Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/22/1988

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen eine amtliche Mitteilung machen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um eine Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD und um die Beratung von zwei interfraktionellen Anträgen zu den Menschenrechten in Rumänien und den Todesurteilen in Südafrika zu erweitern. Sind Sie mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 11/2502 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Herr Staatsminister Schäfer ist zur Beantwortung der Fragen erschienen. Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Terborg auf: Ist die Bundesregierung von der Vereinigung der Ost- und Mitteldeutschen der CDU in Niedersachsen ({0}) aufgefordert worden, „unzutreffende Landkarten" aus den Botschaften im Ausland zu entfernen, da diese Karten „lediglich die Bundesrepublik und die DDR zeigen"?

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Frau Kollegin, dem Auswärtigen Amt ist von einer solchen Aufforderung nichts bekannt. Auch andere Ressorts sind - soweit feststellbar - nicht angesprochen worden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Terborg.

Margitta Terborg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, wollen Sie damit andeuten, daß der Vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen der CDU, Herr Kollege Sauer, die Unwahrheit gesagt hat?

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Mir steht es hier nicht zu, Andeutungen über Wahrheit oder Unwahrheit zu machen. Ich kann nur feststellen, daß Sie gefragt haben, ob wir angesprochen worden sind, und ich kann nur sagen: Wir sind nicht angesprochen worden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.

Margitta Terborg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kennen Sie den Artikel der „Nordwestzeitung" und des „Delmenhorster Kreisblatts" , auf den sich meine Anfrage beruft? Dort steht - ich zitiere; das ist vielleicht einfacher - : „Der OMV fordert das Auswärtige Amt auf, unzutreffende Landkarten aus den Botschaften im Ausland zu entfernen. Zur Begründung heißt es, diese Karten zeigen lediglich die Bundesrepublik und die DDR." Ich muß Sie also fragen, Herr Staatsminister, ob diese Forderung, die ja angeblich an Ihr Haus gerichtet worden sein soll, auf dem Postweg verlorengegangen ist. Glauben Sie das im Ernst?

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Frau Kollegin, es wäre sicher wünschenswert, wenn Sie diese Frage dem Absender dieses Briefes stellen würden. Wir haben einen solchen Brief nicht erhalten. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Frau Terborg auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der OMV, und beabsichtigt sie, dem Ersuchen der Vereinigung nachzukommen?

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Es gibt, Frau Kollegin, keine „unzutreffenden Landkarten" in den Botschaften der Bundesrepublik Deutschland. Daher besteht keine Veranlassung, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Terborg.

Margitta Terborg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gesetzt den Fall, daß dieser Brief oder diese Aufforderung, wie ich sie eben aus dem Artikel zitiert habe, Sie erreicht hätte: Wie stehen Sie überhaupt zu diesem überraschenden Vorschlag? Wie würden Sie die Reaktion im Ausland einschätzen, wenn er je verwirklicht würde?

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Frau Kollegin, Sie sprechen im Konjunktiv. Es fällt mir etwas schwer, auf Konjunktive jetzt mit Indikativen zu antworten. ({0}) Ich kann nur feststellen, daß uns ein solches Anliegen offiziell nicht zugegangen ist, auch anderen Ressorts, mit denen wir uns in Verbindung gesetzt haben, nicht. Es besteht kein Anlaß, etwas, was nicht oder noch nicht geschehen ist, bereits jetzt mit Konsequenzen zu bedenken. Ich darf wiederholen: Wir können nicht davon ausgehen, daß es „unzutreffende Landkarten" in den Räumen unserer Botschaften oder Konsulate im Ausland gibt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.

Egon Lutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001399, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Politikum, das der OMV angesprochen hat, ist Ihnen ja sicher gewärtig. Darf ich davon ausgehen, daß Sie in dieser Frage etwa die Meinung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts teilen, der in diesem Haus am 17. Juni gesagt hat: Ich verfolge ... seit Jahren mit wachsendem Mißmut den Streit um die Einzeichnung der Grenze von 1937 in die Landkarten unserer deutschen Schulbücher, und ich will hier ganz deutlich sagen: So wie diese Karten heute aussehen, meine Damen und Herren, fallen mir für ihren Abdruck so wenig Argumente ein wie gegen ihren Abdruck.

Not found (Gast)

Ich halte diese Bemerkung, Herr Kollege, alle Bemerkungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes für außergewöhnlich interessant. Ich gehe davon aus, daß der Streit, der hier - von wem auch immer - hervorgerufen werden soll, nicht neu ist. Ich habe gerade vor kurzem eine ähnliche Anfrage und eine ähnliche Antwort des Bundesministers des Innern, Herrn Dr. Zimmermann, aus dem Jahre 1983 gelesen. Wir haben, um das noch einmal zu verdeutlichen, Herr Kollege, keinerlei Anlaß, irgendwelche neuen Karten aufzuhängen und alte abzuhängen. Im allgemeinen hängen Karten der Bundesrepublik Deutschland in den Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland. Dort hängen nicht Karten, die alle möglichen Gebiete umfassen, denn die Leute wollen sich dort informieren, wie die Bundesrepublik Deutschland aussieht. Wenn sie aber in unseren Konsulaten oder Botschaften auf die Rechtsproblematik der deutschen Ostgebiete Wert legen, steht ihnen dort eine Fülle von Material zur Verfügung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke dem Staatsminister für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, daß von ihr zum Verkauf vorgesehene Siedlungen, wie z. B. die Neu-Ulmer Elefantensiedlung mit 372 Wohnungen und 1 500 Bewohnerinnen und Bewohnern, die sich im Neu-Ulmer Industriegebiet direkt gegenüber einem großen Möbelmarkt befindet, wenn sie von Sparkassen oder von einem Privatunternehmen gekauft werden, nach Ablauf der Kündigungsfrist von sechs Jahren abgerissen und das Gelände kommerziell genutzt wird, und welchen Einfluß würde der Verlust von preiswerten Wohnungen auf den Mietwohnungsmarkt haben, besonders der Verlust von 372 preiswerten Wohnungen auf den ohnehin sehr angespannten Neu-Ulmer Mietwohnungsmarkt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Der Bund veräußert nur die Wohnungen, Frau Kollegin, die er im Rahmen der Wohnungsfürsorge nicht mehr benötigt. Dazu gehört auch die Elefantensiedlung in Neu-Ulm. Über den Verkauf der Elefantensiedlung wird mit der Stadt Neu-Ulm verhandelt, die gemeinsam mit dem Landkreis Neu-Ulm und der von beiden Gebietskörperschaften getragenen Sparkasse eine Gesellschaft zum Erwerb der Siedlung gründen will. Dadurch soll gerade gewährleistet werden, daß die berechtigten Belange der Mieter auf Dauer gewahrt werden. Die Bundesregierung ist daher der Meinung, daß die von Ihnen beschriebene Gefahr, die Wohnungen könnten durch einen Verkauf verlorengehen und das Areal kommerziell genutzt werden, nicht gegeben ist. Diese Gefahr besteht selbst dann nicht, wenn die Wohnsiedlung an einen sonstigen Dritten veräußert würde. Denn auch nach Ablauf des vom Bund für regelmäßig sechs Jahre vereinbarten besonderen Kündigungsschutzes bleiben die Mieter durch das soziale Mietrecht vor ungerechtfertigten Kündigungen geschützt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Frau Oesterle-Schwerin.

Jutta Oesterle-Schwerin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn diese Gesellschaft, die beabsichtigt, die Wohnungen zu kaufen, in der Tat nicht die Absicht hat, das Gelände in ein Gewerbegelände umzuwandeln, was würde denn dann eigentlich dagegen sprechen, daß man die Sicherungen, die in dem Kaufvertrag enthalten sind, nicht auf 6, sondern auf 20 Jahre festlegt, um den Mieterinnen und Mietern, die dort wohnen, die Angst und die Unsicherheit vor dem Verlust ihrer Wohnungen zu nehmen?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Frau Kollegin, Sie werden mir zugeben, daß hier generelle Regelungen getroffen werden müssen, und in diesen generellen Regelungen ist bisher stets eine Frist von sechs Jahren vorgesehen. Nach unserer Vorstellung reicht diese Frist aus, weil danach das sehr soziale Mietrecht Platz greift, das die Gefahr einer ungerechtfertigten Kündigung nicht auf den Mieter zukommen läßt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.

