreichend zu unterrichten. Es wird kurz genug sein.
({1})
Herr Präsident, darf ich fortfahren?
Ich habe keine Handhabe, Sie daran zu hindern.
Senator Peter Zumkley ({0}): Meine Damen und Herren, dabei geht es nicht um Wehklagen, sondern um das Eintreten für sachlich begründete Entscheidungen.
({1})
150 Stellen des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie sollen von Hamburg nach Mecklenburg-Vorpommern, d. h. nach Rostock, verlagert werden.
({2})
Bisher hat keiner derjenigen, die diesen Vorschlag gemacht oder sich für ihn ausgesprochen haben, eine Konzeption für eine neue, an Effizienzgesichtspunkten orientierte Aufgabenverteilung zwischen Hamburg und Rostock vorlegen können. Hamburg vertritt die Auffassung, daß die gegenwärtige Aufgabenverteilung zwischen beiden Städten optimal ist und der Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundesamtes wegen der Nähe zur Nordsee und zum Atlantik und des Zusammenhangs mit dem gesamten maritimen Umfeld aus der Natur der Sache in Hamburg liegt.
Der in der Bundestagsdrucksache mitgeteilte Beschluß der Föderalismuskommission enthält über die Verlagerung der 150 Stellen hinaus den Hinweis, daß auch die Stelle des Präsidenten und damit der Sitz der Institution nach Mecklenburg-Vorpommern verlagert werden soll.
({3})
Ich weise nachdrücklich darauf hin, Herr Kollege, daß diese Angabe unzutreffend ist, da die Föderalismuskommission über diese Frage keinen Beschluß gefaßt hat.
Herr Kollege Hedrich, ich darf Sie daran erinnern, daß Sie es waren, der diesen Vorschlag gemacht hat, ohne vorher mit Hamburg zu reden, was ich als außerordentlich unfair ansehe. Ich habe Einspruch gegen das Beschlußprotokoll eingelegt und stützte mich dabei auf die inzwischen unstreitige Tatsache, daß ein grober Verfahrensfehler dazu geführt hat, daß mir und anderen Mitgliedern der Föderalismuskommission für die Abstimmung eine Beschlußvorlage ausgehändigt wurde, in der dieser Punkt nicht enthalten war. Es fehlte also an einer ausreichenden Beschlußgrundlage.
Senator Peter Zumkley ({4})
Diese „Hamburgensie" - um wieder zum Thema zurückzukommen - soll verdeutlichen: Die strukturellen Mängel wird dieses Paket der Föderalismuskommission als Hypothek wohl mit sich weiterschleppen müssen. Wenn dazu noch grobe Mängel in der Sinnhaftigkeit und der Praktikabilität der Detailvorschläge kommen, könnte sich dieses Paket als politische Luftblase erweisen.
Die Mängel in den Detail- und Strukturvorschlägen müssen korrigierbar bleiben. Ich wiederhole, Herr Kollege Hedrich, daß Hamburg hierzu konstruktiv, auch im Sinne der neuen Länder, mitzuwirken bereit ist. Ich begrüße deshalb, daß die ursprüngliche Empfehlung des Ältestenrats, von den Vorschlägen zustimmend Kenntnis zu nehmen, abgeschwächt worden ist und nunmehr lediglich Kenntnisnahme beschlossen werden soll. Ich betone hiermit eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit: daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt de facto nur ein Zwischenergebnis der Föderalismuskommission vorliegt, das unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des fachlich Sinnvollen und Machbaren steht.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluß kommen
({5})
und bitte um Nachsicht. Es muß dem Vertreter eines Landes möglich sein, auch in diesem Hause seinen Standpunkt klarzustellen. Es handelt sich um einen konstruktiven und auf eine sachliche Entscheidung hinzielenden Vorschlag Hamburgs.
Vielen Dank.
({6})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Ullmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Föderalismuskommission erarbeitet hat, brauche ich eigentlich nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen; die Kenntnis hatte ich schon vorher.
Ich gedachte, heute für Zustimmung zu plädieren, vor allen Dingen wegen des einen Satzes in dem Bericht: „Der Deutsche Bundestag entspricht dem Vorschlag der unabhängigen Föderalismuskommission, ihre Arbeit fortzusetzen, bis eine annähernd ausgewogene Verteilung von Bundeseinrichtungen und -institutionen über alle Länder erreicht ist. " Darin, daß das jetzt noch nicht der Fall ist, stimmen, denke ich, die meisten Anwesenden überein.
Aber eines muß man sagen: Die Redebeiträge die wir soeben gehört haben, haben Ihnen eine gute Veranschaulichung dafür gegeben, warum wir nicht weiter gekommen sind, als wir gekommen sind.
({0})
Es sind ja nun nicht nur kontroverse Stimmen aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg gekommen, sondern noch aus ganz anderen Himmelsrichtungen unseres Vaterlandes.
({1})
Daß sich die Bundesinstitutionen so verhalten haben, wie es der Herr Ministerpräsident vorhin leider schildern mußte, haben Sie hoffentlich auch mitbekommen. Für all das sind die Föderalismuskommission und vor allen Dingen ihre weisen und freundlichen Vorsitzenden in keiner Weise verantwortlich.
Ich möchte jetzt noch einen einzigen Punkt ansprechen, nämlich den Antrag des Abgeordneten Schmidt, den ich unterstütze. Die Kollegin Albowitz ist gerade nicht mehr im Raum; sonst wollte ich mein Bedauern darüber ausdrücken, daß sie mich im Unterschied zu einem anderen Fall diesmal mit ihren Argumenten nicht überzeugt hat. Ich denke, der Rückerstattungsantrag, der vom Lande Sachsen gestellt wird, muß berücksichtigt werden; das ist ein Sonderfall.
({2})
Daß der Bundesgerichtshof an die Stelle des ehemaligen Reichsgerichtes kommt, ist ein Vorgang, vom dem ich meine, er ist zur Vollendung der Einheit Deutschlands unerläßlich.
({3})
Dafür habe ich zwei Argumente. Das eine Argument ist der 9. Oktober 1989: in Leipzig sind die Würfel gefallen. An diesem Abend begann das Ende der SED-Herrschaft, und zwar in Leipzig. Das ist das eine Argument.
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Wir werden ja nachher bei einem anderen Gesetz noch über Stichtage zu reden haben.
Nun aber mein zweites Argument. Ich sage ausdrücklich: Was dort hinkommt, ist der Bundesgerichtshof. Der Übergang des ehemaligen Reichsgerichtes in den Bundesgerichtshof in Leipzig ist ein Symbol und ein Merkzeichen dafür, daß wir am Anfang einer neuen Epoche der deutschen Rechtsgeschichte stehen. Die Aufgabe, das Rechtschaos, das die kommunistischen Diktaturen in Osteuropa hinterlassen haben, aufzuarbeiten, ist nur möglich mit der ganzen technischen Perfektion der westlichen Rechtswissenschaft. Aber sie muß nach Osteuropa übertragen werden.
In diesem Zusammenhang fällt mir als Kirchengeschichtler immer die Rolle des Schöppenstuhles in Magdeburg ein. Er war nie ein Obergericht, aber man kam bis aus Kiew nach Magdeburg, um sich Rat zu erholen. Die osteuropäische Justiz wartet darauf, daß wir in deutschen Landen auf dem Niveau der westlichen Rechtswissenschaft Schritte für die Erneuerung am Anfang dieser wichtigen Epoche der Rechtsgeschichte tun.
Meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung zum Schluß. Hinter vorgehaltener Hand hat man mir im Rahmen der Föderalismuskommission gesagt: Das Projekt Bundesgerichtshof nach Leipzig sei unmöglich, denn der Herr Bundeskanzler habe sich dagegen ausgesprochen. Sollte dieses Argument gültig sein, dann frage ich mich freilich, warum wir die Konstruktion einer Föderalismuskommission mit ihrer vielen Arbeit überhaupt erst gewählt haben.
Dann hätten wir es einfacher haben können. Wir hätten sagen können: Die Neuverteilung der Bundesinstitutionen nimmt der Herr Bundeskanzler von seinem Schreibtisch aus vor. Das freilich wäre eindeutig verfassungswidrig; denn nach Art. 65 des Grundgesetzes bestimmt der Herr Bundeskanzler zwar die Richtlinien der Politik, nicht aber den Sitz der Bundesinstitutionen. Darum bin ich für den Antrag Sachsen.
({5})
Ich erteile dem Kollegen Dr. Joachim Schmidt das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitglieder der CDU-Landesgruppe Sachsen und weitere Abgeordnete des Deutschen Bundestages bringen folgenden mit meinem Namen verbundenen Antrag zu den Vorschlägen der unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 ein:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag ist der Ansicht, daß der Bundesgerichtshof einschließlich des Generalbundesanwalts insgesamt nach Leipzig zurückzuverlagern ist.
({0})
Diese Verlegung - als Beispiel für den vom deutschen Bundestag beschlossenen Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" - hat schrittweise zu erfolgen und ist innerhalb von 10 Jahren abzuschließen. Als erster sichtbarer Schritt erfolgt 1993 die Verlagerung des derzeit in Berlin ansässigen 5. Strafsenats des BGH einschließlich der dazugehörigen Berliner Stellen des Generalbundesanwalts.
({1})
Herr Kollege, ich darf Sie für eine Sekunde unterbrechen. Die saalinterne Konferenztätigkeit ist wieder aufgeflammt. Vielleicht können wir sie etwas zurückschrauben und dem Kollegen zuhören.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
2. Der Deutsche Bundestag ist ferner der Ansicht, daß das Bundesverwaltungsgericht und der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin verbleiben sollten.
3. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die entsprechenden gesetzgeberischen Schritte einzuleiten.
Für unseren Antrag sprechen mehrere Gründe, die ich kurz skizzieren will. Leipzig war von 1879 bis 1945 Mittelpunkt der Rechtsprechung in Deutschland.
({0})
Das Reichsgericht, das Reichsarbeitsgericht und der Reichsdisziplinarhof hatten ihren Sitz in Leipzig. Das ist heute schon einmal angesprochen worden. Durch die Teilung Deutschlands wurde diese Tradition unterbrochen. Die Überwindung dieser Teilung würde durch die Wiederherstellung Leipzigs als Rechtsprechungszentrum in nachhaltiger Weise äußerlich symbolisiert.
({1})
Die bewußte Anknüpfung an die gemeinsame Vergangenheit auch im Bereich der Rechtsprechung entspringt dem Bewußtsein um die Kontinuität der deutschen Geschichte. Die Zusammenführung aller Senate des Bundesgerichtshofes am traditionellen Standort Leipzig wäre für die Menschen in Sachsen zudem auch ein bedeutsames politisches Signal für das tatsächliche Zusammenwachsen in Deutschland.
Die CDU-Landesgruppe Sachsen hält die Rückkehr des Bundesgerichtshofes an seine angestammte Wirkungsstätte nach Leipzig für unverzichtbar, da er einen herausragenden Bestandteil sächsischer Identität darstellt,
({2})
vergleichbar nur mit der Porzellanmanufaktur Meißen auf wirtschaftlichem und der sächsischen Staatskapelle Dresden und dem Gewandhausorchester Leipzig auf kulturellem Gebiet.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist beendet.
Ich bin sofort am Ende.
Um menschliche und soziale Härten weitgehend abzufedern, die sich für die derzeitigen Mitarbeiter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe ergeben, soll die Verlegung auf einer Zeitschiene von zehn Jahren durchgeführt werden.
Mit unserem Antrag wollen wir nicht das ganze Paket in Frage stellen,
({0})
sondern lediglich die Rückverlegung des Bundesgerichtshofes erreichen.
Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß. Ich bitte das Hohe Haus sehr herzlich, unserem Antrag zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
({1})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Professor Dr. Nils Diederich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer glaubwürdig bleiben
Dr. Nils Diederich ({0})
will, muß den Beschluß, den wir am 20. Juni 1991 gefaßt haben, in allen seinen Teilen umsetzen, auch dann, wenn er schmerzlich oder unangenehm ist oder wenn man Betroffenen sagen muß, daß sich ihre Situation auf Grund dieses Beschlusses verändert.
Ich kann verstehen, wenn betroffene Institutionen, denen man Umzüge zumutet, protestieren. Ich kann allerdings nicht verstehen, wenn sie so reagieren wie das von Herrn Ministerpräsident Vogel schon zitierte Goethe-Institut.
({1})
Herr Vogel ist ja immer sehr dezent und freundlich im Umgang mit den Dingen. Deswegen darf ich einen weiteren Satz zu Ihrer - ich weiß nicht - Erheiterung oder Empörung zitieren, der in dem Brief des GoetheInstituts steht:
Das Goethe-Institut als größte deutsche Mittlerorganisation mit weltweiten Kontakten kann zentrale Aufgaben in vollem Umfang nur an einem Standort wahrnehmen, der infrastrukturell und verkehrstechnisch dafür geeignet ist. Dies ist in einer schwer erreichbaren Kleinstadt wie Weimar weder mittel- noch langfristig überhaupt vorstellbar.
({2})
Es hat mich vom Sockel gehauen, als ich das gelesen habe. Und das unter dem Briefkopf „Goethe".
Verzeihung, Herr Kollege, ich darf Sie eine Sekunde unterbrechen.
Meine Damen und Herren, ich unterscheide immer sehr präzise zwischen Lebhaftigkeit, die auf den Redner eingeht, und allgemeinem Lärmpegel. Den zweiten bitte ich zu senken.
Bitte, fahren Sie fort.
Meine Damen und Herren, unter diesem Punkt muß man auch sagen, daß Berlin einen erheblichen Beitrag leistet. 90 % der Stellen, die in die neuen Länder verlagert werden sollen, kommen de facto aus Berlin oder sind im Zusammenhang mit bisherigen Berliner Institutionen zu sehen. Trotzdem stehe ich als Berliner zu dem Beschluß in dem Sinne, daß das in das Gesamtpaket, das wir mit dem Hauptstadtbeschluß durchführen wollen, gehört.
Es gibt einige Dinge, die mir an dem Gesamtpaket nicht gefallen haben. Ich stimme überein, daß der Bundesgerichtshof in einem wesentlichen Teil nach Leipzig gehört. Ob wir allerdings das Kind mit dem Bade ausschütten und sagen sollten, wir wollen ihm Karlsruhe ganz wegnehmen, das wage ich nicht so genau zu sagen. Ich war in der Kommission für eine faire Aufteilung: die Strafsenate nach Leipzig, die Zivilsenate sollen in Karlsruhe bleiben;
({0})
denn ich denke, wir müssen auch die Leistungen honorieren, die Karlsruhe für den Aufbau des Rechtsstaates mit den Gerichten geleistet hat. Es kann nur so gehen, daß wir versuchen, einen fairen Kompromiß zwischen den verschiedenen Ansprüchen herzustellen.
Die Umsetzung der Empfehlungen, die wir in der heutigen Vorlage, die wir zur Kenntnis nehmen, gegeben haben, wird mit Sicherheit noch manche Schwierigkeiten bieten. Es wird - darauf ist hingewiesen worden - sicherlich auch Veränderungen geben.
Es ist auch so, daß natürlich die neuen Länder weniger bekommen haben, als manche erhofft hatten. Wir konnten nicht mehr verteilen; denn wenn der überwiegende Teil der Leistungen aus dem Lande Berlin kommt, kann man eine Institution nicht gleichzeitig nach Bonn verlagern und in die neuen Länder. Auch das zeigt die Schwierigkeit des Kompromisses, mit dem wir es zu tun haben.
Ich denke, es geht heute darum, deutlich zu machen, daß die neuen Länder fest in die föderalen Strukturen, in den föderalen Verbund einbezogen werden. Wir werden, so das Haus das will, in der unabhängigen Föderalismuskommission sehen, welche weiteren Schritte wir im Interesse der neuen Länder tun können.
Man sollte dabei nicht die Hoffnung haben, daß durch die Verlagerung von Bundesinstitutionen die Arbeitsplatzprobleme der Länder mit einemmal gelöst werden können. Es ist nur ein Beitrag in einem Gesamtpaket von Maßnahmen. Das Ergebnis, das wir vorgelegt haben, ist ein Kompromiß, der nicht allen gefallen kann, der für viele Menschen schmerzlich ist.
Es gibt Beschlüsse, daß wir den Umzug so abfedern, daß es tatsächlich eine Verlagerung von Stellen und nicht überwiegend ein Umzug von Menschen ist. Wenn wir aber die Aufgabe der deutschen Einheit nicht als kleinlichen Kuhhandel, sondern als große Perspektive und als eine Entwicklungsaufgabe für unser Vaterland betrachten, sollten wir mit dem Ergebnis, das vorgelegt worden ist, weiterarbeiten.
Danke schön.
({1})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Schmieder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche für eine Gruppe von F.D.P.-Abgeordneten.
Wenn ich die Vorschläge der unabhängigen Föderalismuskommission aus der Sicht der neuen Länder
betrachte, komme ich zu dem Urteil: So unabhängig scheint die Kommission nicht gewesen zu sein.
({0})
Man gewinnt den Eindruck, daß es hier nicht um Föderalismus ging, sondern erstens um die Begleichung einer offenen Rechnung; Berlin sollte bereinigt werden. Man hat einen Aderlaß veranstaltet.
({1})
Zweitens ging es darum, die neuen Länder äußerst schlecht zu bedienen. Man hat sie regelrecht abgespeist, wenn man es mit der Bevorzugung von Bonn vergleicht. Die Berliner sind im Grunde, wie ich höre, ganz einverstanden damit, daß eine Verlagerung und Ausgliederung stattfindet. Aber mußte dieser Rundumschlag sein?
Zum Beispiel wurde die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Außenstelle Berlin - wohlgemerkt Ost-Berlin -, 1990 mühselig aufgebaut. Sie hat 130 Beschäftigte, davon 95 % aus dem Osten. Die Tätigkeit dieser Bundesanstalt ist primär darauf gerichtet, geowissenschaftliche Arbeiten in den neuen Ländern und in Osteuropa durchzuführen. Sie soll jetzt nach Bonn. Nun frage ich: Was soll sie da? Strenggenommen müssen wir über diese Punkte noch einmal reden.
Die Empfehlung des Ältestenrates ist aus meiner Sicht jetzt tragfähig, da der Bundestag den Bericht der Kommission nur zur Kenntnis nimmt und die unabhängige Kommission die Umsetzung begleiten soll, bis eine ausgewogene Verteilung in den Bundesländern erfolgt ist. Sehr gut, fangen wir gleich damit an.
Wir fordern: Der Bundesgerichtshof soll nach Leipzig. Hinter dieser Forderung stehen die Abgeordneten der neuen Länder,
({2})
also der Sechs-Länder-Kreis der F.D.P., unterstützt von einigen Westkollegen, und der gesamte F.D.P.-Landesverband Sachsen.
Leipzig ist ein alter Gerichtsstandort. Der BGH setzt dort die Tradition fort. Historische Gründe sprechen also für Leipzig. Ebenso der hochgepriesene Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung".
Der Bundesgerichtshof muß nach Leipzig. Es geht um die Wiedervereinigung der dritten Gewalt in diesem Lande.
({3})
Wer den Bundesgerichtshof teilt, hält an der Teilung Deutschlands fest. Ich hoffe, Sie, meine Damen und Herren, gehören nicht dazu und unterstützen unseren Antrag.
Danke.
({4})
Das Wort hat der Kollege Klaus-Jürgen Hedrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand wird in Anspruch nehmen, daß das, was die Föderalismuskommission vorlegt, in jedem Detail allen Wünschen Rechnung trägt. Wir hatten mehrere Aufgaben zu erfüllen. Wir hatten insbesondere den Beschluß vom 20. Juni 1991, der heute so häufig beschworen wurde, in allen seinen Teilen umzusetzen. Es geht nicht an, daß man das eine gegen das andere ausspielt.
Der Ausgleich für Bonn und der Aufbau der neuen Bundesländer sind in diesem Beschluß gleichwertig gesehen worden, und so sollte man auch in Fairneß miteinander umgehen. Wie haben wir doch vor einem Jahr gerungen. Was haben die Berlin-Befürworter nicht zugesagt, damit sie ein paar Stimmen zusätzlich bekommen, und was haben die anderen nicht versprochen, damit nicht so votiert wird. Deshalb meine ich: Heute sind wir im wahrsten Sinne des Wortes gehalten, beide Teile des Beschlusses umzusetzen. Es ist darauf verwiesen worden, daß wir eine Zweidrittelmehrheit erzielen mußten. Das war gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Was bedeutete es? Es bedeutete, daß man über die regionalen Grenzen hinaus mußte. Es bedeutete, daß man über die parteipolitischen Grenzen hinaus mußte. Unser System ist doch gegenwärtig häufig der Kritik ausgesetzt, daß wir nicht in der Lage seien, Entscheidungen zu treffen und parteipolitische sowie regionalpolitische Egoismen hintanzustellen. Wie immer man diese Vorschläge jetzt im einzelnen bewertet - die Vorlage der Föderalismuskommission ist zumindest ein Zeichen dafür, daß regionale und parteipolitische Egoismen überwunden werden können. Das halte ich bereits für einen Wert an sich.
({0})
Ich füge hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Reihe von Dingen, bei denen man jetzt sagen kann: Gut, wir dröseln es wieder auf. Das kann man tun. Dabei muß man aber wissen, daß getroffene Entscheidungen so insgesamt gefährdet werden können.
({1})
Es ist nicht möglich zu sagen: Jetzt fangen wir beim BGH an. Dann könnte es schnell passieren, daß sich eine Initiative aus Nordrhein-Westfalen - unterstützt von vielen anderen - bildet und sagt: Wir wollen das Umweltbundesamt im Rahmen der Schaffung der sogenannten Politikbereiche nach Bonn verlagert haben. Daß Nordrhein-Westfalen bereit war zuzustimmen, daß dieses Lieblingskind aus Bonner Sicht nach Sachsen-Anhalt kommt, sollte man unter dem Gesichtspunkt der Fairneß berücksichtigen. Das ist
ein Appell. Ich sage dies, weil Hartmut Büttner gerade zustimmend nickt. Folglich muß er auch dem Gesamtpaket zustimmen und darf nicht versuchen, einen einzelnen Punkt herauszubrechen.
({2})
Ich möche noch zwei Punkte erwähnen. Wenn man über den BGH diskutiert, dann möchte ich - ohne jetzt jemanden schlecht machen zu wollen oder zu petzen - folgendes feststellen: die sächsischen Freunde wären in der Föderalismuskommission bereit gewesen, dem Gesamtpaket zuzustimmen, wenn man nur noch einen einzigen BGH-Senat nach Leipzig verlagert hätte. Deshab kann gar keine Rede davon sein, daß hier keine Bereitschaft signalisiert worden wäre. Wir aber haben gesagt: Aus einer Gesamtsicht der Justiz wäre dies keine vernünftige Entscheidung.
({3})
Darüber hinaus sage ich: Ich finde es schade, daß in dieser Gesamtdiskussion ein Filetstück, ein Juwel deutscher Justizgeschichte wie das Bundesverwaltungsgericht, das nun von Berlin nach Leipzig gehen wird, so gering geachtet wird. Es ist in einer psychologischen Bedeutung als mindestens gleichwertig anzusehen.
({4})
Ein weiterer Punkt. Man wählt seine Argumente ja immer seinen Absichten entsprechend. Der Regierende Bürgermeister hat gesagt, er sei für das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung. Anders formuliert kann man sagen: Man wählt seine Argumente so, wie sie jeweils passen.
Es gibt eine Reihe von Institutionen, gerade im entwicklungspolitischen Bereich, die wegen des besonderen Schwerpunkts Berlins in einer besonders schwierigen Situation aus Bonn nach Berlin verlagert worden sind. Wir wollen diese Institutionen jetzt wenigstens zum Teil zurückverlagern. Dies aber wird von dem Regierenden Bürgermeister genauso kritisiert. Ich finde, daß man seine Argumente durchgängig halten sollte. Das gebietet die Fairneß.
({5})
Ich möchte zum Schluß noch zwei Punkte hier anschneiden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, einige Schreiben von bestimmten Behörden haben mich ein bißchen betroffen gemacht. In diesen Schreiben kam zum Ausdruck, daß sich einige Personalräte dafür einsetzen, bestimmte Umzüge nicht vorzunehmen. Jeder schreibt uns, daß er für einen Ausgleich und für Verlagerung sei, daß aber bedauerlicherweise seine Institution nicht verlagerbar sei. Diesbezügliche Argumente findet man immer.
Des weiteren hat mich betroffen gemacht, daß sich sogar Präsidenten an solchen Geschichten beteiligten.
({6})
Deren Aufgabe müßte es sein, politische Entscheidungen, die Entscheidungen von Parlamenten, zu respektieren. Sie dürfen für ihren eigenen Egoismus das eigene Personal nicht bemühen.
({7})
Eine letzte Bemerkung: Sie wissen, daß ich glaube, für mich in Anspruch nehmen zu können, im letzten Jahr zum Arger mancher, auch enger Freunde leidenschaftlich für Berlin geworben zu haben. Deshalb hat mich eine vielleicht leichtsinnig und vielleicht nicht mit Bedacht hingeworfene Bemerkung des Regierenden Bürgermeisters betroffen gemacht, als er gesagt hat, hier sei keine Herzenssache spürbar. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen: Eine solche Bemerkung darf eigentlich nicht im Raum stehen bleiben.
Alles, was wir zumindest nach meiner Überzeugung in den unterschiedlichen Kommissionen tun, ist eigentlich darauf ausgerichtet, einen Beitrag dazu zu leisten, daß die Menschen in Bonn spüren, daß wir ihnen gerecht werden, daß die Bürger in Berlin wissen, daß wir ihren Anliegen gerecht werden, und daß insbesondere die Bürger in den neuen Bundesländern spüren, daß wir ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Dieses ist, glaube ich, eine Herzensangelegenheit von uns allen.
Herzlichen Dank.
({8})
Ich stelle mit Vergnügen fest, daß der Kollege Hedrich die von seiner Fraktion schon ein Stück überzogene Zeit wieder reingeholt hat.
({0})
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Ulrich Briefs das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich genieße es, die kleinen Privilegien des unabhängigen Abgeordneten zu nutzen. Ich melde mich in dieser Debatte kurz zu Wort als in Sachsen und für Sachsen gewählter Abgeordneter.
Die Verlagerungsvorschläge, die jetzt insgesamt vorliegen, sind meines Erachtens einfach zu unausgewogen. Da wird für Bonn geklotzt, da wird für die fünf neuen Länder gekleckert. Die Zahl der Arbeitsplätze, die auf diesem Wege in die fünf neuen Lander verlagert werden sollen, liegt inzwischen bei etwas über 1 000 für Sachsen-Anhalt und bei ca. 2 500 für Mecklenburg-Vorpommern. Das kann nun wirklich kein wesentlicher Beitrag zur Behebung der Arbeitsmarktmisere im Osten sein.
Das ist insbesondere völlig unzureichend, weil ja die nach wie vor gut verdienende private Wirtschaft inzwischen regelrecht eine Politik der Investitionsblockade im Osten betreibt.
Sehr stattlich ist dagegen die Liste der von Berlin nach Bonn zu verlagernden Bundesinstitutionen. Ich halte es nach wie vor für einen großen politischen
Fehler, daß das geschichtlich so unsagbar belastete Berlin wieder Hauptstadt werden soll. Der Region Bonn traue ich jedoch andererseits, insbesondere im Vergleich zum Osten, soviel wirtschaftliche Eigendynamik zu, daß es nicht Hauptaufgabe der Kommission sein muß, Bonn zu versorgen.
Das Bonner Establishment muß sich einfach mit dem politischen Bedeutungsverlust Bonns abfinden. Die wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Föderalismuskommission müssen sich auf die fünf neuen Länder richten. Als in Sachsen gewählter Abgeordneter beklage ich insbesondere, daß die Kommission nicht bereit war, den Bundesgerichtshof ganz nach Leipzig zu verlagern. Das wäre notwendig gewesen als Signal; das wäre notwendig gewesen für die Stadt Leipzig.
Die Verlagerung des Bundesverwaltungsgerichts ist kein Ersatz. Ich werde daher die Intiative von sächsischen Abgeordneten um den Kollegen Schmidt unterstützen.
Für skandalös halte ich allerdings - ich komme damit zum Schluß -, daß bei der Abstimmung in der Kommission über den Sitz des BGH und andere in die fünf neuen Länder zu verlagernden Bundesinstitutionen die Vertreter der real existierenden Ostparteien abwesend waren. Diese kleine reale Erfahrung zeigt bereits, wie unsinnig das Projekt einer Ostpartei ist und sein muß.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, ich habe schriftliche Erklärungen der Abgeordneten Weißgerber, Christian Müller, Dr. Mahlo, Dr. Kübler, Dr. Röhl und Böhm gemäß § 31 der Geschäftsordnung vorliegen, die zu Protokoll gegeben werden. )
Ich habe weitere vier Wortmeldungen für Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung. Die erste stammt von Herrn Kollegen Dr. Hans de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mit Nein stimmen und darf das wie folgt begründen: Auch wenn diese Empfehlung jetzt nur noch lautet, wir mögen diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, so wird sie dennoch namentlich abgestimmt. Wenn das überhaupt einen Sinn macht, dann bedeutet das goldene Zügel.
({0})
Im übrigen ist das, wenn ich das richtig sehe, in dieser Form ein Kuriosum.
Ich möchte nicht gebunden sein, mit Rücksicht darauf, daß es auch um die Standorte der obersten Gerichte geht. Das betrifft den Bundesgerichtshof mit dem Generalbundesanwalt, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und den Bundesfinanzhof. Hinzu kommt das Verfassungsorgan, das Bundesverfassungsgericht. All diese Gerichte haben einen durch Gesetz
*) Anlage 2
verankerten Standort, d. h. eine Umsetzung kann nur
durch Beratung in den Fachausschüssen geschehen.
({1})
Ich möchte nicht, daß wir hier dafür eine Vorbereitung treffen oder einen goldenen Zügel angelegt bekommen, ehe das fachlich in den Ausschüssen ausgehandelt ist.
({2})
Dabei mache ich deutlich - ich sage das in aller Klarheit -, daß mir das, was hier vorgeschlagen wird, zuwenig ist. Ich achte das Votum der Kommission. Nur, die Kommission möge verstehen, daß man über manche Dinge noch einmal sehr sorgfältig zu beraten habe, ohne angebunden zu sein.
Nur ein Beispiel: Das Bundesverwaltungsgericht hat der Deutsche Bundestag 1953 nach Berlin „geschickt", weil es - so hieß es damals - in die „wirkliche Bundeshauptstadt" gehöre. Dies war ein Wort des sozialdemokratischen Abgeordneten Adolf Arndt. Ein anderer, der Abgeordnete Reif, hat gesagt, daß diese Entscheidung von den Menschen - ich zitiere - „in Richtung auf die deutsche Einheit" verstanden werde. Angesichts dessen frage ich, ob es klug ist, das Bundesverwaltungsgericht noch einmal innerhalb der neuen Länder umzuverteilen.
Bei all diesen Entscheidungen, die die Gerichte betreffen, muß - ich bitte um Verständnis - gründlich darüber befunden werden, was nach der Geschichte, nach der Sache richtig ist, und insonderheit, ob ausreicht, was bisher beschlossen wurde. Deswegen bitte ich um Verständnis, wenn ich mich der Stimme enthalte.
Vielen Dank.
({3})
Professor Dr. Immo Lieberoth, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Empfehlungen der Föderalismuskommission muß ich in einer Hinsicht Bedenken anmelden. Die in diesem Vorschlag nicht ausgewogen berücksichtigte Standortgebundenheit der zu verlagernden Einrichtungen muß nochmals im einzelnen überprüft werden.
Für die meisten Institutionen ist eine rationelle Arbeit an unterschiedlichen Orten in Deutschland durchaus möglich, nicht aber für eine geologischbodenkundliche Anstalt, wie es die hier bereits genannte Außenstelle Berlin der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe darstellt. Sie wurde erst kürzlich, nach erfolgter Evaluierung alter DDR-Institutionen, neu geschaffen, und zwar mit voller Absicht im Zentrum des künftigen territorialen Wirkungsfeldes.
({0})
Die Arbeit dieser Außenstelle ist an die geologischen und bodenkundlichen Standorte, insbesondere der ehemaligen DDR, gebunden.
Verzeihung, Herr Kollege. Der § 31 GO hat den Sinn, das eigene Abstimmungsverhalten zu erklären, nicht, einen weiteren Beitrag zur Sache zu leisten.
({0})
Ich bin gleich fertig. - Ich möchte nur sagen, daß kein Mensch auf den Gedanken käme, ein Meeresforschungsinstitut z. B. in den bayerischen Alpen zu etablieren. Aber genau diese Situation tritt ein, wenn die genannte Außenstelle nach Bonn verlagert würde.
({0})
Trotzdem werde ich im Interesse der Gesamtkonzeption schweren Herzens der Beschlußempfehlung des Altestenrates zustimmen, in der Hoffnung, daß eine vernünftige, sachbezogene Überprüfung in Fällen wie dem von mir angeführten Beispiel doch noch möglich ist.
Herr Kollege Konrad Weiß, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mißbillige das Ergebnis der Föderalismuskommission. Nach meinem Verständnis hat es mit Föderalismus nichts zu tun. Föderalismus ist, wenn Behörden gleichberechtigt auf die Bundesländer aufgeteilt werden. Das ist bei dieser Konzeption nicht der Fall. Das Land Brandenburg bekommt weniger als 2 000 Arbeitsplätze; das Land Sachsen-Anhalt bekommt 1 000; das große Land Sachsen etwas über 2 000. Das ist nicht gerecht. Ich kann diesem nicht zustimmen.
Ich fühle mich hier als Vertreter der ostdeutschen Lander. Ich bin das, und ich werde meinen Wählerinnen und Wählern sagen, daß ich gegen diese Entscheidung gestimmt habe, weil ich wollte, daß sich Deutschland zu einem föderalen System entwickelt, in das auch die ostdeutschen Länder eingezogen sind. Ostdeutschland gehört nämlich zu Deutschland.
Vielen Dank.
({0})
Frau Kollegin Barbara Höll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Leipzigerin befinde ich mich hier in einer sehr schwierigen Situation. Ökonomisch würde die Verlagerung des Bundesgerichtshofes nach Leipzig sicher etwas bringen, allerdings nicht genug. Politisch halte ich eine Entscheidung für die Verlagerung des Bundesgerichtshofes nach Leipzig allerdings für äußerst bedenklich. Es ist einfach die Frage: In welcher Traditionslinie will sich der Bundesgerichtshof sehen? Sieht er sich in der Traditionslinie der politischen Rechtsprechung in der Vergangenheit, auch in der Phase des Kalten Krieges, welche kritikwürdig war? Oder will er da wirklich Zeichen setzen?
({0})
Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch herzlich - das ist die vorletzte Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung, dann beginnt die Abstimmung - noch ein paar Minuten Ruhe zu bewahren.
An die Rednerinnen und Redner, die von dem Paragraphen der Geschäftsordnung Gebrauch machen, richte ich die Mahnung: Erstens zur Abstimmung zu sprechen, und zweitens darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Aufnahmefähigkeit der Kollegen in dieser Situation nicht mehr sehr groß ist; fassen Sie sich deshalb bitte kurz.
Ich möchte einmal darauf hinweisen, was Kurt Tucholsky 1928 - -({0})
Das ist für mich aber wichtig, für mein Abstimmungsverhalten.
({1})
- Das ist Ihr Problem, wenn das für Sie nicht wichtig ist. Es ist äußerst bedenklich für einen Demokraten.
({2})
Kurt Tucholsky bemerkte 1928: Es bleibt dabei; das Reichsgericht ist keine Instanz, die in politischen Strafsachen Vertrauen verdient. Es ist eine politische Behörde geworden. - Davon zeugt eine Vielzahl von Prozessen; mit der deutlichen Ausnahme des Dimitrow-Prozesses. Welche Bedeutung er für die Entwicklung in Deutschland hatte -
Frau Kollegin, ich muß Sie zur Sache rufen.
Ich denke, es ist sehr entscheidend für diese Frage, in welcher Traditionslinie sich das Bundesgericht tatsächlich versteht.
Ich möchte aber zur Geschichte, die Deutschland hat und die hier doch zu sehr großer Unruhe führt, noch etwas Weiteres bemerken.
({0})
Auch der Oberbürgermeister von Leipzig, Dr. Lehmann-Grube, machte auf ein sehr großes Problem aufmerksam. Im jetzigen Gebäude, also dem ehemaligen Reichsgericht -
Frau Höll, ich unterbreche Sie und bitte Sie, mit wenigen Sätzen auf Ihr Abstimmungsverhalten zu kommen. Sie halten hier einen weiteren Sachbeitrag.
Mir stehen aber immer noch drei Minuten zur Verfügung!
({0})
Nein, die stehen Ihnen eben nicht zu, wenn Sie sich nicht an den Paragraphen halten.
Ich halte mich daran, indem ich mein Abstimmungsverhalten begründe.
Nein, Sie halten sich nicht daran! Ich bitte Sie!
In diesem Gebäude befindet sich das Museum der bildenden Künste, in dem unwahrscheinlich wichtige Werte sind.
({0})
Es ist sehr wichtig, daß, wenn dieser Beschluß heute verwirklicht - ({1})
Es tut mir leid, meine Damen und Herren, daß ich von diesem Mittel Gebrauch machen muß. Aber ich kann nicht mehr, als mehrmals mahnen.
({0})
Jetzt spricht der Kollege Günther Heyenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will kurz begründen, warum ich gegen diesen Antrag stimme. Ich halte die Verlagerung von erheblichen Teilen der Arbeitsplätze der Bundesversicherungsanstalt in Berlin in die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen für unsinnig.
Wir haben in der deutschen Rentenversicherung ein gleiches Recht für Arbeiter und Angestellte. Wir haben als Deutscher Bundestag mittel- und langfristig zu überlegen, ob wir die beiden Verwaltungseinheiten - Bundesversicherungsanstalt und Landesversicherungsanstalten - in einer bestimmten Form zusammenführen. Dieses sozialpolitisch Gebotene konterkarieren wir mit einem entsprechenden Beschluß, 1 500 neue Stellen aus Berlin nach Brandenburg, 2 000 Stellen aus Berlin nach MecklenburgVorpommern
Herr Kollege Heyenn, Sie kommen in die gleiche Gefahr. Bitte, begründen Sie Ihr Abstimmungsverhalten, und leisten Sie keinen neuen Sachbeitrag!
- und 1 000 Stellen nach Thüringen zu verlegen.
Ich wollte mit diesen kurzen Worten nur begründen, warum ich gegen diesen Antrag stimme.
Danke fürs Zuhören.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ältestenrates auf Drucksache 12/2853 ({0}).
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? Keinen Spätkommer? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich werde das Ergebnis nach der Auszählung bekanntgeben. e ) Aber ich möchte jetzt mit der Sitzung fortfahren. Deshalb bitte ich Sie, Platz zu nehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr.-Ing. Joachim Schmidt und anderer Abgeordneter auf Drucksache 12/2933.
Meine Damen und Herren, auf der Drucksache sind die Unterzeichner alle aufgeführt. Mitunterzeichner waren auch die Kollegin Kolbe und die Kollegen Wolfgang Lüder und Gunter Weißgerber, die aus Versehen nicht aufgeführt sind. Ich gebe das hiermit zu Protokoll.
Ich stelle die Frage: Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wir sind uns im Präsidium nicht einig. Das Bild ist nicht eindeutig.
({1})
Ich darf - der Übersichtlichkeit wegen; aber das ist insofern ein bißchen schwierig, als zu viele Kollegen wegen der Enge stehen müssen -, diejenigen, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen bitten. - Wer stimmt dagegen? - Es ist nicht zu ermitteln, meine Damen und Herren, welches die Mehrheit ist.
({2})
Bitte, Herr Kollege Rüttgers.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, aber es handelt sich, wie auch die Debatte gezeigt hat, um eine wichtige Entscheidung.
Damit wir jetzt keine Zeit verlieren und nicht eventuell noch einen Hammelsprung machen müssen, beantrage ich namens meiner Fraktion zu diesem Punkt eine namentliche Abstimmung.
({0})
Die Schriftführer befinden sich mit den Urnen zur Zeit außerhalb des Saales, da die Auszählung zur vorhergehenden namentlichen Abstimmung stattfindet.
Ich unterbreche die Sitzung für fünf Minuten.
