Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, diese Befragung steht zum erstenmal auf unserer Tagesordnung. Wir verwirklichen damit probeweise eine Vereinbarung des Ältestenrates zur Verbesserung der parlamentarischen Arbeit und der Kontrollrechte des Deutschen Bundestages. Es ist eine Mischung, wenn ich es so formulieren darf, zwischen einer politischen Fragestunde und einer Berichterstattung aus dem Kabinett.
Über die Einzelheiten sind Sie durch eine amtliche Mitteilung informiert worden. Diese amtliche Mitteilung ist erneut auf den Plätzen ausgelegt worden; ich hoffe, daß sie dort liegt. Ein Erfolg des neuen Verfahrens hängt davon ab, daß wir alle ein hohes Maß an Flexibilität, Kooperationsbereitschaft und am Anfang auch ein bißchen Geduld aufbringen, bis sich das Verfahren eingespielt hat.
Meine Damen und Herren, ich darf jetzt darauf hinweisen, daß der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts, Dr. Schäuble, mit Schreiben vom heutigen Tag die zentralen Punkte mitgeteilt hat, die heute in der Kabinettssitzung behandelt worden sind. Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß der Bundesminister der Finanzen einen einleitenden Bericht geben wird. Das Schreiben ist verteilt worden, und ich hoffe, daß es Ihnen zugänglich gemacht worden ist.
Ich danke der Bundesregierung für diese Informationen und darf nun dem Bundesminister der Finanzen zu einem einleitenden Bericht das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Von den umfangreichen Punkten der heutigen Kabinettsberatung hat der Gesetzentwurf über Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes bereits in den letzten Wochen lebhafte öffentliche Diskussionen ausgelöst. Ich will Ihnen kurz berichten: Das Kabinett hat den Entwurf einstimmig verabschiedet und Bundesrat und Bundestag damit zur Beratung zugeleitet. Er sieht, wie Sie wissen, für zehn Jahre
finanzielle Leistungen des Bundes von jährlich 2,45 Milliarden DM vor, und zwar an neun Länder, die bestimmten Kriterien gerecht werden.
Wir haben uns entschlossen, an Hand eines Katalogs für förderungswürdige Investitionen, die bis zu 90 % vom Bund mitfinanziert werden können, den Ländern, d. h. vor allem auch den Landtagen, einen Spielraum in der Verwendung zu eröffnen. Wir haben nicht den Weg einer Zweckbindung von bestimmten Prozentzahlen für Einzelmaßnahmen gewählt, weil wir nach unserem bundesstaatlichen Verständnis meinen, mit den klaren Vorgaben des Katalogs sollten die Landesparlamente selbst entscheiden können.
Ich möchte allerdings zwei Erwartungen des Kabinetts hier unterstreichen, einmal die dringende Erwartung, daß die Flächenländer einen erheblichen Teil dieser Mittel der kommunalen Selbstverwaltung überweisen. Die Kommunen sind der wichtigste Träger der Investitionen. Die zweite Erwartung ist, daß insbesondere Umweltschutzinvestitionen nachhaltig gefördert werden. Es ist nicht ein Zufall, daß die Umweltschutzinvestitionen im Katalog unter Punkt 1 Ziffer 1 genannt sind. Wir werden auch in der Begründung und in der Einzeldebatte hier in diesem Hohen Haus und im Bundesrat diese Priorität nachdrücklich unterstreichen. Wir haben auch in den Erläuterungen klargestellt, daß unter den Voraussetzungen von Art. 104 a des Grundgesetztes im Umweltbereich breite Anwendungsmöglichkeiten gegeben sind, vor allem bei Gewässerschutz, Abwasserbeseitigung und Ausbau von Kanalisation. Das sind ja, wenn - wie ich hoffe - die Länder so entscheiden, wichtige Voraussetzungen für die Verbesserung der Situation an Nord- und Ostsee, aber auch etwa für das Schwerpunktprogramm für Saar und Mosel, um einen anderen Schwerpunkt im Gewässerschutz hervorzuheben. Hier sind die anliegenden Länder in besonders nachhaltiger Weise begünstigt.
Wir werden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Gesetzgebungsverfahren über die zugrunde liegenden Kriterien diskutieren. Sie sind sorgfältig erwogen. Ich will schon heute unterstreichen, daß nach intensiver Prüfung dieses Gesetz den verfassungs6752
rechtlichen Anforderungen von Art. 104 a entspricht.
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- Wir haben dies, Herr Kollege Vogel, mehrfach, nicht nur im Finanzministerium, sondern auch in Gesprächen mit den Verfassungsressorts geprüft. Die Verfassungsressorts haben diesem Gesetzentwurf auf Grund der Prüfung zugestimmt.
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- Es ist so, daß - das zeigt Ihr Zwischenruf - es innerhalb der Länder bis heute erhebliche Auffassungsunterschiede gibt. Ein Land - Hessen - hat von Anfang an und insofern konsequent das Konzept von Strukturhilfen in dieser Form abgelehnt, wie übrigens Hessen auch gegen die erste Initiative der Mehrheit des Bundesrates war, den Bund an den Sozialhilfekosten zu beteiligen.
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Man muß also anerkennen, daß dies eine in sich immer konsequente Haltung war, die wir allerdings nicht teilen. Wir wollen der Beratung im Bundesrat auch nicht vorgreifen.
Ich gehe davon aus, daß es möglich ist, die noch vorhandenen Auffassungsunterschiede auch zwischen anderen Ländern über Kriterien und Verteilungswirkungen jedenfalls teilweise zu überbrücken, allerdings in dem vorgegebenen finanziellen Rahmen. Der Bund übernimmt hier eine außerordentliche Kraftanstrengung, die Investitionsfähigkeit der Länder und Kommunen weiter zu stärken. Ich hoffe deshalb, daß im Bundesrat und im Bundestag schließlich eine überparteiliche Mehrheit diesem Gesetz zustimmen kann.
Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Fragen zum Bericht des Herrn Bundesministers auf. Zuerst erteile ich zu einer Frage dem Herrn Abgeordneten Dr. Penner das Wort.
Herr Präsident, eigentlich böte es sich angesichts der Aufforderung des Bundesinnenministers Dr. Zimmermann an, die anwesenden Kabinettsmitglieder zu fragen, ob sie denn bewaffnet sind. Ich will mir diese Frage versagen, um die Mitglieder der Bundesregierung nicht in eine unangenehme Situation zu bringen.
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Es kommt mir bei meiner Intervention auf einen bestimmten Punkt an. Wir alle haben es gewollt, und wir alle haben es gefordert; der Bundeskanzler hat es bekräftigt: Wir haben immer wieder dafür geworben, daß Menschen aus Osteuropa, die deutschstämmig sind, zu uns kommen. Das geschieht nun. Ernstzunehmende Schätzungen sprechen davon, daß es 600 000 sein werden, die in den nächsten Jahren in die Bundesrepublik kommen werden. Insgesamt handelt es sich um einen Personenkreis von 3,5 Millionen Menschen.
Darauf müssen wir reagieren. Das verlangt, daß wir viel Integrationsarbeit leisten müssen, nicht nur in sprachlicher, sondern auch in beruflicher Hinsicht. Besonders aber geht es um Wohnraum.
Ich frage die Bundesregierung, ob sie allen Ernstes angesichts zunehmender kritischer Stimmen davon ausgehen kann, daß das von ihr aufgelegte Wohnungsbauprogramm den Anforderungen genügt, und ob es zu rechtfertigen ist, die Mittel für den Sozialwohnungsbau um ca. 180 Millionen DM zu kürzen und dadurch das Konkurrenzdenken zwischen denen, die als Aussiedler nach Wohnungen suchen, und denen, die als Sozialwohnungsberechtigte in Betracht kommen, noch zu befördern?
Wenn ich recht sehe, ist das eine Frage an den Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister zur Antwort.
Herr Präsident! Herr Kollege Penner, die Bundesregierung hat heute beschlossen, für das Wohnungsbauprogramm zugunsten der Aussiedler und Zuwanderer eine Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 1989 in Höhe von 750 Millionen DM einzustellen. Eine Inanspruchnahme der im Haushaltsentwurf bereits festgesetzten Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues kommt nicht in Frage. Insoweit hat die Bundesregierung ihren Beschluß vom 31. August 1988 korrigiert.
Die Bundesregierung hat weiter beschlossen, daß sie für den Fall, daß der Zustrom von Aussiedlern und Zuwanderern anhalten wird, diesen Punkt noch im Frühjahr 1989 erneut beraten und dann darüber entscheiden wird, in welchem Umfang den Ländern zusätzliche Finanzhilfen angeboten werden. Wir werden also entsprechend der jeweiligen Entwicklung reagieren.
Ich darf Ihnen sagen, daß ich inzwischen eine Besprechung mit den zuständigen Länderkollegen gehabt habe. Wir sind uns in der Zielsetzung und auch über die wesentlichen Punkte der Ausgestaltung einig. Ich werde den Bundesländern morgen den Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung zuleiten und Anträge, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, können bereits ab dem 12. Oktober 1988, also ab heute - heute ist der Stichtag - , berücksichtigt werden. Da der Haushaltsausschuß in seiner Bereinigungssitzung am 27. Oktober die dafür erforderlichen haushaltsrechtlichen Entscheidungen treffen wird, gehe ich davon aus, daß diese Verwaltungsvereinbarung zum 1. November 1988 in Kraft gesetzt werden kann. Es können also bereits 1988 die Bau- und Planungsvorbereitungen und die Finanzierungsentscheidungen getroffen werden, so daß der größte Teil der vorgesehenen Wohnungen im Jahre 1989 wird fertiggestellt werden können.
Noch ein Weiteres wird wichtig sein: Die Bundesregierung finanziert auch Mietwohnungen, die als Übergangsheime verwendet werden können. Das heißt: Es sind ordentliche Mietwohnungen, die vorübergehend überbelegt sein werden, die aber dann weiterhin in vollem Umfang als normale Familienwohnungen zur endgültigen Unterbringung zur Verfügung stehen werden.
Das Wort zu einer weiteren Frage hat der Abgeordnete Austermann.
Herr Präsident! Ich möchte mich auf das beziehen, was der Bundesfinanzminister gesagt hat, es ist zu begrüßen, daß die Strukturhilfe jetzt endlich im Konzept fertig ist und daß die Mittel auch an die norddeutschen Länder für ganz bestimmte Zwecke verteilt werden. Es geht ja in der allgemeinen Diskussion immer etwas unter, daß hier wirklich eine beispielhafte Leistung des Bundes bevorsteht.
Meine Frage geht in die Richtung: Inwieweit macht dieser Gesetzentwurf Aussagen hinsichtlich des Investitionsbegriffs? Es geht ja darum, was als Investition angesehen wird. Es soll ein Gesetz sein, das vor allen Dingen Investitionen befördert. In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Frage zu stellen, inwieweit jetzt Erstinvestitionen oder Ergänzungs- bzw. Ersatzinvestitionen davon betroffen sein können, insbesondere wenn man daran denkt, Forschungsvorhaben in den norddeutschen Ländern, in den strukturschwachen Ländern stärker zu unterstützen.
Zur Antwort hat der Bundesminister der Finanzen das Wort.
Ich glaube, Herr Kollege Austermann, dies ist für die Beratung und schließlich auch für die Durchführung des Gesetzes ein sehr wichtiger Punkt. Ich will zunächst einmal feststellen: Der Gesetzentwurf schafft eine eindeutige Zweckbindung für Investitionen. Befürchtungen, daß die Mittel als allgemeine Deckungsmittel in Anspruch genommen werden können, werden, wie ich vermute, bei einer sorgfältigen Prüfung des Gesetzentwurfs, falls er so verabschiedet wird, widerlegt werden können. Wir haben etwa in den §§ 5, 6 und 7, die ich Ihnen jetzt in der Kürze der Debatte nicht im einzelnen vortragen möchte, ein sehr detailliertes Verfahren festgelegt, in dem die Mitwirkung des Bundes auch ohne bürokratischen Perfektionismus so weit gewährleistet ist, daß wir an Hand des Katalogs, der vorgeschlagen ist und der endgültig vom Bundestag festzulegen ist, wirklich feststellen können: Investitionen sind die ausschließliche Verwendungsmöglichkeit.
Erstinvestitionen, in bestimmten Fällen sicher auch Ergänzungsinvestitionen - das ist meine kurze Antwort auf Ihre weitergehende Frage. Wir haben aber den Wunsch einzelner Landesregierungen, nun auch laufende Kosten - bis zu Personalkosten - hineinzunehmen, aus genau diesem Grunde abgelehnt.
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Ich möchte das Hohe Haus schon heute bitten, in diesem Punkt die strengen Maßstäbe auch zu bestätigen, von denen wir ausgehen.
Zu einer Frage hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher.
Herr Präsident, erlauben Sie mir, mit meiner Frage einen Dank an die anwesenden Herren Minister für ihre rege Anwesenheit auszusprechen.
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- Herr Vogel, ich bin ja, pädagogisch wie ich bin, nun schon gleich bei der Bitte, daß es in Zukunft noch mehr werden
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und daß sie dann auch alle nicht mit Waffen, sondern mit guten Argumenten gewappnet sind, denn dies soll eine politische Fragestunde sein. Das Administrative wollen wir uns für andere Fragestunden vorbehalten.
Deshalb nun meine Frage an Sie, Herr Finanzminister. Sie haben hier vorgetragen, daß der Verteilungsschlüssel für die Strukturhilfemaßnahmen wohl erwogen sei. Ich höre in der Öffentlichkeit immer wieder sehr viel Kritik und daß diese Maßnahmen und die Gewichtung der Maßnahmen mit ziemlich heißer Nadel zusammengebastelt seien. Deshalb möchte ich Sie fragen, Herr Finanzminister: Wären Sie bereit, den vorgesehenen Maßnahmenkatalog und auch die Laufzeit, die im Gesetz für die ersten Strukturhilfemaßnahmen vorgesehen sind, im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens neuerlich zu überprüfen? Wenn alles jetzt für zehn Jahre festgeschrieben werden sollte, dann kann dieses neue Programm während der Laufzeit ja gar nicht mehr korrigiert werden. Deshalb wäre es für uns sehr wichtig, zu erfahren, ob Sie flexibel und offen sind, im Verlauf des Gesetzgebungsganges noch einmal nachzudenken.
Zur Antwort hat der Bundesminister der Finanzen das Wort.
Frau Kollegin! Meine Damen und Herren! Wir haben seit Anfang Juli nicht nur innerhalb der Bundesressorts, sondern auch mit den Ländern die Kriterien sehr intensiv diskutiert. Es ist zweieinhalb Monate lang eine Debatte geführt worden, bevor wir uns innerhalb der Regierung auf einen konkreten Vorschlag für die Kriterien verständigt haben. Da kann man nicht von „heißer Nadel" reden. Auch ich habe das in der Presse gelesen. Ich halte diesen Vorwurf für unbegründet.
Wahr ist aber - ich habe es schon gesagt - , daß es bis heute kein Einvernehmen in der Ländergemeinschaft gibt. Eine Reihe von Ländern, die das Gesetz an sich begrüßen, sagen: Wir müssen mehr haben - auf Kosten anderer. Infolgedessen kann man von einer allgemeinen Zufriedenheit noch nicht sprechen.
Um so sorgfältiger haben wir die Kriteriendebatte geführt. Aber bevor ich dazu etwas sage, will ich hervorheben: Wir sehen im Gesetzentwurf in Verbindung mit der zehnjährigen Laufzeit in der Tatzeit zwei
Überprüfungstermine vor. Wir haben vorgesehen, daß - und zwar auf der Grundlage der Kriterien -1992 und 1995 überprüft werden soll, ob die zugrunde liegende Verteilung in den Zahlen für die einzelnen Länder noch begründet ist oder ob sie geändert werden muß.
Was die Kriterien selbst betrifft, so will ich in aller Kürze sagen: Neben einem für alle Länder, die den Kriterien entsprechen, gleichen Sockelbetrag in Höhe von 10 % des Fördervolumens, also rund 27 Millionen DM für jedes Land, wird für den Hauptbetrag eine Gewichtung zu je einem Drittel nach folgenden Kriterien vorgesehen: das Niveau des Bruttoinlandsprodukts der Länder im Durchschnitt der Jahre 1985 bis 1987 entsprechend ihrem Abstand zum Bundesdurchschnitt je Einwohner; zweitens Berücksichtigung der Einwohnerschaft der Kreise mit einer überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit, auch wieder im Jahresmittel 1985 bis 1987, und drittens Berücksichtigung der Einwohnerschaft der Kreise mit einem unterdurchschnittlichen Beschäftigungszuwachs während einer Referenzperiode mehrerer Jahre. Ich glaube schon, ohne die fachlichen Einzelheiten zu vertiefen, daß Wirtschaftskraft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, an Arbeitslosenzahl und Beschäftigung, wesentliche Kriterien für eine solche Hilfe sind.
Zu einer Frage hat das Wort die Abgeordnete Frau Oesterle-Schwerin.
Ich habe eine Frage an Herrn Bundesminister Schneider zum Sonderwohnungsprogramm für Aussiedler. Sie lassen ja in Ihrem Programm die Überbelegung von Wohnungen jetzt ausdrücklich zu, machen aber keinerlei Vorschriften darüber, wie groß die Wohnungen sein müssen, die im Rahmen dieses Sonderprogramms gebaut werden. Wie wollen Sie denn verhindern, daß Privatinvestoren diese günstige Gelegenheit dazu mißbrauchen, um z. B. 50 000 DM Zuschüsse für ein Ein-Zimmer-Appartement oder für eine sonstige kleine Wohnung zu kassieren? Meinen Sie nicht, daß der Mißbrauch durch die Zulassung der Überbelegung geradezu vorprogrammiert ist?
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Zur Antwort Herr Bundesminister Dr. Schneider.
Frau Kollegin, Ihre Besorgnisse sind unbegründet. Die Wohnungen werden nach den Erfahrungen, Regelsätzen und Erkenntnissen im sozialen Wohnungsbau hergestellt. Ich gehe davon aus, daß eine durchschnittlich große Wohnung etwa 70 Quadratmeter haben kann. Der Vollzug liegt bei den Ländern. Es können natürlich auch größere Wohnungen für größere Familien gebaut werden. Die Zahl 70 ist eine Zahl, die die Durchschnittsgröße angibt.
Es ist so, daß wir eine neue Förderungskategorie einführen, nämlich die vertragliche vereinbarte Förderung. Damit individuell, von Fall zu Fall die jeweils richtige Förderart gewählt werden kann, sollen erstmals vertragliche Vereinbarungen der Bewilligungsbehörde mit den Unternehmern, den Herstellern erstmals ermöglicht werden. Die Bundesländer und die Gemeinden haben diese neuen Möglichkeiten sehr begrüßt.
Ich bin also ganz sicher, daß hier Wohnungen gebaut werden, die in ihrer sozialen Ausstattung, in ihrer Verwendung, in ihrer Familienverträglichkeit allen Erwartungen entsprechen, die wir füglicherweise in sie setzen.
Zu einer Frage hat das Wort der Abgeordnete Schäfer ({0}).
Ich habe eine Frage an Herrn Bundesminister Kiechle. Herr Kiechle, Sie haben gestern, am 11. Oktober, bei der 53. Tagung des Deutschen Forstvereins in München gesagt, daß der Wald jetzt in seinem Bestand bedroht sei. Es sei keine Zeit mehr, die Forschungsergebnisse in Ruhe abzuwarten. Die Schadstoffe in der Luft seien die größte Gefahr für den Wald und müßten deshalb so schnell wie möglich reduziert werden. - Soweit, Herr Bundesminister Kiechle, Ihre wörtliche Ausführung.
Meine Frage an Sie ist nun: Welche Gespräche mit welchem Inhalt beabsichtigen Sie auf dem Hintergrund dieser Aussage mit dem für Luftverschmutzung zuständigen Umweltminister Töpfer zu führen? Werden Sie beispielsweise ein Programm zur rationellen Energieverwendung und Energieeinsparmaßnahmen unterstützen, die die Luftschadstoffe schnell reduzieren? Werden Sie beispielsweise ein Tempolimit unterstützen, oder bleiben Ihre Aussagen folgelos? - Ich wäre dankbar, wenn Herr Kiechle mir die Frage beantworten könnte.
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Sie haben, Herr Kollege, unschwer erkannt, daß der Herr Bundesminister Kiechle nicht anwesend ist.
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Ich bitte um Verständnis, daß nicht alle Bundesminister anwesend sein können. Wir haben zunächst einmal alle diejenigen hergebeten, deren Ressorts in der heutigen Kabinettsitzung besonders angesprochen wurden.
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- Ich stelle fest, daß der Herr Bundesminister des Auswärtigen bereit ist, diese Frage zu beantworten.
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- Moment! Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident, ich antworte in meiner Eigenschaft als Stellvertreter des Herrn Bundeskanzlers
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und darf dem Abgeordneten mitteilen, daß die Mitglieder der Bundesregierung im Rahmen der Geschäftsordnung zusammenarbeiten, um die von ihm proklamierten Ziele zu verwirklichen.
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Zu einer weiteren Frage hat das Wort der Abgeordnete Seiters.