Jutta Oesterle-Schwerin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts dessen, daß dieses ach so soziale Mietrecht, das Sie hier erwähnen, nach Ablauf des im Vertrag festgelegten Kündigungsschutzes von sechs Jahren den MieterinFrau Oesterle-Schwerin nen und Mietern nur ein weiteres Jahr Kündigungsschutz gewähren würde, möchte ich Sie fragen: Sind Sie der Auffassung, daß Wohnungen, die für den Bund entbehrlich sind, auch für ihre Bewohnerinnen und Bewohner entbehrlich sind?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Das ist keinesfalls zutreffend, Frau Kollegin. Hier ist nur die Frage zu entscheiden, ob die Wohnungen für den Bund entbehrlich sind. Wenn das der Fall ist, hat der Bund das Recht und nach unserer Vorstellung auch die Pflicht, diese Wohnungen in privates oder anderes Eigentum zu überführen. Das geschieht hier. Aber dabei wird beachtet, daß die Rechte der Mieter sozusagen nicht in Gefahr geraten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Mehrausgaben an Wohngeld, die dadurch entstehen werden, daß die Mieterinnen und Mieter der Elefantensiedlung in Neu-Ulm und anderer Wohnungen im Bundesbesitz, deren Verkauf geplant ist, keine entsprechend preiswerte Wohnung finden und dadurch auf Wohnungen angewiesen sein werden, die ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen, langfristig höher sein werden als der Reingewinn, den die Bundesregierung durch den Verkauf der Siedlung in Neu-Ulm und anderen Orten zu erwarten hat, und welcher Schaden würde der Bundesrepublik Deutschland entstehen, wenn die Bundesregierung auf den Verkauf der Siedlung in Neu-Ulm und anderen Orten verzichten würde? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, daß der Verkauf bundeseigener Wohnungen Mehrausgaben an Wohngeld zur Folge hat. Die Wohnungen werden durch einen Verkauf nicht dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen. Im übrigen wird der Mietzins durch das Miethöhegesetz auf das ortsübliche Entgelt für vergleichbare Wohnungen begrenzt, an dem sich auch der Bund orientiert. Das gilt insbesondere, wenn die Wohnungen - wie bei der Elefantensiedlung vorgesehen - von Erwerbern übernommen werden, die dem Einfluß von Gebietskörperschaften unterliegen. Beim Verkauf entbehrlicher Wohnungen steht für den Bund der Gedanke im Vordergrund, daß er sich von Aufgaben trennt, die ihm nicht zugeordnet sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Frau OesterleSchwerin; Zusatzfrage.

Jutta Oesterle-Schwerin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie sprechen davon, daß die 372 Wohnungen in Neu-Ulm dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Sind Sie sich darüber im klaren, daß diese Wohnungen bewohnt sind, und zwar zum einen Teil von ehemaligen Zwangsarbeitern, die von den Nazis nach Deutschland verschleppt wurden, zum anderen Teil von Menschen, die aus ihren Wohnungen ausgebombt wurden, daß diese Wohnungen deswegen gerade nicht dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen sollen und daß die Bewohner das höchste Interesse daran haben, daß ihre Wohnungen auch in Zukunft nicht vermarktet werden?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Frau Kollegin, wenn die Wohnungen nicht bewohnt wären, müßten wir uns, glaube ich, hier gar nicht über den Sachverhalt unterhalten. Das ist ja der Grund Ihrer Frage. Der Sachverhalt, der dort vorliegt, ist der Bundesregierung natürlich bekannt. Dennoch tut sie wie auch in anderen Fällen, wo sie Wohnungen für den eigenen Bedarf nicht mehr benötigt und daher im Wege der Privatisierung verkauft, alles, damit die Rechte der Mieter gewahrt bleiben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön.

Jutta Oesterle-Schwerin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001637, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte gern wissen, ob außer dieser Sparkasse in Neu-Ulm Kaufinteressenten vorhanden sind, wann die Verkaufsverhandlungen abgeschlossen werden und wie hoch der Kaufpreis ist.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Frau Kollegin, das richtet sich nach den Verhandlungen. Die Verhandlungen sind im Gang. An erster Stelle der Interessenten stand die Stadt Neu-Ulm. Mit ihr wurde verhandelt. ({0}) An zweiter Stelle wird mit dem Landkreis Neu-Ulm und den von ihm getragenen Sparkassen bzw. der zu gründenden Gesellschaft verhandelt. Es wird von diesen Verhandlungen abhängen, wie hoch der Kaufpreis ist. Er wird natürlich nach der Bundeshaushaltsordnung bestimmt. Hier ist der Preis zu verlangen, der tatsächlich gegeben ist. Man muß das Ende der Verhandlungen abwarten, ehe man hier Definitives sagen kann. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Augenblick bitte! Bei allem Ernst, der für die Neu-Ulmer hinter dieser Frage steht, darf man als Nicht-Neu-Ulmer wenigstens ein Wort hinzufügen: Man hat daraus gelernt, daß in dieser Elefantensiedlung weder natürliche noch politische Elefanten wohnen. ({0}) - Ja; so ist es. Ich habe es extra betont. Das ist der Abschluß dieses Fragenbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Parlamentarische Staatssekretär Herr Gallus steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Eigen auf: Ist die Bundesregierung in der Lage festzustellen, inwieweit die anderen elf Länder der Europäischen Gemeinschaft gesetzgeberische Maßnahmen getroffen haben, damit die Flächenstilllegung - Beschluß des Gipfels vom 11./12. Februar 1988 - auch in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft termingerecht für die Sommer-/Herbst-Bestellung 1988 durchgeführt werden kann? Bitte schön, Herr Gallus.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege Eigen, die Verordnung ({0}) Nr. 1094/88 zur Änderung der Verordnungen ({1}) Nr. 797/85 und Nr. 1760/87 hinsichtlich der Stillegung von Ackerflächen und der Extensivierung und Umstellung der Erzeugung ist am 25. April 1988 vom EG-Ministerrat verabschiedet worden. Durch sie werden die Mitgliedstaaten der EG verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der von der EG-Kommission zu erlassenden Durchführungsbestimmungen die Maßnahmen zur Flächenstillegung in nationales Recht umzusetzen. Nachdem die entsprechende Durchführungsverordnung am 14. Mai 1988 in Kraft getreten ist, endet die Umsetzungsfrist also am 14. Juli 1988. Die Bundesregierung geht davon aus, daß alle EGMitgliedstaaten ({2}) der von ihnen durch den Ratsbeschluß eingegangenen Verpflichtung termingerecht nachkommen. Die EG-Kommission hat für den 24. Juni 1988 und den 8. Juli 1988 Sitzungen des Ständigen Agrarstrukturausschusses anberaumt, in denen die von den Mitgliedstaaten vorzulegenden nationalen Durchführungsbestimmungen beraten werden sollen. Erst danach kann die Bundesregierung über Einzelheiten der nationalen Umsetzung in den anderen EG-Mitgliedstaaten Auskunft geben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, daß diese Auskunft doch sehr vage ist? Ich hatte der Bundesregierung eigens drei Wochen Zeit gelassen, um zu erkunden, wie weit bei den anderen Regierungen die Vorbereitungen für diese Maßnahme sind. ({0}) Sie wissen mit mir ganz genau, daß die Akzeptanz der Landwirte für diese Maßnahme - die ich begrüße; das habe ich auch in der Agrardebatte gesagt - sehr davon abhängt, daß diese Maßnahme in allen Ländern der EG sachgerecht, das heißt differenziert, angeboten wird. Dazu hätte ich von Ihnen gern eine Auskunft, wie weit dort die Vorbereitungen sind. Wir können ja auch über unsere Vorbereitungen urteilen.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, es ist richtig, daß wir über unsere Vorbereitungen urteilen können. Wir haben uns große Mühe gegeben, und die Maßnahme wird, auch finanziell gesehen, zusammen mit den Bundesländern durchgeführt. Ich kann nur soviel sagen: Wir können vor diesen hier genannten Terminen keinen Bericht erstatten, weil wir von den übrigen Ländern bisher keine endgültigen Berichte vorliegen haben. Ob die Vermutung richtig ist, daß die Inanspruchnahme dieser Maßnahme davon abhängig ist, wie der derzeitige Stand in den anderen Ländern ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ich bin der Auffassung, daß die Inanspruchnahme in der Bundesrepublik vielmehr davon abhängig ist, wie die finanzielle Ausgestaltung der Maßnahme ist, und die ist in der Bundesrepublik Deutschland gut.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Eigen, zweite Zusatzfrage.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie wissen mit mir, daß nicht nur die Landwirte, sondern auch die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Berufsbereiche mit Argusaugen darüber wachen, daß hier für die deutsche Landwirtschaft und deren Handelspartner keine Marktanteile verlorengehen, und daß die Einleitung der Maßnahme in anderen Ländern insofern sehr wohl eine entscheidende Rolle für die Akzeptanz spielt. Können Sie mir jedenfalls soviel sagen, daß bei den Landwirten in den anderen Ländern nach Ihren Erkundungen ein differenziertes Angebot nach der Ertragsfähigkeit der Böden durchgeführt wird, oder ist das nicht der Fall?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, ich kann Ihnen so viel sagen, daß die Maßnahmen in allen Ländern der Gemeinschaft mit Ausnahme Portugals auf Grund der entsprechenden Verordnung und des Ratsbeschlusses angeboten werden muß. Mehr kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen. Was Ihren Hinweis auf Marktanteile angeht: Ich glaube nicht, daß wir das Überschußproblem in Europa lösen werden, wenn jeder einzelne Staat dauernd nach seinen Marktanteilen schielt. Ich glaube, daß das Problem insgesamt gelöst werden muß.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Eigen auf: Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung in Brüssel einzuleiten, um den Weideabtrieb 1988 so sicherzustellen, daß der Markt für Rindfleisch sich vernünftig entwickeln kann?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, die Bundesregierung wird auch in diesem Jahr in Brüssel beantragen, während der Weideabtriebszeit eine Hälftenintervention durchzuführen. Sollte wegen der hohen Interventionsbestände in der Gemeinschaft eine positive Entscheidung über den deutschen Antrag nicht durchzusetzen sein, so wird die Bundesregierung darauf drängen, daß die Intervention rechtzeitig von der Vorderviertel- auf die Hinterviertelintervention umgestellt wird. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Eigen. ({0})