({0})
Ich eröffne erneut die unterbrochene Sitzung. Ich gebe Ihnen zunächst das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der
e) Seite 8519A
Vizepräsident Hans Klein
namentlichen Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ältestenrates zu den Vorschlägen der Unabhängigen Föderalismuskommission für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder auf Drucksache 12/2853 ({0}) bekannt. Abgegebene Stimmen: 519. Davon ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 381. Mit Nein haben gestimmt: 93. Enthaltungen: 45.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 518; davon
ja: 380
nein: 93
enthalten: 45
Ja
CDU/CSU
Adam, Ulrich
Dr. Ackermann, Else Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich
Bargfrede, Heinz-Günther
Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad
Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate
Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter
Böhm ({1}), Wilfried Börnsen ({2}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang
Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({3}), Klaus Büttner ({4}),
Hartmut
Buwitt, Dankward
Carstens ({5}), Manfred Carstensen ({6}),
Peter Harry
Deres, Karl
Deß, Albert
Diemers, Renate Dörflinger, Werner Ehlers, Wolfgang Ehrbar, Udo
Eichhorn, Maria Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst Eymer, Anke
Falk, Ilse
Dr. Faltlhauser, Kurt Dr. Fell, Karl
Fischer ({7}), Dirk Fischer ({8}), Leni Fockenberg, Winfried Francke ({9}), Klaus Frankenhauser, Herbert
Dr. Friedrich, Gerhard
Fritz, Erich G.
Fuchtel, Hans-Joachim
Ganz ({10}), Johannes Geiger, Michaela
Geis, Norbert
Dr. Geißler, Heiner
Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({11}), Johannes Glos, Michael
Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter
Dr. Götzer, Wolfgang Grochtmann, Elisabeth Grotz, Claus-Peter Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev
Harries, Klaus
Haschke ({12}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer
Hauser ({13}), Otto Hauser ({14}), Hansgeorg
Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred
Dr. Hellwig, Renate
Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst
Hintze, Peter
Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim
Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef
Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert
Jäger, Claus
Dr. Jahn ({15}), Friedrich-Adolf Jeltsch, Karin
Dr. Jüttner, Egon Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen
Dr.-Ing. Kansy, Dietmar
Dr. Kappes, Franz-Hermann Karwatzki, Irmgard
Kauder, Volker
Kiechle, Ignaz
Kittelmann, Peter Klein ({16}), Günter Klein ({17}), Hans Köhler ({18}),
Hans-Ulrich
Dr. Köhler ({19}), Volkmar
Kors, Eva-Maria
Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Dr. Krause ({20}),
Günther
Krause ({21}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf
Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl
Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert
Dr. Laufs, Paul
Laumann, Karl-Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula-Maria
Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, Editha
Link ({22}), Walter Lintner, Eduard
Dr. Lippold ({23}), Klaus W.
Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun
Lohmann ({24}), Wolfgang
Lummer, Heinrich
Maaß ({25}), Erich Männle, Ursula
Magin, Theo
Marienfeld, Claire
Dr. Mayer ({26}), Martin
Meckelburg, Wolfgang Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Michels, Meinolf
Dr. Möller, Franz
Müller ({27}), Alfons Nelle, Engelbert
Neumann ({28}), Bernd Nolte, Claudia
Ost, Friedhelm
Oswald, Eduard
Otto ({29}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard
Dr. Paziorek, Peter Paul Pesch, Hans-Wilhelm Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton
Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald
Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Raidel, Hans
Dr. Ramsauer, Peter Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
Reddemann, Gerhard Dr. Reinartz, Berthold Reinhardt, Erika
Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus
Dr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode ({30}), Helmut Rönsch ({31}),
Hannelore
Roitzsch ({32}), Ingrid Romer, Franz-Xaver
Dr. Rose, Klaus
Rossmanith, Kurt J. Roth ({33}), Adolf Rother, Heinz
Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker
Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({34}), Helmut Schätzle, Ortrun
Dr. Schäuble, Wolfgang Schemken, Heinz Scheu, Gerhard
Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt ({35}), Christian Schmidt ({36}), Trudi Schmitz ({37}),
Hans Peter
Dr. Schockenhoff, Andreas Dr. Scholz, Rupert
Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang
Dr. Schulte ({38}), Dieter
Schwalbe, Clemens
Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Winfried Seiters, Rudolf
Sikora, Jürgen Skowron, Werner
Dr. Sopart, Hans-Joachim Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz
Dr. Sprung, Rudolf
Dr. Stercken, Hans
Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang
Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd
Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita
Susset, Egon
Dr. Töpfer, Klaus
Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha
Vogt ({39}), Wolfgang
Dr. Voigt ({40}),
Hans-Peter
Dr. Waffenschmidt, Horst Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({41}), Herbert Wetzel, Kersten
Wiechatzek, Gabriele
Dr. Wieczorek ({42}), Bertram
Dr. Wilms, Dorothee
Wilz, Bernd
Wimmer ({43}), Willy
Dr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, Matthias Wittmann ({44}),
Simon
Wülfing, Elke Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang
Zierer, Benno Zöller, Wolfgang
SPD
Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann
Becker ({45}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bindig, Rudolf
Bock, Thea
Dr. Böhme ({46}), Ulrich Brandt-Elsweier, Anni
Dr. von Bülow, Andreas Caspers-Merk, Marion
Dr. Däubler-Gmelin, Herta Dr. Diederich ({47}), Nils Diller, Karl
Dr. Dobberthien, Marliese Dreßler, Rudolf
Duve, Freimut
Dr. Ehmke ({48}), Horst Esters, Helmut
Ewen, Carl
Ferner, Elke
Fuchs ({49}), Anke Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika
Gilges, Konrad Gleicke, Iris
Großmann, Achim Habermann, Frank-Michael Hämmerle, Gerlinde
Dr. Hartenstein, Liesel
Vizepräsident Hans Klein
Hasenfratz, Klaus Hilsberg, Stephan Dr. Holtz, Uwe Janz, Ilse
Jaunich, Horst
Jung ({50}), Volker Jungmann ({51}), Horst Kastner, Susanne
Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Klose, Hans-Ulrich Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf
Koschnick, Hans Dr. Küster, Uwe von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Mascher, Ulrike
Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Meißner, Herbert
Dr. Meyer ({52}), Jürgen Mosdorf, Siegmar
Müller ({53}), Jutta Müntefering, Franz Neumann ({54}), Volker Dr. Niehuis, Edith
Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Paterna, Peter
Dr. Penner, Willfried
Purps, Rudolf
Reimann, Manfred von Renesse, Margot Rennebach, Renate Rixe, Günter
Schloten, Dieter
Schmidt ({55}), Ursula Schmidt ({56}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina
Dr. Schmude, Jürgen
Dr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schulte ({57}), Brigitte Schwanhold, Ernst Seidenthal, Bodo
Seuster, Lisa
Dr. Soell, Hartmut
Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Steen, Antje-Marie
Dr. Struck, Peter Titze, Uta
Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Verheugen, Günter Wagner, Hans Georg
Wallow, Hans
Dr. Wegner, Konstanze Weisskirchen ({58}), Gert Welt, Hans-Joachim
Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Weyel, Gudrun
Wieczorek ({59}), Helmut Wiefelspütz, Dieter
Wimmer ({60}),
Hermann
Wohlleben, Verena Ingeburg Wolf, Hanna
Zapf, Uta
Dr. Zöpel, Christoph
F.D.P.
Albowitz, Ina
Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus
Bredehorn, Günther Cronenberg ({61}), Dieter-Julius
Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg
Dr. Feldmann, Olaf Friedrich, Horst
Dr. Funke-Schmitt-Rink,
Margret
Gallus, Georg
Grünbeck, Josef Hansen, Dirk
Heinrich, Ulrich
Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Dr. Hoyer, Werner
Kleinert ({62}), Detlef Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Lüder, Wolfgang
Dr. Menzel, Bruno Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Paintner, Johann
Peters, Lisa
Richter ({63}), Manfred
Rind, Hermann
Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard Sehn, Marita
Dr. Solms, Hermann Otto
Dr. Starnick, Jürgen Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen
Dr. Weng ({64}), Wolfgang
Wolfgramm ({65}), Torsten
Würfel, Uta
Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Ullmann, Wolfgang
Nein
CDU/CSU
Bierling, Hans-Dirk Clemens, Joachim Dehnel, Wolfgang Engelmann, Wolfgang Gres, Joachim
Jagoda, Bernhard Janovsky, Georg Dr.-Ing. Jork, Reiner Klinkert, Ulrich Kolbe, Manfred
Dr. Krause ({66}),
Rudolf Karl
Dr. Luther, Michael Meinl, Rudolf Horst Michalk, Maria Molnar, Thomas Nitsch, Johannes Pfeiffer, Angelika Dr. Pohler, Hermann Rau, Rolf
Dr. Schmidt ({67}), Joachim
Schulz ({68}), Gerhard Stockhausen, Karl
SPD
Barbe, Angelika
Ebert, Eike
Dr. Eckardt, Peter
Hacker, Hans-Joachim
Heyenn, Günther
Horn, Erwin
Dr. Janzen, Ulrich
Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Kolbe, Regina
Dr. Kübler, Klaus
Kuessner, Hinrich Lange, Brigitte
Dr. Lucyga, Christine Maaß ({69}), Dieter Marx, Dorle
Matschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar
Müller ({70}), Christian Dr. Otto, Helga
Peter ({71}), Horst Reuter, Bernd
Schröter, Karl-Heinz Dr. Schuster, Werner Dr. Sperling, Dietrich Tappe, Joachim
Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang
Voigt ({72}), Karsten D. Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara
Weis ({73}), Reinhard Weißgerber, Gunter
Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek-Zeul, Heidemarie
F.D.P.
Dr. Babel, Gisela Eimer ({74}), Norbert Funke, Rainer Ganschow, Jörg Grüner, Martin
Dr. Guttmacher, Karlheinz Homburger, Birgit
Dr. Hoth, Sigrid Irmer, Ulrich
Dr. Kolb, Heinrich L. Koppelin, Jürgen Kubicki, Wolfgang Otto ({75}),
Hans-Joachim
Schmidt ({76}), Arno
Dr. von Teichman, Cornelia Türk, Jürgen
PDS/Linke Liste
Bläss, Petra
Dr. Enkelmann, Dagmar
Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Dr. Heuer, Uwe-Jens
Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla
Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({77}),
Fritz
Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, Gerd
Schulz ({78}), Werner Weiß ({79}), Konrad
Fraktionslos
Dr. Briefs, Ulrich Henn, Bernd
Lowack, Ortwin
Enthalten
CDU/CSU
Feilcke, Jochen
Gibtner, Horst
Günther ({80}), Horst Haschke ({81}), Gottfried
Junghanns, Ulrich Dr. Mahlo, Dietrich
Dr. Mildner, Klaus Gerhard Petzold, Ulrich
Priebus, Rosemarie Scharrenbroich, Heribert Schwarz, Stefan
SPD
Bartsch, Holger
Dr. Brecht, Eberhard Büttner ({82}), Hans Bulmahn, Edelgard
Bury, Hans Martin Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Elmer, Konrad
Fischer ({83}),
Evelin
Hampel, Manfred Eugen Ibrügger, Lothar
Jäger, Renate
Kastning, Ernst Klemmer, Siegrun Lambinus, Uwe Scheffler, Siegfried Willy Schily, Otto
Schröter, Gisela Schwanitz, Rolf Sorge, Wieland
Toetemeyer, Hans-Günther Waltemathe, Ernst Wartenberg ({84}), Gerd
Dr. de With, Hans
F.D.P.
Friedhoff, Paul Hackel, Heinz-Dieter
Leutheusser-Schnarrenberger,
Sabine
Lühr, Uwe
Dr. Röhl, Klaus Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Schmieder, Jürgen Schuster, Hans
Dr. Semper, Sigrid
PDS/Linke Liste Dr. Fischer, Ursula
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schenk, Christina
Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Joachim Schmidt und anderer. Ich rufe denjenigen Kollegen,
Vizepräsident Hans Klein
die erst später dazugestoßen sind, ins Gedächtnis: Es handelt sich darum, daß der Bundesgerichtshof einschließlich des Generalbundesanwalts nach Leipzig zurückverlagert werden soll. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Dann kann ich die Abstimmung schließen.
({85})
- Nein, noch nicht; es kommt noch jemand. Hat jemand seine Stimme noch nicht abgegeben? - Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, wir werden jetzt noch eine kurze offene Abstimmung durchführen. Ich schlage vor, daß wir gleich im Anschluß daran und vor der Bekanntgabe des Ergebnisses der soeben durchgeführten Abstimmung die PKK-Abstimmung durchführen. Ich bitte also, die Urnen auszutauschen.
Meine Damen und Herren, wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/2940. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zum Zusatzpunkt 2.
({86})
- Mein Straffungsvorschlag ist aus gutem Grunde gescheitert.
Ich darf zunächst das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2908 bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 543, ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben gestimmt: 219, mit Nein: 320, 4 Enthaltungen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 539; davon
ja: 218
nein: 317
enthalten: 4
Ja
CDU/CSU
Dr. Luther, Michael Pfeiffer, Angelika
Dr. Pohler, Hermann Schulz ({87}), Gerhard
SPD
Andres, Gerd
Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika
Bartsch, Holger
Becker ({88}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bindig, Rudolf
Bock, Thea
Dr. Böhme ({89}), Ulrich Börnsen ({90}), Arne Brandt-Elsweier, Anni
Dr. Brecht, Eberhard
Büchler ({91}), Hans
Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({92}), Hans Bulmahn, Edelgard
Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Conradi, Peter
Dr. Däubler-Gmelin, Herta Daubertshäuser, Klaus
Dr. Diederich ({93}), Nils Diller, Karl
Dr. Dobberthien, Marliese Dreßler, Rudolf
Duve, Freimut Ebert, Eike
Dr. Eckardt, Peter
Dr. Ehmke ({94}), Horst Eich, Ludwig
Dr. Elmer, Konrad Erler, Gernot
Esters, Helmut
Ewen, Carl
Ferner, Elke
Fischer ({95}), Evelin
Formanski, Norbert Fuchs ({96}), Anke Fuchs ({97}), Katrin Fuhrmann, Arne
Ganseforth, Monika Gilges, Konrad
Graf, Günter
Großmann, Achim Haack ({98}),
Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Hanewinckel, Christel
Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus
Dr. Hauchler, Ingomar Heistermann, Dieter Hiller ({99}), Reinhold
Dr. Holtz, Uwe
Ibrügger, Lothar Iwersen, Gabriele Jäger, Renate
Janz, Ilse
Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst
Jung ({100}), Volker Jungmann ({101}), Horst Kastner, Susanne
Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich
Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Körper, Fritz Rudolf
Kolbe, Regina
Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf
Koschnick, Hans Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Kuhlwein, Eckart Lambinus, Uwe Lange, Brigitte
von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus
Dr. Leonhard-Schmid, Elke Lohmann ({102}), Klaus
Dr. Lucyga, Christine Maaß ({103}), Dieter Marx, Dorle
Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus
Mehl, Ulrike
Meißner, Herbert
Dr. Meyer ({104}), Jürgen Mosdorf, Siegmar
Müller ({105}), Michael Müller ({106}), Albrecht Müller ({107}), Jutta Müller ({108}), Christian Müntefering, Franz Neumann ({109}), Volker Neumann ({110}), Gerhard Dr. Niehuis, Edith
Dr. Niese, Rolf
Niggemeier, Horst
Odendahl, Doris
Oesinghaus, Günter Oostergetelo, Jan Opel, Manfred
Ostertag, Adolf
Dr. Otto, Helga
Paterna, Peter
Dr. Penner, Willfried Peter ({111}), Horst Dr. Pick, Eckhart
Poß, Joachim
Purps, Rudolf
Reimann, Manfred von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reschke, Otto
Reuschenbach, Peter W. Reuter, Bernd
Rixe, Günter
Schanz, Dieter
Dr. Scheer, Hermann Scheffler, Siegfried Willy Schily, Otto
Schloten, Dieter
Schluckebier, Günter Schmidbauer ({112}), Bernd
Schmidt ({113}), Ursula Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen
Dr. Schnell, Emil
Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela
Schröter, Karl-Heinz Schulte ({114}), Brigitte Dr. Schuster, Werner Schwanhold, Ernst Schwanitz, Rolf
Seidenthal, Bodo
Seuster, Lisa
Sielaff, Horst
Singer, Johannes
Dr. Soell, Hartmut Sorge, Wieland
Dr. Sperling, Dietrich Steen, Antje-Marie Steiner, Heinz-Alfred Dr. Struck, Peter
Tappe, Joachim
Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried
Voigt ({115}), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans
Waltemathe, Ernst Walter ({116}), Ralf
Wartenberg ({117}), Gerd
Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara
Weis ({118}), Reinhard Weißgerber, Gunter Weisskirchen ({119}), Gert Dr. Wernitz, Axel
Wester, Hildegard Westrich, Lydia Wettig-Danielmeier, Inge Weyel, Gudrun
Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({120}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter
Wimmer ({121}),
Hermann
Dr. de With, Hans Wittich, Berthold
Wohlleben, Verena Ingeburg Wolf, Hanna
Zapf, Uta
Vizepräsident Hans Klein PDS/Linke Liste
Bläss, Petra
Dr. Enkelmann, Dagmar
Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor
Dr. Heuer, Uwe-Jens
Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla
Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann ({122}),
Fritz
Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, Gerd
Schenk, Christina
Dr. Ullmann, Wolfgang
Fraktionslos
Dr. Briefs, Ulrich Henn, Bernd
Lowack, Ortwin
Nein
CDU/CSU
Adam, Ulrich
Dr. Ackermann, Else Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich
Bargfrede, Heinz-Günther
Dr. Bauer, Wolf
Baumeister, Brigitte Bayha, Richard
Belle, Meinrad
Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk
Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate
Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter
Dr. Blüm, Norbert
Böhm ({123}), Wilfried Dr. Böhmer, Maria
Börnsen ({124}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang
Bohl, Friedrich
Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Brähmig, Klaus
Breuer, Paul
Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler ({125}), Klaus Büttner ({126}),
Hartmut
Buwitt, Dankward Carstensen ({127}), Peter Harry
Clemens, Joachim Deres, Karl
Deß, Albert
Diemers, Renate Dörflinger, Werner Echternach, Jürgen
Ehlers, Wolfgang Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer
Eylmann, Horst Falk, Ilse
Dr. Faltlhauser, Kurt
Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl
Fischer ({128}), Dirk Erik Fischer ({129}), Leni
Francke ({130}), Klaus Frankenhauser, Herbert
Dr. Friedrich, Gerhard
Fritz, Erich G.
Fuchtel, Hans-Joachim Geiger, Michaela Geis, Norbert
Dr. Geißler, Heiner
Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster ({131}), Johannes Gibtner, Horst
Glos, Michael
Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin
Götz, Peter
Dr. Götzer, Wolfgang
Gres, Joachim Grochtmann, Elisabeth Gröbl, Wolfgang Grotz, Claus-Peter
Dr. Grünewald, Joachim Günther ({132}), Horst Frhr. von Hammerstein,
Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke ({133}),
Gottfried
Haschke ({134}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer
Hauser ({135}), Otto Hauser ({136}),
Hansgeorg
Hedrich, Klaus-Jürgen
Heise, Manfred Hinsken, Ernst Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf
Dr. Hoffacker, Paul
Hollerith, Josef
Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried
Hüppe, Hubert Jagoda, Bernhard Dr. Jahn ({137}),
Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin
Dr. Jobst, Dionys Dr. Jüttner, Egon Junghanns, Ulrich Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen
Dr.-Ing. Kansy, Dietmar
Dr. Kappes, Franz-Hermann Karwatzki, Irmgard
Kauder, Volker Keller, Peter
Kiechle, Ignaz Kittelmann, Peter Klein ({138}), Günter
Klein ({139}), Hans Klinkert, Ulrich
Köhler ({140}),
Hans-Ulrich Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas
Kraus, Rudolf
Dr. Krause ({141}), Günther
Dr. Krause ({142}), Rudolf Karl
Krause ({143}), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf
Kronberg, Heinz-Jürgen Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Dr. Lammert, Norbert
Lamp, Helmut Johannes
Dr. Laufs, Paul
Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula-Maria Lenzer, Christian Limbach, Editha
Link ({144}), Walter Dr. Lippold ({145}), Klaus W.
Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun
Lohmann ({146}), Wolfgang
Louven, Julius
Lummer, Heinrich
Maaß ({147}), Erich Männle, Ursula
Magin, Theo
Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Dr. Mayer ({148}),
Martin
Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Meseke, Hedda Dr. Meyer zu Bentrup,
Reinhard
Michalk, Maria
Michels, Meinolf
Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Möller, Franz
Nelle, Engelbert Neumann ({149}), Bernd Nitsch, Johannes
Nolte, Claudia
Ost, Friedhelm
Oswald, Eduard
Otto ({150}), Norbert Dr. Päselt, Gerhard
Dr. Paziorek, Peter Paul Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich
Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton
Dr. Pflüger, Friedbert Pofalla, Ronald
Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd
Rahardt-Vahldieck, Susanne Raidel, Hans
Dr. Ramsauer, Peter Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert
Dr. Riedl ({151}), Erich Riegert, Klaus
Dr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rode ({152}), Helmut Rönsch ({153}),
Hannelore
Roitzsch ({154}), Ingrid Romer, Franz-Xaver
Dr. Rose, Klaus
Rossmanith, Kurt J. Rother, Heinz
Dr. Ruck, Christian Dr. Rüttgers, Jürgen
Scharrenbroich, Heribert Schätzle, Ortrun
Dr. Schäuble, Wolfgang Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd
Schmidt ({155}), Christian
Dr. Schmidt ({156}), Joachim
Schmidt ({157}), Trudi Schmitz ({158}), Hans Peter
Dr. Schockenhoff, Andreas Dr. Scholz, Rupert
Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang
Dr. Schulte ({159}), Dieter Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Winfried Seiters, Rudolf
Sikora, Jürgen
Skowron, Werner
Dr. Sopart, Hans-Joachim Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Spranger, Carl-Dieter
Dr. Sprung, Rudolf Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten,
Wolfgang
Stockhausen, Karl
Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael
Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon
Dr. Töpfer, Klaus
Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar
Verhülsdonk, Roswitha
Vogel ({160}), Friedrich Vogt ({161}), Wolfgang
Dr. Waffenschmidt, Horst Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warnke, Jürgen
Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({162}), Herbert Wiechatzek, Gabriele
Dr. Wieczorek ({163}),
Bertram
Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd
Wimmer ({164}), Willy
Dr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, Matthias
Dr. Wittmann, Fritz Wittmann ({165}),
Simon
Wonneberger, Michael Wülfing, Elke
Yzer, Cornelia
Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang
F.D.P.
Albowitz, Ina
Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg ({166}),
Dieter-Julius
Eimer ({167}), Norbert
Vizepräsident Hans Klein
Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg
Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst
Dr. Funke-Schmitt-Rink,
Margret
Gallus, Georg Grünbeck, Josef
Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter
Hansen, Dirk Heinrich, Ulrich
Dr. Hirsch, Burkhard Homburger, Birgit Dr. Hoth, Sigrid
Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich
Kleinert ({168}), Detlef
Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Koppelin, Jürgen
Kubicki, Wolfgang
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,
Sabine
Lüder, Wolfgang Lühr, Uwe
Dr. Menzel, Bruno Mischnick, Wolfgang
Dr. Ortleb, Rainer Otto ({169}),
Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, Lisa
Dr. Pohl, Eva
Richter ({170}), Manfred
Rind, Hermann
Dr. Röhl, Klaus Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt ({171}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen
Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard
Schuster, Hans
Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita
Dr. Semper, Sigrid
Dr. Solms, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen
Dr. von Teichman, Cornelia Thiele, Carl-Ludwig
Dr. Thomae, Dieter
Timm, Jürgen
Türk, Jürgen
Dr. Weng ({172}), Wolfgang
Wolfgramm ({173}), Torsten
Würfel, Uta
Zurheide, Burkhard
Zywietz, Werner
Enthalten
CDU/CSU
Dehnel, Wolfgang
Dr. Lieberoth, Immo Rau, Rolf
Dr. Schwörer, Hermann
Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Entwurf eines Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes in der Ausschußfassung ab. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten sofort in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Ich rufe jetzt Zusatztagesordnungspunkt 2 auf:
Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission
Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 12/2873 Die Fraktion der CDU/CSU schlägt auf Drucksache 12/2873 den Abgeordneten Wolfgang Zeitlmann als Nachfolger für den ausgeschiedenen Kollegen Rudolf Kraus vor.
({174})
- Meine Damen und Herren, haben Sie doch noch eine Minute Geduld, bis Sie überhaupt wissen - ({175})
- Nein, Sie wissen natürlich, wer vorgeschlagen ist.
Das steht ja auf dem Zettel. Gedulden Sie sich aber
bitte, bis Sie von mir über das Verfahren unterrichtet worden sind.
Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise: Die erforderlichen Stimmkarten sind ausgeteilt. Kollegen, die später gekommen sind und die Stimmkarte vielleicht noch nicht haben, können sich diese noch geben lassen. Für die Wahl benötigen Sie außerdem Ihren gelben Wahlausweis, der in den Schließfächern in der Eingangshalle liegt.
Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags auf sich vereinigt, d. h. mindestens 332 Stimmen erhält.
Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten, sind ungültig.
Die Wahl ist nicht geheim. Sie können die Stimmkarte deshalb auch an Ihren Plätzen ankreuzen, wenn Sie das noch nicht getan haben.
Wenn Sie die Stimmkarte in eine der aufgestellten Wahlurnen werfen, geben Sie bitte dem Schriftführer Ihren Wahlausweis. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis für die Teilnahme an der Wahl.
Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Wahl.
Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Joachim Schmidt und anderer auf Drucksache 12/2933 bekannt. Abgegebene Stimmen: 500. Davon ungültig: keine. Mit Ja haben gestimmt: 188, mit Nein: 285. Enthaltungen: 27.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 501; davon
ja: 188
nein: 286
enthalten: 27
Ja
CDU/CSU
Adam, Ulrich
Dr. Ackermann, Else Dr. Altherr, Walter Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich
Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk
Böhm ({176}), Wilfried Bohlsen, Wilfried
Büttner ({177}), Hartmut
Clemens, Joachim
Dehnel, Wolfgang
Ehlers, Wolfgang Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eylmann, Horst
Feilcke, Jochen
Dr. Fell, Karl
Fischer ({178}), Leni Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G.
Dr. von Geldern, Wolfgang
Gibtner, Horst
Grochtmann, Elisabeth Harries, Klaus
Haschke ({179}), Gottfried
Janovsky, Georg Dr.-Ing. Jork, Reiner Junghanns, Ulrich Kampeter, Steffen Karwatzki, Irmgard Klein ({180}), Hans Klinkert, Ulrich
Kolbe, Manfred
Dr. Krause ({181}), Rudolf Karl
Krause ({182}), Wolfgang Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamp, Helmut Johannes Lehne, Klaus-Heiner
Dr. Lieberoth, Immo Lintner, Eduard
Dr. sc. Lischewski, Manfred Lohmann ({183}), Wolfgang
Dr. Luther, Michael Dr. Mahlo, Dietrich Marienfeld, Claire Meinl, Rudolf Horst Michalk, Maria
Dr. Mildner, Klaus Gerhard Molnar, Thomas
Nitsch, Johannes Ost, Friedhelm
Dr. Päselt, Gerhard Petzold, Ulrich
Pfeiffer, Angelika Dr. Polder, Hermann
Vizepräsident Hans Klein
Priebus, Rosemarie Rau, Rolf
Reddemann, Gerhard Rother, Heinz
Dr. Schmidt ({184}), Joachim
Schmidt ({185}), Trudi Schulz ({186}), Gerhard Schwarz, Stefan
Seibel, Winfried Skowron, Werner
Dr. Sopart, Hans-Joachim Stockhausen, Karl Stübgen, Michael
Vogt ({187}), Wolfgang Wetzel, Kersten
Dr. Wieczorek ({188}),
Bertram
Wimmer ({189}), Willy Wülfing, Elke
Yzer, Cornelia
Zierer, Benno
SPD
Barbe, Angelika Bartsch, Holger Beucher, Friedhelm Julius
Dr. Brecht, Eberhard
Dr. Diederich ({190}), Nils Diller, Karl
Dr. Eckardt, Peter Dr. Elmer, Konrad Fischer ({191}),
Evelin
Gilges, Konrad
Gleicke, Iris
Haack ({192}),
Karl-Hermann Hacker, Hans-Joachim Hilsberg, Stephan Horn, Erwin
Jäger, Renate
Janz, Ilse
Dr. Janzen, Ulrich
Jung ({193}), Volker Jungmann ({194}), Horst Klemmer, Siegrun
Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Kolbe, Regina
Koltzsch, Rolf
Koschnick, Hans Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus
Dr. Lucyga, Christine Marx, Dorle
Matschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar Meckel, Markus Meißner, Herbert
Müller ({195}), Christian
Dr. Otto, Helga Paterna, Peter
Peter ({196}), Horst von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd
Scheffler, Siegfried Willy
Dr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Dr. Schuster, Werner
Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland
Dr. Sperling, Dietrich Steen, Antje-Marie Tappe, Joachim
Dr. Thalheim, Gerald
Thierse, Wolfgang Verheugen, Günter
Voigt ({197}), Karsten D. Wallow, Hans
Waltemathe, Ernst Weiler, Barbara
Weis ({198}), Reinhard Weißgerber, Gunter
Dr. Zöpel, Christoph
F.D.P.
Dr. Babel, Gisela
Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus
Eimer ({199}), Norbert Friedhoff, Paul
Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret
Ganschow, Jörg
Grünbeck, Josef
Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter
Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Dr. Hoth, Sigrid
Irmer, Ulrich
Kleinert ({200}), Detlef Koppelin, Jürgen
Kubicki, Wolfgang
Lüder, Wolfgang
Lühr, Uwe
Dr. Menzel, Bruno
Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer
Peters, Lisa
Dr. Röhl, Klaus
Schmidt ({201}), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Schuster, Hans
Dr. Schwaetzer, Irmgard Dr. Semper, Sigrid
Dr. Sohns, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen
Türk, Jürgen
Wolfgramm ({202}), Torsten
PDS/Linke Liste
Dr. Enkelmann, Dagmar
Dr. Gysi, Gregor
Dr. Heuer, Uwe-Jens
Lederer, Andrea
Philipp, Ingeborg
Dr. Schumann ({203}), Fritz
Dr. Seifert, Ilja
Stachowa, Angela
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Poppe, Gerd
Schenk, Christina
Schulz ({204}), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß ({205}), Konrad
Fraktionslos
Dr. Briefs, Ulrich Lowack, Ortwin
Nein
CDU/CSU
Augustin, Anneliese Bargfrede, Heinz-Günther
Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte
Bayha, Richard Belle, Meinrad Belle, Meinrad
Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate
Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter
Börnsen ({206}), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang
Bohl, Friedrich Borchert, Jochen Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg
Bühler ({207}), Klaus Buwitt, Dankward
Carstens ({208}), Manfred Carstensen ({209}),
Peter Harry Deres, Karl
Deß, Albert
Diemers, Renate Dörflinger, Werner Ehrbar, Udo
Eichhorn, Maria Eymer, Anke Falk, Ilse
Dr. Faltlhauser, Kurt
Fischer ({210}), Dirk Fockenberg, Winfried Frankenhauser, Herbert Fuchtel, Hans-Joachim
Ganz ({211}), Johannes Geiger, Michaela
Geis, Norbert
Dr. Geißler, Heiner Gerster ({212}), Johannes Glos, Michael
Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter
Dr. Götzer, Wolfgang
Gres, Joachim Grotz, Claus-Peter
Günther ({213}), Horst Haschke ({214}), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer
Hauser ({215}), Otto Hauser ({216}),
Hansgeorg
Hedrich, Klaus-Jürgen
Heise, Manfred
Dr. Hellwig, Renate
Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hinsken, Ernst
Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim
Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef
Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert
Jäger, Claus
Jagoda, Bernhard Dr. Jahn ({217}),
Friedrich-Adolf Jeltsch, Karin
Dr. Jüttner, Egon Kalb, Bartholomäus
Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Kauder, Volker Kiechle, Ignaz
Klein ({218}), Günter Köhler ({219}), Hans-Ulrich
Dr. Köhler ({220}), Volkmar
Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Krey, Franz Heinrich Lamers, Karl
Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul
Laumann, Karl-Josef Dr. Lehr, Ursula-Maria Lenzer, Christian Limbach, Editha
Link ({221}), Walter Dr. Lippold ({222}),
Klaus W.
Löwisch, Sigrun
Maaß ({223}), Erich Männle, Ursula
Magin, Theo
Dr. Mayer ({224}), Martin
Meckelburg, Wolfgang Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Dr. Möller, Franz
Müller ({225}), Alfons Nelle, Engelbert Neumann ({226}), Bernd Oswald, Eduard
Dr. Paziorek, Peter Paul Pesch, Hans-Wilhelm Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton
Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald
Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Raidel, Hans
Dr. Ramsauer, Peter Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm
Dr. Reinartz, Berthold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus
Dr. Riesenhuber, Heinz Ringkamp, Werner Rönsch ({227}),
Hannelore
Roitzsch ({228}), Ingrid Romer, Franz-Xaver
Dr. Rose, Klaus
Rossmanith, Kurt J. Roth ({229}), Adolf Dr. Ruck, Christian Rühe, Volker
Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer ({230}), Helmut Scharrenbroich, Heribert Schätzle, Ortrun
Dr. Schäuble, Wolfgang Schemken, Heinz Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmitz ({231}),
Hans Peter
Dr. Schockenhoff, Andreas Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang
Dr. Schulte ({232}), Dieter
Schwalbe, Clemens
Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst
Seesing, Heinrich Seiters, Rudolf
Sikora, Jürgen
Vizepräsident Hans Klein Sothmann, Bärbel
Spilker, Karl-Heinz
Dr. Sprung, Rudolf
Dr. Stercken, Hans
Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang
Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd
Dr. Süssmuth, Rita
Susset, Egon
Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar
Verhülsdonk, Roswitha Dr. Waffenschmidt, Horst
Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warrikoff, Alexander Werner ({233}), Herbert
Dr. Wilms, Dorothee
Dr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, Matthias
Dr. Wittmann, Fritz Zeitlmann, Wolfgang Zöller, Wolfgang
SPD
Andres, Gerd
Antretter, Robert Bachmaier, Hermann
Becker ({234}), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Bindig, Rudolf
Bock, Thea
Dr. Böhme ({235}), Ulrich Brandt-Elsweier, Anni Dr. von Bülow, Andreas Büttner ({236}), Hans Bulmahn, Edelgard
Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael
Dr. Däubler-Gmelin, Herta Dreßler, Rudolf
Duve, Freimut
Ebert, Eike
Dr. Ehmke ({237}), Horst Esters, Helmut
Ewen, Carl
Ferner, Elke
Fuchs ({238}), Anke Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Großmann, Achim Habermann, Frank-Michael Hämmerle, Gerlinde
Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus
Dr. Holtz, Uwe
Jaunich, Horst
Kastner, Susanne Kastning, Ernst
Klappert, Marianne Klose, Hans-Ulrich Dr. Küster, Uwe
Lambinus, Uwe
Maaß ({239}), Dieter Mascher, Ulrike Matthäus-Maier, Ingrid Müller ({240}), Jutta Müntefering, Franz Neumann ({241}), Volker Dr. Niese, Rolf
Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Dr. Penner, Willfried Purps, Rudolf
Reimann, Manfred Rixe, Günter
Schily, Otto
Schloten, Dieter
Schmidt ({242}), Ursula Schmidt ({243}), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Seuster, Lisa
Dr. Soell, Hartmut
Dr. Struck, Peter
Titze, Uta
Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Wagner, Hans Georg
Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weisskirchen ({244}), Gert Welt, Hans-Joachim
Wester, Hildegard
Westrich, Lydia
Weyel, Gudrun
Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek ({245}), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wimmer ({246}),
Hermann
Wohlleben, Verena Ingeburg Zapf, Uta
F.D.P.
Albowitz, Ina
Bredehorn, Günther Cronenberg ({247}), Dieter-Julius
Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg
Dr. Feldmann, Olaf Friedrich, Horst Funke, Rainer
Gallus, Georg
Grüner, Martin Hansen, Dirk
Heinrich, Ulrich Homburger, Birgit Dr. Hoyer, Werner Dr. Kolb, Heinrich
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger,
Sabine
Paintner, Johann Richter ({248}), Manfred
Rind, Hermann Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schüßler, Gerhard
Sehn, Marita
Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen
Dr. Weng ({249}), Wolfgang
Würfel, Uta
Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner
PDS/Linke Liste
Bläss, Petra
Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Höll, Barbara Jelpke, Ulla
Dr. Keller, Dietmar Dr. Modrow, Hans
Fraktionslos
Henn, Bernd
Enthalten
CDU/CSU
Breuer, Paul
Francke ({250}), Klaus Dr. Kahl, Harald
Dr. Kappes, Franz-Hermann Kriedner, Arnulf
Dr.-Ing. Krüger, Paul Lummer, Heinrich Otto ({251}), Norbert Dr. Pflüger, Friedbert
Rode ({252}), Helmut Schmidt ({253}), Christian Dr. Scholz, Rupert
Dr. Töpfer, Klaus Wiechatzek, Gabriele Wilz, Bernd
SPD
Dr. Dobberthien, Marliese Hampel, Manfred Eugen Dr. Niehuis, Edith
Dr. Schmude, Jürgen Schulte ({254}), Brigitte Vergin, Siegfried Wartenberg ({255}), Gerd Dr. Wernitz, Axel
Dr. de With, Hans
F.D.P.
Dr. von Teichman, Cornelia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter
Der Antrag ist damit abgelehnt.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das bei der PKK-Abstimmung seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Nachwahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung der Stimmen zu beginnen. -*)
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 16 auf:
- Zweite und dritte Beratung eines Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vermögensgesetzes und anderer Vorschriften - Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz ({256}) - Drucksachen 12/2480, 12/2695 - ({257})
- Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung redlich erworbener Eigentums- und Nutzungsrechte an Gebäuden und Grundstücken in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet
- Drucksache 12/2358 - ({258})
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. UweJens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vermögensgesetzes
- Drucksache 12/2228 - ({259})
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann, Christina Schenk und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Herstellung des Rechtsfriedens im Bereich des Wohneigentums in den neuen Bundesländern
- Drucksache 12/2073 - ({260})
a) Beschlußempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses ({261})
- Drucksache 12/2944 - *) Ergebnis Seite 8530A
Abgeordnete Dr. Herta Däubler-Gmelin Norbert Geis
Hans-Joachim Hacker
Dr. Eckhart Pick
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 12/2945, 12/2946 Berichterstattung:
Abgeordnete Hinrich Kuessner Michael von Schmude
Dr. Wolfgang Weng ({1})
Zum Vermögensrechtsänderungsgesetz liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Fraktion der SPD vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Hans-Joachim Hacker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch kurz vor der Sommerpause findet erneut eine Notoperation am Vermögensrecht statt, die heute mit der zweiten und dritten Lesung im Bundestag ihren Abschluß finden wird. Sie wurde begleitet von einem überflüssigen Theaterdonner des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion, des Kollegen Dr. Rüttgers. Er wollte der Öffentlichkeit weismachen, die SPD-Bundestagsfraktion würde Beschleunigungsregelungen im investiven Bereich für die neuen Bundesländer verhindern.
({0})
- Das Gegenteil ist der Fall, Herr Geis. Wir Sozialdemokraten haben immer auf Beschleunigung gedrungen und eine radikale Beseitigung von Hemmnissen im Eigentumsbereich gefordert. Wir haben auch entsprechende parlamentarische Initiativen gestartet. Das ist die Wahrheit.
Als wir am 15. März 1991 das Hemmnissebeseitigungsgesetz beraten und verabschiedet haben, wurden von der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen große Beschleunigungseffekte versprochen und verkündet. Frau LeutheusserSchnarrenberger, die heutige Bundesjustizministerin, sprach davon, daß von der Neuentstehung mittelständischer Betriebe ganz wesentlich die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern abhängt. Darin war ihr und ist Ihnen, Frau Bundesministerin, voll zuzustimmen. Doch die von der damaligen Reparaturgesetzgebung ausgehenden Wirkungen hatten wegen der ihnen innewohnenden Inkonsequenzen eben keinen Erfolg. Das war nach unserer Auffassung bereits damals zu erkennen.
Der sich damals auf dem Weg zur Leipziger Messe befindende Bundeswirtschaftsminister, Herr Jürgen W. Möllemann, appellierte an Deutschland und die Welt, als er sagte:
Kommen Sie in die neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland und investieren Sie! Exzellente Förderbedingungen, hochmotivierte Arbeitnehmer, die Brückenposition zwischen Ost und West - es lohnt sich, dort jetzt Investitionen zu tätigen, neue Unternehmen aufzubauen oder in bestehende einzusteigen.