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- Er ist nicht im Saal.
Dann ist der nächste der Herr Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil.
Ich habe eine Frage an den Herrn Bundesbauminister, die auch im Zusammenhang mit dem Aussiedlerprogramm steht: Ist im Bereich des Baurechts beabsichtigt, etwa im ländlichen Bereich hinsichtlich der Schwierigkeiten des Bauens im Außenbereich oder hinsichtlich der Verwendung von aufgelassenen Höfen etwas vorzusehen?
Zur Antwort Herr Bundesminister Schneider.
Herr Kollege, eine Änderung des Baurechts, also in diesem Fall des § 35 des Baugesetzbuchs, ist nicht vorgesehen.
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Sie wissen, daß wir bei der Neuformulierung des Baurechts eine wesentlich neue Bestimmung aufgenommen haben, die sich jetzt bestens bewährt. Es ist nach dem neuen Baurecht ab 1. Juli 1987 möglich, Ausbauten im Außenbereich zuzulassen, eine zusätzliche neue Wohnung zu bauen, und von dieser Möglichkeit wird auch Gebrauch gemacht.
Zu einer Frage hat der Abgeordnete Roth das Wort.
Haben Sie heute im Kabinett, ursprünglichen Ankündigungen folgend, das Thema der Fusion von Daimler-Benz und MBB erörtert?
Ich frage in Richtung auf den Finanzminister - wir dürfen ja auch jenseits der Kabinettssitzung, wie es aus der Unterlage klar ist, fragen - : Treffen Meldungen zu,
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daß Daimler-Benz vom Bund eine Ausstiegsklausel dann verlangt, wenn das Airbus-Risiko für DaimlerBenz zu groß wird? Könnte das bedeuten, Herr Bundesfinanzminister, daß zusätzlich zu dem ohnehin neu geplanten 20-%-KfW- und damit Bundesanteil bei der Airbus-Gesellschaft, die neu gegründet werden soll, der Bund irgendwann sogar Mehrheitsgesellschafter bei Airbus werden wird? Werden Sie dieses Risiko,
das Daimler-Benz Ihnen nach Meldungen abverlangt, akzeptieren?
Gefragt ist der Bundesminister der Finanzen. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Herr Kollege Roth, ich will zunächst kurz sagen, daß der unter „Verschiedenes" in Aussicht genommene Bericht des Bundeswirtschaftsministers über den Zwischenstand der Gespräche zur Frage einer Neuordnung und Stärkung des Gesellschafterkreises für Airbus und in Verbindung damit für MBB zurückgestellt wurde. Das ergab sich auch aus der heutigen Terminlage des Kabinetts. Insofern ist dieses Thema heute nicht behandelt worden.
Ich habe etwas Schwierigkeiten damit, jetzt Meldungen zu bewerten, die ich selbst gar nicht gelesen habe. Richtig ist, daß in mehreren Grundsatzgesprächen, auch in einem Gespräch, das Herr Kollege Bangemann und ich einmal im September mit führenden Vertretern der Industrie hatten, Rahmen und Fragestellungen für die weiteren Gespräche auf Expertenebene formuliert wurden. Diese Gespräche auf der Ebene hoher Beamter, vor allem aber natürlich auch des Parlamentarischen Staatssekretärs Erich Riedl als des Beauftragten der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt mit Experten von MBB und, soweit der Bund beteiligt ist und ein legitimes Interesse an der Prüfung hat, auch von Daimler-Benz, sind weitergegangen. Ich kenne im Augenblick nicht den neuesten Stand seit dem September-Gespräch.
Eines kann ich aber sicher sagen: Wir fassen keine Lösung ins Auge, die dazu führen kann, daß etwa der Bund Mehrheitsgesellschafter wird. Soweit - das bestätige ich Ihnen - über eine Beteiligung der KfW unter bestimmten Bedingungen geredet wird, ist ein Eckpunkt, daß es sich nur um eine befristete Beteiligung handeln kann. Für uns ist ein wesentlicher Punkt - ich sage das im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister - , daß wir nicht auf Dauer eine Reduzierung der jetzigen staatlichen Gesellschafter etwa aus dem Bereich der Länder wünschen, und zwar in der Form, daß eine dauerhafte Beteiligung des Bundes oder eines stark vom Bund getragenen Unternehmens, hier der KfW, an ihre Stelle tritt.
Zu einer Frage hat der Abgeordnete Uldall das Wort.
Meine Frage richtet sich an den Bundesfinanzminister. Ich halte es für richtig, daß der Bund die konsumtiven Ausgaben von Ländern nicht fördert, sondern seine Hilfe ausschließlich für investive Zwecke vorsehen will, weil eben nur so die Strukturnachteile ausgeglichen werden können.
Meine Frage geht dahin, wie flexibel sich der Bund bei der Auswahl von Investitionen verhalten wird. Denkbar ist, daß eine Verkehrsinvestition erst mit Mitteln des Bundes finanziert werden soll, z. B. in zehn Jahren, daß diese Investition aber regionalpolitisch und infrastrukturmäßig gesehen außerordentliche Bedeutung hat. Wäre es möglich, daß die durch die Strukturhilfe vorgesehenen Mittel vom Bundesland
eingesetzt werden, um eine solche Investition vorzufinanzieren, ohne daß damit das Bundesland die für später in Aussicht gestellte Unterstützung für diese Infrastrukturmaßnahme verliert? Ich darf vielleicht, um es plastisch zu machen, sagen, daß ich dabei an die vierte Röhre des Elbtunnels in Hamburg denke.
Zur Antwort Herr Bundesminister der Finanzen.
Der Gesetzentwurf geht davon aus, daß die Mittel fristgerecht für konkret bezifferte - natürlich in der Entscheidung der Länder vorgenommene - Investitionen zur Verfügung gestellt und dann auch fristgerecht abgerechnet werden. Die Überlegung von Vorfinanzierungen haben wir bisher nicht angestellt. Sie werfen sicher auch einige Probleme auf. Aber ich will dazu ohne Vorbereitung nicht abschließend Stellung nehmen und bin sicher, Herr Kollege Uldall, daß das noch einmal im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Für und Wider vertieft werden kann.
Zu einer Frage hat das Wort der Abgeordnete Kohn.
Herr Präsident, die Tatsache, daß der Bundesfinanzminister die heutige Fragerunde eingeleitet hat, steht in mehr als einem symbolischen Zusammenhang mit dem Thema, das ich gerne ansprechen möchte, nämlich dem Thema Sanierung der Deutschen Bundesbahn.
Wir entnehmen der Presse, daß die Bundesregierung die Beschlußfassung über die notwendigen Maßnahmen zur Konsolidierung der Bundesbahn seit mehreren Monaten vor sich herschiebt.
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Ich möchte darauf hinweisen, daß die Koalitionsabgeordneten aus dem Verkehrsbereich zu dieser Thematik vor der Sommerpause eine präzise Vorgabe erarbeitet haben.
Meine Frage an die Bundesregierung lautet:
Erstens. Wann ist mit einer Beschlußfassung der Bundesregierung zu den drängend anstehenden Fragen der Bundesbahn zu rechnen?
Zweitens. Werden sich die wesentlichen Inhalte der von der Koalitionsarbeitsgruppe erarbeiteten Themen in dieser Vorlage wiederfinden?
Da der Bundesminister für Verkehr nicht anwesend ist, wird der Herr Bundesminister für besondere Aufgaben, Chef des Bundeskanzleramtes, antworten. Sie haben das Wort, Herr Bundesminister Schäuble.
Herr Kollege Kohn, nicht zuletzt die Vorschläge der von Ihnen zitierten Arbeitsgruppe, bestehend aus Kollegen des Hauses, haben dazu geführt, daß die beinahe schon kabinettsreife Fassung des Bundesbahnberichts noch einmal durch den Bundesverkehrsminister überarbeitet werden soll. Deswegen sind noch Abstimmungsgespräche zwischen den Ressorts erforderlich. Ich gehe davon aus, daß der Bericht in wenigen Wochen im Kabinett behandelt werden wird und sich die Anregungen der von Ihnen genannten Arbeitsgruppe in diesem Bericht wiederfinden werden.
Meine Damen und Herren, die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Ich beende deshalb die Befragung.
Ich möchte allen Beteiligten, den Fragestellern, auch denen, die leider nicht zum Zug gekommen sind, und denen, die geantwortet haben, für diese Uraufführung sehr herzlich danken.
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Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 11/3080 -Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Grüner, ist zur Beantwortung der Fragen erschienen.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Daniels ({0}) auf:
Trifft es zu, daß der Lastfolgebetrieb von Atomkraftwerken Gefahren in der Form mit sich bringt, daß der Anfall von radioaktivem Abwasser auf ein Mehrfaches steigt, die Steuereinrichtungen einem erhöhten Verschleiß unterliegen, der Primärkreislauf einer erhöhten Materialermüdung ausgesetzt ist und die Hüllrohre der Brennelemente stärker beansprucht und schneller undicht werden können und damit der Sicherheitsspielraum verringert wird, da Material und Maschinen stärker belastet werden, und wie beurteilt die Bundesregierung den Lastfolgebetrieb angesichts der „ursprünglichen Planungen", daß Atomkraftwerke nur in der Grundlast eingesetzt werden sollten?
Herr Kollege, die Auslegung der Kernkraftwerke berücksichtigt sowohl den Grundlast- als auch den Lastfolgebetrieb. Beide Betriebsarten werden im Rahmen der Genehmigungen geprüft, und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit werden beurteilt.
Die im Betrieb auftretenden Lastzyklen werden im Rahmen der Aufsicht mit den in der Genehmigung zugrunde gelegten Lastzyklen verglichen, so daß eine Überschreitung der zulässigen Lastzyklen ausgeschlossen werden kann.
Beim Lastfolgebetrieb muß beim Druckwasserreaktor prinzipbedingt Kühlmittel ausgetauscht werden. Ein erhöhter Anfall von radioaktivem Wasser im Primärkreis als Folge des Lastfolgebetriebs bedeutet aber nicht, daß es auch zu einer erhöhten Abgabe von radioaktivem Abwasser an die Umgebung kommt. Die jährlichen Aktivitätsabgaben in den Abwässern für Kernkraftwerke, die Lastfolgebetrieb gefahren haben, zeigen keine erhöhten Werte.
Zum angefragten Verschleiß der Steuereinrichtungen weise ich darauf hin, daß alle Komponenten regelmäßig im Hinblick auf mögliche Verschleißerscheinungen kontrolliert werden. Die Prüfintervalle für die Funktionsprüfungen sind ausreichend dicht gestaffelt, um Verschleiß gegebenenfalls rechtzeitig
zu erkennen und Austauschmaßnahmen einzuleiten. Komponenten, an denen Verschleiß auftreten kann, können problemlos ausgetauscht werden.
Die errechneten Materialermüdungen bei der Auslegung der drucktragenden Wandungen der Primärkreiskomponenten ist auch unter Berücksichtigung des Lastfolgebetriebs weit unterhalb der zulässigen Grenzen. Schäden an Rohrleitungen des Primärkreislaufs an Kernkraftwerken, die auf den Lastfolgebetrieb zurückzuführen wären, hat es bisher nicht gegeben. Die Brennelementhüllrohre zeigen auf Grund der Lastfolgebetriebe bisher keine erhöhte Defektrate und bestätigen damit die Auslegungserwartungen. Insgesamt haben die Qualitätsmaßnahmen in den vergangenen zehn Jahren zu einer sehr geringen Defektrate geführt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Daniels.
Herr Staatssekretär, Sie bestätigen also, daß der Betrieb von Atomkraftwerken im Gegensatz zu früheren Überlegungen eben nicht mehr nur für den Grundlastbereich vorgesehen ist, sondern auch für den Mittellastbereich? Heißt das eben nicht doch, nachdem man da erst sehr kurze Erfahrungen hat, daß es nicht auszuschließen ist, daß dadurch die Materialbelastung zunimmt und damit verbunden möglicherweise stärkere radioaktive Belastungen im Gebäude oder auch außerhalb durch Emmissionen im Grundwasser, im Abwasser oder in der Luft sind?
Nein, Herr Kollege. Ich habe ja ausgeführt, daß die Kernkraftwerke auch auf den Lastfolgebetrieb ausgerichtet sind und daß das Teil des Genehmigungsverfahrens ist.
Ich habe zu Ihren sicherheitstechnischen Fragen die Antwort gegeben, die dazu im Augenblick gegeben werden kann. Deshalb möchte ich nicht auf eine Zusatzfrage eingehen, die sich mit der Frage beschäftigt: Wann und wo wird Lastfolgebetrieb gefahren? Wenn Sie eine solche Zusatzfrage stellen wollen, bin ich aber gern bereit, darauf zurückzukommen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn man sich überlegt, daß auf der einen Seite Atomkraftwerke am Wochenende in ihrer Leistung heruntergefahren werden und auf der anderen Seite ein neues Atomkraftwerk ans Netz genommen wird - ich spreche jetzt von Neckarwestheim - , frage ich, inwieweit man dann noch von einem Bedarf sprechen kann für die Ans-Netz-Nahme eines weiteren Atomkraftwerkes, wenn durch den Lastfolgebetrieb die anderen Anlagen in ihrer Leistung praktisch heruntergefahren werden.
Die Bedarfsfrage ist hier schon ausführlich diskutiert worden. Es ist richtig, daß wir bei dem erfolgreichen Energieeinsparungsprozeß, der hinter uns liegt, davon ausgehen können, daß heute kein zusätzlicher Bedarf an Stromleistung besteht. Daß er sehr unterschiedlich auftritt, auch regional sehr unterschiedlich ist, daß es auch Austauschvorgänge internationaler Art gibt, füge ich der Vollständigkeit halber hinzu. Daß Kernkraftwerke gleichzeitig eine sehr günstige Versorgung ermöglichen, was den Preis anbelangt, und damit etwa die Verstromung von Kohle finanziell erleichtern und möglich machen, bedeutet eine Ergänzung dieser Ausführungen.
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- Herr Kollege Dr. Daniels, es gab zunächst einmal eine zweite Frage, die beantwortet worden ist.
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Jeder von uns hat gleichermaßen die Gelegenheit zu zwei Zusatzfragen. Die haben Sie gehabt.
Jetzt kommt die nächste Frage. Das ist die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Daniels:
Teilt die Bundesregierung die Zweifel des ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten an der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung für die WAA-Herbstaktionstage '88 getroffen?
Der Herr Staatssekretär hat das Wort.
Der verstorbene bayerische Ministerpräsident hat zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf geäußert. Noch kurz vor seinem Tod hat er in einem Interview u. a. festgestellt: Die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf ist ein notwendiger Teilschritt der integrierten Entsorgung.
Dies steht in Übereinstimmung mit der Meinung der Bundesregierung, die sie in ihrem Entsorgungsbericht vom Januar dieses Jahres zum Ausdruck gebracht hat.
Die beabsichtigten Aktionen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf werden die Bundesregierung veranlassen, entsprechend der Anforderung des Freistaates Bayern Einheiten des Bundesgrenzschutzes zur Verfügung zu stellen. Einem Amtshilfeersuchen des Freistaates Bayern gemäß werden Bundeswehrunterkünfte für Polizeikräfte bereitgestellt.
Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.
Im letzten Jahr hat es bei diesen Herbstaktionen ein besonderes Einsatzkommando aus Berlin gegeben, das sich dadurch ausgezeichnet hat, daß es sich sehr wild, will ich mal sagen, mit den Demonstranten auseinandergesetzt hat. Es hat sehr viele Verletzte gegeben. Ist der Bundesregierung bekannt, ob diese Spezialeinheit aus Berlin wieder für die Teilnahme an dieser Demonstration vorgesehen ist?
Ich möchte zu der Bewertung, die Sie vorgenommen haben, nicht Stellung
nehmen. Ich kann im übrigen über Einzelheiten, wo Polizeikräfte eingesetzt werden und von woher sie kommen, keine Stellungnahme abgeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels. Bitte schön.
Ich möchte noch eimal auf Ihre anfänglichen Äußerungen zurückkommen. Der Vollständigkeit halber erwähne ich, daß der verstorbene bayerische Ministerpräsident in dem Interview im „Deutschland-Magazin" gesagt hat, daß, wenn in der Bundesregierung Zweifel an dem Entsorgungskonzept plus Wackersdorf aufkämen, die bayerische Staatsregierung das nicht mehr für ein Prestigeobjekt halte, an dem sie unbedingt festhalten wolle. Das kann man zumindest so interpretieren, daß eben auch -
Spätestens jetzt müssen Sie zu Ihrer Frage kommen.
Ja. - Wie stehen Sie dazu, daß der Ministerpräsident tatsächlich von Zweifeln gesprochen hat, die möglicherweise in der Bundesregierung zu dem Konzept Wackersdorf aufträten?
Ich verweise auf den Entsorgungsbericht der Bundesregierung, in dem sie im Januar dieses Jahres ihre Position zur Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf ausgedrückt hat. In diesem Bericht sind keine Zweifel an der Notwendigkeit von Wackersdorf ausgesprochen worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen ({0}).
Herr Staatssekretär, kann ich daraus schließen, daß die Bundesregierung der Meinung ist - sicherlich kann ich das, aber Sie können das bestätigen - , daß dies kein Prestigeobjekt ist, wie hier ausgedrückt, sondern eine Notwendigkeit für die Entsorgung der Kernkraftwerke?
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Ich möchte das bestätigen. Die Bundesregierung war in ihren Entscheidungen immer außerordentlich darauf angewiesen, daß dieses gemeinsam von Bund und Ländern vereinbarte Entsorgungskonzept auch tatsächlich durchgeführt wird. Daß es bei unserem derzeitigen Erkenntnisstand eine Notwendigkeit darstellt, ist unbestritten und von der Bundesregierung immer wieder betont worden.
Ich habe volles Verständnis dafür, daß die öffentlichen Diskussionen über die Notwendigkeit einer Wiederaufarbeitungsanlage auch dazu führen, daß es Äußerungen gibt, wie sie vom Herrn Ministerpräsidenten Strauß hier zitiert worden sind.
Frau Wollny, Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie der Meinung, daß eine Wiederaufarbeitungsanlage keineswegs ein Entsorgungsschritt ist, sondern zusätzliche Sorgen dadurch verursacht, daß
sehr viel mehr Atommüll entsteht und dieser schwieriger zu beseitigen ist als durch direkte Endlagerung?
Ich bin dieser Meinung nicht. Aber Sie wissen, Frau Kollegin, daß die Bundesregierung parallel zu der vorgesehenen Entsorgung auch die direkte Endlagerung prüft und daß es unser Ziel ist, auch die direkte Endlagerung zu einer belastbaren Möglichkeit der Entsorgung zu machen.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön, Frau Abgeordnete Teubner.
Herr Grüner, Sie haben gesagt, daß bei den bevorstehenen Aktionen Bundeswehrkasernen für die Unterbringung von Polizei- oder Grenzschutzeinheiten zur Verfügung gestellt werden. Ich wüßte gerne, ob auch vorgesehen ist - wie bei den Pfingstaktionen letztes Jahr - , Bundeswehrangehörige für Rettungs- oder sonstige Einsätze zur Verfügung zu halten.
Frau Kollegin, ich wäre dankbar, wenn derartige Fragen an den zuständigen Ressortchef und insbesondere auch an das für den Einsatz zuständige Land Bayern gerichtet würden. Ich kann über Details bevorstehender Maßnahmen keine Auskunft geben, weil mir diese Informationen nicht zur Verfügung stehen.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie braucht deshalb nicht aufgerufen zu werden, weil der Herr Abgeordnete Catenhusen um schriftliche Beantwortung seiner Frage 3 gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe deshalb den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Köhler steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Toetemeyer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Bundesministers Klein, wonach ein Drittel seiner Beamten willig, ein Drittel faul und ein Drittel ideologisch seien ({0})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Bundesminister Klein hat noch am Tage des Erscheinens der betreffenden Ausgabe der „Wirtschaftswoche" dem Blatt gegenüber brieflich klargestellt, daß die dort in Anführungszeichen gestellten Formulierungen im Gegensatz stünden zu seinen mehrfach öffentlich wie intern getroffenen Feststellungen über den besonders hohen Motivationsgrad der Mitarbeiter seines Ministeriums.
Dabei sei es für ihn ohne Belang, welche politische Beweggründe oder Zuordnungen dieser Motivation
zugrunde liegen. Das Prädikat „faul" sei eine Herabsetzung für Mitarbeiter eines Hauses, dessen Personalbestand trotz vervielfachter Aufgabendimension seit einem Jahrzehnt gleichgeblieben sei und dessen Leistung folglich weit über das Maß hinausgehe, was normalerweise unter Pflichterfüllung verstanden werden könne.
Herr Toetemeyer zu einer Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, kann ich daraus schließen, daß hinsichtlich der von mir zitierten Passage aus der „Wirtschaftswoche" der Satz „von denen nach Worten Kleins" - und nun kommt das Anführungszeichen - „ein Drittel für willig, ein Drittel für faul und ein Drittel für ideologisch gehalten wird" von ihm auch nicht in ähnlicher Weise gesagt worden ist? Ich habe bis heute kein Dementi darüber gefunden. Wann wird dieses Dementi nach den Grundsätzen des Presserechts erscheinen?