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, man muß schon ein bißchen Sachkenntnis haben, Herr ehemaliger Minister, wenn man darüber urteilen will. - Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auch in diesem Jahr wieder versuchen, die übrigen Maßnahmen, die im vorigen Jahr eingeleitet worden sind, etwa die O-Intervention, die Intervention bei Ochsen, während der Zeit des Weideabtriebs durchzuführen?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Über das hinaus, was ich hier gesagt habe, kann ich keine konkreten Zusagen machen. Aber Sie wissen, daß wir alles in unserer Kraft Stehende tun werden, um den Weideabtrieb für die Betroffenen so zu gestalten, daß man mit dem Problem fertig wird. Ich möchte aber meinerseits hier ganz offen sagen, daß wir auch erwarten, daß von seiten der Wirtschaft in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen, insbesondere der Genossenschaften und der sonstigen privaten aufnehmenden Hand, endlich auch einmal dazu übergegangen wird, sich nicht nur auf die Intervention zu verlassen, sondern auch andere Vermarktungskanäle zu öffnen. Wir müssen hier etwas von dem seit fast 20 Jahren gewohnten - jetzt schon historischen - Weg wegkommen, das Problem allein über die Intervention lösen zu wollen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie mir, daß ich Sie davon in Kenntnis setze, daß solche Bemühungen längst laufen; ein solches Programm ist in Schleswig-Holstein aufgelegt. Es ist nur schwierig bei diesem Teil des Rindfleisches eine Dauerlieferung über das ganze Jahr sicherzustellen, weil es sich eben um eine Saison-Spezialität handelt. Aber würden Sie mit mir der Meinung sein, daß die Maßnahmen, die jetzt in Brüssel beschlossen worden sind - nachdem Griechenland sein Veto aufgehoben hat, bedürfen sie nur noch des Beschlusses - , doch zu gewissen Veränderungen in der Rindfleischvermarktung zum Nachteil der Landwirtschaft beim Weideabtrieb führen, da die anderen angebotenen Maßnahmen der EG, Erhöhung der Prämie, auch der Mutterkuhprämie, dann ja noch nicht angelaufen sind? ({0})