Diese Perspektiven haben sich als Illusion erwiesen. Fragen Sie, meine Damen und Herren, die Kommunalpolitiker und die zitierten motivierten Arbeitnehmer, aber auch die Vertreter der Wirtschaft, wie die Gesetzgebung der Bundestagsmehrheit bewertet wird. Sicher, es gibt einzelne größere Investitionen. Aber nicht das Einzelbeispiel zählt, sondern die Gesamttendenz, und die sieht eben anders aus. Der Ruf von Herrn Möllemann ist so verhallt wie die Prophezeiung des Bundeskanzlers vor Einführung der D-Mark in der Noch-DDR, daß seinerzeit Hunderte, ja Tausende investitionsbereite Unternehmen in den Startlöchern stünden, die in die neuen Ländern kommen würden.
Nun stellt sich die Frage, wie wir den Patienten, der an den vermögensrechtlichen Hemmnissen krankt, zum Laufen, ja zum Rennen bringen. Ich meine, der Sprint wird auch nach der Verabschiedung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes nicht möglich sein. Er wird weiter am Stock gehen. Zu unüberschaubar und kompliziert sind die Regelungssysteme, zu groß der Berg der vorliegenden Anträge in den Vermögensämtern und zu groß das Defizit an Verwaltungskraft in den Ländern, in den Vermögensämtern und auch in den Oberfinanzdirektionen.
Eine sachgerechte Bewertung, meine Damen und Herren, gebietet auch, die zweifelsfrei vorhandenen Beschleunigungseffekte für Investitionen und die Verbesserung einer bisher unsicheren Rechtssituation für die Bürger zu würdigen. Die Verbesserungen wurden zu einem großen Teil von meiner Fraktion seit Monaten eingefordert und in den Beratungen der Berichterstatter und im Rechtsausschuß mit Nachdruck vertreten. Hierzu zähle ich insbesondere die Verbesserung des Rechtsschutzes redlicher Erwerber von Grundstücken und Gebäuden. Die Ihnen vorliegende Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses bleibt allerdings insofern inkonsequent, als der Stichtag 18. Oktober 1989 erhalten bleiben soll. Wir streben eine Nachbesserung an. Ich bitte Sie: Unterstützen Sie den SPD-Änderungsantrag auf der Drucksache 12/2951.
Für die Berechtigten der Bodenreform will ich feststellen: Sie genießen den Rechtsschutz des § 4 Abs. 2 des Vermögensgesetzes auch nach dem bereits geltenden Recht, wenn das Vermögen nicht nach DDR-Recht endgültig in den sogenannten Volkseigenen Bodenfonds gefallen ist. Dies ist in den Beratungen im Rechtsausschuß eindeutig festgestellt worden. Der Rechtsschutz gilt auch dann, wenn in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes Rückübertragungsansprüche dem Grunde nach berechtigt sind. Die BodenreformLandbesitzer in Lassahn am Schaalsee im Kreis Hagenow und anderswo müssen also nicht um ihren Besitz fürchten.
Endlich ist wenigstens in entscheidenden Ansätzen den Forderungen meiner Fraktion gefolgt worden, die seit Monaten erhoben worden sind, nämlich für die Eigentümer von Gebäuden bzw. für die Inhaber von Überlassungsverträgen, die nicht Eigentümer des Grundstücks sind bzw. keine dinglichen Nutzungsrechte besitzen, den Rechtsschutz bis zu einer abschließenden Sach- und Rechtsbereinigung zu gewährleisten. Das Moratorium, das das Recht des Besitzers des nichteigenen Grundstücks sichert, soll nach unserer Auffassung nicht befristet werden, wie in der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses formuliert, sondern soll bis zu einer Bereinigung der gesamten Rechtsverhältnisse durch besonderes Gesetz gelten, wie es unserem Änderungsantrag Drucksache 12/2954 zu entnehmen ist. Allein eine solche Regelung nimmt den Betroffenen in den neuen Ländern die Angst vor Verlust des Heimes und der gewohnten Lebensumwelt. Ich bitte Sie auch da um Ihre Unterstützung.
Die Kommunen und die Vermögensämter werden wegen der nun vorgesehenen Befristung des Antragsrechts auf Rückübertragung von Immobilienvermögen gemäß § 30a des Vermögensgesetzes auf den 31. Dezember 1992 aufatmen. Daß erst jetzt eine Antragsschlußfrist eingeführt wird, ist ein schwerer Fehler der Bundesregierung. Durch den falschen Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" und die inkonsequente Position beim Hemmnissebeseitigungsgesetz hat die Bundesregierung von den Alteigentümern längst abgeschriebene Ansprüche auf Besitz und Eigentum neu geweckt und diese nicht auf ein Anmeldedatum beschränkt. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, endlich klarzulegen, wie denn die Entschädigung aussehen soll. Das seit Monaten überfällige Entschädigungsgesetz muß dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden, so wie es der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 12/2955 vorsieht.
Meine Damen und Herren, das Investitionsvorranggesetz als Superbeschleunigungsgesetz wird nach einem Jahr an den tatsächlichen Beschleunigungseffekten zu messen sein. Die Erweiterung der besonderen Investitionszwecke in § 3 des Investitionsvorranggesetzes und besondere Maßnahmen in § 27a, b und c werden von der SPD-Bundestagsfraktion mit getragen. Wir wollen auch hier weitere Beschleunigung erwirken, wie Sie das - das sage ich der Verkürzung wegen - auf den Ihnen vorliegenden Drucksachen 12/2950, 12/2952 und 12/2953 wiederfinden. Es geht insbesondere um Vorhaben in Sanierungs- und städtebaulichen Entwicklungsbereichen und um die Werterhaltung von dem Verfall preisgegebenen oder vom Verfall bedrohten Wohnraum. Ich bitte Sie auch da um Ihre Unterstützung, meine Damen und Herren.
Ein wahres Trauerspiel beim Umgang mit Immobilien war das Katz-und-Maus-Spiel bei der Zuordnung von Ferienobjekten an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern und in anderen Erholungsgebieten der neuen Länder. Ich fordere die Bundesregierung und die zuständigen Behörden auf, die entsprechenden Forderungen, die auf Initiative der SPD-Fraktion in den Entschließungsantrag des Bundestages eingegangen sind, ernst zu nehmen und Unklarheiten zu beseitigen, Frau Ministerin, damit die genannten Immobilien bis Ende 1992 zur Verfügung stehen. In diesem Sinne muß die Bundesregierung auch die vorgeschlagene Entschließung umsetzen, den Prozeß der Zuordnung von Wohnungsvermögen auf die Gemeinden zu beschleunigen und Auslegungsfragen kommunalfreundlich zu gestalten.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits auf die ausstehende Entschädigungsregelung verwiesen. In den Beratungen der Berichterstatter und auch in den Beratungen des Rechtsausschusses habe ich ebenso nachdrücklich darauf verwiesen, daß eine Einbeziehung des Rechts der Zwangsausgesiedelten in die Regelung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes notwendig ist, das Recht, einen Anspruch auf Rückgabe des ihnen widerrechtlich entzogenen Vermögens zu stellen. Eine Mehrheit war im Ausschuß für diese Initiative nicht zu finden. Im Raum steht die Verpflichtung der Bundesregierung, eine entsprechende Gesetzesvorlage dem Deutschen Bundestag in Kürze zuzuleiten. Die SPD-Bundestagsfraktion, meine Damen und Herren, wird die Bundesregierung beim Wort nehmen, den Gesetzgebungsprozeß durch Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes nun unverzüglich in die Wege zu leiten.
Vielen Dank.
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Herr Kollege Norbert Geis, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen nicht, ob der Weg zur Gesundung in den neuen Bundesländern schnell genug geht. Eine hochzivilisierte Gesellschaft wie die unsere kann es sich aber nicht leisten, daß allzu lange ein solches soziales Gefälle besteht wie derzeit noch zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern. Radikale Parteien hätten dann ein sehr leichtes Spiel.
Sicher ist die Geduld die wichtigste Tugend beim Aufbau der neuen Bundesländer. Die Mahnung zu Geduld hat aber keine Chance, wenn nicht der Beginn des wirtschaftlichen Aufschwungs für jeden deutlich spürbar wird. 140 Milliarden DM strömen jährlich aus den öffentlichen Haushalten vom Westen in den Osten. Dies ist eine ungeheure Summe, und sie müßte eigentlich ausreichen, um die Wirtschaft drüben in Gang zu bringen.
Dennoch gab vor kurzem ein japanischer Wirtschaftsexperte nach einem Besuch der neuen Bundesländer eine düstere Prognose ab. Er mahnte nicht so sehr die angeblich verworrenen Vermögensverhältnisse „drüben" an als vielmehr die Tatsache, daß in Ostdeutschland fast so hohe Löhne wie im Westen gezahlt werden, obwohl das Bruttosozialprodukt dort derzeit dem portugiesischen entspricht. Dies schrecke, so der japanische Experte, jeden Investor zunächst einmal ab.
Es gibt allerdings auch sehr hoffnungsvolle Zeichen. Alle Experten rechnen für dieses Jahr mit einem realen Wachstum von 10 % für die neuen Bundeslän8528
der. Der Aufschwung Ost hat begonnen. Er darf nur nicht schlechtgeredet werden.
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Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die Treuhand. Sie teilt die unbeweglichen Kolossalbetriebe der vormaligen DDR auf und dezentralisiert sie. 25 Betriebe werden täglich verkauft. Das ist eine Spitzenleistung. Diese Spitzenleistung wird zweifellos ihre Wirkung auf die Wirtschaft der neuen Bundesländer haben.
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Eine wichtige Voraussetzung für das Florieren der Wirtschaft in den neuen Bundesländern ist auch die Ordnung der Vermögensverhältnisse. Wir verabschieden heute das zweite Gesetz zur Verbesserung des Vermögensgesetzes. Das Ziel des Gesetzes ist es, auf der einen Seite die Rückübertragung des Eigentums auf die Alteigentümer zu beschleunigen und auf der anderen Seite alles zu unternehmen, daß Grundstücke für Investitionen bereitgestellt werden. Dies genau ist der Konflikt, den dieses Gesetz zu bewältigen hat.
Auf der einen Seite müssen wir berücksichtigen, daß es eines der wichtigsten Ziele der Revolution gewesen ist, auch das Unrecht an den Alteigentümern, die völlig zu Unrecht von Haus und Hof gejagt worden sind, zu bereinigen. Auf der anderen Seite müssen wir alles tun, um die neuen Bundesländer aufzubauen. Das geht nur über Investitionen, über Investitionen von privater Hand. Deswegen müssen wir alles tun, um diese Investitionen in Gang zu bringen.
Hier kommen wir in Konflikt mit den Interessen des Alteigentümers. Der Alteigentümer will sich naturgemäß nicht sagen lassen, was er mit seinem Grundstück, das er nun endlich wieder zurückerhalten kann, anfangen darf, sondern er will frei darüber verfügen können wie jeder andere Eigentümer nach dem gesetzlichen Rahmen im Westen. Meistens ist der Alteigentümer gar nicht in der Lage, den Forderungen nach Investitionen gerecht zu werden, weil er oft das Kapital dazu nicht hat. Diesen Konflikt müssen wir nun regeln. Es ist ein Konflikt, der nicht einfach zu regeln ist.
Die Erfahrungen des letzten Jahres haben gelehrt, daß die Verbesserungen am Vermögensgesetz, die wir vor einem Jahr vorgenommen haben, noch nicht ausreichen, um die Vermögensverhältnisse schnell zu ordnen und die bestehenden Investitionshemmnisse zu beseitigen. Schon bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes hatten wir Skepsis. Wir hatten uns vor mehr als einem Jahr vorgenommen, sofort eine Verbesserung einzuleiten, neue Instrumente zu schaffen, wenn wir feststellen sollten, daß die Instrumente, die wir geschaffen haben, um Investitionen zu ermöglichen, nicht greifen.
Mit dem jetzt vorgelegten Gesetz hat die Regierung die Erfahrungen aus der Vergangenheit ausgewertet. Dieses Gesetz gibt den Investitionen den eindeutigen Vorrang vor den Interessen des Alteigentümers. Der Alteigentümer muß sich dem überragenden Ziel des Wiederaufbaus unterordnen. Wir meinen, daß dieser Vorrang zu rechtfertigen ist. Wir meinen, daß das
überragende Ziel der Wiederaufbau sein muß. Nur so wird das Gemeinwohl insgesamt gefördert. Alle haben dann den gleichen Nutzen, Alteigentümer gleichermaßen wie alle anderen Bürgerinnen und Burger.
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Unter diesem Blickwinkel haben wir uns die Frage gestellt, ob wir wirklich genug getan haben oder ob wir nicht noch viel radikaler dem Erfordernis von Investitionen den Vorrang hätten einräumen müssen. Wir haben uns in vielen Gesprächen und Diskussionen gefragt, ob wir also das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" nicht noch stärker durchbrechen müßten oder ob wir es nicht gar umdrehen sollten. Im Vorlauf zu diesem Gesetz wurde dieser Gedanke bis in die Beratungen des Ausschusses hinein immer wieder erwogen.
Es ist nicht so, daß sich nur die SPD allein darüber Gedanken gemacht hätte, ob man das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" nicht längst hätte abschaffen müssen. Auch wir haben natürlich den Appell der sechs Oberbürgermeister aus den ostdeutschen Städten in ihrer sogenannten Magdeburger Erklärung registriert, und auch wir wissen, was die katholische Bischofskonferenz dazu gesagt hat, die offensichtlich nicht ganz so menschenfern lebt und arbeitet, wie das gestern manchmal - ich meine, zu Unrecht - festgestellt worden ist.
Wir haben uns allerdings auch die Frage gestellt, ob hinter solchen Forderungen nicht eine falsche Beurteilung der Gesamtsituation stehen kann. Natürlich ist es zunächst einmal populär, dem einen etwas wegzunehmen, um es dem anderen mit der Beteuerung zu geben, das alles geschehe im Interesse des Gemeinwohls. Immerhin aber wurde der Grundsatz der Rückgabe in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Staaten vom 15. Juni 1990 festgelegt. Als Art. 41 ist dieser Grundsatz in den Einigungsvertrag eingegangen. Damit darf die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen, die im Widerspruch zu dem Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung " stehen. Dieser Art. 41 des Einigungsvertrages erhielt die Zustimmung der meisten Mitglieder des Parlaments, wurde also auch mit den Stimmen der SPD verabschiedet, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat und in der Volkskammer. Damals haben auch Sie von der SPD diesem Grundsatz zugestimmt.
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Die Achtung vor dem Willen der Menschen, welche die Revolution im November 1 989 durchgeführt haben, hat dies auch geboten. Dies hat Otto Schlecht, der frühere Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der selbst an den Einigungsverhandlungen beteiligt war, in seinem Buch „Grundlage und Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft" in eindrucksvoller Weise ausgeführt.
Wilhelm Röpke, der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, hat bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert Rezepte entwickelt, wie das sozialistische Proletariat überwunden werden kann. Er hat gefordert, daß Riesenbetriebe und Eigentumslosigkeit
beseitigt werden müßten, weil dies die Menschen wurzellos macht und entpersönlicht.
Genau dies hatten die Vordenker der Revolution 1989 gewollt. Sie sahen es als einen der wichtigsten strategischen Punkte der Revolution an, die Betriebe zu dezentralisieren und das Eigentum der breiten Volksschichten wiederherzustellen. Damit wollten sie den wesentlichen Grund für die Proletarisierung beseitigen. Deshalb haben sich der Bundestag, die Volkskammer und der Bundesrat - ich wiederhole es -, auch mit den Stimmen der SPD, mit überwältigender Mehrheit auf den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" festgelegt.
Wir können uns jetzt nicht lautlos aus diesen Verpflichtungen davonstehlen. Wir haben diese Revolution abzuwickeln und müssen deshalb einen vernünftigen Ausgleich - ich wiederhole es - zwischen den Interessen des Alteigentümers und dem Erfordernis der Investitionen finden.
Wir haben keine einfachen Gesetze, Gesetze, die wir bei der Einigung auf die vormalige DDR übertragen haben. Dies war auch Wille und Wunsch der Bürgerinnen und Bürger der vormaligen DDR.
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Da wir aber keine einfachen Lösungen haben können, und zwar deshalb nicht, weil wir eine komplexe Gesellschaft sind, müssen wir dieses Gesetz so seitenstark vorlegen, deshalb enthält es oft komplizierte Regelungen, mit denen wir uns viele Stunden miteinander herumschlagen mußten.
Ich meine - auch das darf ich einmal feststellen, und ich hoffe, daß das auch ein paar Häuser weiter registriert wird -, hier gab es eine gute Zusammenarbeit unter den Parteien. Auch wenn wir im Ergebnis in vielem nicht übereinstimmen, haben wir doch gut zusammengearbeitet und versucht, eine vernünftige Lösung zu finden.
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Nun könnte jemand entgegenhalten, daß auch dann, wenn die jeweils Verfügungsberechtigten frei verfügen können, zwar nicht beim Alteigentümer, wohl aber beim jeweiligen Käufer Eigentum entstünde. Hier muß man jedoch, wie ich meine, folgenden Gedanken berücksichtigen: Die Politik der Wiederherstellung des Eigentums hat als wichtigste Voraussetzung, daß die Menschen wirklich Eigentum haben wollen. Im Unterschied zum Einkommen, das jeder wünscht, bedarf das Eigentum einer bestimmten Willensanstrengung und einer ganz bestimmten Lebenseinstellung, die alles andere als selbstverständlich ist. Zur richtigen Verwaltung des eigenen Besitzes gehören Sparsamkeit, eine Abwägung von Gegenwart und Zukunft, der Sinn für Kontinuität und Bewahrung, der Wille zur Unabhängigkeit und ein ausgeprägtes Familiengefühl. Das sind alles Tugenden, die für die Soziale Marktwirtschaft unentbehrlich sind.
Jetzt stellt sich für uns die Frage: Zerschlagen wir nicht gerade diese Tugenden, wenn wir die Verfügungsberechtigung allein in die Hand der Verfügungsberechtigten geben, sie also frei verfügen lassen, ohne dabei die Interessen der Alteigentümer mit zu berücksichtigen? Wer würde uns dann garantieren, daß der Verfügungsberechtigte bei freier Verfügungsgewalt nicht willkürlich handelt?
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Würde das nicht noch zu viel mehr Streitigkeiten führen? Wird dann nicht der, der den dicksten Geldbeutel hat, das Rennen machen? Wäre das - so die Frage an die SPD - wirklich sozial und gerecht? Wer garantiert uns, daß der Verfügungsberechtigte dann auch wirklich verfügt? Wird er nicht versuchen, Grundstücke zu horten, um sie dann zu einem viel späteren Zeitpunkt an den meistbietenden Käufer zu verkaufen, zu einem Zeitpunkt, in dem eigentlich Investitionen gefordert wären?
Deshalb meine ich, daß der Weg, den wir mit diesem Gesetz einschlagen, bei allen Beschwernissen der überzeugende Weg ist. Der Verfügungsberechtigte hat nicht freie Verfügungsbefugnis. Er darf aber die Interessen des Alteigentümers dann hintanstellen, wenn die Möglichkeit zur Investition besteht und der Alteigentümer nicht mithalten kann.
Durch die Neuschaffung der vormaligen §§ 27a, 27b und 27c des Entwurfes, jetzt §§ 18 ff. des Investitionsvorranggesetzes, haben die Kommunen die Möglichkeit, ganze Stadtteile dem Investitionsvorrang unterzuordnen und die Interessen der Alteigentümer auszuschließen. Diese vom Land Brandenburg kommende Regelung eröffnet in solchen Fällen den totalen Vorrang für Investitionen.
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Diese Vorrangregelungen sind leicht zu handhaben. - Herr Kollege, ich habe Ihnen vorhin schon gesagt: Wir haben gut zusammengearbeitet. Wir haben Anregungen von Ihrer Seite und vom Bundesrat aufgenommen und dort umgesetzt, wo wir meinten, es sei richtig. Wir haben aber auch den Versuch unternommen - vielleicht im Gegensatz zu Ihnen -, dennoch die Interessen der Alteigentümer, denen großes Unrecht geschehen ist, mit zu berücksichtigen und gleichzeitig alle Voraussetzungen zu schaffen, um Investitionen in den neuen Bundesländern zu ermöglichen.
Dies geht z. B. aus der Regelung des Stichtags 18. Oktober 1989 hervor. Das ist im Grunde eine Regelung zugunsten des Alteigentümers.
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Auch hier haben wir, wo wir es für notwendig erachtet haben, auch auf Anregung des Bundesrates und der neuen Länder, des Landes Brandenburg und des Landes Sachsen-Anhalt, den Neueigentümern - wenn man sie so bezeichnen kann -, denen, die ein Nutzungsrecht hatten, denen, die mit ihrem Grundstück in stärkerer Weise verbunden waren, weil sie beispielsweise dort Investitionen getätigt haben, die Möglichkeit gegeben, Eigentum zu erwerben.
Wir brauchen die Entschädigungsregelung, und wir werden sie bekommen. Aber niemand soll glauben, sie würde uns in dieser Frage sehr viel weiterhelfen; denn die Entschädigung wird nicht allzu groß sein.
Was wir vor allem brauchen, ist der Mut der neuen Bundesländer, dieses Gesetz anzuwenden. So werden wir, wenn auch mit Beschwernissen, hoffentlich bald zu einer vernünftigen und am Gemeinwohl orientierten Ordnung der Vermögensverhältnisse im Osten Deutschlands kommen.
Danke schön.
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Herr Kollege Schmieder, bevor ich Ihnen das Wort gebe, will ich das Ergebnis der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 499, ungültige Stimmen: keine. Für den Wahlvorschlag der CDU/CSU haben 447 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 39 Abgeordnete, enthalten haben sich 13 Abgeordnete. *)
Der Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann hat damit die erforderliche Mehrheit der Stimmen erreicht. Er ist als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission gewählt. Ich gratuliere ihm im Namen des Hauses.
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Ich möchte aber gleichzeitig dem aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausgeschiedenen Mitglied Rudolf Kraus für seine Mitarbeit danken und wünsche ihm für seine neue Aufgabe viel Erfolg.
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Das Wort hat der Kollege Jürgen Schmieder.
Ich darf zunächst die geringe Präsenz der F.D.P. erklären. Im Moment findet eine außerordentliche Fraktionssitzung statt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen in den neuen Ländern vor folgenden Problemen: Die Rückgabe zwangsverwalteter und in Volkseigentum überführter Vermögenswerte einerseits und die vorgesehenen Investitionen in solche Vermögenswerte andererseits haben durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz deutliche Verbesserungen erfahren. Trotzdem bleibt festzustellen, daß die Rückgabe enteigneter Vermögenswerte weiterer Beschleunigung und die in solche Vermögenswerte geplanten Investitionen weiterer Förderung bedürfen.
Die praktische Erfahrung hat gezeigt, daß - neben der Beseitigung tatsächlicher Schwierigkeiten vielfältigster Art, die insbesondere darauf beruhen, daß sich die zuständigen Behörden noch im Aufbau befinden und von den dort tätigen Personen neues Recht anzuwenden ist - die vielfach vorhandene Unterstützung durch Leihbeamte aus dem Westen hierbei unzureichend ist, daß die Damen und Herren vor Ort Anpassungsprobleme haben und auch gesetzlicher Regelungsbedarf besteht.
Die Schwierigkeiten belegt ein Beispiel aus Chemnitz: Von mehreren tausend Anträgen im Vermögensamt wurden erst einige zig Anträge erledigt. Die
*) Liste der Teilnehmer an der Nachwahl Anlage 3
Rückübertragungsregelungen und die Investitionsvorfahrtsregelungen können und müssen noch optimiert werden. Insbesondere müssen die Regelungen wesentlich anwenderfreundlicher gemacht und die Verfahren gestrafft werden. Diesem Anliegen trägt der vorliegende Entwurf Rechnung.
Im Bereich der Rückgabe enteigneter Vermögenswerte wird vor allem die staatliche Verwaltung durch Gesetz aufgehoben. Die bisher vorgesehene Wiederbegründung der früheren Grundstücksbelastungen bei der Rückgabe enteigneter Grundstücke, die sich als aufwendig und zeitraubend erwiesen hat, muß durch ein einfach zu handhabendes Ablöseverfahren ersetzt werden.
Im übrigen werden Lücken in den Regelungen beschlossen und Zweifelsfragen geklärt. Auf Grund der Gesetzesänderungen bei der kleinen Bereinigung des Sachenrechts werden im Interesse der Rechtssicherheit die Formwirksamkeit vor Westnotaren beurkundeter Grundstückskaufverträge über Ostimmobilien hergestellt und die ordnungsgemäße Zuteilung von Bodenreformgrundstücken nachgeholt.
Um die Bodeneigentumsverhältnisse sachgerecht ordnen zu können, soll mit einem Moratorium der bisherige Zustand zunächst festgeschrieben werden. Zusätzlich wird das nutzungsrechtslose Gebäudeeigentum als provisorische Beleihungsgrundlage im Bereich des Wohnungsbaus geschaffen und im Bereich der Landwirtschaft genutzt, bis die Bereinigung der Rechte an Grund und Boden durchgeführt ist.
Die eigentliche große Sachenrechtsbereinigung bleibt einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten und muß in absehbarer Zeit dringend erledigt werden. Sie gilt als vorrangig zu erfüllende Pflicht für das Hohe Haus.
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Im einzelnen ist folgendes geregelt - zunächst im Bereich der Verbesserung der Vorfahrtsregelungen für Investitionen -:
Erstens. Einheitliches Investitionsvorranggesetz bis 1995: Die bisher in verschiedenen Gesetzen - dem Vermögensgesetz und dem Investitionsgesetz - angesiedelten Vorfahrtsregelungen für Immobilien und Unternehmen werden in einem einheitlichen Investitionsvorranggesetz zusammengefaßt. Durch die Neuregelung werden im Interesse des Aufschwungs in den neuen Ländern die nach dem bisherigen Recht Ende 1992 bzw. Ende 1993 auslaufenden Investitionsvorfahrtsregelungen bis zum 31. Dezember 1995 verlängert.
Zweitens. Erweiterung der Wohnungsbauförderung: Bisher gelten die Vorfahrtsregelungen für Investitionen im Wohnungsbausektor nur eingeschränkt. Die Immobilie muß entweder komplett veräußert oder im Wege der Eigeninvestition wieder bewohnbar gemacht werden.
Künftig sollen die Vorfahrtsregelungen auch für den Verkauf und die Eigeninvestition zur Wiederherstellung einzelner Wohnungen innerhalb eines vorhanDr. Jürgen Schmieder
denen Gebäudekomplexes gelten. Als Vorteil ergibt sich hier, daß die Wiederherstellung der vielen unbewohnbar gewordenen Wohnungen in den Altbauten der Innenstädte der neuen Bundesländer so effizienter vorangetrieben werden kann und damit der Wohnungsnot dort in großem Maße entgegengewirkt wird.
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Drittens. Straffung des Verfahrens bei der Anhörung.
Viertens. Bevorzugte Investitionsmöglichkeit für Alteigentümer.
Fünftens. Bestandschutz für Grundstücksinvestitionen bei späterer Aufhebung der Investitionsentscheidung. Bisher können Investitionsvorhaben gefährdet sein, wenn z. B. der Alteigentümer die Entscheidung „Vorfahrt für Investitionen" vor dem Verwaltungsgericht anficht. Künftig sollen die Investitionsverträge Bestandschutz auch für den Fall erhalten, daß die Investitionsentscheidung inhaltlich unrichtig war und später gerichtlich aufgehoben wird.
Voraussetzung: Der Investor hat mit der Ausführung der Investition bereits nachhaltig begonnen, und der Alteigentümer hat entweder nicht innerhalb von zwei Wochen einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vorfahrtsregelung bei Gericht beantragt oder mit diesem Antrag keinen Erfolg gehabt. Dadurch ergibt sich: Der Investor erhält die nötige Investitionssicherheit. Sein Risiko wird vermindert; Investitionshindernisse werden damit abgebaut.
Im Bereich der Maßnahmen zur Beschleunigung der Rückgabe von enteignetem oder zwangsverwaltetem Grundbesitz gilt folgendes:
Erstens. Aufhebung der staatlichen Zwangsverwaltung.
Zweitens. Erleichterungen bei der Rückübertragung von Grundstücken mit Althypotheken und anderen Grundstücksrechten. Bisher verzögert sich die Rückgabe von enteigneten Immobilien oft allein deshalb, weil nur mit großem Verwaltungsaufwand zu klären ist, in welchem Umfang eine vor der Enteignung eingetragene Hypothek durch Zahlung getilgt ist.
Künftig sollen derartige Grundpfandrechte nicht mehr wiederbegründet werden. Statt dessen wird vom Vermögensamt eine pauschale Ablösesumme festgesetzt, die in bar oder in Form einer Sicherheit zu erbringen ist. Damit werden die Grundbuchämter ganz erheblich entlastet. Über den Wert der alten Grundpfandrechte kann eine gesonderte Auseinandersetzung stattfinden.
Drittens. Präzisierung von Rückgabeanträgen. Bisher können Anträge von Alteigentümern auf Rückgabe ihres enteigneten Grundbesitzes in sehr vager Form, z. B. „Haus am Markt" oder dergleichen, gestellt werden. Die Vermögensämter stehen daher vor einem Bodensatz unpräziser Anmeldungen, die nicht einem konkreten Grundstück zugeordnet werden können. Die Folge ist: Der Immobilienverkehr in den neuen Ländern ist stark beeinträchtigt; die Ämter sind hilflos.
Künftig müssen die Alteigentümer ihre Anträge auf Rückgabe innerhalb einer von der Behörde festgesetzen Frist präzisieren; sonst kann über das Grundstück frei verfügt werden. Der Alteigentümer erhält dann den Verkaufserlös.
Viertens. Endgültige Ausschlußfrist für die Anspruchsanmeldung. Künftig können Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüche nach dem Vermögensgesetz nur noch bis zum 31. Dezember 1992 neu angemeldet werden. Daraus ergibt sich ein ganz wesentlicher Vorteil: Für Investoren, Gebietskörperschaften und sonstige Verfügungsberechtigte besteht mit Ablauf dieses Datums in den meisten Fällen Gewißheit, daß sich kein Berechtigter mehr meldet.
Zum Bereich der Maßnahmen zum Schutz von Eigenheimbesitzern: Erstens. Regelung zugunsten der durch Stichtag 18. Oktober 1989 betroffenen Erwerber. Bisher sieht das Vermögensgesetz vor, daß es bei den Erwerbsvorgängen nach dem 18. Oktober 1989 nicht mehr auf die Redlichkeit des Erwerbers ankommt. Diese Regelung trifft eine Reihe von Eigenheimkäufern unverhältnismäßig hart.
Künftig gilt: Wer sich vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich oder sonst aktenkundig um den Kauf eines Eigenheims bemüht hat, wird von der Stichtagsregelung nicht betroffen, mag auch der eigentliche Erwerb später erfolgt sein. Der redliche Erwerber kann sein Eigenheim behalten.
Zweitens. Besserer Schutz - Moratorium - für ungesicherte Eigenheimbesitzer und andere Grundstücksnutzer. In den neuen Bundesländern haben im Vertrauen auf die Zusagen der ehemaligen DDR-Behörden viele Eigenheimbauer und andere Nutzer ohne ausreichende Rechtsgrundlage vor allem Eigenheime auf fremdem Grund und Boden errichtet.
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Dies sind insbesondere Eigenheimbauer ohne die in der ehemaligen DDR seinerzeit übliche blaue oder grüne Nutzungsurkunde oder ohne LPG-Zuweisungsurkunde, Eigenheimnutzer auf der Basis von Überlassungsverträgen, kommunale Wohnungswirtschaftsbetriebe, Wohnungsbaugenossenschaften, LPGen.
Künftig sollen zur sofortigen Absicherung diese Nutzer zur weiteren Nutzung im bisherigen Umfang gesetzlich ermächtigt werden. Sie sind damit vor Räumungsklagen der Grundeigentümer geschützt. Diese Übergangsregelung soll zunächst bis zum 31. Dezember 1994 befristet sein. Bis dahin ist mit einer endgültigen Bereinigung der Verhältnisse zu rechnen.
Drittens. Bereinigung „steckengebliebener Bodenreform-Alterbfälle".
Viertens. Heilung von Notarverträgen über Ostimmobilien vor Westnotaren. Viele Notarverträge über DDR-Immobilien sind in der Zeit von der Währungsunion bis zur Wiedervereinigung von Notaren der alten Bundesrepublik abgeschlossen worden. Darun-ter sind auch viele Verträge über Investitionen. Nach einer gerichtlichen Entscheidung sind solche Verträge formnichtig, weil Westnotare über Ostimmobi8532
lien keine wirksamen Beurkundungen hätten vornehmen können.
An dieser Stelle darf ich dem Justizministerium für die geleistete Arbeit danken. Ich darf auch hier auf die geschlossene Linie verweisen; denn der Entwurf des Gesetzes geht auf eine Initiative von Herrn Minister Kinkel zurück. Die neue Ministerin hat den Faden aufgenommen und sich vom Tag der Amtsübernahme an voll für dieses Gesetz engagiert. In Frau Leutheusser-Schnarrenberger haben wir Abgeordnete aus dem Osten eine starke Partnerin.
Mein Dank gilt gleichfalls der SPD, die sich vor allem im Rechtsausschuß sehr konstruktiv und kompromißbereit gezeigt hat und dem Gesetz in vielen Passagen zustimmt.
Mit diesem Gesetzentwurf konnten freilich nicht alle Probleme und Schwierigkeiten ausgeräumt werden. Das Entschädigungsgesetz und ein Sachenrechtsbereinigungsgesetz müssen dringend nachgeschoben werden. Die Abgeordneten im Rechtsausschuß waren sich hier einig: Der Termindruck ist groß; wir sind in der Pflicht. Frau Ministerin, wir zählen auf Sie.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Heuer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen mit Genugtuung fest, daß der heute vorliegende Gesetzentwurf zum Vermögensgesetz eine Reihe nicht unbedeutender Verbesserungen gegenüber der Vorlage erfahren hat. Die Anhörung hat gewisse Wirkung gezeigt.
Unser spezieller Dank gilt gerade auch der Landesregierung von Brandenburg in ihrem Engagement für die Beseitigung bzw. Abschwächung einiger ursprünglicher Festlegungen. Die Stichtagsregelung wurde abgemildert; bis Ende des Jahres soll über die Zukunft der Ferienheime entschieden werden - das hängt allerdings von Entschließungen ab, über die heute noch abzustimmen ist; die Zugriffsrechte der Kommunen auf das von der Treuhandanstalt verwaltete Land werden erheblich gestärkt und anderes.
Dennoch sehen wir uns nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil die Verbesserung noch längst nicht konsequent genug erfolgt ist. Die Situation Ostdeutschlands wurde ganz deutlich in der Anhörung des Rechtsausschusses in Potsdam am 21. Mai 1992. Der Mieterbund des Landes Brandenburg charakterisierte die Situation mit den Worten:
Den Verfassern des Entwurfs muß völlige Unkenntnis der Verwaltungspraxis in der DDR entgegengehalten werden.
Wie ein roter Faden zog sich die Ablehnung der Stichtagsregelung durch die Anhörungsprotokolle. Ich zitiere noch einmal den brandenburgischen Mieterbund:
Die Prüfung der Redlichkeit des Erwerbs nach dem 18. Oktober 1989 nach dem Einzelfall ist der einzig gangbare Weg.
Es kann ganz einfach nicht sein, daß das Datum des Rücktritts Erich Honeckers dafür herhalten muß. Das ist offenbar kein historisch begründetes Argument für diesen Stichtag. Es habe sich nicht bestätigt, wurde dort von Professor Dr. Richard Schröder gesagt, daß sich nach dem 18. Oktober vor allem die alten Garde bedient habe,
Das Gesetz vom 7. März 1990, beschlossen von der Volkskammer zur Zeit der Modrow-Regierung, wurde am 17. Juli 1990 von der de Maizière-Regierung bestätigt. Das heißt, es war einheitliche Auffassung beider Regierungen, auch der de Maizière-Regierung, daß diese Regelung zweckmäßig und sinnvoll sei. Es ging darum, daß Nutzer, die jahrelang Häuser sanierten oder modernisierten, auf Boden, der ihnen nicht gehörte, bauten, ihre Ansprüche sichern können, daß die Aufwendung von Arbeitskraft und das Anlegen eines Spargroschens nicht eines Tages umsonst waren.
Ich muß gestehen, Herr Geis,
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daß es mich etwas amüsiert, Sie in der Verkleidung des Revolutionärs zu erleben.
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Sie haben hier davon gesprochen, daß Sie das Eigentum der breiten Volksschichten schützen wollen.
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- Er muß sich selber einschätzen.
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- Ich nicht. - Sie haben vom Eigentum breiter Volksschichten gesprochen. Ich meine, das Eigentum, dessen Besitzer jetzt enteignet werden, ist Eigentum breiter Volksschichten.
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Herr Geis, Ihre Bemerkung, daß es um Neueigentum gehe, ist interessant. Sie akzeptieren im Grunde, daß der Nutzer in dieser DDR faktisch weitgehend Eigentümer war.
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- Nein, er war es. - Ihn gilt es jetzt neu zu schützen.
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Es ist meiner Ansicht nach offensichtlich - das führte auch der Landrat Hartmut Pelz aus Potsdam aus -, daß die gesetzliche Aufhebung der staatlichen Verwaltung sozialen Sprengstoff liefert. Die tatsächliche Folgerung wäre, daß sich Nutzer und Alteigentümer vor den ordentlichen Gerichten streiten müßten.
Es fände eine Verlagerung des Verwaltungsaufwands statt.
({7})
Wir sind gegen eine solche Entscheidung.
Warum ist zwischen Alteigentümern und Nutzern meist kein Konsens möglich? Das liegt meines Erachtens daran, daß der erste in seinem Häuschen nur wohnen will, während der zweite dieses Grundstück überwiegend - ich glaube nicht, daß Sie das bestreiten können - als Kapitalanlage ansieht, daß er selber meist nicht im entferntesten daran denkt, es nach erfolgter Rückgabe zu bewohnen, daß er nur auf den Verkaufserlös spekuliert und nicht versteht, daß er den Nutzer damit seiner Existenz beraubt. Das ist das eigentliche Kernproblem für uns.
Was mich in der gesamten Debatte über das Vermögensgesetz so eigenartig berührt hat, waren das Maß an Unverständnis hinsichtlich des gesellschaftlichen Lebens in der DDR und auch die Überheblichkeit, mit der einige aus den Westländern stammende Politiker argumentieren.
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Sie meinen zum einen, in den DDR-Bürgern eigentlich verkappte Bundesbürger ausmachen zu können, die nach der bundesdeutschen Prämisse „Das wichtigste Buch ist das Grundbuch" dachten und vom 18. Oktober an so plötzlich massenhaft spekulieren wollten.
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Offensichtlich ist es kein böser Wille; die Westpolitiker vermögen eben oft nicht zu begreifen, daß die Erwerber von Land in der Endphase der DDR einfach das von ihnen seit langem ohne Probleme genutzte Land auch künftig behalten wollen, und zwar unter den Bedingungen einer sich abzeichnenden neuen Eigentums- und Rechtsordnung, die ansonsten ihre Besitzerrechte bedrohte.
Bei der überwältigenden Masse war das Motiv nicht Spekulation, sondern die nackte Existenzangst bzw. die nun endlich gegegebene Chance zum Eigentumserwerb.
Die Menschen im Osten kämpfen darum, wohnen zu können. Sie wollen ihre Datschen behalten; sie wollen das Recht auf Wohnen gegen Kapitalspekulationen schützen.
Nun kam in den Diskussionen immer wieder das Argument, der Erwerb von Grund und Boden sei nicht zu marktüblichen Konditionen erfolgt; der Erwerb von Boden in der DDR sei deshalb generell etwas Anomales gewesen. Sie können einfach nicht begreifen, daß es in dem fremden Land DDR 40 Jahre lang ein anderes Gesellschaftssystem mit einem anderen, in den Augen vieler durchaus bürgerfreundlichen Bodenrecht gab.
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Schließlich verfahren einige nach der Methode „Man schlägt den Sack und meint den Esel". Da wird immer wieder der ominöse Stasi-General bemüht, der Land erworben habe. Weil dies aber auf jeden Fall ausgeschlossen werden müsse, könne es nach dem 18. Oktober überhaupt keinen redlichen Erwerb gegeben haben.
Bei mir regt sich der Verdacht, daß hier mehr oder weniger bewußt Feindbilder aufgebaut werden, einfach um die Landnahme der Alteigentümer aus Westdeutschland im Osten ideologisch zu flankieren. Ostspekulanten sind demnach allesamt zutiefst unmoralisch oder zumindest verdächtig, unmoralisch zu sein. Zur Spekulation legitimiert sind allein die Westdeutschen.