Herr Kollege Toetemeyer, dieser Brief, den ich hier eben inhaltlich wiedergegeben habe, stellt nach meiner Auffassung in jedem einzelnen inhaltlichen Punkt - wie auch in seiner sonstigen Beschaffenheit - ein vollständiges Dementi dieses von Ihnen zitierten Satzes dar.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat Herr Toetemeyer.
Würden Sie mir bitte sagen, wann der Minister diesen Brief an die „Wirtschaftswoche" abgesandt hat?
Herr Kollege Toetemeyer, ich habe mit meinem Eingangssatz festgestellt, daß noch am Tage des Erscheinens der betreffenden Ausgabe dieser Brief abgegangen ist.
Am Tag des Erscheinens der „Wirtschaftswoche"?
Jawohl.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Bindig.
Herr Staatssekretär, ist denn damit jetzt festgelegt, daß diese Reporter das praktisch frei erfunden haben, um so etwas in die Zeitung hineinzubringen?
Ich bin nicht in der Lage, festzustellen, bei welchen Eindrücken oder Annahmen der betreffende Verfasser des Artikels diesen als Zitat dargestellten Satz gewonnen hat. Die klare Auffassung des Herrn Bundesministers habe ich hier eben dargelegt.
Ich rufe jetzt die Frage 5 des Abgeordneten Toetemeyer auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine solche Aussage ein gutes Betriebsklima fördert, und was versteht Bundesminister Klein unter „willigen bzw. ideologischen Beamten"?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, nach meiner Auffassung ist durch die Beantwortung der vorigen Frage diese Frage beantwortet.
Trotzdem hat der Kollege Toetemeyer die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen. Bitte schön.
Es wird sich ja herausstellen, was die „Wirtschaftswoche" zu dieser Auffassung der Bundesregierung sagt. Ich darf jetzt rein prophylaktisch fragen, Herr Staatssekretär: Würden Sie der Auffassung sein, daß eine ähnliche Aussage im Tenor gegen die Fürsorgepflicht des Ministers gegenüber seinen Beamten verstößt?
Ich bin ganz sicher, daß Herr Minister Klein wie auch ich diese Auffassung haben.
Weitere Zusatzfrage.
Eine letzte Frage in diesem Zusammenhang: Würden Sie der Auffassung sein, daß es einem Minister gut ansteht, in Gesprächen mit Journalisten ähnliche Bewertungen seiner Mitarbeiter nicht durchzuführen?
Auch dem kann ich zustimmen. Ich bin auch absolut sicher, daß Herr Minister Klein in dieser Weise verfährt.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Der Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz braucht nicht aufgerufen zu werden, weil der Fragesteller, Abgeordneter Catenhusen, schriftliche Beantwortung seiner Frage 6 erbeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dreßler auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß von den mehr als zwei Millionen bei der Bundesanstalt für Arbeit registrierten Arbeitslosen „rund 500 000 aus subjektiven und objektiven Gründen nicht vermittelbar seien" und „daß selbst dann, wenn morgen zwei Millionen neue Arbeitsplätze zusätzlich vorhanden wären, weiterhin 1,5 Millionen Erwerbslose bei der Bundesanstalt für Arbeit verwaltet würden" ({0})?
Herr Kollege Dreßler, zu der ersten Frage: Der Bundesregierung liegen solche Erkenntnisse nicht vor.
Wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten darf, Herr Präsident und Herr Kollege Dreßler, dann würde ich - 6760
Da muß ich erst das Einverständnis des Kollegen Dreßler einholen. Einverstanden?
({0})
- Gut. Dann rufe ich auch die Frage 8 des Abgeordneten Dreßler auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, dem Deutschen Bundestag eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vorzuschlagen, um Arbeitsuchende, die länger als drei Jahre arbeitslos gemeldet sind, aus der Statistik zu streichen, und liegen der Bundesregierung Hinweise über „den organisierten Mißbrauch" von Nebentätigkeiten und der „selbstverständlichen Mitnahme von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit" vor ({1})?
Die Bundesregierung bekämpft die Arbeitslosigkeit und nicht die Statistik. Sie plant daher nicht
({0})
die von Ihnen unterstellte Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Bundesregierung sieht durchaus die Möglichkeit von Mißbrauch bei Bezug von Sozialleistungen. Sie hat daher in Verbindung mit ihrem Vorschlag zur Einführung des Sozialversicherungsausweises auch eine Meldepflicht für geringfügige Beschäftigung vorgesehen. Diese Meldepflicht wird mit dazu beitragen, Leistungsmißbrauch und Nebenbeschäftigung aufzudecken. Im übrigen geht die Bundesanstalt für Arbeit bereits jetzt im Einzelfall Hinweisen auf Mißbrauchsfälle nach und leitet gegebenenfalls strafrechtliche Verfahren ein.
Erste Zusatzfrage, Herr Dreßler.
Herr Staatssekretär, unter dem Gesichtspunkt des ersten Satzes Ihrer Antwort frage ich Sie, ob die Bundesregierung, nachdem immer wieder einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages das Gegenteil der Auffassung der Bundesregierung äußern - was übrigens auch die Auffassung der SPD-Fraktion darstellt -, bereit wäre, den Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages dezidiertes Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen, damit diese öfter geäußerten Auffassungen durch Tatsachen, die die Bundesregierung uns mitteilt, endlich ihre Erledigung finden könnten?
Herr Kollege Dreßler, Monat für Monat richtet die Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitsmarktbericht mit umfangreichem Zahlenmaterial an alle Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses. Ich nehme an, daß sich viele interessierte Kolleginnen und Kollegen - Arbeitslosigkeit muß uns alle interessieren - mit diesem Zahlenmaterial auch befassen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Dreßler.
Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß Ihre Einlassung, Herr Staatssekretär, sicherlich richtig ist. Gleichwohl stellen wir fest, daß einzelne Mitglieder des Hauses der Auffassung der Bundesregierung andere Bewertungen entgegensetzen,
was zulässig ist. Ich frage deshalb noch einmal, damit wir uns im Deutschen Bundestag vielleicht einvernehmlich auf die Position der Bundesregierung in bezug auf Ihren ersten Satz verständigen können, ob die Bundesregierung bereit ist, den Mitgliedern des Hauses dezidiertes Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen, damit diese Einvernehmlichkeit in dieser wichtigen Frage hergestellt werden kann.
Wenn es darum geht, auf diese Weise zu informieren, dann würde dieses Zahlenmaterial sicher auch zur Verfügung gestellt werden.
Ich möchte aber auch auf folgendes hinweisen, Herr Kolige Dreßler: Die gesamte Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet muß regional verschieden gesehen werden. Wenn im Süden der Bundesrepublik Deutschland, ob in Baden-Württemberg, in Bayern, in Hessen, wo eine Arbeitslosenquote von 4,5 oder 5 % vorherrscht, bei Handwerksmeistern, die auf fünf oder zehn Anfragen niemanden vermittelt bekommen, ein bestimmter Ärger besteht, wird leider übersehen, daß in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland - ich brauche nur Bremen mit einer Arbeitslosenquote von 15 zu erwähnen - natürlich eine ganz andere Situation gegeben ist. Aber konkret auf Ihre Frage: Wenn das Zahlenmaterial verlangt wird und auf diese Weise dann mehr Realität in die Diskussion kommt, ist die Bundesregierung gerne dazu bereit, es zur Verfügung zu stellen.
Dritte Frage, Herr Dreßler.
Herr Staatssekretär, um gerade das zum Schluß von Ihnen Geäußerte zu unterstreichen, frage ich Sie, ob Sie mir zustimmen, daß unter dem Gesichtspunkt des Jahresdurchschnitts 1987 - Arbeitslosenquote in Leer, im Norden 21,3 %, in Göppingen, im Süden 3,6 % - die These der Arbeitsunwilligkeit schon deshalb nicht aufgestellt werden kann, weil sonst in Leer respektive in Göppingen sechsmal mehr Faule bzw. Fleißige wohnen müßten.
Herr Kollege Dreßler, die Bundesregierung ist sicher der Auffassung, daß man die Arbeitslosigkeit nicht pauschal beurteilen kann, sondern in den einzelnen Landesteilen differenziert sehen muß.
Eine Antwort auf Ihre Unterstellung in bezug auf faul oder fleißig ergibt sich schon aus dem Zahlenbild. Man kann doch nicht sagen: In diesem Land ist man fünfmal fleißiger als in einem anderen. Vielmehr führen die Strukturprobleme zu dieser Arbeitslosigkeit. Deshalb muß man das differenziert beurteilen.
Letzte Zusatzfrage, Herr Dreßler.
In wirklicher Dankbarkeit für die hier dargelegte Position der Bundesregierung frage ich Sie abschließend, Herr Staatssekretär, ob Sie mir zustimmen, daß die Behauptung, daß die Arbeitslosen generell zu unflexibel seien, sich allein deshalb als nicht haltbar erweist, weil die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit hinreichend darlegt, daß ca. 12 % der
Arbeitslosen einen neuen Arbeitsplatz außerhalb ihrer Region finden, aber jährlich nur 5 % der gesamten Wohnbevölkerung an einen anderen Ort ziehen.
Ich bin der Meinung, Herr Kollege Dreßler, auch hier gehen Pauschalurteile an der Wirklichkeit vorbei. Man kann, was die Mobilität anbelangt, nicht ganze Bevölkerungsstämme in einen anderen Landstrich versetzen. Aber die Bereitschaft zur Mobilität muß gegeben sein, und sie wird bei Arbeitnehmern im Süden wie auch im Norden der Bundesrepublik Deutschland vorhanden sein, bei dem einen oder anderen aus gewissen Gründen jedoch nicht. Also, Pauschalurteile gehen auch hier an der Wirklichkeit vorbei.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben erklärt, die Bundesregierung bekämpft nicht die Statistik, sondern die Arbeitslosigkeit. Darf ich Sie fragen, wie sich das in der Statistik auswirkt?
Ja, da dürfen Sie mich gerne fragen, und ich antworte gerne darauf. Ich nehme dazu die Arbeitsmarktstatistik des vergangenen Monats. Herr Kollege, ich darf ganz deutlich sagen: Wenn Sie diese genau gelesen hätten - daß Sie es nicht getan haben, habe ich aber nicht zu kritisieren - , hätten Sie feststellen müssen, daß wir allein im Monat August 1988 gegenüber dem Monat August des Vorjahres 144 000 Erwerbstätige mehr haben. Wenn Sie sich den Zahlenvergleich der letzten Jahre ansehen, werden Sie feststellen, daß die Zahl der Erwerbstätigen ständig zugenommen hat und daß wir jetzt 26 290 000 Erwerbstätige haben.
Daß heißt, ohne eine positive Arbeitsmarktpolitik wäre dies wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Zu dieser Arbeitsmarktpolitik gehört eine vorzügliche Wirtschaftspolitik. Also, wer die Augen öffnet und die Zahlen vergleicht, wird feststellen, daß es wirklich nicht nur um Zahlen in der Statistik geht, sondern um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und daß die Bundesregierung hier eine Reihe von Erfolgen aufzuweisen hat.
Wenn es nicht zu lange dauerte, würde ich noch auf das hinweisen, was an positiven Dingen in der Arbeitsmarktstatistik, nicht in den Zahlen, sondern im wirklichen Bericht, hervorzuheben ist: Die Beschäftigung nahm weiter zu; die Zahl der offenen Stellen nahm zu; die Zahl der Arbeitslosen ist um 67 200 gesunken; die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren nimmt weiter ab; es ist die niedrigste Zahl seit 1980. Ich möchte es dabei bewenden lassen.
Herr Kollege, auf Ihre Frage: Wir bekämpfen nicht die Statistik, sondern wir bekämpfen seit Jahren die Arbeitslosigkeit, und das mit gutem Erfolg, auch wenn die Zahl der Arbeitslosen noch nicht unter zwei Millionen gekommen ist.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts Ihrer Antworten und der ständig wiederkehrenden Versuche, Statistikbereinigung statt Arbeitsmarktpolitik zu betreiben - ich habe das jetzt bewußt so ausgedrückt - , die Auffassung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit bestätigen, daß wir nicht eine Statistikbereinigung, sondern Arbeitsplätze brauchen?
Frau Kollegin, ich habe soeben dargelegt, daß es mit eine Hauptaufgabe der Bundesregierung ist, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und nicht, zu überlegen, wie die Statistik dargestellt werden kann.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Steinhauer. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben die Zahlen des Monats August 1988 mit denen von 1987 verglichen. Wären Sie denn bereit, in Verbindung mit der Bundesanstalt für Arbeit und in Verfolg der Diskussion, die der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung heute morgen hatte, hier einmal detailliert darzulegen, um welche Arbeitsplätze es sich da handelt, insbesondere in bezug auf Teilzeitarbeit?
Frau Kollegin Steinhauer, Sie verfolgen die Statistik selber ganz genau und wissen, daß die Frage der Teilzeitarbeit eine der wesentlichen Fragen im ganzen Problemkreis der Arbeitsmarktpolitik ist. Wenn wir in die Statistik schauen, dann müssen wir feststellen, daß wir 11,3 % Teilzeitarbeitsuchende haben. Es ist also nach wie vor unser Bemühen, mehr Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen, damit vor allem für Frauen, die sehr oft Teilzeitarbeit wünschen, dieser Wunsch auch erfüllt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich ja für die Bundesregierung schon gegenüber einigen Auffassungen, die in den Fragen auch wiedergegeben worden sind, abgegrenzt. Ich möchte Sie noch einmal fragen, wie Sie aus Ihrer fachlichen Sicht überhaupt Vorschläge beurteilen, die Arbeitslosen, die eine bestimmte Arbeitslosenzeit - zwei oder drei oder fünf Jahre - überschritten haben, gänzlich aus der Statistik herauszunehmen.
Ich habe bereits in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Dreßler gesagt, daß eine solche Absicht von seiten der Bundesregierung nicht besteht. Ich beweise das dadurch, daß ich darauf hinweise, daß die Bundesanstalt für Arbeit jährlich eine Strukturanalyse erhebt, um im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit festzustellen: Wer ist ein Jahr arbeitslos? Wer ist zwei Jahre arbeitslos? Wer ist länger arbeitslos? Ich bitte Sie, Herr Kollege, darauf hinweisen zu dürfen: Wenn Sie sich anschauen, wie unter unserer Regierung die Zahl der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zugenommen hat, was ja auch eine Abhilfe gerade für Langzeitarbeitslose sein soll, dann müssen Sie sehen, daß die Bundesregierung hier auf dem rechten Wege ist.
Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben mir vorhin unterstellt, ich hätte die Statistik nicht gelesen. Gut, das können Sie ja durchaus tun. Ich frage Sie aber in diesem Zusammenhang: Ist es nicht in der Regel so, daß die Septemberzahlen sowieso atypisch sind? Und nachdem Sie vorhin auf Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingegangen sind, darf ich Sie dann daran erinnern, wie Sie mir vor kurzem schriftlich geantwortet haben, daß der Mannesmann-Vorsitzende in seiner Hauptversammlung ausführte, daß gerade dort ein großes Defizit besteht, und Sie fragen, wie Sie hier weiterhin behaupten können, daß Sie auf dem besten Wege sind?
Zunächst habe ich Ihnen, Herr Kollege, nichts zu unterstellen, sondern nehme an, daß Sie die Statistiken lesen. Aber selbst wenn man etwas gelesen hat, kann man das eine oder andere nicht so genau gelesen haben.
({0})
Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie so wichtige Daten nicht zur Kenntnis nehmen.
Was Ihre andere Frage anlangt, kann ich nur noch einmal auf folgendes hinweisen. Es ist ja nicht nur ein Monat, über den berichtet wird, sondern wir stellen, wenn wir uns den ganzen Verlauf des Arbeitsmarktes ansehen, fest, daß wir seit Jahren positive Erfolge haben.
Wenn es um die Zahlen geht, müssen wir ehrlicherweise auch zugeben, daß noch nie so viele Frauen eine außerhäusliche Berufstätigkeit gesucht haben wie jetzt, und das schlägt sich natürlich auch und gerade bei der Suche nach Teilzeitarbeit nieder. Von daher sagt die hohe Zahl noch nicht aus, daß die Bundesregierung zuwenig täte, um Arbeitsplätze zu schaffen. Vielmehr ist dabei auch die positive Wirtschaftspolitik mit anzusprechen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Andres.
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund Ihrer zuletzt getroffenen Aussage möchte ich Sie fragen: Wie bewerten Sie Äußerungen des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Franke, daß mit einem Absinken der Arbeitslosenzahl unter diese magische Grenze von 2 Millionen Registrierten nicht vor Ende der 90er Jahre zu rechnen ist, und ist vor dem Hintergrund einer solchen Aussage nicht eine gezielte Arbeitsmarktpolitik notwendig, die von Ihrer Regierung nicht betrieben wird?
Letzterem möchte ich widersprechen. Von unserer Regierung wird eine gezielte Arbeitsmarktpolitik betrieben. Wenn Sie sich die Maßnahmen anschauen, Herr Kollege Andres, dann stellen Sie fest: Ohne diese Maßnahmen sähe die Arbeitsmarktstatistik wahrscheinlich viel schlimmer aus, und weil wir nicht von der Statistik reden wollen, müssen wir sagen: Arbeitnehmer wären von der Arbeitslosigkeit dann wahrscheinlich viel, viel
härter betroffen. Die Prognose, mit der Sie sich auf den Präsidenten der Bundesanstalt beziehen, ist die allgemeine Aussage, daß wir in den nächsten Jahren noch mit einer hohen Zahl von Arbeitslosen rechnen müssen, daß wir aber bereits Mitte der 90er Jahre davon ausgehen können, daß die Arbeitslosigkeit abnimmt. Wir dürfen auch nicht übersehen, daß immer mehr Leute in die Bundesrepublik kommen, auch zuwandernde Familienangehörige von ausländischen Arbeitnehmern. Auch die Leute, die jetzt als Spätaussiedler zu uns kommen, sollen mit untergebracht werden. Wir haben also noch Schwierigkeiten, aber gerade das bestärkt die Bundesregierung, ihren Weg in der Arbeitsmarktpolitik und in der Wirtschaftspolitik wie bisher fortzusetzen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die geplante 9. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz, die wohl einen kräftigen Abbau von Arbeitsmarktinstrumenten vorsieht, und teilen Sie meine Einschätzung, daß von einem Teil Ihrer Parteikollegen diese 9. Novelle zum AFG just mit organisiertem Mißbrauch und ungerechtfertigter Leistungsnutzung durch die Bundesanstalt für Arbeit begründet wird?
Herr Kollege, wir sind zur Zeit in der Beratung der 9. Novelle, und die einzelnen Punkte, die Sie ansprechen, werden sicher sowohl in den Ausschüssen als auch in den einzelnen Arbeitskreisen Gegenstand der Diskussion sein. Wenn Sie aber auf einige Maßnahmen hinweisen, z. B. auf die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wo nicht mehr 100 %, sondern 80 % bezahlt werden sollen, so bin ich da der Meinung, daß man über einige Dinge muß diskutieren können. Ich bin durchaus der Auffassung: Wo Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt werden, wird es einige Teile geben, wo man prüfen muß, ob eine Förderung von 90 % oder sogar eine höhere Förderung notwendig ist. Es wird aber sicher auch einen Teil der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geben, die jetzt zu 100 % finanziert werden, wo man durchaus sagen kann, daß sie auch durchgeführt werden können, wenn sie zu 80 % finanziert werden.
Ich habe allein 12 Punkte im Zusammenhang mit der 9. Novelle hier, und ich glaube, Herr Kollege, wir sollten die dann im Ausschuß und in den zuständigen Gremien diskutieren. Das würde sicher den Rahmen der Fragestunde sprengen.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr braucht nicht aufgerufen zu werden, weil die einzige vorliegende Frage - die Frage 9 des Abgeordneten Stiegler - schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Herr Parlamentarischer StaatsVizepräsident Westphal
Sekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Wie hoch ist der durchschnittliche Anteil der nach § 8 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz vorgeschriebenen sogenannten ersten Anhörung der Asylbewerber durch die zuständige Ausländerbehörde an allen in dem jeweiligen Bundesland eingeleiteten Asylverfahren?
Herr Kollege Dr. Hirsch, soweit Asylbewerber an den Grenzen um Asyl nachsuchen, nimmt die Grenzbehörde nach § 9 des Asylverfahrensgesetzes die erste Anhörung des Ausländers vor. Hier erfolgt eine in der Regel ausreichende Aufnahme der Asylgründe. Lediglich in Zeiten besonders hohen Zugangs zum Flughafen Frankfurt/Main kann die Grenzbehörde nur eine auf das Wesentliche beschränkte Anhörung durchführen, um keine übermäßig langen Wartezeiten entstehen zu lassen.
Hinsichtlich des Verhaltens der Ausländerbehörden liegt mir kein Tatsachenmaterial vor, das eine sachgerechtere Beantwortung der Frage zulassen würde. Ich habe insoweit die Bundesländer und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge um Stellungnahme gebeten. Sobald mir diese vorliegt, werde ich Sie gern über das Ergebnis unterrichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung die außerordentliche Bedeutung einer möglichst schnellen ersten Anhörung für den gesamten weiteren Verlauf eines Asylverfahrens bewußt?