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, die Situation ist durchaus so zu sehen, daß der Rindfleischbereich nach wie vor ein sehr schwieriger Bereich ist. Sie wissen, daß wir nahezu 600 000 Tonnen Rindfleisch in den Lägern der EG haben, daß wir laufend große Mengen Rindfleisch intervenieren müssen und daß hier, wie die EG auch angekündigt hat, bis zum Herbst sicher Vorschläge gemacht werden, wie der Rindfleischbereich insgesamt zusätzlich gestaltet werden soll. Dabei spielt, wie Sie schon gesagt haben, die Erhöhung der Prämien nach Auffassung insbesondere der Bundesrepublik Deutschland eine entscheidende Rolle. Zum heutigen Zeitpunkt können wir aber darüber noch keine konkrete Auskunft geben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Toetemeyer.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mich, da ich kein Landwirtschaftsexperte bin, bitte darüber aufklären, was der Unterschied zwischen der Vorderviertelintervention und der Hinterviertelintervention ist?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Ein Ganzes hat vier Viertel, und auch ein Tier hat vier Viertel. Der Schlachtkörper hat zwei Schlachthälften, und die werden dann jeweils geteilt: in das Vorderviertelteil mit dem Vorderfuß und das Hinterviertelteil mit dem Hinterfuß und den dazugehörigen übrigen Teilen. So werden die Tiere gehandelt und eingelagert, und das spielt bei der Intervention eine gewaltige Rolle, weil die Hinterviertel einen viel höheren Wert haben als die Vorderviertel. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Toetemeyer, man lernt hier nie aus! Auch in der Entwicklungspolitik können Sie das, was Sie eben gehört haben, sicher gebrauchen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zu einigen Geschäftsbereichen, die wir gar nicht zu behandeln brauchen. Da ist zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Hinsken werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das gleiche gilt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie mit den Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Dr. Knabe und für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes mit der Frage 9 des Abgeordneten Dr. Nöbel. Wir kommen jetzt also zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Der Parlamentarische Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe Frage 12 des Abgeordneten Wüppesahl auf : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Weiterleitung von Personendaten aus den Paß- und Melderegistern der Gemeinden an die Verfassungsschutzämter - also nicht die Weiterleitung von Verfahrensabläufen - noch in Übereinstimmung mit der Substanz der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum Bereich des Datenschutzes geschieht, wenn diese Gemeinden nicht verpflichtet oder auf Anfrage berechtigt sind, die Weitergabe der Daten den betroffenen Bürgern und Bürgerinnen mitzuteilen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die Weiterleitung von Personendaten aus den Personalausweis-, Paß- und Melderegistern ist nur im Rahmen des § 2 b des Bundespersonalausweisgesetzes, des § 22 des Paßgesetzes und des § 18 des Melderechtsrahmengesetzes zulässig. Danach dürfen die Pesonalausweis-, Paß- und Meldebehörden den Verfassungsschutzbehörden Registerdaten u. a. nur unter der Voraussetzung übermitteln, daß diese ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wären, die ihnen obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Die Rechte des Betroffenen ergeben sich aus § 13 des Bundesdatenschutzgesetzes. Nach § 13 Abs. 2 sind jedoch die Behörden für Verfassungsschutz nicht verpflichtet, Auskunft zu erteilen. In diesen Fällen verbleibt es bei der Kontrolle durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes und die Parlamentarische Kontrollkommission gemäß § 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes. Daraus ergibt sich, daß sowohl die begrenzten Möglichkeiten der Nutzung der Daten aus den oben genannten Registern als auch der Umfang der Rechte des Betroffenen in allen Einzelheiten gesetzlich geregelt sind. Diese gesetzlichen Regelungen entsprechen nach Auffassung der Bundesregierung allen rechtsstaatlichen Erfordernissen einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; sie werden damit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 in vollem Umfange gerecht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Zunächst vielen Dank für die ausführliche formale Beantwortung der von mir gestellten Frage und dann folgende Zusatzfrage: Ist es zum einen richtig, daß die notwendigen Belange der Verfassungsschutzämter von diesen selbst bzw. von der Administration, also im wesentlichen vom Bundesinnenministerium und gelegentlich auch von den Landesinnenministerien, definiert werden, und zum zweiten wäre ich doch dankbar, wenn Sie neben der reinen Anführung der formalen gesetzlichen Grundlagen eine Begründung dafür geben könnten, daß die Bundesregierung die Erfüllung der Leitthesen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts als durch die angeführten Normen und Gesetzeswerke gegeben ansieht. Ich würde gern die Begründung dafür hören, daß das so sein soll, wenn gleichzeitig die Bundesregierung - wie alle wesentlichen politischen Kräfte in diesem Lande - die Notwendigkeit sieht, umfangreiche neue Gesetzeswerke gerade im Bereich des Datenschutzes und auch im Bereich der Verfassungsschutzämter sowie der Polizeien der Länder und des Bundes zu erlassen. Mir kommt es also im Kern auf die Begründung an, nicht auf die These, das sei eben so, weil die Gesetze da sind.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Zunächst darf ich feststellen, daß ich eine Antwort nicht nur formeller, sondern auch materieller Art gegeben habe, indem ich auf all die Gesetzesbestimmungen Bezug genommen habe, die den Rahmen abgeben, in dem sich die Verfassungsschutzbehörden auf der Basis des Gesetzes bewegen. Wir können davon ausgehen, daß sie es tun. Wenn in irgendeinem Einzelfall bestimmte Zweifel bestehen, dann gibt es Gremien in ausreichender Zahl, insbesondere auch den Datenschutzbeauftragten, die Überprüfungen vornehmen. Wir haben bisher keinen Anlaß anzunehmen - das ist von niemandem vorgetragen worden - , daß dieser gesetzliche Rahmen, den ich Ihnen genannt habe, entsprechend den Leitsätzen des Verfassungsgerichtsurteils nicht eingehalten worden ist. Im zweiten Leitsatz dieses Urteils ist gesagt worden, unter welchen Voraussetzungen das sogenannte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegrenzt werden kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Kollege, ist es Ihnen möglich anzugeben, wie häufig solche Auskünfte erteilt worden sind, oder ist es möglich, diese Zahl zu recherchieren und uns später schriftlich zukommen zu lassen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Das kann ich Ihnen nicht angeben. Ich sehe auch keine Möglichkeit, das eruieren zu lassen. Das ist Sache der Länder, die dem Bund gegenüber nicht auskunftspflichtig sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Wüppesahl auf: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über Gruppierungen Jugendlicher, die unter der Bezeichnung „Heimatschutz" auftreten, und zwar bezüglich der Mitgliederzahl, des Alters, der sozialen Gruppenzugehörigkeit, den Zielen, der Ausrüstung den Hintermännern, der Verteilung solcher Gruppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die Bundesregierung hat derzeit keine Erkenntnisse im Sinne des § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes über eine extremistische Betätigung des Heimatschutzverbandes oder der Heimatschutzgruppe. Demzufolge liegen hier auch keine Erkenntnisse über Einzelheiten Ihrer Fragestellung vor, weshalb mir auch eine Bewertung einzelner Pressemeldungen nicht möglich ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Erkenntnis im Sinne des § 3 des Verfassungsschutzgesetzes ist natürlich auch das, was irgendwo geschrieben wird oder im Fernsehen zu verfolgen möglich ist, zumal sich die Tätigkeit der Ämter des Nachrichtendienstes ganz wesentlich auf die Auswertung der zugänglichen Medienorgane bezieht. Insofern wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir jetzt erläutern könnten, weshalb die Bundesregierung keine Erkenntnisse hat, obwohl dieser Heimatschutzbund bereits erhebliche publizistische Wirkung erzielen konnte.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich kann Ihnen nicht sagen, warum keine Ergebnisse vorliegen. Möglicherweise existieren die Probleme nicht, die Sie angeschnitten haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. - Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs, weil die beiden Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Blank schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Die Frage 16 des Abgeordneten Tietjen soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Bachmaier auf : Vizepräsident Westphal Worin bestehen im einzelnen die Differenzen zwischen dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesminister der Justiz hinsichtlich des Berichtes der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Reform des Umwelthaftungsrechtes? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Die interministerielle Arbeitsgruppe „Umwelthaftungs- und Umweltstrafrecht" ist am 19. Dezember 1986 gebildet worden. Sie hat seither zahlreiche Sitzungen abgehalten und auch mit Versicherern und der Industrie die notwendigen Gespräche geführt. Gegenwärtig ist die Meinungsbildung innerhalb der Gruppe noch nicht endgültig abgeschlossen. Es ist unüblich, von dem regierungsinternen Abstimmungsprozeß über Einzelheiten zu berichten. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ein Zusatzfrage, Herr Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wann ist mit dem abschließenden Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zu rechnen, und wird dann wenigstens dieser Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, Sie greifen schon Ihrer zweiten Frage vor. Ich wiederhole, was ich Ihnen bereits am 3. März 1988 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages geantwortet habe. Damals habe ich gesagt, daß es schwierig ist, ein genaues Datum anzugeben. Wir betreten hier Neuland. Ich möchte mich jetzt nicht auf ein bestimmtes Datum festlegen. An diesen Bericht wird pausenlos gearbeitet. Die Bundesregierung beabsichtigt, ihre Meinung unverzüglich kundzutun, sobald der Bericht abgeschlossen ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Presseberichte zutreffend, daß es zwischen dem Bundesministerium für Umwelt und dem Justizministerium zu erheblichen Meinungsunterschieden über Zwischenbewertungen, die vorgenommen worden sind, gekommen ist?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, es trifft zu, daß das Bundesministerium der Justiz federführend einen Berichtsentwurf erstellt hat, um die endgültige Fassung des Berichts vorzubereiten. Das, was die Presse etwas vorschnell als „Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe" bezeichnet hat, ist ein internes Papier. Es soll die Diskussion innerhalb der Gruppe weiterbringen, aber keinesfalls abschließen. Daß in einem solchen komplexen Sachgebiet auch unterschiedliche Auffassungen bestehen, liegt in der Natur der Sache. Ich habe dieses Internum hier nicht weiter zu kommentieren.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Bachmaier auf : Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden die Vorschläge der Bundesregierung zur Fortschreibung des Umwelthaftungsrechtes haben, und wann ist mit deren Vorlage zu rechnen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, Sie fragen in der Fragestunde die Bundesregierung nach ihrer Meinung. Die Meinung der Bundesregierung kann ich Ihnen erst mitteilen, wenn sich die Bundesregierung eine Meinung gebildet hat. Die Beratungen der interministeriellen Arbeitsgruppe sind, wie ich eben sagte, gegenwärtig noch nicht abgeschlossen. Die Arbeitsgruppe hat eine - das werden Sie mir zugestehen - außerordentlich schwierige Materie zu bewältigen. Sie wissen selbst - das habe ich hier ebenfalls bereits am 3. März ausgeführt -, daß wir auf dem Gebiete dieses Haftungsrechts Neuland betreten. Ich bin zuversichtlich, daß die Beratungen zügig abgeschlossen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns vielleicht an einem Beispiel erläutern, worin die Schwierigkeiten insbesondere liegen und worin sich die Konsensbildung einfacher darstellt?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, ich habe eben gesagt, daß ich auf interne Beratungen hier nicht näher eingehen kann. Wenn Sie generell fragen, welche komplexen Bereiche dort zu erörtern sind, dann sind es die Einführung der Gefährdungshaftung, ja oder nein, Gefährdungshaftung auch für den Normalbetrieb, ja oder nein, Regelungsbedürfnis beim sogenannten Ökoschaden, ja oder nein, Beweiserleichterungen in der Kausalitätsfrage, ja oder nein, Haftung für Summationsschäden, ja oder nein, Pflichtversicherung, ja oder nein - all das, was Sie nach meinem Kenntnisstand bereits auch selbst wissen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Handelt es sich bei dem in Bezug genommenen internen Papier um ein Papier, das von Beamten des Justizministeriums oder von Mitarbeitern beider Ministerien, also auch des BMU erstellt wurde, oder handelt es sich um ein Papier, das die interministerielle Arbeitsgruppe selbst erstellt hat oder erstellen ließ?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Bachmaier, das Bundesjustizministerium hat federführend einen Berichtsentwurf erstellt, der in der interministeriellen Arbeitsgruppe erörtert wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das war die Beantwortung der Fragen zu diesem Geschäftsbereich. Ich danke dem Staatssekretär für die Antworten. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Alle Fragen sollen schriftlich beantwortet werden. Dies betrifft die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Engelsberger sowie Frage 21 des Ab5790 Vizepräsident Westphal geordneten Lowack. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Auch hier sollen alle Fragen schriftlich beantwortet werden. Betroffen sind die Fragen 22 der Abgeordneten Frau Olms, 23 des Abgeordneten Stiegler, 24 der Abgeordneten Frau Eid sowie 25 und 26 des Abgeordneten Antretter. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Der Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer steht uns zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Reimann auf: Ist die Bundesregierung bereit, die Altersgrenze für den Bezug von Kindergeld generell von sechzehn auf achtzehn Jahre ohne Antragsüberprüfung heraufzusetzen, um dadurch den Arbeitsämtern jährlich 1,8 Millionen Überprüfungen von Kindergeldanträgen für Kinder, die zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt sind und die sich in der Ausbildung befinden, zu ersparen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Präsident! Herr Kollege Reimann, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine solche Änderung vorzuschlagen. Der Mehraufwand, der sich infolge der Heraufsetzung der Altersgrenze ergeben würde, würde nicht im entferntesten durch die Einsparung von Verwaltungskosten aufgewogen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Reimann.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, dann würde ich Sie doch einmal bitten, mich aufzuklären, wie hoch der Mehraufwand ist und wie hoch das wäre, was eingespart werden könnte.

