Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 11/2960 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Der Herr Abgeordnete Dr. Sperling hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 1 und 2 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit kann ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen aufrufen. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung.
Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Funk ({0}) auf:
Sieht die Bundesregierung auf Grund der schwierigen Einkommenslage in der Landwirtschaft Möglichkeiten, den Durchschnittssatz zur Gewinnermittlung bei der Veranlagung nach § 13a EStG zu senken?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Danke schön, Herr Präsident. - Herr Kollege Funk, die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlaß zur Absenkung der Wertansätze des j 13 a des Einkommensteuergesetzes. Sowohl die mittleren Betriebsgewinne als auch die Höhe der Gewinnerfassung entsprechen weitgehend den Verhältnissen des Jahres 1980, des Zeitpunkts der letztmaligen Anpassung der Wertansätze für die Durchschnittsgewinnermittlung.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Funk.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich insbesondere die Nebenerwerbslandwirte darauf berufen, daß die Ergebnisse der Agrarberichte, die jährlich wiedergegeben werden, eine sinkende Tendenz haben? Ich möchte Sie deshalb fragen: Welche Nachweise müssen diese Landwirte führen, um belegen zu können, daß die Gewinne tatsächlich unter dem festgelegten Durchschnittsniveau liegen?
Herr Kollege Funk, die Bundesregierung richtet sich nach umfangreichem statistischen Material, das ihr vorliegt. Danach ist die Ertragslage im Wirtschaftsjahr 1986/87 bei Nebenerwerbsbetrieben im Mittel nur zu 67 bis 83 v. H. der tatsächlichen Gewinne erfaßt worden, so daß keine Notwendigkeit besteht, eine Änderung der bisher für Nebenerwerbsbetriebe geltenden Regelung vorzunehmen.
Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte schön.
Wohin kann ich einen Nebenerwerbslandwirt verweisen, um das zu ändern, wenn er den Nachweis führen kann, daß dies tatsächlich nicht so ist?
Herr Kollege, es steht natürlich jedem Nebenerwerbslandwirt frei, sich beispielsweise an das Bundesfinanzministerium zu wenden und einmal darzulegen, wie er die Situation sieht. Aber ich habe Ihnen ja eben vorgetragen, daß nach dem umfänglichen Material, das der Bundesregierung zur Verfügung steht, zur Zeit keine Notwendigkeit einer Änderung besteht. Ich glaube daher auch nicht, daß ein Nebenerwerbslandwirt in der Lage sein wird, dies irgendwie in Frage zu stellen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor. Herr Staatssekretär, wir bedanken uns bei Ihnen und wünschen einen angenehmen Arbeitstag.
Dem Haus teile ich mit, daß der Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft nicht aufgerufen zu werden braucht, da der Herr Abgeordnete Dr. Lammert die Frage 5 zurückgezogen hat.
Das gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie, weil der Herr Abgeordnete Stiegler um schriftliche Beantwortung der Frage 6 gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Gröbl zur Verfügung.
Vizepräsident Cronenberg
Ich möchte das Haus um Zustimmung dazu bitten, daß ich zunächst die Frage 13 der Abgeordneten Frau Wollny aufrufe:
Welche Veränderungen wird die angekündigte Novelle der Klärschlammverordnung insbesondere im Hinblick auf organische Schadstoffe enthalten, und wann wird die Bundesregierung einen Entwurf vorlegen?
Herr Staatssekretär, ich nehme an, daß auch Sie damit einverstanden sind. Denn die Abgeordnete Frau Adler ist noch nicht im Saal; sie konnte nicht ahnen, daß wir mit den übrigen Geschäftsbereichen so schnell fertig sein würden. - Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Gröbl, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Frau Kollegin! Die Beratungen und Abstimmungen zur Novellierung der Klärschlammverordnung sind noch im Gange. So kann die Frage nach den zu erwartenden Veränderungen im einzelnen derzeit nicht beantwortet werden. Allerdings ist schon jetzt erkennbar, daß der Entwurf eine Regelung zur Beendigung der Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen enthalten wird.
Die Bundesregierung wird den Entwurf einer Novelle zur Klärschlammverordnung in der ersten Jahreshälfte 1989 vorlegen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete, bitte sehr.
Durch eine Kleine Anfrage der GRÜNEN und durch eine Report-Sendung wurde bekannt, daß Klärschlämme eine Fülle von schwer abbaubaren organischen Schadstoffen in großen Konzentrationen enthalten, z. B. Dioxine, PCBs und andere chlororganische Verbindungen sowie jede Art von Tensiden.
Kann die Bundesregierung eigentlich ausschließen, daß die Waschhilfsstoffe wie Tenside und Percarboxylate - von ihnen sind 95 To der Gesamtproduktion, also 15 000 t, im Klärschlamm wiederzufinden - die Wasserlöslichkeit von Dioxinen, PCBs und anderen chlororganischen Verbindungen heruntersetzen, so daß es nicht zu einer Kontamination von Grundwasser kommt?
Was die Tenside betrifft, so gibt es eine Verordnung, die sicherstellt, daß diese Tenside sehr schnell abgebaut werden.
Der Sinn Ihrer Frage liegt darin - so interpretiere ich ihn - , die Problematik der Dioxinauswaschung durch die Tenside anzusprechen. Nach unserem Wissensstand ist hier die Gefahr einer Auswaschung von Dioxinen im Boden durch Tenside nicht gegeben; Dioxine ihrerseits sind öllöslich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön. - Ich wäre Ihnen dankbar, Frau Abgeordnete, wenn Sie Fragen kurz und präzise stellen würden.
Sieht die Bundesregierung aus Vorsorgegründen die Notwendigkeit, sofort, noch vor der Novelle der Klärschlammverordnung, Grenzwerte für organische Stoffe in Klärschlämmen festzusetzen bzw. die landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen generell zu verbieten, also nicht nur die Ausbringung auf Grünflächen und auf Feldfutteranbauflächen?
Das Erfordernis der Vorsorge gebietet, daß die Klärschlammausbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen kurzfristig eingestellt wird.
Die Untersuchungen, die uns vorliegen, sagen aus, daß Pflanzen - etwa Getreide oder Kartoffeln - möglicherweise im Boden vorhandene Dioxine nicht aufnehmen, so daß die Dioxine nicht in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen können.
Die Gefährdung ist durch die Anhaftung solcher Stoffe auf Gras, auf Heu, auf Silage oder auf Futtermitteln gegeben, und es besteht die Gefahr, daß über diesen Pfad - Futtermittel, Tier, Mensch - Dioxine wieder in den Kreislauf gelangen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Hensel.
: Wenn es die Bundesregierung bis zum Erlaß einer Novelle der Klärschlammverordnung und eventuell auch noch darüber hinaus zulassen will, daß Klärschlämme mit Dioxingehalten in der Größenordnung derjenigen von Filterstäuben aus Müllverbrennungsanlagen auf Ackerböden gebracht werden, wie will sie dann sicherstellen, daß keine Umwidmung von Ackerflächen in Grünland oder Feldfutteranbauflächen stattfindet, was aus den eigenen Empfehlungen heraus kontraproduktiv wäre?
Die jüngste Untersuchung von Professor Hagenmaier hat ergeben, daß die Dioxinkonzentration auch in Böden, die über mehrere Jahre mit stärker belasteten Klärschlämmen belastet wurden, im Boden einen Wert von etwa 0,2 bis 0,3 Nanogramm pro Kilogramm Trockensubstanz Boden erreicht. Deshalb sieht die Bundesregierung kein Erfordernis, eine Umwidmung von Ackerflächen in Grünland aus diesem Grund zu untersagen. Etwas anderes ist es, daß es aus naturschützerischen oder ökologischen Gründen nicht im Interesse der Bundesregierung liegt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lippelt.
Herr Staatssekretär, wenn nun landwirtschaftliche Klärschlammnutzung nicht verboten wird, für welche Schadstoffe wird dann die Bundesregierung in der Novelle der Klärschlammverordnung Grenzwerte setzen und regelmäßige Kontrollen vorschreiben?
Herr Kollege, zunächst werden die Grenzwerte, die schon in der jetzigen Klärschlammverordnung enthalten sind, überprüft und auf den Stand gebracht, den uns die Wissenschaft empfiehlt. Das gilt für die Klärschlämme selbst und für die Messungen im Boden.
Ich glaube, Sie wollten noch wissen, wie es mit den organischen Bestandteilen aussieht. Bei den organischen Stoffen sehen wir derzeit das Problem, daß die
Prüfung sowohl im Klärschlamm als auch im Boden so aufwendig und kostspielig ist, daß dieses Verfahren derzeit nicht praktikabel erscheint. Das kann sich aber ändern. Deshalb haben wir zu der Vorsorgemaßnahme gegriffen, die Länder zu bitten, die Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen möglichst bald einzustellen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Garbe.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht darüber informiert, daß das Bundesgesundheitsamt den kurzfristigen Ausstieg aus der Klärschlammnutzung in der Landwirtschaft und nicht nur für Grünland und Feldfutteranbaufläche empfohlen hat und sich auch das Umweltbundesamt dahingehend ausgesprochen hat?
Das Bundesgesundheitsamt in Berlin hat dem Bundesumweltminister die Maßnahme empfohlen, die er vor kurzem in der Pressekonferenz bekanntgegeben hat.
Es liegen keine weiteren Wünsche nach Zusatzfragen vor.
Ich rufe die Frage 14 der Abgeordneten Frau Wollny auf :
Wie stellt sich die Bundesregierung die kurzfristige Entsorgung der kommunalen Klärschlämme vor, die künftig nicht mehr in der Landwirtschaft genutzt werden können, und inwieweit müssen solche Schlämme, deren Dioxingehalt so hoch ist wie der von Filterstäuben aus der Müllverbrennung, als Sonderabfall betrachtet werden?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Frau Kollegin, derzeit werden etwa 5 To der kommunalen Klärschlämme - das sind rund 2,5 Millionen Kubikmeter oder umgerechnet 115 000 Tonnen Trockenmasse - auf Grünland und Feldfutteranbauflächen aufgebracht.
Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen läßt sich ein unmittelbarer Handlungsbedarf nicht ableiten. Trotzdem hat der Bundesumweltminister aus Vorsorgegründen - ich habe es schon erwähnt - den Bundesländern gegenüber eine Empfehlung zur teilweisen Einstellung der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung ausgesprochen. Der Bundesumweltminister erwartet, daß die Klärschlammaufbringung auf Grünland und Feldfutteranbauflächen kurzfristig geändert wird. Als Alternativen zur landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung kommen die Verbrennung und die Deponierung in Betracht.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen liegen die Dioxingehalte von Klärschlämmen insgesamt niedriger als bei Filterstäuben aus Müllverbrennungsanlagen. Darauf weist auch Professor Hagen-maier hin. Klärschlämme sind von daher nicht als Sonderabfall zu betrachten.
Allerdings werden weitere Untersuchungen für erforderlich gehalten, um die Aussagefähigkeit der vorliegenden Daten bundesweit abzusichern. Werden die vorliegenden Analysedaten in Toxizitätsäquivalente umgerechnet, so liegt der Mittelwert aller Meßwerte aus 28 Kläranlagen bei ca. 0,3 Nanogramm Toxizitätsäquivalenten pro Gramm. Demgegenüber bewegen sich die Dioxingehalte einiger Filterstäube zwischen 0,7 und 8,2 Nanogramm Toxizitätsäquivalenten pro Gramm.
Eine Zusatzfrage von Frau Wollny.
Meine erste Frage hat sich eigentlich erübrigt, da Sie bereits festgestellt haben, daß es sich nicht um Sondermüll handelt. Dem würde ich allerdings widersprechen.
Welche Konzepte hat das Umweltministerium angesichts der Tatsache entwickelt, daß das Klärschlammaufkommen durch die Maßnahmen der Nährstoffentfernung aus Abwässern noch um 30 ansteigen wird, oder läuft hier eine Umverteilungsaktion nach dem Motto „Raus aus dem Wasser und rauf auf die Felder" ?
Ist das die Frage gewesen?
Herr Staatssekretär, das Fragezeichen setzen wir gedanklich dahinter. Dann können Sie antworten.
Frau Kollegin, wie Sie wissen, sind für die Klärschlammverbrennung und -beseitigung zunächst die Kommunen bzw. die Klärwerke und darüber hinaus die Bundesländer zuständig. Die Bundesregierung wird sich selbstverständlich im Rahmen der ständigen Konsultation mit den Bundesländern auch über diese Frage unterhalten.
Sie haben allerdings recht: Das Klärschlammaufkommen wird auch durch diese Maßnahmen steigen. Auf die Bundesländer und auf die Kommunen kommt hier eine erhebliche zusätzliche Aufgabe zu.
Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht, Frau Wollny? - Das ist nicht der Fall. Dann hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, das ist nicht nur eine zusätzliche Aufgabe für die Kommunen, sondern das sind sicherlich auch zusätzliche Kosten. Können Sie sagen, wie hoch diese neuen Kosten für die Kommunen insgesamt sein werden? Können Sie sich vorstellen, daß die Bundesregierung einen Beitrag dazu leistet, gemeinsam mit den Kommunen den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, daß auch hier der Umweltschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist?
In der Tat ist dies ein treffliches Beispiel für die These: Umweltschutz ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Die Frage nach den Kosten, die durch diese Empfehlung der Bundesregierung auf Kommunen und gegebenenfalls auf Länder zusätzlich zukommen, kann ich heute nicht beantworten, weil dies sehr deutlich davon abhängt, welches Verfahren das jeweilige Klärwerk anwendet bzw. welches Verfahren im jeweiligen Bundesland gewählt wird.
Gelingt es, einen großen Teil des betreffenden Klärschlamms - ich habe von 115 000 Tonnen pro Jahr
gesprochen - auf Ackerbauflächen umzulenken, werden sich die Kosten sicherlich in engen Grenzen halten. Gelingt dies nicht, muß dafür Deponieraum oder müssen Verbrennungsanlagen in Anspruch genommen werden, so werden sich die Kosten natürlich in einer ganz anderen Größenordnung darstellen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hensel.
Herr Staatssekretär, Umweltminister Töpfer ist in Sachen Klärschlamm erst nach einer Kleinen Anfrage der GRÜNEN und nachdem ihm die „Report"-Redaktion unbequeme Fragen gestellt hatte, tätig geworden. War Umweltminister Töpfer nicht darüber informiert, daß die ersten Untersuchungsergebnisse bereits vor vielen Monaten zeigten, daß Klärschlämme zum Teil derart stark mit Dioxinen belastet sind, daß sie nach der Gefahrstoffverordnung nicht in den Verkehr gebracht werden dürften, oder aus welchem anderen Grund hielt er diese Maßnahme für aufschiebbar?
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Frage einer möglichen routinemäßigen Schadstoffkontrolle zu sehen.
Zu der Frage, ob Klärschlämme nach der Gefahrstoffverordnung hätten behandelt werden müssen oder ob die Grenzwerte in den Klärschlämmen überschritten worden sind, verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung auf Ihre schriftliche Kleine Anfrage. Darin ist das alles enthalten.
Zum zweiten darf ich Sie darauf verweisen, daß das Bundesumweltministerium im Rahmen der Vorsorgepolitik schon vor Jahren einen Auftrag an Herrn Professor Dr. Hanspaul Hagenmaier erteilt hat, um eben die Informationen zu erhalten, auf denen sowohl die „Report"-Sendung als auch wohl Ihre Kleine Anfrage aufbauen.
Sie sehen, dieser Bundesumweltminister und das Bundesumweltministerium lassen sich von niemandem in der Vorsorgepolitik übertreffen.
({0})
Die nächste Zusatzfrage möchte die Abgeordnete Frau Garbe stellen.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin eine diesbezügliche Pressemitteilung angesprochen, nach der Sie die Empfehlungen des BGA und des UBA befolgt haben. Meine Frage ist nun: Sind Sie bereit, die Stellungnahmen des Bundesumweltamtes und des Bundesgesundheitsamtes hier offenzulegen, damit sich jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter selbst ein Bild machen kann?
Ich habe diese Stellungnahmen jetzt nicht im Zitat dabei. Inhaltlich verweise ich auf das, was ich in meiner vorherigen Antwort schon gesagt habe.
Können Sie uns die zuleiten?
Sicherlich, kein Problem. Wir können uns auch im Ausschuß darüber unterhalten.
({0})
- Gerne.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Lippelt.
Herr Staatssekretär, angesichts der Kosten, die da auf Kommunen zukommen, und angesichts des Umstands, daß die Schadstoffbelastung der Klärschlämme ja nur ein Abbild der Schadstoffbelastung der Abwässer ist, sind
Sie doch gewiß mit mir auch der Meinung, daß es das Billigste ist, möglichst saubere Abwässer zu haben. Jetzt die Frage: Meinen nicht auch Sie, daß längst Zeit gegeben ist, die Anwendung gefährlicher Chemikalien im Haushalts- und Hobbybereich durch Verwendungsverbote nach § 17 des Chemikaliengesetzes und beispielsweise die Anwendung dioxinrelevanter Produktionslinien, z. B. in der Chlorbleiche, zu verbieten, zumal auch da Alternativen längst vorhanden sind?
Herr Kollege, Ihre Feststellung ist richtig. Klärschlamm ist das Spiegelbild der Belastung des Abwassers. Wir teilen Ihre Auffassung, daß es unser Bemühen sein muß, die Einleitung ins Wasser möglichst gering zu halten; das ist auch die Aussage des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes. Auch die Zielsetzung des Waschmittelgesetzes geht eindeutig in diese Richtung.
Zum letzten Teil Ihrer Frage darf ich auf das Bemühen der Bundesregierung aufmerksam machen, z. B. das von Ihnen erwähnte PCB zu verbieten. Sie wissen, daß wir einen entsprechenden Verordnungsentwurf zur Zeit im Verfahren haben, und Sie wissen auch, daß wir Probleme haben, bei der EG eine Anerkennung des Verordnungsentwurfs zu erhalten. Das Bemühen geht auf das gleiche Ziel hinaus, wie es von Ihnen angesprochen worden ist.
Danke schön. Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Ich möchte das Haus darüber informieren, daß Frage 7 der Abgeordneten Frau Blunck zurückgezogen worden ist und daß Frage 8 der Abgeordneten Frau Blunck auf deren Wunsch schriftlich beantwortet wird. Die Fragen 11 und 12 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein werden auf deren Wunsch ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen nunmehr zu den zurückgestellten Fragen 9 und 10 der Abgeordneten Frau Adler. Herr Staatssekretär, ich rufe Frage 9 der Abgeordneten Frau Adler auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit der Einführung der Verbandsklage für anerkannte Naturschutzverbände, um u. a. rechtswidrige Natur- und Artenschutzverordnungen möglichst frühzeitig korrigieren zu können, und wird sie auch deshalb die Einführung der Verbandsklage im Rahmen der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes regeln?