Das ist der Bundesregierung bewußt, und sie hat das auch den Ländern gegenüber immer wieder zum Ausdruck gebracht. Ich darf auch sagen, daß in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Übereinstimmung über die Bedeutung dieser Anhörungen herrscht.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Hirsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie bei Ihrer Nachfrage bei den Ländern und den beteiligten Bundesbehörden bitte der Information nachgehen, daß zur Zeit nur in etwa 10 % der Fälle eine unverzügliche erste Anhörung durch die örtlichen Ausländerbehörden erfolgt?
Wir werden diese Zahl selbstverständlich überprüfen lassen. Ich kann sie aber zur Zeit nicht bestätigen, weil, wie gesagt, die Abfrage bei den Ländern erst in Bewegung gekommen ist.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, womit die Bundesländer gegebenenfalls die Nichterfüllung der gesetzlichen Anhörungspflicht nach § 8 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz begründen?
Die von den Ländern erbetene Äußerung bezieht sich auch auf die Frage, welche Gründe gegebenenfalls dafür maßgebend sind, wenn Anhörungen nicht oder nicht in dem notwendigen Ausmaß vorgenommen werden. Im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe bestand die Übereinstimmung, daß einer ausreichenden Anhörung Bedeutung zukommt. Die Länder haben seinerzeit zugesagt, entsprechend zu verfahren.
Ich bitte auch hier um Verständnis dafür, daß mir eine abschließende Bewertung vor dem Vorliegen der Länderäußerung nicht möglich ist.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, wenn es so sein sollte, daß die Länder oder die kommunalen Behörden sich z. B. darauf berufen, daß nicht genügend Dolmetscher zur Verfügung stehen, wird die Bundesregierung alles Erforderliche tun, um solche Engpässe zu überwinden, weil die dadurch entstehenden Kosten natürlich weit geringer sind als die überdimensionale Ausdehnung der Asylverfahren?
Herr Kollege Dr. Hirsch, man hört von diesem Grund und auch von anderen Gründen. Man wird das überprüfen. Die Bundesregierung wird alles in ihrer Zuständigkeit Liegende tun, um Engpässe zu beseitigen bzw. auf die Beseitigung von Hindernissen hinzuwirken, die in der ausschließlichen Kompetenz der Länder liegen.
Letzte Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wann glauben Sie, daß Sie dem Innenausschuß im Detail dazu berichten können?
Das hängt natürlich davon ab, wann die Länder die Anfrage des BMI beantworten. Ich hoffe, daß das noch in diesem Jahr der Fall sein wird.
Die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Nöbel, die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Lutz, die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Frau Hämmerle, die Frage 24 des Abgeordneten Lambinus, die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Graf und die Frage 27 des Abgeordneten Wartenberg, die zum Technischen Hilfswerk gestellt worden sind, sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen jetzt zur Frage 28 der Abgeordneten Frau Adler:
Welche schwerwiegenden Körperverletzungen von Menschen müssen nach Ansicht der Bundesregierung gegeben sein, um ein Verbot der Haltung, Züchtung und Abrichtung von Kampfhunden der Rasse Pit-Bull-Terrier, die als Statussymbol gehalten werden, auszusprechen?
Frau Kollegin Adler, wenn Sie gestatten, würde ich wegen des Sachzusam6764
menhangs gerne beide Fragen zusammen beantworten.
Die Abgeordnete ist einverstanden. Ich rufe die Frage 29 der Abgeordneten Frau Adler auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um gesetzgeberisch tätig zu werden, indem eine staatliche Prüfung der Kampfhundehalter gefordert wird, die Tiere auf ihr „Verhalten in Menschengruppen" und „Gehorsam" beinhaltet?
Die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren anläßlich von parlamentarischen Anfragen und Petitionen mehrfach mit den von Hunden im allgemeinen und sogenannten Kampfhunden im besonderen ausgehenden Gefahren befaßt. Sie hat dabei auch die Frage geprüft, ob über das für die Haltung, Beaufsichtigung und Abrichtung vorhandene rechtliche Instrumentarium hinaus zusätzliche bundesgesetzliche Regelungen erforderlich sind.
Diese Prüfungen haben ergeben, daß die in diesem Bereich in Ortssatzungen, Landes- und Bundesgesetzen bestehenden Regelungen sowie das allgemeine Polizeirecht als bisher insgesamt ausreichend angesehen werden können, um einen vorbeugenden Schutz vor gefährlichen Hunden zu gewährleisten und verantwortungslosen Auswüchsen durch bösartige Tiere und deren Halter wirksam zu begegnen.
Auch die Länder, die unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Gefahrenabwehr für etwaige zusätzliche Regelungen zum Schutz der Allgemeinheit vor Kampfhunden primär zuständig sind, haben bisher mit ganz überwiegender Mehrheit weitergehende bundesrechtliche Regelungen für nicht erforderlich gehalten. Die Bundesregierung sieht daher gegenwärtig keine Veranlassung, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden.
Erste Zusatzfrage, Frau Adler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es in der Zwischenzeit auch einen Todesfall in Sachen Züchtung von Pit-Bull-Terriern gibt und würden Sie auf Grund dieses Tatbestandes eine Überprüfung nicht doch für angemessen halten?
Es gibt seit geraumer Zeit immer wieder Hinweise auf schwere Unfälle bis hin zu einem solchen Fall, wie Sie ihn geschildert haben. Das ändert nichts daran, daß nach umfassender Diskussion mit den Ländern Übereinstimmung besteht, daß das rechtliche Instrumentarium ausreichend ist, um den Bürger wirkungsvoll zu schützen.
Zweite Zusatzfrage, Frau Adler.
Herr Staatssekretär, ich entnehme dem Bundesgesetzblatt von 1974, daß dort das Halten von Hunden im Freien geregelt ist. Ich meine, auf Grund der Vorkommnisse müßte die Bundesregierung doch bereit sein, zu prüfen, ob nicht gerade das Halten von Kampfhunden eindeutiger bundeseinheitlich geregelt werden muß. Ich bitte doch darum, daß das in den Zusammenkünften mit den Länderinnenministern noch einmal überprüft wird. Wenn man auf der einen Seite festlegt, wie groß eine Hundehütte sein darf, aber auf der anderen Seite nicht regelt, daß z. B. für die Haltung von Kampfhunden eine entsprechende Ausbildung erforderlich ist, um die Tiere auch wirklich in der Gewalt zu haben, dann scheint mir das doch ein bißchen merkwürdig zu sein.
Ich glaube, Sie haben den früheren und auch den heutigen Antworten entnehmen können, daß die Bundesregierung Ihrem Anliegen gegenüber durchaus sensibel ist. Doch gerade das, was Sie jetzt anregen, fällt im Grunde in die Zuständigkeit der Länder. Aus präventiv-polizeirechtlichen Gründen, aber auch aus baurechtlichen Gründen hätten die Länder durchaus Möglichkeiten, um dem Gesichtspunkt des Schutzes der Bürger vor solchen Tieren oder vor Hunden insgesamt ausreichend Rechnung zu tragen.
Sie haben weitere Zusatzfragen. - Aber Sie wollen sie nicht nutzen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf.
Die Fragen 30 und 31 der Abgeordneten Frau Ganseforth und die Fragen 34 und 35 des Herrn Abgeordneten Reuter sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Uldall auf:
Wie viele neue Aktiengesellschaften sind in den letzten zehn Jahren an der Börse eingeführt worden a) insgesamt, b) im geregelten Markt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Ihre erste Frage, Kollege Uldall, darf ich wie folgt beantworten: In der Zeit von 1978 bis 1987 sind insgesamt 101 inländische Aktiengesellschaften an der Börse eingeführt worden.
Als neuer Marktbereich ist der geregelte Markt am 1. Mai 1987 in Kraft getreten. Von den 19 im Jahre 1987 neu eingeführten Aktiengesellschaften wurden zehn in den geregelten Markt eingeführt. 1988 wurden von den bisher acht eingeführten Aktiengesellschaften sieben in den geregelten Markt eingeführt.
Zusatzfrage, Herr Uldall.
Kann die Bundesregierung heute schon ein Urteil darüber abgeben, ob sich die Erwartungen, die mit dem geregelten Markt verbunden waren, in etwa erfüllen werden?
Herr Kollege Uldall, Sie sehen schon an Hand der Zahlen, daß das Angebot des Gesetzgebers schon im ersten Jahr erfreulicherweise sehr gut angenommen worden ist. Natürlich kann man nach rund anderthalb Jahren noch kein
endgültiges Urteil fällen, aber an Hand der Zahlen zeigt sich, daß der Zweck dieses neuen Gesetzes, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken, indem sie auf erleichterte Weise an die Börse gehen können und trotzdem - im Gegensatz zum bisherigen Freihandel - ein gewisser Anlegerschutz besteht, erfüllt ist und daß dieses Angebot angenommen wird. Das ist erfreulich.
Zusatzfrage? - Sie haben keine weitere Frage, Herr Uldall.
Dann rufe ich die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Uldall auf :
Wie hat sich in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der Aktionäre entwickelt, und welches Kapital wird von ihnen gehalten?
Bitte schön, Herr Häfele.
Über die Zahl der Aktionäre in der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur Schätzungen. Danach soll es 1979 3,1 Millionen bis 3,5 Millionen Aktionäre gegeben haben. Die Zahl der Aktionäre war nach 1979 rückläufig und erhöhte sich wiederum ab 1983.
Zu einem starken Anstieg der Zahl der Aktionäre kam es nach dem 19. Oktober 1987. Nach Studien, die auf Meinungsumfragen beruhen, soll sich die Zahl der Aktionäre danach von knapp 4 Millionen auf über 5 Millionen erhöht haben. Viele Anleger haben nach dem 19. Oktober 1987 die Möglichkeit genutzt, zu günstigen Bedingungen erstmals Aktien zu erwerben.
Nach Schätzung der Deutschen Bundesbank hielten die privaten Haushalte 1979 ein Vermögen in Aktien in Höhe von 61,9 Milliarden DM. Für 1987 wird diese Zahl mit 118,4 Milliarden DM angegeben. Dabei betrug 1987 das gesamte Geldvermögen der Privathaushalte insgesamt 2 362,4 Milliarden DM.
Zusatzfrage, Herr Uldall.
Kann man neben der erfreulichen Entwicklung der Zahl der Aktionäre seit dem 19. Oktober vergangenen Jahres auch etwas über die Altersstruktur sagen?
Ja. Es ist in der Tat so, daß die Banken Marktuntersuchungen durchgeführt haben. Danach sind es insbesondere junge Menschen im Alter von 25 bis 35 Jahren, die verstärkt damals Aktien gekauft haben. Ich finde - das möchte ich hier auch einmal sagen -, es ist ein ganz erfreuliches Zeichen der Reife, daß diese Leute sehr sachkundig die Chance der niedrigen Kurse genutzt haben, um Aktienvermögen zu bilden.
({0})
Meinen Sie nicht, das war mit dem Geld der Väter?
Herr Uldall, Sie sind mit einer Zusatzfrage dran.
Kann man irgend etwas darüber sagen, welchen Einfluß die Privatisierungen der öffentlichen Hand auf die Zahl der Aktionäre gehabt haben? Ich denke an die VEBA-Privatisierung, wo von vornherein ein bestimmter Teil der Aktien für eine Streuung unter den Arbeitnehmern des Unternehmens selbst vorgesehen war und wo die Privatisierung so angelegt war, daß möglichst Kleinanleger bevorzugt werden sollten.
Sicherlich haben die Privatisierungen, die der Bund in den letzten Jahren durchgeführt hat, dazu beigetragen, daß die Zahl der Aktionäre insgesamt angestiegen ist.
Keine weitere Zusatzfrage von Herrn Uldall. Dann kommt Herr Klejdzinski zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie gerade festgestellt haben, daß sehr viele Kleinanleger die niedrigen Kurse dazu benutzt haben, sich Vermögen zu beschaffen bzw. plötzlich vermögend zu werden, darf ich Sie fragen: Haben Sie Erkenntnisse auch darüber, wie viele auf Grund des Börsenkrachs im vergangenen Oktober pleite gegangen sind, insbesondere Kleinanleger, die nämlich anschließend von den Banken gezwungen wurden nachzuschießen?
Ich habe hier keine Analysen, aber ich finde es schon erfreulich, daß gerade 25- bis 35jährige die Lage nüchtern erkannt haben und neue Aktionäre geworden sind.
({0})
Herr Abgeordneter Andres zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß Globalzahlen über Aktionäre und Aktienbesitz nichts darüber aussagen, wie die tatsächliche Streuung und Schichtung von Aktienbesitz ist, und verfügen Sie über Zahlen, wieviel Aktionäre über eine oder weniger Aktien verfügen und wieviel Aktionäre über viele Hunderttausende oder mehr verfügen?
Die Zahlen, die ich genannt habe, beruhen auf Untersuchungen der Banken. Noch einmal sei es gesagt: Man kann durch Marktuntersuchungen schon feststellen, daß es besonders junge Menschen im Alter von 25 bis 35 Jahren sind. Sehr erfreulich!
({0})
- Trotzdem erfreulich.
({1})
Jetzt haben wir es zum drittenmal gehört, Herr Staatssekretär, und nun fangen wir möglicherweise bald an, es zu glauben, aber das muß uns überlassen bleiben.
Der Geschäftsbereich ist damit zu Ende. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
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Vizepräsident Westphal
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Wartenberg steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Grunenberg auf:
Hält die Bundesregierung angesichts der Verhandlungsfortschritte in der Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde und den Internationalen Seegerichtshof sowie der Registrierung von Tiefseebergbaufeldern zugunsten von Indien, Frankreich, Japan und der Sowjetunion ein alternatives Tiefseebergbauregime noch für politisch sinnvoll und durchsetzbar, und hat die Bundesregierung wirksame Initiativen ergriffen, um das Tiefseebergbauregime des Seerechtsübereinkommens zu verbessern, wie sie anläßlich der Ablehnung der Unterzeichnung im Jahre 1984 angekündigt hatte?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Grunenberg, es trifft zu, daß die Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde und den Internationalen Seegerichtshof nach der Lösung der Konflikte um die Überlappung des sowjetischen Tiefseebergbaufelds und den Feldern westlicher Konsortien die Tiefseebergbaufelder der vier Pionierinvestoren Frankreich, Indien, Japan und Sowjetunion registriert hat. Alle übrigen wesentlichen Aufgaben der Vorbereitungskommission sind noch ungelöst. Dazu gehören wegen der geänderten wirtschaftlichen Umstände - man rechnet entgegen früheren Erwartungen erst in 15 bis 20 Jahren mit der Wirtschaftlichkeit des Tiefseebergbaus - die Verpflichtungen der Pionierinvestoren und insbesondere der Erlaß des Sekundärrechts. Da das Sekundärrecht auch Kernprobleme des Tiefseebergbauteils des Seerechtsübereinkommens, wie z. B. Technologietransfer, Produktionspolitik, Abgabenbelastung der Tiefseebergbauunternehmen, über die tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten bestehen, erfaßt, werden die Verhandlungen noch längere Zeit andauern. Sie stehen auch nicht unter Zeitdruck, da das Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens noch nicht abzusehen ist. Es liegen erst 35 der 60 für das Inkrafttreten erforderlichen Ratifikationen vor. Außerdem hat sich der Ratifikationsprozeß erheblich verlangsamt; seit November vergangenen Jahres ist keine Ratifikation mehr erfolgt.
Welche Ergebnisse die Verhandlungen bringen werden, ist zur Zeit noch völlig offen. Es ist aber feststellbar, daß unter den Entwicklungsländern die Einsicht wächst, daß Änderungen des Tiefseebergbauteils des Seerechtsübereinkommens notwendig sind, wenn es allgemein annehmbar sein soll. Erst wenn diese Ergebnisse der Verhandlungen vorliegen, kann über ein eigenes weiteres Vorgehen entschieden werden. Im Rahmen der Vorbereitungskommission arbeitet die deutsche Delegation aktiv mit dem Ziel mit, zu einer Verbesserung des Tiefseebergbauregimes des Seerechtsübereinkommens zu kommen. So hat sie zusammen mit ihren Partnern eigene Vorschläge u. a. zu dem Bereich des Technologietransfers und der Abgabenbelastung der Tiefseeunternehmen eingebracht.
Herr Grunenberg, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe Ihre Antwort auf meine Frage nicht ganz verstanden, weil das doch ein bißchen an der Sache vorbeigegangen ist. Aber davon abgesehen, vielleicht ist die nächste Frage die richtige: Hält die Bundesregierung es für ausreichend, wenn in die deutsche Delegation der Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde bisher nur ein Vertreter des zuständigen Fachministeriums entsandt wurde, obwohl über diese Thematik, die den zukünftigen Tiefseebergbau betrifft, in drei Sonderkommissionen, im Plenum der Vorbereitungskommission und in etlichen informellen Gruppen häufig synchron verhandelt wird, und glaubt die Regierung, das Tiefseebergbauregime des Seerechtsübereinkommens auf diese Weise wirksam verbessern zu können?
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesrepublik Deutschland das Seerechtsübereinkommen nicht gezeichnet hat und deshalb nur einen Beobachter in die Vorbereitungskommission entsenden kann. Wir halten das - auch angesichts der Qualität des Beobachters - für völlig ausreichend, da wir uns darüber hinaus in Konsultationen mit den Regierungen befinden.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Grunenberg.
In Anbetracht dessen - das ist mir auch noch etwas unverständlich - : Ist das Erlaubnisfeld zur Aufsuchung mineralischer Rohstoffe vom Tiefseeboden, dessen Koordinaten im Bundesanzeiger Nr. 144 vom 5. August 1988 auf Seite 3481 veröffentlicht wurden, das bis dahin geheimgehaltene Abbaufeld, das, Herr Staatssekretär, Insider das Rumpelstilzchen-Feld nennen, also „Niemand weiß ... ", und gedenkt die Bundesregierung, dieses Feld bei der Vorbereitungskommission oder - vielleicht später - bei der Internationalen Meeresbodenbehörde anmelden zu lassen?
Herr Kollege, ich bin kein Insider. Ich kenne diese Rumpelstilzchen-Methode nicht und kann deshalb auch dazu keine Antwort geben.
Sie haben jetzt als nächstes eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen, der Bundesregierung bewußt, hat sie bedacht, daß sie mit ihrer sogenannten Offenhaltepolitik dazu beigetragen hat, daß die Sowjetunion ein zusätzliches Abbaufeld anmelden kann - obwohl dies damals in der Resolution 2 der Seerechtskonferenz nicht vorgesehen war - , weil die Bundesregierung 1984 von dem Angebot der Vorbereitungskommission, im Falle einer Unterzeichnung des Seerechtsübereinkommens ein nationales Abbaufeld zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht hat?
Herr Kollege, gerade weil sich die Bundesregierung sehr offen hält, sind, glaube ich, die Einwirkungsmöglichkeiten bei den Verhandlungen groß. Das hat dementsprechende Resonanz auch bei den Partnern gefunden. Das zeigt das Interesse der anderen Länder, auch auf
Vorstellungen der Bundesregierung einzugehen, obwohl wir nicht unterzeichnet haben.
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Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Andres.
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß die Tiefseebergbaufelder der vier westlichen Konsortien, die auch als potentielle Pionierinvestoren bei der Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde bezeichnet werden, deren Koordinaten im Bundesgesetzblatt II vom 13. September 1988 veröffentlicht wurden, bei eben dieser Vorbereitungskommission registriert werden?
Herr Kollege Andres, um diese Tiefseebergbaufelder, für die die Bundesregierung auf Grund des Tiefseebergbaugesetzes auch Lizenzen erteilt hat, international abzusichern, haben wir eine vorläufige Absprache über Fragen des Tiefseebodens mit den entsprechenden Partnerländern getroffen. Diese Absprache sichert die gegenseitige Anerkennung der Tiefseebergbaufelder.
Die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Dr. Hitschler sowie die Fragen 39 und 40 der Abgeordneten Frau Eid werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Frau Olms sowie die Frage 43 des Abgeordneten Gansel sind zurückgezogen worden.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Kastning auf:
Wie viele ehemalige ({0}) Berufssoldaten leisten ihre Wehrübung in den Stäben statt in der Truppe, und inwieweit sind Wehrübungen mit dem Zweck des Wehrübungserlasses Nr. 103 a und b ({1}) vereinbar, wenn diese Personen unmittelbar nach Versetzung in den Ruhestand im Rahmen von Wehrübungen von einem Jahr und länger auf ihren alten Stabsdienstposten eingesetzt werden, also für Tätigkeiten herangezogen werden, die sie zum Teil jahrelang ausgeübt haben?
Herr Kollege Kastning, eine Aufschlüsselung nach Stäben und Truppe, wonach Sie fragen, können wir nicht machen. Ich glaube, wir stimmen überein, daß der Stab eines Bataillons oder einer Brigade sehr wohl zur Truppe zählt.