Unsere Vorschläge laufen auf die Umkehr des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung", auf die dauerhafte Sicherung der Nutzungsrechte, auf die Streichung der Stichtagsregelung hinaus und wenden sich gegen die Aufhebung der staatlichen Verwaltung. Wir schlagen die Begründung eines Erbbaurechts vor, wobei wir auch für andere Lösungen z. B. volles Eigentum oder lebenslanges Wohnrecht, offen sind.
Für mich ist eine zentrale Frage: Welchen Rang hat in dieser Bundesrepublik Deutschland das Recht auf Wohnraum? Wie wird die Relation des Rechts auf Wohnen zur Allmacht des Privateigentums sein? Das ist eine Frage, die wir auch in der Verfassungskommission hart und kontrovers diskutiert haben. Es gibt nach meiner Ansicht in Ostdeutschland und in Westdeutschland einen wirklichen Konflikt zwischen der sozialstaatlichen Verpflichtung von Staat und Gesellschaft, für die Verwirklichung des Rechts auf eine angemessene Wohnung zu sorgen, und der Allmacht eines nicht gebändigten Privateigentümers. Ich meine, daß das eine der zentralen Fragen für uns sein wird.
Als ich heute früh hierher ging, traf ich vor dem Bundeskanzleramt Vertreter des Mieterbundes. Eine der Vertreterinnen sagte zu mir: Wir wollen ruhig arm sein; wir wollen nur unsere Häuser, unsere Datschen behalten. Die Jagd nach Reichtum, sagte sie, sei eine Dämonisierung und treibe die Menschheit in das Elend.
Ich meine, wir sollten auch diese Vorstellung berücksichtigen. Nach meiner Ansicht haben Ost- und Westdeutschland gemeinsam die Frage des Rechts auf Wohnen gleichberechtigt mit der Rolle des Privateigentums zu sehen. Das Privateigentum insofern sozial zu bändigen ist nach meiner Ansicht ein Gebot der Sozialstaatlichkeit.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({11})
Nun hat der Abgeordnete Joachim Gres das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Schlußberatung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes verabschieden wir ein umfangreiches, höchst kompliziertes Gesetzespaket, das erst in den konzentrierten
Beratungen der letzten Wochen und Tage seine endgültige Form gefunden hat.
Ich möchte an dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums richten, die in wirklich aufopferungsvoller Art und Weise rund um die Uhr in den letzten Tagen ganz vorzügliche Arbeit geleistet haben. Ich glaube, ohne diese Arbeit wäre es uns nicht gelungen, dieses Gesetz heute vor der Sommerpause zu verabschieden. Ich danke ihnen dafür, glaube ich, im Namen des gesamten Hauses.
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Meine Damen und Herren, die grundsätzliche Schwierigkeit bei der Erarbeitung dieses Gesetzes lag darin, daß einerseits Lebenssachverhalte, die unter zwei unterschiedlichen Rechtssystemen entstanden sind, einer einheitlichen Regelung zugeführt werden mußten, die in rechtsstaatlicher und fairer Art und Weise die unterschiedlichsten Interessen ausgleicht und Investitionen in den neuen Bundesländern da noch weiter erleichtert, wo dies durch gesetzliche Regelungen überhaupt möglich ist, und daß andererseits die Rechte der ehemals aus ihrem Eigentum vertriebenen Personen und Gruppen zu schützen waren, bei aller Anerkennung der Notwendigkeit der Förderung von Investitionen.
Herr Hacker, Sie haben vorhin bei diesem Gesetzgebungsvorhaben von einem „Sprint" gesprochen. Das ist wohl richtig. Nur, auch im Sport gelten Regeln. Man kann nicht mitten im Sprint die Aschenbahn plötzlich um 50 m verkürzen. Dann ist das Ergebnis für die Beteiligten nicht sehr fair.
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Eine zusätzliche Komplizierung hat sich besonders daraus ergeben, daß in der ehemaligen DDR das formale Recht oft nur eine leere Hülse war und faktisch ohne Rücksicht auf diese formale Rechtsordnung der DDR gehandelt wurde, so daß rein rechtstatsächlich zunächst bestimmte teilweise chaotische Verhältnisse systematisiert werden mußten, um sie dann auf dieser Basis einer endgültigen abstrakten Regelung in Gesetzesform überhaupt zuführen zu können. Das waren die Schwierigkeiten, vor denen wir standen.
Ich erinnere daran, daß wir vor eineinviertel Jahren, als wir das Hemmnisbeseitigungsgesetz hier verabschiedeten, deswegen schon genau wußten, daß dieses Hemmnisbeseitigungsgesetz nur der erste Schritt auf dem Weg zur Erleichterung der Investitionen sein werde.
Ich will zum zweiten eingangs grundsätzlich sagen, daß das Paket der gesetzlichen Maßnahmen im Rahmen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes das Maximum dessen darstellt, was im Rahmen unserer Verfassung und des Einigungsvertrages erreichbar und zulässig ist.
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Das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz trägt an vielen Stellen die unübersehbaren Merkmale eines Kompromisses, die auch auf Grund der Vorfeldgespräche mit den Vertretern der neuen Bundesländer und auch mit der Opposition im Rechtsausschuß und den anderen mitberatenden Ausschüssen erörtert wurden.
Ziel war es, das Gesetz mit seinen zahlreichen sehr hilfreichen Änderungen der jetzigen Rechtslage rasch, und zwar noch vor der Sommerpause, zu verabschieden, weil in der Situation der neuen Bundesländer erst recht der alte Grundsatz gilt, daß der doppelt hilft, der rasch hilft. Das ist uns, glaube ich, in der konzentrierten Beratung, in den letzten Tagen, für die ich allen danke, gelungen.
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Aus der Vielzahl positiver Neuregelungen, die das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz bringt, kann ich hier aus Zeitgründen nur einige Beispiele nennen:
Ich begrüße zunächst vor allem die Einführung eines einheitlichen Investitionsvorranggesetzes, das alle bisherigen und neuen Vorfahrtsregelungen bei Immobilien- und Unternehmensinvestitionen in einer schlanken und leicht verständlichen Form zusammenfaßt und bündelt.
Ich merke allerdings in diesem Zusammenhang kritisch an, daß die jetzt vorgesehene Möglichkeit der Vorhaben- und Erschließungsplanung der Gemeinde mittels einer ungenehmigten Satzung und unter Verdrängung der Restitutionsansprüche der betroffenen Alteigentümer erhebliche Ansprüche an die Verantwortung der Kommunalparlamente und der Stadtverwaltungen stellen wird. Es darf auf keinen Fall sein, daß im Rahmen von maßgeschneiderten Investorenplanungen mittels derartiger städtischer Satzungen wichtige und tragende städtebauliche Grundsätze außer Kraft gesetzt werden oder daß gar die Entscheidung über Restitutionsansprüche von Alteigentümern von den Ämtern bewußt auf die lange Bank geschoben wird, um möglichst lange einen Schwebezustand beizubehalten, der den Erlaß einer derartigen Vorhabenssatzung ermöglicht. Wir werden sehen, wie die Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern mit diesem Instrumentarium zurechtkommen und umgehen.
In diesem Zusammenhang kündige ich an, daß wir die SPD-Änderungsanträge auf den Drucksachen 12/2952, 12/2953 und 12/2950 ablehnen werden, weil wir die von der SPD geforderten Möglichkeiten der Kommunen, durch solche Vorhabensatzungen auch durch Städtebausanierungsmaßnahmen den Alteigentümer zu verdrängen, nicht für richtig halten. Die Gründe dafür haben wir in der Fachberatung dargestellt.
Ich begrüße neben vielen anderem, etwa der Aufhebung der staatlichen Verwaltung, auch - ich glaube, das sollte man hier auch noch einmal sagen - die Sicherung der Restitutionsansprüche der jüdischen ehemals Verfolgten und ihrer Rechtsnachfolger. Das ist mir persönlich, der ich aus Frankfurt komme, ein Anliegen. Daß uns das gelungen ist, finde ich außerordentlich anerkennenswert. Es war der Sache angemessen.
Ich begrüße, daß wir eine Moratoriumsregelung gefunden haben, die bis zu dem abschließenden Sachenrechtsbereinigungsgesetz den Bürgern, die z. B. auf fremdem Grund und Boden Bauten errichtet haben, Sicherheit gibt. Wir glauben nicht, daß es Sinn hat, im Sinn des SPD-Änderungsantrages für dieses Moratorium keine Frist vorzusehen. Zum einen setzt uns die Frist, die wir uns selber setzen, unter Handlungszwang. Zum anderen arbeiten wir mittlerweile schon intensiv an dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und es ist sichergestellt, daß bis zum Ablauf dieser Frist die endgültige Sachenrechtsbereinigung geschafft und vom gesamten Hause verabschiedet sein wird, so daß es des Änderungsantrages der SPD nicht bedarf.
Kritisch ist aus meiner Sicht aber die jetzt vorgesehene Regelung der Stichtagsproblematik zu bewerten. Die völlige Aufhebung der Stichtagsregelung, wie es die SPD fordert, kam und kommt für uns aus den bekannten Gründen nicht in Betracht. Sie alle kennen unsere Gründe. Es bestehen hierbei erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Es sind auch erhebliche Gerechtigkeitsbedenken zu berücksichtigen, weil am Ende natürlich, ohne das die SPD es will, eine Reihe von SED-nahen Erwerbern von Liegenschaften, die sie in der Umbruchzeit zu unverhältnismäßig günstigen Preisen gekauft haben, von der Aufhebung des Stichtags erheblich profitieren würde.
Es gilt um so mehr, daß wir diese Stichtagsregelung nicht vollständig aufheben können, weil sie in der Praxis ohnehin nur auf einen begrenzten Kreis von Erwerbsvorgängen Anwendung finden wird.
({4}) [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
- Lassen Sie mich erst diesen Gedanken zu Ende führen.
Aber prinzipiell sind sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?
Gerne.
Insbesondere die sogenannten Komplettierungsfälle waren von der Stichtagsregelung von vornherein nicht erfaßt. Jetzt sollen auch diejenigen Fälle nicht unter die Stichtagsregelung fallen, in denen sich Personen aus der ehemaligen DDR schon vor dem Stichtag aktenkundig um den Erwerb von Liegenschaften bemüht haben. Das begrüße ich. Schließlich sollen auch jetzt diejenigen nicht darunter fallen, die z. B. als Handwerker nach dem Gesetz vom 17. März 1990 eine Liegenschaft für ihren Betrieb erworben haben. Auch das ist richtig.
Schließlich sollen jetzt aber auch werterhöhende Investitionen des Erwerbers der Liegenschaft vor dem Stichtag einen Restitutionsanspruch des Alteigentümers ausschließen. Ob diese Regelung angesichts der dadurch hervorgerufenen praktischen Bewertungsprobleme - denn wer weiß, was im konkreten Fall eine werterhöhende Investition tatsächlich ist -, angesichts der verbleibenden verfassungsrechtlichen Rückwirkungsprobleme und angesichts der selbst mit dieser neuen Regelung verbundenen Zufallsungerechtigkeit letztlich tragfähig ist, halte ich für fraglich. Ich stimme ihr nur im Interesse des Gesamtpaketes zu.
Herzlichen Dank, Herr Otto, daß Sie so lange gewartet haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Norbert Otto?
Ja.
Herr Kollege Gres, ist Ihnen bekannt, daß die neuen demokratisch gewählten Kommunen, Verwaltungen, Bürgermeister usw., nachdem sie festgestellt haben, daß Grund und Boden noch nicht restitutionsbeansprucht sind - bedauerlicherweise ist diese Antragstellung nur bis Ende des Jahres möglich -, diesen Grund und Boden in Treu und Glauben verkauft haben und wir mit der Infragestellung dieses Rechtsakts unsere demokratisch gewählten Kommunen in diesem Bereich entmündigen, weil sich der Käufer als die Ausnahme, die im Gesetz definiert ist, darstellen muß.
({0})
Herr Kollege Otto, Sie wissen, daß wir von der Stichtagsregelung jetzt substantielle Ausnahmen machen. Ich kann bis auf einige Fälle kaum erkennen, wo diese Stichtagsregelung noch greift. Ferner gibt es, das muß ich Ihnen offen sagen, zwei Probleme, über die wir alle nicht hinwegkommen. Das eine ist der rückwirkende Eingriff in bestehende Restitutionsansprüche der Alteigentümer. Wir nehmen ihnen im nachhinein den Anspruch weg, indem wir ihnen zusätzliche Barrieren in den Weg legen. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur möglich, wenn wirklich überragende Gründe des Gemeinwohls dafür sprechen, die in anderer Art und Weise nicht befriedigt werden können. Es ist höchst fraglich, ob ein solcher Nachweis gelingen kann.
Das zweite ist, daß natürlich auch bei dieser Regelung des Stichtags, die wir jetzt vorschlagen, letztlich immer noch Ungerechtigkeiten bleiben. Sicher werden auf der einen Seite einige Bürger, die Liegenschaften in gutem Glauben erworben haben, ungerecht behandelt. Aber auf der anderen Seite würde bei einer Streichung des Stichtages eine Reihe von Personen davon profitieren, daß sie in den Umbruchzeiten gute Beziehungen zu SED-nahen Institutionen hatten. Und genau das wollen wir verhindern.
Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber einen weiteren wichtigen Schritt der Hilfe für die neuen Bundesländer unternommen. Ich hoffe sehr, daß der leidige Streit um den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" jetzt endlich beendet ist. Der Prinzipienstreit war durch den Einigungsvertrag längst entschieden. Alles andere sind populistische Nachhutgefechte und bringen uns konkret überhaupt keinen Schritt weiter, zumal da der Einigungsvertrag ja doch wohl auch mit den Stimmen der SPD verabschiedet worden ist.
Ich bedaure es daher ein wenig, daß wir heute trotz des Bemühens um Gemeinsamkeit wohl nicht damit
rechnen können, daß die SPD dem Gesetz zustimmt, sondern sich der Stimme enthalten wird. Ich vertraue allerdings darauf, daß im Sinn der Gespräche im Vorfeld des heutigen Tages die Mehrheit im Bundesrat sichergestellt ist. Das ist sozusagen die Conditio sine qua non für unsere gesamten Beratungen gewesen.
Ich muß mich kurz fassen. Sie alle wissen, daß neben der Schaffung eines bundesgesetzlichen Rahmens für Investitionen in den neuen Bundesländern andere Dinge möglicherweise viel wichtiger sind. Das ist vor allem die Personalhilfe von Bund und Ländern für die neuen Bundesländer. Ich will hier auch noch einmal an die Altbundesländer appellieren, hier mehr zu tun.
Der Bund tut eine ganze Menge. Von den 25 000 westdeutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, die zur Zeit auf Grund von Abordnungen oder Versetzungen in den neuen Bundesländern tätig sind, sind fast zwei Drittel Mitarbeiter des Bundes. Die alten Bundesländer tragen bislang nur mit 8 375 Beschäftigten zu der Aufbauhilfe bei. Das Problem ist, daß der Bund in den neuralgischen Bereichen, z. B. bei den Grundbuchämtern, keine eigenen Bundesrechtspfleger hat. Der Bund hat auch keine Bundesbeamten für die Katasterämter. Er hat auch keine erfahrenen Kommunalbeamten, die in die neuen Bundesländer abgeordnet werden könnten. Daher noch einmal mein Appell an die Altbundesländer, diesen Flaschenhals zu beseitigen.
Das bundesgesetzliche Instrumentarium für den Aufschwung in den neuen Bundesländern hatten wir vor eineinviertel Jahren zunächst mit dem Hemmnisbeseitigungsgesetz auf den Weg gebracht. Auf Grund der inzwischen gemachten Erfahrungen wird dieses Instrumentarium durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz heute noch einmal entscheidend verbessert. Es liegt jetzt an allen Beteiligten, auf der Basis der sich fortsetzenden massiven finanziellen Hilfe des Bundes, der personellen Hilfe des Bundes und der Länder und der Möglichkeiten, die vor allem das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz bietet, mutig die Dinge anzupacken und zu einem Erfolg zu führen. Ich bin optimistisch, daß es gelingt.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Sie noch ausgeharrt haben! Ich glaube, es ist in der Tat nützlich, daß wir heute nicht nur über die Buchstaben und die Paragraphen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes reden, sondern daß wir uns noch einen Moment, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Geis, mit der Grundlage und dem Hintergrund dieses Gesetzes beschäftigen und uns auch noch einmal vor Augen führen, um welche Probleme es denn eigentlich geht. Ich halte das deswegen für nützlich, weil in der Tat vorauszusehen ist, daß wir uns heute nicht das letzte Mal über diese Fragen unterhalten und uns mit ihnen beschäftigen müssen.
Es geht zum ersten darum - darin stimme ich Ihnen, Herr Kollege Geis, wie Sie wissen, ausdrücklich zu -, daß in den 40 Jahren DDR eine ganze Menge Unrecht geschehen ist. Da sind unschuldige Menschen ins Gefängnis gesperrt worden, da sind Menschen aus ihrer Berufslaufbahn gedrängt worden, sie sind. durch Berufsverbote benachteiligt worden, und da ist auf verschiedenste Art und Weise zu Unrecht Eigentum entzogen worden. Ob die Menschen nun gehen mußten oder ob sie von selbst gegangen sind, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur: Es ist Unrecht geschehen.
Es ist richtig und wird auch von niemandem bestritten, Herr Kollege Luther, daß dieses Unrecht in einem Rechtsstaat wie dem unseren wiedergutgemacht werden muß.
({0})
Nur, die Frage ist - da hätte ich mir halt ein bißchen mehr Auseinandersetzung gewünscht -: Auf welchem Weg tun wir das denn? Es ist ja nicht so, daß wir nicht mehrere Möglichkeiten hätten. Das wird deutlich und klar, wenn wir uns anschauen, wie wir das Unrecht wiedergutzumachen versuchen, das z. B. gegenüber den unschuldigen Opfern der DDR-Justiz oder im Fall von Berufsverboten oder sonstigen Benachteiligungen begangen wurde.
Wir versuchen, in diesen Fällen generell den Weg der Entschädigung zu gehen. Sie ist viel zu gering. Sie wissen, daß das mein Standpunkt ist. Natürlich können wir verlorene Zeit, Schäden an der Gesundheit oder die entgangenen Lebenschancen auf andere Weise gar nicht wiedergutmachen. Aber wir haben bei der Entziehung von Eigentum beide Möglichkeiten, Herr Kollege Gres. Wir haben die Möglichkeit der Rückgabe im Einzelfall, und wir haben die der Entschädigung. Deswegen mußte man sich vor zwei Jahren Gedanken darüber machen: Was bringt uns am ehesten weiter?
Wenn es zutrifft, daß wir zwar auf der einen Seite Unrecht wieder gutmachen müssen, aber auf der anderen Seite dafür sorgen müssen - die Gründe dafür hat Herr Geis dargelegt; auch Sie, Herr Kollege Gres -, daß Investitionen wirksam werden können, damit die Steuerzahler nicht überbelastet werden, wenn wir ganz genau wissen, daß die vielen Menschen, die heute in den Häusern und Wohnungen wohnen, weil sie sie zugewiesen bekommen haben, weil sie sie kaufen konnten, weil sie sie übernommen haben, auch schutzwürdige Interessen haben, wenn wir ganz genau wissen, Herr Kollege Gres, daß wir die psychologischen und die wirtschaftlichen Erwägungen unter einen Hut bekommen müssen, dann müßten wir verrückt sein, wenn wir nicht abwägen würden.
Sie haben recht: Wir haben dem Einigungsvertrag zugestimmt. Ich habe damals hier gesagt, warum wir das tun. Das haben wir deshalb getan, weil wir die Einheit wollten und weil wir gesehen haben, daß mit Ihnen, und zwar nicht mit den Kollegen aus dem Osten, sondern mit der Union, eine ganze Menge Einzelentscheidungen nicht besser und nicht vernünftiger geregelt werden konnten.
Ich darf Sie daran erinnern: Was haben Sie für einen Unfug mit den Gemeinden und der EnergieversorDr. Herta Däubler-Gmelin
gung gemacht! Auch das wird hoffentlich korrigiert. Ich darf Sie daran erinnern: Was machen Sie bei der Frage der Beschränkung der Sonderkündigungsmöglichkeiten auf den 2. Oktober 1990? Ich sage dazu: Da haben wir mitgemacht. Da sind Sie jetzt ohne Probleme dabei, zu korrigieren. Dort bin ich übrigens nicht der Meinung, daß das inhaltlich richtig ist.
Zu den Eigentumsfragen sagen wir: Sie müssen heute endlich auch feststellen - auch wenn Sie es damals im Gegensatz zu uns nicht gesagt haben -, daß die Abwägung der Interessen der Alteigentümer mit den Interessen der Menschen, die heute dort wohnen, und dem Interesse, dort Arbeitsplätze zu schaffen, Betriebe anzusiedeln, dem Steuerzahler zu helfen, daß nicht immer neue Milliardenlöcher auftreten, gebietet, daß Sie heute vorurteilslos und scheuklappenlos an Korrekturmöglichkeiten herangehen.
({1})
Meine Damen und Herren, glauben Sie ja nicht, daß unsere Verfassung gebiete, daß man so verfährt, wie Sie das auf Dauer wollen. Ich sage Ihnen voraus, Sie werden das noch ändern, einfach deswegen, weil uns die Verhältnisse dazu zwingen.
({2})
Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?
Aber gern. - Sie rechnen mir die Frage und meine Antwort nicht auf die Redezeit an?
Selbstverständlich nicht. Nie habe ich das anders gehandhabt.
Frau Kollegin, sind Sie bereit, anzuerkennen, daß wir in dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz genau den Forderungen, die Sie eben angeführt haben - in bezug auf die, die auf ihrem Grundstück, in ihrem Häuschen wohnen -, nachkommen und dennoch den Versuch unternehmen - allerdings im Gegensatz zu Ihnen -, in einer ausgewogenen Weise auch noch die Interessen des Alteigentümers zu berücksichtigen? Sind Sie nicht der Meinung, daß wir die Forderungen, die Sie aufstellen, in diesem Gesetz zu erfüllen versuchen?
Lieber Kollege Geis, ich bewundere Ihre Fähigkeit, falsche Behauptungen in eine Frageform zu kleiden.
({0})
- Herr Gerster, Sie sind eben erst hereingekommen. Ich habe soeben lange ausgeführt, daß der Schutz der Alteigentümer von uns natürlich beachtet wird. Es ist nur die Frage, ob man es wie Sie auf eine falsche Art und Weise macht oder auf eine richtige. Kollege Geis, haben Sie noch einen kleinen Moment Geduld: Ich werde darauf kommen, was das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz tatsächlich bringt, aber eben auch - das ist das, was ich bedaure - die Grenzen,
die Sie bei aller guten Zusammenarbeit und bei all dein, was Sie von uns oder von Brandenburg übernommen haben, leider Gottes fälschlich, wie ich finde, nicht durchstoßen haben. Ich bedaure das sehr. Ich sage Ihnen: Wir werden das im nächsten Jahr - ich hoffe: gemeinsam - tun.
Schon im letzten Jahr haben Sie bemerkt, daß die Abwägung der verschiedenen Werte und Güter nicht klappte. Deshalb haben Sie uns vor eineinviertel Jahren ein erstes Korrekturgesetz vorgeschlagen, das sogenannte Enthemmungsgesetz, wie es genannt wurde. Damals haben Sie uns gesagt: Jetzt werden wir wenigstens erreichen, daß das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung bei Vorrang besonders bevorrechtigter Investitionen nach Prüfung im Einzelfall" reibungslos durchgeführt werden kann. Sie haben damals gesagt: Die Sicherheit für die Menschen und die Möglichkeit zu Investitionen werden besser,
({1})
und die Verwaltung wird nicht überlastet.
Heute ist die Situation so - das sagt ein Bericht der Bundesregierung, gegen den Sie besser nicht ankämpfen sollten -, daß bereits 1,1 Millionen Anträge auf Rückgabe auf dem Tisch liegen. Sie betreffen etwa 2,2 Millionen Objekte: Grundstücke, Betriebe und Häuser. Diese Zahl - da hat der Kollege Heuer recht - wird sich bis Ende des Jahres noch erhöhen. Davon wurden ganze 3 % bearbeitet und entschieden.
({2})
- Das ist der Bericht der Bundesregierung vom März; rechten Sie mit ihr.
({3})
Die Angst der Menschen ist vorhanden, und dagegen muß man etwas tun. Die Angst artikuliert sich beispielsweise in diesem Flugblatt - -({4})
- Nein, das ist vom Deutschen Mieterbund. Ich glaube, Sie sollten mit Ihrer Qualifizierung ein bißchen vorsichtig sein.
Frau Abgeordnete, nicht rechten, sondern fragen wollte der Kollege Hitschler.
Ich weiß, Herr Präsident. Wenn sich der Kollege noch ein bißchen geduldet, dann gern. Bitte noch einen Moment, Herr Kollege.
Sie wissen ganz genau, daß bei Ihrem Korrekturversuch im letzten Jahr unter falschen Versprechungen nicht das herausgekommen ist, was Sie wollten. Ich führe das hier nicht nur deshalb an, weil wir damals nicht mitgemacht haben. Wir haben es damals genauso gemacht wie jetzt. Wir haben gesagt: Gehen Sie ein Stück weiter, wir tragen alles mit, wir helfen
Ihnen, wir bringen auch unsere Ideen ein, aber wir halten die Grundentscheidung für falsch.
Ich führe das hier an, weil ich Ihnen sagen will: Es wird Ihnen mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz genauso ergehen. Ich halte es bei all dem Widerspruch, den Sie hier anbringen, für untragbar, daß zwei Jahre nach der deutschen Einheit Ferienheime, die benutzbar wären und die in Urlaubsgebieten liegen, in denen Urlaubsplätze nachgefragt werden und große Arbeitslosigkeit herrscht, leerstehen, und zwar deshalb, weil über die Eigentums- und Vermögensfragen keine Klarheit besteht, weil sich der Bundesfinanzminister als Dienstherr der Treuhandanstalt nicht mit dem Bundesfinanzminister als Dienstherr der Bundesvermögensämter einig ist, wer es abwickelt. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren.
({0})
- Sie rufen dazwischen, weil Sie ein schlechtes Gewissen haben, Herr Geis. Am 27. Mai im Kanzleramt waren wir uns alle einig, daß das und anderes nicht geht. Es wäre wirklich viel besser, Sie wären etwas zurückhaltender und würden mit uns darüber nachdenken, wie wir die Probleme bewältigen können.
({1})
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Hitschler, bitte.
Frau Kollegin Däubler-Gmelin, wie erklären Sie sich eigentlich die unterschiedliche Handhabung dieses Prinzips „Rückgabe vor Entschädigung" in den einzelnen Bundesländern? In Sachsen beispielsweise beträgt die Rückgabequote über 10 %, in Brandenburg aber nur 1,9 %. Erklären Sie sich diese Unterschiede aus dem Prinzip selbst heraus oder aus der Handhabung der Verwaltung, unter Umständen aus der Tatsache heraus, daß bestimmte Verwaltungen die Rückgabe gar nicht wollen?
Lieber Kollege Hitschler, Sie sollten die Verwaltungen in den östlichen Ländern nicht kritisieren.
({0})
Wenn Sie einmal nicht polemisch sein wollen, sondern wenn Sie sich ernsthaft mit den Problemen befassen, wird ihnen sofort einleuchten, daß die Rückgabe von Grundstücken, die nicht mit Investitionen belastet sind, über die es keinen Streit gibt, natürlich schneller gehen kann. Es mag durchaus sein, daß es in Sachsen einige Gebiete gibt, die nicht so umstritten sind. Es kann auch sein, daß der Grad des vollzogenen Aufbaus bei den Verwaltungen unterschiedlich ist. Welche Folgerungen ziehen wir aber daraus? Wollen wir daraus die Folgerung ziehen, die schon im letzten Jahr
gezogen wurde, daß wir sagen, die "Ossis" sind selber schuld?
({1})
Oder wollen wir nicht gemeinsam sagen: Es ist als Deutscher Bundestag unsere Verpflichtung, Gesetze zu machen, die von diesen Verwaltungen vollzogen werden können? Ich werbe auch bei Ihnen, Herr Kollege Hitschler, dafür: Wir brauchen gerade deshalb einfachere, tragfähige und außerdem ein bißchen gerechtere Gesetze.
Jetzt komme ich zum Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz selbst.
({2})
- Wir haben unsere Einwände schon ab März vorgebracht. Wissen Sie, Herr Kollege Geis, mir ist da gar nicht zum Lachen. Sie wissen ganz genau, was die Oberbürgermeister und die Gemeinderäte sagen - das tun sie nicht nur uns gegenüber -, und Sie wissen ganz genau, wie die Stimmung in den neuen Ländern ist. Ich sagen Ihnen: Ihre Kollegen aus den neuen Ländern wissen das auch. Wir haben unsere Vorschläge, die wir eingebracht haben, keineswegs allein erdacht.
({3})
Wir haben vielmehr im Januar, im März und im April uns alle Fachleute nach Bonn geholt und haben uns von ihnen sagen lassen, wo es bei ihnen klemmt, welche Vorschläge sie machen.
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Wir verlangen von Ihnen, daß Sie diese Vorschläge anhören und nicht immer meinen, Sie wüßten alles besser. Wir verlangen, daß die Vorschläge Berücksichtigung finden.
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Herr Kollege Geis, bei allem Respekt: Sie verwechseln den Zwischenruf mit Kurzinterventionen. Diese müssen vorher angemeldet werden.
Ich wäre Ihnen, Frau Abgeordnete, nun dankbar, wenn Sie fortführen.
Natürlich.
Ich keime Herrn Kollegen Geis. Ihn ärgert das; das weiß ich schon.
({0})
Dabei komme ich jetzt zu einer Passage, wo ich ihn ganz gerne loben will, und zwar einfach deshalb: Nachdem abgeklärt war, daß er keine Handlungsvollmacht hatte, die Grenzen des falschen Prinzips und
die falsche Grundentscheidung anzugehen, und wir gesagt hatten: Wir helfen in den Bereichen selbstverständlich auch mit unserer Kreativität, da haben wir in der Tat sehr gut zusammengearbeitet.
Ich will das von meiner Seite ausdrücklich anerkennen. Nur, meine Damen und Herren, das Traurige ist, daß das den Menschen in den neuen Ländern nur begrenzt etwas nützt.
Herr Gres, ich habe Ihnen gesagt: Wenn Sie mit Ihrer Prognose, daß bis Ende 1993 die Schwierigkeiten vorbei sind, recht haben, dann flechte ich Ihnen Kränze ins Haar. - Das habe ich Ihnen deutlich gesagt, und das werde ich gerne tun.
({1})
Ich fürchte nur, daß die Gefahr, dieses tun zu müssen, nicht besonders groß ist.
Jetzt will ich Ihnen, auch Ihnen, verehrter Herr Kollege Gerster, weil Sie in den Beratungen nicht dabei waren und dieses erfahren sollten, sagen: Wir waren sehr dankbar dafür, daß technische Verbesserungen keineswegs nur aus dem Justizministerium kamen, wobei ich gerne anerkenne, daß sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger, als sie das Amt übernahm, wirklich große Mühe gegeben hat und die Kolleginnen und Kollegen des Justizministeriums wirklich Tag und Nacht gearbeitet haben, nachdem sie den Auftrag bekommen hatten.
({2})
Wir sollten in unseren Dank und in unser Lob aber auch alle Bürgermeister und alle Sachverständigen einschließen, die auf dem Umweg über uns oder z. B. über das Land Brandenburg, dessen Vertreter Ballhausen hier ist, oder z. B. über Nordrhein-Westfalen gute Ideen eingebracht haben.
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Sie haben eine Menge von den Anregungen übernommen, die wir vorgebracht haben. Deswegen haben wir z. B. auch § 27 a des Investitionsvoranggesetzes ausdrücklich zugestimmt. Das würden wir auch tun, wenn wir nachher eine Einzelabstimmung über den Paragraphen hätten. Das ist nicht der Fall; ich erkläre es deshalb an dieser Stelle.
Meine Damen und Herren, Sie haben auch viele unserer Vorschläge, die besser gewesen wären, abgelehnt. Ich will das an einem Beispiel klarmachen, das heute schon eine Rolle gespielt hat, an dem berühmten Stichtag. Was ist damit? Den 18. Oktober - ich glaube, es war der Amtsantritt von Herrn Krenz; ich kenne mich da nicht so aus - hat man als willkürliches Datum genommen, um zu sagen: Ab dann ist, selbst wenn es nachgewiesen wird, kein redlicher Erwerb mehr möglich. Das war eine willkürliche und, wie sich herausgestellt hat, eine falsche Annahme. Wir haben deswegen gesagt: Laßt uns den Stichtag streichen, weil das nur die Folge hätte, daß dann im Einzelfall redlicher Erwerb nachgewiesen werden kann.
Ihnen war auch nicht wohl dabei; das wissen Sie ganz genau. Was aber haben Sie gemacht? Sie haben gesagt, weil Sie davon nicht abweichen wollten - Herr Geis hat das auch noch einmal betont -, blieben Sie aus prinzipiellen Gründen beim Datum 18. Oktober. Sie machten aber drei Ausnahmen.
Es kann sein, lieber Herr Geis, daß Sie ein vergleichbares Ergebnis erreichen wie wir. Nur, wissen Sie, was sie damit einkaufen? Sie kaufen damit eine unglaubliche Verstärkung der Bürokratie, eine Belastung der Gerichte und eine Fortdauer der Unsicherheiten ein. Auch das ist in Ihrem Gesetz enthalten - auch bei anderen Entscheidungen.
Ich sagen Ihnen: Das ist nicht vernünftig.
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Es wäre schon bei Verwaltungen im Westen nicht vernüftig. Es wäre schon dann nicht vernünftig, wenn es sich nur in einem einzigen Fall so darstellen würde. Es ist aber total unvernünftig bei den Zehntausenden, Hunderttausenden von Fällen, bei denen das eine Rolle spielt.
({5})
Das ist ein Problem, das Sie einfach einmal realisieren müssen. Deswegen, sage ich Ihnen, ist es sehr bedauerlich, daß Sie auch unsere übrigen Vorschläge immer dann abgelehnt haben, wenn Sie meinten, es würde mit Ihrem Prinzip nicht in Einklang stehen.
Ich befürchte, daß das, was einige Kollegen einmal den „Wundstarrkrampf im Osten" genannt haben, mit diesen Regelungen, auch mit den vernünftigen Verbesserungen, nur zu einem Teil gelöst werden kann.
Wissen Sie, Herr Geis, Was noch dabei herauskommen wird? Sie werden letztendlich auch die Alteigentümer stark enttäuschen. Sie hatten denen nämlich versprochen: Ihr kriegt alles zurück. - In Wirklichkeit höhlen Sie dieses Prinzip jetzt immer mehr aus. Hätten Sie ihnen mit uns vor zwei Jahren sofort eine Entschädigung gegeben, dann wären viele von denen, die doch gar nicht mehr erwartet hatten, ein Grundstück zurückzubekommen, zufrieden gewesen.
Heute sind sie damit nicht mehr zufrieden. Warum nicht? Sie haben zwei Jahre lang hartnäckig den Rückgabeanspruch verfolgt, sie haben Anwälte angestellt, die Kosten verursacht haben, lieber Herr Geis. Sie sind auch deswegen nicht mehr zufrieden, weil sie, obwohl das Entschädigungsgesetz noch gar nicht vorliegt, ganz genau wissen, daß sich der Entschädigungsbetrag wahrscheinlich aus dem Einheitswert von 1935, multipliziert mit 1,3, berechnet; das stand ja in den Zeitungen. Das macht bei einem Einfamilienhaus 15 000 bis 20 000 DM aus. Und wie heute die Grundstückspreise sind, wie der Verkehrswert ist, das wissen Sie auch. Das heißt, Sie werden letztlich nicht einmal eine Befriedung der Alteigentümer erreichen.
Schauen Sie, jetzt will ich Sie noch einmal ausdrücklich loben. Ich habe mir Ihren Entschließungsantrag durchgelesen und gesehen, daß einiges von dem, was wir an Anträgen eingebracht haben, da wiederzufinden ist. Mich freut besonders, daß wir
davon ausgehen - und das führe ich auch auf das Gespräch im Kanzleramt zurück -, daß die Investitionshemmnisse und die gröbsten Schwierigkeiten bis Ende 1993 beseitigt sein sollen. Das halte ich für einen guten Beschluß.
Deswegen haben wir in unserem Antrag noch einen zusätzlichen Vorschlag gemacht: Personalaufstokkung da, wo sie sein muß - wobei Sie wissen, daß ich sie nicht nur von der Bundesregierung erwarte, sondern daß ich selbstverständlich auch der Meinung bin, daß die Länder in ihrem Zuständigkeitsbereich helfen müssen.
Wir erwarten, daß sie uns, wenn sie etwa sechs Monate Erfahrungen mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz haben sammeln können, sagen, wie viele Anträge bearbeitet werden, wie weit sie mit der Entscheidung im Zusammenhang mit dem Investitionsvorranggesetz kommen und ob das Ziel, das alles bis Ende 1993 zu bewältigen, tatsächlich erreicht werden kann.
Wenn das nicht der Fall sein sollte - und ich sage: wahrscheinlich wird es so sein -, erwarten wir von Ihnen allerdings die Vorlage sehr viel weiterführender Vorschläge, die auch die Korrektur dieser Entscheidung für den letztlich falschen Weg einschließen. Ich glaube, das wäre sehr vernünftig in unser aller Interesse - auch in Ihrem.
Meine Damen und Herren, vielleicht fällt es Ihnen leichter, das einzusehen, wenn ich meine Ausführungen in einem Bild zusammenfasse. Die derzeitige wirtschaftliche Situation in den neuen Ländern erinnert an einen Mann, der mit der Nase nach unten auf dem Boden liegt. Durch Ihre Vorschläge, die wir ja unterstützt haben, richtet sich dieser Mann jetzt auf die Knie auf. Wir möchten aber, daß er aufsteht und läuft. Das müssen wir gemeinsam erreichen.
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Nunmehr erteile ich der Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bei dem Bild bleiben, das Sie gerade gezeichnet haben. Mit dem, was wir hier vorhaben - wir alle wissen, daß wir Instrumente in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, die unverzichtbar, die wesentlich sind -, werden wir denjenigen, die Entscheidungen zu treffen haben, auf die Beine helfen. Es wird also nicht erst nur auf die Knie gegangen.
({0})
Vielmehr bieten wir geradezu einen „Werkzeugkasten" an, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, „aufrecht stehend" die richtigen Entscheidungen zu treffen.
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Vor allen Dingen können wir damit das, was unter Anliegen ist, verwirklichen, nämlich Rechtsunsicherheit beseitigen, Bürger über die noch offenen Vermögens- und Eigentumsfragen aufklären, Hilfestellungen geben für notwendige Investitionsentscheidungen, und zwar nach dem Grundsatz: Rückgabe vor Entschädigung, aber Investitionen vor Rückgabe.
Und genau das machen wir - ich möchte das ganz klar sagen - auf der Grundlage von Gesprächen, Diskussionen, die gerade unter großer Beteiligung der Vertreter aus den neuen Bundesländern stattgefunden haben. Wir haben eine sehr intensive Diskussion im Ministerium geführt, bei der wir all diese Vorschläge durchgegangen sind, bei der wir über die einzelnen strittigen Punkte diskutiert haben - sie sind ja alle auf die Tagesordnung gesetzt worden: Stichtag, Aufhebung der Zwangsverwaltung, Investitionsvorrangsmöglichkeiten. Bei dieser Gelegenheit haben wir von Vertretern aus Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gehört, daß sie unser Vorhaben für den richtigen Weg und die von uns vorgesehenen Möglichkeiten für das richtige Instrumentarium hielten, daß es nämlich das sei, was gebraucht werde. Es wurde keine Alternative gesehen, keine Alternative, die in die Tat umgesetzt werden könnte.
Ich glaube, dieses muß einfach einmal als Geschäftsgrundlage in die Beratungen eingebracht werden. Ich bin froh, daß wir uns auf diesem Wege befinden. Denn er ist in meinen Augen der richtige und weist in die Richtung, die wir alle wollen, indem er ermöglicht, so schnell wie möglich bessere wirtschaftliche Verhältnisse zu etablieren, so schnell wie möglich Unsicherheiten bei den Menschen zu beseitigen und so schnell wie möglich dazuzukommen, daß die Ämter und Behörden arbeiten können - ganz so, wie wir es hier gewohnt sind - und nicht erst einen Berg von Anträgen abarbeiten müssen. Denn ein solcher Berg führt schon dazu, daß es nicht so schnell geht, wie wir es uns erhoffen.