Herr Präsident, Frau Kollegin, eine Referentenentwurf für ein Zweites GeParl. Staatssekretär Gröbl
setz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wird in Kürze fertiggestellt, er ist noch nicht fertig. Er sieht u. a. die Erweiterung der Mitwirkungsrechte für anerkannte Naturschutzvereine und Naturschutzverbände vor, damit der Sachverstand dieser Organisationen verstärkt in Verwaltungs- und Rechtssetzungsverfahren, die den Naturschutz betreffen oder sich darauf auswirken, eingebracht werden kann. Dies erscheint zur Wahrung der Naturschutzbelange und zur Verminderung des Vollzugsdefizits sinnvoller als die bundesweite Einführung prozessualer Rechtsbehelfe für Verbände. Den Ländern steht es aber frei, für ihren Bereich die Verbandsklage zuzulassen. Von dieser Möglichkeit haben einige Länder auch Gebrauch gemacht; ich nenne hier die Stadtstaaten sowie Hessen und das Saarland.
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete Adler.
Herr Staatssekretär, könnten Sie etwas genauer sagen, was Sie unter „Mitwirkungsrechte ausweiten" verstehen?
Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich im einzelnen noch nicht aus dem Entwurf zitiere. Wir verstehen unter dieser erweiterten Mitwirkung eine Beteiligung bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen, im Range unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften.
Wir sind der Meinung, daß Programme und Pläne, die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes erlassen werden, auch mit den Verbänden vorher zu besprechen sind. Wir sind auch der Meinung, daß bei der Vorbereitung von Plänen im Sinne des § 5 des Raumordnungsgesetzes sowie bei Raumordnungsverfahren eine solche Beteiligung wünschenswert ist.
Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Einzelvorhaben, die wir gerne aufführen wollen. Zum Beispiel bei der Einführung eines neuen Nationalparkes oder bei der Linienführung von Wasserstraßen und dergleichen mehr sind wir der Meinung, daß eine solche Mitwirkung sinnvoll, ja, erforderlich ist.
Ich bitte, dies jetzt nicht als abschließende Aufzählung zu betrachten, sondern als eine Aufzählung von Beispielen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den Fachausschuß in absehbarer Zeit noch einmal im einzelnen darüber zu unterrichten, welche - wie wir finden: positiven - Erfahrungen mit der Verbandsklage in den von Ihnen genannten Bundesländern, aber auch z. B. in der Schweiz, in einem ganz ähnlichen Rechtssystem, gemacht worden sind?
Dazu sind wir gerne bereit, Herr Kollege. Ich würde sogar empfehlen, daß wir dafür den zuständigen Kollegen z. B. aus Hessen oder aus einem anderen Bundesland heranziehen, daß wir ihn bitten, uns zu berichten.
({0})
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Hensel.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung bisher noch keine Verordnung zur Kennzeichnungspflicht für Waren, die von unter Artenschutz stehenden Tieren stammen, erlassen, um Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, obwohl dies laut Bundesartenschutzverordnung möglich ist und ist solch eine Verordnung geplant?
Gnädige Frau, hier sehe ich überhaupt keinen Zusammenhang zu der Frage nach der Beteiligung von Verbänden. Sie haben wahrscheinlich den Zettel erwischt, der zu der Frage gehört, die schriftlich beantwortet werden soll.
Herr Staatssekretär, dieser Bewertung ist voll zuzustimmen.
Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Adler auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, durch Neustrukturierung der Regelungen des Artenschutzes über Positivlisten die Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, und wird sie in Vorbereitung auf den freien Binnenmarkt 1992 eine für die EG vorbildliche Artenschutz-VO auf der Basis von Positivlisten vorlegen?
Frau Kollegin, die Einführung von Positivlisten, d. h. einer namentlichen Aufführung von Tier- und Pflanzenarten, die für den nationalen und internationalen Handel frei gegeben sind, widerspricht dem System des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und den EG-Verordnungen zu diesem Übereinkommen, die beide mit den sogenannten Negativlisten ausgestattet sind. Positivlisten lassen sich auch nicht mit dem der Bundesartenschutzverordnung zu Grunde liegenden Bundesnaturschutzgesetz vereinbaren.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, der sogenannte Artenschutznovelle, im Jahre 1986 gegen das System von Positivlisten entschieden. Die Vorschrift des § 20e des Bundesnaturschutzgesetzes läßt den besonderen Schutz für Tier- und Pflanzenarten nur zu, wenn deren Gefährdung durch den menschlichen Zugriff nachgewiesen ist.
Zusatzfrage, bitte sehr, Frau Abgeordnete Adler.
Herr Staatssekretär, könnten Sie jetzt aber doch etwas genauer sagen, wie Sie dieses Defizit, das ja augenfällig besteht, abbauen wollen, wenn Sie die Positivlisten ablehnen?
Das Defizit im Vollzug, das zweifellos vorhanden ist, besteht nach unserer Auffassung darin, daß im Vollzug der letzten Bundesartenschutzverordnung zuviel an bürokratischem Aufwand verlangt worden ist. Wir wollen bei der Novellierung dieser Bundesartenschutzverordnung eine Vereinfachung vornehmen und unnötigen bürokratischen Aufwand weglassen.
Frau Abgeordnete Wollny zu einer Zusatzfrage.
Jetzt stelle ich die verfrühte Frage noch einmal.
Herr Staatssekretär, wenn Sie sie noch im Kopf haben, können wir ja darauf verzichten, und Sie können die Antwort dann gleich geben. Denn es war ja offensichtlich ein Regiefehler, der da passiert ist.
Mir wäre es jetzt doch lieber, wenn Sie die Frage noch einmal stellen würden; denn dann kann ich direkt darauf eingehen.
Bitte sehr.
Warum hat die Bundesregierung bisher noch keine Verordnung zur Kennzeichnungspflicht von Artenschutzwaren erlassen, um Vollzugsdefizite im Artenschutz abzubauen, obwohl es laut Bundesartenschutzverordnung - § 9 Abs. 2 Satz 1 - möglich ist, und ist so eine Verordnung geplant?
Erste Feststellung: In der Tat ist dies ein Defizit, das aufgearbeitet werden muß. Es ist uns, dem Bundesumweltministerium, bisher nicht möglich gewesen, dieses Defizit zu beheben. Wir wissen, daß dies geschehen muß, und werden uns auch bemühen, dies nachzuholen. Nur bitte ich, auch dies im Zusammenhang damit zu sehen - wir haben es ja in den Haushaltsberatungen mit eingebracht -, daß das Bundesumweltministerium, was die Nutzung seiner personellen Kapazitäten angeht, in einem Maße gefordert ist, wie das auf längere Zeit nicht mehr tragbar ist. Deshalb bin ich Ihrer Unterstützung gewiß, wenn wir uns um eine Anhebung der Stellen gerade für den Naturschutzbereich bemühen.
Danke schön. - Wir kommen jetzt auf den Komplex Klärschlamm zurück, und zwar durch die Beantwortung der Fragen 15 und 16 von Frau Garbe. Das Auseinanderreißen dieses Komplexes ist darauf zurückzuführen, daß ich die Fragen von Frau Adler zurückgestellt hatte. Ich bitte um Verständnis.
Herr Staatssekretär, die Frage 15 der Abgeordneten Frau Garbe ist jetzt zu beantworten:
Aus welchem Grunde hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Töpfer, den Ländern empfohlen, die Ausbringung von Klärschlämmen auf Grünland und Futterfeldanbauflächen zu untersagen, und warum wurde kein generelles Verbot der landwirtschaftlichen Ausbringung erlassen?
Bei den auf Veranlassung der Bundesregierung durchgeführten Untersuchungen über organische Schadstoffe in Klärschlämmen haben sich vor allem Dioxine Furane ({0}) und polychlorierte Biphenyle ({1}) als relevant erwiesen. Es ist nicht auszuschließen, daß mit Klärschlamm beaufschlagte - also behaftete - Pflanzen und Bodenteile durch Nutztiere aufgenommen werden und somit ein Übergang von PCB- bzw. PCDD und PCDF-Spuren in die Nahrungskette Tier - Mensch erfolgt. Daher hat Bundesumweltminister Professor Dr. Töpfer den Ländern unter Vorsorgegesichtspunkten empfohlen, im Vorgriff auf die Novelle
zur Klärschlammverordnung das Aufbringen von Klärschlämmen auf Grünland und Feldfutteranbauflächen zu untersagen. Die Länder können bereits heute nach § 15 Abs. 5 des Abfallgesetzes im jeweiligen Einzelfall das Aufbringen von Klärschlämmen verbieten oder beschränken, soweit eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu besorgen ist.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ist eine Aufnahme organischer Schadstoffe durch Pflanzen selbst in der Regel nicht erfolgt. Daher erscheint ein Verbot auch für die Klärschlammausbringung auf Ackerflächen nicht gerechtfertigt.
Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, haben Umweltbundesamt und Gesundheitsamt die weitere landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen nicht mit der Forderung nach einer routinemäßigen Kontrolle auch organischer Stoffe, insbesondere der Dioxine und PCBs, verknüpft, um zumindest sicherzustellen, daß nur unbelasteter Klärschlamm ausgebracht wird?
Ich habe das bei der Beantwortung früherer Fragen schon dargelegt. Das Bundesgesundheitsamt hat die Empfehlung gegeben, die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen langfristig einzustellen.
Eine Überprüfung von Dioxin-Werten oder PCB-Werten, die sicherlich sinnvoll sein könnte, ist von den Kommunen und auch von den Ländern derzeit nicht zu verlangen, weil das Prüfverfahren zur Zeit noch zu aufwendig und zu teuer ist.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön, Frau Garbe.
Auf die Sache komme ich nachher noch einmal mit einer zweiten Frage zurück. Ich habe jetzt noch einen anderen Punkt, der auch große Probleme aufwirft. Sieht die Bundesregierung Probleme darin, daß mit organischen Schadstoffen und mit Schwermetallen stark belastete Klärschlämme sogar als Wirtschaftsgut deklariert werden können, wie dies z. B. in Vahlbruch, Landkreis Holz-minden, von seiten der Bezirksregierung in Hannover im Einzugsbereich der Bad Pyrmonter Heilwasserquellen geschehen ist? Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um dieses Schlupfloch des Abfallgesetzes zu stopfen?
Frau Kollegin, Sie werden mir nachsehen, daß mein Informationsstand diese Verfügung einer Bezirksregierung nicht beinhaltet. Ich bitte um Nachsicht. Sollten Sie tatsächlich an einer Beantwortung dieser Frage interessiert sein, bitte ich Sie, sie mir schriftlich zu geben.
Frau Hensel, nun kommt Ihre Zusatzfrage.
Ich hoffe, ich bin jetzt richtig im Text. Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Stellungnahmen des Umweltbundesamtes und des BunFrau Hensel
desgesundheitsamtes offenzulegen, damit sich jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete selbst ein Urteil über diese Situation bilden kann, in welcher Form auch immer?
Frau Kollegin, ich meine, eine ähnlich formulierte Frage hatte schon vorher eine Kollegin von Ihnen verlesen.
({0})
- Immer erwischt es Sie.
Und beantwortet wurde die Frage auch schon. Da hat die Regie wiederum nicht geklappt, Frau Abgeordnete.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 16 der Abgeordneten Frau Garbe:
Wenn die Bundesregierung die landwirtschaftliche Klärschlammverbringung schon nicht generell ausschließen will, zieht sie dann zumindest die Konsequenz, Klärschlämme ab sofort routinemäßig insbesondere auf Dioxine und PCB untersuchen zu lassen, um sicherzustellen, daß nur unbelastete Schlämme ausgebracht werden?
Frau Kollegin, die Bewertung der bisherigen Untersuchungsergebnisse ist noch nicht abgeschlossen. Die ursprüngliche Vorstellung, auch für Dioxine und PCBs Grenzwerte im Klärschlamm festzulegen, ist zunächst aufgegeben worden, weil der dann erforderliche Untersuchungsaufwand derzeit kaum tragbar erscheint. Statt dessen soll das Aufbringungsverbot für Grünland und Feldfutteranbauflächen die Möglichkeit des Übergangs derartiger Schadstoffe in die Nahrungskette verhindern.
Zusatzfrage.
Liegen der Bundesregierung neuere Ergebnisse vor, die es erlauben würden, den Kreis der in Frage kommenden, durch Dioxin belasteten Klärschlämme einzuengen, wobei ich, jetzt nicht an PCP denke, worüber man auch noch sprechen könnte?
Zu PCP habe ich mich ja geäußert. Dieser Fall ist völlig klar.
({0})
Auch bei der Verbrennung von - jetzt bräuchte ich einen Chemiker zur Hilfestellung - polychlorierten Biphenylen entstehen nach unseren Informationen Dioxine. Das ist der zweite Eintragungspfad, neben der Verwendung von PCPs.
Dann habe ich nur noch einmal eine Frage zu vorhin. Sie meinen, die regelmäßige Kontrolle des Klärschlamms kann deshalb nicht durchgeführt werden, weil die Analysekosten zu hoch seien?
Ja - und auch deshalb, weil das Analyseverfahren sehr langwierig ist.
({0})
- Vorhanden, ja, sonst hätte ja Professor Dr. Hagenmaier seine Analysen nicht machen können.
({1})
Sie wissen auch, wie aufwendig diese Untersuchung war.
Weitere Zusatzfragen haben Sie nicht.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Schreiner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der französischen Staatsregierung auf eine Stillegung der nunmehr illegal betriebenen Blöcke 1 und 2 des Atomkraftwerkskomplexes Cattenom hinzuwirken, nachdem der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Genehmigung zur Ableitung radioaktiver Stoffe aus den Atomkraftwerken Cattenom für rechtswidrig erklärt hat?
Herr Präsident, Herr Kollege, der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22. September 1988 zur Auslegung von Art. 37 des Euratom-Vertrages festgestellt, daß die allgemeinen Angaben über geplante radioaktive Ableitungen an die EG-Kommission zu übermitteln sind, bevor diese Ableitungen von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates genehmigt worden sind.
Zur Rechtmäßigkeit der Ableitungsgenehmigung hat sich der EuGH nicht geäußert. Ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen dieses EuGH-Urteil auf den Betrieb der Blöcke 1 und 2 hat und ob insbesondere die Ableitungsgenehmigung wegen Verstoßes gegen EG-Recht rechtswidrig wäre, ist von der französischen Gerichtsbarkeit im Rahmen des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens zu beurteilen, das beim Verwaltungsgericht Straßburg anhängig ist.
Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, zur Frage des Bestands der Ableitungsgenehmigung und des weiteren Betriebs der Blöcke 1 und 2 im Hinblick auf die Verfahrensfrage der Beteiligung der EG-Kommission Stellung zu nehmen oder bei der französischen Regierung auf eine Stillegung hinzuwirken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner, bitte.
Herr Staatssekretär, erwägt denn die Bundesregierung zumindest, wie dies die luxemburgische Regierung bereits erklärt hat, die französische Staatsregierung aufzufordern, das gesamte Genehmigungsverfahren, das offenkundig unter schweren Mängeln gelitten hat, zu wiederholen, und erwägt die Bundesregierung, ähnlich wie die Staatsregierungen von Portugal und Irland, die sich ja in „besonderer" Nähe zu Cattenom befinden, der Klage nunmehr beizutreten?
Nein, wir erwägen weder der Klage beizutreten noch der französischen Regierung Verfahrensvorschläge zu machen oder Ratschläge zu erteilen, wie sie diesen möglicherweise festzustellenden Mangel beheben solle.
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, wenn es richtig ist, daß der zentrale Widerspruch in dieser Frage
darin besteht, daß auf der einen Seite eine Regierung national das Genehmigungsverfahren organisiert, auf der anderen Seite aber ein solcher Atomkomplex wie Cattenom auch unmittelbar über die Risiken entscheidet, die der ausländischen Grenzbevölkerung zugemutet werden, frage ich Sie, ob dieser Widerspruch von seiten der Bundesregierung dahingehend aufgelöst werden könnte, daß sich die Bundesregierung entschließt, im Bereich der Genehmigungsverfahren zu einem echten Nachbarschaftsrecht zu kommen, das zumindest verhindert, daß ein Land einseitig wesentlich über die Frage entscheidet, welche Risiken in welchem Ausmaß der mitbetroffenen ausländischen Bevölkerung zugemutet werden können?
Der Irrtum in Ihrer Frage liegt meines Erachtens darin, daß sich der Europäische Gerichtshof ausschließlich zum Verfahren, nicht aber zur Sache selber oder gar zu einer Gefährdung geäußert hat. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Kommission, verspätet zwar, von der französischen Regierung gefragt wurde und, verspätet zwar, geantwortet hat, daß aber die Stellungnahme der Kommission zu der französischen Anfrage positiv war. Deshalb läßt dieses EuGH-Urteil keinen Rückschluß auf eine Klärung der Sachfragen zu.
({0})
Ja, das habe auch ich mir gerade überlegt. Aber ich habe nicht die Möglichkeit, Ihnen noch eine Zusatzfrage zu gewähren. Ihre Geschicklichkeit in der Formulierung wird es Ihnen aber ermöglichen, das gleich zu machen.
Frau Abgeordnete Wollny!
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung ist in einer Anfrage vor Erteilung der Genehmigungen gefragt worden, ob sie mit der Unterrichtung durch die französische Regierung zufrieden sei, und auf die mangelhafte Unterrichtung hingewiesen worden. Die Bundesregierung hat damals geantwortet, sie fühle sich ausreichend unterrichtet. Es gebe kein Unterrichtungsdefizit. Meine Frage: Hatte die Bundesregierung mehr Kenntnisse als die Europäische Kommission, oder hat sie sich mit geringeren Kenntnissen zufriedengegeben?
Nein. Die Bundesregierung fühlt sich nach wie vor in ausreichender Weise unterrichtet. Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Frau Kollegin, hat sich darauf bezogen, daß eine Anfrage der französischen Regierung an die Kommission nicht, wie in Art. 37 des Euratom-Vertrages vorgeschrieben, ein halbes Jahr vor Genehmigung dieser Ableitung gestellt worden ist, sondern daß diese Frist versäumt wurde. Das ist die Kernaussage dieses EuGH-Urteils.
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Wir haben nicht die Möglichkeit, Frau Abgeordnete Wollny, hier einen längeren Dialog zu eröffnen.
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Ich könnte mir vorstellen, daß Ihr Fraktionskollege Dr. Knabe auf diese Frage eingeht.