Ich sage Ihnen aber insgesamt die Zahl derer, die als ehemalige Berufssoldaten 1988 bis jetzt eine Wehrübung abgeleistet haben. Das sind 421 Offiziere und 620 Unteroffiziere. Der Wehrübungserlaß läßt dies in der Nr. 306 - Sie haben eine andere zitiert - ausdrücklich zu.
Zusatzfrage, Herr Kastning.
Herr Staatssekretär, davon ausgehend, daß ich es sehr wohl für möglich halte, zumindest Grobbereiche zwischen Stab und Truppe zu differenzieren, wenn man unterstellt, daß mit „Truppe" ein etwas anderer Dienst als der in den Stäben gemeint ist, möchte ich fragen: Was halten Sie denn von einem Fall, wo jemand, der beim Verteidigungskreiskommando pensioniert worden ist, unmittelbar nach der Pensionierung als Reservist einberufen wurde, um seinen bisherigen Dienst als Sicherheitsberater fortzusetzen?
Herr Kollege, auch dies läßt der angezogene - von mir ist noch einmal die entsprechende Ziffer genannt worden - Erlaß in begründeten Einzel- und Sonderfällen sehr wohl zu.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kastning.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie bitten, mir nicht in einer Fragestunde, aber vielleicht in absehbarer Zeit einmal schriftlich mitzuteilen, weshalb der von mir zitierte Erlaß nicht im Widerspruch zu der Stelle steht, die Sie zitiert haben, und mir auch eine grobe Rechnung mitzuteilen, was reine Stabseinsatztätigkeit ist und was nicht.
Wenn wir die entsprechenden Daten austauschen, damit wir wissen, worüber wir reden, sollten wir das so tun.
Dann rufe ich die zweite Frage des Abgeordneten Kastning, nämlich Frage 45, auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, wenn dieser Personenkreis neben dem Ruhegehalt Wehrsold nach dem Wehrsoldgesetz, freie Verpflegung und Leistungen nach § 13 Unterhaltssicherungsgesetz erhält; wie verträgt sich diese Praxis mit dem Alimentationsprinzip?
Herr Kollege, dieses Gesetz über die Unterhaltssicherung der Beruf s-soldaten im Ruhestand stammt aus dem Jahre 1961. Damals hat man bewußt eine Regelung gefunden, die eine gewisse Attraktivität für Fachkräfte beinhaltete, die die Bundeswehr damals in der Aufbauphase besonders brauchte, und zwar auch in Konkurrenz zur Wirtschaft und zur Industrie. Sie wissen, daß heute eine ähnliche Situation bei uns wieder gegeben ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Kastning.
Darf ich daraus schließen, daß die Bundesregierung überhaupt nicht daran denkt, diesen Sachverhalt zu überprüfen und möglicherweise anders zu regeln?
Ich stimme Ihnen zu, daß rein vom Unterhaltssicherungsgesetz her hier manche Fragezeichen berechtigt sind, wie es ja auch der Intention Ihrer Frage entspricht. Aber ich habe darauf hingewiesen, daß wir heute inzwischen wieder in einer ähnlichen Situation sind, wie es sie in der
Anfangsphase der Bundeswehr Anfang der sechziger Jahre gab. Wir beabsichtigen im Augenblick nicht, hier konkrete Änderungen einzuleiten.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kastning, bitte schön.
Darf ich davon ausgehen, daß Ihrem Hause oder zumindest den Spitzen der einzelnen Waffengattungen bekannt ist, daß die in den beiden Fragen ausgedrückte Situation - das gilt insbesondere für die zweite Frage - auch zu Unruhe unter den Bundeswehrsoldaten führt, die nicht gerade dazu beiträgt, das Klima zu verbessern?
Nein, Herr Kollege, das kann ich nicht sehen. Wenn ein pensionierter Offizier als anerkannter Fachmann auch im Ruhestand, aber noch unterhalb der Altersgrenze für die der Wehrpflicht - diese liegt bei bis 65 Jahren -, wieder zurück zu seiner Dienststelle kommt und eine Funktion wahrnimmt, kann ich nicht sehen, daß hiermit Unruhe verbunden ist.
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Die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Steiner sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 48 des Abgeordneten Müller ({0}) ist auf Grund der Richtlinie Nr. 2 Abs. 2 schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 49 des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer:
Weshalb beansprucht das Bundesministerium der Verteidigung das Recht, Verstöße von militärischen Luftfahrzeugführern gegen die gesetzlichen Luftverkehrsbestimmungen zu ahnden, obwohl dies in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Verkehr fällt?
Herr Kollege Mechtersheimer, in dem Zeitraum vom Januar 1985 bis 15. September 1988 - soweit war eine Auswertung nur möglich - wurden von der Bundesanstalt für Flugsicherung insgesamt 290 Verfahren gegen militärische Luftfahrzeugführer, übrigens einschließlich der alliierten, wegen des Verdachts auf Ordnungswidrigkeiten im Luftverkehr im Luftraum der Bundesrepublik eingeleitet. Das sind Flüge in allen Höhen, nicht nur in einer bestimmten.
Eine Aussage, wie viele dieser Verfahren inzwischen abgeschlossen sind und bei wie vielen ein tatsächliches Verschulden festgestellt werden konnte, habe ich nicht vorliegen. Dies konnten wir in der Zeit, die zwischen dem Einreichen Ihrer Frage und der jetzigen Beantwortung lag, nicht ermitteln.
Ich darf noch hinzufügen, daß sechs Lizenzen zum Führen eines Luftfahrzeuges in dieser Zeit auf ewig entzogen wurden.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Mechtersheimer.
Treffen Berichte zu, wonach die Ahndung der Verstöße gegen die Luftverkehrsverordnung - das ist nicht der disziplinäre Teil - vom Verteidigungsministerium selber durchgeführt werden, obwohl das nun nicht in dessen Zuständigkeitsbereich fällt? Ich muß Teile meiner schriftlich eingereichten Frage wiederholen, weil es eben nicht beantwortet wurde.
Ich merke das. Das war auch nicht gefragt.
Solche Berichte treffen zu. Darüber hinaus teile ich Ihnen gerne mit, daß wir zwischen den in Frage kommenden Ressorts im Augenblick eine neue Überprüfung bezüglich der Zuständigkeit eingeleitet haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Mechtersheimer.
Sehen Sie nicht die Schwierigkeit, daß gerade angesichts des sensiblen Bereichs Tiefflug der Eindruck entsteht, daß die Bundeswehr eine Art Selbstkontrolle durchführt, was natürlich nicht geeignet ist, das Vertrauen in die Überprüfbarkeit - auch durch Skyguard - besonders zu stärken?
Herr Kollege, die Bedenken sehe ich nicht. Die Zahl, die ich eben nannte - das Härteste, was man überhaupt tun kann: Entziehen der Luftfahrzeugführungserlaubnis auf Dauer für eine so große Zahl in einer relativ kurzen Zeit - zeigt eigentlich, daß wir bei Vorliegen von Verstößen nicht mit lockerer Hand rangehen.
Darf ich davon ausgehen, daß die ausstehenden Fragen noch beantwortet werden?
Einen Augenblick. Sie haben zwei Zusatzfragen gehabt. Sie haben aber noch eine weitere Frage eingereicht. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit.
Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer auf:
Wie oft wurden seit 1985 Bußgeld- und Disziplinarverfahren wegen Verstößen gegen die gesetzlichen und militärischen Luftverkehrsbestimmungen gegen deutsche und alliierte Luftfahrzeugführer eingeleitet und rechtskräftig abgeschlossen?
Herr Präsident, bei mir muß eine falsche Bezifferung vorliegen. Sie hatten die Frage 49 aufgerufen?
Richtig.
Die habe ich dann auch artig beantwortet.
Richtig. Und dazu gab es zwei Zusatzfragen. Oder irre ich mich?
Nein, aber es wurde die Antwort auf die zweite von mir eingereichte Frage gegeben.
Hier müssen die Nummern irgendwie vertauscht sein.
Das kann dann nur bei Ihnen der Fall gewesen sein. Ich habe die Frage 49 aufgerufen. Aber gut.
Dann hören wir jetzt noch die Antwort auf die andere Frage. Danach bekommt Herr Mechtersheimer Gelegenheit, seine Zusatzfragen zu stellen.
Herr Kollege Mechtersheimer, ich habe eben wegen des Mißverständnisses einen Teil der Antwort vorweggenommen.
Das Verteidigungsministerium meint, daß für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten derjenige zuständig ist, der den jeweiligen, mit Ordnungswidrigkeiten belegten Bereich des Luftverkehrsgesetzes nach dessen Bestimmungen auszuführen hat. Ich weise noch einmal auf die im Augenblick laufenden Abgrenzungsgespräche mit dem Justizministerium, dem Verkehrsministerium und unserem Ministerium hin.
Sie teilen aber die Einschätzung, daß diese Überprüfung durch das BMVg selbst nicht weiter vorgenommen werden sollte?
Ich teile die Auffassung, daß wir wie bislang in solchen Fällen zunächst selbständig tätig werden. Ich habe an Hand der Zahlen auch gezeigt, daß das unbestechlich, akkurat gehandhabt wird. Aber wir haben uns der Diskussion, der Überprüfung mit den genannten Ressorts zu stellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Mechtersheimer.
Ich darf davon ausgehen, daß die Antworten auf die nicht vollständig beantworteten Fragen noch schriftlich nachgereicht werden?
Herr Kollege, ich will gerne noch hinzufügen, daß bei dieser Überprüfung auch die Länder beteiligt sind. Von manchen Bundesländern ist ausdrücklich der Wunsch geäußert worden, daß das nicht das Verkehrsministerium machen möge - sozusagen im Rückgriff auf die Länder, weil da ein direkter Bezug zu den Landesbehörden hergestellt wird - , sondern daß die Zuständigkeit für diese Überprüfung bei uns bleiben solle; gerade auch wegen der Problematik des Tieffluges, für den sonst die Länder indirekt vereinnahmt oder mitverantwortlich würden. Das wollen sie nicht. Vielmehr sagen die Länder, das solle der Verteidigungsminister machen.
Damit haben wir diesen Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer ist anwesend.
Die Fragen 51 und 52 der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der soeben eingetroffene Abgeordnete Reimann hat die Frage 53 eingereicht:
Warum läßt es die Bundesregierung zu, daß auf offiziellen Prospekten der Deutschen Bundesbahn für Kombinationsschmerzmittel geworben wird, obwohl die Spätfolgen des Schmerzmittelmißbrauchs, insbesondere chronische Schädigungen und Nierentumore, seit Jahrzehnten bekannt sind?
Herr Kollege Reimann, die Werbung für Arzneimittel ist geregelt im Gesetz für die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens. Danach ist eine Werbung außerhalb der Fachkreise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Ausnahme von Arzneimitteln, die dazu bestimmt sind, bei Menschen Schlaflosigkeit oder psychische Störungen zu beseitigen oder die Stimmungslage zu beeinflussen, nicht verboten.
Diese Werbung ist aber ganz bestimmten gesetzlichen Bedingungen unterworfen. Für Schmerzmittel gilt, daß diese nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn auf den Behältnissen, auf den äußeren Umhüllungen und der Packungsbeilage angegeben ist, daß sie nicht ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat längere Zeit oder in höheren Dosen angewendet werden sollen. Dieser Hinweis ist auch in der Werbung anzugeben.
Er ist, soweit mir bekannt, in der von Ihnen genannten Werbung enthalten. Der Hinweis soll einem Schmerzmittelmißbrauch und damit verbundenen möglichen Spätfolgen entgegenwirken.
Für die Durchführung der Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes sind im übrigen die Länder zuständig. Ihrer Überwachung unterliegen auch Werbeaussagen in von Ihnen genannten Prospekten. Sie werden von der Deutschen Eisenbahn-Reclame GmbH herausgegeben. Sie ist für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen allein verantwortlich.
Herr Reimann, Zusatzfrage.
Ich möchte gern folgendes wissen. Wenn wissenschaftlich nachgewiesen ist, daß diese Schmerzmittel diese Auswirkungen nach sich ziehen - kann man dann noch so argumentieren, wie die Bundesregierung das tut, oder muß sich die Bundesregierung nicht besseren Erkenntnissen beugen und entsprechende Verordnungen oder Bestimmungen erlassen?
Herr Kollege Reimann, das ist keine Frage, die im Zusammenhang mit den Maßnahmen steht, die Sie hier vorgeschlagen haben. Es gibt gerade, was solche Schmerzmittel angeht, im Augenblick eine andere Diskussion, nämlich die Dis6770
kussion, ob man sie nicht der Rezeptpflicht unterstellen soll. Das ist eine Frage, die gegenwärtig im Bundesgesundheitsamt geprüft wird. Wenn dies der Fall wäre, hätte dies zur Folge, daß außerhalb der Fachkreise nicht mehr geworben werden dürfte.
Zweite Zusatzfrage, Herr Reimann.
Das ist ja ein Hoffnungsschimmer, wenn man nicht so direkt in die Marktregularien und die freie Wirtschaft eingreifen will. Hier aber handelt es sich um das Unternehmen Bundesbahn, bei dem man ohne diesen langen Prozeß eingreifen könnte. Wie steht die Bundesregierung dazu?
Ich weiß nicht, ob das einen langen Prozeß zur Folge hat. Das zuständige Fachgremium des Bundesgesundheitsamts, der zuständige Fachausschuß, beschäftigt sich im Augenblick mit dieser Frage. Ich gehe davon aus, daß wir zu Beginn des nächsten Jahres ein Votum dazu haben werden. Im übrigen gilt auch hier: Wenn die Werbung erlaubt ist, können wir sie nicht verbieten.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Reimann auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu veranlassen, daß rezeptfrei erhältliche Schmerzmittelmengen auf maximal 20 Tabletten reduziert werden?
Die Frage, ob Arzneimittel nur in einer reduzierten Packungsgröße angeboten werden dürfen, entscheidet das Bundesgesundheitsamt in eigener Verantwortung.
Das Bundesgesundheitsamt kann die Zulassung von Arzneimitteln mit der Auflage verbinden, sie nur in Packungsgrößen in Verkehr zu bringen, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind. Von dieser Auflagenbefugnis macht das Bundesgesundheitsamt nach Prüfung des Einzelfalles im Rahmen des Zulassungsverfahrens Gebrauch, wobei die Möglichkeit eines Mißbrauchs bei einem Angebot von Großpackungen, die zu einem nicht bestimmungsgemäßen Vielverbrauch verleiten könnten, besonders beachtet wird. Bei der Aufbereitung des Arzneimittelmarktes wird auch die therapiegerechte Packungsgröße für Schmerzmittel festgelegt werden. Eine generelle Festsetzung auf 20 Tabletten könnte dabei durchaus die Folge sein, wobei Großpackungen dann nur noch für den Bedarf in Krankenanstalten ausgeliefert werden dürfen.
Zusatzfrage, Herr Reimann.
„Könnten durchaus die Folge sein" - das hört sich gut an. Dann frage ich aber trotzdem nicht nur im Hinblick darauf, daß sich die Kosten explosionsartig entwickeln, sondern auch angesichts der Tatsache, daß viele dieser Arzneimittel in Schränken oder wo auch immer lagern oder weggeschmissen werden: Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, sofort auf das Bundesgesundheitsamt einzuwirken,
daß entsprechende Dosierungen schon jetzt, schneller vorgenommen werden?
Herr Kollege Reimann, in meiner Antwort auf eine Zusatzfrage im Zusammenhang mit der ersten Antwort habe ich deutlich gemacht, daß das Bundesgesundheitsamt im Augenblick an der Klärung von Fragen, was die Schmerzmittel angeht, arbeitet. Im übrigen ist die Aufbereitung gerade in dem Bereich der Schmerzmittel mit Nachdruck im Gange.
Dann, Herr Präsident, darf ich meine letzte Zusatzfrage stellen: Wie schätzen Sie den Zeitbedarf dazu ein?
Das kann ich im Augenblick mit einer gewissen Verbindlichkeit nicht sagen. Ich konnte das sagen in bezug auf Ihre Zusatzfrage zu der ersten Frage. Da rechne ich damit, daß wir zu Beginn des nächsten Jahres die ersten Voten vorliegen haben.
Die Fragen 55 und 56 des Abgeordneten Haack ({0}) können nicht beantwortet werden, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende dieser Fragestunde. Es sind zwar noch sechs Fragen des Auswärtigen Amtes zu behandeln, aber erst morgen. Ich unterbreche deshalb die Sitzung. Wir beginnen erneut um 15.05 Uhr, dann mit der Aktuellen Stunde.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde
Probleme bei der geplanten Außenstelle des Bundesamtes der Finanzen im Zusammenhang mit der kleinen Kapitalertragsteuer
Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der „Süddeutschen Zeitung" beginnt in diesen Tagen ein ironischer Kommentar folgendermaßen:
Endlich ein neues Amt! Eine neue Behörde, die stand gewiß schon lange auf dem Wunschzettel des Bürgers. Er bekommt sie jetzt, das Quellensteueramt.
Ein solches Quellensteueramt ist gewiß das allerletzte, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen können. Das weiß auch Herr Stoltenberg, und deswegen scheut er das Wort „Quellensteueramt" wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen haben Sie für die heutige Debatte ja auch die Überschrift geändert. Aber die Regierung kann sich drehen und wenden, wie sie will, und kann neue Überschriften suchen; das
Stoltenbergsche Quellensteueramt wird ebenso negativ in die Steuergeschichte eingehen wie der Flugbenzinskandal.
({0})
Diese Bundesregierung ist mit dem Versprechen angetreten: mehr Steuervereinfachung und weniger Bürokratie. Das Gegenteil macht sie. 500 neue Stellen will die Bundesregierung jetzt allein dafür schaffen, daß den Steuerzahlern die unberechtigt abgezogene Quellensteuer zurückerstattet wird. Kostenpunkt: 175 Millionen DM - und auf Länderebene noch zusätzliche Bürokratie, über 2 000 neue Stellen für die famose Steuerreform. Diese gigantische Personalvermehrung ist ein Wortbruch auf der ganzen Linie. Herr Stoltenberg, sparsamer Umgang mit dem Geld des Bürgers ist oberste Pflicht des Finanzministers. Sie verstoßen leider dagegen.
({1})
Für Millionen für Bürgern mit geringem Einkommen wird es im kommenden Jahr ein böses Erwachen geben. Wenn sie von der Quellensteuer befreit werden wollen, müssen sie zum Finanzamt gehen und eine Art Einkommensteuererklärung abgeben, um dann eine Nichtveranlagungsbescheinigung zu bekommen. Die Deutsche Steuergewerkschaft rechnet mit etwa 16 Millionen solcher Fälle. Schon diese Prozedur werden viele Bürger scheuen und dann leider auf der Quellensteuer hängenbleiben, die sie eigentlich gar nicht zahlen müßten.
Wenn sich der Bürger nun aber mit dieser Bescheinigung vom Finanzamt zur Bank begibt, wird vielen
Millionen dort achselzuckend gesagt werden: Tut uns leid, die Quellensteuer ist vom Staat schon eingezogen worden; wenn Sie Ihr Geld wiederhaben wollen, müssen Sie sich an das Quellensteueramt in Trier wenden.
({2})
Das alles hat die Bundesregierung den Bürgern nicht gesagt. Sie können sicher sein: Wenn die Bürger merken, wie sehr sie von dieser Bundesregierung hereingelegt worden sind, wird ein Aufschrei durchs Land gehen.
Die Bundesregierung selbst rechnet mit 10 Millionen solcher Erstattungsfälle durch das Quellensteueramt. Nach aller Lebenserfahrung werden Millionen von Rentnern und Arbeitnehmern, die dieses schwierige Verfahren scheuen, vor der Quellensteuerbürokratie dieser Bundesregierung kapitulieren.
({3})
Bei kleinen Sparern kassiert die Bundesregierung ab, bei hohen Kapitalvermögen aber läßt sie es weiterhin zu, daß Steuerhinterziehung ein lukratives Geschäft ist.
({4})
Statt sicherzustellen, daß Spitzenverdiener, wie das geltende Recht es verlangt, tatsächlich 56 % Steuern auf ihre Kapitalerträge zahlen, läßt sie die Besitzer hoher Kapitalvermögen genauso mit 10 % Quellensteuer davonkommen wie die kleinen Sparer und hat
durch die Änderung der Abgabenordnung das Risiko, erwischt zu werden, für diese Bevölkerungsgruppe auch noch verringert.
({5})
Wir lehnen diese ungerechte Quellensteuer ab. Wir haben vorgeschlagen, die Sparerfreibeträge deutlich zu erhöhen, damit die Sparzinsen der Millionen Normalsparer völlig steuerfrei sind. Sie haben das leider abgelehnt.
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Wir haben auch vorgeschlagen, ein Mitteilungsverfahren, wie es sich in den USA bewährt hat, einzuführen, damit die Erträge hoher Kapitalvermögen endlich nach Recht und Gesetz versteuert werden. Das ist einfach und mit viel weniger Bürokratie verbunden. Leider haben Sie auch das abgelehnt.
Wir stellen fest, Herr Stoltenberg: Ihre Quellensteuer ist nicht nur ungerecht und bürgerunfreundlich, sie ist auch ein steuerpolitischer Skandal.