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Ich habe es jetzt etwas anspruchsvoll formuliert. All das versuchen wir mit diesem Gesetz zu erreichen.
Wir alle wissen - und deshalb liegt auch ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor -, daß das ein wichtiger Schritt ist, aber nicht der letzte Schritt sein kann. Wir brauchen neben Hilfen zur Lösung der offenen Vermögens- und Eigentumsfragen Regelungen über die Entschädigung, und wir brauchen Vorschriften darüber, wie wir mit den Nutzungs- und Überlassungsrechten der Menschen in den neuen Bundesländern umgehen. Wir brauchen also eine große Sach- und Rechtsbereinigung. Wir freuen uns natürlich, wenn wir aufgefordert werden zu handeln. Es ist nicht so, daß wir diese Probleme nicht gesehen hätten, sondern wir beschäftigen uns damit seit Monaten. Ich hoffe, daß diese Fragen im Herbst auf der Tagesordnung der Beratung in den entsprechenden Gremien und Kreisen stehen werden.
Ich glaube, wir haben ein Gesamtpaket geschnürt, das das richtige Rüstzeug ist, um zu versuchen, die
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger anstehenden Fragen so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen und zu lösen.
({3})
Wir sollten auch immer wieder deutlich machen, daß die rechtlichen Regelungen und Vorschriften eine Seite sind und daß die Umsetzung eine zweite Seite ist. Es ist wichtig, hier zu sagen, daß gerade wir vom Justizministerium aus alles daran setzen werden, das Gesetz, wenn es vor der Sommerpause verabschiedet wird, mit einer intensiven Informations- und Beratungskampagne zu begleiten. Wir müssen das Gesetz - wir haben versucht, es in den Formulierungen einfacher, lesbarer, besser handhabbar zu machen - den Menschen, die damit umgehen müssen, nahebringen und es ihnen erklären. Ich habe in den Beratungen in den letzten Wochen gesehen, daß das sehr gut möglich ist. Wir konnten viele Unsicherheiten und Vorbehalte, die ursprünglich in allen Fraktionen bestanden, wenn es um komplizierte Regelungen ging, abbauen. Dabei müssen wir weiter fortfahren.
Wir haben damit eine große Chance, den Menschen in den neuen Bundesländern mehr Optimismus zu bringen. Denn es nützt uns nichts, hier schwarzzumalen und die Situation schlechter darzustellen, als sie tatsächlich ist.
({4})
Wir reden auch nicht schön, weil wir die Probleme hier deutlich genannt haben. Wir sind zu Überlegungen und Vorschlägen gekommen, die auch aus der Opposition und aus den Kreisen des Bundesrates stammen. Wenn man schon sieht, daß es einen breiten Konsens gibt, dann sollte man das auch einmal deutlich sagen. Denn es geht hier nicht um ein Gesetz, das eine Konfrontation mit Ja oder Nein bedeutet, sondern es geht wirklich um einen richtigen, gangbaren Konsens, den wir alle tragen müssen. Denn wir müssen hinterher auch alle die Verantwortung tragen.
({5})
- Die Verantwortung liegt bei den zuständigen Stellen in den Landesverwaltungen. Brandenburg hat schon erklärt, daß es bereit ist, diesen Weg mitzugehen und die Verantwortung mit zu übernehmen.
({6})
Ich freue mich sehr, daß wir dort eine erste, gute Überzeugungsarbeit haben leisten können.
Ich glaube, daß die Zeit jetzt vorbei ist - Sie alle haben das Enthemmungsgesetz vom März letzten Jahres erwähnt -,
({7})
sich über Prinzipien zu streiten, sich über Ideologien zu streiten, weil es keine Alternative zu dem jetzt eingeschlagenen Weg mehr gibt.
({8})
Eine Umkehr des Prinzips ist aus vielen Gründen nicht möglich; diese Gründe sind hier auch von Ihnen, Herr Geis und Herr Gres, deutlich dargelegt worden. Es wird ja immer so leicht gesagt, im Ministerium habe man immer nur die verfassungsrechtlichen Bedenken gleich auf den Lippen, wenn man etwas nicht möchte.
({9})
Wir haben uns in den Beratungen sehr wohl mit vielen Vorschlägen auseinandergesetzt, die unter dem Begriff Befreiungsvorschlag, freie Verfügungsmöglichkeit aus Berlin und aus Brandenburg gekommen sind, und sind nach einer ausführlichen Diskussion und sorgfältigen Prüfung dazu gekommen, daß eben dieser Weg so aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beschreitbar ist. Wir haben bei der Prüfung auch gesehen, daß wir damit ja nicht die Schwierigkeiten beseitigen. Wir würden sie gerade bei unbestimmten Rechtsbegriffen in vielen Fällen dann auf die Gerichte verlagern, weil, wenn wir nicht mehr die Investitionsvorrangsregelungen hätten, sondern eine freie Verfügbarkeit normieren würden, die Gerichte klären müßten, wie denn jetzt im Einzelfall richtig zu entscheiden ist. Wir wollen aber jetzt Regelungen treffen, an Hand derer entschieden werden kann. Damit das leichter geht, werden wir eine Checkliste, einen Leitfaden entwickeln, wo die meisten üblichen Fallgestaltungen aufgezeigt sind, damit die Behörden in den Fällen, die nicht extrem kompliziert gelagert sind, leichter und schneller entscheiden können. Das sind wir schuldig, das müssen wir tun.
({10})
Ich glaube, ich habe deutlich gemacht, daß es eine Alternative dazu nicht gibt. Selbstverständlich müssen wir im nächsten Jahr sehen, wie das Instrumentarium gegriffen hat. Wir werden uns auch nicht scheuen, dann Bilanz zu ziehen. Wir wissen aber alle, daß innerhalb eines Jahres, wenn im Sommer dieses Gesetz in Kraft tritt, natürlich keine Wunder erwartet werden können. Wir müssen einfach sehen, daß Verwaltungsabläufe und -entscheidungen nicht herbeigezwungen werden können. Wir müssen also den Menschen natürlich noch etwas Zeit geben, mit diesem Gesetz zu arbeiten. Deshalb ist es richtig, wie es in dem Entschließungsantrag der CDU/CSU- und der F.D.P.-Fraktion steht, in einem Jahr hier wieder darüber zu reden und dann eine Prognose darüber abzugeben, wie es denn Ende 1993 aussehen wird. Ich muß sagen, ich bin, nachdem wir schon das alles berücksichtigt haben, was hier an Vorschlägen gekommen ist, weil es eben keine neuen und anderen Vorschläge sind, zuversichtlich, daß wir auf dem richtigen Weg weitergehen und auch zu Erfolgen kommen werden. Es ist natürlich immer eine Frage, wieweit man bereit ist, das dann auch objektiv zu bewerten. Ich hoffe, daß wir das in anderthalb Jahren so sachlich machen werden. Ich sehe, daß wir hier wirklich nicht zum Erfolg verdammt sind, sondern einen Erfolg haben werden.
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Vielen Dank.
({11})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Dr. Michael Luther das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach langen Beratungen und in sehr kurzer Beratungszeit können wir heute, wie angekündigt, eine zweite Änderung des Vermögensgesetzes verabschieden. Das war deswegen möglich, weil alle in diesem Hause in sehr vielen intensiven Beratungen zusammenarbeiten konnten. Aber besonders möchte ich im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Herren vom Justizministerium danken, die in sehr vielen Stunden eigentlich das alles mit ertragen haben, was wir im Bundestag wollten, und die uns eine gute Zuarbeit geliefert haben.
({0})
Am Beginn der Beratungen stand die Frage im Raum, ob eine so intensive Änderung des bestehenden Gesetzes nötig ist, wo doch erst seit einem Jahr in den betroffenen Ebenen Erfahrungen gesammelt werden konnten. Nun, es gibt eben triftige Gründe, die genau mit diesen gemachten Erfahrungen zusammenhängen.
In dem Gesetz geht es uns um eine Entlastung, aber auch um eine Vereinfachung und Präzisierung der Arbeit in den Vermögensämtern und um eine Förderung von Investitionen. Eine wesentliche Entlastung der Vermögensämter ist die Aufhebung der staatlichen Verwaltung per Gesetz. Damit wird in vielen Fällen Klarheit geschaffen, wo heute unklar ist, wer denn staatlicher Verwalter ist. Die Eigentümer können handeln, instandsetzen und modernisieren. Die Mieter wissen, an wen sie sich halten können. Wenn der Eigentümer nicht auffindbar ist, kann nach bürgerlichem Recht ein staatlicher Verwalter bestellt werden. Die Mietverträge werden vom Vermieter übernommen. Das ist letztlich alles im Interesse der jetzigen Mieter in solchen Häusern.
Das Vermögensänderungsgesetz wird an vielen Stellen geändert und ergänzt und ist im Konsens beraten worden. Ein Punkt jedoch war strittig. Es handelt sich hierbei um den Stichtag, wie heute schon des öfteren erwähnt wurde. Die letzte Volkskammer der DDR hatte seinerzeit das Vermögensgesetz mit dem Stichtag auf Grund der Erkenntnis verabschiedet, daß nach dem Sturz von Honecker etliche Vermögenswerte verschoben worden waren. Entsprechende Anweisungen des Ministerrates von November/ Dezember 1989 bestätigen das.
In der Gesetzespraxis zeigte sich jedoch auch, daß Käufe realisiert wurden, die nicht unter den Verdacht einer Verschiebepraxis fallen. Das betrifft z. B. Leute, die sich mit dem Zustand, als Mieter in einem Haus zu wohnen, nie zufriedengeben konnten und deshalb schon vorher gekauft hatten, was bei Ein- und Zweifamilienhäusern möglich war. Das betrifft aber auch Gewerbetreibende, die nach dem Gesetz vom 7. März
1990 Gewerberaum gekauft haben, was sie vorher nie konnten.
Wer aber vorher Mieter war und damit sehr wohl zufrieden war und nur die Zeichen der Zeit erkannte oder, um sein Geld zu sichern, das von ihm bewohnte Objekt kaufte, warum sollte der nicht auch weiterhin Mieter sein? Wie ist denn zwischen denen, die in dieser turbulenten Zeit den Kauf perfektionieren konnten, und denen, die die Möglichkeit nicht hatten, zu unterscheiden?
({1})
Das sind für mich Fragen ohne Antwort.
Härtefälle wird es trotzdem geben. Dies wollen wir eindämmen. Die, die sich als Mieter wie Eigentümer verhalten haben, d. h. investiert und erst nach dem 18. Oktober 1989 gekauft haben, sollen nicht von dem Stichtag betroffen sein.
Diese drei Abweichungen von der bisher bestehenden Stichtagsregelung sind ein Interessenausgleich zwischen Alteigentümer und Altmieter. Für mich nicht nachvollziehbar ist der Gedanke, jemandem Eigentumserwerbsberechtigung zuzuerkennen, wenn er seit einem Jahr in einem Haus gewohnt hat. Sicher wäre das so manchen wichtigen Leuten recht. Für mich ist das Unrecht
({2})
und würde zu einer garantierten Umschiffung des Stichtages und damit zu einer Negierung des Willens der letzten Volkskammer der DDR kommen.
Das zweite wichtige Gesetz ist das Investitionsvorranggesetz. Die bisherigen Möglichkeiten, Investitionsvorrang einzuräumen, wurden in diesem Gesetz zusammengefaßt und verbessert. Es können sowohl Alteigentümer als auch potentielle Investoren gleichberechtigt Investitionskonzepte anmelden. Die Fristen, auch die Einspruchsfristen, werden verkürzt.
Wichtig für mich ist die verstärkte Möglichkeit der Alteigentümerinvestitionen. Denn was wollen wir? Wir wollen, daß die Häuser in unseren Städten in Ordnung kommen. Warum nicht durch den gewillten Alteigentümer? Deshalb ist nach Glaubhaftmachung der Berechtigung des Alteigentümers der Verfügungsberechtigte, also z. B. die Kommune, verpflichtet, eine Investitionsvorrangsbescheinigung zu erteilen.
Gut ist auch, daß dann, wenn einer z. B. 20 000 DM je Wohnung oder Geschäftsraum für Modernisierung oder Instandhaltung investieren will, ebenfalls ein investiver Zweck vorliegt. Kümmert sich der Alteigentümer jedoch nicht um sein Objekt, kann in einem öffentlichen Bieterverfahren ein Investor gesucht werden. Ich verspreche mir von dieser Kombination einen erheblichen Investitionsschub in den Städten.
Der Verfügungsberechtigte hat mit dem Investitionsvorranggesetz noch weitergreifende Möglichkeiten. Im Rahmen einer Satzung, eines Vorhabens und Erschließungsplanes oder bei Vorhaben über mehrere Grundstücke können die Kommunen zusammenhängende Gebiete unter einen InvestitionsvorDr. Michael Luther
rang stellen. Das ist im Sinne der neuen Länder. Manchem ist das aber nicht genug. Sie warnen vor den Rechtsmitteln.
Für mich stellt sich die Frage, ob auch das diskutierte Sofortverfügungsmodell dies ausschließt. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken glaube ich, daß es auch hier zu Verwaltungsgerichtsentscheidungen kommen würde. Wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat. Ich habe ihn gewollt. Er ist oft unbequem; aber er ist sicher besser als das, was wir in der DDR hatten.
Es gibt vieles, warum Investitionen nicht in dem Maße laufen, wie wir uns das wünschen. Hauptverantwortlich dafür ist das in dem Grundbuchbereich und in den Verwaltungen von der SED hinterlassene Chaos. Die Infrastruktur, der Zustand der Straßen, die Schulen, die Naherholungsgebiete, die Hotels, laden die denn den Investor wirklich ein, den Investor, der nicht nur eine Nummer ist, sondern auch eine Person und der dann dort leben soll?
Haupthemmnis ist jedoch die Verwaltung; denn es muß alles gemacht werden, ob das Prinzip nun so oder anders lautet. Die Menschen in meiner Heimat bemühen sich und haben schon vieles erreicht. Wir sind nicht am Ende, wir sind in den neuen Ländern am Anfang. Bei uns geht es nicht abwärts, Frau DäublerGmelin, bei uns geht es entschieden aufwärts.
({3})
Bei einer Zwischenfrage wurde schon gesagt: In Sachsen - vielleicht liegt es bloß an den Sachsen, weil es andere Menschen sind ({4})
sind im April 1992 10,25 % und in meiner Heimatstadt Zwickau 12 % der Entscheidungen bei Rückübertragungsansprüchen gefällt gewesen.
Sie beantworten gern die Frage von Herrn Dr. Küster?
Ja.
Bitte schön.
Herr Luther, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß in Dresden der Erfüllungsstand bei 4,4 % liegt?
Ja. Ich kann es natürlich genau wie Sie machen und alle negativen Beispiele aufzählen. Aber da Sie das schon gemacht haben, habe ich den anderen Part übernommen und nur die positiven Beispiele aufgezählt.
({0})
- Ich habe das einfach mal gemacht, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Ich habe das vor allem auch aus dem Grunde genannt
({1})
- bitte, lassen Sie mich den Satz zu Ende sagen -,
({2})
weil Sie mir vorgestern in der Ausschußsitzung in bezug auf ein anderes Gesetz entgegengehalten hatten, daß in Sachsen die Verwaltung nicht funktioniere. Insgesamt sind in Sachsen 10 % zurückgegeben worden. Ich glaube, das ist schon ein Zeichen dafür, daß irgendwo doch etwas passiert.
({3})
Bitte sehr. Ich nehme an - Dr. Michael Luther ({0}): Aber nur, wenn ich dann noch zu Ende reden darf.
Aber im Grunde genommen ist Ihre Redezeit jetzt schon abgelaufen.
Aber ich habe schon eine Zwischenfrage beantwortet.
Die habe ich nicht angerechnet, weder Frage noch Antwort. Aber trotzdem, jetzt beantworten Sie die Frage, und sehen Sie zu, daß Sie langsam zum Schluß kommen.
Ich würde sie gerne erst stellen.
({0})
Das ist doch selbstverständlich.
Ich würde Sie gern fragen - auch in der gewohnten Eingangsform -: Würden Sie die Güte haben, anzuerkennen, daß ich mich einfach ungeheuer darüber freue, wenn Sie positive Beispiele nennen,
({0})
daß ich mich aber noch mehr darüber freuen würde, wenn Sie nicht dabei stehen blieben, sondern unsere gemeinsame Aufgabe darin sähen, auf der Basis eines realen Situationsbildes die Verbesserungen durchzuführen, die wir erreichen können?
({1})
Ich glaube, das reale Situationsbild, auch die Probleme, wurde heute oft genug angesprochen. Ich muß aber immer wieder eines sagen: Es ärgert mich, wenn wir in diesem Haus ständig alles nur schlechtreden. Deswegen habe ich meine Rede einfach positiv angelegt.
({0})
Ich glaube, das ist auch wichtig. Das ist wichtig für die Moral der Menschen, die genau diese Aufgabe in den Ämtern bewältigen müssen. Wenn Sie denen ständig sagen, das Gesetz funktioniere nicht, das sei sowieso nicht zu erreichen, dann wird es auch nichts.
({1})
Der Unterschied in Sachsen ist - wissen Sie, warum es dort besser läuft? -, daß es dort Menschen gibt, die den Leuten in der Verwaltung sagen: Leute, was ihr macht, ist gut. - Das geht einfach besser. Das ist der Unterschied. Vielleicht können Sie an dieser Stelle mal lernen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich möchte die Rede beenden. Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich habe gesagt, es gibt viele Dinge, warum Investitionen nicht laufen. In einem gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht: Die Verwaltungen müssen personell besser ausgestattet werden. Ich bitte hier, bei all der Hilfe, die geleistet wurde, daß die alten Bundesländer auch weiterhin verstärkt Verwaltungshilfe leisten.
Im Endeffekt müssen die Verwaltungen dieses Gesetz umsetzen.
({3}) Ich erwarte an dieser Stelle keinen Urknall;
({4})
denn Wunder - und daran grenzt das, was im Ostteil Deutschlands passieren muß - dauern bekanntlich etwas länger. Aber wir werden es schaffen.
Vielleicht liegt es an meinem sächsischen Gemüt: Ich würde mir wünschen, daß ich dies auf die depressive Stimmung in Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD, übertragen könnte.
Danke.
({5})
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Ullmann - ich nehme an, er ist jetzt unterwegs - bittet darum, seine Rede zu Protokoll geben zu dürfen. Angesichts der Tatsache, daß wir sowieso schon eineinviertel Stunden über die Zeit sind, bin ich davon ausgegangen, daß das Haus damit einverstanden sein wird. *)
({0})
Der Abgeordnete von Stetten hat eine Erklärung nach § 31 schriftlich abgegeben. **) Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Küster zu einer persönlichen Erklärung nach § 31.
*) Anlage 4 **) Anlage 5
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen erklären, warum ich gegen dieses Gesetz stimmen werde, abweichend vom Votum meiner Fraktion.
({0})
- Ich habe es leider nicht so aufgeschrieben, daß Sie es nachlesen könnten.
Die Regel „Rückgabe vor Entschädigung", die hier steht, ist in der Volkskammer und dann im Einigungsvertrag festgeschrieben worden. Ich halte die Bearbeitung der offenen Vermögensfragen für absolut dringlich. Wir können nicht das, was 1933 bis 1945, 1945 bis 1949 und danach geschehen ist, ungeschehen machen. Es muß bearbeitet werden.
Das Prinzip halte ich nach wie vor für falsch. Die Sozialdemokraten haben vor den Folgen gewarnt. Wir haben sie jetzt. Ich möchte sagen, daß mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz sehr viele Verbesserungen in Zusammenarbeit aller Parteien erreicht worden sind. Ich bin der Ansicht, daß man jetzt mit dem Investitionsvorranggesetz sowohl kleine als auch große Vorhaben sehr gut durchsetzen kann.
Ich habe das Gefühl, daß das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" durchaus praktikabler und handhabbarer im Sinne von „Investitionen vor Rückgabe" gestaltet wird. Ich habe aber kein Verständnis dafür, daß an einer Stelle, bei einem einfachen Gesetz, von dem Jahre 1990 bis jetzt nichts verändert wurde. Das ist das Vermögenszuordnungsgesetz. Hier spielen die öffentlichen Hände mit; ich möchte aufzählen: Gemeinden, Landkreise, Land, Bundesvermögensamt, Oberfinanzdirektionen und die Treuhand. Ich finde, es ist ein Skandal, daß wir einerseits die Privaten in ihrem Anspruch berechtigterweise zugunsten von Investitionen zurückdrängen, aber da, wo die öffentlichen Hände in der Verantwortung sind, dieses Prinzip nicht wahrnehmen. Ich erwarte, daß demnächst eine Verfahrensvereinbarung durchgesetzt wird, damit die Zuweisung der Vermögenswerte an die Gebietskörperschaften wesentlich schneller als bisher erfolgt.
({1})
Das wäre nach meiner Auffassung eine Voraussetzung für die Zustimmung gewesen.
({2})
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Zunächst kommen wir zur Einzelberatung über den Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes nach den Drucksachen 12/2480, 12/2695 und 12/2944 in der Ausschußfassung. Dazu liegen fünf Änderungsanträge der Fraktion der SPD vor, über die mit dem Einverständnis der Antragsteller vorab abgestimmt wird. Das klärt die Sache und vereinfacht das Verfahren.
Ich komme zum Änderungsantrag 12/2950. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Koalitionsstimmen abgelehnt.
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
Ich komme zu dem Änderungsantrag auf Drucksache 12/2951. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksache 12/2952. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Er ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksache 12/2953. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Er ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksache 12/2954. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsabgeordneten bei Gegenstimmen von Herrn Dr. Küster und Frau Dr. Enkelmann sowie bei Enthaltung der SPD-Fraktion in zweiter Lesung angenommen.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? ({0})
Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und gegen die Stimmen der PDS/ Linke Liste angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 12/2957. Wer diesem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2955. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Frau Dr. Enkelmann und bei Enthaltung des Herrn Gerster abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Sicherung redlich erworbener Eigentums- und Nutzungsrechte an Gebäuden und Grundstücken auf Drucksache 12/2358.
Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Nummer 1 Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Gegen die Stimme der Frau Dr. Enkelmann ist diese Beschlußempfehlung angenommen worden.
Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Nummer 1 Buchstabe c seiner Beschlußempfehlung, den Gesetzentwurf der Gruppe PDS/Linke Liste zur Änderung des Vermögensgesetzes auf Drucksache 12/2228 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen worden.
Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Nummer 1 Buchstabe d seiner Beschlußempfehlung, den Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Herstellung des Rechtsfriedens im Bereich des Wohneigentums für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Die Beschlußempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenommen.
Unter Nummer 2 wird empfohlen, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung von Frau Dr. Enkelmann ist die Beschlußempfehlung einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren, heute morgen ist während der Debatte über das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz vergessen worden, über eine Beschlußempfehlung des Finanzausschusses abzustimmen. Ich rufe dies mit Genehmigung des Hauses jetzt auf. Der Finanzausschuß empfiehlt unter Nummer 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/2906, eine Entschließung anzunehmen. Diese Entschließung ist im Finanzausschuß einstimmig verabschiedet worden. Das erleichtert Ihnen das Ganze. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Punkt 17 sowie die Zusatztagesordnungspunkte 3 bis 5 auf:
17. a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1992 ({1})
- Drucksachen 12/2600, 12/2806 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({2})
- Drucksachen 12/2800, 12/2801 - Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen Borchert
Dr. Wolfgang Weng ({3}) Helmut Wieczorek ({4})
({5})
Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds Deutsche Einheit"
- Drucksache 12/2692 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({6})
- Drucksache 12/2925 Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({7}) Dr. Wolfgang Weng ({8}) Helmut Wieczorek ({9})
({10})
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({11}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige, Werner Schulz ({12}) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kosten für die Sanierung der durch die ehemalige SDAG Wismut verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden
- Drucksachen 12/2638 ({13}), 12/2918 Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt Rossmanith
Dr. Wolfgang Weng ({14}) Helmut Wieczorek ({15})
ZP 3 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({16}) zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. Willfried Penner, Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Beibehaltung der bisherigen Förderungshöhe für die Kultur in den neuen Bundesländern
- Drucksachen 12/1437, 12/2299 Berichterstattung:
Abgeordnete Karl Deres
Rudolf Purps
ZP 4 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({17}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 60 02 Titel 882 04 - Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an strukturschwache Bundesländer - Drucksachen 12/2402, 12/2854 Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth ({18}) Dr. Wolfgang Weng ({19}) Helmut Wieczorek ({20})
ZP 5 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({21}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Geplanter Erwerb einer Kinderkrippe und eines Kinderhorts für die Institutionen und Organe der Gemeinschaften ({22})
Geplanter Erwerb eines Grundstücks für den Bau einer Kinderkrippe in Woluwe
- Drucksachen 12/2315 Nr. 2.1, 12/2855 Berichterstattung:
Abgeordnete Karl Diller
Hans-Werner Müller ({23})
Zum Nachtragshaushalt 1992 liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD vor.
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen eine Debattenzeit von einer Stunde. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlich der Fall und somit so beschlossen.
Ich eröffne die Debatte und erteile dem Abgeordneten Horst Jungmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen zum Nachtragshaushalt 1992 haben gezeigt, daß die Bundesregierung offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, der Krise der Staatsfinanzen durch wirksame Begrenzung des Ausgabenanstiegs Herr zu werden.
({0})
Meine Fraktion hat die Beratungen des Nachtragshaushalts zum Prüfstein für die angekündigte Sparpolitik des Bundesfinanzministers erklärt. Den Test hat der Finanzminister nicht bestanden. Sie haben nicht die politische Kraft besessen, Mehrausgaben im Volumen von knapp 1 % des Bundeshaushaltes durch Kürzen, Streichen oder Strecken an anderer Stelle auszugleichen. Damit hätten Sie ein Signal geben können, daß Sie es zur Begrenzung der steigenden Verschuldung des Bundes mit dem Sparen endlich ernst meinen.
Statt dessen beschleunigt sich der Ausgabenanstieg des Bundes von bisher geplanten 5 auf knapp 6 %. Es bleibt Ihr Geheimnis, wie Sie angesichts dieser Tatsache noch darauf hoffen können, daß die Menschen Ihrer Sparversprechung für die Zukunft glauben sollen.
({1})
Die angekündigte Steigerungsrate für die Bundesausgaben von mittelfristig 2,5 % wird sich ebenso wie die ursprünglich für 1992 geplante Zuwachsrate von 2,9 % als bloßes Versprechen erweisen.
Horst Jungmann ({2})
Bereits bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1992 standen die Mehrausgaben im Volumen von 4 Milliarden DM fest, die Sie bewußt nicht etatisiert haben, 2 Milliarden DM davon für den Schuldendienst des Kreditabwicklungsfonds, 1 Milliarde DM für die Gewährleistung für Osteuropa und mindestens 1 Milliarde DM im Zusammenhang mit dem Strukturhilfegesetz, das wir jetzt im Zusammenhang beraten.
Sie verstießen bewußt gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit, um auf dem Papier eine Zuwachsrate von 2,9 % zu halten,
({3})
statt bereits die am Anfang dieses Jahres erkennbare 4%ige Erhöhung vorzunehmen.
({4})
Sie versuchen jetzt erneut, eine Steigerungsrate von knapp 6 % zu bagatellisieren und zu vernebeln. Deshalb lassen Sie sich gesagt sein: Für die gesamtwirtschaftlichen und kapitalmarktpolitischen Wirkungen des Bundeshaushalts 1992 ist die Ausgabenentwicklung entscheidend, die zwischen den tatsächlichen Ausgaben des Jahres 1991 und Ihren politischen Plandaten 1992 liegen. Da kommen Sie an der Feststellung nicht vorbei, daß der Ausgabenanstieg des Jahres doppelt so hoch liegt wie die vom Finanzplanungsrat empfohlene Ausgabenlinie von 3 %.
Die SPD-Fraktion hat es demgegenüber für unverzichtbar gehalten, die Gesamtausgaben nicht weiter zu erhöhen und die zu erwartenden Steuermehreinnahmen vollständig zur Senkung der Nettokreditaufnahme einzusetzen, damit die Neuverschuldung auf deutlich unter 40 Milliarden DM gesenkt wird.
({5})
Wären Ihnen dagegen nicht die unerwartet hohen, weil inflations- und progressionsbedingten heimlichen Steuererhöhungen zu Hilfe gekommen, hätten Sie die Neuverschuldung des Bundeshaushalts sogar auf etwa 48 Milliarden DM erhöhen müssen.
Weil Sie nicht sparen, sondern die Bundesausgaben in diesem Jahr um 23 Milliarden DM erhöhen, kommen wir mit unserer finanzpolitischen Situation in die Schwierigkeiten, die Sie zu verantworten haben.
({6})
Die von Ihnen als Konsolidierungserfolg herausgestellte Verringerung der Neuverschuldung um nur 4 Milliarden DM ist angesichts der Hypothek der öffentlichen Gesamtverschuldung ohne finanzpolitische Substanz. Wir sind in der Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland an einem Punkt angelangt, wo die unterschiedlichen Einschätzungen der haushaltswirtschaftlichen Perspektiven angesichts der feststehenden explosiven Entwicklung der Schuldendienstverpflichtung der öffentlichen Hände fast schon bedeutungslos werden.
Bis Mitte der 90er Jahre wird die Verschuldung des öffentlichen Sektors einschließlich der Nebenhaushalte auf rund 2,2 Billionen DM - diese Zahl muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - gestiegen sein.
({7})
Obwohl der Bundesfinanzminister bisher nur bereit ist, die Treuhandschulden - entgegen seiner rechtlichen Verpflichtung - lediglich zur Hälfte zu übernehmen, steigt allein die Bundesverschuldung bis Ende 1996 auf rund 900 Milliarden DM an.
({8})
Damit ist der Schuldenberg, meine Damen und Herren von der Koalition, innerhalb von fünf Jahren um 3 Milliarden DM gewachsen.
({9})
Unter Einbeziehung der Nebentöpfe wie des Fonds Deutsche Einheit, ERP oder der explosiven Verschuldung der Bahn und Post muß der Bundeshaushalt die Verantwortung für rund 1,3 Billionen DM Schulden übernehmen.
({10})
Damit verbunden ist ein dramatischer Anstieg der Zinsausgaben, der den Bundeshaushalt finanzpolitisch erdrosselt. Die Zinsausgaben werden bis 1996 im Bundeshaushalt auf 73 Milliarden DM steigen.
({11})
- Herr Kollege, wir sind nicht dabei, den Nachtragshaushalt des Saarlands zu diskutieren. Wir diskutieren den Bundeshaushalt, den Haushalt der Bundesregierung und ihrer Koalition. Darauf sollten wir uns konzentrieren.
({12})
Die Zinsausgaben werden also bis 1996 im Bundeshaushalt auf sage und schreibe 73 Milliarden DM steigen,
({13})
bei vollständiger Einbeziehung des Kreditabwicklungsfonds und der Treuhandanstalt sogar auf 88 Milliarden DM.
Der Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben steigt nach Feststellung der Bundesbank bis Mitte der 90er Jahre auf 15 bzw. 19 %. Fast jede fünfte Mark des Bundeshaushalts geht dann für Zinsen drauf, und das nur, damit die Reichen noch reicher werden, während der kleine Steuerzahler die Zins- und Schuldenpolitik dieser sozialliberalen
({14})
- dieser christliberalen Koalition bezahlt. - Sie
wissen aber genau, wer gemeint ist. Der Steuerzahler
weiß auch, wer ihm das Geld aus der Tasche nimmt.
Horst Jungmann ({15})
Deswegen brauchen wir uns über diesen Versprecher nicht zu streiten. Seit zehn Jahren tragen Sie die Verantwortung. Sie haben die Staatsfinanzen in einen desolaten Zustand gebracht. Darüber werden wir uns noch intensiv unterhalten müssen.
Dieser Befund macht dramatisch deutlich, daß für die Gestaltung der Zukunft keine zusätzlichen realen Finanzierungsspielräume zur Verfügung stehen. Um die Zinsen zu zahlen, sind Sie bereit - das ist das Schlimme -, die soziale Infrastruktur unseres Landes zusammenzustreichen. Deshalb wiederhole ich: Das ist kein finanzpolitisches Programm, sondern ein Anschlag auf den sozialen Frieden in unserem Lande.
({16})
Die hervorstechende Konstante in der Finanzpolitik ist Ihre einseitige, zu Lasten der unteren und mittleren Einkommen ausgerichtete Steuer- und Ausgabenpolitik. Im Jahre 1992 werden die Bürger in unserem Lande rund 50 Milliarden DM mehr Steuern und Abgaben zu zahlen haben. Bis 1996 nimmt die Mehrbelastung der Arbeitnehmer auf Grund der Steuerprogression um weitere 60 Milliarden DM zu.
Auf der anderen Seite haben Sie die Leistungsfähigsten in unserem Lande mit Milliardenbeträgen bei der Vermögensteuer entlastet. Für die Reichsten in unserem Lande wollen Sie sogar den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 53 auf 46 % senken; das entspricht einem Volumen von 8 Milliarden DM. Die Zeche zahlt wieder einmal der kleine Mann. Mit dieser Politik bringen Sie das soziale Klima in unserem Lande auf einen absoluten Tiefststand.
Ihre demonstrative Absage an einen Ausgleich der Interessen zwischen oben und unten gefährdet den sozialen Frieden. Deshalb fordern wir Sozialdemokraten ein neues soziales Bündnis für unser Land;
({17})
denn Ihre Politik produziert in unserem Lande Verteilungskämpfe, die die soziale Einheit Deutschlands in weite Ferne rücken lassen.
Meine Damen und Herren, wir reden heute in diesem Zusammenhang auch über das Strukturhilfegesetz und dessen Aufhebung. Ich denke, zu diesem Tatbestand müssen noch einige Sätze gesagt werden.
({18})
Sie wissen, daß genau dieser Tatbestand der Strukturhilfe ein Anteil des Finanzausgleichs im Gesamtbereich der Bundesrepublik Deutschland war. Die SPD-regierten Bundesländer hatten sich für ein Auslaufen der Strukturhilfe und ein stufenweises Abschmelzen bis 1995 ausgesprochen. Die jetzt zur Verfügung gestellte pauschale Überbrückungshilfe reicht nach Angaben der Länder noch nicht einmal aus, um die vom Bund bereits als förderungsfähig anerkannten und von den Ländern genehmigten Strukturhilfemaßnahmen vollständig abzuwickeln.
Was in diesem Zusammenhang wie ein Sieg des Bundes aussieht - nämlich die Aufhebung des Strukturhilfegesetzes - wird sich für sie allenfalls als
Pyrrhussieg ausweisen. Denn damit haben sie sich selbst einen Stolperstein für den Finanzausgleich zwischen den ostdeutschen und westdeutschen Ländern im Jahre 1995 in den Weg gelegt. Die neuen Länder pochen bereits jetzt auf die im Vermittlungsverfahren zum Finanzpaket 1992 getroffene Vereinbarung, die Ausstattung des Fonds „Deutsche Einheit" laufend zu überprüfen. Sie fordern deshalb mit Ihrer Entschließung vom 3. Juni eine weitere Aufstokkung des Fonds „Deutsche Einheit" für die nächsten beiden Jahre um fast 40 Milliarden DM.
Sie in der Koalition wissen, daß das Strukturhilfegesetz der letzte Baustein im Finanzausgleichssystem der alten Bundesländer gewesen ist. Wenn die Westländer stärker zur Finanzierung des Finanztransfers für die östlichen Bundesländer beitragen sollen, dann muß dies gleichmäßig nach Wirtschafts- und Steuerkraft der einzelnen westlichen Bundesländer geschehen. Dann dürfen im Westen keine neuen Strukturgefälle aufgerissen werden. Mit der Aufhebung der Strukturhilfe haben Sie aber gerade die gutsituierten Westländer - wie Baden-Württemberg und Hessen - vom Lastenausgleich bis 1995 ausgeklammert. Dieser Weg führt in die Sackgasse.
({19})
Meine Damen und Herren, wir gehen heute abend nach dieser Debatte in die Sommerpause. Die deutsche Öffentlichkeit erwartet zu Recht die vom Bundeskanzler vor der Sommerpause angekündigten Entscheidungen auch noch vor der Sommerpause zu hören.
({20})
Ich denke an die Pflegeversicherung, die auch nicht entschieden ist - hier lassen Sie die Menschen im Ungewissen -,
({21})
aber - in diesem Zusammenhang - vor allem auch an den Nachtragshaushalt 1990 sowie an den Jäger 90. Es sollte eigentlich am Dienstag dieser Woche entschieden sein; nun wird es auf Grund der Intervention am 30. Juni bis zur Sommerpause - ({22})
- Lesen Sie einmal Reden des Bundeskanzlers nach, dann wissen Sie, was Sie hier zu sagen haben.
Aber vor der Sommerpause möchte gern der Abgeordnete Helmut Esters eine Frage stellen.
Herr Präsident, wenn Sie mir die Zeit nicht anrechnen,
Das tue ich nicht, nein.
- dann darf mir der Kollege Helmut Esters eine Frage stellen. Dann habe ich Gelegenheit, einen Schluck Wasser zu trinken.
Zunächst einmal prost, Herr Kollege.
({0})
Aber da Sie gerade von der Sommerpause sprechen, möchte ich Sie herzlich bitten, die noch anwesenden Kollegen auf folgendes aufmerksam zu machen - ich nehme an, Sie sind dazu bereit.
({1})
- Das war die Frage. - Im Zuge der Haushaltsberatungen haben wir doch einen bestimmten Titel besonders behandelt; bei diesem Titel sollten alle die Kollegen besonders bedient werden, die freitags nachmittags nach 15 Uhr noch als Redner hier im Saal sitzen und dann bereit sind, ihre Reden zu Protokoll zu geben.
({2})
Herr Kollege Esters, von dem Gerücht, daß den Rednern anläßlich der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages hier heute nachmittag angeblich eine Rednerprämie gezahlt werden solle, habe auch ich gehört. Aber ich denke, im Zusammenhang mit der Debatte in der Öffentlichkeit über die finanzielle Ausstattung von Bundestagsabgeordneten usw. haben wir großzügig - soweit es meine Person und alle anderen Kollegen betrifft - auf die Prämie verzichtet und führen sie wieder dem allgemeinen Bundeshaushalt zu.
({0})
Ich wäre auch bereit, auf die Prämien zu verzichten; wenn mein Kollege Roth, der nach mir an der Reihe ist, seine Rede zu Protokoll gegeben hätte, hätte ich das auch getan.
Zur Sache: Wir waren bei der Sommerpause und bei der Entscheidung zum Jäger 90 stehengeblieben, die nun am 30. Juni fallen soll. Wie sie dann ausgehen wird, weiß ich nicht. Ich kann nur sagen: Während der Verteidigungsminister bis heute nicht müde geworden ist, sich mit guten Argumenten in der Öffentlichkeit gegen die Beschaffung des Jäger 90 auszusprechen, entpuppte sich der Finanzminister und CSU-Vorsitzende Waigel als jemand, der sein Sparprogramm vergessen hat, wenn es um die bayerische Rüstungsindustrie geht.
Man kann nur sagen: Hochachtung, Herr Rühe, mit welchen eingängigen Argumenten Sie sich gegen eine Produktion des Jäger 90 ausgesprochen haben!
({1})
- Was heißt: „gerade Sie"?
({2})
- Was heißt das? Sagen Sie das einmal; Sie können gleich darauf antworten. Ich denke, es ist nichts Negatives, wenn die Opposition einen Minister, der mutig ist, Entscheidungen zu treffen, einmal lobt, auch wenn das der Koalition nicht paßt.
({3})
Damit Sie noch vor der Sommerpause tatsächlich Gelegenheit zu einer Entscheidung haben, haben wir Ihnen für die dritte Lesung einen Entschließungsantrag vorgelegt, dem Sie zustimmen können. Dann wissen wir, daß wir im Haushalt 1993 tatsächlich 100 Millionen und über die Jahre der Beschaffung insgesamt 134 Milliarden DM sparen, wie es in dem Gutachten des Rechnungshofes nachzulesen ist, das uns zwar leider noch nicht vorliegt; aber man kann ja in der Presse lesen, daß Geld in dieser Dimension dabei eine Rolle spielt.
In der Politik kommt es nicht darauf an, immer nur den Mund zu spitzen, sondern darauf, ab und zu einmal zu pfeifen. In der dritten Lesung haben Sie Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen und Ihre Hand hochzuheben. Wenn Sie nachher herauskommen, dann pfeife ich Ihnen dazu auch etwas vor.