Herr Staatssekretär, ich will eine andere Frage stellen: Ist die Bundesregierung bereit, Initiativen zu ergreifen, um international und nicht nur bilateral ein verstärktes Mitwirkungsrecht von betroffenen Nationen bei Anlagen zu ermöglichen, die ihre Gesundheit potentiell gefährden, d. h. darauf hinzuwirken, daß international die Möglichkeit eines Einspruchs bei Anlagen, die durch grenzüberschreitende Emissionen eine Gefährdung verursachen können, festgeschrieben wird?
Die Bundesregierung hat in einer Presseerklärung - von Bundesminister Töpfer herausgegeben - dieses Urteil des EuGH unter dem Aspekt, den Sie aufgreifen, ausdrücklich begrüßt. Wir sehen nämlich in diesem Urteil eine Klarstellung nicht nur der Pflichten des Betreiberlandes, sondern auch der Verpflichtung der EG-Kommission, sich rechtzeitig einzuschalten, d. h. auch die Kommission nach § 37 rechtzeitig zu unterrichten. In dieser Kommission nach § 37 sind Vertreter sämtlicher Mitgliedsländer. Aus der Bundesrepublik sind zwei Vertreter in dieser Kommission, einer vom TÜV und einer aus unserem Haus. Somit erhalten die Mitgliedsländer schon über diese Schiene Kenntnis von einem solchen Verfahren.
Wir haben deshalb dieses klarstellende Urteil des EuGH begrüßt und sehen darin einen guten Schritt auf dem Weg, den Sie skizziert haben.
Ich rufe nunmehr Frage 18 des Abgeordneten Schreiner auf:
Ist die Bundesregierung angesichts jetzt schon vorhandener Stromüberversorgungskapazitäten bereit, auf die französische Staatsregierung mit dem Ziel einzuwirken, auf den Weiterbau der Blöcke 3 und 4 des Atomkraftwerkskomplexes Cattenom zu verzichten?
Herr Kollege, ich muß mit dem ersten Wort beginnen: nein. Die Beurteilung der Aspekte der Energieversorgung im Zusammenhang mit der Errichtung der Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerkes Cattenom ist ausschließlich Sache der zuständigen französischen Stellen, in die wir uns gar nicht einmischen können und auch nicht einmischen wollen.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, sehen Sie denn Zusammenhänge zwischen der Tatsache, daß vor wenigen Tagen Gespräche im deutschen Bundeswirtschaftsministerium mit den bundesdeutschen Elektrizitätsversorgungsunternehmen insbesondere an der Haltung der Badenwerk AG in Baden-WürtSchreiner
temberg geplatzt sind, weil sich das Badenwerk unter Hinweis auf die eigene Situation geweigert hat, einen konstruktiven Beitrag zur Stabilisierung des Jahrhundertvertrages zu leisten, und der Tatsache, daß das Badenwerk - wie Ihnen auch bekannt ist - seit geraumer Zeit an den Blöcken 1 und 2 in Cattenom mit jeweils 5 % Beteiligungsrechten beteiligt ist?
Einen solchen Zusammenhang kann ich nicht feststellen.
Im übrigen, Herr Präsident, hat diese Frage meiner Einschätzung nach mit der ursprünglichen Frage wenig zu tun.
Auch wenn ich Ihnen eben zustimmen konnte, möchte ich das jetzt nicht so uneingeschränkt bejahen. Aber Ihr Recht, das so zu sehen, will ich Ihnen nicht bestreiten.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Ich kann durchaus verstehen, Herr Präsident, daß die Bundesregierung keine Zusammenhänge sieht; denn der politische Horizont der Regierung ist bekanntermaßen sehr eng.
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Aber ich wollte zur zweiten Zusatzfrage kommen. Da Sie eben gesagt haben, Sie hätten keine Möglichkeiten, auf die französische Staatsregierung im Hinblick auf die Blöcke 3 und 4 einzuwirken, frage ich nochmals, ob Sie denn die Möglichkeit sehen, auf bundesdeutsche Elektrizitätsversorgungsunternehmen einzuwirken - gerade auch mit Blick auf die bekannte Situation des Jahrhundertvertrags -, in Zukunft darauf zu verzichten, sich in Form von weiteren Beteiligungen beim französischen Atomstrom einzukaufen. Ich frage Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, an der Schaffung eines echten Nachbarschaftsrechts mitzuarbeiten, das in Zukunft verhindert, daß in nationalen Genehmigungsverfahren darüber entschieden wird, welches Risiko auch der ausländischen Bevölkerung zugemutet werden kann.
Die Frage scheint zu Ende zu sein. Ich möchte die Gelegenheit doch wahrnehmen, Herr Abgeordneter Schreiner, auf unsere Geschäftsordnung hinzuweisen, in der steht: Die Fragen müssen kurz gefaßt sein.
Herr Staatssekretär, dort steht auch, daß kurze Antworten gegeben werden dürfen.
Zur Einschätzung des Risikos gibt es ja die sehr bewährte deutsch-französische Kommission, die sehr häufig tagt und über das Risiko des Betriebs von Kernkraftwerken und überhaupt kerntechnischen Anlagen sehr intensiv berät. Zu dieser Thematik gibt es von seiten der Bundesregierung überhaupt keine Beanstandungen oder Verbesserungsvorschläge.
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- Das war der letzte Teil Ihrer Frage. Der erste Teil
Ihrer Frage bezog sich auf die Möglichkeiten der Bundesregierung, auf EVUs innerhalb der Bundesrepublik einzuwirken, ihren geplanten Bezug französischen Stroms nicht zu verwirklichen. Habe ich das richtig interpretiert? Derartige Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung auf die EVUs sehe ich nicht.
Nachdem der Abgeordnete Dr. Hirsch seine Wortmeldung zurückgezogen hat, liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Verfügung steht uns Herr Staatssekretär Kroppenstedt.
Herr Abgeordneter Wüppesahl hat gebeten, seine Fragen 29 und 30 schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 31 des Abgeordneten von Schmude auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung die Kreise und kreisfreien Städte angewiesen hat, die Unterbringung der Asylbewerber nicht mehr in der bewährten Form von Gemeinschaftsunterkünften vorzunehmen, sondern statt dessen in Einzelwohnungen und anstelle von Sachleistungen Barleistungen zu gewähren, und wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorgehen vor dem Hintergrund steigender Sozialhilfelasten der Länder und Kommunen und den entgegenstehenden Regelungen des Asylverfahrensgesetzes sowie des Bundessozialhilfegesetzes?
Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis, die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dieses ist aus Sicht des Präsidenten sinnvoll, aber ich möchte mich bei dem Abgeordneten erkundigen, ob er damit einverstanden ist.
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- Ohne daß Ihr Recht auf Zusatzfragen eingeschränkt wird, gebe ich diesem Begehren gerne statt:
Sieht die Bundesregierung hier einen neuen gewollten Konflikt der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit dem Bund analog zu der Auseinandersetzung wegen der Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Brokdorf, und was gedenkt sie zu unternehmen, um die schleswig-holsteinische Landesregierung zur Einhaltung der genannten Gesetze zu veranlassen?
Der Bundesregierung ist folgendes bekannt: Der Minister für Soziales, Gesundheit und Energie des Landes Schleswig-Holstein hat die Kreise und kreisfreien Städte davon unterrichtet, daß er die Erstattung von Sozialhilfekosten ab 1. Oktober 1988 davon abhängig macht, die Asylbewerber verstärkt dezentral unterzubringen und vorhandene Gemeinschaftsunterkünfte ab 1989 nach und nach aufzulösen. Hinsichtlich einzelner Sozialhilfeleistungen sollen Asylbewerber grundsätzlich entsprechend der örtlichen Praxis wie andere Sozialhilfeempfänger behandelt werden.
Gemäß § 23 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz sollen Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht
werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange der Ausländer zu berücksichtigen. Im Ergebnis kann die dezentrale Unterbringung dazu führen, daß sich die Erledigung der Asylverfahren verzögert. Die Bundesregierung sieht deshalb in dem Vorgehen des Landes Schleswig-Holstein keinen konstruktiven Beitrag zur Erreichung des allgemein geforderten und von Bund und Ländern gemeinsam angestrebten asylpolitischen Ziels, die Asylverfahren zu verkürzen.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 3 Bundessozialhilfegesetz soll u. a. asylsuchenden Ausländern Sozialhilfe, soweit dies möglich ist, als Sachleistung gewährt werden. Zweck dieser Regelung ist, den wirtschaftlichen Anreiz zum Mißbrauch des Asylrechts einzuschränken. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß durch eine vorrangige Gewährung von Geld an Stelle von Sachleistungen die Zielsetzung der gesetzlichen Regelung verfehlt würde. Die Bundesregierung sieht aber kaum eine Möglichkeit, dem Vorgehen Schleswig-Holsteins mit rechtlichen Mitteln wirksam zu begegnen. Sie würde es aber begrüßen, wenn das Land auch künftig in wichtigen innenpolitischen Fragen an gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Grundsätzen festhalten würde.
Herr Abgeordneter, Sie haben vier Zusatzfragen, bitte sehr.
von Schmude ({0}): Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, Erfahrungen, wie sie jetzt mit dem Land Schleswig-Holstein gemacht werden, bei künftigen Wünschen der Länder zu berücksichtigen, einen Teil der Sozialhilfekosten zu übernehmen?
Ich denke, daß die Bundesregierung alle Lebenssachverhalte berücksichtigt, und möchte deswegen Ihre Frage mit Ja beantworten.
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Weitere Zusatzfragen? - Wir fangen an mit Herrn Abgeordneten Opel. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, bei mir an der Westküste in Schleswig-Holstein sind mehrere Sammelunterkünfte, und ich habe sehr große Erfahrungen damit. Einzelunterkünfte haben sich als familiengerecht und sozial verträglich bewährt. Würden Sie, Herr Staatssekretär, zustimmen, daß Sammelunterkünfte besondere ethnische Probleme erzeugen können und daß die Familiengerechtigkeit der Einzelunterkünfte diese Regelungen, wie sie das Land Schleswig-Holstein getroffen hat, aus übergeordneten Gesichtspunkten geboten erscheinen läßt?
Herr Abgeordneter Opel, würden Sie die Güte haben, die Antwort in der gebührenden Form entgegenzunehmen; Sie sind vielleicht noch nicht ganz an die Usancen des Hauses gewöhnt.
Die Entscheidung über solche Sachverhalte hängt sicher von den Einzelheiten ab. In der Regelung des Landes SchleswigHolstein sehe ich aber keine Einzelfallbezogenheit, sondern eine generelle Anordnung, und dagegen muß ich mich wenden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Präsident, da beide Fragen im Zusammenhang beantwortet wurden, habe ich zu jeder Frage eine Zusatzfrage.
Dieser Auslegung der Geschäftsordnung ist nicht zu widersprechen.
Dann stelle ich eine Zusatzfrage zu der Frage 31. - Herr Staatssekretär, eingedenk der Tatsache, daß wir die Unterbringung in Sammelunterkünften keinesfalls als bewährt ansehen, sondern in der Durchführung teilweise als ziemlich rücksichtslos und die Gewährung von Sachleistungen an Stelle von Barmitteln teilweise als entwürdigend betrachten, frage ich Sie: Können Sie uns bitte mitteilen, welche Länder - wie z. B. Nordrhein-Westfalen - von diesen beiden Möglichkeiten niemals Gebrauch gemacht haben und welche Bundesländer in der letzten Zeit zur Barleistung zurückgekehrt sind?
Ich möchte zunächst der Wertung, die Sie getroffen haben, insofern nicht folgen, als sie ja der Gesetzeslage widerspricht. Der Gesetzeswortlaut enthält ja andere Tendenzen. Ich weiß, daß die Praxis in den Bundesländern unterschiedlich ist. Ich kann Ihnen aber im Augenblick nicht genau sagen, wie die einzelnen Länder verfahren.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, indem ich Ihre Antwort dahin gehend ergänzen möchte, daß z. B. das Land Berlin und meines Wissens auch Niedersachsen zur Barleistung zurückgekehrt sind - das wird sich aber feststellen lassen -, frage ich Sie: Teilen Sie die der Frage 32 zugrunde liegende Wertung, daß diese von einer ganzen Reihe von Landesregierungen unverändert beibehaltenen oder wieder eingeführten Verhaltensweisen gesetzeswidrig sind?
Ich habe mich vorhin bei der Beantwortung der Frage nicht so ausgedrückt, daß es sich hier um ein gesetzeswidriges Verfahren handelt, wohl aber gesagt, daß die Formulierung des Gesetzes immerhin dafür spricht, daß der Gesetzgeber primär ein anderes Verfahren vorgesehen hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Knabe.
Ich will mir erlauben, Herr Staatssekretär, die Frage zu stellen, inwieweit die humanitären Belange der Asyl begehrenden Menschen bei der Verpflichtung, sie in Sammelunterkünften unterzubringen und die Entschädigung möglichst in Form von Sachleistungen zu gewähren, berücksichtigt wurden, weil doch gerade diesen Familien, die keine Beschäftigung haben, die in der Bundesrepublik keiner Arbeit nachgehen dürfen, die Möglichkeit
genommen wird, durch Selbstbereitung der Mahlzeiten eine halbwegs sinnvolle Beschäftigung zu finden?
Das Leben in Einzelunterkünften und Sammelunterkünften kann in einer humanitär nicht zu beanstandenden Weise gestaltet werden. Dasselbe gilt auch für die Art der Gewährung von Sozialhilfe.
Herr Abgeordneter Andres.
Zunächst noch eine Zusatzfrage zu Frage 31. Ist der Bundesregierung bekannt, daß Niedersachsen vor und nach der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes in erster Linie die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern praktiziert?
Der Bundesregierung ist eine unterschiedliche Praxis in den Ländern bekannt.
Zweite Zusatzfrage.
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Der Abgeordnete Jungmann wird dann gebeten, eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß Sie dem Gesetzgeber gegenüberstehen und daß die Gesetzesauslegung, die Sie auf die Frage des Kollegen Hirsch hin vorgenommen haben, sehr eigenwillig ist - wenn das nicht so wäre, dann könnte es ja keine unterschiedlichen Praktiken in den Ländern geben - , und welche Bedenken hat die Bundesregierung, daß dezentral untergebrachte Asylbewerber Barleistungen wie deutsche Sozialhilfeempfänger entsprechend dem Verfahren in allen Ländern erhalten, und welche Bedenken hat sie, daß die neue Landesregierung den Schwerpunkt in den Gemeinschaftsunterkünften statt auf eine einheitliche Gemeinschaftsverpflegung auf die Gewährung von Tagessätzen legt, um so gruppenspezifische Einkäufe und gruppenspezifisches Kochen zu ermöglichen? Welche Bedenken hat die Bundesregierung in dieser Hinsicht? Das möchte ich einmal wissen.
Die Antwort auf diese Frage ist in der Beantwortung der Fragen des Abgeordneten von Schmude enthalten.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte - auch im Interesse der vielen Kollegen, deren Fragen möglicherweise nicht mehr beantwortet werden können - doch noch einmal bitten, daß die Fragen kurz gefaßt werden und daß auch Wiederholungen vermieden werden.
Herr Abgeordneter Jungmann, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, den Anträgen des Landes Schleswig-Holstein nachzukommen, in der zentralen Gemeinschaftsunterkunft in Oelixdorf eine ständige Außenstelle des Bundesamtes Zirndorf einzurichten, um
insbesondere für die Bewerber um politisches Asyl - ungefähr 50 % der Asylbewerber in Schleswig-Holstein - eine sofortige Anhörung im Interesse der Beschleunigung des Asylverfahrens zu erreichen?
Die Bundesregierung wird diese Frage prüfen, wenn sie an sie herangetragen wird.
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Herr Abgeordneter Andres, Sie haben nun Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in der Tatsache, daß das Land Niedersachsen eine dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern sowie die Barleistung vorsieht, einen erneuten schweren, gewollten Konflikt der Landesregierung von Niedersachsen dem Bund gegenüber?
In diesem Sachverhalt würde ich das nicht primär erblicken, sondern ich glaube, sie legt die Vorschriften etwas anders aus als die Bundesregierung. Zu einer so harten Formulierung würde ich mich hier nicht bereit finden.
Der Abgeordnete Börnsen ({0}) hat um eine Zusatzfrage gebeten. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Gegensatz zu der Frage des Abgeordneten von Schmude die schleswig-holsteinische Landesregierung die Kreise und die kreisfreien Städte nicht angewiesen hat, sondern ihnen eine Empfehlung gegeben hat - und auch nicht pauschal, sondern ganz gezielt - , vorrangig Familien, alleinstehende Frauen und Asylbewerber, die eine örtliche Einbindung z. B. in Freundeskreisen gefunden haben, dezentral unterzubringen, und würden Sie meine Interpretation teilen, daß dies ein menschlich angemessenes Verfahren ist, welches eine - das ist mir eine sehr wesentliche Feststellung - den Ausnahmemöglichkeiten des Asylverfahrensgesetzes genau adäquate Regelung ist?
Nach unseren Informationen ist die Anordnung von Schleswig-Holstein wesentlich allgemeiner und sogar so gestaltet, daß die Erstattung der Sozialhilfekosten von der Befolgung dieser Anregungen abhängig gemacht wird. Das halte ich allerdings für etwas bedenklich.
({0})
Ich kann nicht bestreiten, daß das eine Antwort ist. Ich bedaure, wenn sie aus Ihrer Sicht und möglicherweise auch aus der Sicht anderer nicht befriedigend ist.
Bitte sehr, Frau Abgeordnete Hämmerle.
Um Wiederholungen zu vermeiden, Herr Staatssekretär, frage ich Sie jetzt nur: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß sich die Kosten für Asylbewerber nach den Berechnungen des Landes Schleswig-Holstein bei der Auflösung von nur 5 von 60 Gemeinschaftsunterkünften im Jahre 1990 mittelfristig stark verringern wird und ab 1992 sogar 3 Millionen DM weniger Kostenaufwand entstehen wird? Wie bewerten Sie dieses, und welche Schlüsse würde die Bundesregierung daraus in bezug auf die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ziehen?
Auch das ist sicher ein Faktor, der in die Entscheidung mit einbezogen werden muß. Ich würde aber die Entscheidung über solche Fragen nicht allein von einem finanziellen Plus oder Minus abhängig machen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir bestätigen, daß es sich bei dezentraler Unterbringung auch um Gemeinschaftsunterkünfte handeln kann?
Das kann durchaus der Fall sein.
Der Abgeordnete Opel hatte noch um eine Zusatzfrage gebeten.
({0}) - Das hat sich erledigt.