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Was die Höhe des Mehraufwands angeht, habe ich bereits vor einiger Zeit eine Anfrage des Kollegen Oesinghaus beantwortet. Da ist im einzelnen dargelegt, daß wir mit einem jährlichen Mehraufwand von 165 Millionen DM rechnen. Demgegenüber werden die gesamten Verwaltungskosten der Bundesanstalt auf 340 Millionen DM jährlich veranschlagt. Auf den in der Frage genannten Sachverhalt entfällt nur ein verschwindend geringer Teil dieser 340 Millionen DM, so daß wir mit Sicherheit mit einem höheren Mehraufwand rechnen müssen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Reimann.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würde das bedeuten, daß sich der Mehraufwand daraus errechnet, daß es sich bei jungen Menschen zwischen dem Alter von 16 und 18 Jahren, die nicht in Ausbildung stehen, um Arbeitsverhältnisse von Berufstätigen handelt?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Es sind im Grunde genommen erwerbstätige Jugendliche, die keine Anspruchsberechtigung haben. Nach mir vorliegenden statistischen Unterlagen handelt es sich insgesamt um 110 000 Jugendliche im Inland und dann auch noch eine Anzahl von Jugendlichen, die in einem anderen EG-Mitgliedstaat oder in einem Staat leben, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ein Kindergeldabkommen geschlossen hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Reimann auf: Trifft es zu, daß sich durch die zukünftige verlängerte Zivildienstdauer der Studienbeginn von Zivildienstleistenden um bis zu zwei Semester verzögern kann, und wie gedenkt die Bundesregierung in diesem Falle die Chancengleichheit von Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden wiederherzustellen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Nach Wirksamwerden der Dienstzeitverlängerung können Zivildienstpflichtige, die ihren Dienst unmittelbar nach dem Abitur, d. h. am 1. Juni eines Jahres, antreten, ohne zusätzlichen Zeitverlust im Sommersemester des übernächsten Jahres mit dem Studium beginnen. Da das Sommersemester bereits im April beginnt und der Zivildienst noch bis Ende Mai dauert, müssen sie dafür einen Teil ihres Erholungsurlaubs an das Ende ihrer Dienstzeit legen und gegebenenfalls Sonderurlaub beantragen. Die Zivildienstleistenden haben dann im Verhältnis zu Grundwehrdienstleistenden, die ihren Dienst mit ihnen gleichzeitig angetreten haben, ein Semester verloren. Das ist die Folge der längeren Dauer des Zivildienstes. Anders als bei der Bundeswehr werden Zivildienstpflichtige zu Beginn eines jeden Monats einberufen. Da die Einberufungswünsche der Zivildienstleistenden vom Bundesamt für den Zivildienst berücksichtigt werden, können diese den Zeitpunkt des Dienstbeginns selbst bestimmen. Sie können daher ihre Einberufungswünsche mit dem geplanten Ausbildungsbeginn abstimmen. Läßt sich das im Einzelfall nicht vollständig erreichen, wird durch die Gewährung von Sonderurlaub oder durch vorzeitige Entlassung sichergestellt, daß kein für die Ausbildung nicht nutzbarer Zeitverlust von mehr als sechs Monaten entsteht. Der Dienstpflichtige hat die verbleibende Restdienstzeit später, meistens in den Semesterferien, abzuleisten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Reimann.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie räumen ein, daß es zu einem Verzug von einem Semester kommen kann. Manchmal sind es sogar zwei. Hat die Bundesregierung einmal geprüft, ob das nicht eine verfassungswidrige Situation ist oder ob das überhaupt statthaft ist?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Die verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf sind in der Tat im einzelnen geprüft worden. Wir haben mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema. Wir sind der Überzeugung, daß das verfassungsrechtlich in Ordnung ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In dem Fall, wo der junge Mensch durch eine solche Verzögerung im Rahmen seiner Ausbildung das 27. Lebensjahr überschreitet - ich knüpfe an die Vorfrage an - , fallen die Vergünstigungen weg. Was ist in einem solchen Fall zu tun, wo er auch noch materiell benachteiligt ist? Ist die Bundesregierung bereit, hier einen Ausgleich zu zahlen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Ihre Annahme, daß es mit 27 Jahren so ist, wie Sie es dargestellt haben, ist richtig. Wir legen natürlich Wert darauf, daß der Zivildienst abgeleistet wird. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Bundesregierung ist frei zu antworten. Sie können nachher ja hingehen und nachfragen und die Diskussion ohne unsere Beteiligung weiterführen. ({0}) Ich rufe die Frage 29 der Abgeordneten Frau Garbe auf: Welche Leistungen des Bundesgesundheitsamtes und insbesondere des Instituts für Wasser-, Boden-, Lufthygiene wurden für Einnahmen des Bundesgesundheitsamtes aus Aufträgen Dritter auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ({1}) für welche Auftraggeber unter Berücksichtigung auch außerplanmäßiger Einnahmen in den Jahren 1987 und 1988 erbracht?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Frau Kollegin Garbe, im Rahmen der Durchführung von Aufträgen für Dritte auf dem Gebiet des Gesundheitswesens hat das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes im Rahmen seiner Aufgaben, praxisorientierte angewandte Forschung zu betreiben, bei gegebenem wissenschaftlichem Interesse in 1987/88 insgesamt 32 Forschungsvorhaben bzw. Untersuchungen für Landes- und Kommunalbehörden, Stadtwerke sowie andere Stellen mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Millionen DM durchgeführt. Bei den übrigen Instituten liegen die Einnahmen aus Leistungen für Dritte 1987 zwischen 36 500 DM und 1,35 Millionen DM. Die Auftraggeber sind je nach der Aufgabenstellung des einzelnen Instituts u. a. Ärzte, Krankenhäuser, Gesundheitsämter, Fachinstitute. Zahlen für 1988 liegen erst für die Zeit bis zum 31. Mai 1988 vor. Sie bewegen sich im Rahmen der Zahlen des Vorjahres.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Garbe.