({7})
Wenn sich 1990 eine SPD-geführte Bundesregierung daranmacht, die von Ihnen hinterlassenen steuerpolitischen Trümmer aufzuräumen,
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werden wir gleich zwei Dinge anpacken: Die Sache mit dem Flugbenzin wird dann sofort in Ordnung gebracht, und die Quellensteuer dieser Bundesregierung sowie das Stoltenbergsche Quellensteueramt werden dann wieder abgeschafft.
Ich danke Ihnen.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glos.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst habe ich geglaubt, die Debatte heute sei überflüssig,
({0})
aber jetzt weiß ich, daß es gut war, daß wir heute zusammengekommen sind, weil Sie, Frau Kollegin Matthäus-Maier, im letzten Teil Ihrer Rede dem deutschen Bürger sehr deutlich gemacht haben, was er zu erwarten hat, wenn Sie an die Regierung kommen sollten
({1})
und wie Ihr Programm der Einziehung der bisher schon auf Kapitalerträge fälligen Steuern aussieht. Wenn man das, was Sie gesagt haben, verwirklichen will, dann muß man den gläsernen Sparer schaffen,
({2})
dann muß man jedem Sparer eine Computernummer zuweisen, dann muß man die Computer der Banken und der Finanzämter untereinander vernetzen. Nur dann wäre es möglich, mit dem von Ihnen angespro6772
chenen Kontrollmitteilungsverfahren wirklich die letzte Mark Zinserträge gerecht zu erfassen.
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- Gut, höhere Sparerfreibeträge. Aber erst müssen Sie das Geld mal erfassen, und dann können Sie es mit den Freibeträgen wieder freistellen.
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Ich kann mir auch vorstellen: Wenn es endlich so weit ist, daß die Bürger bei uns im Land ihre Kapitalerträge so versteuern, wie man ganz selbstverständlich Erträge aus gewerblicher Tätigkeit, aus Vermietung und Verpachtung, wie man Arbeitslohn versteuert - wir haben unsere kleine Kapitalertragsteuer als Mahnung zur Steuerehrlichkeit gedacht - , dann kann man durchaus darüber reden, ob man den Sparerfreibetrag dann nicht erhöhen kann.
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Ich möchte hier jetzt noch einmal ganz klarstellen, was diese von Ihnen als „neue Behörde" bezeichnete vorgesehene Einrichtung sein soll. Es handelt sich hier um kein neues Amt, das Geld vom Bürger eintreibt, sondern es geht um eine Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen, das dazu da ist, um dem Bürger Steuern zurückzuerstatten, die ihm möglicherweise zuviel abgenommen worden sind, weil er unterhalb von Veranlagungsgrenzen bleibt. Wir prüfen derzeit in der Fraktion in Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzminister sehr intensiv, ob man nicht noch vereinfachende Regelungen bringen kann und ob wir vor allen Dingen nicht die Banken dazu verpflichten können, daß sie die kleine Kapitalertragsteuer genauso handhaben wie die große Kapitalertragsteuer, wo das Erstattungsverfahren jetzt schon in guter Art und Weise läuft. Ich fordere die Banken auf, hier mit der Bundesregierung zu kooperieren, statt Leute zu beraten, ihr Kapital in Luxemburg anzulegen.
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Es ist ein Irrtum zu glauben, daß man die Zinsen der Gelder, die man in Luxemburg oder woanders angelegt hat, nicht versteuern muß. Auch Kapitalerträge, die im Ausland erzielt werden, sind selbstverständlich genauso steuerpflichtig.
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Wer glaubt, er kann so Steuern sparen, der ist auf dem Holzweg. Er kann höchstens Steuern hinterziehen, und er macht sich dann strafbar.
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Ich bin eigentlich immer noch optimistisch, daß sich die deutschen Banken dieser Verpflichtung stellen. Wir, die Kollegen aus dem Finanzausschuß aus unserer Arbeitsgruppe, auch die von der FDP, haben im Vorfeld sehr intensiv mit den Banken diskutiert. Sie
wußten allerdings auch keinen besseren Rat, wie der Fiskus zu dem ihm zustehenden Anteil an den Kapitalerträgen kommen kann.
Nachdem wir und auch Sie vorher keine besseren Lösungen als diese gefunden haben, müssen wir diese Lösung so praktikabel wie möglich gestalten. Daran werden wir in den nächsten Wochen arbeiten, und ich bin davon überzeugt, daß es zu keiner neuen Mammutbehörde kommen muß.
Danke schön.
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Der Herr Abgeordnete Hüser hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anscheinend ist das geplante Quellensteueramt dazu erdacht worden, um in Zukunft für arbeitslose Zollbeamte eine Stelle zu schaffen, wenn ihre Plätze im Rahmen des EG-Binnenmarktes nicht mehr benötigt werden. Als Rheinland-Pfälzer könnte ich dem eigentlich etwas Gutes abgewinnen, da Trier durchaus eine Stadt ist, die mit Arbeitsmarktproblemen zu kämpfen hat. Nur möchte ich mich nicht dahin verleiten lassen, zu sagen, daß die Bundesregierung mit dieser Schaffung des neuen Quellensteueramtes ein offensives Beschäftigungsprogramm betreiben will.
Im Hearing des Finanzausschusses ist von der Deutschen Steuergewerkschaft ein Mehrbedarf von mindestens 2 000 Finanzbeamten vorhergesagt worden. Die Deutsche Steuergewerkschaft hat dies diese Woche vor der Presse wiederholt. Die Bundesregierung hat ja immer behauptet, daß diese Steuerreform zur Vereinfachung beiträgt. Nun frage ich mich hier: Was ist das für eine Vereinfachung der Steuerreform, die mindestens 2 000 zusätzliche Beamte benötigt? Wenn dieser zusätzliche Stellenbedarf wenigstens noch durch Planstellen abgedeckt wäre, dann hätte dieses wenigstens noch einen guten Aspekt.
Auch frage ich mich, was es für eine Vereinfachung ist, die ein eigenes Amt - auch wenn Sie es als Außenstelle bezeichnen - benötigt, das eingenommenes Geld wieder austeilt. Das ist doch ein Schildbürgerstreich. Anders kann ich das nicht beurteilen.
Noch in der Antwort vom 29. Juni 1988 auf eine Große Anfrage der GRÜNEN zur Quellensteuer hat die Bundesregierung die Befürchtungen, die wir damals geäußert haben, zurückgewiesen, das gewählte Verfahren würde zu einer Flut von Nichtveranlagungsbescheinigungen und entsprechenden Erstattungsfällen mit entsprechendem erheblichem Verwaltungsaufwand führen.
Wie die jetzigen Überlegungen zeigen, war sich die Bundesregierung bei der Planung der Steuerreform anscheinend nicht bewußt, welche Auswirkungen die Einzelmaßnahmen haben werden. Nicht ohne Grund ist das Steuerreformgesetz auch von maßgeblicher Unionsseite bekanntlich als schlampige Arbeit charakterisiert worden.
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Angesichts der unsinnigen und unhaltbaren Quellensteuerregelung ist das jetzt notwendige Amt mit den über 500 Stellen eigentlich nur ein Schönheitsfehler. Er ist allerdings konstruktionsbedingt. Von Anfang an wurde nicht nur von uns, sondern von allen Seiten die Zielrichtung der Quellensteuer als verfehlt dargelegt, ihre unzureichende Wirksamkeit, verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit, die Verschärfung des Ermittlungsverbots für Finanzbeamte. Auch die angebotene Amnestie für Steuerhinterzieher und vieles andere mehr wurden mehrfach kritisiert. Die Bundesregierung ist im Prinzip auf keinen Punkt eingegangen.
Gerade das gewählte Verfahren muß vor allem auf Grund der garantierten Anonymität der 10 %igen Steuerabführung eigentlich als Ermutigung zur Steuerhinterziehung verstanden werden, auch wenn Sie hier immer versuchen, etwas anderes zu behaupten.
Die Koalition hat sich - das ist eigentlich nicht verwunderlich - allen Änderungsvorschlägen verschlossen. Das eigentliche Ziel, das dahinter zu stehen schien, nämlich der weit verbreiteten Steuerhinterziehung bei Zinseinkünften entgegenzutreten, zu stärken, davon ist bei dem Gesetzentwurf, der verabschiedet worden ist, überhaupt nichts mehr zu merken.
Insbesondere ist nach meiner Meinung die Einführung von automatischen Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter zu erwähnen, die einzige Möglichkeit einer wirklich vollständigen Erfassung der Zinseinkünfte - Frau Matthäus-Maier hat es hier angesprochen - nach dem Grundsatz der Besteuerung der persönlichen Leistungsfähigkeit. Ich finde es skandalös, daß dieser Punkt immer wieder zurückgewiesen wird und Sie sich nur mit dem mahnenden Zeigefinger hinstellen und hoffen, daß die Bundesbürger doch eine richtige Steuererklärung abgeben werden. Aus Erfahrung weiß man, daß dies nicht der Fall ist.
({1})
- Darauf komme ich noch zum Schluß.
Auf unsere Anfrage hin hat die Bundesregierung behauptet, daß - Herr Glos hat es jetzt noch einmal dargelegt - dies zu einem Schnüffelstaat führen würde.
({2})
Erstens wird dies nicht so sein, und zweitens kann ich mir nicht vorstellen, wenn wir uns die Aktivitäten von Minister Zimmermann angucken, daß gerade die Begründung des Schnüffelstaates für Sie ein Hindernis sein könnte.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte neue finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, meinen Glückwunsch!
({0})
- Nein, zum Amt. Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand, also können wir noch viel erwarten.
({1})
Es ist immer klüger, den lieben Gott aus unseren Debatten herauszuhalten, Herr Gattermann.
Auch in dieser Formulierung? -Dann streichen Sie es bitte im Protokoll.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist interessant, sich gerade am Beispiel der Steuerreform über den Stil unserer politischen, sachlichen Auseinandersetzungen zu unterhalten, weil es nämlich eigentlich immer nach demselben Schema abläuft. Entschuldigung, ist der Rückgriff auf die Bibel auch nicht üblich?
({1})
Am Anfang war das Wort. Man erfinde ein Wort - in diesem Falle das Wort „Quellensteueramt" -, und man hat wieder eine Gelegenheit, emotionalisierend, vom Kern der Sache ablenkend Stimmung gegen ein bestimmtes Gesetz zu machen. Dieser Stil der Auseinandersetzung ist immer der gleiche.
Der Begriff „Quellensteueramt" bietet sich für einen einschlägig vorgebildeten Politiker geradezu an. Die Bezeichnung „Quellensteuer" - es ist ja nicht die offizielle Bezeichnung für die Steuererhebungsform, über die wir uns unterhalten - hat an sich schon diesen negativen Touch, und das Wort „Amt" ist beim Bürger auch nicht sonderlich beliebt. In der Kombination ist diese Bezeichnung also sehr, sehr griffig, und man kann politisch damit arbeiten.
Meine Damen und Herren, dabei gerät in Vergessenheit, daß wir untereinander über einen Sachverhalt im Grunde genommen einig sind, nämlich daß wir auf Grund der Entwicklung der Einkommenstruktur mittel- und langfristig notwendigerweise nicht auf eine ziemlich erschöpfende Heranziehung von Kapitalerträgen zur Besteuerung verzichten können.
({2})
Dies ist unverzichtbar, besonders wenn man es im Kontext zur demographischen Entwicklung in unserem Lande sieht. Es würde zu einer unerträglichen Belastung von Arbeits- und Gewerbeeinkommen führen, wenn man dieses Feld unbeackert ließe. Darüber sind wir uns einig.
Jetzt taucht die Frage auf - da beginnt der politische Dissens - , auf welche Art und Weise ich dieses Thema anzugehen habe. Wir müssen einmal realistisch feststellen, daß es sich für die Finanzverwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg absolut nicht lohnte, sich ernsthaft um das Thema zu kümmern, denn es gab keine Kapitaleinkünfte. Inzwischen haben wir Erbvorgänge über mehrere Generationen. In den letzten
Jahren waren es über 100 Milliarden DM allein aus Kapitaleinkünften, die zur Mehrung des Volksvermögens beitrugen.
Also streiten wir uns über den Weg. Es gibt zwei Wege. Sie propagieren den einen, wir haben uns für den anderen entschieden. Wenn wir auf das „Quellensteueramt" oder - richtig gesagt - auf eine Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen
({3})
zu sprechen kommen, dann taucht die Frage auf, inwieweit der Aufwand bei dem Verfahren mit Kontrollmitteilungen geringer ist. Ich bezweifle, daß er geringer ist. Es gibt - ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf - Abermillionen von zinsträchtigen Konten, und die entsprechenden Zinserträge müßten samt und sonders mitgeteilt werden. Das ist ein Wust von Kontrollmitteilungen. Ich habe mir aus Amerika mitteilen lassen - Sie haben das Beispiel erwähnt -, daß man zunächst einmal - ohne Vernetzung der Computersysteme - Turnhallen voll unerledigter Kontrollmitteilungen gehabt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion war so nett, mir zu sagen, daß ich zweimal fünf Minuten reden darf. Die ersten fünf Minuten sind herum. Ich setze mein Kolleg gleich fort.
Herzlichen Dank.
({4})
Nun hat der Abgeordnete Börnsen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gattermann, Sie waren gerade bei der Beschreibung Ihrer Vorstellungen, die dazu führen müßte, daß Sie begründen, warum Sie diesen Weg bei der Realisierung der Quellensteuer gewählt haben. Es ist etwas unglücklich, jetzt in der Mitte eingreifen zu müssen. Aber unabhängig von Ihren weiteren Ausführungen läßt sich, glaube ich, feststellen: Wenn man eine neue Besteuerungsmethode sucht, dann muß als eines der grundlegenden Prinzipien die Einfachheit im Vordergrund stehen, und die Einfachheit steht bei dem Modell, welches Sie gewählt haben, ohne Zweifel extrem im Hintergrund.
({0})
Wenn man aus grundsätzlichen Erwägungen bestimmte Wege ablehnt, wie das bei Ihnen mit der Ablehnung des Mitteilungsverfahrens der Fall ist, dann wird man naturgemäß auf ein unwahrscheinlich kompliziertes Verfahren verfallen, welches dann angewendet werden muß. Wenn die Prinzipien im Vordergrund stehen, nicht aber das Prinzip der Einfachheit, dann ist das Ergebnis eine fürchterliche Verlegenheit, die ja auch schon bei dem deutlich wurde, was Sie, Herr Glos, gesagt haben.
Denn wenn Sie heute - wir haben heute den 12. Oktober 1988 - im Bundestag zum Ausdruck bringen, daß Sie sich z. B. mit den Banken weiter in Verbindung setzen wollen, um die Umsetzung der
Nichtveranlagungsbescheinigung auf einem möglichst einfachen Weg zu erreichen, bei einem Gesetz, welches zum 1. Januar 1989 in Kraft treten soll, dann ist das schon recht abenteuerlich, insbesondere wenn Sie sich daran erinnern, meine Damen und Herren, daß bei der Anhörung im Deutschen Bundestag im Mai dieses Jahres die Banken bereits sehr konkret und nachdrücklich darauf hingewiesen haben, welcher bürokratische Aufwand mit diesem System, welches von Ihnen propagiert wurde, verbunden ist.
Sie haben die vergangenen Monate verschlafen. Sie sehen jetzt, daß die notwendige Einrichtung eines Quellensteueramtes wiederum zu einer Belastung der Steuerreform führt, und versuchen, im letzten Moment etwas aufzugreifen und zu einer Lösung zu kommen, die Sie aus dieser Verlegenheit zumindest noch etwas herauslöst. Das macht aber deutlich, daß im Ansatz eben Ihr System falsch war.
Lassen Sie mich noch einiges, meine Damen und Herren, zu den Beratungen im Finanzausschuß sagen. Natürlich hat damals jeder gewußt oder mußte es zumindest wissen, daß die Quellensteuer zu einer weiteren Komplizierung und insbesondere zu einer ganz erheblichen Steigerung des Personalbedarfs in der Finanzverwaltung führen wird. Darauf hat die Deutsche Steuergewerkschaft hingewiesen; wir haben ja bei der Anhörung nachgefragt.
Die Deutsche Steuergewerkschaft hat ebenfalls darauf hingewiesen, daß die Nichtveranlagungsbescheinigung eine umfassende Prüfung erfordere, ob eine Veranlagung zur Einkommensteuer in Betracht kommt oder nicht. Sie sei daher nichts anderes als eine fiktive Veranlagung mit einer Sachverhaltsaufklärung nach § 88 AO. Mit anderen Worten: Das ist auch ein Vorgang, den Sie beim besten Willen nicht den Banken zuschieben können.
({1})
Vielmehr sind der Personalmehrbedarf, der bei den Finanzämtern der Bundesländer entstehen wird, und der Personalmehrbedarf, der bei dieser Bundesbehörde entstehen wird, dadurch bedingt.
({2})
- Ach, wir haben es gut verstanden, Herr Kollege.
Von seiten der Bundesregierung jedoch wurde im Gegensatz dazu auf die personellen Konsequenzen niemals hingewiesen. Das ist auch kein Wunder, denn Sie haben diesen Gesetzentwurf mit größter Eile durch den Ausschuß gepeitscht, und zu einer vernünftigen, gründlichen Beratung gerade der Auswirkungen dieser sogenannten kleinen Kapitalertragsteuer, dieser Quellensteuer, blieb im Ausschuß gar keine Zeit. Ich glaube, wenn wir unsere Arbeit im Ausschuß ernst nehmen, wenn wir auch erreichen wollen, daß eine Vorlage der Bundesregierung gründlich geprüft wird, um gerade solche negativen Auswirkungen, die man jetzt feststellt, zu verhindern, dann braucht man diese Zeit im Ausschuß. Dies ist nicht möglich gewesen, weil Sie aus politischen Gründen zu einem Durchpeitschen der Steuerreform noch vor der SomBörnsen ({3})
merpause kommen wollten. Das Ergebnis dieses Durchpeitschens sehen Sie jetzt: ein absolutes Katastrophenwerk.
({4})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Will-Feld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde mich mit Frau Matthäus-Maier gern auf einen anderen Namen der Außenstelle einigen.
({0})
Es klingt so gut, wenn wir im Zeitalter der Kürzel sagen würden: AAfkB. „AA" ist immer gut, das ist imponierend, das ist vornehm. Das heißt: Außenstellenamt für kleine Bürger.
({1})
Denn das Außenstellenamt soll möglichst schnell
({2})
und im institutionalisierten Verfahren die gezahlten Steuern vor allen Dingen dem kleinen Bürger zurückerstatten.
({3})
Ich will jetzt überhaupt keine Stellung zu der Frage und der steuerlichen Würdigung des Gleichheitsgrundsatzes und des Finanzstandorts nehmen; das haben wir ja in der großen Diskussion über die Steuerreform ausgewalzt.
({4})
Vielmehr will ich auf die Frage der Zuordnung von Finanzverwaltung und Bundesamt für Finanzen hinaus, also auf die Verfahrensweise. Wer jetzt beklagt, hier müßten sehr viele Stellen geschaffen werden, hier sei ein großer Aufwand zu beklagen, dem muß ich sagen: Ob beim Bundesamt für Finanzen oder bei der Finanzverwaltung, es entsteht natürlich der gleiche Aufwand, denn wir haben immerhin 570 Finanzämter in der Bundesrepublik, und wenn sie nur einen zusätzlichen Mitarbeiter dafür einsetzen würden, würde das schon 570 Mitarbeiter bedeuten. Also, dieses Argument zieht in meinen Augen nicht.
Es kommt etwas anderes hinzu: Wir haben Streit über die Erhebungsform für Kapitalertragsteuern.
({5})
Wir machen's bei der kleinen Kapitalertragsteuer in der Form des Abzugsverfahrens. Ich möchte Sie, wenn Sie beklagen, wie teuer dies alles sei, mal daran erinnern, welche Bürger dieser Bundesrepublik beim Lohnsteuerabzugsverfahren Kosten für uns alle mitübernehmen. Diese Erinnerung darf ich wohl auch hier mal in den Raum stellen.
({6})
Wie gesagt, wir machen's übers Abzugsverfahren, Sie wollen Kontrollmitteilungen. Glauben Sie doch
nur ja nicht, daß Sie mit dem Kontrollmitteilungsverfahren weniger Aufwand haben.
({7})
Zunächst müssen Sie die Kontrollmitteilungen mal sammeln, dann müssen diese Kontrollmitteilungen sortiert werden, dann müssen sie geprüft werden. Selbst wenn Sie dem Bürger Freibeträge für Zinseinkünfte gesetzlich genehmigen würden, kommen Sie an einer gewissen Menge an NV-Bescheinigungen
- gleichgültig, in welcher Form - überhaupt nicht vorbei. Wenn Sie dann mal sortiert und zugeordnet haben, dann müssen die Finanzämter untereinander - ({8})
- Wie wollen Sie das denn machen? Wenn Sie Kontrollmitteilungen haufenweise hereinbekommen, müssen sie doch geprüft und sortiert werden, Sie müssen doch zuordnen.