({1})
Dann wollen wir die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Hirsch aufrufen:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß zur korrekten Erfassung der Asylbewerber eine Verbesserung der Führung des Ausländerzentralregisters ({2}) erforderlich ist, und seit wann beschäftigt sich die Bundesregierung mit einem hierzu erforderlichen Gesetzentwurf?
Herr Abgeordneter, das Ausländerzentralregister dient der Erfassung von Ausländern, die sich nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten oder die einen sonstigen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland haben. Hierzu gehören auch Asylbewerber. Die starke Zunahme der Datenmenge und Besonderheiten der Systematik des jetzigen Registers haben zu Überlegungen und Maßnahmen geführt, wie die Aktualität und Verläßlichkeit der Register auch im Hinblick auf die Erfassung von Asylbewerbern verbessert werden kann. Vorgesehen sind der Erlaß eines Ausländerzentralregistergesetzes und eine weitere Automatisierung der Kommunikationsbeziehungen des Registers.
Eine Zusatzfrage; bitte sehr, Herr Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, welche zusätzlichen Aussagen über die Asylbewerber wird denn das von der Bundesregierung beabsichtigte Gesetz bringen?
Das Gesetz wird in erster Linie eine klare und konkrete Formulierung der Rechtsgrundlage überhaupt für das Register schaffen. Es wird die Aufgabenstellung genau umreißen. Es wird Ermächtigungen für Vorschriften enthalten. Es wird gegenüber den Datenmengen, die bisher erfaßt werden, zu nur ganz geringen Unterschieden - etwa 5 % - führen.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Tatsache, daß ja nicht nur wir, sondern auch Bundesländer seit vielen Jahren darübel klagen, daß die statistischen Grundlagen einfach nicht in Ordnung sind und daß wir uns mit Geisterarmeen herumschlagen, die sich daraus ergeben, daß man zwar die sich meldenden Asylbewerber zählt, aber kein Wort darüber hört, wie viele denn anschließend tatsächlich in der Bundesrepublik bleiben - da gibt es ja eine große Differenz -, nicht der Meinung, daß es nun wirklich dringend ist, mit Hilfe in Gottes Namen auch dieses Gesetzes möglichst bald klare Aussagen zu erhalten?
Ich glaube, das ist das Ziel der Maßnahmen, und ich verspreche mir von der stärkeren Automatisierung der Kommunikationswege noch mehr Ergebnisse in Richtung dessen, was Sie wünschen, als von der Änderung der Rechtsgrundlagen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, wir sind uns sicher einig, daß es sich um ein sehr wichtiges Thema handelt. Es sind hier eine ganze Reihe von Fragen gestellt worden, die jedenfalls nach unserer Auffassung nicht ausreichend beantwortet worden sind. Würden Sie so freundlich sein, diese Zusatzfragen noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob Sie nicht dem einen oder anderen Fragesteller noch eine schriftliche Ergänzung Ihrer Antwort zukommen lassen?
Ich will das gerne prüfen.
Danke schön. Herr Staatssekretär, um der Korrektheit willen möchte ich feststellen, daß ich den Eindruck habe, daß sich der Wunsch des Abgeordneten Becker auf die Fragen 31 und 32 bezog, nicht auf die Frage 33.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Wie weit ist die Vorbereitung des Gesetzentwurfs gediehen, und wann gedenkt die Bundesregierung ihn einzubringen?
Der Referentenentwurf wird zur Zeit mit den Bundesressorts und den anderen beteiligten Stellen abgestimmt. Es ist vorgesehen, den Gesetzentwurf möglichst frühzeitig, möglichst schnell im Parlament einzubringen, nach dem jetzigen Stand im ersten Quartal 1989.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts der wirklichen Eilbedürftigkeit und möglicherweise auch Kompliziertheit dieses Gesetzes frage ich Sie: Halten Sie es nicht für angebracht, den Referentenentwurf möglichst bald den Fraktionen zuzuleiten?
Der Referentenentwurf wird zur Zeit abgestimmt. Wenn Wünsche bestehen, ihn hier zu sehen, habe ich keine grundsätzlichen Bedenken.
Die zweite Zusatzfrage, bitte schön.
Sind Sie bereit, hiermit zur Kenntnis zu nehmen, daß solche Wünsche bestehen und daß ich zumindest für meine Fraktion dringend darum bitte, diesen Entwurf so schnell wie möglich zu bekommen?
Das nehme ich zur Kenntnis.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Hier steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 35 des Abgeordneten Lüder auf:
Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen der Bundesregierung zur Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung zweier interner Briefe der Bundesanwaltschaft an das Bundesministerium der Justiz in der Gnadenangelegenheit Peter-Jürgen Boock und Angelika Speitel erbracht?
Herr Kollege Lüder, der Bundesminister der Justiz hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Veröffentlichungen Verwaltungsermittlungen im Bundesministerium der Justiz und beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof eingeleitet. Außerdem hat er wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet und die Staatsanwaltschaft ermächtigt, die Tat zu verfolgen. Die Ermittlungen haben bislang noch nicht zu einem bestimmten Ergebnis geführt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.
Herr Staatssekretär, beziehen sich diese Ermittlungen nur auf die Mitarbeiter der Generalbundesanwaltschaft oder auch auf andere Dienststellen, falls denen - was ja verwaltungsmäßig üblich wäre - Kopien der Schreiben zugegangen sind, so daß auch von daher Veröffentlichungen hätten kommen können?
Herr Kollege Lüder, die Ermittlungen erstrecken sich auf die Generalbundesanwaltschaft und auf das Bundesministerium der Justiz. In einem ersten Zuge haben wir eine Befragung sowohl in Karlsruhe als auch hier im Bundesministerium der Justiz durchgeführt. Diese Befragung ist ohne Ergebnis verlaufen.
Wir sind jetzt zu einem zweiten Schritt übergegangen, indem wir dienstliche Erklärungen sowohl von der Bundesanwaltschaft als auch von den Damen und Herren, die im Bundesministerium der Justiz mit der Angelegenheit befaßt waren, einholen.
Die zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Darf ich daraus entnehmen, daß die Briefe, die hier veröffentlicht worden sind, nur zwischen der Dienststelle Generalbundesanwaltschaft und der Dienststelle Bundesministerium der Justiz ausgetauscht worden sind, oder gab es weitere Adressaten?
Ich gehe davon aus, daß Ihre Mutmaßung zutrifft.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.
Wenn dem so ist, Herr Staatssekretär, werden die Ermittlungen dann auch auf die Behörden erstreckt, die, wie Sie eben andeuten, möglicherweise ebenfalls Empfänger dieses Briefes geworden sind, also Drittempfänger?
Wir haben eine umfassende Aufklärung in dieser Angelegenheit veranlaßt.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Lüder auf:
Welche Entscheidung zur Einleitung von Disziplinarermittlungen wurde gegen den oder die die Veröffentlichung pflichtwidrig verursachenden Mitarbeiter getroffen?
Herr Kollege Lüder, da bisher der Verdacht eines Dienstvergehens gegen eine bestimmte Person nicht besteht, konnten disziplinarrechtliche Vorermittlungen nicht eingeleitet werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie diesen Vorwurf, der hier im Raum steht, jedenfalls für so gewichtig halten, daß disziplinarische Vorermittlungen notwendig wären, sobald Sie einen Beschuldigten wüßten?
Davon können Sie fest ausgehen.
Weitere Zusatzfrage.
Sind Sie in der Lage, zu erklären, daß das Ergebnis der Ermittlungen dem Bundestag bekanntgegeben wird?
Ich gehe davon aus, daß das dann ohnehin zumindest Gegenstand der Fragestunde wird. Ich bitte Sie nur um Verständnis, daß es jetzt noch keine Vorverurteilungen geben kann. Ich werbe für den Satz, daß, wenn man mit der Sache befaßt ist, daraus noch nicht ein Tatverdacht hergeleitet werden kann.
Die Frage 37 der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}) sowie die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Frau Dr. Wegner werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Danke schön, Herr Staatssekretär, die Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich sind damit am Ende.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Warum werden in der Bundesrepublik Deutschland noch Herbizide zugelassen, die in den USA als krebserregend verboten sind?
Herr Kollege Kroll-Schlüter, der für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständigen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft sind keine Herbizide bekannt, die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, in den USA aber wegen des Verdachts krebserregender Wirkung verboten wurden.
Zusatzfragen? - Nein. Dann rufe ich die Frage 41 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Warum werden aus der Bundesrepublik Deutschland chemische Bekämpfungsmittel exportiert, die bei uns selbst nicht mehr zugelassen sind?
Herr Kollege, aus der Tatsache, daß in einem Land ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel nicht oder nicht mehr zugelassen ist, läßt sich nicht zwangsläufig ableiten, daß mit der Anwendung dieses Mittels Gefahren verbunden sind. Maßgebliche Gründe für das Nichtbestehen einer Zulassung können z. B. rein wirtschaftliche Überlegungen des Antragstellers oder die Tatsache sein, daß das Anwendungsgebiet in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorkommt, z. B. Baumwollanbau, Reisanbau, Bananen und desgleichen.
Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, ich möchte mich zunächst für die klaren Antworten bedanken und möchte die Bitte anfügen, ob nicht dennoch bei den zuständigen Bundesanstalten eine Überprüfung dahin gehend erfolgen könnte, daß das, was Sie zur zweiten Frage gesagt haben, nun grundsätzlich und für alle Bekämpfungsmittel zutrifft. Denn es ist eine öffentliche Frage, die besonders unter jungen Menschen des öfteren diskutiert wird. Je bündiger, je sachkundiger und je sachlicher wir darauf antworten können, um so besser ist es auch für die, die diese Mittel herstellen.
Herr Kollege, es geht dabei insbesondere darum, daß die Kennzeichnung von unserer Seite aus entsprechend verbessert wird. Diese Bitte besteht im politischen Raum. Wir sind der Auffassung, daß hier alles getan werden muß. Wenn
ein solches Pflanzenschutzmittel hier produziert wird, muß derjenige, der es empfängt, wissen, um was es sich handelt. Aber die Prüfung muß dann in den Ländern geschehen, wo das Pflanzenschutzmittel tatsächlich gebraucht wird.
Eine weitere Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter nicht. Dann rufe ich die Zusatzfrage des Abgeordneten Opel auf.
Herr Staatssekretär, können Sie Beispiele für chemische Bekämpfungsmittel nennen, die zwar exportiert werden, bei uns nicht mehr zugelassen werden, die aber nach Meinung der Bundesregierung unbedenklich sind?
Herr Kollege, ich kann Ihnen jetzt aus der Vielzahl der Mittel keine Beispiele nennen. Wir haben eine starke Pflanzenschutzmittelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, und es gibt sicher sehr viele Pflanzenschutzmittel, die wir nicht brauchen; ich denke an Pflanzenschutzmittel für Soja, Baumwolle, Bananen, Zitrusfrüchte. Dafür wird vieles in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt. Bei den Herstellern wird es sicher so sein, daß die Kosten der Zulassung bei uns viel höher sind als in anderen Ländern. Zum Teil werden sie wegen der niedrigen Kosten dort angemeldet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, mit welchen Mitteln die Heuschrecken gerade in Nordafrika, z. B. in der Sahel-Zone, bekämpft werden? Diese Mittel werden aus der Bundesrepublik Deutschland sogar im Rahmen von Entwicklungshilfe und Hilfe für notleidende Menschen exportiert, d. h. sie werden in diese Gebiete verschenkt. Kennen Sie die Mittel, die dort angewandt werden, und sind die bei uns erlaubt?
Wir müssen eines sehen. Nach dem neuen Pflanzenschutzmittelgesetz hätten wir die Möglichkeit, diese Dinge durch eine Rechtsverordnung zusätzlich zu regeln. Für den Erlaß einer derartigen Rechtsverordnung besteht aber derzeit kein Anlaß. Bei welchen Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland ein vollständiges oder ein eingeschränktes Anwendungsverbot besteht, ist weltweit notifiziert worden. Eine Ergänzungsmitteilung, bedingt durch die Pflanzenschutzanwendungsverordnung vom 27. Juli 1988, ist in Vorbereitung. Wir glauben, daß durch diese Maßnahmen dem Gesetz bis zum jetzigen Zeitpunkt Genüge getan wird.
In bezug auf Ihre spezielle Frage: Ich weiß nicht, wie das Pflanzenschutzmittel heißt, das verwendet wird, um die Heuschrecken zu bekämpfen. Ich nehme an, daß es da verschiedene Präparate gibt.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Weyel.
Herr Staatssekretär, können Sie Herrn Kroll-Schlüter mitteilen, daß unser Bestreben,
für die nur für den Export gedachten Pflanzenschutzmittel ein gleiches Zulassungsverfahren vorzusehen wie für die in Deutschland üblichen, von der CDU/ CSU-Fraktion abgelehnt wurde?
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Frau Kollegin, ich kann bestätigen, daß von seiten der SPD-Fraktion damals bei der Verabschiedung des Gesetzes ein Verbot der Ausfuhr nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel beantragt worden ist.
Zunächst hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter seine zweite Zusatzfrage.
Zweitens, Frau Geschäftsführerin, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihnen bekannt sein dürfte, daß die Methode der Dreiecksfrage und -beantwortung in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen ist.
Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, könnten Sie hier im Dreieck die Frage beantworten, ob ein solches Verfahren, wie gerade vorgeschlagen, bedeuten würde, daß den Entwicklungsländern wichtige Hilfen nicht zuteil werden könnten?
Das stimmt. Vor allen Dingen spielt bei diesen Fragen die Souveränität der einzelnen Länder eine ganz gewaltige Rolle. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß Pflanzenschutzmittel, die bei uns schon lange nicht mehr hergestellt werden, z. B. DDT, jetzt in anderen Gebieten der Welt hergestellt werden, weil man einfach nicht darauf verzichten kann. Wir haben das eingestellt und auch verboten, und das wird jetzt in Indien und auf den Philippinen hergestellt - das muß man sehen - , weil sonst die Malaria nicht mehr zu bekämpfen ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Andres.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung über Pestizide und Herbizide Auskunft geben, die hier bei uns hergestellt und dann exportiert werden, deren Ausbringung hier in der Bundesrepublik Deutschland absolut verboten wäre?
Natürlich können wir Ihnen das mitteilen. Wir müssen aber erst mal bei den Firmen rückfragen, welche Mittel sie exportieren, die hier in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind.
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Der Staatssekretär hat mehr beantwortet, als Sie gefragt haben. Sie hatten nur gefragt, „ob", und nicht, „welche". Er hat gesagt, er will sogar beantworten, „welche".
Vorausgesetzt, Herr Präsident, daß die Firmen bereit sind, dann die entsprechenden Angaben mitzuteilen.
Auch die Bundesregierung kann in ihrer Weisheit nicht Antworten über Dinge geben, die sie nicht weiß.
Nun hat die Abgeordnete Frau Garbe das Wort.
Herr Staatssekretär, da ich die Antwort auf die Frage der Kollegin Weyel nicht verstanden habe, frage ich noch einmal: Halten Sie es für richtig, daß hier in der Bundesrepublik diese Stoffe für den Export entwickelt werden, ohne daß sie nach bundesdeutschem Zulassungsrecht beurteilt worden sind?
Natürlich! Entscheidend ist, daß wir die Kennzeichnung verbessert haben. Aber es bleibt dabei - Frau Weyel war Berichterstatterin für den Gesetzentwurf - , daß hier ein Antrag im Raume stand, der aber nicht durchgekommen ist, mit dem das Ziel verfolgt wurde, die Ausfuhr dieser Mittel zu verbieten.
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Das war eine klare Antwort.
Nun kommt die Frage des Abgeordneten Dr. Knabe.
Herr Staatssekretär, können Sie die Größenordnung des Anteils der ins Ausland exportierten Stoffe - Bekämpfungsmittel - angeben, die hier nicht zugelassen sind?
Aus dem Kopf nicht.
Herr Dr. Knabe, er hat doch nun mehrmals gesagt, daß er nicht in der Lage ist, die Produkte zu nennen. Dann kann er doch auch nicht in der Lage sein, die Menge zu nennen. - Das ist eine Verlängerung der Fragestunde in ungeziemender Weise.
Nun rufe ich die Frage 42 des Abgeordneten Eigen auf:
Für wie sicher hält die Bundesregierung die Schätzungen über die Getreide- und Rapsernte in der Europäischen Gemeinschaft, und was gedenkt sie gegen mögliche Manipulationen zu tun?
Herr Kollege Eigen, die monatlichen Schätzungen über die Getreide- und Rapsernte in der Europäischen Gemeinschaft beruhen auf einem Modell, in das neben meteorologischen Daten auch Schätzungen von Sachverständigen der einzelnen Mitgliedstaaten einfließen. Im Jahresverlauf nimmt, wie die letzten Jahre zeigten, die Qualität der Schätzungen zu. Die Abweichung vom endgültig ermittelten Ernteergebnis wird dann kleiner. Entscheidend ist die Anfang des Jahres bis zum 1. März von den Mitgliedstaaten für das vorangegangene Jahr abzugebende Erntemeldung, da an diese entsprechende Maßnahmen geknüpft sind. Um zu diesem Zeitpunkt ein abgesichertes Ergebnis der Ernte EG-weit zu erhalten, unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der EG, durch Rechtsvorschriften - z. B. Verordnung über die Statistik der Getreide6548
produktion - hinsichtlich des Meldetermins, der Genauigkeitsanforderungen sowie der Methodik der Ernteermittlungen für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Regelungen zu schaffen.
Gibt es Zusatzfragen? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß Manipulationen bei den verschiedenen Erhebungen nicht durchgeführt werden?
Ich kann nicht für andere Länder der Europäischen Gemeinschaft eine Sicherheitsgarantie abgeben. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, dann kann ich nur sagen, daß wir im Jahre 1985 eine Erntemenge von 160 Millionen Tonnen hatten. Die Schätzungen lagen im September um 0,3 % darüber, im Dezember um 0,5 % darüber und im Februar um 0,5 % darunter. Für 1986 lauten die Zahlen wie folgt: Im Juni plus 4,7 %, im September minus 2,1 % und im Dezember minus 0,6 %. Die größte Schwankung hatten wir im Jahre 1987. Im Juni lagen die Schätzungen noch um 11,6 % darüber. - Das sind die Zahlen für das Getreide.
Insgesamt weichen die Schätzungen von dem festgestellten Ergebnis nur ganz wenig ab. Ich glaube, daß wir heute schon sehr weit gekommen sind.
Gibt es weitere Zusatzfragen? - Bitte, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, wie verstehen Sie dann die Verhandlungen in Brüssel über die Höhe der Rapsernte, bei denen die Sachverständigen 5,12 Millionen Tonnen festgestellt haben, die Kommission aber 5,5 Millionen Tonnen wollte, damit ihr Wille, die Preise zu senken, durchgesetzt werden konnte, und man sich im Verwaltungsrat auf 5,3 Millionen Tonnen geeinigt hat? Ist das eine Manipulation oder nicht?