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß das Bundesgesundheitsamt offensichtlich nicht in der Lage ist, die ihm obliegenden Aufgaben aus einem eigenen Haushalt zu bestreiten?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Der Anteil, der aus Drittmitteln finanziert wird, beträgt, gemessen am Gesamthaushalt, 1987 0,56 %, 1988 nach den Zahlen des Haushaltsplans 0,54 %. Das macht deutlich, daß die Aufgaben im wesentlichen aus dem Haushaltsplan bestritten werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Frau Garbe.

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, in welcher Weise und von wem wird über die Annahme von Aufträgen entschieden, und wie wird Vorsorge getragen, daß keine Interessenverquickung zwischen Auftraggebern und Bundesgesundheitsamt stattfindet?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Frau Kollegin, das ist in diesem Zusammenhang auch in meinen Augen die entscheidende Frage. Ich möchte Ihnen sagen, daß die Bundesregierung wie auch das Amt großen Wert darauf legen, daß Einflußnahmen der Auftraggeber auf die Arbeitsergebnisse ausgeschlossen werden. Ich habe mich nochmals erkundigt, wie das Verfahren im einzelnen abläuft: Es ist so, daß Aufträge Dritter überhaupt nur dann durchgeführt werden, wenn ein übergeordnetes wissenschaftliches Interesse des Bundesgesundheitsamtes an den zu erwartenden Forschungsergebnissen besteht. Es wird in jedem Einzelfall geprüft, ob entsprechende Untersuchungen nicht Sache der Länderbehörden oder Kommunen sind, ob diese zu deren Durchführung in der Lage sind. Nur wenn dies zu verneinen ist und ein übergeordnetes wissenschaftliches Interesse besteht, wird das Vorhaben einer weiteren Prüfung unterzogen. Der Antrag auf Durchführung durchläuft dann das dafür vorgesehene Genehmigungsverfahren, also Fachgebietsleiter, Abteilungsleiter, Institutsleiter bis zum Präsidenten. Mir ist versichert worden, daß schon im Verdachtsfall einer Interessenkollision oder erstrebten Einflußnahme auf die Forschungsergebnisse der Antrag abgelehnt wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Daniels ({0}).

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Asbestzementindustrie in den vergangenen Jahren 1,2 Millionen DM für Forschungsaufträge vergeben hat, u. a. an den Leiter des Krebsforschungszentrums Heidelberg, und daß ein beträchtlicher Teil dieses Geldes nach Auskunft des Vorstandsvorsitzenden der Eternit AG aus Südafrika stammt, und gibt es Hinweise, daß nicht nur der Leiter des Krebsforschungszentrums als Privatperson Aufträge ausgeführt hat, die mit Geldern aus Südafrika finanziert wurden, sondern daß das Krebsforschungszentrum als staatliches Institut mittelbar oder unmittelbar mit Geldern aus Südafrika arbeitet?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, ich bin nicht ganz sicher, ob das noch zur Frage gehört oder eine extra Frage sein müßte. Ich möchte es aber Ihnen anheimstellen, ob Sie antworten wollen oder nicht.

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Präsident, in der Tat geht es hier um das Bundesgesundheitsamt und nicht um das Krebsforschungszentrum. Aber darüber hinaus möchte ich, Herr Kollege, darauf hinweisen, daß, gerade was Eternit und Bundesgesundheitsamt angeht, diese Frage vor dem Hintergrund einer Fernsehsendung in der letzten Sitzung des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im einzelnen erörtert worden ist. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß ich Ihnen gelegentlich eine Information über das Ergebnis dieser Ausschußssitzung zukommen lasse.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe dann die Frage 30 der Frau Abgeordneten Garbe auf: Wofür und, bei Anschaffung, an wen wurden diese Mittel im einzelnen ausgegeben, und wo und in welcher Form ist die Zweckbindung dieser Mittel, wie sie die Bundeshaushaltsordnung vorschreibt, im Haushaltsplan erfolgt?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Die Einnahmen aus Aufträgen Dritter sind im Bundeshaushaltsplan bei Kap. 15 03, Tit. 119 04, die korrespondierenden Ausgaben bei Kap. 15 03, Titelgruppe 02, veranschlagt. Die Mittel werden für Personalausgaben, Verbrauchsmaterial und Geräte im Rahmen der Auftragserfüllung ausgegeben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Garbe.

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf den Vermerk im Haushaltsplan verwiesen. Meine Frage: Ist dieser Verweis nicht lediglich ein Verstärkungsvermerk, aber keineswegs eine Zweckbestimmung im Sinne der Bundeshaushaltsordnung?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Dieser Auffassung bin ich nicht. Ich habe ja ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Mittel im Rahmen der Auftragserfüllung verwendet werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Garbe.