({9})
- Natürlich müssen Sie zuordnen! Dann aber müssen ja auch die Finanzämter miteinander korrespondieren. Denn es ist ja nicht so, daß der steuerpflichtige X seine Geldvermögen nur am Ort Y hat. Er hat sie eventuell landesweit, er hat sie bundesweit. Sie müssen also eine Vernetzung des Kommunikationssystems vornehmen, ganz gleichgültig, in welcher Form. Und Sie sind diejenigen, die sich anderenorts immer hinstellen und sagen, es dürfe in dieser Bundesrepublik Deutschland nicht den gläsernen Menschen geben.
({10})
Mit dem Kontrollmitteilungsverfahren wird dies doch viel erheblicher.
Zur Frage des Standorts will ich überhaupt nichts sagen.
({11})
Aber wenn Sie mich fragen, sage ich: Ich bin für Trier.
({12})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mindestens zwei Jahrzehnten gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine breite Debatte, wie wir bei Zinseinkünften zu einer erweiterten Bemessungsgrundlage kommen können, d. h. auch: zu einer gleichmäßigeren und gerechteren Besteuerung in diesem Bereich. Natürlich kennen Frau Matthäus-Maier und die finanzpolitschen Experten diese Diskussion, diese Debatte genau. Ja, meine sozialdemokratischen Vorgänger haben sich aktiv an ihr beteiligt - viele Finanzpolitiker der SPD in Bund und Ländern, bis in die letz6776
ten Monate hinein. Und das gilt für die Finanzwissenschaft, das gilt für die ({0})
- Entschuldigen Sie, ich rede jetzt mal zur Sache, Herr Huonker.
({1})
An oberflächlicher Polemik haben wir in dieser Sache schon genug gehört.
({2})
Lassen Sie uns mal zur Sache kommen.
({3})
- Aber Herr Kollege Huonker, ich will jetzt wirklich mal zur Sache reden. Ich habe nach manchen Schlagworten, die auch gerade von Ihrer Seite gekommen sind, ein Bedürfnis danach. Ich setze mich schon kritisch mit Ihnen auseinander. Sie können sich Ihre Zwischenrufe dann für den Punkt aufsparen. - Das gilt auch für die Deutsche Steuergewerkschaft, das gilt für den Bund der Steuerzahler, das gilt für den Wissenschaftlichen Beirat. Ich sage nun: Mit der Gesetzes-entscheidung, die CDU/CSU und FDP nach sorgfältiger Vorbereitung getroffen haben,
({4})
haben wir als erste Koalition und als erste Mehrheit dieses Ziel sehr weitgehend erreicht: eine gleichmäßige Erfassung der verschiedenen Einkommensarten und damit im Ergebnis ein höheres Maß an Steuergerechtigkeit.
Erweiterung der Bemessungsgrundlage schafft neue Aufgaben für die Verwaltung. Aber wenn wir von Mehrbelastung reden: Die wichtigste Vereinfachung der Steuerreform ist doch, daß künftig fast eine halbe Million Steuerzahler mit kleinen Einkünften durch die erhebliche Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge ganz aus der Lohn- und Einkommensteuerpflicht entlassen werden.
({5})
- Ja, wir reden auch über Vereinfachungen und Mehrbelastungen. Ich nehme hier die Stichworte meiner Vorredner auf. Das müssen Sie mir doch erlauben, nachdem die anderen Stichworte gefallen sind.
Die erweiterte Bemessungsgrundlage heißt nun, daß wir im Interesse der Steuerzahler, vor allem derjenigen mit kleinen Einkommen, natürlich auch im erweiterten Umfang Nichtveranlagungsbescheinigungen ermöglichen müssen. Auch das hat der Gesetzgeber konsequent so entschieden. Das bedeutet nun in der Tat einen begrenzten zusätzlichen Verwaltungsaufwand durch diese Erweiterung der Möglichkeiten, die wir ja traditionell bei der Kapitalertragsteuer haben, auf die kleine Kapitalertragsteuer.
Meine Damen und Herren, ich will auch auf das eingehen, was meine Vorredner hier schon angedeutet haben. Frau Matthäus-Maier, Ihre Kritik, verbunden mit Schlagworten, die zum Teil aus Leitartikeln stammen, ist schon deshalb vollkommen unglaubwürdig, weil das von Ihrer Partei in letzter Zeit entwikkelte, auch im Gesetzgebungsverfahren vertretene Alternativkonzept der umfassenden Kontrollmitteilungen einen unvergleichlich größeren zusätzlichen Personal- und Verwaltungsaufwand erfordern würde als der von uns gewählte Weg.
({6})
Noch Anfang Juli haben sich Sprecher der sozialdemokratisch regierten Länder im Bundesrat ausdrücklich für diese. Alternative ausgesprochen. Wenn Sie das bestreiten,
({7})
dann schauen Sie sich doch einmal die Ergebnisse der Einführung umfassender Kontrollmitteilungen in anderen europäischen Ländern an, zuletzt in den Niederlanden. Im Vergleich zu der Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen, von der wir hier reden, ist nach meiner festen Überzeugung, gestützt durch ausländische Beispiele, der Weg der umfassenden Kontrollmitteilungen unvergleichlich verwaltungsaufwendiger.
Meine Damen und Herren, ich will sagen: Soweit hier ein begrenzter Verwaltungsaufwand entsteht, entsteht er dadurch, daß wir uns im Interesse gerade der Bezieher kleiner Einkommen und vieler Arbeitnehmer verpflichtet fühlten, die Nichtveranlagungsbescheinigungen zu ermöglichen und damit eine Form der Erstattung, die nun - ich komme auf den Verwaltungsvollzug zu sprechen - möglichst schnell und wirksam im Interesse der Steuerzahler gestaltet werden soll. Das ist der entscheidende Punkt.
Die geplante Außenstelle Trier des Bundesamtes für Finanzen
({8})
dient nicht der Überwachung der rigoroseren Steuererhebung, sondern der raschen Erstattung zuviel gezahlter Abzugssteuern. Das ist der Sinn dieser Konzeption.
({9})
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen folgendes sagen: Bei den intensiven Beratungen im Finanzausschuß sind ja die Möglichkeiten zur Vereinfachung im Interesse der Bürger und zur Entlastung der Steuerverwaltung bereits ausführlich erörtert worden. Ich will dankbar anerkennen, daß die Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuß auch bestimmte Verbesserungen im Vergleich zur Regierungsvorlage beschlossen haben. Ich möchte mich nachträglich dafür noch einmal bedanken.
Aber jetzt stehen wir vor der Aufgabe - das gilt nun vor allem für den parlamentarisch verantwortlichen Bundesminister der Finanzen - , für eine einwandfreie Anwendung des Gesetzes im Sinne des
Gesetzgebers und im Interesse der Bürger die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen.
Das Erstattungsverfahren, über das wir hier reden, ist ja auch nicht neu. Ich bin über einige Bemerkungen ganz erstaunt. Wir haben es seit Generationen bei der Kapitalertragsteuer auf Dividenden. Ich will Ihnen nur einmal sagen - ich habe mich informiert -, daß wir im letzten Jahr rund eine halbe Million Nichtveranlagungsbescheinigungen hatten. Sie konnten von sieben Mitarbeitern des Bundesamtes für Finanzen bearbeitet werden.
Die veränderte Ausgangssituation - auch das ist angesprochen worden - für uns ist in der Tat, daß in den Gesprächen, die im Frühjahr geführt wurden, die Spitzenverbände des Kreditgewerbes nicht bereit waren, auch mit Argumenten, die man dann ernsthaft abwägen muß - das überschreitet die Möglichkeit einer Aktuellen Stunde -, die von ihnen gehandhabte Praxis bei der schon länger bestehenden Kapitalertragsteuer, nämlich aufbereitete Sammelanträge dem Bundesamt für Finanzen zuzuleiten, zu übernehmen. Ihre Argumente sind vorgetragen und erwogen. Ich will sie hier nicht mit zwei oder drei Sätzen summarisch bewerten. Ich habe auch einige kritische Fragen dazu. Aber es wäre falsch, die Argumente einfach vom Tisch zu wischen.
Insofern standen wir vor einer anderen Situation, nämlich der Situation, daß das jetzt zu wählende Verfahren in der Tat ein Stück aufwendiger ist. Deswegen haben wir das Konzept entwickelt, das Sie kennen, über das jetzt diskutiert wird, über das im Haushaltsausschuß natürlich noch weiter vertieft diskutiert werden muß, nachdem uns zu Recht eine Reihe von Fragen gestellt worden ist.
Es ist das Konzept einer Außenstelle des Bundesamtes. Wir denken an eine Grundausstattung von 150 bis 200 Mitarbeitern. Wir sind der Meinung, daß zum Gesetzesvollzug diese Außenstelle im ersten Quartal 1989 arbeitsfähig sein müßte. Wir haben uns, auch im Hinblick auf den anstehenden Gesetzesvollzug im nächsten Jahr, relativ schnell entschlossen - allerdings nach gründlicher Prüfung - , die Standortentscheidung für Trier zu treffen. Ich sage das den vielen Kolleginnen und Kollegen auch der SPD-Fraktion, die mir Briefe geschrieben haben, die das an sich begrüßt haben. In diesen Briefen klang es anders; die könnte ich gelegentlich einmal verlesen.
({10})
- Oh ja. Sie waren nicht der einzige, Herr Struck. Ich habe noch andere Briefe. An die habe ich gedacht.
({11})
Bei Ihnen würde ich den Begriff „begrüßt" nicht verwenden. Aber andere haben es sehr begrüßt. Die einen von Ihnen haben für Trier geschrieben und die anderen für Saarbrücken. Bei meinen Parteifreunden war es genauso.
({12})
In solchen Fragen spielen regionale Gesichtspunkte eine Rolle.
({13})
Ich will nur sagen: Wir mußten es relativ schnell - zunächst einmal in der Verantwortung der Bundesregierung, vorbehaltlich der Genehmigung durch das Parlament - entscheiden. Wir müssen erste Vorkehrungen treffen; denn der Gesetzesvollzug ist jetzt dringlich. Das ist der Punkt. Das Konzept ist insoweit vernünftig.
Mit einer Grundausstattung können wir flexibel reagieren. Wir wissen nämlich nicht, wie viele von den theoretisch über 10 Millionen Antragsberechtigten davon Gebrauch machen. Wir wissen es überhaupt nicht.
Wenn Sie das kritisieren, will ich auch sagen, daß es ja die Alternative gibt, über den Jahreslohnsteuerausgleich zu gehen.
({14})
- Die gibt es nach dem Recht. Jeder kann sich entscheiden, Herr Struck, egal ob es schlimmer oder besser ist. Ich weise auf die rechtlichen Möglichkeiten hin. Der einzelne ist frei.
Mit einer Grundausstattung können wir - weil wir ohnehin an der Westgrenze durch den Abbau der Grenzkontrollen eine größere Zahl von Zollbeamten haben, die gerne in ihrem bisherigen Lebenskreis eine neue Aufgabe übernehmen - dieses Amt personalwirtschaftlich flexibel steuern, auch auf dem Weg der Abordnung.
Weil die Uhr vorangeht, will ich nur sagen: Es geht nicht um eine neue Mammutbehörde. Es geht nicht um die Aufblähung einer neuen Administration. Ich sage hier, was ich auch in meiner Fraktion und im Deutschen Bundestag für die Koalition gesagt habe: Im Ergebnis werden wir den Personalbedarf für dieses Amt - wie immer es zu definieren ist und wie groß es wird - durch Umschichtungen ausgleichen können. Das Ziel ist: keine Personalvermehrung in der Bundesfinanzverwaltung, sondern durch Umschichtung das an Verwaltungskapazität zu schaffen, was notwendig ist.
({15})
Allein mit dieser Feststellung sind viele Schlagworte, wie ich hoffe, entkräftet.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Struck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister Stoltenberg, die letzte Aussage, die Sie eben gemacht haben, können Sie nicht aufrechterhalten:
({0})
durch Umschichtung keine einzige zusätzliche Stelle in der Bundesfinanzverwaltung.
Erstens. Im Einzelplan 08, über den wir im Haushaltsausschuß diskutiert haben, den wir in der Bereinigungssitzung im November verabschieden werden, sind 120 neue Stellen von der Besoldungsgruppe A 15 abwärts für das Quellensteueramt vorgesehen. Ich bitte Sie, das hier klarzustellen. Es sind 120 neue Stellen vorgesehen.
({1})
- Ja, aber es geht darum, daß neue Stellen einzurichten sind.
Zweitens. Herr Minister Stoltenberg, Ihre Ausführungen hier sind eigentlich nur dadurch zu erklären, daß Sie im Haushaltsausschuß nicht anwesend waren, als wir über dieses Thema diskutierten - auch der Kollege Glos war nicht anwesend -; sonst wären Ihre Beiträge nicht zu erklären. Die Kritik an dem Quellensteueramt, von uns von der grundsätzlichen Position her vorgetragen, wurde am entschiedensten von den Kollegen aus der Union aufgegriffen, die teilweise gesagt haben: Das haben wir nicht gewußt, als wir die Quellensteuer verabschiedet haben.
({2})
Herr Conrad Schroeder, der nach mir irgendwann reden wird, wird das bestätigen. Die schärfste Kritik kam aus den Reihen der Fraktionen, die die Regierung stellen.
({3})
- Sie waren ja nicht dabei, Herr Glos. Schütteln Sie nicht den Kopf. Die haben gesagt: Wir haben das nicht gewußt. Wir Sozialdemokraten haben es gewußt. Wir haben natürlich immer darauf hingewiesen, welch ein Wasserkopf durch diese neue Quellensteuer entstehen wird. Jetzt zeigt sich die Wahrheit.
({4})
Es ist auch die Wahrheit - weil ich Herrn Staatssekretär Obert auf der Regierungsbank sehe, den ich sehr schätze - , daß der Haushaltsausschuß kurz davor war - und zwar in seiner Gesamtheit, Herr Stoltenberg -, das ganze Ding mit einem Federstrich zu beenden, nachdem Ministerialdirektor Uelner versuchte zu erklären, wieso das alles so kommen muß. Herr Obert hat eingegriffen und in seiner bewährten Weise verhindert, daß das Quellensteueramt gleich kaputtgemacht wurde.
Es ist schlampig gearbeitet worden, Herr Stoltenberg. Ich will das einmal an einem Beispiel zeigen. Dieses Faltblatt zur kleinen Kapitalertragsteuer kennen Sie sicher. Wir haben das im Haushaltsausschuß besprochen. Es fällt bei diesem Faltblatt verschiedenes auf.
Erstens. Der 20-DM-Schein ist hier gelb dargestellt. Meines Wissens ist er grün.
({5})
Zweitens. Der 50-DM-Schein ist hier grün dargestellt. Er ist meines Wissens braun.
({6})
Drittens. Der 100-DM-Schein ist ausnahmsweise richtig dargestellt, nämlich blau.
Viertens. Der 10-DM-Schein ist rot dargestellt, er ist tatsächlich blau.
Vielleicht können Sie auch das noch korrigieren. Es ist ja eine zweite Auflage in Arbeit, und zwar aus einem viel wichtigeren Grund. Es steht hier nämlich
- ich zitiere - wörtlich:
Nun kann es natürlich sein, daß der eine oder andere bisher versäumt hat, Zinsen bei der Einkommensteuer anzugeben.
Das ist wahr.
Für solche Fälle sieht das Gesetz vor, daß Steuerpflichtige, die in der Zeit vom 14. 10. 1987 bis 31. 12. 1990 ihre Zinseinkünfte ab 1986 ordnungsgemäß erklären oder nacherklären, insoweit weder mit Steuernachforderungen noch mit einer Bestrafung zu rechnen haben.
Objektiv falsch!
({7})
- Sicher ist das falsch. Ja, ja, das Datum 1986! Wenn dies nicht korrigiert wird, heißt das, es hat niemand mit einer Steuernachforderung und schon gar nicht mit einem Steuerstrafverfahren zu rechnen, auch nicht für die Zeit nach 1986. Völlig falsch! Wir haben es im Haushaltsausschuß angesprochen. Große Ratlosigkeit auf seiten der Bundesregierung,
({8})
der das auch erst auffiel, nachdem das zitiert worden ist. Schlampige Arbeit! Das haben Sie nicht zu verantworten, Herr Stoltenberg, aber das müssen Sie korrigieren.
({9})
Inhaltlich etwas Falsches! Hier wird den Leuten vorgegaukelt, sie brauchten für den Zeitraum ab 1986 keine Steuern nachzuzahlen - was sie aber nach dem Gesetz müssen.
Es bleibt als Fazit bei dieser ganzen Geschichte mit der Quellensteuer: Die Quellensteuer ist falsch. Darum ist das Amt falsch. Es ist mehr Bürokratie, als wir jemals haben wollten. Deshalb müßte das Ganze wieder abgeschafft werden.
({10})
Herr Dr. Fell ist der nächste Redner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Euripides stammt der Satz: „Nicht die Dinge verwirren die Menschen, sondern die Ansichten über die Dinge. "
({0})
Die Sozialdemokraten sind heute, wie schon bei der ganzen Beratung der Steuerreform, wieder munter dabei, Verwirrung zu stiften, damit nur ja keine Klarheit in der Sache entsteht.
({1})
Erstens. Frau Matthäus-Maier, Sie haben gesagt, wir wollten bei den Kleinen abkassieren und die GroDr. Fell
ßen laufenlassen. Richtig dagegen ist: Alle, die Kapitalerträge irgendwelcher Art bekommen, sind von dem 10 %igen Quellensteuerabzug betroffen, ob groß, ob klein. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied.
({2})
Insofern ist diese Ihre Aussage falsch.
({3})
Zweitens. Sie haben das schöne Wort „Quellensteueramt" geboren. Sie hätten besser gesagt ,,Erstattungsamt",
({4}) denn es geht ausschließlich darum,
({5})
daß das Verfahren für die Erstattung der Kapitalertragsteuer - soweit diese erhoben wird, läuft ihre Erstattung heute schon über das Bundesamt für Finanzen - auf die neuen Fälle ausgedehnt wird.
({6})
- Nun hören Sie genau zu. Der Stellenmehrbedarf entsteht ausschließlich deshalb, weil gerade die kleinen Leute das Geld wiederbekommen sollen, weil Erstattungsverfahren für diese Betroffenen vorgesehen werden müssen.
({7})
- Jetzt haben Sie übersehen, Herr Roth, daß bei jeder anderen Lösung zweierlei Effekte eintreten. Auf einen hat die Kollegin Frau Will-Feld hingewiesen. Wenn Sie es an die Finanzämter geben, ist der Stellenbedarf höher als das, was bei der Ausweitung des Bundesamtes für Finanzen herauskäme. Sie haben zweitens übersehen, daß Sie die Erstattung bei der kleinen Kapitalertragsteuer genauso wie bei der großen Kapitalertragsteuer auf eine Stelle konzentrieren müssen, weil Sie das sonst wegen der auch zu erfassenden Ausländer überhaupt nicht in den Griff bekommen. Sie müssen eine Lösung finden, bei der ein einheitliches Verfahren sichergestellt werden kann.
({8})
Das gilt auch dann und gerade dann, wenn ein Erstattungsverfahren über Sammelanträge der Banken oder sonstwie durchgeführt wird. Gerade dann brauchen Sie ein solches Amt.
Eine dritte Bemerkung: Jedem von uns, jedem von Ihnen - und Herr Börnsen hat das eben dankenswerterweise gesagt - war bekannt, daß jede Veränderung beim Steuererhebungsverfahren natürlich Kostensteigerungen, natürlich Personalbedarf bringen würde. Das wußte doch jeder von uns. Und weil es sich hierbei um einen Personalmehrbedarf handelt, der
darauf zielt, dem kleinen Steuerzahler zu helfen, ist Ihre Argumentation in meinen Augen unehrlich.
({9})
Ihre Argumentation ist unehrlich, weil Sie mit Ihren Kontrollmitteilungen in Wahrheit einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand auslösen würden,
({10})
wenn Sie noch einmal drankämen und es machten oder wenn wir Ihrer Überlegung gefolgt wären.
({11})
Sie weinen Krokodilstränen, Sie tun so, als ob wir etwas getan hätten, was nachteilig für die Bürger, für die Steuerzahler sei.
({12})
In Wahrheit haben Sie im Hintergrund den Moloch aufgesperrt, der über die Kontrollmitteilungen den „gläsernen Steuerzahler" erst produzieren will.
({13})
Das Wort hat noch einmal Herr Hüser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wollen Sie den Leuten überhaupt klarmachen, daß sie, wenn sie im Höchstfall ein paar hundert Mark Steuern bezahlen müssen, die Rückzahlung erst wieder beantragen müssen? Das ist doch das Groteske daran. Sie versuchen erst, irgend etwas aufzubauen, und dann stellen Sie es als gute Tat hin, daß Sie den kleinen Leuten das Geld wiedergeben. Die logische Konsequenz wäre doch, daß diesen Leuten das Geld erst überhaupt nicht abgenommen würde.