Ich muß zugeben, daß es sich bei den Zahlen, die ich vorgelesen habe, insbesondere um die Schätzergebnisse beim Getreide handelt. Beim Raps haben wir wesentlich stärkere Schwankungen zu verzeichnen. Im Jahre 1986 betrug die Abweichung beim Raps minus 23,9 % und im Juni 1987 minus 17,1 %. Die Zahlen liegen hier also wesentlich weiter auseinander als beim Getreide, so daß es am Ende darauf ankommt, einen Kompromiß zu finden.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Eigen auf:
In welchen Ländern der Bundesrepublik Deutschland werden die Möglichkeiten, auch Ackerflächen in den Ausgleich für Landwirte in benachteiligten Gebieten aufzunehmen, wie genutzt?
Herr Kollege Eigen, auf der Grundlage der Rahmengrundsätze des Rahmenplans 1988 bis 1991 der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" werden bis auf Bremen und Schleswig-Holstein alle Länder im Jahre 1988 von der erweiterten Fördermöglichkeit, d. h. von der Ausdehnung der Ausgleichszulage auf Ackerflächen mit Ausnahme von
Wein, Weizen und Intensivkulturen, Gebrauch machen. Entsprechend den sehr unterschiedlichen regionalen Ausgangsbedingungen in den benachteiligten Gebieten wird die Höhe der Ausgleichszulage für Ackerflächen in einigen Ländern differenziert. Grundelemente der Differenzierung sind die Gebietskategorien, wie Berggebiete, Kerngebiete, übrige benachteiligte Gebiete, Steillagengebiete, die betrieblichen landwirtschaftlichen Vergleichszahlen, die durchschnittliche und bereinigte Ertragsmeßzahl und das Standardbetriebseinkommen.
Die Höhe der Ausgleichszulagen im einzelnen steht noch nicht fest. Nach Aufbereitung der Anträge werden die Länder das Antragsvolumen mit den zur Verfugung stehenden Mitteln in Einklang bringen. Sie haben daher in ihren Landesrichtlinien den Betrag überwiegend nicht genau festgelegt. Die Länderrichtlinien sind bei der EG-Kommission notifiziert. Eine positive Entscheidung steht noch aus; sie wird in diesen Tagen erwartet.
Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es gut wäre, wenn überall, so auch in Schleswig-Holstein, in den Ackerbaugebieten mit schwachen Böden eine Ausgleichszulage gewährt wird, weil gerade die Landwirte, die damals aus der Milcherzeugung ausgeschieden sind und dann im Ferkel-, Sauen- und Schweinebereich investiert haben, in besonderer Not sind, und daher die neue Entwicklung, daß man auch Ackerbauflächen mit hineinnehmen kann, eigentlich sehr zu begrüßen ist?
Herr Kollege, es ist immer gut, wenn man von seiten der Länderregierungen den Bauern hilft. Nur kann man von seiten des Bundes bei Rahmenrichtlinien, die gegeben sind, kein einziges Bundesland dazu zwingen.
Bitte sehr, Ihre zweite Zusatzfrage.
Mit dieser Antwort habe ich gerechnet und stelle deswegen die Frage, ob nicht durch die unterschiedlichen Verhaltensweisen der verschiedenen Länder für die betroffenen Landwirte doch möglicherweise eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung entstehen kann, da die Ware, die auf diesen Böden erzeugt wird, über die Grenzen der Länder, sogar der EG hinaus, ja frei handelsfähig ist. Sollte man deswegen nicht in solchen Bereichen, wo die Wettbewerbsfähigkeit direkt betroffen ist, über den PLANAK und die Gemeinschaftsaufgabe hinaus sicherstellen, daß gleiche Bedingungen im ganzen Land hergestellt werden?
Herr Kollege, wir müssen sehen, daß wir ein föderativer Staat sind. Wenn ich mir das einmal richtig vor Augen halte, so denke ich, die Bundesländer werden sich dagegen wehren, daß sie hier von seiten des Bundes zu einer solchen Einheitlichkeit gezwungen werden. Natürlich legen wir bei den Besprechungen in den Bundesländern größten Wert darauf, keine allzu großen Diskrepanzen entParl. Staatssekretär Gallus
stehen zu lassen. Manchmal ist es aber so, daß der Wille größer ist als das Können, weil eben die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind.
Danke schön. Dann kann ich diesen Bereich abschließen. Herr Staatssekretär, wir bedanken uns bei Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung.
Der Abgeordnete Dr. Schröder ({0}) hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 44 und 45 gebeten. Die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Jäger werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 48 des Abgeordneten Antretter:
Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber der Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen, im Zusammenhang mit der geplanten Strukturreform im Gesundheitswesen durch eine entsprechende Fassung des Artikels 1 § 152 und durch Einführung eines Artikels 65 a die Bezirke der Ortskrankenkassen den Grenzen der Gebietskörperschaften anzupassen und somit vorhandene Zweitkassen durch gesetzlichen Zwang in eine andere Kasse einzugliedern, soweit eine freiwillige Vereinigung nicht bis zum 31. Dezember 1989 zustande kommt?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, dürfte ich Sie und den Fragesteller bitten, daß ich die Fragen 48 und 49 gemeinsam beantworte?
Selbstverständlich können Sie ihn bitten; er signalisiert auch Zustimmung. Wir können so verfahren. Dann rufe ich auch Frage 49 des Abgeordneten Antretter auf:
Wäre von der Verwirklichung dieses Vorhabens auch die AOK Schwäbisch Gmünd betroffen?
Herr Kollege Antretter, zu Ihrer Gegenäußerung zum Änderungsvorschlag des Bundesrates, eine Anpassung der Bezirke der Ortskrankenkassen an die Bezirke der Gebietskörperschaften vorzunehmen, hat die Bundesregierung zugesagt, die Anregung zu prüfen. Nach Auffassung der Bundesregierung sollen die Länder wie bereits bei geltendem Recht auch in Zukunft selbst entscheiden, in welchen Fällen eine Anpassung der Bezirke der Ortskrankenkassen an die Bezirke der Gebietskörperschaften erforderlich ist. Eine Entscheidung über den Änderungsvorschlag des Bundesrates kann allein das Parlament treffen. Bei Verwirklichung des Vorschlags des Bundesrates wäre die AOK Schwäbisch Gmünd betroffen.
Ich nehme an, das provoziert Sie zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Antretter.
Halten Sie es für denkbar, Herr Staatssekretär, daß im Falle der Zustimmung der Bundesregierung zur Niedersachsen-Initiative die Landesregierung Baden-Württemberg in eigener Zuständigkeit am derzeitigen Bestand der Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg festhält?
Herr Kollege Antretter, ich muß hier ganz offen sagen, das gesamte Verfahren der Beratung des Gesundheits-Reformgesetzes liegt nicht mehr bei der Regierung, sondern liegt beim Parlament. Welche Ergebnisse bei einzelnen Paragraphen und Bestimmungen herauskommen, kann ich nur vermuten, aber keine konkreten Aussagen darüber treffen, denn da würde ich dem Parlament vorgreifen.
({0})
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist demzufolge die in der Tagespresse vom 8. September veröffentlichte Aussage der baden-württembergischen Landesregierung in Gestalt ihres Staatssekretärs für das Sozialwesen, Mühlbeyer, falsch, derzufolge das geltende Recht der jeweiligen Landesregierung die Möglichkeit einräumt, durch Rechtsverordnung die Bezirke der Ortskrankenkassen selbst festzulegen, womit, so sagte er, für den Bestand der Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg durch das GesundheitsReformgesetz keine Gefahr bestünde?
Herr Kollege Antretter, ich habe nicht zu werten und nicht anzunehmen, ob die Aussage von diesem oder jenem stimmt oder nicht stimmt. Was Sie jetzt ansprechen, betrifft den § 216 des Gesundheitsreform-Gesetzes. Ich bin überzeugt, daß eine Reihe solcher Fragen gerade hinsichtlich der Organisation der Kassen in der Einzelberatung aufgegriffen werden. Ich bitte aber um Verständnis: Ich kann keine Aussage treffen, wie das Ergebnis solcher Diskussionen aussieht.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen, wenn Sie wollen, bitte schön.
Darf ich die Beantwortung meiner zweiten Zusatzfrage, Herr Staatssekretär, so verstehen, daß Sie die Äußerungen des baden-württembergischen Staatssekretärs Mühlbeyer auch nicht bestätigen können, daß der Bestand der Allgemeinen Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg gesichert sei?
Ich kann dazu nur sagen, daß beim Vorschlag des Bundesrates die Bundesregierung keine Prüfung zugesagt hat.
Ich bedanke mich.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Herr Abgeordneter Jäger, ich bedaure, wir haben die Zeit überschritten, und das Plenum hat sich für den nächsten Tagesordnungspunkt schon gefüllt.
Vizepräsident Cronenberg
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Rechtliche Situation von Frauen im Zusammenhang mit dem § 218 StGB
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Krieger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Handstreich sind in Memmingen 133 Frauen verurteilt worden. Diese Frauen sind nun vorbestraft, weil sie auf Grund einer Notlage eine ungewollte Schwangerschaft haben abbrechen lassen. Ihnen wurde vorgeworfen, daß sie die Schwangerschaft nicht fortgeführt und das Kind zur Adoption freigegeben haben. Sie wurden also bestraft, weil sie sich nicht als Leihmutter zur Verfügung gestellt haben.
Jetzt steht in Memmingen ein Arzt vor Gericht. Er ist angeklagt, weil er das getan hat, was selbst in Bayern noch bis 1980 legal war: Er hat ambulant abgetrieben. Um ihm ans Zeug zu flicken, müssen die betroffenen Frauen nun als Zeuginnen herhalten. Die Methoden, mit denen Richter und Staatsanwälte dabei vorgehen, erinnern fatal an die Zeit der Hexenverfolgung.
({0})
Durch öffentliche Verlesung ihrer Namen werden die Frauen an den Pranger gestellt. Der Fragebogen, der ihnen zugeschickt wurde, erinnert an die hochnotpeinlichen Verhöre während der Inquisition: Von wann bis wann dauerte die Beziehung? Welche Hindernisse standen einem Weiterführen der Beziehung entgegen? Wie ist das Verhältnis zur Mutter usw.? Dieser Fragebogen ist eine unverschämte, neugierige Dreistigkeit gegenüber den betroffenen Frauen.
({1})
Es geht aber noch weiter: In Memmingen wurden nicht nur Frauen verurteilt, weil sie einen Instanzenweg nicht eingehalten haben, sondern es wird auch eine ganz neue Praxis etabliert. Dort entscheidet nämlich nicht mehr, wie es § 218 vorsieht, ein Arzt oder eine Ärztin darüber, ob eine Notlage vorliegt, sondern ein Richter. Mich würde einmal interessieren: Ist die Bundesregierung eigentlich der Auffassung, daß die vertrauensvolle Atmosphäre, die sie im Zusammenhang mit der Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch angeblich doch so sehr wünscht, im Gerichtssaal besonders gut herzustellen ist?
({2})
Frau Süssmuth redet mit Vorliebe von „Hilfe statt Strafe", wenn es um Abtreibung geht.
({3})
Faktisch geht es aber darum, Frauen einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Wie sonst ist es zu verstehen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns sagt, daß das „Dunkelfeld" von Schwangerschaftsabbrüchen „verkleinert" werden soll. Diese scheinbar harmlose Formulierung bedeutet nichts anderes als Schnüffelei und Strafverfolgung.
Hilfe statt Strafe, das hören wir immer wieder von seiten der Bundesregierung. In Memmingen haben Männer ihren Frauen und Freundinnen geholfen. Sie haben, indem sie sie zum Abbruch begleitet haben, Mitverantwortung für die ungewollte Schwangerschaft übernommen. Das fordert die CDU doch neuerdings in ihren Flugblättern. Was passiert, wenn Männer diese Mitverantwortung übernehmen? In Memmingen werden sie wegen Beihilfe zu illegaler Abtreibung bestraft. Strafe statt Hilfe ist wohl eine präzisere Beschreibung dessen, was da im Augenblick geschieht.
({4})
Das Sogenannte Dunkelfeld illegaler Abbrüche wird durch eine solche Praxis ganz bestimmt nicht verkleinert. Im Gegenteil: Dadurch wird das sogenannte Dunkelfeld erst richtig geschaffen und vergrößert, indem nämlich legale Schwangerschaftsabbrüche im nachhinein für illegal erklärt werden.
({5})
Der Bundesregierung kann eine solche Praxis eigentlich nur gelegen kommen. Schließlich setzt sie ja, wie wir erfahren haben, auf das Prinzip Abschreckung durch Strafrecht. Und etwas Abschreckenderes als dieser Prozeß in Memmingen ist in der Tat kaum noch vorstellbar.
({6})
Auch wenn es sich um ein Gerichtsverfahren handelt: Die Bundesregierung trägt mit die Verantwortung für das, was in Bayern geschieht. Seit Jahren betreibt sie eine ungeheuerliche Propaganda, in der Frauen, die abtreiben, wahlweise zu gewissenlosen Mörderinnen oder zu unwissenden, unfähigen Opfern stilisiert werden. Jetzt weigern sich CDU-Abgeordnete auch noch, dem Gesundheitsreformgesetz zuzustimmen, weil darin ein geltender Rechtsanspruch von der RVO übertragen werden soll, der ihnen nicht paßt.
Selbst wenn der sogenannte Kompromiß einer Rumpf-RVO für Abtreibung und Schwangerschaft zustande kommen sollte, hat diese unsägliche Debatte über die Krankenkassenfinanzierung doch schon ein Klima geschaffen, daß auch Schwangerschaftsabbrüche nach der geltenden Notlagenindikation schon als unrechtmäßig erscheinen müssen. Wer seit Jahren ein solches Klima schafft, ermutigt damit - natürlich - auch bayerische Provinzrichter, endlich mal so richtig die Sau rauszulassen.
({7}) Deswegen ist die Bundesregierung mitverantwortlich für das, was in Memmingen geschieht.
({8})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hasselfeldt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt dieser DisFrau Hasselfeldt
kussion heute stehen die Lage der Frauen in Konfliktsituationen und unser Umgang mit dem menschlichen Leben. Bei der großen Bedeutung dieser Thematik für uns alle sind Polemik und billige Effekthascherei sicher fehl am Platz.
({0})
Und hier ist auch kein Platz für Begriffe wie Hexenverfolgung oder Hexenjagd oder Inquisition, wie sie von der SPD - oder auch soeben von den GRÜNEN - in Verbindung mit den Memminger Prozessen verwandt werden. Meine Damen und Herren, diese Debatte soll uns vielmehr Anlaß sein, über die Abtreibungspraxis und über die Situation der Frauen nachzudenken, aber auch unsere Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens zu verdeutlichen.
Nun, wie war denn der Sachverhalt in Memmingen? Ein Arzt hat sich dort in mehr als 150 Fällen über geltendes Recht hinweggesetzt.
({1})
Er hat gesetzliche Bestimmungen eindeutig übergangen. Und es ist nur eine logische Konsequenz unseres Rechtsstaates, daß rechtswidriges Verhalten auch verfolgt und bestraft wird.
({2})
Und: Unser Rechtsstaat gebietet auch - das möchte ich gerade hier in dem Kreis sagen - , daß niemand, auch ein Abgeordneter nicht, in ein schwebendes Verfahren eingreift.
({3})
Alle Abgeordneten täten gut daran, sich einer Bewertung dieses Prozesses zu enthalten. Deshalb ist es mir auch völlig unverständlich, wenn Kollegen aus der SPD und der GRÜNEN so ein normales, demokratisches und rechtsstaatliches Verfahren wie diesen Prozeß mit Ausdrücken wie „Hexenjagd" und ähnlichem diffamieren und sogar zu Demonstrationen aufrufen.
({4})
Die Organe der Strafrechtspflege, meine Damen und Herren, machen hier nichts anderes, als das 1975 von der SPD geschaffene Strafrecht anzuwenden.
({5})
Lassen Sie mich aber auch einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema machen:
({6})
Der Schutz des menschlichen Lebens - auch des ungeborenen - ist eine ganz zentrale Aufgabe dieses Staates - vom Bundesverfassungsgericht uns nicht nur so aufgetragen, sondern es entspricht unserer ethischen Grundeinstellung zum werdenden Leben. Dies darf kein Lippenbekenntnis sein, sondern hier ist die Politik gefordert. Eine Politik, die dem Recht auf
Leben nicht dient, meine Damen und Herren, ist eine zutiefst miserable Politik.
({7})
Im Mittelpunkt all unserer Maßnahmen zum Schutz des Lebens steht die Beratung. Sie soll über zwischenmenschliche, über staatliche, über alle gesellschaftlichen Hilfen umfassend informieren. Und sie soll vor allem die verantwortliche Entscheidung der Mutter zur Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtern und auch die Situation der Mutter und des Kindes verbessern.
({8})
Deshalb werden wir auch an unserem Ziel festhalten, das Bundesberatungsgesetz zu verabschieden.
Wir wissen aber auch, meine Damen und Herren - das wurde gerade in den Memminger Prozessen deutlich - , daß unsere Hilfen für die schwangeren Frauen nicht ausreichen.
({9})
Wir werden deshalb mit den Maßnahmen, die wir schon begonnen haben, mit denen wir Zeichen gesetzt haben, nämlich Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, Familienlastenausgleich durch die Steuerreform, Hilfen durch die „Stiftung Mutter und Kind", fortfahren, um den Frauen tatsächlich zu helfen und nicht nur zu reden.
({10})
Meine Damen und Herren, wir wissen aber auch, daß mit Geld allein die Probleme hier nicht gelöst werden können. Viel wichtiger ist das geistige Klima in unserem Lande. Viel wichtiger ist auch unsere persönliche Einstellung zum Leben und zu Kindern. Das erreichen wir nicht mit einem ewigen Gejammere über die Belastung durch Kinder. Ich wünschte mir vielmehr, daß wir alle miteinander öfter betonen würden - auch gerade bei solchen Debatten - , welche Freude und welchen Segen auch Kinder für ihre Eltern darstellen.
Wir wollen eine Tötung menschlichen Lebens verhindern.
({11})
Wir wollen den betroffenen Frauen durch eine qualifizierte Beratung und durch finanzielle und soziale Unterstützung helfen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Kinder wieder mit offenen Armen aufgenommen werden.