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie vereinbart sich das denn mit dem übergeordneten Interesse und mit der Haushaltsordnung, wenn man weiß, daß vom Bundesgesundheitsamt eine Studie über Kupfer im Trinkwasser in Auftrag gegeben wurde und daß die Kupferindustrie diese Studie mit 20 000 DM bezuschußt?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Da müßte ich im Einzelfall auch erst rückfragen, wie es sich hier verhält. Aber ich möchte grundsätzlich, auch im Hinblick auf diese Zusatzfrage, doch zum Ausdruck bringen, daß es durchaus die wissenschaftliche Kompetenz eines solchen Institutes ausweist, wenn es Aufträge aus Mitteln Dritter durchführen kann, sofern - was ich eben bereits gesagt habe - sichergestellt ist, daß damit keine unzulässigen Einflußnahmen auf Forschungsergebnisse oder Forschungsvorhaben stattfinden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Daniels, Sie wollten noch eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht auch hier wieder um Aufträge an das Bundesgesundheitsamt. Ist es zutreffend, daß eine Studie über die Bleibelastung in der Umgebung der Bleihütte in Nordenham von der Betreiberin der Bleihütte, der Preußenelektra, mitfinanziert wurde?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Ich habe eine Liste der Vorhaben, die von einem der Institute, die in der Ursprungsfrage enthalten waren, 1987 durchgeführt worden sind. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Liste zur Verfügung zu stellen. Daraus müßte sich ja ergeben, ob in dieser Liste dieses Vorhaben enthalten ist. Wenn das nicht der Fall sein sollte, müßte ich das im einzelnen durch das Bundesgesundheitsamt nachprüfen lassen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Toetemeyer auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß seit Beginn des Sommerfahrplans bei der Deutschen Bundesbahn, insbesondere im Intercity-Zugverkehr, chaotische Verhältnisse herrschen, die sich u. a. darin ausdrücken, daß die Verspätungen zur Regel geworden und die Kunden wegen fehlenden Platzangebotes gezwungen sind, lange Strecken in den Zügen zu stehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, die in der Frage getroffene Feststellung, daß seit Beginn des Sommerfahrplans bei der Deutschen Bundesbahn insbesondere im Intercity-Verkehr Verspätungen die Regel geworden sind, ({0}) trifft nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn nicht zu. Der Pünktlichkeitsgrad betrug in den ersten vierzehn Tagen nach Fahrplanwechsel im Nahverkehr 95 %, im Fernverkehr insgesamt 82 % und für den ECbzw. IC-Verkehr 78 %. Das Platzangebot in den EC- oder IC-Zügen hat sich grundsätzlich nicht verändert. Die Deutsche Bundesbahn bestätigt allerdings, daß in Spitzenverkehrszeiten ein fehlendes Platzangebot trotz Verstärkung der Züge oder Zusatzzügen nicht immer zu vermeiden war. Vielleicht, Herr Kollege, erleichtert es unsere Diskussion, wenn ich hinzufüge, daß die Deutsche Bundesbahn in ihren täglichen Betriebslagemeldungen nach folgenden Abstufungen unterscheidet: pünktlich, verspätet 6 bis 10 Minuten, verspätet 11 bis 15 Minuten und verspätet 16 bis 20 Minuten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Und überhaupt nicht angekommen? - Das kommt nicht vor. Herr Toetemeyer, bitte schön, eine Zusatzfrage.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie bezweifeln wollen, daß ein Kollege miterlebt hat, daß in einer ganzen Woche, und zwar in der Zeit vom 29. Mai bis zum 5. Juni - das war die Zeit, in der auch die Frankfurter Messe stattfand - , wegen fehlenden Platzangebotes in allen Intercity-Zügen die Kunden, die zur Frankfurter Messe fahren wollen, trotz rechtToetemeyer zeitigen Lösens einer Fahrkahrte haben stehen müssen, und zwar von Dortmund bis Frankfurt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich habe auf dies Rücksicht genommen, als ich sagte, in Spitzenverkehrszeiten sei es möglich, daß Platzangebot fehle. Wir wissen, daß gerade zu Beginn des Sommerfahrplans eine besondere Nachfrage in Richtung Frankfurt und ebenfalls in Richtung Hamburg zur Internationalen Verkehrsausstellung vorhanden war.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Toetemeyer.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnte das damit zusammenhängen, daß hier ein offensichtlicher Fehler im Management vorgelegen hat, der darin begründet ist, daß die Manager in der Regel ihren Arbeitsplatz nicht mit dem Zug, sondern mit dem Pkw erreichen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich habe im Augenblick nicht die Absicht, ein Urteil über das Management abzugeben. Dessen Verträge sind im letzten Jahr verlängert worden. Ich bin aber gerne bereit, mit der Deutschen Bundesbahn darüber zu verhandeln, inwiefern es möglich ist, bei solchen Spitzenveranstaltungen - dazu gehören möglicherweise auch Fußballspiele - extra Wagen einzusetzen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe dann die Frage 32 des Abgeordneten Toetemeyer auf: Hält die Bundesregierung es für eine Erhöhung der Attraktivität der Deutschen Bundesbahn ({0}), wenn sich mit Inkrafttreten des Sommerfahrplans die Fahrzeiten der Intercity-Züge - etwa auf der Strecke Dortmund-Bonn um vier Minuten - verlängert haben, und in welcher Weise gedenkt sie, auf den Vorstand der DB einzuwirken, um die dargestellten, die Kunden zu Recht verärgernden Umstände abzustellen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, die Fahrzeiten zwischen Dortmund und Bonn wurden mit Inkrafttreten des Sommerfahrplans 1988 für die EC/IC-Linien 1 und 2 über Essen nicht verlängert. Sie betragen unverändert 95 Minuten und 98 Minuten. Die Verlängerung der Fahrzeiten für die Züge der Linie 5 über Wuppertal um drei Minuten ist durch die notwendigen Bauarbeiten auf der Hohenzollernbrücke in Köln begründet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Toetemeyer, Zusatzfrage.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie folgender einfachen Rechenaufgabe folgen können, Herr Staatssekretär: daß eine Abfahrt in Hagen drei Minuten früher als bisher und eine Ankunft in Bonn eine Minute später als bisher insgesamt vier Minuten ergibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß ich dieselbe Mathematikmethode genossen habe wie Sie. So weit sind wir nicht auseinander. Ich werde die Bundesbahn noch einmal fragen, was sie hier tatsächlich gemeint hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Toetemeyer.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe diese Fragen gestellt, weil ich der Auffassung bin, daß man den ganzen Zorn der zu Recht verärgerten Kunden nicht auf die Zugbegleiter abwälzen sollte. Aus diesem Grunde frage ich: Teilen Sie meine Auffassung, daß die Deutsche Bundesbahn stärker als bisher unabhängig von dem Erhalt der Attraktivität dieses Verkehrssystems eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Bediensteten hat und diese nicht ungeschützt berechtigten Kritiken aussetzen sollte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, davon gehe ich aus. Aber sicherlich ist jeder Zugbegleiter auch dafür verantwortlich, daß er Fragen von Reisenden beantwortet. Selbstverständlich liegt es am Reisenden, wie diese Fragen gestellt werden. Ich werde aber Ihre Fragen wiederum zum Anlaß nehmen, auf die Deutsche Bundesbahn zuzugehen. Im übrigen gibt es einen sehr verspäteten Rücklauf auf Grund der letzten Fragestunde - ich glaube, es war im Januar - , wo Sie zur selben Strecke gefragt haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Werden Sie in diese Überprüfung auch andere Strecken hineinnehmen? Ich denke an die Strecke Bonn-Passau oder Bonn-Regensburg, wo es ebenfalls längere Fahrzeiten gibt, als im letzten Fahrplan ausgezeichnet.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, nachdem die Frage nunmehr in der Fragestunde ist, werde ich das selbstverständlich tun. Im übrigen darf ich Sie auf das Bundesbahngesetz verweisen, aus dem sich ergibt, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn und die Mitarbeiter der DB den Fahrplan machen, nicht die Bundesregierung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Becker ({0}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß das nicht nur eine Frage des Kollegen Toetemeyer oder des Kollegen Dr. Daniels ist, sondern daß das eine Menge Kolleginnen und Kollegen des Hauses in gleicher Weise betrifft und daß die gleichen Fragen erörtert werden, die der Kollege Toetemeyer hier nur artikuliert hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Bekker, ich muß annehmen, daß ich im Augenblick Glück habe, daß das Plenum nicht voll besetzt ist. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Fragen 33 des Abgeordneten Stiegler ({0}) und 34 des Abgeordneten Lowack ({1}) sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Vizepräsident Westphal Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gröbl steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Grünbeck auf: Wie definiert die Bundesregierung die Begriffe „Deponie" und „Altlasten", und an wie vielen Standorten gibt es schätzungsweise Probleme insbesondere für Grundwasser und Boden durch undichte Deponien und/oder Altlasten?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege Grünbeck, nach dem Merkblatt „Die geordnete Ablagerung von Abfällen" der Länderarbeitsgemeinschaft „Abfall" vom 1. September 1979 werden Abfallbeseitigungsanlagen zu geordneten Ablagerungen von Abfällen als „Deponien" bezeichnet. Der Begriff „Altlasten" ist gesetzlich bisher nicht definiert. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Altablagerungen und Altlasten" will in ihrem Abschlußbericht für 1988 folgende Definition verwenden: Altlasten sind bestimmte Flächen mit Verunreinigungen im Boden oder Untergrund, die in der Vergangenheit begründet sind und die die menschliche Gesundheit, die Umwelt oder sonst die öffentliche Sicherheit gefährden oder stören. Diese Definition muß jedoch noch mit allen Ländern abgestimmt werden. „Verdachtsflächen" sind im Unterschied zu „Altlasten" bestimmte Standorte, bei denen eine Gefährdungsabschätzung noch durchgeführt werden muß. Die Erkenntnis einer Gefahr für die menschliche Gesundheit und/oder für die Umwelt liegt somit nicht vor. Die Anzahl der Standorte, an denen es schätzungsweise Probleme insbesondere für Grundwasser und Boden durch undichte Deponien und Altlasten gibt, ist nicht bekannt. Die Anzahl der von den Ländern erfaßten und prognostizierten Verdachtsflächen betrug Ende 1985 etwa 35 000. Aktuelle Erfassungsergebnisse gehen von rund 42 000 Verdachtsstandorten aus. Diese Erfassungen werden jedoch fortgesetzt, so daß diese Zahlen wohl noch korrigiert werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Grünbeck auf: Welche Dringlichkeit sieht die Bundesregierung, undichte Deponien und Altlasten festzustellen, zu sanieren und gegebenenfalls zu beseitigen, und mit welchen technischen Mitteln in welchem Zeitraum soll dies geschehen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Die Bundesregierung sieht in der Ermittlung, Gefährdungsabschätzung und gegebenenfalls Sicherung und Sanierung von Altlasten, insbesondere bei Altablagerungen und Altstandorten, eine vordringliche Aufgabe. Die Länder sind seit mehreren Jahren mit der Erfassung der Altlasten und der Verdachtsflächen befaßt. Ein vorläufiger Abschluß der Erfassungsaktionen kann dieses Jahr erwartet werden. Nacherfassungen werden jedoch fortgesetzt. Die Entwicklung moderner, kostensparender und effizienter Technologien für die Gefährdungsabschätzung als auch die Sanierung von Altlasten wird im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen sowie Demonstrations- und Modellvorhaben durch die Bundesregierung intensiv gefördert und den Ländern zur Verfügung gestellt. Welche Technologie zum Einsatz kommt, hängt von Art und Umfang jeder einzelnen Altlast ab. Prognosen über den erforderlichen Zeitraum für die Bewältigung der Altlastenproblematik sind wegen der noch nicht abgeschlossenen Erfassung und Gefährdungsabschätzung der Verdachtsflächen derzeit noch nicht möglich.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Grünbeck zu einer Zusatzfrage.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir helfen, indem Sie mir einen guten Rat für meinen Wahlkreis Donau-Ries-Dillingen geben, der eine Mülldeponie unmittelbar in der Nähe der Trinkwasserquellen betreibt? Die Dichtigkeit dieser Deponie ist möglicherweise nicht mehr gewährleistet, und auch einige Altlasten gefährden die Grundwasservorräte für eine Stadt wie Donauwörth. Was sollen der Zweckverband und die Stadt Donauwörth im Augenblick machen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Wenn Sie von mir hier einen guten Rat haben wollen, den zu geben ich gerne bereit bin, so möchte ich Sie bitten, mich in Ihren Wahlkreis einzuladen, damit ich mich an Ort und Stelle von dem Problem überzeugen und mich darüber informieren kann. Ich bin gerne bereit, sämtliche Möglichkeiten des Bundes und in diesem Fall auch des Freistaats Bayern auszuloten, um dieses Problem lösen zu helfen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Grünbeck.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, es geht darum, daß man, bevor man über Geld redet, die technischen Lösungen und Konzeptionen findet, um die Gefährdung des Trinkwassers in der Grundwasser-verwendung, aber auch bei der Oberflächenverwendung durch eine Technologie in Verbindung mit undichten Deponien und Altlasten auszuschließen. Gibt es eine Konzeption oder ist das alles noch in der Forschung?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Hier ist noch sehr viel in der Forschung. Ob es für den speziellen Fall eine Konzeption gibt, Herr Kollege Grünbeck, bitte ich einer konkreten Überprüfung überlassen zu dürfen, zu der ich gerne mit beitragen will.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wir sprechen über die Dringlichkeit der Beseitigung. Stimmen Sie mir zu, daß zu dieser Dringlichkeit auch eine Konzeption in Sachen Abfall gehört - ich meine also die TA Abfall - , um sicherzustellen, daß wir gefährliche Schadstoffe aus Altdeponien gefahrlos beispielsweise verbrennen können?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Es geht darum, daß wir heute nicht die Altlasten von morgen produzieren. Ich stimme mit Ihnen in Ihrer Bewertung völlig überein und bin der Auffassung, daß wir deshalb dieses Merkblatt, das vorhin von mir zitiert wurde, fortentwickeln und dem modernen Stand anpassen müssen. Sie wissen, daß die Bundesregierung bemüht ist, in absehbarer Zeit eine TA Abfall vorzulegen, die sich auch mit diesem Problem befaßt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage bezieht sich auf die von Ihnen angesprochene TA Abfall. Ist es richtig, daß eine Verabschiedung dieser TA möglicherweise verschoben wird, bis Regelungen bezüglich des europäischen Binnenmarktes getroffen werden, daß sich diese TA Abfall also bis weit in die 90er Jahre verschieben wird?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Die Vorlage der TA Abfall richtet sich nicht nach einem Datum wie dem der Einführung des europäischen Binnenmarktes, sondern richtet sich ausschließlich danach, wie weit die vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eingesetzten Arbeitsgruppen mit ihrer Arbeit voranschreiten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 37 der Abgeordneten Frau Dr. Segall auf: Wie hoch werden die Kosten für die Sanierung undichter Deponien und die Beseitigung von Altlasten geschätzt?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Frau Kollegin, grundsätzlich muß festgestellt werden, daß sich derzeit alle Kostenschätzungen im Bereich der vagen Vermutung bewegen. Die Zahl der Altlasten und der undichten Deponien in der Bundesrepublik ist noch nicht bekannt. Gefährdungsabschätzungen wurden bisher nur vereinzelt durchgeführt, so daß auch keine Erkenntnisse über den Grad der Gefährdung von menschlicher Gesundheit und der Umwelt und damit auch nicht über Art und Umfang einer jeden Sanierungsmaßnahme vorliegen. Darüber hinaus hat sich die Entwicklung innovativer Sanierungstechnologien, die den Sanierungserfolg bei gleichzeitiger Kostenminimierung steigern, durch die intensiven Bemühungen der Bundesregierung erheblich beschleunigt. Die Bundesregierung sieht sich deshalb nicht in der Lage, eine seriöse Schätzung über die Kosten der Sanierung undichter Deponien und Altlasten abzugeben. Es wird aber mit einer zweistelligen Milliardensumme gerechnet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Dr. Segall.