({0})
Auch ich gehe davon aus, daß der Aufwand bei Kontrollmitteilungen nicht größer wäre. Aber auch wenn der Aufwand größer wäre, wäre das Verfahren allemal gerechter, weil dann alle Zinserträge zumindest erfaßt würden, was Sie mit Ihrem Verfahren nicht erreichen. Von daher ist das Argument absolut nicht stichhaltig.
Herr Stoltenberg, Sie haben vorhin gesagt - und das bestätigt sich auch - , daß sich hier politische Meinungen diametral gegenüberstünden. Sie argumentieren immer wieder, daß Kapital wie ein scheues Reh reagiere. Das ist doch auch der Punkt: Sie wollen doch gar nicht, daß die Zinserträge voll erfaßt werden, weil Sie befürchten, daß das ganze Kapital ins Ausland fließt. Dann sagen Sie es doch den Leuten auch, und schaffen Sie die vollkommene Besteuerung der Kapitalerträge ab. Dann hätten Sie genau das, was Sie politisch wollen. Dann könnten die Leute draußen entscheiden, ob sie das wollen oder nicht, und ihr Wahlverhalten danach ausrichten.
Ein weiterer Punkt, den ich in der kurzen Zeit hier ansprechen will: Sie wissen immer noch nicht, wie Sie es mit dem Erstattungsverfahren konkret machen wollen. Die Mittel dafür im Haushalt sind noch ge6780
sperrt. Die Kaserne oder wo das hin soll, ist noch gar nicht verfügbar. Trotzdem wird den Leuten das Geld 1989 schon abgenommen werden. Hier stellt sich doch auch die Frage, wie lange diese kleinen Leute der Bundesregierung quasi einen zinslosen Kredit geben. Bis sie das Geld wieder zurückbekommen, wird sich wahrscheinlich noch hinziehen. Das paßt genau in dieses Bild.
Ein letzter Punkt: Tragisch finde ich, daß die Debatten über diese Frage im Prinzip sinnlos sind, weil dadurch, daß Sie die Einnahmen verplant haben, eine Revision überhaupt nicht mehr möglich ist, auch wenn es sich politisch als noch so wünschenswert erweisen würde. Sie brauchen diese Milliarden zwingend. Von daher ist die Diskussion darum meines Erachtens eine Farce. Das gilt für die gesamten Beratungen, weil das nach Ihrer Meinung auf jeden Fall so durchgeführt werden muß. Notwendig wäre es - und wir haben da noch etliche Reparaturmaßnahmen an dem Steuerreformgesetz vor uns -, daß dieser Bereich rausgenommen, noch einmal grundsätzlich beraten und dann wirklich intensiv auf die jetzt aufgetretenen Schwierigkeiten hin angegangen wird.
Meines Erachtens ist dies wirklich nur eine der Schwierigkeiten, die noch auftreten werden. Bei der gesamten Quellensteuerproblematik werden Sie mit Sicherheit bei der Umwandlung in die Praxis noch größere Mängellisten haben.
Das Wort hat Herr Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann da nahtlos anknüpfen und mich im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand bei der Alternative der Kontrollmitteilungen auf das beziehen, was Frau Will-Feld, der Kollege Fell und der Bundesminister der Finanzen gesagt haben. Wir meinen, daß die Kombination einer maßvollen Vorschußzahlung auf die geschuldete Steuer mit einem Angebot zum Steuerehrlichwerden - also Steuernachzahlung bis einschließlich 1986, vereinfachtes Selbsterklärungsverfahren und Öffentlichkeitsarbeit; Herr Kollege Struck, Sie haben natürlich recht, daß die dann auch richtig sein muß ({0})
auch unter Verwaltungsaufwandsgesichtspunkten der richtige Weg ist, um den Bürger an die Steuerehrlichkeit heranzuführen. Deswegen will ich noch die Gelegenheit nehmen, ein paar Punkte anzumerken, weil wir wirklich auch versuchen müssen, dem Bürger Klarheit zu verschaffen.
Ich habe in einigen Zeitungen im Zusammenhang mit dieser Außenstelle Trier gelesen, es sei so, daß nun jeder NV-Bescheinigungsinhaber - bei welchem Kapitalertrag auch immer - mit einem Erstattungsantrag zusätzlich zur NV-Bescheinigung aufmarschieren müsse. Das ist natürlich falsch. Dort, wo die Banken die Zinsschuldner und die Schuldner sind, ist gemäß unserem Gesetzentwurf von der Erhebung der kleinen Kapitalertragsteuer Abstand genommen worden.
({1})
- Es geht nur um die Wertpapiere. ({2})
- Ja, okay! Okay! Aber wenigstens muß man diese Klarstellung zunächst einmal öffentlich machen, damit nicht wiederum falsche Eindrücke in diesem Zusammenhang entstehen.
({3})
Und, Herr Kollege Struck, man hat es in der politischen Auseinandersetzung natürlich immer leicht, wenn man die Kronzeugen aus dem anderen Lager zu irgendwas zitieren kann. Tun wir ja auch! Kollege Spöri: „Wo ist das steuerpolitische Konzept der SPD? Es gibt keins! "
({4})
- Vielleicht kommt da noch eins. Das ist natürlich schön.
Und es ist, was den Wissensstand betrifft, natürlich in großen Fraktionen - das ist bei Ihnen nicht anders als im Lager der Koalitionsfraktionen - so, daß nicht jeder über jedes Detail jederzeit Bescheid weiß.
({5})
- Nein, das ist so! Moment! Ich will auf einen Punkt hinaus, ihn klar herausarbeiten: Was ist denn eigentlich in Verbindung mit dieser Außenstelle für uns und auch für die Haushälter ein bißchen überraschend? Natürlich ist jedermann klar gewesen, wie hier der Kollege Fell schon gesagt hat, daß eine solche Steuererhebungsform im Verwaltungsvollzug personellen und finanziellen Aufwand erfordert. Jedem war das klar. Das einzige, von dem wir ausgegangen sind, daß es wahrscheinlich machbar sein würde, ist, daß für das Erstattungsverfahren weitgehend derselbe Modus durch die Banken Platz greifen könne wie bei der großen Kapitalertragsteuer. Das ist der einzige Punkt, der auch unsere Haushälter animiert und der natürlich auch Einfluß darauf hat, ob da nun 120 bzw. 127 oder nur 50 bzw. 60 Stellen für dieses Amt vonnöten sind.
({6}) Das ist natürlich ein wichtiger Punkt.
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Und was der Kollege Michael Glos eben gesagt hat, ist, daß wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, daß wir in Verhandlungen mit den Banken sie auch noch dazu bringen werden - genauso wie bei der großen Kapitalertragsteuer - , hier diesen Service zu leisten. Es ist ja auch so - das ist hier eben schon gesagt worden - , daß bei der Quellensteuer par excellence Tausende und aber Tausende deutscher Unternehmer Frondienste für den Staat leisten.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schroeder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kritische Stunde im Haushaltsausschuß, von der der Kollege Struck gerade gesprochen hat, hat es natürlich gegeben, wobei diese kritische Stunde von den Mitgliedern meiner Fraktion immer konstruktiv-kritisch geführt worden ist.
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Sie hat ja auch ihr Nützliches gehabt, Herr Kollege Struck. Jetzt weiß jeder in diesem Lande auf was er bei Falschgeld in Zukunft achten muß. Diese Stunde hat aber auch Gelegenheit gegeben, allen Bürgern noch einmal klaren Wein einzuschenken. Das ist ja, glaube ich, auch etwas sehr Positives.
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Die aktuelle Debatte heute zeigt, daß die große Aufgeregtheit um die Einrichtung der Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen völlig übertrieben ist. Die Debatte hat aber auch in zwei Richtungen ihr Gutes.
Erstens: Aus der öffentlichen Diskussion wird einmal mehr deutlich, daß etwa 10 Millionen, Herr Finanzminister, oder 12 Millionen - das weiß man im Augenblick nicht ganz genau - Bürger von der kleinen Kapitalertragsteuer überhaupt nicht betroffen sind, weil sie entweder gar nicht darunterfallen - z. B. bei Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist - oder weil es sich nur um kleine Einkommen handelt, bei denen eine Nichtveranlagungsbescheinigung ausgestellt werden kann.
Zweitens: Es wird ebenfalls deutlich, daß die Bundesregierung alles daran setzt, den materiellen Anspruch der Bürger nach schneller Freistellung von der Kapitalertragsteuer, Frau Kollegin Matthäus-Maier, mit der Einrichtung einer leistungsfähigen Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen zu realisieren.
Meine Fraktion begrüßt, daß die Bundesregierung erklärt hat - gerade eben wieder - , daß sie für weitere konstruktive Vorschläge in der Richtung offen ist, wie das Verfahren der Erteilung von Nichtveranlagungsbescheinigungen durch die Wohnsitzfinanzämter und durch das Bundesamt für Finanzen noch einfacher, noch bürgernäher, noch unbürokratischer durchgeführt werden kann. Das beste Verfahren ist dabei sicherlich, wenn bei vorliegender Nichtveranlagungsbescheinigung von vornherein das betreffende Bankinstitut oder die Versicherung vom Abzug Abstand nimmt. Da gibt es gute Beispiele - die sind heute nachmittag hier erwähnt worden - bei der bisher schon bestehenden großen Kapitalertragsteuer.
Meine Fraktion begrüßt auch, daß nach Ankündigung durch das Bundesfinanzministerium die benötigten Stellen für die Außenstelle des Bundesamtes für Finanzen grundsätzlich aus dem vorhandenen Personalbestand und nicht durch Personalausweitungen gewonnen werden sollen.
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Kein neues „Superquellensteuererhebungsamt", sondern ein funktionsfähiges Erstattungsamt für den kleinen Mann und für die kleine Frau, für Arbeitnehmer und für Rentner, das ist unsere Forderung.
Herr Kollege Diller, Sie sind ja ganz blaß geworden, als im Haushaltsausschuß in die Diskussion kam, ob das Amt jetzt doch nicht nach Trier kommt. Es geht auch nicht um künstlich geschaffene Stellen für freigesetzte Zöllner, es geht um sachgerechte Erledigung gesetzlicher Aufgaben, die im Interesse der Bürger schnell und unbürokratisch zu lösen sind. Wenn es hier qualifizierte Beamte aus auslaufenden Stellen gibt, ist dies im Interesse des Steuerzahlers um so besser.
Ein Chaos bei den Finanzämtern wegen der kleinen Kapitalertragsteuer wird es nicht geben, und eine Panik bei den Sparern, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, wird es trotz des Katastrophen- und Krisengemäldes von Ihrer Seite ebenfalls nicht geben; denn trotz dieses ganzen Krisengemäldes ist das ausgeblieben, was Sie an die Wand gezeichnet haben, nämlich daß die kleinen Leute, der kleine Mann und die kleine Frau, nun im großen Umfang von Kapitalanlagen bei Banken Abstand nehmen. Wie man gerade auch aus jüngsten Statistiken ersehen kann, ist weiter ein deutlicher Zuwachs auch in solchen Kapitalanlagen zu verzeichnen. Das zeigt, daß Ihr ganzes Krisengemälde nicht zieht, und wir auf dem richtigen Weg zu mehr Steuerehrlichkeit sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Huonker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie in einer Auseinandersetzung über das Quellensteueramt als eine Auswirkung Ihres Monstrums „Quellensteuer" glauben, uns belehren zu können,
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daß man im Grundsatz sicherstellen müßte, daß dem Gesetz Rechnung getragen wird und Kapitaleinkünfte versteuert werden, dann ist das nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Um es härter zu sagen: Wenn so etwas jemand von der CDU an die Adresse der SPD sagt, dann grenzt das an Heuchelei. Wer hat damals diese Verleumdungs-, um nicht zu sagen: Hetzkampagne mit der Überschrift „Die SPD will dem Sparer an das Sparbuch", gestartet, als wir über das, worüber Sie hier soeben geredet haben, nachdachten? Das war die CDU, und sonst niemand in diesem Haus. Darauf haben wir Sie hingewiesen, und dabei bleibt es.
Zweitens. Herr Dr. Stoltenberg, was soll die Ausführung, es gäbe bei der sogenannten großen Kapitalsteuer Erstattungsverfahren? Hier reden wir über zehn Millionen Bürger, d. h., hier schlägt doch die Quantität in die Qualität um.
Ich finde es schon mehr als eine Euphemie, Frau Will-Feld, Herr Dr. Fell, wenn hier gesagt wird, das Quellensteueramt sei ein Amt für die Bürger. Wahr ist: Sie machen ein Gesetz, bei dem Sie ganz bewußt in Kauf nehmen, daß Millionen von Bürgern erst einmal Steuern abgezwackt werden, die sie gar nicht schulden. Dann wollen Sie es als Wohltat darstellen, daß
diesen Bürgern, denen eiskalt zuviel Steuern abgenommen werden, diese zurückerstattet werden.
({1})
Wenn Worte noch einen Sinn haben, dann ist das schwer zu qualifizieren, was Sie hier sagen.
Es bleibt z. B. dabei - dies können Sie nicht wegdiskutieren -, daß Hunderttausende von Witwen, von Rentnerinnen, die noch nie in ihrem Leben etwas mit dem Finanzamt zu tun hatten - den Lohnsteuerjahresausgleich hatte der verstorbene Ehemann gemacht - , in Zukunft eine Nichtveranlagungsbescheinigung beantragen müssen.
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- Ich komme darauf. - Sie müssen sich also zum erstenmal in ihrem Leben mit einer Materie befassen, mit der sie noch nie etwas zu tun hatten. Ich gehe davon aus, daß Sie bei Ihren Finanzrechnungen auch darauf spekulieren, daß ein paar Millionen beim Bundesfinanzminister in der Tasche bleiben.
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Jetzt zur SPD. Ich kann das Geschwätz nicht mehr hören
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von dem „gläsernen Bürger" . Warum haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, nie mit uns auf Grund der ausländischen Erfahrungen über ein System von Mitteilungen geredet, das z. B. über Stichprobenverfahren sicherstellt, daß der Bürger, der in dem Bereich steuerunehrlich ist, angehalten wird, seiner Steuerzahlpflicht nachzukommen, und zwar ohne einen großen Verwaltungsaufwand.
Ich liefere Ihnen die Antwort mit: Natürlich wußte das BMF, daß es Möglichkeiten gibt, z. B. das amerikanische Verfahren zu verbessern, also ohne den gläsernen Menschen, ohne mehr Bürokratie. Sie haben das deswegen nicht gemacht, weil Sie mit der Quellensteuer insbesondere den kleineren Sparern die Steuer aus der Tasche ziehen wollen und weil Sie mit der 10%igen Quellensteuer in Verbindung mit der Hineinnahme des Bankgeheimnisses in das Gesetz sicherstellen wollen, daß sich für die Inhaber großer Kapitalvermögen an der heutigen Praxis nichts wesentliches ändert.
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Das ist die Wahrheit, Herr Dr. Stoltenberg. Sonst hätten wir gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Wir haben im Finanzausschuß - Herr Gattermann, Sie wissen das - auf die Probleme hingewiesen. Da wurden die Probleme, was Personal angeht, was Verwaltungserschwernisse angeht, heruntergespielt. Mich haben Sie nicht getäuscht; das können Sie in den Protokollen nachlesen, Herr Dr. Stoltenberg. Wir haben darauf hingewiesen, wir haben das gewußt. Sie haben die Öffentlichkeit getäuscht, und Sie haben natürlich einen Teil Ihrer Koalitionskollegen getäuscht, die gutgläubig zugestimmt haben und jetzt durch das Quellensteueramt überrascht sind. Deswegen tun sich Teile der Koalition im Haushaltsausschuß so schwer.
Wir sind gespannt, was aus Ihren Gesprächen herauskommt. Da wird es ja ein paar Probleme geben. Die Banken werden das nicht zum Nulltarif machen. Wenn das stimmt, was heute in einer dpa-Meldung zu lesen ist, nämlich, daß Sie beim „Christian von der Post" mit seinen Postsparämtern Hilfe suchen, dann wünsche ich Ihnen gute Reise.
Ich sage hierzu jetzt nur eines: Der Bürger zahlt das Quellensteueramt aus seiner Tasche, er zahlt mit seinen Steuern oder Postgebühren dafür, daß er etwas zurückbekommt, was man ihm nie hätte abnehmen dürfen.
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Sie haben sich aus den Gründen, die ich genannt habe, geweigert, über eine sinnvolle, bessere Verfahrensweise auch nur zu reden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Huonker war wirklich engagiert, aber sie war nicht richtig. Lieber Herr Kollege, Ihre Rede war künstlich engagiert. Ich sage hier entgegen dem Eindruck, den die Sozialdemokraten bei uns in der Bundesrepublik seit Monaten zu erwecken versuchen, noch einmal mit allem Nachdruck: Bei dem neuen Quellenabzugsverfahren handelt es sich nicht um eine neue Steuer. Es handelt sich lediglich um ein gerechteres Verfahren der Besteuerung.
({0})
Sie versuchen immer wieder, einen anderen Eindruck hervorzurufen. Gerade die Rede von Herrn Huonker hat das ja gezeigt.
({1})
Derjenige, der bisher seine Steuer ordentlich und korrekt gezahlt hat, wird durch dieses neue Besteuerungsverfahren nicht einen Pfennig schlechter gestellt werden,
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und derjenige, der bisher seine Steuern hinterzogen hat und die Absicht hat, das auch in Zukunft zu tun, wird in Zukunft mindestens mit 10% zur Kasse gebeten werden.
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Das ist vor allem eine Bestrafung für diejenigen, die in größerer Form ihre Beträge an der Steuer vorbeigelenkt haben.
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Die von Ihnen so häufig zitierten Sparer mit kleineren Beträgen werden hingegen die Möglichkeit bekommen, über die NV-Bescheinigung alles wieder zurückzubekommen. Dem dient das heute zur Diskussion stehende erweiterte Bundesamt für Finanzen; es
soll eben dafür sorgen, daß eine entsprechende Rückzahlung auch möglich ist.
Liebe Frau Matthäus-Maier, ich hätte Ihnen als der neuen finanzpolitischen Sprecherin der SPD wirklich einen ganz großen Start gewünscht, aber nach dieser Debatte - allein schon nach dieser Themenwahl - muß ich wirklich sagen: Den Sozialdemokraten fällt über das hinaus, was sie in den vergangen Monaten schon getan haben, nichts Neues mehr ein.
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Natürlich gab es in bestimmten Teilen der Bevölkerung Unruhe, als bekannt wurde, daß die Kapitaleinkommen in Zukunft genauso konsequent besteuert werden sollen wie die Arbeitseinkommen. Es ist schon immer ein Anliegen der Sozialdemokraten gewesen, daß die Vorteile des Kapitaleinkommens gegenüber dem Arbeitseinkommen bei der Besteuerung reduziert werden. Deswegen ist es scheinheilig, daß sich die Sozialdemokraten gegen diese Maßnahmen der Bundesregierung wenden.
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Letztlich wird hier ein altes Anliegen von Ihnen erfüllt.
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Meine Damen und Herren, die CDU ist - anders als die Sozialdemokraten - schon immer für organisatorische Verwaltungslösungen eingetreten, die die staatliche Tätigkeit so weit wie möglich einengen. Das gilt auch für das Besteuerungsverfahren, über das hier heute diskutiert wird. Ein Ziel der Steuerrefom ist auch die Verwaltungsreform gewesen.
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Ich sage hier ausdrücklich: Dieses Ziel bleibt für unsere Fraktion auch in Zukunft bestehen.
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Nur darf man sich eben über eines nicht täuschen: Wenn die Finanzämter durch ein genaueres und gerechteres Besteuerungsverfahren mehrere Milliarden DM mehr einnehmen sollen, bedeutet das auch mehr Arbeit. Leider fließen die Steuereinnahmen eben nicht von allein in die Kassen, sondern müssen erhoben werden. Wir werden in den nächsten Wochen darauf hinarbeiten, daß dieses gerechte Besteuerungsverfahren organisatorisch so einfach wie möglich gestaltet wird. Das heißt für mich: Zusätzliche Mitarbeiter für die Abwicklung der Kapitalertragsteuer müssen so weit wie möglich durch Umbesetzungen in der Finanzverwaltung gewonnen werden.
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Meine Damen und Herren, bei der kleinen Kapitalertragsteuer kann im Grundsatz das gleiche Besteuerungsverfahren angewandt werden wie bei der großen Kapitalertragsteuer. Mit den Kreditinstituten muß sich deswegen eine Regelung finden lassen, daß bei den Zinserträgen von Anleihen oder Pfandbriefen ebenso wie bei den übrigen Zinserträgen eine volle Auszahlung an den Kunden erfolgt. Voraussetzung dafür ist, daß eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegt. Ich bin sicher, daß dies in der Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten auch gelingen wird. Dann wird sich zeigen, daß hinter dem gewaltigen Rauch, den die SPD heute verbreitet hat, nichts steht. Die SPD hat es bis heute nicht fertiggebracht, eine einheitliche Linie in der Finanzpolitik zu entwikkeln.
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Ihr bleibt deswegen nichts anderes als das Ausweichen in absolute Randthemen.
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Zu den wichtigeren Fragen unseres Steuersystems kann sich die SPD leider nicht äußern, weil sie keine Meinung hat.
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Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und auch am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Oktober 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.