({12})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Skarpelis-Sperk.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ungewöhnlich scharfe Vorgehen der bayerischen Justiz in Memmingen
- angetrieben durch die bayerische Justizministerin Frau Berghofer-Weichner und die Generalstaatsanwaltschaft in München - ist einmalig in der Justizgeschichte der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Selbst vor der Reform des § 218 hat es keine derart massenhafte und pedantisch unbarmherzige Kriminalisierung von Frauen gegeben.
({1})
Strafe statt Hilfe heißt daß Motto der Staatsanwälte und Richter, nach dem fast täglich - wie am Fließband - Frauen und Männer öffentlich an den Pranger gestellt und verurteilt worden Während in anderen Bundesländern, auch in mehrheitlich konservativ regierten Bundesländern, die Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden,
({2})
schlägt die bayerische Justiz unbarmherzig und inquisitorisch zu, als hätten die Frauen mit dem bitteren Konflikt des Abbruchs, mit dem häufigen Alleingelassensein vom Partner, immer in Angst vor Tratsch und hämischem Grinsen, vor sozialer Schande und Distanzierung durch die eigene Familie, nicht schon genug ausgestanden!
({3})
Als Beleg dafür, daß ich nicht übertreibe, will ich Ihnen nur zwei Beispiele aus allerjüngster Zeit für das Klima der Angst und die bittere Ohnmacht der Frauen erzählen.
Fall eins: Er hat sich vorgestern in Memmingen ereignet. Die angeklagte Frau, eine Arbeiterin, wollte den Namen des Erzeugers vor Gericht nicht preisgeben. Durch eine Bemerkung bekommt der Richter mit, daß der Mann noch immer häufig in der Wohnung zu Besuch ist. Der Richter schickt aus dem Gerichtssaal die Kripo zur Wohnung, die Tochter wird überfallartig befragt,
({4})
wie denn der Mann heiße, der da häufig zu Besuch sei, und der Mann wird sofort vorgeladen.
({5})
Damit es auch überall bekannt wird, wird die Nachbarin auch noch gleich vorgeladen,
({6})
weil sie ja einige Male so freundlich war, auf die Kinder der Übeltäterin aufzupassen.
({7})
Fall zwei: Eine nicht mehr ganz junge Arbeiterin, eine Südländerin, die bei der Familie lebt, hatte einen Geliebten. Als sie schwanger wird, verlangt er die Abtreibung und verläßt sie. Hinter dem Rücken ihrer Familie, in der sie als „alte Jungfer" ohnehin keinen leichten Stand hat und die von ihrem unmoralischen Verhältnis auch nichts weiß, treibt sie heimlich ab. Bei der Kripo - natürlich wurde sie ohne Dolmetscher
befragt - gibt sie auf alles und jedes offen Auskunft.
Sie schweigt, nimmt den Strafbefehl an und zahlt, damit um Gottes willen ihre Familie, ihre Mutter, nichts erfährt. Der Ex-Liebhaber ist nicht so geduldig. Nach seiner Verurteilung erscheint er bei ihr und droht ihr, sie vor der Familie und am Arbeitsplatz bloßzustellen, wenn sie nicht seine Strafe wegen Beihilfe auch noch bezahlt. Sie nimmt einen Kredit auf und bezahlt auch noch seine Strafe.
Diese Art des Vorgehens von Polizei und Staatsanwaltschaft, die ausführlich in Funk, Fernsehen und Presse dargestellt wurde, und das unglaubliche unsensible Vorgehen einzelner Gerichte, haben mittlerweile in Memmingen und im Unterallgäu - in meinem Wahlkreis - ein Klima der Angst und der Einschüchterung geschaffen, bei dem sich die betroffenen Frauen verstecken und so viel Angst vor der sozialen Ächtung haben, daß sie selbst dann, wenn sie sich im Recht fühlen, lieber Strafen - für ihre Einkommensverhältnisse hohe Geldstrafen - akzeptieren, um nur endlich aus dem Gerede zu kommen und um ihren neuen Partner, ihre Kinder und ihre Eltern nicht einem unerhörten sozialen Druck auszusetzen.
Am meisten betroffen und auch wehrlosesten sind natürlich nicht gutverdienende Frauen und Akademikerinnen - die waren klüger, die haben nicht in Bayern abgetrieben -,
({8})
sondern Arbeiterinnen, vor allem ausländische Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Sekretärinnen, aber auch Frauen mit kleinen, halberwachsenen Kindern, die nicht mehr ein und aus wissen.
({9})
Nein, diese Staatsanwälte und Richter inszenieren wirklich Hexenprozesse nach dem Muster der mittelalterlichen Inquisition, nur daß die Folterinstrumente nicht die glühenden Zangen, Daumenschrauben und die Streckbank sind, sondern ein öffentliches Verlesen der Namen aller betroffenen Frauen im Prozeß gegen Dr. Theissen,
({10})
Befragung über intimste persönliche Dinge, schikanöses und bereitwilliges Akzeptieren jeder Denunziation.
({11})
- Was mich als Frau daran besonders entsetzt, Herr Kollege, ist, daß hier wieder mal nach längst vergangen geglaubten Mustern mehr als 200 Frauen vor die Schranken des Gerichts gezerrt werden und hinter dessen Schranken ausschließlich Männer sitzen,
({12})
die über Situationen urteilen, in die sie sich kaum einfühlen können und die noch dazu Jahre zurückliegen.
({13})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Würfel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollten uns heute hier mit der Rechtslage auseinandersetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat 1975 ein eindeutiges Ja zur Notlagenindikation gesagt und die Unbestimmtheit des Notlagenbegriffes gewollt akzeptiert, da sich eine Notlage auf den Einzelfall bezogen jeweils verschieden darstellt. Schon damals wurden vielfältige Überlegungen angestellt, ob es ein Feststellungsverfahren geben kann, das dem Begriff „Notlage" Konturen verleiht. Der Gedanke, daß es ein staatliches Feststellungsverfahren, in dem die Entscheidung der Ärzte zur Notlagenfeststellung durch Gericht überprüft werden könnte, überhaupt geben könnte, wurde verworfen, weil dieses Verfahren für die Frauen als völlig unzumutbar angesehen wurde.
({0})
In dieser Einsicht, daß es kein Feststellungsverfahren, keinen objektiven Kriterienkatalog zur Feststellung einer Notlagenindikation geben kann, entschied sich die sozialliberale Koalition zur Fristenlösung. Die Fristenlösung hätte den Vorteil gehabt, daß sich damit das Problem der Stellung einer Notlagenindikation von selbst erledigt hätte. Die Vorgänge in Memmingen heute zeigen deutlich, daß wir damals mit unseren Überlegungen und unserer Beurteilung nicht falsch lagen.
({1})
Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers, daß sich eine Notlage nicht nach Mark und Pfennig berechnen läßt, verlangen die Memminger Richter in einem skandalösen, ungeheuerlichen Fragebogen, den sie mit einem noch fragwürdigeren Anschreiben an die ehemaligen Patientinnen des Dr. Theissen gesandt haben, Auskunft über die Lebensverhältnisse der Frau zur Zeit ihrer ungewollten Schwangerschaft. Es sind dies die Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Frau, nach ihren Schulden und deren Entstehungsgrund, nach dem Einkommen des Partners und dem Einkommen des Erzeugers, nach dem Einkommen der Eltern und deren Gesundheitszustand - man bedenke! - und nach dem Einkommen der Geschwister des werdenden Lebens. Das heißt, wenn ich mit 19 ein Kind bekommen habe, 44 bin, einen 25jährigen Sohn oder eine 25jährige Tochter habe, muß der bzw. die möglicherweise für die Kosten des Lebens herhalten, das dann entsteht. Es sind zum Teil auch Fragen nach der Privatsphäre, die jedes Maß übersteigen. Da wird z. B. nach der Identität des Erzeugers gefragt, der nicht Partner oder Ehemann ist - unter Angabe der Adresse - , nach der Dauer der Beziehung, nach den Hindernissen gegen eine Festigung dieser Beziehung, nach dem Grad der Kenntnisse des Partners oder der Eltern um die
Schwangerschaft und nach der Einstellung der Frau zu dem zu erwartenden Kind.
({2})
In dem Anschreiben zu diesem skandalösen Fragebogen wird beispielsweise suggeriert, daß mit der Beantwortung des Fragebogens ein öffentliches Gerichtsverfahren für die Frau vermieden werden könnte, was dann natürlich nicht der Fall war. Vielmehr führten die Antworten auf dem Fragebogen in den meisten Fällen erst zu einer Vorladung der betreffenden Frau.
Jetzt möchte ich Ihnen den letzten Absatz dieses Anschreibens vortragen; denn er ist so bezeichnend für den Gesamtvorgang. Da heißt es:
Sollten Sie
- also die betroffene schwangere Frau aber Wert darauf legen, daß Ihr Fall über den Inhalt des Fragebogens hinaus in der Hauptverhandlung weiter aufgeklärt wird, so bleibt es Ihnen unbenommen, den Ihnen übersandten Fragebogen nicht auszufüllen.
({3})
Ich glaube, wohl jedem denkenden und fühlenden Menschen bleibt bei diesem Zynismus erst einmal die Luft weg, wie man so etwas überhaupt versenden kann!
({4})
Jahre nach einer von den Frauen getroffenen Entscheidung maßen sich Richter an, die seelischen Aspekte der Entscheidung der Frauen nicht im mindesten zu berücksichtigen. Es gibt Notlagen von unendlicher Vielfalt, die eben nicht mit Geld zu beheben sind. Die Gesamtsituation ist entscheidend. Die psychosomatischen Ausfallerscheinungen sind nur von einem Arzt zu bewerten und können auch nur von einem Arzt bewertet werden. Sie entziehen sich der Urteilsfähigkeit des Richters. Das ist für mich der angreifbarste Punkt.
({5})
Die medizinisch-psychologische Dimension des Konfliktes kann nur von einem Arzt beurteilt werden und keinesfalls von einem Richter. Es ist doch eine Anmaßung ohnegleichen, sich einzubilden, man könnte das. Kein Arzt wird einem Juristen in rechtliche Fragestellungen hineinreden. Aber umgekehrt ist das jetzt in Memmingen der Fall.
({6})
Statt dessen ist es vom Gesetzgeber ja ganz bewußt in die Verantwortung des indizierenden Arztes gelegt worden, die Frage der Zumutbarkeit bei der Notlagenindikation zu prüfen. Man hat nach ärztlicher Einsicht zu entscheiden.
({7})
Ich glaube, daß die Richter eben nicht die Aufgabe haben und auch meines Erachtens nicht das Recht auf ihrer Seite haben, wenn sie wie in Memmingen die Frage der Zumutbarkeit prüfen, ohne kompetent zu sein, bei ihrer Beurteilung lediglich den Maßstab der finanziellen Verhältnisse anlegen und die Frauen bestrafen, auch wenn sie sich in Bedrängnis befanden - ist ein ganz bestimmter Passus im Recht - und sich vor dem Abbruch beraten ließen. In all diesen Fällen will der Gesetzgeber gar keine Bestrafung. In Memmingen ist das aber jetzt der Fall.
Frau Abgeordnete, Sie müssen jetzt zum Schluß kommen. Ich bin in der Aktuellen Stunde gehalten, die Zeit sehr genau einzuhalten. Ich habe das sehr großzügig ausgelegt, aber Sie müssen zum Schluß kommen.
Ja, das Licht blinkt.
Ich beende meine Ausführungen. Herr Lüder wird dort fortfahren, wo ich aufgehört habe.
({0})
Das Wort hat die Ab geordnete Frau Krieger.
Frau Würfel, jetzt stellt sich nur die Frage: Warum stimmt die FDP denn jetzt diesem Krankenkassenkompromiß zu, warum stimmt die FDP dem Beratungsgesetz zu?
({0})
Darauf haben Sie leider nicht geantwortet. Aber das muß in diesem Kontext auch diskutiert werden.
({1})
Auch zu Frau Süssmuth möchte ich etwas sagen, die dazu ja bisher gar nicht deutlich Stellung genommen hat. Vor der Wahl - daran kann ich mich gut erinnern - hat sie noch laut und deutlich versprochen, daß am § 218 nichts verändert wird. Praktisch stellen wir fest, daß das ein Thema ist, das gar nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt. Mit scheint das eine gute Arbeitsteilung zu sein: Die Ministerin spricht viel von Hilfe, von Beratung und von den Sorgen und Nöten der betroffenen Frauen, und das Justizministerium ist dann zuständig fürs Grobe, wenn es nämlich um die Strafverfolgung geht. Wenn es ernst wird, scheint Frau Süssmuth in der Versenkung verschwunden zu sein.
Da werden in Bayern reihenweise die Frauen abgeurteilt, da wird die Notlagenindikation so lange umdefiniert, bis von der Frau faktisch nichts mehr übrigbleibt, da spielen sich die Richter als moralische Oberinstanz auf und nehmen sich das Recht heraus, über das Leben von Frauen zu entscheiden, und die Frauenministerin hält sich raus.
Hinzu kommt: Memmingen bleibt ja kein Einzelfall. In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der polizeilich registrierten Fälle nach § 218 von 10 im Jahr 1987 auf 215 allein im ersten Halbjahr 1988 gestiegen. Das ist eine Steigerungsrate von 2 150 %. Memmingen bleibt also kein Einzelfall. Wenn das Schule macht, wird das fürchterliche Folgen für die Frauen in der Bundesrepublik haben. Deswegen ist das Verfahren in Memmingen so eine ernsthafte Angelegenheit für uns Frauen. Deswegen wächst auch der Widerstand gegen diesen Prozeß der Kriminalisierung von Frauen zur Zeit täglich.
Es geht für uns Frauen in dieser Frage um verdammt viel. Deswegen darf Memmingen nicht überall sein.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({0}).
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es hier eigentlich? Es geht zunächst einmal darum, daß nicht die Bundesregierung zuständig ist für das Auf-den-Weg-Bringen von Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaften und für Urteile von Gerichten, die im Einklang mit einem Gesetz handeln, das im übrigen nicht unter unserer Verantwortung, sondern 1976 entstanden ist. Dies möchte ich vor allen Dingen an die Adresse der Kollegen und Kolleginnen der SPD sagen!
({0})
Was nun dazu zu sagen ist, gibt, wie ich glaube, umfassend der Satz des Verfassungsgerichts wieder: „Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwikkelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. "
Meine Damen und Herren, wir haben im Falle Memmingen in über 150 Fällen gesehen, wie Leben vernichtet wurde, wie in über 150 Fällen der Betroffene überhaupt nicht zu Wort gekommen ist - konnte er auch gar nicht. Deswegen ist es eine Verkürzung der ganzen Diskussion und der Blickweise, hier nur das Einzelschicksal der Frau, so beklagenswert es im Einzelfall auch sein mag - wir machen es da uns nicht leicht -, im Mittelpunkt der Erörterung zu sehen.
({1})
Das Verfassungsgericht hat ja dem Schutz des ungeborenen Kindes
({2})
geradezu eine Vorrangstellung eingeräumt und erst dann in seinem Urteil ausgeführt im Hinblick darauf, was strafrechtlich machbar, vertretbar ist.
({3})
Deswegen, meine Damen und Herren, muß hier einfach darauf hingewiesen werden, daß diese Staatsanwälte und auch die Gerichte zunächst einmal ihrer Pflicht nachgekommen sind,
({4})
Werner ({5})
sich grundsätzlich schützend vor das Recht auf Leben zu stellen!
({6})
Ein zweites, meine Damen und Herren: Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, in dem der handelnde Arzt vor der Fernsehkamera zugegeben hat, im Wissen darum gehandelt zu haben, daß er gegen geltendes Recht verstößt. Dies sollten Sie doch auch zur Kenntnis nehmen und nicht einfach zur Seite schieben. Sie wissen doch ganz genau, wie der Ablauf eigentlich sein müßte: Beratung, Indikationsstellung, Abbruch. Dies verlangt ein hohes Maß an Verantwortung seitens der Frau, aber auch seitens des Arztes. Ich meine, wir sollten gerade aus den Memminger Vorgängen endlich die Konsequenz ziehen, die wir allerdings schon 1975 und 1976 hier aufgezeigt haben, daß wir nämlich endlich zur Kenntnis nehmen müssen, in welch hohem Maß der einzelne Arzt dann überfordert ist, wenn es darum geht, konkret-inhaltlich eine Indikation zu bestimmen.
({7})
In all diesen Fällen, die in Memmingen zur Diskussion stehen, ergeben sich je nach unterschiedlicher Auffassung der Rechtslage unterschiedliche Folgerungen; für die einen wurde zu viel, für andere zu wenig gehandelt. Ich finde, wir sollten es uns auch nicht so einfach machen, jetzt das Ganze in einen parteipolitichen Hickhack hineinzuziehen
({8})
und dies auch noch mit einer Frage zu verbinden, die wir in den Reihen der Koalition streitig, aber in freundschaftlichem Streit miteinander diskutieren.
({9})
Ich glaube, es ist ganz wichtig, daß wir uns hier aller Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit nicht nur gegenüber den betroffenen Frauen, sondern auch gegenüber den betroffenen - ich gehe davon aus, sie sind betroffen - Anwälten und Richtern enthalten. In der Art und Weise, wie Sie bisher diese Diskussion geführt haben, kommen mir Zweifel, ob Sie es tatsächlich mit dem Anliegen des umfassenden Schutzes auch des ungeborenen Lebens ernst meinen, meine Damen und Herren.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Blick zurückwerfen. Vor der Reform wurde die Rate der legalen und illegalen Abbrüche auf rund 250 000, 260 000 geschätzt; so Friedrich Graf von Westphalen, kein Sozialdemokrat. Die Schätzung der katholischen Bischöfe lag höher. Vor der Reform gab es pro Jahr rund 100 tote Frauen infolge eines verbotenen Eingriffes, und vor der Reform gab es so gut wie keine Beratung, keine Aufklärung und auch relativ wenig Unterstützung für die in Not Geratenen. Die Reformbewegung hat hier einen großen Fortschritt gebracht, den wir nicht zerreden sollten. Jetzt ist mit Sicherheit - entgegen allen Unkenrufen - die Rate der Aborte sicher nicht höher geworden;
({0})
ich glaube eher, es sind weniger. Ich will nicht rechten über die Zahlen, die wir haben, aber niemand wird an der Seriosität des Max-Planck-Instituts zweifeln. Wenn man dort fragt, dann liegen die Deutschen im Schnitt bei vorsichtigen Schätzungen pro tausend der Bevölkerung im Verhältnis zu vergleichbaren Ländern im unteren Spektrum.
Es gibt keine toten Frauen mehr infolge eines verbotenen Eingriffs. Es gibt mehr Hilfe, mehr Organisation, und wir wissen auch sehr viel mehr. Ich meine, es geht darum, diesen Weg der Reform weiterzuführen, ihn fortzuführen.