({4})
Auf der Kommandeurstagung in Leipzig hat der Verteidigungsminister deutlich gemacht - das findet auch meine Unterstützung -,
({5})
daß in der Bundeswehr der Mensch im Mittelpunkt der Interessen stehen sollte
({6})
und daß die soziale Qualität in diesem Bereich verbessert werden soll. Er hat auch öffentlich eine Wehrsolderhöhung noch für das Jahr 1992 angekündigt.
Die Glaubwürdigkeit der Politik wird nicht durch Ankündigungen alleine besser, sondern Reden und Handeln müssen auch miteinander im Einklang stehen. Wenn man ankündigt und anschließend nicht handelt, dann wird die Politik unglaubwürdig.
Hier ist ein Fall, wo es um Menschen geht, die gegenüber dem Staat ihre Pflicht erfüllen, wo es um das schwächste Glied in der Kette der Bundeswehr geht, um die Wehrpflichtigen, wo man Versprechungen gemacht hat, die man am Ende nicht einhält.
Wir haben deshalb auch hierzu zur dritten Lesung einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich empfehle Ihnen, diesem Entschließungsantrag, wenn Sie Ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verbessern wollen, zuzustimmen, damit die Wehrpflichtigen ab 1. Oktober 1992 2 DM pro Tag an Wehrsold mehr bekommen. Damit würde etwas für die Glaubwürdigkeit der Politik getan.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei meinen Kollegen im Haushaltsausschuß, bei allen, die an der Beratung in den Ausschüssen teilgenommen haben, recht herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken und wünsche uns allen eine erholsame Sommerpause.
({7})
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Adolf Roth das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat aus Anlaß der zweiten Lesung zum Nachtragshaushalt
Adolf Roth ({0})
1992 Entschließungsanträge eingebracht. Das ist ihr gutes und verbrieftes Recht, allerdings in diesem Falle nicht sehr erfolgversprechend; denn wir werden beide Anträge ablehnen,
({1})
nicht weil wir Ihnen etwas pfeifen wollen, Herr Kollege, sondern weil das Thema Jagdflugzeug 90 zu ernst ist, um es mit einigen lapidaren Sätzen im Entschließungsantrag hier am Rande einer anderen Beratung parlamentarisch zu beerdigen. Wir arbeiten an dieser Frage konzeptionell. Wir werden in aller Kürze unsere Entscheidungen treffen und dann entsprechend parlamentarisch handeln.
({2})
Herr Abgeordneter Roth, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kolbow zu beantworten?
So früh schon?
Ja.
Bitte sehr, Herr Kollege.
Da Sie sehr früh die Ablehnung beider Anträge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bekanntgegeben haben, Herr Kollege, wollte ich Sie gerne auch sehr früh fragen, warum Sie denn den Wehrsoldantrag ablehnen, obwohl er im Verteidigungsausschuß einvernehmlich beschlossen worden ist. Ich frage Sie deswegen so früh, weil Sie, Herr Kollege, damit möglicherweise stärkere Argumente in Ihre Antwort aufnehmen können.
Verehrter Herr Kollege, ich habe mir gleich gedacht, daß Sie zu früh gefragt haben. Sie haben meine Aussage zu diesem Punkt nicht abwarten wollen.
Ich darf darauf verweisen, daß zu diesem Thema der Verteidigungsausschuß auf Antrag der Fraktion der CDU/CSU und in Übereinstimmung mit unserem Koalitionspartner am 3. Juni bereits einen Entschließungsantrag behandelt hat, der auch einstimmig gebilligt worden ist und der diese Wehrsolderhöhung zum Ziele hat. Wir werden selbstverständlich den Worten auch Taten folgen lassen. Das Verfahren ist eingeleitet. Ich bitte Sie, die Geduld bis zur Einbringung der entsprechenden Gesetzesvorlage aufzubringen. Dann werden wir rechtzeitig zu einer Entscheidung kommen.
({0})
Herr Abgeordneter Roth, der Abgeordnete Kolbow möchte noch einmal fragen, und der Abgeordnete Jungmann möchte eine Frage stellen. Bevor das nun genehmigt wird oder nicht, möchte ich nur einmal darauf aufmerksam machen, daß wir uns fast eineinhalb Stunden hinter dem Zeitplan befinden und daß darauf ein wenig Rücksicht genommen werden sollte.
Herr Abgeordneter Roth, es liegt ausschließlich bei Ihnen, darüber zu entscheiden, ob Sie die Fragen zulassen wollen oder nicht.
Da es zwei sehr disziplinierte Kollegen sind, werde ich ihre Kurzfragen zulassen. Bitte.
Ich bedanke mich, Herr Kollege. - Ich habe mich nur deshalb noch einmal gemeldet, um Ihnen die Gelegenheit zu geben, die Frage so zu beantworten, wie ich Sie jetzt stellen möchte. Sind Sie bereit, Herr Kollege, mindestens zu akzeptieren, daß der Antrag am 3. Juni im Verteidigungsausschuß eine Initiative der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion war, der sich die Kollegen von der CDU/CSU und dor F.D.P. angeschlossen haben?
Herr Kollege, dazu bin ich nicht bereit. Ich war nicht dabei. Ich habe aber die Beschlußempfehlung gelesen. Darin steht eindeutig: Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD und F.D.P. Ich gehe davon aus, daß es eine einmütige Verabschiedung war.
({0})
Das habe ich auch in meinen Worten zum Ausdruck gebracht.
Der Abgeordnete Jungmann verzichtet auf seine Zwischenfrage. Vorsorglich sage ich: Ich werde bei diesem Redebeitrag auch keine weiteren Fragen mehr zulassen. - Bitte schön.
(Horst Jungmann ({0})
Meine Damen und Herren, zurück zum Nachtragshaushalt 1992. Sie alle wissen, es ist und bleibt unser vordringlichstes Ziel, den Aufbau in den neuen Bundesländern ausreichend zu finanzieren und den Aufbauprozeß in Deutschland in einem überschaubaren Zeitraum so zu gestalten, daß sich die Lebensbedingungen angleichen werden, auch wenn zwangsläufig regionale Unterschiede am Ende verbleiben werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir bei unserer Haushaltspolitik die Mittel konzentrieren, insbesondere im investiven Bereich. Ich darf die Einschätzung aller Sachverständigen hier mit einbringen: Es gibt überhaupt nur einen Königsweg zum Aufbau in den östlichen Bundesländern, und das ist, ihre eigenen Produktivkräfte zu stärken. Das heißt, wir müssen die investiven Leistungen so verstärken, daß nicht nur im öffentlichen Bereich, wo das in erstaunlichem Umfange schon geschieht, sondern auch im privatwirtschaftlichen Bereich die produktiven Kräfte gestärkt und Investitionsprozesse in Gang gesetzt werden.
({0})
Dies erfordert zweierlei: Es erfordert eine nachhaltige Solidarität im Westen, allerdings auch eine gewisse Geduld im Osten, denn immerhin können wir nicht in 20 Monaten nach der Einheit all das einplaAdolf Roth ({1})
viert haben, was in 40 Jahren Sozialismus unter die Räder gekommen ist.
({2})
Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche haben wir die Beratungen im Haushaltsausschuß abgeschlossen. Ich habe eigentlich nach der Rede des Kollegen Jungmann doch den Eindruck, daß er nicht ganz verhehlen konnte, daß wir zu positiven Ergebnissen gekommen sind. Ich will sie wie folgt zusammenfassen.
Erstens. Die Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind trotz der enormen Herausforderung des Einigungsprozesses nach wie vor unter Kontrolle. Das weist das Beratungsergebnis aus.
Zweitens. Unser Ziel, das bei der Einbringung des Nachtragshaushaltes in der ersten Lesung hier vorgestellt wurde, die Steuermehreinnahmen für die Rückführung der Nettokreditaufnahme zu verwenden, ist de facto erreicht worden.
({3})
Die Nettokreditaufnahme wird im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltssoll 1992 um nicht weniger als 4,8 Milliarden DM auf 40,5 Milliarden DM abgesenkt. Das sind 10 Milliarden DM weniger, als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen gewesen sind! Da frage ich Sie: Was provoziert Ihre Kritik in diesem Punkt?
({4})
- Darauf komme ich noch zurück, Herr Kollege Borchert.
Dritter Punkt: Die restriktive Linie beim Personal wird eingehalten. Es wird keine Stellenvermehrung geben. Im Haushaltsgesetz ist festgelegt worden, daß alle von der Bundesregierung im Nachtragshaushalt insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufbau neuer Vertretungen in den osteuropäischen Ländern veranschlagten Mittel bis zum Ende dieses Jahres an anderer Stelle wieder eingespart werden müssen.
({5})
- Das haben wir in der Tat immer eingehalten.
({6})
Im übrigen ist es die gesetzliche Pflicht der Regierung, das zu tun, und deshalb beschließen wir es hier.
({7})
Viertens. Die Koalitionsfraktionen bleiben mit diesem Ergebnis im Einklang mit ihrem Beschluß vom 5. Mai 1992, durch eine Politik strikter Sparsamkeit die Kreditaufnahme des Bundes in den nächsten Jahren bis 1996 schrittweise auf 25 Milliarden DM zurückzuführen. Ich möchte die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses auffordern, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen, und zwar auch in Gestalt der Anträge, die Sie dem Hause vorlegen.
({8})
Ich fordere nicht nur die Bundespolitiker der SPD dazu auf, sondern vor allem auch die Sozialdemokraten, die Verantwortung in den Ländern und in den Kommunen tragen: Übernehmen Sie bitte die Empfehlungen des Finanzplanungsrates, und machen Sie sich die dort gegebenen Empfehlungen zu Ihrer eigenen Sache!
Der Abbau der Neuverschuldung des Bundes kann sich in Zahlen sehr deutlich sehen lassen, Herr Kollege Jungmann. 1989, in dem Jahr, das mit dem Fall der Mauer endete, betrug das Haushaltsdefizit weniger als 15 Milliarden DM. Im Jahr darauf - im Jahre 1990, dem Jahr, in der die dritte, die weitestgehende Stufe der Steuerreform in Kraft getreten ist - ist das Defizit auf knapp 44 Milliarden DM angestiegen. Im Jahre 1991 sahen die Eckwerte - in der Zeit vor der Bundestagswahl, aber auch, laut Haushaltsentwurf, in der Zeit nach der Bundestagswahl - eine Obergrenze von 70 Milliarden DM für die Neuverschuldung des Bundes vor. Tatsächlich hatten wir Ende 1991 eine Neuverschuldung in Höhe von nur 50,8 Milliarden DM,
({9})
und auch im Jahre 1992 ist mit einer weiteren Absenkung der Nettokreditaufnahme um weitere 10 Milliarden DM auf 40,5 Milliarden DM zu rechnen.
Wenn ich berücksichtige, daß in diesem Jahr aus den Gewinnabführungen der Deutschen Bundesbank weitere 7,5 Milliarden DM zur Direkttilgung von Altschulden des Bundes verwendet werden, dann sinkt die Neuverschuldung im Jahre 1992 auf 33 Milliarden DM. Das ist sicher viel Geld - es sind 8 % der Ausgaben des Bundes -, aber es sind 1,1 % des in diesem Jahr in Deutschland prognostizierten Bruttosozialprodukts.
({10})
Meine Damen und Herren, wenn Sie das einmal vergleichen mit dem Schlußergebnis Ihrer eigenen Regierungszeit im Jahre 1982, als die Defizitquote, gemessen an den Gesamtausgaben des Bundes, doppelt so hoch war, nämlich bei 16,5 % lag, und als das Defizit des Bundes, gemessen am damaligen Bruttosozialprodukt, das ja nur halb so hoch wie heute gewesen ist, 2,5 % betrug und damit mehr als doppelt so hoch war wie jetzt, dann müssen Sie doch wirklich eingestehen, daß wir in der Phase der größten finanzpolitischen Herausforderung der Nachkriegszeit eine saubere, seriöse und solide durchfinanzierte Haushaltspolitik betrieben haben.
({11})
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein deutliches Wort zu den Ländern und zu den Gemeinden insbesondere in den alten Bundesländern sagen.
({12})
Das Defizit der Gebietskörperschaften insgesamt wird nach den Berechnungen der Deutschen Bundesbank 1992 etwas niedriger als im Vorjahr ausfallen. Aber den sinkenden Defiziten des Bundes und des Fonds
Adolf Roth ({13})
Deutsche Einheit stehen auf der anderen Seite höhere Defizite der Länder und der Gemeinden gegenüber. Man muß in der Öffentlichkeit einfach auch einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Länder und Gemeinden im Westen Deutschlands in den drei Aufbaujahren nach der Wiedervereinigung bis jetzt ganze 20 Milliarden DM als eigenen Beitrag für Ostdeutschland aufgewendet haben, während diese westlichen Bundesländer und Gemeinden gleichzeitig 70 Milliarden DM neue Schulden gemacht haben. Da möchte ich doch die Frage stellen: Wo bleibt die gesamtstaatliche Verantwortung der westlichen Bundesländer und vieler Gemeinden? Das ist die Frage, die hier im Mittelpunkt stehen muß. Es muß endlich Schluß sein mit dem peinlichen Länderegoismus, wie wir ihn in den letzten Jahren in der Bundesrepublik erlebt haben.
Das Beratungsergebnis zum Haushalt 1992 zeigt, daß die Koalitionsfraktionen mit ihrer Politik der restriktiven Haushaltsführung auf einem guten Weg sind und daß dieser Weg Früchte trägt. Von den Mehranforderungen auf der Ausgabenseite in Höhe von brutto 61/2 Milliarden DM werden im Nachtragshaushalt 1992 immerhin 31/2 Milliarden DM durch Kürzungen an anderer Stelle unmittelbar kompensiert.
Im wesentlichen konzentrieren sich die zusätzlichen Ausgaben auf die Beratungshilfen für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und für andere Staaten in Ost- und Mitteleuropa, außerdem auf zusätzliche Zinsleistungen für den Kreditabwicklungsfonds und zusätzliche Vorsorge zur Bedienung von Gewährleistungen insbesondere im Hinblick auf die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie diese Politik im sachlichen Diskurs unserer Ausschußberatungen immer mitgetragen haben: Wir wissen doch gemeinsam, daß wir gerade bei der Vorsorge für diese Verpflichtungen gegenüber Osteuropa mittlerweile in eine schwierige Gratwanderung gekommen sind und daß uns auf diesem Wege sehr schwerwiegende politische und leider auch haushaltsrechtliche Abwägungen ins Haus stehen, über die wir an anderer Stelle sehr sorgfältig diskutieren müssen.
({14})
Ein weiterer Punkt, der im Nachtragshaushalt geregelt werden mußte und der auch heute in dem entsprechenden Gesetz zur Beratung ansteht, ist die Abschlußzahlung bei der Strukturhilfe an die westlichen Bundesländer. Die Ausgabe in Höhe von 1,5 Milliarden DM ist im Vermittlungsverfahren zum Finanzpaket 1992 zustande gekommen und insofern nicht korrigierbar. Sie ist aber ein deutlicher und zusätzlicher Beweis für den Vorhalt von vorhin an die Adresse der sozialdemokratisch regierten Bundesländer, wie es um die Solidarität des Westens gegenüber den jungen Bundesländern steht. Ich finde, es ist ein Skandal, wie lange es gedauert hat, bis sich in den westlichen Bundesländern, die Strukturhilfe empfangen, die Einsicht durchgesetzt hat, daß es nach der Wiedervereinigung Deutschlands ärmere Länder und ärmere Regionen gibt, denen vorrangig geholfen
werden muß, und daß das alte Strukturhilfegesetz nicht länger von Bestand sein konnte.
Dieses späte Eingeständnis muß der Bund nunmehr mit 1,5 Milliarden DM bezahlen, also mit Geld, das dem Aufbauprozeß in Ostdeutschland nicht mehr zugute kommen kann. Das ist die „Solidarität", von der oft so lautstark geredet wird,
({15})
auf die man in der Praxis der Politik dann aber leider Gottes nicht stößt.
({16})
Meine Damen und Herren, hier hätten die SPD und ihre Ministerpräsidenten beweisen können, was sie unter sozialer Symmetrie und anderen Dingen verstehen. Sie haben die Chance gänzlich vertan.
({17})
Darüber hinaus werden die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" erhöht. Es können über den bisherigen Rahmen hinaus insbesondere für Industrieansiedlung und Infrastrukturmaßnahmen weitere Investitionszuschüsse an die neuen Bundesländer gewährt werden. Immerhin steigt der Bewilligungsrahmen für 1992 in diesem Bereich auf 5,6 Milliarden DM.
Auch hier eine kritische Anmerkung, die sich an alle richtet, an uns und an die Länder: Wir müssen darüber nachdenken, ob die gewünschte Umlenkung von Kapital in die neuen Länder bei gleichem Plafond nicht wirkungsvoller erfolgen kann, wenn wir in Zukunft die Fördersätze überprüfen und gegebenenfalls absenken und wenn wir auch über die Dimension der Fördergebiete im Sinne einer Verringerung neu nachdenken. Womöglich werden wir beides tun müssen. Das wäre eine Möglichkeit, den Aufholprozeß in den jungen Bundesländern zu verstärken.
Die im Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost veranschlagten Investitionsmittel werden im nächsten Jahr über die regulären Einzelpläne der Ressorts durchfinanziert. Aber sie werden nicht mehr wesentlich erhöht werden können. Wir stoßen bei Gesamtleistungen zwischen 80 und 90 Milliarden DM sicher an gewisse Haushaltsgrenzen.
Entscheidend dürfte aber sein, meine Damen und Herren, daß wir endlich aufhören, in diesem Zusammenhang nur über Kosten und Finanzen und zu wenig über Inhalte zu reden. Der Aufbau drüben scheitert erkennbar nirgends an Geld- oder Kapitalmangel. Wohl aber gibt es nach wie vor einen Mangel an rechenbaren Investitionschancen. Hier gilt es, gewisse Trägheitsmomente zu überwinden. Die gesetzlichen Maßnahmen haben wir ja auf den Weg gebracht.
Die bei der Sozialdemokratie immer deutlicher erkennbar werdende Lust an der Staatswirtschaft, an einer verstärkten Intervention über den Staat und
Adolf Roth ({18})
über öffentliche Entscheidungsträger, führt uns auf diesem Feld nicht weiter.
({19})
Das ist eine Politik, die bereits in den 70er Jahren kläglich genug gescheitert ist.
({20})
Die SPD hat gerade in den letzten Tagen wieder Programme mit zusätzlichen Steuer- und Abgabewünschen vorgelegt,
({21})
die dem privatwirtschaftlichen Sektor 40 bis 50 Milliarden DM entziehen würden. Dabei wird zweierlei übersehen: Erstens muß dies bei einer insgesamt keineswegs so stabilen Konjunktur zwangsläufig zu einer Belastung der Aufschwungkräfte führen.
({22})
Zum anderen führt jedes Prozent weniger Wachstum zu Mindereinnahmen und Mehrausgaben allein im Bundeshaushalt in einer Größenordnung von 14 Milliarden DM.
Der zweite Punkt, den die Sozialdemokratie nach wie vor übersieht, ist folgender. Nicht die Marktwirtschaft ist gescheitert, sondern der Realsozialismus.
({23})
Wenn Herr Klose öffentlich zum Ausdruck bringt, hier sei der klassische Neokonservatismus gegen die Wand gelaufen, dann frage ich mich: In welcher Welt lebt Herr Klose eigentlich?
({24})
Wer ist denn hier gegen die Wand gelaufen? Nicht die Marktwirtschaft und die Erneuerungspolitik, die wir jetzt begonnen haben, sind gescheitert, sondern wir haben die Folgen des gescheiterten Kommunismus und Sozialismus, die 40 Jahre lang herrschten, zu bekämpfen.
({25})
Meine Damen und Herren, wir werden konsequent unseren Weg der marktwirtschaftlichen Erneuerung fortsetzen. So wie in den 80er Jahren werden wir auch in den 90er Jahren unsere Politik auf diesem Weg entschlossen fortsetzen. Wir werden, gerade weil dieser Nachtragshaushalt zusätzliche Möglichkeiten eröffnet, fortfahren, unsere Investitionspolitik durch eine Konzentration der eingesetzten Mittel zu verstärken. Wir werden den festgesetzten Sparkurs der künftigen Jahre weiter absichern, so wie es mit diesem Nachtragshaushalt geschehen ist.
Sie dürfen getrost den Entwurf des Bundeshaushalts 1993 in der nächsten Woche erwarten. Herr Kollege Jungmann, dann wird sich bestätigen, daß wir die Rahmenbedingungen, die wir beschlossen haben - Begrenzung der Ausgabenzuwächse auf 2,5 %, entschlossene Sparpolitik, Absenkung der Neuverschuldung mittelfristig bis 1996 -, konsequent einhalten.
({26})
Ich bitte um Ihre Unterstützung. Wir werden jedenfalls diesen Nachtragshaushalt 1992 durch die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und unseres Koalitionspartners unterstützen.
Herzlichen Dank.
({27})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wolfgang Weng.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben am 4. Mai mit ihrem Beschluß zur zukünftigen Haushalts- und Finanzpolitik den Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen sich die Ausgaben und die Schulden des Bundes entwickeln sollen. Der Bundesfinanzminister hat diesen Rahmen vorgeschlagen. Mit der heutigen abschließenden Beratung des Nachtragshaushalts 1992 setzen wir einen Eckpfeiler dieser Planung, nämlich die Basis der künftigen Berechnung.
Nach der Erklärung des Finanzministers sollen nämlich die jetzt auf rund 425 Milliarden DM festgelegten Ausgaben diejenige Summe sein, von der aus sich die künftigen Wachstumsraten errechnen. Das ist wichtig, weil wir ja eine mittelfristige Aussage gemacht haben und an diesen mittelfristigen Zahlen messen wollen, was wir künftig haushaltsmäßig beschließen. Wir sind davon überzeugt, daß wir damit auf dem richtigen Wege sind.
Wir hoffen, mit der sparsamen Ausgabenpolitik, die die Beschlüsse der Koalition im Haushaltsausschuß noch verbessert haben, diesen Weg weiter mit Erfolg beschreiten zu können. Natürlich steht im Hintergrund die Frage, ob dieser Weg genügt oder ob vielleicht doch ein Befreiungsschlag z. B. im Sinne des Vorschlags des Herrn Bundespräsidenten zu einem Lastenausgleich erfolgen müßte, der allerdings seinerzeit, wie Sie wissen, nicht präzisiert worden ist.
Meine Erfahrung sagt mir, daß solche Befreiungsschläge in der Politik praktisch nie das gewünschte Ziel erreichen. Natürlich darf aber auch nicht der freie Fall wie bei dem bekannten Beispiel des Menschen eintreten, der aus dem obersten Stock eines Hochhauses springt und sich bei jedem Stockwerk, an dem er vorbeifliegt, zuruft: Bis hierher ist es gutgegangen.
Meine Damen und Herren, wie gesagt: Wir sind überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Der Nachtragshaushalt mit seinen vor allem für die Entwicklung der neuen Bundesländer wichtigen Ausgaben ist im Haushaltsausschuß nochmals sparsamer gestaltet worden, als er vom Finanzminister und von der Bundesregierung vorgelegt worden ist.
({0})
Die günstige Situation bei den Steuereinnahmen
haben wir ganz wesentlich, praktisch in vollem
Dr. Wolfgang Weng ({1})
Umfang, dazu genutzt, die Nettoneuverschuldung abzusenken.
({2})
Ich wünschte mir, daß die Länder und Gemeinden im Westen Deutschlands - das gilt vor allem für die reichen und gut ausgestatteten Gemeinden - eine vergleichbare Haushaltsdisziplin vorweisen könnten. Dies gilt für die letzten Jahre, insbesondere seit der deutschen Einigung.
Ich sage aber auch voraus, daß künftig bei allen Gebietskörperschaften Investitionen nicht mehr pauschal als gute öffentliche Ausgaben akzeptiert werden können, ohne daß man die Personal- und die sonstigen Folgekosten, d. h. ohne daß man die dauerhafte Kostenbelastung, die aus solchen Investitionen entsteht, berücksichtigt.
Mehr denn je muß die Koalition die Finanzsituation deshalb dazu nutzen - der Druck durch eine enge Kassensituation ist manchmal ja nützlich -, ihre ordnungspolitischen Zielvorstellungen mit diesen finanzpolitischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Deregulierung, Privatisierung und Entstaatlichung sind das Gebot der Stunde.
({3})
Daß hierbei die Union als politische Kraft noch stärker gefordert ist als wir, ergibt sich ganz einfach daraus, daß sie in den Bundesländern und vor allem in den Kommunen, in denen sich die größten Entstaatlichungspotentiale befinden, in wesentlich größerem Umfang Verantwortung trägt als die Liberalen. Wir stehen aber als Partner für diese richtige Politik zur Verfügung, während das linke Spektrum in diesem Haus, wie Sie wissen, auf mehr Staat setzt.
({4})
Die haushaltspolitische Verantwortungslosigkeit der SPD hat sich ja heute vormittag wieder sehr deutlich gezeigt.
({5})
Man greift etwas Wünschenswertes auf, in diesem Fall die Fortsetzung der Investitionsförderung im Osten. Man fordert in Kenntnis der internen Diskussion der Koalition mit einem Schnellschuß Mehrausgaben von 11 Milliarden DM, selbstverständlich ohne hierfür die erforderlichen Finanzmittel nachzuweisen. Gleichzeitig jammert man lauthals, wie der Kollege Jungmann, über fehlende staatliche Sparsamkeit.
({6})
Frau Matthäus-Maier hat diese Verantwortungslosigkeit mit dem kurzen Beitrag, den sie heute morgen in diesem Zusammenhang geleistet hat, wirklich hervorragend personalisiert.
({7})
Mich wundert übrigens, daß zur Finanzierung nicht erneut die von der SPD inzwischen sicher schon zehnmal in anderem Zusammenhang verplanten Gelder für den Jäger 90 genannt worden sind, obwohl die SPD natürlich sehr genau weiß, meine Damen und Herren, daß aus dem von der F.D.P. gewünschten Absturz dieses Vogels kurzfristig kein Geld zur Verfügung steht.
({8})
Eine traurige Spitze solch unseriöser Finanzforderungen hat hierbei auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende, Frau Dr. Däubler-Gmelin, geliefert, die das Pflegerisiko in einem Presseartikel mit diesem nicht vorhandenen Geld absichern wollte.
({9})
Ich bin sicher, daß die Hoffnungen, die die SPD auf solchen Populismus setzt, durch den mündigen Bürger in unserem Land per Stimmzettel zum gegebenen Zeitpunkt zu Grabe getragen werden.
({10})
Auch bei dieser Etatberatung und vor allem bei der Debatte im Haushaltsausschuß sind wir uns immer über die zusätzlichen Risiken im klaren, die die Finanzplanung belasten. Nicht allein die nationalen Notwendigkeiten, sondern auch die Entwicklungen im Osten Deutschlands und in unseren östlichen Nachbarländern fordern uns ja in erheblichem Maße. Es stellt sich die Frage, in welchem Umfang wir künftig Bürgschaften werden übernehmen können, wenn wir das Risiko, das bei nahezu 100 % liegt, nicht durch den Haushalt absichern können. Der Kollege Roth hat ja auf diese Problematik hingewiesen.
Auch das Stichwort weitere öffentliche Schulden aus sogenannten Schattenhaushalten kann nicht unerwähnt bleiben. Denn die formale Abtrennung, wie sie z. B. bei der Bahn und bei der Post gegeben ist, hilft ja nicht. Letztendlich entstehen dem Bundeshaushalt auch dort Verpflichtungen.
Daß die Bundesländer ihre Mitwirkungsmöglichkeiten im Bundesrat bestmöglich nutzen, um dem Bund Geld abzupressen, obwohl sich dieser in einer schwierigeren finanziellen Situation befindet als die alten Bundesländer, kann gar nicht oft genug öffentlich gesagt werden.
({11})
- Herr Kollege Duve, Ihren Zwischenruf greife ich deswegen gerne auf, weil den Bürgern im Land natürlich nicht bewußt ist, welche Entscheidungen in welchen Gremien getroffen werden und wer für solche Entscheidungen die Verantwortung zu tragen hat. Die unterschiedlichen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und im Bundesrat, die von Ihrer Seite immer parteipolitisch ausgeschlachtet werden, was seinen Niederschlag in den Verfahren des Vermittlungsausschusses findet, sind für die Bürger draußen nicht transparent. Deswegen muß man bei einer solchen Haushaltsdebatte sehr wohl Transparenz herstellen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Duve?
({0})
Mit Blick auf den Zeitpunkt, zu dem die Kollegen hier ausharren, würde ich darüber abstimmen lassen, Herr Präsident, ob die Kollegen das wünschen.
({0})
Ich will mich der Frage nicht entziehen. Doch verstehe ich auch, daß die Zeit etwas drängt.
({1})
Ich habe auf die traurige Rolle, die die SPD aus parteitaktischen Gründen im Bundesrat spielt, schon hingewiesen. Es muß auch festgehalten werden, daß dort immer mehr Kompetenzen für die Länder gefordert werden - unsinnigerweise sogar in der Außenpolitik -, während die eigenen Aufgaben häufig nur ungenügend erfüllt werden. Und wenn es dann ums liebe Geld geht, ist man sich schnell einig, daß beim Bund abkassiert werden soll.
Wir debattieren heute - das muß in diesem Zusammenhang ja gesehen werden - auch über das auslaufende Strukturhilfegesetz. Das, was die westlichen Bundesländer mit Blick auf die Notwendigkeiten im Osten getan haben, entlarvt ihren Egoismus. Um das Finanzkonzept zu sichern, muß der Bund noch einmal 1,5 Milliarden DM an Strukturhilfe zur Überbrückung an die seitherigen Empfängerländer im Westen Deutschlands zahlen, Geld, das in den neuen Bundesländern für Wichtigeres und auf bessere Weise angelegt gewesen wäre.
({2})
Meine Damen und Herren, die F.D.P.-Fraktion stimmt dem Nachtragshaushalt 1992 in der vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Fassung zu. Damit dokumentieren wir, daß wir zusammen mit unseren Partnern von der Union auch unter den noch schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen das richtige Finanz- und Haushaltskonzept gegen eine populistische und verantwortungslose Opposition durchsetzen.
Vielen Dank.
({3})
Meine Damen und Herren, zu einer Intervention nach § 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Kollegen Jungmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Weng hat eine Zwischenfrage mit. dem Hinweis auf die Uhrzeit abgelehnt. Dafür hat er Beifall von den Koalitionsfraktionen bekommen. Ich möchte darauf hinweisen: Daß wir heute nachmittag hier sitzen und über Gesetzentwürfe abstimmen müssen, liegt nicht am Parlament, sondern an der verzögerten Zuleitung einzelner Vorlagen durch die Bundesregierung. Sie trägt die Verantwortung dafür, daß darüber nicht ordnungsgemäß diskutiert werden kann.
({0})
Meine Damen und Herren, ich erteile gemäß demselben Paragraphen unserer Geschäftsordnung dem Kollegen Weng das Wort.
Ich will nur der guten Ordnung halber darauf hinweisen, daß ich keinen Beifall dafür bekommen habe, daß ich eine Zwischenfrage abgelehnt habe. Es ist sachlich falsch, was der Kollege Jungmann eben gesagt hat.
({0})
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat unser Kollege Freimut Duve das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht meine Zwischenfrage stellen, sondern zu einem anderen Gegenstand einige kurze Bemerkungen machen. Ich möchte das in der Eigenschaft als Vorsitzender des Unterausschusses Kunst und Kultur tun und mir nicht anmaßen, in den heiligsten Machtbereich des Parlaments einzudringen, nämlich die Haushaltsdebatte.
({0})
- Nein, nein, hören Sie zu. Sie sind ja daran schuld.
Der Haushaltsausschuß hat für diese Debatte auch die Beschlußempfehlung zu einem Antrag der SPD-Fraktion zur Fortführung der Erhaltungsverpflichtung und Mitfinanzierungsverpflichtung gegenüber den Einrichtungen der Kultur in den neuen Bundesländern gefaßt. Von allen beteiligten Ausschüssen - ich will das in allem Ernst sagen - haben nur die Unionsabgeordneten und die F.D.P.-Abgeordneten des Haushaltsausschusses den gemeinsamen Wunsch von uns allen, der Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag gerecht zu werden, abgelehnt.
Ich will noch einmal die Bitte äußern - Sie wissen, ich habe Ihnen allen einen Brief geschrieben -, in dieser Frage keinen vorzeitigen, dramatisch wirkenden Abbau zu betreiben. Wir werden uns als SPD-Fraktion in dieser Sache in der Haushaltsdebatte im September noch einmal sehr deutlich zu Wort melden.
({1})
Aber jetzt richte ich den Appell an Sie: Versuchen Sie, das zu korrigieren, was bis heute vormittag noch aus dem Finanzministerium zu hören war: daß man schon im Haushalt 1993 diese Bundesverpflichtung streichen möchte. Das muß korrigiert werden.
Ihnen und dem Bundeskanzler liegt ein Brief des Ministerpräsidenten Vogel vor. Es gibt mehrere Interventionen des Ministerpräsidenten Biedenkopf. Wir sind da noch weitgehend in einem Boot. Meine
Intervention hat den Zweck, Sie aufzufordern, daß wir in dieser Sache auch weiterhin in einem Boot bleiben können. Das ist sehr wichtig für das, was in den nächsten Jahren in den fünf neuen Bundesländern politisch geschieht.
Ich bitte Sie also, Ihre Beschlußempfehlung bei nächster Gelegenheit, nämlich beim Haushalt 1993, in der Sache zu revidieren.
Ich danke für Ihre sehr freundliche und freundschaftliche Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erteile jetzt unserem Kollegen Manfred Carstens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Haushalts- und Finanzexperten Adolf Roth und Wolfgang Weng haben die Finanzpolitik der Bundesregierung und der Koalition bereits sehr fundiert dargelegt.
({0})
Wir haben mit dem Nachtragshaushalt 1992 einen Nachtragshaushalt, von dem man sagen kann: Er beweist geradezu auf nachhaltige Art, daß Bundesregierung und Koalition die festgelegten finanzpolitischen Eckwerte präzise einhalten wollen. Das gilt für 1992 wie für die folgenden Jahre.
Wenn man sich die Steigerungsrate im Nachtragshaushalt ansieht und das, was eigentlich nicht mitgerechnet werden darf - z. B. das, was die Bundesregierung neu in den Fonds Deutsche Einheit zahlt, und die aufgelaufenen Kosten für den Kreditabwicklungsfonds -, dann handelt es sich um eine Steigerungsrate von 2,7 %. Wir können sicher sein, daß der Finanzminister es schafft, in der nächsten Woche einen Haushaltsentwurf für 1993 vorzulegen, der die für 1993 festgelegten Eckwerte einhalten wird.
Wir haben es mit Hilfe des Haushaltsausschusses geschafft, bei nicht unerheblichen Mehrausgaben im Jahr 1992 die Kreditaufnahme weiter auf 40,5 Milliarden DM zu reduzieren, eine Reduzierung von über 2 Milliarden DM. Das will schon etwas heißen, und das kann sich in der Tat sehen lassen.
Wenn man die Steigerungsraten von 2,7 % in diesem Jahr und von ca. 2,5 % für 1993 sieht, dann kann man sagen, daß wir wegen der deutschen Einheit gezwungen waren, für zwei Jahre den Ausgabenanstieg überdurchschnittlich stark wachsen zu lassen, um dann aber schon ab 1992 wieder in ein Fahrwasser der Ausgabenpolitik mit einem Zuwachs zwischen 2 und 3 % zu kommen, was eine strikte Ausgabenbegrenzung bedeutet und was eigentlich das Markenzeichen einer guten Finanzpolitik ist.
({1})
Wir haben unsere Zusage eingehalten, zum 1. Januar 1992 den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wieder zu senken, und wir werden die Zusage einhalten, in wenigen Tagen, am 30. Juni, den Solidaritätszuschlag auslaufen zu lassen.
({2})
Das waren präzise Aussagen, die auch präzise eingehalten worden sind. Deswegen braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn z. B. die internationalen Finanzmärkte, der Kapitalmarkt, also Experten in der Welt und in Deutschland diese Politik entsprechend werten und honorieren.
Von daher kann man sagen: Die Aufgabe ist groß, ist gewaltig - es geht um die deutsche Einheit -, aber sie kann bewältigt werden. Sie wurde bislang bewältigt. Wichtig ist, daß sich auch die Bundesländer und die Kommunen, vor allen Dingen im Westen, ebenfalls an der Bewältigung dieser Aufgabe beteiligen, d. h. sich hinsichtlich ihrer Ansprüche an die Finanzmärkte auch bescheiden und zurückhalten. Das heißt nicht, daß kein neues Geld ausgegeben werden darf, aber es heißt, daß nicht alles, was man noch vor einigen Jahren durchführen wollte, nun auch unbedingt und sofort durchgeführt werden muß.
Dieses insgesamt bedenkend, können wir sagen: Wir werden imstande sein, unsere finanzpolitischen Eckwerte einzuhalten.
Wir haben jetzt das Nötige getan, um in den neuen Ländern Investitionsanreize zu geben. Das nötige Geld ist zur Verfügung gestellt worden. Wir haben etwas getan für den Wohnungsbereich, für regionale Wirtschaftsförderung, also gerade für die wichtigen Bereiche, in denen Investitionsimpulse gegeben werden können.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, daß das eine gute Ausgangsposition auch für die Gestaltung des Haushalts 1993 ist. Dem Kollegen Duve darf ich sagen, daß er wahrscheinlich - beschlossen ist ja noch nichts -, was seinen Punkt angeht, Grund haben wird, schon in der nächsten Woche die Regierung zu loben. Das sollte die Opposition ruhig öfter tun.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.
Ich bitte, einverstanden zu sein, daß wir zu diesem Tagesordnungspunkt die Reden der Kollegen Schulz ({0}) und Dr. Keller zu Protokoll nehmen. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.*)
Zu diesem Tagesordnungspunkt möchte gemäß § 31 der Geschäftsordnung unser Kollege Dr. Rainer Jork eine Erklärung abgeben. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
*) Anlage 6
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten zu diesem Punkt abgeben und sagen, warum wir diesem Antrag der SPD nicht zustimmen. Ich tue das auch im Namen aller sächsischen Bundestagsabgeordneten und einer Gruppe weiterer Bundestagsabgeordneter aus den neuen Bundesländern.
Laut Art. 35 des Einigungsvertrages ist für eine Übergangszeit Hilfe gefordert, und zwar so lange, bis die Länder und Kommunen in der Lage sind, sich selbst zu helfen.
({0})
Dieser Zustand ist nicht erreicht. Deshalb ist eine Fortführung der Hilfe sehr wohl erforderlich.
({1})
Wir schließen uns der Beschlußempfehlung an, wie sie in der Drucksache 12/2299 des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft nachzulesen ist. In der 73. Sitzung am 23. Januar 1992 hat Frau Professor Wisniewski für das Jahr 1992 zu Recht nachgewiesen, daß 1992 in dieser Frage kein Handlungsbedarf ist. Diesen Ausführungen schließen wir uns an.
Der Haushalt für das Jahr 1993 liegt uns noch nicht vor. Das Anliegen, angesprochen vom Kollegen Duve, ist im Haushalt 1993 sehr wohl zu berücksichtigen. Wir bitten darum, daß das dann erfolgt. Den Ausführungen von Staatssekretär Carstens glaube ich das bereits entnehmen zu können. Daher sehe ich keinen Handlungsbedarf im Sinne des Antrages der SPD.
Danke.
({2})
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, zunächst einmal zum Tagesordnungspunkt 17 a: Abstimmung über den Entwurf eines Nachtragshaushaltgesetzes 1992 - Drucksachen 12/2600, 12/2806 und 12/2800 -, und zwar zunächst über die Nachträge zu den Einzelplänen.
Ich rufe die Nachträge in der Ausschußfassung auf. Zu Einzelplan 09, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, liegt ein Änderungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/2926 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Die Gruppe der PDS/Linke Liste. Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung des Kollegen Briefs ist dieser Antrag abgelehnt.
Wer stimmt für die Nachträge zu den Einzelplänen in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Nachträge zu den Einzelplänen sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.