({1})
Deswegen hilft es nicht - der hier steht, hat maßgebend an der Fristenregelung mitgewirkt -,
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einerseits zu sagen, § 218 gehört abgeschafft, und andererseits geht es genauso wenig an, wenn hinten herum der Versuch unternommen wird, das Rad der Reformgeschichte zurückzudrehen.
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Und es wird zurückgedreht, wenn der Versuch unternommen wird, die Indikationenregelung oder aber die Notlagenindikation verfassungsrechtlich immer und immer wieder in Frage zu stellen, wenn der Versuch unternommen wird, die Übernahme der Kosten auf Krankenschein für die Notlagenindikation herauszuschießen.
Hier sage ich zu den Führenden in der CDU/CSU: Jede Fraktion hat - das ist in der Geschichte des Parlamentarismus nun einmal so - Leute, die zu etwas extremeren Handlungen neigen, und es geht darum, diese zu zügeln. Hier lassen Sie Ihre Hardliner gewähren mit der Folge, daß eine Klimaverschlechterung entsteht, bei der Furchtbares geschieht.
({4})
Sie wissen, ich war Staatsanwalt und Richter, und mir steht es aus diesem Grund nicht zu, schon jetzt endgültige Wertungen zum Verfahren in Memmingen zu treffen. Aber es muß erlaubt sein - einige Verfahren sind bereits rechtskräftig - , wenn eine Richtung eingeschlagen wird, die wir alle nicht vertreten können, dazu auch einiges deutlich zu sagen, und ich nehme hier kein Blatt vor den Mund.
Dieser ganze Bundestag hat vor nicht allzu langer Zeit einmütig einem Gesetz zugestimmt, bei dem es strafrechtlich um den Schutz des, vornehmlich: der
Betroffenen ging. Das war das sogenannte Opferschutzgesetz. Ich habe hier von allen Seiten sehr vorsichtige und behutsame Töne gehört. Was in Memmingen geschieht, ist keineswegs im Geiste des Opferschutzgesetzes.
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Schon jetzt - dies sage ich mit aller Deutlichkeit - steht, jedenfalls für mich, fest: Dieser Prozeß in Memmingen wird keine abschreckende Wirkung mit dem Ziel haben, weniger Abbrüche zu erreichen. Er hat auf ganz andere Art abschreckende Wirkung.
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Ich sage ein weiteres: Er hinterläßt jetzt schon Menschen, die tief in ihrer Fraulichkeit verletzt sind und die an diesem Staat zweifeln.
Ich schließe mit einem, wie ich meine, sehr ernst gemeinten Hinweis ab, der an jeden gerichtet ist, der in diesem Staat Verantwortung trägt: Gefragt ist nicht kühle und blanke Legalität, gefragt ist Vorsicht und auch ein Stück Demut, denn pure Legalität wird allzu leicht illegitim und schlägt die Gesetzlichkeit.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was in Memmingen geschehen ist, geschieht und - wir müssen dies befürchten - auch weiterhin geschehen wird, wird uns unter verschiedenen Aspekten in diesem Hause noch weiter beschäftigen müssen.
Ich will mich hier im Gegensatz zu der ersten Rednerin der GRÜNEN nicht zum Verteidiger von Herrn Theissen aufschwingen. Das, was er getan hat, scheint strafrechtlich relevant zu sein; ich bin ganz vorsichtig. Ich bin hier aber nicht der Verteidiger. Nur, für uns - so glaube ich - stellt sich die Frage - dieser werden wir im Innenausschuß einmal nachgehen müssen - , ob es eigentlich Rechtens ist, daß, wenn jemand verdächtigt wird, Steuerhinterziehung begangen zu haben und dann eine Datei beschlagnahmt wird, da das Schweigerecht des Mediziners endet, und ob man allein wegen der Verdächtigung eine Datei beschlagnahmen kann und dann alle Patienten erst einmal vor den Kadi und in ein Ermittlungsverfahren ziehen kann.
({0})
Ein zweiter Punkt - das sage ich zu den Kollegen der CDU/CSU - : Wir machen hier keinen Eingriff in ein schwebendes Verfahren; aber das, was unstreitig feststeht, das ist einfach zu schlimm. Es gibt einen Grundsatz in diesem Staat, daß man nicht Strafwürdiges dadurch bekämpfen darf, daß man rechtswidrig vorgeht.
Wenn man den Fragebogen sieht - ich habe es nicht geglaubt; ich habe der Mitarbeiterin von Frau
Würfel heute morgen gesagt, daß ich es schriftlich sehen muß; ich habe es nicht geglaubt - und feststellt, daß da keine Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht, ein Grundessential des Rechtsstaates, enthalten ist,
({1})
wenn man sieht, daß in diesem Fragebogen nach dem Zustand der Ehe, nach dem Verhältnis der erwachsenen Schwangeren zu ihren Eltern und nach dem Herkommen des Geldes für eine möglicherweise legale Abtreibung gefragt wird, und wenn dies alles ein deutscher Richter geschrieben hat, dann finde ich: Die Kollegen in Mainz beim Deutschen Juristentag sollten
sich überlegen, ob sie dies nicht noch aktuell aufgreifen. Wir jedenfalls werden uns mit der Frage noch befassen müssen.
({2})
Da ich nur noch zwei Minuten habe, will ich zwei Konsequenzen aufzeigen, die sich für mich schon heute aus diesem Vorgang ergeben. Frau Kollegin Krieger, Sie haben die Haltung meiner Fraktion etwas vorschnell prognostiziert. So wird es nicht sein.
Erstens. Wir werden bei den Erörterungen zum Beratungsgesetz die schmerzlichen Erfahrungen aus Memmingen mit berücksichtigen. Wir wissen jetzt, wozu Juristen- und Verwaltungshirne fähig sind. Dies muß Eingang finden in die Beratungen.
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Wir müssen deswegen festlegen, a) daß bundeseinheitlich, ohne Ausrutscher in Bayern, beraten wird, wenn es denn ein Beratungsgesetz gibt, und b) daß die ambulante Abtreibung auch in allen deutschen Landen zulässig sein muß.
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Zweitens. Es ist davon gesprochen worden, die Abtreibung auf Krankenschein, wie das in einer mir nicht ganz passenden Sprache gesagt wird, nicht in das Gesundheitsreformgesetz zu übernehmen. Aber auch den Frauen, die glauben, abtreiben zu müssen, oder dies tatsächlich müssen, bei denen jedenfalls eine Indikation festgestellt wird, muß die Abtreibung von den Krankenkassen bezahlt werden. Wir werden nicht zulassen, daß hier ein möglicherweise zweifelhaftes Gesetz bestehen bleibt, sondern wir werden darauf drängen, daß wir, wenn es schon nicht in das Gesundheitsreformgesetz wortwörtlich aufgenommen wird, eine Anleihe im Grundgesetz machen. Im Grundgesetz hat man z. B. die Religionsvorschriften der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich übernommen. Sie dürfen nur mit der für eine Grundgesetzänderung erforderlichen Mehrheit geändert werden. Wir können gerne alte Bestimmungen formal übernehmen. Dann braucht niemand neu zu buchstabieren, was bisher geltendes Gesetz ist. Aber wir sind sicher, daß man nicht so in einem Nebensatz eine Änderung erreichen kann, die wir vermeiden wollen. Wir wollen die bisherige Rechtslage konstant festschreiben. Frau Adam-Schwaetzer hat das heute morLüder
gen im Westdeutschen Rundfunk sehr deutlich gesagt, und ich unterstreiche das mit Nachdruck.
({5})
Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Becker-Inglau.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Der Erfindungsreichtum der CDU/CSU, die Rechte der Frauen, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, auszuhöhlen, ist wirklich grenzenlos. Ich will nur einige Stationen nennen:
1983 gelingt es nach einem Urteil des Sozialgerichts Dortmund nicht, die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen herauszunehmen. Der Angriff auf die Rechte der Frauen wird abgewehrt.
1988 stellt das Bundesverfassungsgericht erneut fest, daß es verfassungskonform ist, die Leistungen für den Abbruch einer Schwangerschaft aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu bezahlen.
({0})
Der Angriff auf die Rechte der Frauen wird abermals abgewehrt.
Nun glauben Sie, erneut eine Möglichkeit entdeckt zu haben, einen Einbruch in die Rechte der Frauen zu wagen. Dazu ist Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, kein Mittel - in diesem Fall das Gesundheitsreformgesetz - zu schade.
({1})
Pikanterweise nutzen Sie Ihre Ideologie zum § 218 zugleich als Druckmittel gegen die von Arbeitsminister Blüm geplante sogenannte Gesundheitsreform, die ja in Wahrheit keine ist. Ich verstehe ja, daß Sie nach einem Weg gesucht haben, diese sogenannte Reform zu Fall zu bringen, aber Sie machen hier einmal mehr deutlich, daß Sie nicht in der Lage sind, geltendes Recht von einer gesetzlichen Regelung in eine andere zu übernehmen, hier von der RVO in das GRG.
In diesem Punkte bin ich natürlich auch darüber erschüttert, daß die FDP dieses Spiel mitmacht. Ich denke, Sie sollten die Worte von heute in Taten umsetzen!
({2})
Ich denke auch, daß es wichtig wäre, daß die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion endlich zur Kenntnis nehmen, daß auch die soziale Notlagenindikation seit 1976 verfassungskonform ist. Nehmen Sie doch bitte auch endlich zur Kenntnis, daß soziale Notlagen nicht nur materiellen Charakter haben. Wenn das so wäre, hätte Ihre Ministerin, Frau Süssmuth, bei den familienpolitischen Vorstellungen, die sie uns immer deutlich machen will, doch längst gesetzliche Regelungen gefunden, den Frauen alle notwendigen Hilfen zuteil werden zu lassen.
({3})
Aber ich unterstelle, Sie haben genau erkannt, daß es nicht nur auf materielle Hilfen ankommt. Das Beispiel liefern Sie selbst mit Ihrem Zufalls- oder Glücksspielprogramm „Stiftung Mutter und Kind", mit dem Sie nach dem Prinzip verfahren „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" oder besser „Krieg dein Kind im Frühjahr, dann ist auch noch Geld da".
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Wäre es Ihnen mit den materiellen Hilfen ernst, hätten Sie dieses Programm bereits auf eine gesetzliche Grundlage mit Rechtsanspruch für die Frauen gestellt.
({5})
Ich unterstelle weiter, daß Sie die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts auch in diesem Punkt kennen. Ich zitiere:
Das Lebensrecht des Ungeborenen kann zu einer Belastung der Frau führen, die wesentlich über das normalerweise mit einer Schwangerschaft verbundene Maß hinausgeht. Es ergibt sich hier die Frage der Zumutbarkeit, mit anderen Worten die Frage, ob der Staat auch in solchen Fällen mit den Mitteln des Strafrechts die Austragung der Schwangerschaft erzwingen darf. Achtung vor dem ungeborenen Leben und das Recht der Frau, nicht über das zumutbare Maß hinaus zur Aufopferung eigener Lebenswerte im Interesse der Respektierung dieses Rechtsgutes gezwungen zu werden, treffen aufeinander. In einer solchen Konfliktlage, die im allgemeinen auch keine eindeutige moralische Beurteilung zuläßt und in der die Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft den Rang einer achtenswerten Gewissensentscheidung haben kann, ist der Gesetzgeber zu besonderer Zurückhaltung verpflichtet.
Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, wollen als Ausweg aus dieser sozialen Notlage von den Frauen erzwingen, das Ungeborene auszutragen und das ungewollte Kind zur Adoption freizugeben. Dies, meine Damen und Herren, ist Stimmungsmache und Umkehr des vom Bundesverfassungsgericht gewollten Rechts der Frauen. Denn Adoption ist nicht zwingend zumutbar.
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Das ist also eine Notlage, die nicht durch materielle Hilfen gelöst werden kann.
Ich will nicht, daß Frauen zur Abtreibung gezwungen werden. Ich will aber auch nicht, daß Frauen zur Geburt gezwungen werden.
({7})
Begründen möchte ich das mit einem Zitat von Elisabeth Dessai:
Wer das Mutterglück preist, kann nicht gleichzeitig auf Zwangsgeburten setzen, es sei denn, er wollte sich selbst als Lügner entlarven. Was beglückend und erstrebenswert ist, braucht nicht erzwungen zu werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Geis.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß es bei der Diskussion um den Memminger Prozeß nicht wirklich um die Art und Weise der Ermittlung des Tatbestandes geht, sondern daß das, was Sie hier leisten, letztendlich ein Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens ist.
Ich kann mir nicht vorstellen - ich bin lange genug in der juristischen Praxis tätig -, daß Sie nicht wissen, daß in vielen anderen Fällen, wo es um weit geringere Rechtsgüter und um weit geringere Strafrechtsnormen und Ordnungswidrigkeitennormen geht, ganz erhebliche Ermittlungen angestellt werden, die sehr, sehr tief ins Privatleben des einzelnen gehen. Kein Mensch hat sich je dagegen gewandt. Denken Sie nur einmal daran, welche Ermittlungen angestellt werden, wenn es um das Steuerstrafrecht und das Bagatellsteuerstrafrecht geht.
({0})
- Sie lachen nur, weil Sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich nicht kennen.
({1})
Kein Mensch wehrt sich dagegen. Deswegen meine ich, sollten wir mit größter Zurückhaltung die Staatsanwälte beurteilen, die in Memmingen ermittelt haben. Ohne genaue Kenntnisse der Umstände sollten wir da sehr vorsichtig sein.
({2})
Aber es geht Ihnen nicht um die Ermittlungen. Es geht Ihnen um den Angriff auf den § 218a,
({3})
den nicht wir geschaffen haben, sondern den die SPD selber geschaffen hat. Darum geht es Ihnen.
({4})
- In dieser Aktuellen Stunde sollte es eigentlich um die Rechte der Frauen gehen. Aber Sie sollten sich ein wenig auch einmal darüber Gedanken machen, worum es in Wirklichkeit geht: Es geht nämlich um
das Lebensrecht der Kinder; darum geht es in Wirklichkeit.
({5})
Wir müssen immer wieder bedenken, daß es bei dieser ganzen Diskussion, bei dieser ganzen Auseinandersetzung letztendlich um Tod geht, um den Tod noch nicht geborener Kinder geht.
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Sie dürfen nicht meinen, daß es uns, die wir uns gegen die Finanzierung der Abtreibung wenden, um die Beschneidung der Rechte der Frauen geht. Vielmehr geht es uns um das Recht des noch nicht geborenen Kindes. Es geht uns um die Tatsache, daß jährlich 250 000 Kinder in der Bundesrepublik Deutschland legal abgetrieben werden, und das im Namen der sozialen Indikation.
Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, möchte ich einmal ins Gedächtnis zurückholen, was Adolf Arndt - Ihr großer Jurist, hochgeachtet - zur sozialen Indikation gesagt hat: Das ist nichts anderes als die Bankrotterklärung des Staates, und zwar deshalb, weil der Staat die Frau letztendlich vor die Alternative stellt, zu töten.
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Das ist letztendlich eine Bankrotterklärung.
Wir als Sozialstaat müßten alles tun, um der Frau zu helfen, das Kind annehmen zu können,
({8})
auch so zu helfen, daß wir ihr die Adoption ermöglichen. Auch da sollten wir etwas freier urteilen und diese Möglichkeit etwas freier in Erwägung ziehen.
Noch ein Wort zu Ihnen und zur Frage des § 200 f der Reichsversicherungsordnung. Ich wiederhole: Es ging uns nicht um die Beschneidung - ({9})
- Vielleicht können Sie mich mal ausreden lassen.
({10})
Frau Abgeordnete Unruh, der Gegenstand, der sicher sehr heikel ist, gebietet eine gewisse Zurückhaltung auch in den Zwischenrufen. Ich wäre dankbar, wenn Sie das respektieren würden.
Weder 1983 noch 1988 hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil darüber gesprochen, ob die Abtreibungsfinanzierung gemäß § 200 f der Reichsversicherungsordnung verfassungskonform ist. Das war nie Thema des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.
({0})
Lesen Sie bitte die Urteile nach, um bei der Wahrheit zu bleiben!
Ich sage es noch einmal: Wir sind politisch klug genug, um zu wissen, daß wir mit der FDP zusammen keine Änderung der Reichsversicherungsordnung herbeiführen. Aber ich bitte Sie, zu verstehen, daß wir, die wir anerkanntermaßen und auch öffentlich erklärtermaßen gegen diese Regelung sind, jetzt nicht im Wege des Gesundheitsreformgesetzes diese §§ 200f und 200 g der Reichsversicherungsordnung durch die Annahme des Strukturgesetzes auch noch sanktionieren wollen.
({1})
Ich bitte Sie, Respekt davor zu haben, und ich glaube, das können wir auch zusammen mit Ihnen erreichen.
Danke schön.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Frau Süssmuth.
({0})
- Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Memmingen ist ein bedrückender Zustand. Ich denke, es steht mir nicht an - ich werde es auch nicht tun - , in ein schwebendes Verfahren einzugreifen.
({0})
Aber es zeigt zugleich, wie wenig wir bis heute in der Lage sind, dieses Problem zu lösen. Memmingen mag für den einen heißen: Der Rechtsstaat funktioniert. Nur, das Problem ist damit nicht gelöst.
Ich kann hier nicht Stellung nehmen, ohne mich in die Lage der Frauen zu versetzen, aus deren Sicht es immer zugleich um beides geht, um ihre eigene Situation und die Situation des Kindes. Ich bitte uns alle darum, nicht ständig die einen gegen die anderen auszuspielen, sondern beide gemeinsam zu sehen.
({1})
Aus der Sicht beider geht es darum, daß wir auch dort, wo der Rechtsstaat tätig werden muß, sensibel und menschlich Recht durchsetzen.
Ich frage, ob unsere Strafprozeßordnung eine Abwicklung erforderlich macht, wie sie in Memmingen zutage tritt.
({2})
Nicht im Augenblick, aber wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist, sind für mich an die Strafprozeßordnung eine Menge Fragen - möglicherweise mit entsprechendem Regelungsbedarf - zu richten.
({3})
- Trotzdem läuft das Verfahren noch. Später allerdings bedürfen die Fragen, die heute aufgeworfen worden sind - sowohl die Frage nach dem Öffentlichmachen wie die Frage der Fragebogen - , einer Prüfung.
({4})
- Entschuldigen Sie, es gilt, daß ich mich in ein laufendes Verfahren nicht einzumischen habe. Das nimmt nichts von meiner Bedrückung und auch nichts von meiner Einschätzung, daß Dinge, die wir so abhandeln, dem Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens aus meiner Sicht nicht weiterhelfen.
({5})
Ich gehe davon aus, daß die Reaktionen der Frauen bitterer werden. Nicht Angst führt zum Leben, sondern die Liebe zum Leben wird uns weiterbringen, und deswegen bleibe ich dabei. Ich propagiere nicht nur, wie Sie behaupten, Helfen statt Strafen, sondern dies ist zutiefst meine Überzeugung. Gerade der aktuelle Fall zeigt, wie wichtig es ist, daß nicht nur einige wenige, sondern alle Frauen und Männer hier im Parlament gleichermaßen für Situationen kämpfen, in denen Leben seelisch und materiell angenommen werden kann; denn beides gehört zusammen. Davon sind wir aber noch weit entfernt: Täglich erreichen mich Briefe - ich greife nur einen Bereich heraus - des Inhalts, daß in ländlichen Räumen ein drittes und ein viertes Kind angenommen wird, obwohl die wirtschaftliche Lage mehr als unzureichend ist.
({6})
Ich hoffe auf all diejenigen, die sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzen, und ich rechne auf unsere Abgeordneten, daß sie mich nicht allein lassen, wenn es um familienpolitische Leistungen geht,
({7})
sei es im Rentenrecht oder im Familienlastenausgleich.
({8})
- Mir können Sie den Vorwurf nicht machen, daß ich mich in diesem Bereich nicht mit allem Engagement einsetze und auch Unterstützung - wie es gerade im Rentenrecht deutlich geworden ist - dabei erfahre.
({9})
- Es geht hier nicht um „Feigenblätter", sondern auch für Ihre Person um ein gemeinsames Engagement in den gleich wichtigen Bereichen Schutz des ungeborenen wie des geborenen Lebens.
({10})
In diesem Zusammenhang möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen. Es wird erklärt, mit der Freistellung bei der Adoption sei dieses Problem zu lösen. Ich mache uns alle noch einmal darauf aufmerksam, daß eine Adoption, wo immer sie von Frauen als Ultima ratio akzeptiert wird und notwendig ist, ein sehr
schmerzvoller Prozeß ist. Diskriminieren wir Frauen nicht, die dies so entscheiden!
({11})
Aber gehen wir auch nicht davon aus, daß dies der Regelfall sein kann! Wir sind gerade dabei, auch bei der Leihmutterschaft und bei der heterologen Insemination, die Dinge kreuz und quer durcheinanderzuwerfen und zu sagen: Wir wollen das alles, weil man es nicht verbieten kann und schließlich gibt es doch noch die Adoption.
Ich möchte jeder Mutter und jedem Kind wünschen, daß sie miteinander leben können und daß nur in den Fällen, in denen dies nicht abwendbar ist, eine Adoption vorgenommen wird. Ich bleibe strikt dabei, daß auch nach der Geburt der Frau die Entscheidung über die Adoption offenstehen muß.
({12})
Das geht zwar leicht über die Lippen. Aber mir scheint es notwendig zu sein, daß diejenigen, die hier so vehement um Lösungen ringen, sich fragen müssen: Was läuft eigentlich dabei in den Frauen ab? Ich habe unlängst erlebt, daß die einen unglücklich waren nach einer Frühgeburt, die anderen, weil sie einen Abbruch hinter sich hatten. Bevor wir den ersten Stein werfen, sollten wir also überlegen, wie kompliziert die Lebenslagen sind und wie schwierig es ist zu urteilen. Ich gestehe jedem zu, der in sehr schwieriger Lage urteilen muß, daß er umfangreiche Recherchen anstellt. Aber ich wünschte, daß er dafür nicht im innersten Bereich der Menschen herumschnüffeln muß. Es ist für mich ein Unterschied, ob wir Steuertatsachen ermitteln oder in diesem Bereich menschlichen Lebens in die Intimität gehen müssen.
({13})
Es wird uns im letzten auch verwehrt sein, hier Antworten zu erhalten. Insofern fand ich sehr wichtig, was Herr de With zur Demut gesagt hat, zu dem, was wir nicht ermitteln können.
Deswegen bleibt für mich auch die notwendige Forderung, daß wir Frauen in schwerer Notlage von der Hilfe der Krankenkassenfinanzierung nicht ausschließen. Die bestehenden Rechtsgrundlagen müssen geltendes Recht bleiben. Insofern antworte ich noch einmal: Die geltende Rechtslage - so habe ich gesagt - wird nicht verändert.
({14})
Es bleibt dabei, daß gerade die jüngsten Vorgänge mir noch einmal zeigen: Wir lösen dieses Problem, sei es in Memmingen, sei es in Kiel oder in Lübeck, nicht durch Strafe, sondern wir müssen uns mit sehr viel mehr Tatkraft andere Wege einfallen lassen. Deswegen ist „helfen statt strafen" der richtige Grundsatz. Ich hoffe, wir wenden den Grundsatz auch an. - Ich danke Ihnen.
({15})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt ({0}).
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Ich bin dankbar dafür, daß wir diese Aktuelle Stunde heute haben, weil ich das erste Mal seit langer Zeit eine Chance sehe, daß wir von der vergangenen unerträglichen Diskussion wegkommen können. Ich nenne die Diskussion, die jetzt seit mehr als einem Jahr zu der Frage von Schwangerschaftskonflikten stattgefunden hat, deshalb unerträglich, weil sie im wesentlichen
- Herr Geis, erlauben Sie mir das - kleinkariert, borniert und unsensibel für die tatsächliche Situation von Müttern, Kindern und Familien war und ist.
({0})
- Ich bitte Sie, Herr Kollege Jäger, jetzt hören Sie doch bitte einmal auf! Dieses Thema verträgt diese blöden Zwischenrufe nicht.
({1})
- Nein, Herr Geis.
({2}) Es geht mir hier um etwas.
({3})
Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil persönliche Moralvorstellungen
({4})
und ethische Überzeugungen, die ich respektiere
({5})
und teilweise sogar teile, weil für mich bestimmte Dinge ebenfalls nicht in Frage kommen - aber nur für mich persönlich und ich maße mir nicht an, sie anderen zu oktroyieren -,
({6})
Herr Geis, mit einem kleinkrämerischen Feilschen wie z. B. der Diskussion über die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen nach der RVO in den Schmutz gezogen werden. Herr Geis und die anderen Kollegen, hier wird doch Gewissen for show betrieben,
({7})
hier wird doch in Wirklichkeit überhaupt nichts verändert, und es wird hier gleichzeitig nicht für Überzeugungen gekämpft, sondern Frauen werden unter Druck gesetzt, und Ärzte werden genötigt.
Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil sie das Klima für Memmingen und Nürnberg und anderswo schafft und weil sie Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten schafft. Ich nenne diese Diskussion unerträglich, weil sie die tatsächliche Art von Schwangerschaftskonflikten nicht zur Kenntnis nimmt und sie
Frau Schmidt ({8})
einerseits auf die Vorstellung reduziert, es ginge den Müttern um irgendeine ominöse Selbstverwirklichung, und andererseits darauf, es ginge nur um materielle Hilfen. Frau Süssmuth, ich möchte Sie heute nicht so verstanden haben, daß es nur um materielle Hilfen geht.
Sie, die Minderheit in diesem Parlament, sind einfach nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich bei diesem Konflikt um vielschichtige Probleme handelt, z. B. um Ängste, die durch den Staat überhaupt nicht regelbar sind, z. B. um Angste, verlassen zu werden, Liebe zu verlieren, Ängste, nicht stark genug zu sein, als ältere Frau ein weiteres Kind aufzuziehen - das hat mit materiellen Dingen überhaupt nichts zu tun -, um die begründete Furcht, alles, was eine Frau bisher in ihre Berufsausbildung investiert hat, unwiederbringlich zu verlieren und als Perspektive für sich und ihr Kind lebenslange Sozialhilfe zu sehen.
Wir haben im Zusammenhang mit der Diskussion um das Schwangerenberatungsgesetz, von der ich mir wünschen würde, daß sie jetzt auch endlich einmal beendet wird, mehr als 250 Beraterinnen aus unterschiedlichen Bundesländern und unterschiedlichen Trägerorganisationen befragt. Wir werden Ihnen diese Dokumentation zur Verfügung stellen. Ich zitiere aus den uns zugegangenen Zuschriften. Da wird zum Schwangerenberatungsgesetz gesagt:
Es ist der Versuch einer gesetzlich verordneten Beeinflussung der Schwangeren. Sie führt nach unserer langjährigen Erfahrung nur dazu, daß die Frau bei ihrer vorgefaßten Entscheidung bleibt und sich in dem Beratungsgespräch nicht öffnet. Schwangere Frauen brauchen nicht Entmündigung, Disziplinierung und Einengung der Entscheidungsfindung, sondern Stärkung ihrer Psyche, menschliches Verständnis und Unterstützung dabei, eine Entscheidung zu treffen, zu der sie jetzt und in Zukunft stehen können.
({9})
Hier von außen reglementierend einzugreifen ist der Versuch, eine Verantwortung zu übernehmen, die letztlich nur die Schwangere selbst tragen kann. Daher ist der beste Schutz des ungeborenen Lebens die Stärke der Psyche der Schwangeren.
Wir fordern Sie daher auf, das Schwangerenberatungsgesetz wenn irgend möglich zu den Akten zu legen; Memmingen sollte dafür Anlaß sein.
({10})
Wir fordern Sie auf, die Diskussion über die Finanzierung der Notlagenindikation abzubrechen. Wir fordern Sie auf, mit uns gemeinsam Hilfen mit Rechtsanspruch und keine kurzfristigen Geldbeträge für Mütter, Kinder und Familien zu schaffen, wie wir sie bereits vorgeschlagen haben. Wir fordern Sie auf, endlich ein umfassendes Aufklärungskonzept vorzulegen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.
({11})
Wir fordern Sie auf, mit uns darüber nachzudenken,
wie Frauen in Konfliktsituationen entkriminalisiert
werden können, wie also mit der Forderung Hilfe statt
Strafe - die in diesem Haus einmal Konsens gewesen ist, bei allen Unterschieden - endlich Ernst gemacht werden kann; denn nur so ist Leben wirksam zu schützen, das Leben von Frauen, Müttern, von geborenen und ungeborenen Kindern.
({12})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eines, Frau Schmidt: Bei allen gemeinsamen Sorgen kann ich nicht akzeptieren, daß Sie die ernsten Bedenken meiner Kollegen als „Gewissen for Show" klassifizieren.
({0})
Bei all dem, was wir sonst auch mit Ihnen an Gemeinsamkeiten haben, meine ich: dies sollten wir im Umgang miteinander nicht tun.
Ich bin sehr dankbar für das, was Frau Süssmuth gesagt hat; denn die Frage der funktionierenden Rechtsordnung ist das eine. In dem Memminger Verfahren - zunächst wegen Steuerhinterziehung - ergab sich das Ermittlungsverfahren gemäß § 218. Da ist zur rechtlichen Seite vieles festzustellen.
({1})
- Das ist so. - Ich meine, der Schutz menschlichen Lebens ist die alles überragende Aufgabe. Die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber der Mutter. Daran kann kein Zweifel bestehen.
Daß es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt, in das wir nicht eingreifen sollten, müßte allgemeine Übereinstimmung sein. Bei diesem Verfahren sollte man nur mit äußerster Zurückhaltung Werturteile abgeben, zumal der Inhalt, die Aussagen der Zeugen und der Betroffenen in ihrer Gänze eigentlich nicht bekannt sind. Ich habe nicht allzu gute Erfahrungen gemacht, wenn ich mich allein auf Medienberichte verlassen habe, weil es sich vielfach um angebliche Aussagen und Bekundungen von Betroffenen gehandelt hat und auch nur Teilaspekte wiedergegeben wurden.
({2})
- Sie können sicher sein, daß ich das tun werde.
({3})
- Ich kann das auch alleine. - Nicht zuletzt auf Grund von Veröffentlichungen habe ich den Eindruck, daß eine Form von Hysterie geschürt wird, die dem Anliegen der Frauen nicht dient.
({4})
Ich kann nur sagen: Ich bin ganz sicher, daß wir das, was Frau Süssmuth angekündigt hat, nach dem Verfahren hier gemeinsam besprechen werden.
({5})
Auch ich bin nicht der Meinung, daß der Fragebogen - so er denn so ist, wie er geschildert worden ist - auch nur andeutungsweise der Schwere einer solchen Entscheidung und der Notwendigkeit der Prüfung gerecht werden kann. Es geht darum, daß die Notlagen- oder soziale Indikation auf der Erwägung beruht, „daß auch die allgemeine soziale Lage der Schwangeren und ihrer Familie Konflikte von solcher Schwere erzeugen kann, daß von der Schwangeren über ein bestimmtes Maß hinaus Opfer zugunsten des ungeborenen Lebens mit den Mitteln des Strafrechts nicht erzwungen werden können" . Ich weiß nicht, ob man im nachhinein die Frage, ob eine Notlage vorgelegen hat, mit einem derartigen Fragebogen wird beantworten können. Da habe auch ich meine Bedenken. Ich glaube auch nicht, daß die Intimsphäre der betroffenen Frauen und Familien in einem so kleinen Umfeld gewahrt werden kann.
Wir dürfen aber nie vergessen, daß es sich hier auch um die Frage handelt, wie wir ganz allgemein mit dem Schutz des Lebens, des geborenen wie des ungeborenen, umgehen. Es ist die Frage der Kinder genauso anzusprechen wie die Frage, wie die Frauen hier behandelt worden sind. Ich habe den nicht unbegründeten Verdacht, daß dort eine ganze Menge an Einschüchterung geschehen ist, weil Frauen diese Form von Erfahrung - auch im Umgang mit Gerichten niemals vorher gemacht haben.
Ich meine schon, wir sollten uns dort, wo Unrecht praktiziert worden ist, darum kümmern, daß der Schutz des Rechtes - in diesem Fall zum Schutz des Schwächsten - unser Hauptanliegen ist. Aber ich bin auch der Meinung: So wie Herr de With und auch Herr Kollege Lüder die Dinge angesprochen haben, werden sie uns im Laufe der kommenden Wochen und Monate sicherlich noch beschäftigen, vor allen Dingen nach Beendigung des Verfahrens.
Danke schön.
({6})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Limbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, das uns heute beschäftigt, sollte an allererster Stelle eigentlich Anlaß dazu sein, Polemik, Zurufe, die nicht angemessen sind, und riskante Formulierungen zu unterlassen. Auf der einen Seite geht es darum, daß Mütter nach wie vor glauben, Kinder nicht gebären zu können, und deshalb, so sage ich mal, Kinder aus Verzweiflung, wie ich das sehe, töten, weil sie zu diesem Leben nicht ja sagen können. Andererseits geht es darum - und auch das ist ein hohes Rechtsgut - , den Rechtsstaat auch Rechtsstaat sein zu lassen. Da sind eben Formulierungen wie „Handstreich" im Zusammenhang mit dem Strafprozeß und der Strafprozeßordnung, meine ich, nicht angebracht.
Es ist hier vorhin einmal davon gesprochen worden, was für ein Klima geschaffen wird.
({0})
- Ja, was für ein Klima geschaffen wird. - Ein Klima schafft man aber sicher nicht dadurch, daß - wie das in einem Zuruf zum Ausdruck kam - darzutun versucht wird, Frauen seien gegen Frauen,
({1})
wenn es Frauen gibt, die sich für den Schutz des ungeborenen Lebens in gleicher Weise wie für den Schutz des geborenen Lebens verwenden, wenn es Frauen gibt, die hier stehen und für eine Politik eintreten, die sowohl den Schutz des ungeborenen Lebens verfolgt als aber auch versucht, die Bedingungen zu schaffen, die der Staat für die Fähigkeit von Frauen schaffen kann, zu dem Kind ja zu sagen.
({2})
- Frau Unruh, wenn ich daran denke, wie empfindlich Sie reagieren, wenn im Ausschuß einmal einer der Kollegen zu einem anderen Kollegen eine kleine Zwischenbemerkung macht, dann weiß ich nicht, ob es angemessen ist, daß Sie in dieser Debatte hier ständig Zurufe machen, die mit der Sache vielfach nichts zu tun haben.
({3})
Das, was in Memmingen vor sich geht, sieht man hier ja mehr von außen, aus der Zeitung. Ich hatte keine Gelegenheit, diesen Fragebogen zu lesen, von dem ich, wenn ich meinen Kollegen glaube - und das tue ich natürlich - , meine, daß er erst gar nicht hätte verschickt werden dürfen, wenn nicht einmal eine Rechtsbehelfsbelehrung oder ein Hinweis auf ein Zeugnisverweigerungsrecht enthalten ist. Wenn dem so ist, dann finde ich das sehr bedrückend.
Ich meine, auch diejenigen, die die Frage der Abtreibung anders bewerten als viele von uns und z. B. auch ich persönlich, sollten respektieren, wenn hier gesagt wird, daß auch uns manches an diesem Verfahren sehr bedrückt und auch überprüfenswert erscheint. Nur, daraus zu schließen, es sei - erstens - die CDU/CSU, die dafür verantwortlich ist, falls da etwas geschehen ist, was nicht geschehen durfte, und es sei - zweitens - gar unsere Absicht gewesen, Frauen z. B. mit intimen Daten an die Öffentlichkeit zu zerren,
({4})
finde ich eine solche Unterstellung, daß ich das zurückweisen muß.
({5})
- Ach, Frau Schmidt, Sie kennen doch unser Rechtssystem besser, als daß Sie solche Zurufe machen dürften.
({6})
Es gibt eben kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch, wie hier vorhin - ich glaube, von Frau Becker-Inglau - gesagt wurde. Sie haben dazu noch Schwangerschaftsunterbrechung gesagt. Das geht ja leider nicht;
({7})
denn wenn man die Schwangerschaft unterbricht, ist sie abgebrochen. Vielmehr geht es darum, daß Frauen unter bestimmten Indikationen, die in unserer Gesellschaft leider immer noch vorkommen, straffrei bleiben, wenn sie abtreiben, und auch Ärzte straffrei bleiben, wenn sie sich entsprechend an die Bestimmungen halten.
Der eigentliche Grund für Memmingen liegt in einer Rechtsverletzung. Was sich dann darüber und darum herum entwickelt hat, gefällt mir in vielem
nicht. Allerdings gefällt mir auch vieles nicht, was dann auf seiten der Protestler geschehen ist. Statt solche Kriegsschauplätze aufzusuchen sollten wir uns lieber, meine ich, in dem Bemühen zusammentun, so viel Klima wie möglich und auch so viele rechtliche Bestimmungen wie möglich zu schaffen, um gemeinsam zu erreichen, daß Frauen optimistisch sein und zu einem Leben ja sagen können, das entsteht, das in ihnen wächst. Damit haben wir dann den besten Schutz für das ungeborene Leben.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde und auch am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29. September 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.