Ich rufe jetzt den Entwurf des Nachtragshaushaltgesetzes 1992 mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen ist dieser Gesetzentwurf gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2910. Dazu hat der Kollege Rüttgers das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat zwei Entschließungsanträge eingebracht, einen zum Thema Jäger 90 und einen zum Thema Erhöhung des Wehrsoldes. Es ist bekannt, daß die Koalitionsfraktionen in der kommenden Woche über das erste Thema diskutieren. Ich stelle deshalb für beide Anträge den Antrag nach § 88 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung auf Verweisung in die nächste Sitzungswoche.
({0})
Herr Kollege Jungmann hat das Wort.
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Über Jäger 90 wird nicht erst, seitdem Herr Rühe Verteidigungsminister ist, diskutiert, sondern seit langem. Sie haben Ihre Entscheidung für den Beginn der Sommerpause angekündigt. Sie können sich nicht entscheiden. Wir verlangen für beide Anträge sofortige Abstimmung.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Rüttgers hat nach der Geschäftsordnung den Antrag gestellt zu vertagen. Diesem Antrag wird stattgegeben.
({0})
Es gibt über die beiden Anträge auf den Drucksachen 12/2910 und 12/2911 keine Abstimmung.
Tagesordnungspunkt 17b: Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds Deutsche Einheit, Drucksache 12/2692. Der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/2925, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion der SPD und der Gruppe PDS/Linke Liste ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Mit demselben Stimmergebnis wie eben ist dieser Gesetzentwurf angenommen.
Vizepräsident Helmuth Becker
Wir stimmen jetzt ab über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Kosten für die Sanierung der durch die ehemalige SDAG Wismut verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden, Drucksache 12/2918. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, den Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 12/2638 ({1}) abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme des Kollegen Briefs und Enthaltung der Gruppe PDS/ Linke Liste ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/2299, den Antrag der Fraktion der SPD zur Beibehaltung der bisherigen Förderungshöhe für die Kultur in den neuen Bundesländern - Drucksache 12/1437 - abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Gruppe PDS/Linke Liste ist die Beschlußempfehlung angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 4, der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu einer überplanmäßigen Ausgabe, Drucksache 12/2854. Es handelt sich um Finanzhilfen des Bundes an strukturschwache Bundesländer. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich komme zu Zusatzpunkt 5: Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum geplanten Erwerb einer Kinderkrippe und eines Kinderhorts für Institutionen und Organe der EG, Drucksache 12/2855. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes
- Drucksache 12/2601 -
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({2})
- Drucksachen 12/2920, 12/2941 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Siegfried Scheffler Hans Raidel
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 12/2921 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Pützhofen Carl-Ludwig Thiele
Dr. Nils Diederich ({4})
({5})
Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2956 vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem unserem Kollegen Rolf Rau das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen hat mit seiner neuen Verfassung das Recht auf angemessenen Wohnraum für jeden Bürger als Staatsziel anerkannt. Das ist für den Bürger selbst derzeit jedoch nur ein schwacher Trost. Mit dem in Art. 7 der Sächsischen Verfassung verankerten Ziel kommt kein Wohnungsmarkt in Bewegung, wird noch längst nicht der Wohnungsneubau, geschweige denn die Wohnungsmodernisierung und -sanierung stimuliert. Dem Verfassungsziel können eigentlich nur Taten gerecht werden.
Ein wichtiges Element ist die Anhebung der Mieten im Einklang mit der entsprechenden Wohngeldregelung. Wer sich dagegen wehrt, hat bestimmt auch kein Rezept dafür, wie im Osten der Verfall der Wohnsubstanz gestoppt werden kann. Wer gegen die Anhebung der Mieten ist, ist auch gegen eine entscheidende Verbesserung der Wohnqualität im Osten, stellt sich gegen einen Aufschwung im Baugewerbe, gegen die Qualität der Wohnungen in den jungen Bundesländern. Wer höheren Mieten nur im Rahmen von mühsamen Stufenprogrammen zustimmt, hat offenbar nicht gerechnet; denn dieser Weg bringt mehr Kosten und Zeitverlust und ist für den Mieter nicht der bessere Weg.
Herr Kollege Rau, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Seifert?
Nein, ich rede zu Ende.
Ich hoffe, daß die Bauminister auf ihrer Tagung morgen in Magdeburg dies mit bedenken. Eines darf aber nicht übersehen werden, welcher Weg auch gewählt wird: Die Bürger im Osten müssen jetzt einen wahrlich schmerzlichen Erkenntnisprozeß durchmachen, nämlich, daß das Wohnen und die damit zusammenhängenden Kosten im Finanzhaushalt jeder Familie und jedes einzelnen Bürgers einen ganz anderen Stellenwert haben, als es bisher der Fall gewesen ist. Das hat wohl jeder Ostdeutsche schon gewußt. Aber jetzt, wo es spürbar wird, ist es schmerzlich, vor allem für diejenigen Familien, die durch Arbeitslosigkeit und geringeres Einkommen belastet sind.
Dennoch sind deutliche Mieterhöhungen erforderlich. Der Weg muß jedoch für die ostdeutschen Mieter gleichzeitig so sozialverträglich wie nur möglich vollzogen werden. Das sind wir den Bürgern schuldig, die derzeit in kürzester Zeit Prozesse durchleben müssen, die im Westen über viele Jahre, ja Jahrzehnte hin gewachsen sind.
Andererseits brauchen die Vermieter, die Wohnungsbaugesellschaften viel Geld, um die dringendRolf Rau
sten Aufgaben der Sanierung und Instandsetzung und dann der Modernisierung bewältigen zu können. Immerhin sollten die Mittel aus der Mietsteigerung ausschließlich - das möchte ich deutlich unterstreichen - für die Sanierung der Wohnungen Verwendung finden. Auf diesem Gebiet müssen wir tatsächlich vorankommen.
Der aus den Mietsteigerungen zu erwartende Betrag wird die Größenordnung der 91er Investitionspauschale erreichen, die wir als Sonderzuführung vom Bund beschlossen haben. Wir haben nicht vergessen, daß diese ungewöhnliche Finanzspritze für einen großen Schub im mittelständischen Bereich gesorgt hat. Gleiches ist jetzt ganz konkret im Bauwesen wieder zu erwarten. Durch mehr Aufträge zur Wohnungssanierung und -modernisierung werden letztendlich auch wieder Steuermittel erarbeitet. Wir beeinflussen somit selbst den Ertragskreislauf.
An dieser Stelle möchte ich einräumen, daß es auch mir lieber wäre, die Mietenlösung läge bereits vor und wir könnten auf dieser Grundlage über das Sonderwohngeld sprechen. Ich betrachte es als einen Erfolg, daß das Sonderwohngeld bis 1994 verlängert wird und daß die wahren Betriebskosten von Oktober 1992 bis Oktober des nächsten, also praktisch des übernächsten Jahres in das Wohngeld einbezogen werden.
Daß diese Wohngeldsonderregelung mehr kostet, als ursprünglich angenommen, ist der Gesamtsituation in den neuen Ländern zuzurechnen. Insofern ist es auch wichtig, daß Sondervergünstigungen für Alleinerziehende vorgesehen sind, d. h. pro Kind 1 200 DM von der Einkommensgrenze als Abschlag bewertet werden. Außerdem erhalten Schwerbehinderte ebenfalls einen Freibetrag von 3 000 DM bei hundertprozentiger Schädigung.
Wichtig ist gleichfalls, daß bei der Bemessung des Wohngeldes alle Einkommensbereiche in die Rechnung einbezogen werden - also von der Arbeitslosenhilfe bis hin zu Kapitalzinserträgen. Es wird zudem darauf geachtet - das gibt es ja schließlich auch -, daß Untervermieter nicht zweimal kassieren: nämlich Wohngeld und zusätzlich Miete.
Meine Damen und Herren, ich gebe zu bedenken, daß es keine Mieterhöhungen für Bürger, die in Wohnungen der früheren DDR-Bauzustandsstufe IV leben müssen, geben darf.
Ein zweiter Hinweis. Im Interesse des Wohnungsmarkts, der im Osten ja erst in Gang gebracht werden muß, sollte darüber nachgedacht werden, ob bei Neubelegung bzw. Wiedervermietung die Möglichkeit des 30%igen Aufschlags erst später als jetzt vorgesehen eingeräumt wird. Nach den neuen Regelungen soll dies ab Januar 1994 möglich sein.
Dieser Termin ist meines Erachtens immer noch zu früh. Umzugswillige hätten ab jetzt nur noch 11/2 Jahre Zeit. Das ist möglicherweise zu wenig. Umzugswillige Bürger, die beim Wohngeld nicht mehr erfaßt werden, dürften letzten Endes nicht noch für ihre Entscheidung in Form einer wesentlich höheren Miete sozusagen bestraft werden.
Drittens. Besonders möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Reduzierung der Kappungsgrenze bei
warmen Betriebskosten ein von uns ostdeutschen Abgeordneten eingebrachtes Element ist, um die Kosten für den Mieter zu senken und die Vermieter zu bewegen, ihre Kräfte bei der Reduzierung des Energieverbrauchs einzusetzen.
Abschließend möchte ich feststellen, daß das heute zu beschließende Sonderwohngeldgesetz für mich nur im Zusammenhang zur Mietenentwicklung zu betrachten ist.
Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Siegfried Scheffler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn sich auch die heutige zweite und dritte Beratung vordergründig mit dem Entwurf einer ersten Änderung des Wohngeldsondergesetzes befaßt, so können wir es doch nicht verhindern, daß die von Ihnen, Frau Ministerin, angekündigten drastischen Mietsteigerungen zum 1. Januar kommenden Jahres hier und heute nicht unter die Parlamentssessel gekehrt werden; schon deshalb nicht, weil sich ein Großteil der Mieterinnen und Mieter in den neuen Bundesländern - einschließlich des Ostteils Berlins - von den Politikern alleingelassen fühlt. Berechtigte Aussprüche wie „müssen erst Politiker auf der Straße sitzen, damit sie merken, was sich in Fragen des Wohnens und der Mieten in unseren Städten und Gemeinden bewegt", sind zur Zeit noch die harmlosesten.
Sie aber, meine Damen und Herren von der Regierung, sollten sie sehr ernst nehmen; denn mittlerweile sind aus zaghaften Widersprüchen vielerorts bereits handfeste Bürgerbegehren und Proteste aller Mieterverbände Ost wie auch des Gesamtverbandes zum Thema Mietenentwicklung geworden.
({0})
Können wir es der Bevölkerung denn verdenken, wenn sie über Tage, Wochen und Monate ständig Mietenspekulationen, Dementis und neue Vermutungen aus der Presse erfährt? Ich empfinde mit ihnen die gleiche Empörung, denn nicht einmal wir, die im Ausschuß sitzenden Oppositionspolitiker, wurden in den Entscheidungsprozeß einbezogen. Wie anders ist es sonst zu verstehen, daß Ihnen, Frau Ministerin, die CDU/CSU-Fraktion dafür dankt, daß Ihnen schon frühzeitig, nämlich bereits im März, die Eckdaten für die geplante zweite Mietenverordnung für die neuen Bundesländer und Ost-Berlin vorgetragen wurden.
({1})
Wohlgemerkt, ich unterstelle Ihnen nicht, daß mit Rücksicht auf die in Berlin stattgefundenen Wahlen im Mai Ihre Pläne bewußt zurückgehalten wurden. Aber haben denn die am 12. März dieses Jahres stattgefundene Protestfahrt des Mieterbundes Brandenburg nach Bonn und die in dieser Woche bemerkenswerten Mahnwachen vor dem Kanzleramt die Bundesregierung wirklich nicht beeindruckt?
Frau Ministerin, am Mittwoch haben Sie vor dem Ausschuß erklärt, daß die geplanten Mietenerhöhungen mit den Ministerpräsidenten der neuen Länder einvernehmlich besprochen und abgestimmt waren. Mein Wissen vor Ort widerspricht dieser Behauptung, und Ihre Feststellung, die Mietpreiserhöhungen lägen in dem Rahmen, den der Einigungsvertrag vorgibt, geht klar an der Realität vorbei.
Unterstellen Sie doch bitte Ihren CDU-regierten Ländern von Mecklenburg-Vorpommern bis Thüringen und der Brandenburger CDU nicht, daß die Forderung nach einer sozialen und mehrstufigen Erhöhung der Mieten fern jeder Realität liegt. Im Gegensatz zu Ihnen regieren die Genannten vor Ort und erleben die mehr als dramatische Situation auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt täglich.
Diese Einschätzung hat doch gerade der brandenburgische CDU-Vorsitzende Ulf Fink bestätigt, als er vor überzogenen Mieterhöhungen warnte und ebenfalls eine differenzierte Erhöhung verlangte.
({2})
Frau Ministerin, Sie selbst waren es, die eine Versachlichung der Diskussion um die für den 1. Januar 1993 geplante Mietenerhöhung gefordert hat. Aber ich frage Sie erneut: Wer ist denn hier unsachlich, wenn nur bruchstückhafte Entwürfe vorgelegt werden, in denen Altbauten im Westteil Berlins ab 1993 teilweise billiger als solche in Ostberlin werden, dies jedoch bei wesentlich schlechterer Wohnqualität?
Hinzu kommt: Ihre ganze Berechnung und Bezugnahme auf ein statistisches, durchschnittliches Einkommen, Renten und das Arbeitslosengeld sind reine Milchmädchenrechnungen. Lassen Sie endlich die tatsächlichen Größen der Bevölkerungsgruppen von Arbeitslosen mit 860 DM Arbeitslosengeld, der Rentnerinnen und Rentner mit 850 DM Rente oder der Einkommen im öffentlichen Dienst, die per saldo mit der tatsächlichen Einstufung bei 45 bis 50 % Einkommen vergleichbarer Berufsgruppen der Altbundesländer liegen, errechnen. Dann erst werden wir das wahre Ausmaß der sozialen Notlage erkennen.
Bedeutet es für Sie Versachlichung, wenn die Menschen in dieser Situation die Hiobsbotschaften von niedrigeren Löhnen unter Aushöhlung der Tarifautonomie far Ostdeutschland zu verkraften haben? Ich sage Ihnen: Hier handelt die Regierung leichtfertig, unverantwortlich und gefährdet den sozialen Frieden. Wollen Sie denn allen Ernstes noch mehr als bisher die Wahlergebnisse der Republikaner aufbessern? Es fällt einem wahrlich immer schwerer, hier sachlich zu bleiben.
Ich hege jedoch insgeheim die Hoffnung, daß die Verschiebung des Kabinettsbeschlusses durch den Kanzler ein Zeichen dafür ist, daß eine Kehrtwendung seitens Ihres Hauses noch möglich ist.
({3})
Aber Sie wissen doch selbst, welche fatalen Folgen die erneute Verschiebung für uns Abgeordnete
bringt, die in dieser Woche über eine in engem Zusammenhang stehende Gesetzesänderung entscheiden mußten. Wie im gesamten Gesetzgebungsverfahren, so tragen Sie auch hier einen unverantwortlichen Zeitdruck in die parlamentarische Beratung. Es soll ein Gesetz verabschiedet werden, ohne daß eine endgültige Beschlußfassung des Bundesrates zur Zweiten Verordnung über die Erhöhung der Grundmieten und der Betriebskosten in den neuen Ländern vorliegt. Hier wird ein parlamentarisches Verfahren geradezu auf den Kopf gestellt.
Noch beim Treffen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten wurde als wichtigstes Ergebnis herausgestellt: Parallel zur Mietenanhebung erfolgt die Verabschiedung des Wohngeldsondergesetzes. Das Parlament hat seine Hausaufgaben geleistet. Die Regierung beläßt es jedoch, wie so oft, bei Versprechungen.
({4})
Dabei wissen Sie doch ganz genau: Auch wir von der SPD sehen die Notwendigkeit einer Mietenerhöhung zum 1. Januar 1993. Nur, es geht doch nicht um die Notwendigkeit an sich. Der Streitpunkt ist die Höhe und die zeitliche Verteilung der Steigerung, mit der wir die Mieterinnen und Mieter belasten können.
({5})
Nur aus diesem Grunde lehnen wir Ihre Vorschläge ab. Sie sind sozial unausgewogen und drängen in einem Sprung hunderttausende Menschen plötzlich an den Rand der Gesellschaft. Am härtesten betroffen - hier wiederhole ich mich - sind alleinstehende Arbeitslose, Alleinerziehende mit Kindern, insbesondere Frauen und Rentner.
Deshalb muß sich die vorgeschlagene Erhöhung der Grundmiete an der sozialpolitischen Verpflichtung messen lassen, den Wohnraum bezahlbar zu halten. Ihre Vorschläge dagegen orientieren sich an den Forderungen der Wohnungswirtschaft nach einer vollen Kostendeckung. So fordern wir: Die Bemessung der Grundmiete darf nur analog der in Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommenden Anpassung erfolgen. Der Berlin-Brandenburgische Entwurf berücksichtigt diesen Grundsatz der stufenweisen Erhöhung vom Grunde schon eher.
Ihrer Forderung, Frau Ministerin, die Grundmieten um einen hohen Sockelbetrag zu erhöhen, stehen wir eher skeptisch gegenüber, da diese keinerlei Gegenleistungen in Form einer verbesserten Wohnqualität gegenübersteht.
({6})
Dabei wissen Sie doch, daß Ihr eigenes Haus noch im vorigen Monat die Erhöhung des Sockelbetrages mit nur 1 DM vorgeschlagen hat, diesen Betrag jedoch auf Druck des Bundesfinanzministers am 5. Juni auf 1,50 DM erhöht. Der Beschaffenheitszuschlag wurde dagegen auf i DM reduziert und schwächte somit die qualitätsverbessernde Komponente einer Mietenerhöhung ab.
Neben dem Grundbetrag werden jetzt jeweils weitere 15 Pfennig pro Quadratmeter angelastet, wenn die Wohnung am 2. Oktober 1990 mit Bad oder Zentralheizung ausgestattet war oder wenn sie in einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern liegt.
Ist die Gebrauchsfähigkeit der Wohnung nicht beeinträchtigt, wird auf die Grundmiete eine weitere DM in vier Stufen von je 25 Pfennig pro Quadratmeter aufgeschlagen. Hier wird der Zustand von Dach, Fassade, Außenwände, Hausflur, Treppen und Fenster sowie von Gas-, Wasser- oder Elektroinstallation berücksichtigt.
Kritisch hervorzuheben ist, daß die Beweislast bei Modernisierungsdefiziten entsprechend den Aufschlägen beim Mieter liegt und es keine Pflicht zur Beseitigung eines Mangels beim Vermieter gibt. Somit wird sich das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter weiter zuspitzen. Unsinnig ist es meines Erachtens jedoch, daß der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft fordert, bei der zukünftigen Mietenverordnung auf eben diese Kriterien für Fenster, Flure und Treppenhäuser zu verzichten.
Falls wir jetzt alle mitgerechnet haben: Wir sind bei den genannten Mieterhöhungsmöglichkeiten bei bis zu 2,80 DM, bei einer Grundmiete von 4,80 DM, angelangt. Unsere Mieterinnen und Mieter müssen neben diesem Betrag mit Betriebs- und Heizkosten in mindestens gleicher Höhe rechnen. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die vorgesehene Absenkung der Kappungsgrenze für Heizungs- und Warmwasserkosten von derzeit 3 DM auf 2,50 DM; denn die kalten und warmen Betriebskosten sind in den neuen Ländern teilweise wesentlich höher als in den Ländern der alten Bundesrepublik.
Einverstanden erklären können wir uns ebenfalls nicht mit der Regelung, wonach zum höchstzulässigen Mietzins bis zu einem Drittel bei Mietverträgen vereinbart werden kann, die nach dem 31. Dezember 1993 abgeschlossen werden.
({7})
Es ist doch jetzt schon Praxis in den Altbundesländern und bei Privatvermietern in den neuen Bundesländern, daß Mieter bei Abschlüssen auf Grund der Wohnungsnot ungerechtfertigte Erhöhungen zu unterschreiben gezwungen sind. Der Wiedervermietungszuschlag muß gestrichen werden. Er macht die gerade jetzt geforderte Mobilität bei Arbeitsplatzwechsel ebenso unmöglich wie den erforderlichen Wohnungstausch von zu großen Wohnungen mit kleineren Unterkünften.
({8})
Außerdem ist dieser Zuschlag selbst in den alten Bundesländern unzulässig. Ihre Auswirkungen brauche ich an dieser Stelle nicht zu erörtern.
Darlegen möchte ich aber eine weitere Folgeerscheinung überzogener Mieterhöhungen: Neben den von mir heute schon mehrfach angesprochenen benachteiligten Personengruppen wird es auch bei Normalverdienern in zunehmendem Maße einen spürbaren Rückgang der Kaufkraft geben. Die sich zaghaft bildenden Existenzgründungen bei Handel, Handwerk und Gewerbe werden diese Zurückhaltung zu spüren bekommen. Und ich sage, ohne zu dramatisieren: Was bisher in Ballungszentren nicht durch zu hohe Gewerbemieten plattgemacht wurde, muß durch den Rückgang der Auftrags- bzw. Kaufkraftlage notgedrungen aufgegeben werden. Diesen Teufelskreis müssen wir gemeinsam durchbrechen.
Mir ist es doch, verehrte Frau Ministerin, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, im Interesse der Menschen zehnmal lieber, wenn Sie, so wie jetzt, in Ihren Papieren Positionen der SPD bei der Änderung des Wohngeldsondergesetzes übernehmen und das zur Abstimmung bringen. Aber warum haben Sie denn nicht, wie in der Ausschußsitzung gefordert, die Gegenüberstellung der Auswirkungen der geplanten Mietenverordnung auf das heute zu beschließende Wohngeldsondergesetz vorgelegt? Die Gegenüberstellung der geplanten Mietenanhebung nach dem Entwurf der Bundesregierung mit dem Berlins und Brandenburgs verdeutlicht nicht das Geforderte, unabhängig davon, daß auch hier unseriös die eventuelle Höchstbelastung Ende 1994 als Einstieg vorangestellt wird. Aber solange uns nicht die mit den Ländern abgestimmte und den Bundesrat passierte Mietenverordnung vorliegt, werden wir keinem Modell der Mieterhöhung unsere Zustimmung geben. Bejahen werden wir allerdings eine sozial abgewogene, in Stufen gesplittete Mieterhöhung ab 1993.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können heute nur über grundsätzlichere sozial flankierende Maßnahmen für eine geplante Mietenerhöhung abstimmen. Bei Abwesenheit der Vertreter der PDS/ Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden die Einzelkriterien der ersten Änderung zum Wohngeldsondergesetz ausgiebig erörtert, und zwar kontrovers.
Wie schon angesprochen kritisieren wir, daß die Änderung des Wohngeldsondergesetzes und des Wohngeldgesetzes in der parlamentarischen Beratung unter erheblichem Zeitdruck stand und daß dieses Gesetz verabschiedet wird, ohne daß eine endgültige Beschlußfassung des Bundesrates zur Zweiten Verordnung über die Erhöhung der Grundmieten und der Betriebskosten in den neuen Bundesländern vorhanden ist.
Wir begrüßen die Verlängerung der Gültigkeit des Wohngeldsondergesetzes bis Ende 1994 und die Verschiebung des geplanten Abbaus des Zuschlags für Heizung und Warmwasser - Forderungen, wie sie die SPD-Fraktion bereits bei der Einführung des Wohngeldsondergesetzes im Jahre 1991 erhoben hat. Hierzu hat die Bundesregierung damals behauptet: Die unterschiedliche Behandlung der Behinderten in den neuen und in den alten Ländern in dieser Frage widerspricht nicht dem Gleichheitssatz. Auch Freibeträge für niedrige Einkommensgruppen und die Erhöhung der derzeit geltenden Grenzbeträge in den Wohngeldtabellen gehörten zum Forderungskatalog der SPD-Fraktion.
Mit der Novellierung werden somit Fehler und Unzulänglichkeiten des Gesetzes an sich ausgeräumt, die soziale Komponente wird verstärkt.
Wenn wir jetzt, verehrte Damen und Herren, über die erste Änderung des Wohngeldsondergesetzes abstimmen, so war der enge Zusammenhang von Mieten und Wohngeld unschwer zu erkennen. Seitens der SPD-Fraktion fordern wir deshalb in unserem heute vorgelegten Entschließungsantrag ausdrücklich, daß den Ländern eine Mietenverordnung vorgelegt wird, die sozialverträglich, der Einkommensentwicklung entsprechend gestaltet ist und Mieten verhindert, die durch das Wohngeldsondergesetz nicht erreicht und damit unbezahlbar werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, daß die Erhöhung der Mieten zur Instandsetzung und Modernisierung der Wohnungen eingesetzt wird und nicht für den Einstieg in die Entschuldungsproblematik der Wohnungsunternehmen. Diese Bedienung der Altlasten aus der Mieterhöhung wäre völlig inakzeptabel.
Einer Presseinformation des Ministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 22. Juni entnehme ich Ihre Erklärung, Frau Bundesbauministerin, nach der auch nach dem Wirksamwerden der zweiten Mietenanhebung ab Januar nächsten Jahres für einen wirkungsvollen sozialen Ausgleich gesorgt wird. Wir werden Sie beim Wort nehmen.
Ich füge hinzu und zitiere aus meiner Debattenrede vor diesem Hohen Hause am 18. April 1991:
Eine sichere „angemessene" und dauerhaft finanziell tragbare Wohnung ist unabdingbare Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Lassen wir die Menschen bei ihren Problemen um den Arbeitsplatz nicht noch die Hoffnung hinsichtlich ihrer Wohnungen verlieren.
Wenn wir von der SPD-Fraktion der Wohngeldnovellierung zustimmen, fordere ich Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auf, unserem Entschließungsantrag für eine sozialverträgliche Mietenverordnung zuzustimmen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt unserem Kollegen Dr. Walter Hitschler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einigungsvertrag sieht in den ostdeutschen Bundesländern eine Überführung der planwirtschaftlich geordneten in eine marktwirtschaftlich orientierte Wohnungswirtschaft vor. Dieser Prozeß muß von einer an die Einkommensentwicklung angepaßten Mietentwicklung begleitet werden. Unstrittig war von Anfang an, daß dieser Mietanpassungsprozeß durch ein auf die besonderen Verhältnisse abgestimmtes Wohngeld sozial abgefedert werden muß. Dies kam auch darin zum Ausdruck, daß die erste Grundmietenverordnung und das Wohngeldsondergesetz gleichzeitig in Kraft getreten sind.
Herr Kollege Dr. Hitschler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?
Nein!
({0})
- Richtig. - Nunmehr steht ein zweiter Mietanpassungsschritt bevor. Mit ihm einher geht eine Verlängerung und eine Anpassung der Wohngeldregelung Ost. Die Wohngeldnovelle bringt mehr Gerechtigkeit, denn sie beseitigt bisherige Unzuträglichkeiten bei der Zugrundelegung des Einkommens für die Wohngeldberechnung dadurch, daß nunmehr alle Einkunftsarten berücksichtigt werden. Arbeitslose mit dem gleichen Einkommen wie Rentner erhalten künftig auch ein gleich hohes Wohngeld. Das war bisher nicht so und hat zu großer Verärgerung geführt.
Es wird auch dafür Sorge getragen, daß Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften nicht mehr Wohngeld bekommen können als ein entsprechend großer Familienhaushalt. Das ist schon ein ganzes Stück mehr Gerechtigkeit.
Die Wohngeldnovelle bringt darüber hinaus erhebliche Verbesserungen für viele Wohngeldbezieher; denn für Schwerbehinderte wird ein Freibetrag von 3 000 DM, für Alleinerziehende von Kindern unter 12 Jahren ein Freibetrag von 1 200 DM für jedes Kind gewährt, die Wohngeldtabellen werden erweitert, und bei fast allen Einnahmearten ist ein 6,5%iger pauschaler Vorwegabzug zur Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge bei der Einkommensermittlung vorgesehen.
Das kostet Bund und Länder ein schönes Stück Geld: 1992 sind es 340 Millionen DM, 1993 werden es 470 Millionen DM sein, und 1994 werden es 735 Millionen DM sein. Diese Mehrkosten kommen rund 2,1 Millionen Wohngeldbeziehern in den neuen Ländern zugute, die damit ein wesentlich höheres Wohngeld erhalten als die Wohngeldbezieher in den westlichen Bundesländern; in einzelnen Fällen doppelt soviel Wohngeld wie im Westen. Cum grano salis läßt sich sagen: Ein Drittel aller Mieter und rund 20 % aller Wohnungseigentümer erhalten in den ostdeutschen Ländern Wohngeld bzw. Lastenbeihilfe.
Damit erfüllt das Wohngeld auch in den ostdeutschen Ländern seine Funktion: die wirtschaftliche Sicherung des Wohnens einkommensschwächerer Mitbürger. Es erscheint daher durchaus angebracht, die besonderen Leistungen, die mit dem Wohngeld erbracht werden, einmal angemessen zu würdigen.
({1})
Um das Wohnen aber angemessen und familiengerecht gestalten zu können - wie es im Wohngeldgesetz heißt -, sind in den neuen Ländern noch gewaltige Instandsetzungs- und Modernisierungsanstrengungen erforderlich. Die Verbesserung des Wohnwertes, welche die Bürger im Osten nunmehr allmählich mit Fug und Recht erwarten, ist aber finanziell nur zu bewältigen, wenn die kommunalen und privaten Vermieter durch eine zweite Mietenanhebung in die Lage versetzt werden, diese Wohnwertverbesserung in Angriff zu nehmen. Die gegenwärtige Durchschnittsmiete von 1,90 DM reicht hierzu nicht aus. Eine durchschnittliche Grundmietenerhöhung von 2,00 DM/m2 ist gerechtfertigt und unausweichlich.
Doch sie wird in geradezu skandalöser Weise von der Opposition genutzt, ein übles parteipolitisches Süppchen zu kochen, das allein geeignet ist, den Kommunisten in die Hände zu spielen, die an dieser ganzen Misere ursächlich schuldig sind.
({2})
Was ist denn von einer Opposition zu halten, deren stellvertretender Vorsitzender gestern erklärt hat, eine durchschnittliche Mietanhebung von 2,00 DM/m2 sei ein sozialer Skandal, während sein brandenburgischer Kollege und Bauminister am gleichen Tag erklärt, 2,00 DM könne er mittragen?
Die in der Diskussion befindlichen Alternativen der Bundesregierung und von Berlin/Brandenburg unterscheiden sich in der Höhe minimal.
({3})
Strittig ist, ob ein oder zwei Anhebungsschritte getan werden sollen. Auch hier hat zu gelten: Vorrang für Investitionen.
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- Ihre Beiträge sind nicht sehr qualifiziert, aber das sind wir von Ihnen gewohnt, Frau Däubler-Gmelin.
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Ohne Mietenanhebung gibt es keine nennenswerte Instandsetzung. Ohne Mietenanhebung ist auch das wesentlich günstigere Wohngeld Ost nicht zu rechtfertigen.
Wir stimmen dem Ersten Gesetz zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes in der Erwartung zu, daß auch die Länder Berlin und Brandenburg nicht länger davor kneifen, wirkliche Verantwortung für eine gesunde Entwicklung der Wohnungswirtschaft zu übernehmen. Ihr bisheriges Verhalten hat den Aufschwung Ost in diesem Bereich gebremst.
({6})
Ihre bisherige Methode, die vom Bund bezahlten Wohltaten im eigenen Namen zu verteilen und die notwendigen Belastungen auf Rechnung des Bundes anschreiben zu lassen, kann nicht länger hingenommen werden.
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Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Dr. Ilja Seifert.
({0})
- Darf ich um Ruhe bitten! - Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Iija Seifert, bitte.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeitweise habe ich den Eindruck, daß ich in der falschen Debatte bin. Es geht doch nicht um die Erhöhung der Mieten, wenn ich recht informiert bin, sondern nur um das Wohngeld.
Deswegen erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß wir Wohngeldregelungen nur als zweitbeste Lösungen betrachten. Besser wäre es, viel besser wäre es, erstens für solche Einkommen der Menschen zu sorgen, daß jede und jeder sich eine angemessene Wohnung aus den regulären Einkünften leisten könnte,
({0})
- ja - und zweitens, wirksam gegen den Höhenflug der Grundstückspreise, der Zinsen und der Baukosten vorzugehen, damit die Mieten insgesamt, inklusive Nebenkosten, bezahlbar bleiben.
Beides wird von der Bundesregierung nicht geleistet, so daß auch die Abgeordneten der Gruppe PDS/Linke Liste für eine Verbesserung des Wohngeldsondergesetzes eintreten.
Die Initiative des Bundesrates, den Menschen mit Behinderungen in Ostdeutschland einen Freibetrag bei der Wohngeldberechnung einzuräumen, begrüße ich. Das entspricht auch einem von uns gestellten Antrag. Allerdings kann ich überhaupt nicht verstehen, wieso hier nur Menschen mit Behinderungen mit einem Grad von 100 % berücksichtigt werden. Das hat mit Gleichheit überhaupt nichts zu tun. Ihnen allen liegt ein Brief des VdK vor, der nun wirklich nicht PDS-verdächtig ist, mit der Bitte, wirklich gleiches Recht für alle Menschen mit Behinderungen in Deutschland zu schaffen. Wir haben uns erlaubt, einen entsprechenden Antrag einzubringen. Ich gehe davon aus, daß Sie das nur vergessen haben und selbstverständlich unserem Antrag zustimmen werden. Ich freue mich schon, wenn wir nachher gemeinsam abstimmen werden.
Des weiteren muß ich allerdings sagen, daß ich der Beschlußempfehlung des Ausschusses, an dem ich leider nicht teilnehmen kann - - Wir sind bedauerlicherweise nur eine Gruppe von wenigen Mitgliedern und können nicht immer überall sein. Herr Hitschler, Sie wissen, daß man sicherlich auch noch anderes zu tun hat.
({1})
- Nein. Ich darf das doch wohl sagen, ich bin ja frei in meiner Rede. Ich bedauere es jedenfalls. Der Beschlußempfehlung des Ausschusses, in der in vorauseilendem Gehorsam der Mieterhöhung zum 1. Januar bereits zugestimmt wird, kann ich natürlich überhaupt nicht folgen. Ich sehe keinen Grund, daß zum 1. Ja8564
nuar Menschen in den Ostländern derartig belastet werden sollen, wenn bis jetzt noch nicht einmal eine exakte Analyse der Einkommensentwicklung von 1991 vorliegt. Ich weiß nicht, worauf Sie Ihre Berechnungen oder Ihre Schätzungen ausrichten, Frau Schwaetzer. Jedenfalls wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns einmal mitteilen würden, wie denn die Einkommensentwicklung in den Ostländern tatsächlich verlaufen ist. Ich hätte da gerne statt einer Schätzung echte Zahlen.
Aus diesem Grunde haben wir uns erlaubt, einen zweiten Änderungsantrag auf Drucksache 12/2964 einzubringen. Ich denke, daß wir dem auch zustimmen könnten. Das würde die Regierung veranlassen, so zu handeln, wie es dem Einigungsvertrag gemäß ist, nämlich zunächst einmal mit einem Moratorium den Menschen eine gewisse Ruhe zu verschaffen, zweitens das Wohngeldsondergesetz so auszugestalten, daß es den Leuten wirklich hilft, und drittens die Altschulden, die überhaupt keine Schulden sind, zu streichen, denn dann würden Mieterhöhungen den Mieterinnen und Mietern, der Verbesserung der Wohnung zugute kommen und nicht dem Kapitaldienst der Deutschen Bank. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, daß die Deutsche Bank das gesamte Wohnvermögen in der DDR geerbt hat und wir jetzt noch einmal alles bezahlen müssen. Das soll doch wohl so nicht sein.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ebenfalls schöne Ferien.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte damit einverstanden zu sein, daß unsere Kollegin Christine Lucyga ihre Rede zu Protokoll gibt. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch.' )
Ich bitte Sie dann, daß wir zum gleichen Tagesordnungspunkt die Rede unseres Kollegen Raidel zu Protokoll geben. - Auch da sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.*)
Nun hat zu einer Kurzintervention gemäß § 27 der Geschäftsordnung unser Kollege Achim Großmann das Wort.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich veranlaßt, auf Grund der Rede von Herrn Seifert, zu dem Punkt der Eingliederung der Regelung für Behinderte in das Wohngeldsondergesetz kurz Stellung zu nehmen. Wir haben im Ausschuß darüber debattiert. Wir haben als SPD gefragt: Warum wird nicht die gesamte Regelung für Behinderte in das Wohngeldsondergesetz eingearbeitet? Wir haben gehört, daß es zunächst der Wunsch der neuen Länder war, den ersten Block - das entspricht auch dem Bundesratsvorschlag, der uns zugegangen ist -, d. h. die Behinderten, die zu 100 % behindert sind, in die Regelung einzuarbeiten, weil wir insgesamt mehrere Übergangsregelungen, brauchen, um das Wohngeldsondergesetz Ost und West einander anzupassen. Wir haben gehört, daß eine Aufnahme des zweiten Teils ungefähr 60 Millionen DM zusätzlich kosten würde.
*) Anlage 7
Das bedeutet eine Belastung in Höhe von 30 Millionen DM für die neuen Länder.
({0})
- Von 20 Millionen auf 80 Millionen DM; das sind 60 Millionen DM mehr, und davon entfallen 30 Millionen DM auf die neuen Länder. - Das würde bedeuten, daß wir in einen Prozeß eingreifen, der die Finanzen der Länder sehr stark berührt.
Wir haben deshalb darauf verzichtet, zum Zwecke der Effekthascherei einen derartigen Antrag zu stellen. Wir wünschen uns, daß das Problem in der Bundesratssitzung am 10. Juli beraten wird und daß in diesem Zusammenhang darüber nachgedacht wird, ob eine derartige Regelung unter Umständen möglich ist. Wir haben sehr große Sympathie für diese Regelung. Wir werden aber darauf verzichten, sie jetzt in die Beratung zum Wohngeldsondergesetz einzuführen.
Wir können dem Antrag der PDS nur aus diesem formalen Grund heute nicht zustimmen.
Vielen Dank.
Ich erteile jetzt der Frau Ministerin Irmgard Schwaetzer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird eine Novelle zum Wohngeldsondergesetz für die östlichen Bundesländer in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschiedet, aber nicht - darauf ist hier hingewiesen worden - die Mietenverordnung, die zum 1. Januar 1993 in Kraft treten soll.
Ich finde es schon sehr bezeichnend, daß von interessierter Seite immer wieder die Mietenverordnung in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt wird, daß aber die gleichzeitig erfolgenden Verbesserungen des Wohngeldsondergesetzes verschwiegen werden. Ich muß das bedauerlicherweise ganz besonders im Hinblick auf die Beiträge feststellen, die in dieser Diskussion der Deutsche Mieterbund, und zwar sowohl die bundesweite Organisation als auch einige der Landesorganisationen in den östlichen Bundesländern, leistet. Diese Feststellung gilt genauso für die Pressekonferenz, die die Bauminister von Berlin und Brandenburg in der vergangenen Woche gegeben haben.
Deswegen, denke ich, ist es besonders wichtig zu unterstreichen, daß beide Dinge zusammengehören: die Mietenverordnung mit der Anhebung der Grundmieten zum 1. Januar 1993 und die Verbesserung des Wohngeldsondergesetzes. Die Mehrheit im Bundesrat hat ja inzwischen auch zugesagt, daß - vorbehaltlich einer Einigung, die auf der Tagung der Bauminister der östlichen Bundesländer und der Bundesregierung morgen in Magdeburg erfolgen soll - eine gemeinsame Verabschiedung der Mietenverordnung und des Wohngeldsondergesetzes am 10. Juli im Bundesrat von ihrer Seite sichergestellt sei. Deswegen ist es aber auch wichtig, daß der Deutsche Bundestag die vorgesehenen Verbesserungen des Wohngeldsondergesetzes heute verabschiedet.
Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen, was alles vorgesehen ist:
Wir wollen per Gesetz die derzeit geltenden Wohngeldbescheide, die zum großen Teil am 1. Oktober dieses Jahres auslaufen würden, bis zum 1. Januar 1993 verlängern, damit kein Mieter in den östlichen Bundesländern am 1. Oktober und dann noch einmal nach Inkrafttreten der Mietenerhöhung am 1. Januar einen Wohngeldantrag stellen muß. Es ist also eine zeitliche Verlängerung der Wohngeldbescheide durch Gesetz bis zum 1. Januar 1993 vorgesehen.
Wir werden darüber hinaus die schon derzeit geltenden besonderen Bestimmungen im Wohngeldsondergesetz für die östlichen Bundesländer um ein Jahr verlängern. Das bedeutet: Die Heizkosten werden auch nach dem 1. Oktober 1993 in voller Höhe wohngeldfähig bleiben. Damit entsprechen wir einem Gesetzesvorschlag des Landes Sachsen.
Wir werden einen Freibetrag für Alleinerziehende in Höhe von 1 200 DM für jedes Kind einführen.
Es wird einen Freibetrag für Schwerbehinderte in Höhe von 3 000 DM geben, und zwar sowohl für Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 100 % als auch für Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung zwischen 80 und 100 %, sofern sie pflegebedürftig sind. Wir entsprechen damit einem Antrag des Landes Brandenburg. Herr Großmann hat ja soeben für die Sozialdemokraten dazu Stellung genommen.
Ich möchte nur noch ein kleines Mißverständnis ausräumen. Die Zusatzkosten für den Antrag, den die PDS heute gestellt hat, liegen in der Höhe von 80 Millionen DM für Bund und Länder gemeinsam, jeweils 40 Millionen DM für den Bund und für die östlichen Bundesländer. Das hat sicherlich dazu geführt, daß das Land Brandenburg die Einbeziehung dieser Personengruppe nicht beantragt hat. Mit dem, was wir heute vorlegen, entsprechen wir exakt dem Antrag des Landes Brandenburg.
In dem Entschließungsantrag, den die Sozialdemokraten vorgelegt haben, wird beklagt, daß die jetzt vorgesehenen Regelungen in einem Eilverfahren verabschiedet werden. Es ist in der Tat ein sehr schneller Durchgang im Deutschen Bundestag gewesen. Ich will begründen, woran das liegt. Daraus wird sehr deutlich werden, daß die Klage der Sozialdemokraten zumindest zum Teil an die falsche Adresse geht.
Zum einen war eine frühere Vorlage des Wohngeldsondergesetzes wegen des Zusammenhangs mit der Mietenerhöhung zum 1. Januar 1993 auch deshalb nicht möglich, weil wir uns im Einklang mit dem Einigungsvertrag bei den Entscheidungen über die Mietenerhöhungen zunächst daran orientieren mußten, was in den Tarifverträgen vereinbart wird. Ich will hier überhaupt nicht verschweigen, daß die Tarifverträge z. B. in der Bauwirtschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Wir haben bei unseren Überlegungen noch gar nicht einmal den speziell für die östlichen Bundesländer vorgesehenen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zur Verfügung gehabt. Aber dieser unterstreicht nur, wie richtig die von der Bundesregierung vorgeschlagene Route ist. Im öffentlichen Dienst ist vorgesehen, daß zum 1. Dezember 1992 eine Angleichung auf 74 % des Westniveaus und zum 1. Juli 1993 eine Angleichung auf 80 % des Westniveaus vorgenommen wird.
Das ist die Grundlage für die tatsächlichen Berechnungen - die wir Ihnen im übrigen im Ausschuß vorgelegt haben, Herr Scheffler -, auf die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gemeinsam mit uns für die aktiven Arbeitnehmer gekommen ist. Diese Erhöhungen des verfügbaren Familieneinkommens laufen darauf hinaus, daß bei den aktiven Arbeitnehmern ein Anstieg von 20 % zu verzeichnen ist, bei den Rentnern ein Anstieg von ca. 21 %. Daß die Arbeitslosen und diejenigen, die sich in einer Umschulungs- oder einer anderen qualifizierenden Maßnahme befinden, an dieser Einkommensentwicklung nur unzureichend teilhaben, wird nicht bestritten. Das ist auch der Grund, weshalb wir diese deutlichen zusätzlichen Verbesserungen des Wohngeldsondergesetzes heute verabschieden.
Das ist also der eine Grund dafür, daß wir diese Vorschläge nicht früher vorlegen konnten. Der andere Grund, Herr Scheffler - und das wissen Sie ganz genau -, liegt in den Kommunalwahlen des Landes Berlin. Wir wären bereits auf der Bauministertagung am 6. und 7. Mai auf Kloster Banz bereit gewesen, unsere konkreten Vorschläge zur Erörterung darzulegen. Es war der ausdrückliche Wunsch von Bausenator Nagel, daß dort keine konkreten Beschlüsse gefaßt wurden. Informell sind wir übereingekommen, daß die Mietenerhöhung zum 1. Januar 1993 stattfinden solle und daß sie darüber hinaus einen Umfang von ca. 2 DM pro Quadratmeter haben solle. Daran haben wir uns in der Tat gehalten. Deswegen wäre es besser gewesen, Herr Scheffler, Sie hätten sich einmal ans Rechnen gemacht, bevor Sie hier Ihre Rede gehalten hätten.
({0})
- In der Tat, das Land Berlin war zu den Abstimmungsgesprächen zwar eingeladen, hat sich aber in diesen Gesprächen so konkret nie ausgedrückt, wie es sich einen Tag, nachdem wir unsere Mietenverordnungsvorschläge vorgelegt haben, in der Presse und in der Öffentlichkeit geäußert hat. Es war für alle östlichen Bundesländer ausreichend Gelegenheit gegeben, von Anfang an in dieser Abstimmung ihr eigenes Wort zu machen und sich mit uns zu einigen. Ein Teil der östlichen Bundesländer hat sich im übrigen zu Wort gemeldet. Das hat dazu beigetragen, daß wir die Umstellung von 1 DM auf 1,50 DM Sockelerhöhung vorgenommen haben. Ein anderer Teil der Länder - dazu gehört Berlin - hat dieses Wort nicht gemacht. Deswegen finde ich in der Tat dieses Vorgehen, das anschließend von Ihnen auch noch unterstützt wird, ein wenig merkwürdig und seltsam. Aber da spricht wohl die Parteipolitik mit.
Jetzt zum Rechnen.
Liebe Frau Minister, darf ich Sie einmal kurz unterbrechen.
Ja.
Sie haben nach der Verfassung das Recht, hier so lange zu reden, wie Sie wollen. Nach unseren Abmachungen haben Sie die Redezeit jetzt um fünf Minuten überschritten.
Herr Präsident, Sie hatten zu Beginn meiner Redezeit - ich habe genau darauf geachtet - drei Minuten angezeigt.
Vier.
Ich habe in der Tat mehr als drei Minuten außer dem, was noch an Redezeit übrig war. Ich komme zum Schluß und werde mich sehr kurz fassen.
Noch einmal zu der Rechnung. Der durchschnittliche Erhöhungsbetrag der Bundesregierung zum 1. Januar 1993 beläuft sich auf 2 DM pro Quadratmeter. Der durchschnittliche Erhöhungsbetrag beläuft sich entsprechend den Vorschlägen von Berlin/Brandenburg auf 1,80 DM pro Quadratmeter. Unser Vorschlag bedeutet für eine Wohnung von 70 Quadratmetern einen Mehrbetrag von 14 DM. Ich gebe zu: Es ist mehr als nach dem Vorschlag von Berlin/Brandenburg. Aber Sie können ja wohl nicht sagen, daß ein Betrag von 14 DM im Monat für eine Wohnung von 70 Quadratmetern den Unterschied zwischen sozialem Absturz und sozialer Gerechtigkeit ausmache.
({0})
Der Wiedervermietungszuschlag ist ab 1. Januar 1994 vorgesehen, nicht ab 1. Januar 1993. Der Abschlag von 0,50 DM pro Quadratmeter bei den Heizkosten ist bei uns ab 1. Januar 1993 vorgesehen. Das will Berlin überhaupt nicht. Damit kommen die Mieter und Mieterinnen in Berlin auf eine erhebliche zusätzliche Erhöhung der Mieten ab dem 1. Januar 1994, die deutlich, nämlich um 0,30 DM, über das hinausgeht, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat.
Das, meine Damen und Herren, spricht dafür, daß wir diese wirklich unfruchtbare polarisierende Diskussion einstellen sollten. Herr Scheffler, ich muß Ihnen und der SPD insgesamt sagen: Durch eine solche Diskussion gewinnen weder die SPD noch die Union oder die F.D.P. Es gibt nur zwei Gewinner: Das sind auf der einen Seite die PDS und auf der anderen Seite die Republikaner. Dafür sollten wir uns wirklich zu schade sein.
({1})
Wir wollen uns morgen in Magdeburg einigen. Ich hoffe, daß dies dann auch das Ende dieser unfruchtbaren Auseinandersetzung ist. Ich rufe ausdrücklich den Mieterbund auf, seine polarisierende Diskussion ebenfalls einzustellen. Es geht nicht um Mitglieder für den Mieterbund, es geht um den sozialen Frieden und um eine Verbesserung der Wohnsubstanz in den östlichen Bundesländern.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes - Drucksachen 12/2601 und 12/2920. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Gruppe PDS/Linke Liste vor, über die wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 12/2963?
({0})
- Von der Gruppe PDS/Linke Liste. Das habe ich vorgetragen; ich wiederhole es gern.
Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Gruppe PDS/Linke Liste abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 12/2964? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit demselben Stimmenverhältnis abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -Jetzt erübrigt sich die Frage nach Stimmenthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau empfiehlt unter Nr. II seiner Beschlußempfehlung, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/2956. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 4 b auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag
- Drucksache 12/2794 Vizepräsident Helmuth Becker
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({1})
- Drucksache 12/2915 Berichterstattung:
Abgeordnete Meinrad Belle Dr. Jürgen Schmieder
Fritz Rudolf Körper
({2})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst unserem Kollegen Michael Stübgen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu dem hier erörterten Gesetzesvorhaben zur Änderung des Einigungsvertrages aus der Sicht eines Abgeordneten aus den neuen Bundesländern und auch noch Kommunalpolitikers folgendes mit Blick auf die fortgeschrittene Uhrzeit und den nahenden Ferienbeginn in aller Kürze bemerken.
Dem Ziel der personellen Umstrukturierung der öffentlichen Verwaltungen in den neuen Ländern wurde stets ein überragender Stellenwert eingeräumt. Der hiermit verbundene Personalabbau ist zwingend notwendig, um einerseits eine rechtsstaatliche effiziente Verwaltung auszubauen und andererseits die Personalkosten in den Haushalten der ostdeutschen Kommunen deutlich zu verringern. Diese Überlegungen waren für die Bundesregierung maßgeblich, um im Einigungsvertrag für einen befristeten Zeitraum, bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Wirksamwerden des Beitritts, erleichterte Kündigungsmöglichkeiten zu verankern.
Abweichend von unseren damaligen Einschätzungen und Erwartungen - das war, muß ich gestehen, durchaus ein Irrtum -- weisen vor allen Dingen die neuen Länder und die Kommunen in den neuen Ländern immer noch einen erheblichen Personalüberhang auf. Er kann in der noch zur Verfügung stehenden Zeit bis zum Auslaufen der Sonderkündigungsregelung auch nicht annähernd abgebaut werden. Dies gilt in besonderer Weise für Kommunen, zumal ihnen die sogenannte Warteschleifenregelung nicht zur Verfügung stand.
Dabei verkenne ich nicht, daß ein unmittelbarer Vergleich des Personalbestandes der Kommunen der alten Bundesländer mit denen der neuen Länder aus verschiedenen Gründen nicht zulässig ist. Ich nenne beispielhaft nur die offenen Vermögensfragen und die Übertragung kommunalen Vermögens.
Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß insbesondere bei den Einrichtungen und Betrieben, die auf Grund des Einigungsvertrages und des Kommunalvermögensgesetzes in kommunale Trägerschaft überführt worden sind, bis heute vielfach Personalüberhänge bis zu 25 % bestehen. Diese resultieren u. a. daraus, daß ein erheblicher Teil der DDR-Verwaltung direkt als Unterdrückungsmechanismus des SED-Staates eingesetzt wurde; wir alle kennen
diese Vorgänge und diese Situation. Solche Behörden sind heute Gott sei Dank überflüssig. Ich kann Ihnen sagen, daß mich das als Bürger eines neuen Bundeslandes glücklich und zufrieden macht.
Die Kommunen in der ehemaligen DDR nahmen aber darüber hinaus Aufgaben wahr, die nach der Wende dem Bund zugefallen sind. Ich verweise beispielsweise auf Teile des Post- und Bahnwesens. An dieser Stelle betone ich ausdrücklich, daß ich Kompetenz und Fleiß der Bediensteten in den neuen Bundesländern, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, die es auch in alten Bundesländern gibt,
({0}) nicht in Frage stellen will.
In meiner kommunalpolitischen Praxis habe ich gesehen und erkennen können, daß die Mehrzahl dieser Bediensteten versucht hat, ihre Aufgaben so zu erfüllen, wie es auch ihre Kollegen im Westen tun.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verlängerung der Möglichkeit erleichterter Bedarfskündigungen ist für die neuen Länder eine Existenzfrage. Deswegen haben z. B. im Innenausschuß des Bundesrates auch die neuen Bundesländer maßgeblich dazu beigetragen, daß die vorliegende Bundesratsinitiative uns heute zur Abstimmung unterbreitet worden ist. Ich betone, daß sich alle neuen Bundesländer dafür eingesetzt haben. Diese werden bekanntlich nicht nur von der CDU regiert.
({2})
- Mecklenburg-Vorpommern auch! - Die Verlängerung der Möglichkeit erleichterter Bedarfskündigungen ist, wie schon gesagt, eine Existenzfrage. Kommt es nicht zu einer Verlängerung, würden auf Grund der dann voll greifenden Kündigungsschutzbestimmungen notwendige Entlassungen gravierend erschwert, der Umstrukturierungsprozeß in den Verwaltungen der neuen Länder und der dortigen Kommunen würde einschneidend behindert. Wegen der zusätzlichen Kosten im Personalsektor ergäben sich erhebliche Auswirkungen.
Ohne einen drastischen Personalabbau werden die Kommunen in einer strukturpolitischen Bewegungslosigkeit verharren. So belaufen sich die Personalkosten aller fünf neuen Bundesländer auf ca. 11 Milliarden DM. Geradezu dramatisch ist die Situation in den Kommunen. So gibt es Gemeinden in meinem Wahlkreis, die 70 bis 80 % ihres Haushaltsvolumens für Personalkosten aufwenden. Dadurch werden Haushaltsmittel gebunden, die sinnvoller und besser für investive Zwecke genutzt werden sollten,
({3})
um das zu schaffen, was wir dort am nötigsten brauchen, nämlich Arbeitsplätze.
Es ist den Gemeinden auch unmöglich - das merke ich immer stärker im Zuge der Ämterbildung z. B. in Brandenburg -, das doch reichhaltige Angebot an Fördermitteln von EG, Bund und Land zu nutzen, da
ihnen hierfür die vorgeschriebenen Eigenmittelanteile fehlen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß nicht zuletzt hieran die Bedeutung einer Fristverlängerung deutlich wird. Zu den hier geäußerten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfes möchte ich anmerken, daß eine vom Bundesministerium des Innern und dem der Justiz vorgenommene Prüfung ergeben hat, daß gegen die beabsichtigte Fristverlängerung keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen Bedenken bestehen.
Ich möchte noch etwas dazu anmerken. Wer sich von diesem Gesetz, sofern wir es verabschieden sollten, gemäß Grundgesetz nicht rechtmäßig behandelt sieht, hat natürlich die Möglichkeit zu klagen. Dann könnte endlich einmal wirklich geklärt werden, in welcher Weise der Bundestag die Möglichkeit hat, Bestimmungen des Einigungsvertrages, die nicht so funktionieren, wie es ursprünglich gedacht war, zu ändern.
Noch eine abschließende Bemerkung zur sozialen Komponente des Gesetzentwurfes. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes haben in der vergangenen Woche einen Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vereinbart, der bei strukturbedingten Kündigungen bzw. aus demselben Grunde geschlossenen Auflösungsverträgen die Zahlung einer Abfindung vorsieht. Abhängig von der Beschäftigungsdauer kann die Abfindung bis zu maximal 10 000 DM betragen. Diese Regelung ergänzt die bereits im Einigungsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten zur sozialen Absicherung bei Maßnahmen zum Personalabbau. Im Unterschied zum Einigungsvertrag - das ist wichtig; das ist eine deutliche Verbesserung in diesem Entwurf - wird den betroffenen Arbeitnehmern ein Rechtsanspruch auf die Zahlung der Abfindung eingeräumt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aus den genannten Gründen wird meine Fraktion für diesen Entwurf stimmen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist unser Kollege Dr. Uwe Küster.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Willen der CDU/CSU-F.D.P.-Mehrheit im Bundestag hätte die Bundesregierung den vorliegenden Gesetzentwurf zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag heute im Schnellverfahren beschließen lassen. Ohne Aussprache und damit weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit sollte der Gesetzentwurf unmittelbar vor der Sommerpause im Dunkeln und heimlich über die parlamentarische Bühne gebracht werden.
({0})
Im Nachrichtendickicht zum Thema des gestrigen
Tages und der heutigen Beratung zum Vermögensrechtsänderungsgesetz, zur Diskussion des Berichtes
der Föderalismuskommission und der Konzeptkommission wäre dieser Gesetzentwurf mit Sicherheit untergegangen. Mit uns Sozialdemokraten ist so etwas nicht zu machen.
({1})
Mag das Thema auch noch so schwierig oder strittig sein: Wir haben die Pflicht, dieses öffentlich auszutragen.
({2})
Es zeugt nicht gerade von gutem parlamentarischen Stil, wenn zunächst keine Übereinkunft bezüglich der Notwendigkeit einer entsprechenden Debatte mit der Koalition erzielt werden konnte. Erst die Androhung einer Geschäftsordnungsdebatte und einer Vielzahl persönlicher Erklärungen führte zu einem Sinneswandel. Es geht doch wohl nicht an, heimlich, still und leise eine Zitterpartie für Hunderttausende von Beschäftigten in den neuen Bundesländern um 15 Monate zu verlängern, ohne sich dazu auch öffentlich zu stellen.
Der Gesetzentwurf beruht auf einer Initiative des CDU-geführten Landes Sachsen, dessen Ministerpräsident Biedenkopf sich bekanntlich für seinen Einsatz zugunsten der Ostdeutschen gern bundesweit feiern läßt. Erreicht werden soll mit dem Gesetzentwurf, daß die durch den Einigungsvertrag eröffnete Möglichkeit der Bedarfskündigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst ({3}) über den Oktober 1992 hinaus bis zum Ende des nächsten Jahres verlängert wird. Es bleibt zunächst festzustellen, daß mit dieser Korrektur zum Einigungsvertrag erstmals eine Veränderung erfolgt, die eine massive Schlechterstellung gegenüber den ursprünglichen Vereinbarungen bedeutet und ausschließlich zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern geht. So bestehen nicht zuletzt verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf, auf die wir in den Ausschußberatungen hingewiesen haben.
Der vorgelegte Gesetzentwurf setzt die Interessen der Länder an einem weitgehend willkürlichen Abbau über den in der Bundesrepublik geltenden Kündigungsschutz. Mit Sozialdemokraten ist dieses nicht zu machen, auch nicht vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Situation in den Ländern und Kommunen der ehemaligen DDR. Wir leugnen auch nicht, daß die ostdeutschen Kommunen in einem weiteren Dilemma stecken: Einerseits fehlt das Personal im engeren Verwaltungsbereich, andererseits gibt es einen Personalüberhang in verschiedenen Einrichtungen. Wenn als Antwort auf diese schwierige Situation die Verlängerung des Sozialdumpings auf dem Rücken der Beschäftigten angestrebt wird, dann können wir der Koalition nur zurufen: Nehmt die Sorgen der neuen Bundesländer endlich ernst, gebt ihnen die Möglichkeit, ihren Menschen gegenüber eine sozialverträgliche Politik zu gestalten.
({4})
Auch ich habe in den vergangenen Wochen wiederholt die Bitten der Kommunalpolitiker gehört: Eröffnet uns in Bonn die Möglichkeit, weiterhin den öffentlichen Dienst auszudünnen. - Doch was bewirkt eine
solche Verlängerung letztendlich? Sie schafft zunächst bei den Beschäftigten eine tiefe Verunsicherung über ihre weitere berufliche Zukunft. Denn wer mag schon glauben, daß Ende 1993 dann wirklich der Arbeitsplatz gesichert ist, daß nicht vielmehr das, was einmal geklappt hat, auch ein zweites und drittes Mal zu wiederholen ist?
Mit welcher Begründung propagiert der Gesetzentwurf die angestrebte Verlängerung der Sonderkündigungsregelung? Es wird gesagt, daß bis Ende 1993 der notwendige Strukturwandel in der Verwaltung abgeschlossen sein sollte. Hier drängt sich der Vergleich mit einem Strukturwandel wie bei der Gebietsreform in den westdeutschen Ländern auf. Die damals notwendigen Umstrukturierungen waren von geringerem Ausmaß und wurden über einen wesentlich längeren Zeitraum gestreckt. Es ist daher eine Illusion, zu glauben, im Osten könne eine vergleichbare Reform bis Ende 1993 erreicht werden.
Worum es vielmehr geht, ist, die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten, der Betriebs- und Personalräte auf Dauer außer Kraft zu setzen. Ich halte es für eine Illusion, anzunehmen, daß mit verunsicherten, letztlich perspektivlosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dieser zweifellos notwendige Strukturwandel gelingen kann. Motivation und Engagement wachsen dort, wo Beschäftigten das Vertrauen ausgesprochen und ihr Leistungswille geschätzt wird, nicht dort, wo stets und ständig mit dem blauen Brief gerechnet oder gedroht wird.
Nun wird auch gesagt, daß gerade der öffentliche Dienst, die öffentliche Verwaltung eine Reihe von sogenannten Altlasten mit sich herumtrage, die dem Aufbau einer neuen Struktur hinderlich sei. Da kann ich den Vertretern der Kommunen nur sagen: Dann nutzt die noch existierende Zeit bis zum 2. Oktober dieses Jahres, und entlaßt eindeutig politisch belastete oder fachlich und charakterlich nicht geeignete Personen aus dem öffentlichen Dienst, aber wartet nicht noch ein paar Monate ab, bis ihr bedarfsgerecht eine weitere Truppe schwarzer Schafe zusammengestellt habt.
Die Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs ist meines Erachtens auch ein Gebot der Gleichbehandlung. Es kann doch nicht wahr sein, daß Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Osten in Verwaltungen, öffentlichen Dienstleistungsbetrieben und Schulen annähernd die gleiche Arbeit machen wir ihre Kollegen im Westen, nicht nur wesentlich schlechter bezahlt werden, sondern daß ihnen dazu noch auf nahezu beliebige Art und Weise gekündigt werden kann. Welche Gräben zwischen den Menschen in Ost und West wollen wir eigentlich noch auf Dauer bestehen lassen oder gar neu aufreißen, wo die eine Mauer nun glücklicherweise abgerissen ist? Statt in Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung mit Personalräten und Gewerkschaften den notwendigen Personalabbau nach tarifvertraglichen Regelungen vorzunehmen, wird über die Menschen im Osten verfügt, wie sie es seit einem halben Jahrhundert gewöhnt sind.
({5})
Umstrukturierungen mit einem Personalabbau werden in den öffentlichen Verwaltungen der neuen Länder auch weiterhin notwendig sein. Das kann aber nur unter Wahrung der gesetzlichen und tariflichen Kündigungsschutzrechte erfolgen. Wir erwarten, daß dieser Prozeß von den Tarifpartnern konstruktiv begleitet und unterstützt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie dringend auf: Belassen Sie nicht durch eine falsche Entscheidung Hunderttausende von Menschen weiterhin in Angst und Unsicherheit um ihren Arbeitsplatz! Verstärken Sie nicht die zahlreich existierenden Unterschiede zwischen Ost und West!
({6})
Setzen Sie heute ein Zeichen für Ihre Bereitschaft, dem politischen Einigungsprozeß auch den sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen folgen zu lassen!
Ich danke Ihnen.
({7})
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle um Zustimmung bitten, daß Herr Staatssekretär Dr. Horst Waffenschmidt seine Rede zu Protokoll gibt. ({0})
Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.*)
Ich erteile jetzt unserem Kollegen Dr. Jürgen Schmieder das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon kurios, wenn die ostdeutschen Kollegen der SPD im federführenden Innenausschuß mit der Regierungskoalition stimmen, der Fristverlängerung zustimmen - und das sind ja diejenigen Kollegen, die am besten Bescheid wissen, die diese Probleme selbst erleben -, dann aber keiner dieser Kollegen hier anwesend ist und wir trotzdem diese Debatte führen. Aber wir sind natürlich gerne bereit, den Wünschen eines einzelnen Herrn nachzukommen, und demzufolge reden wir also hier.
({0})
Im Einigungsvertrag war vereinbart, daß in den öffentlichen Verwaltungen auf allen Ebenen, also auch in den Ländern und in den Kommunen, die Möglichkeit geschaffen wird, die überdimensionierten Personalbestände abzubauen und damit in den Verwaltungen eine Konsolidierung herbeizuführen. Die Länder haben sich jetzt aus Eigenbedarf und im Interesse der Kommunen über den Bundesrat zu Wort gemeldet und um eine Verlängerung der vereinbarten Frist gebeten. Die Frist war echt zu kurz.
({1})
Herr Kollege Rüttgers.
*) Anlage 8
Herr Kollege Schmieder, ist Ihnen bekannt, warum der vorhergehende Redner, Herr Dr. Küster, der unbedingt reden mußte - weshalb wir hier noch sitzen -, unmittelbar nach seiner Rede das Plenum verlassen hat?
Ich nehme an, daß er sich noch profilieren wollte, bevor er den Zug nimmt, um nach Hause zu fahren und sich das Fußballspiel anzusehen.
Eine Zwischenbemerkung der Frau Kollegin Hämmerle.
Es wäre vielleicht fair gewesen, Herr Kollege Dr. Rüttgers, wenn Sie mich gefragt hätten. Ich hätte Ihnen sagen können, daß Herr Dr. Küster dringend das Flugzeug erreichen muß. Das ist Ihnen allen auch schon passiert.
({0})
- Dieses ist Ihnen allen auch schon passiert; dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.
Aber dann hätten wir es so machen können, Frau Kollegin Hämmerle, wie wir es vorhatten: Wir hätten die Reden zu Protokoll geben können. Aber wir haben noch Reserven unter Deck. Wenn wir die alle noch hier hinbringen, haben wir hier sicher die Mehrheit.
({0})
- Ich bedanke mich für Ihren Beitrag. - Bekomme ich das jetzt angerechnet?
Nein, natürlich nicht, Herr Kollege Schmieder.
Ich habe wirklich noch einmal eine herzliche Bitte. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zu was führt diese Debatte? Jeder kommt in solche Schwierigkeiten, jeder hat seine Gründe dafür, jeder kann das kritisieren; aber weiter kommen wir damit nicht.
Ich bitte Sie, Herr Kollege Dr. Schmieder, fahren Sie bitte mit der Rede fort.
Ich bedanke mich, Herr Präsident.
Wie gesagt, die Frist war echt zu kurz. Zum Teil haben sich die Länder auch noch nicht auf eine Kommunalverfassung geeinigt, also können die Kommunen auch nicht endgültig über die Struktur und damit über den Personalbestand entscheiden. Vielfach gilt es auch, verschiedene Teilbereiche aus der öffentlichen Verwaltung herauszunehmen und zu privatisieren. Dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Zum Beispiel in Chemnitz hat die städtische Verwaltung rund 18 000 Beschäftigte. Hier muß also beträchlich abgespeckt werden. Da aber ohne die vorgesehene Verlängerung die Frist am 2. Oktober 1992 ablaufen würde, wäre damit eine Massenentlassung nach den Sommerferien vorprogrammiert, um
dann nach Klärung der Struktur wieder Einstellungen vorzunehmen.
Eine Verlängerung der Frist hilft, hier den Prozeß in Ruhe ablaufen zu lassen, und bietet die Chance, neben der Einzelfallprüfung auch die soziale Absicherung für Betroffene zu erreichen. Da dies Wille des Gesetzgebers war, ist es natürlich im Sinne des Einbringers, die Frist um den angegebenen Zeitraum zu verlängern.
Den Kommunen und Ländern muß man allerdings sagen, daß sie nicht zwingend müssen, wenn sie nicht wollen oder mit der Strukturbereinigung etwa schon fertig sind. Die Möglichkeiten zum Personalabbau im Interesse eines effizienten Kommunal- und Länderhaushaltes sind jedoch weiterhin geschaffen.
In Art. 44 des Einigungsvertrages steht, daß Rechte aus diesem Vertrag von den Ländern geltend gemacht werden können. Genau dies ist über den Bundesrat geschehen. Der Einigungsvertrag selbst gibt uns nach Art. 45 Abs. 2 das Recht, diesen Punkt als einfaches geltendes Recht zu behandeln und im Bundestag als dem Nachfolgeorgan der beiden vertragschließenden Parteien eine Verlängerung der Fristen zu beschließen.
Danke schön.
({0})
Meine Damen und Herren, als letztem Redner in dieser Runde erteile ich jetzt unserem Kollegen Dr. Gregor Gysi das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es beachtlich, daß hier schon bei der ersten Lesung und jetzt wieder bei der zweiten und dritten Lesung versucht worden ist, diese wesentliche Einschränkung von Rechten von Bürgerinnen und Bürgern ohne jede Debatte, d. h. ohne jede Aussprache, zu beschließen, und zwar im Dunkeln.
({0})
- Ja, bei der ersten, aber nicht heute.
({1})
Nun sage ich Ihnen noch etwas: Ich finde die Leichtfertigkeit, mit der Sie das angebliche Jahrhundertwerk, nämlich den Einigungsvertrag, so nebenbei am Nachmittag revidieren ({2})
mit erheblichen Auswirkungen für Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst -, beachtlich.
Wenn Sie sagen, daß die SPD-Mitglieder aus den neuen Bundesländern im Innenauschuß zugestimmt haben - das weiß ich nicht -, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß im Ausschuß für Arbeit und Soziales sämtliche SPD-Mitglieder dagegengestimmt haben. Ich kann hinzufügen, daß sich der Gewerkschaftskongreß ÖTV in einer Entschließung einstimmig dafür
ausgesprochen hat, dieses Gesetz nicht anzunehmen
({3})
- vielleicht sollte man auch einmal darauf hören -, und sogar mit einer Verfassungsklage gedroht hat.
Sie haben vorhin davon gesprochen, daß es darum geht, Rechtstaatlichkeit herzustellen. Dann erklären Sie, wir müßten Rechtstaatlichkeit abbauen, um Rechtstaatlichkeit herzustellen.
({4})
Sie müssen sich einmal überlegen, welche Argumente Sie benutzen.
Ich werde Ihnen noch etwas sagen. Es ist doch einfach ungeheuerlich, wenn Sie hier gesetzliches Kündigungsrecht für einen Zeitraum von mehr als einem weiteren Jahr einschränken und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sagen: „Wartet einmal ab, wann die Massenentlassung kommt" und als Begründung angeben: Sonst müßten wir die Massenentlassungen jetzt im Sommer durchführen. Das ist so, als ob Sie sagen, Sie wollten eine Fristverlängerung zur Abschaffung der Todesstrafe, weil sonst im nächsten Monat zu viele an der Reihe wären. Das scheint mir nun wirklich eine absurde Argumentation zu sein.
Ich glaube, daß Sie damit die Situation in den neuen Bundesländern weiter anheizen und daß Sie mitverantwortlich sind, wenn es dort zu sozialen Eruptionen kommt, wenn Sie mit dem Recht weiter so umgehen und vor allem Hunderttausende im öffentlichen Dienst demotivieren, da sie überhaupt nicht wissen, wie lange sie noch tätig sind, und damit rechnen müssen, jeden Tag ohne Kündigungsschutz gekündigt zu werden.
Die Menschen haben sich alle darauf eingestellt, daß diese Maßnahmen am 2. Oktober 1992 beendet sind. Jetzt wird ihnen gesagt: Nein, wir treiben dieses Spiel mit euch noch über ein Jahr lang weiter - und das nur, weil die Länder ihre Arbeit, die sie bis dahin hätten leisten müssen, nicht geleistet haben. Das finde ich ungeheuerlich. Praktikabler ist es natürlich immer, Kündigungsschutz abzuschaffen. Aber Kündigungsschutz dient nicht dem Ziel der Praktikabilität, sondern dem Ziel einer erhöhten Rechtssicherheit für die Betroffenen.
Ich sage Ihnen, daß sich die Betroffenen das nicht bieten lassen werden. Das, was Sie heute hier verabschieden wollen, geht zu weit.
({5})
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der Aussprache.
Ich teile Ihnen mit, daß eine Reihe von Kollegen eine schriftliche Erklärung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung zur Abstimmung abgegeben haben.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten
in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag, Drucksache 12/2794. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/2915, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit dem gleichen Stimmenverhältnis ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Zusatztagesordnungspunkt 6 und Tagesordnungspunkt 5 auf:
ZP 6 Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes ({0})
- Drucksache 12/1985 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1})
- Drucksache 12/2922 Berichterstattung: Abgeordneter Adolf Ostertag
Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 12/2935 Berichterstattung:
Abgeordnete Karl Diller Dr. Gero Pfennig
({3})
5. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Gerd Andres, Hans Büttner ({5}), Konrad Gilges, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik
- Drucksachen 12/2212, 12/2922 -
Berichterstattung: Abgeordneter Adolf Ostertag
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind die Redebeiträge zu Protokoll gegeben worden. Ich bitte um Ihre Zustimmung, daß wir so verfahren. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. *)
*) Anlage 11
Vizepräsident Helmuth Becker
Meine Damen und Herren, wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes auf Drucksache 12/1985.
Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 12/2922 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 12/1985 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dieser Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, da der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt worden ist, entfällt nach unserer Geschäftsordnung die dritte Beratung.
Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt unter Buchstabe b, den Antrag der Fraktion der SPD zu Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ist dieser Beschlußempfehlung gefolgt worden.
Unter Buchstabe c schließlich wird empfohlen, eine Entschließung anzunehmen.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit den gleichen Stimmenverhältnissen ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes
- Drucksache 12/2693 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({6})
- Drucksache 12/2919 Berichterstattung:
Abgeordnete Renate Rennebach
({7})
Interfraktionell ist auch hier vereinbart worden, die Redebeiträge zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. Ich muß aber fragen: Sind alle damit einverstanden, daß wir so verfahren? - Dann haben wir diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen. *)
Wir kommen dann gleich zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes, Drucksachen 12/2693 und 12/2919.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand-
*) Anlage 12
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt gegen diesen Gesetzentwurf? - Stimmenthaltungen? - Dann ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa
- Drucksache 12/2263 -Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({8})
- Drucksache 12/2865 Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Francke ({9}) Karsten D. Voigt ({10})
Ulrich Irmer
({11})
Interfraktionell ist auch hier vereinbart worden, die Redebeiträge zu Protokoll zu geben. Sind Sie mit dieser Abweichung von der Geschäftsordnung einverstanden? - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen. *)
Wir kommen dann zur Einzelberatung und Schlußabstimmung.
Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/2865, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 4 c bis 4 i und die Zusatzpunkte 7 bis 12 auf:
4. Abschließende Beratungen ohne Aussprache
c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer bei den Sozialversicherungswahlen
- Drucksache 12/2734 - *) Anlage 13
Vizepräsident Helmuth Becker
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({12})
- Drucksache 12/2909 Berichterstattung:
Abgeordneter Alfons Müller ({13})
({14})
d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes
- Drucksache 12/2696 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15})
- Drucksache 12/2914 Berichterstattung: Abgeordneter Rolf Koltzsch
({16})
e) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({17}) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Regensburg, Betriebs- und Geschäftsgrundstück
- Drucksachen 12/2401, 12/2631 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Nils Diederich ({18}) Adolf Roth ({19})
Werner Zywietz
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({20}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 69/169/EWG durch Verlängerung und Modifizierung der Ausnahmeregelung für Dänemark und Irland hinsichtlich der Vorschriften über die Befreiung im grenzüberschreitenden Reiseverkehr
- Drucksachen 12/2101 Nr. 3.6, 12/2632 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Renate Hellwig
g) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({21}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686 30 - Beitrag an die Vereinten Nationen -
- Drucksachen 12/2485, 12/2754 -
Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Klaus Rose
Dr. Sigrid Hoth Ernst Waltemathe
h) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({22}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Weitere überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686 30 - Beitrag an die Vereinten Nationen -- Drucksachen 12/2593, 12/2755 -
Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Sigrid Hoth
Dr. Klaus Rose
Ernst Waltemathe
i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({23})
Sammelübersicht 64 zu Petitionen - Drucksache 12/2849 ZP 7 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({24}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 10 04 Titel 682 08 ({25})
- Drucksachen 12/2586, 12/2930 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb Dr. Sigrid Hoth
Ernst Kastning
ZP 8 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({26}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Außerplanmäßige Ausgabe sowie außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 12 14 - Deutscher Wetterdienst - apl. Titel 685 01 - Beitrag zum Sekretariatsneubau EUMETSAT - im Haushaltsjahr 1992
- Drucksachen 12/2646, 12/2931 Berichterstattung:
Abgeordnete Ernst Waltemathe Dr. Wolfgang Weng ({27}) Wilfried Bohlsen
ZP 9 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({28}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1992
hier: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 02 Titel 685 08 - Kassenhilfe an die Rundfunkanstalten „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" -- Drucksachen 12/2641, 12/2932 Berichterstattung:
Abgeordnete Karl Deres Marita Sehn
Rudolf Purps
Vizepräsident Helmuth Becker
ZP10 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({29})
Sammelübersicht 65 zu Petitionen - Drucksache 12/2916 -ZP11 Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({30})
Sammelübersicht 66 zu Petitionen - Drucksache 12/2917 -
ZP12 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und F.D.P.
Umsetzung des Westsahara-Friedensplans der Vereinten Nationen
- Drucksache 12/2896 -
Zu diesen Tagesordnungspunkten ist keine Aussprache vorgesehen.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer bei Sozialversicherungswahlen, Drucksachen 12/2734 und 12/2909. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes, Drucksachen 12/2696 und 12/2914.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Beratung der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu einem Richtlinienvorschlag der EG zum grenzüberschreitenden Reiseverkehr, Drucksache 12/2632. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 g und 4 h sowie den Zusatzpunkten 7 bis 9.
Beratung von fünf Beschlußempfehlungen des Haushaltsausschusses zu überplanmäßigen Ausgaben, Drucksachen 12/2485, 12/2754, 12/2593, 12/2755, 12/2930, 12/2931 und 12/2932. Es handelt sich um Beiträge an die Vereinten Nationen, Lagerung von Interventionswaren, Beiträge zum Sekretariatsneubau EUMETSAT sowie Kassenhilfe an die Deutsche Welle und den Deutschlandfunk. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind gegen die Stimmen der Gruppe PDS/ Linke Liste angenommen.
Tagesordnungspunkt 4 i sowie die Zusatzpunkte 10 und 11: Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 12/2849, 12/2916 und 12/2917. Das sind die Sammelübersichten 64 bis 66. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind einstimmig angenommen.
Wir stimmen jetzt - das ist Zusatzpunkt 12 der Tagesordnung - noch ab über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. zur Umsetzung des Westsahara-Friedensplanes der Vereinten Nationen, Drucksache 12/2896. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen aus der Gruppe PDS/ Linke Liste ist dieser Antrag angenommen.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d und die Zusatzpunkte 13 bis 16 auf:
3. Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
Einwilligung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung
- Drucksache 12/2836 -
Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Appell an die Regierung des Iran
- Drucksache 12/2119 -Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß
c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. Unterrichtungen durch die Bundesregierung über die deutsche Humanitäre Hilfe im Ausland
- Drucksache 12/2776 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß ({31})
Ausschuß für Wirtschaft Verteidigungsausschuß Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß
Vizepräsident Helmuth Becker
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans Büttner ({32}), Brigitte Adler, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter
Zuckerrübentransport auf die Schiene - Drucksache 12/2772 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({33})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Verkehr
ZP13 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 12/2866 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Frauen und Jugend ({34}) Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie und Senioren
ZP14 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD KSZE-Parlamentarierversammlung
- Drucksache 12/2893 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
ZP15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Fritz Schumann ({35}), Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste
Bestandsgarantie für sanierungsfähige Betriebe der Treuhandanstalt
- Drucksache 12/2848 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß ({36})
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
ZP16 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Sicherung von Sportstätten in den neuen Ländern
- Drucksache 12/2534 Überweisungsvorschlag:
Sportausschuß ({37})
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen.
Der Antrag der Fraktion der SPD zur KSZE-Parlamentarier-Versammlung soll außerdem der Gemeinsamen Verfassungskommission zugeleitet werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist das so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen ein paar erholsame Ferientage. Es ist ja keineswegs so, daß das Parlament jetzt für neun Wochen in die Ferien geht, sondern Sie alle haben noch viel Arbeit. Aber Sie sollten auch etwas Erholung haben - das schreiben unsere Sozialgesetze sogar vor -, die ich Ihnen allen hiermit wünsche.
Ich berufe, wenn uns nichts dazwischen kommt, die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. September 1992, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.