Dr. Inge Segall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002144, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie sagen selber, daß da ein ungeheurer Innovationsschub erfolgt. Eine der Möglichkeiten bei einer Altdeponiesanierung, überhaupt bei sämtlichen Altdeponien, das Deponiegas wirtschaftlich zu nutzen, ist nun schon eine nicht mehr so ganz neue Technik. Hat es in Ihrem Haus schon einmal eine Schätzung darüber gegeben, wie weit sich die Kosten der Altlastensanierung durch eine wirtschaftliche Nutzung des Deponiegases verringern könnten?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Da der Betrieb von Deponien in der Regel Sache von Kommunen ist, liegt unserem Haus im Augenblick eine konkrete Zahl zu dieser Frage nicht vor. Ich bin aber bereit, mich im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft darum zu bemühen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Frage, Frau Dr. Segall.

Dr. Inge Segall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002144, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eine weitere Frage zu den aus der Nutzung von Deponiegas entstehenden Möglichkeiten, etwa der Gewinnung von Strom, wodurch entstehende Kosten wieder eingefahren werden könnten. Wie sieht es mit der Einspeisungsmöglichkeit von aus Deponiegas gewonnenem Strom aus? Wir wissen alle, daß es da noch erhebliche Schwierigkeiten gibt. Ich weiß zwar, daß das nicht Ihr Ressort ist, aber wie sehen Sie von Ihrem Hause aus die Möglichkeiten, das Energiewirtschaftsgesetz für Einspeiser freundlicher zu gestalten?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Sie haben recht, daß dies eine Frage des Energiewirtschaftsgesetzes ist. Bei der derzeitigen Rechtslage begrüße ich deshalb die Möglichkeit, daß sich Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit diesem Thema der Abfallwirtschaft intensiver befassen und die dort bestehenden Möglichkeiten zur Stromgewinnung nutzen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Grünbeck.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, es gibt verschiedene Verfahren zur Aufbereitung von Altlasten. Wäre es möglich, daß die Bundesregierung wenigstens einmal eine Synopse erstellt a) über die technische Effizienz der einzelnen Aufbereitungsverfahren, b) über die Investitionskosten und c) über die jeweiligen Betriebskosten?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege Grünbeck, zunächst sind im wesentlichen fünf verschiedene Sanierungsverfahren bekannt. Das eine ist die Einkapselung, das zweite ist der Bodenaustausch, vor allem in der Bundesrepublik, aber auch in den USA eine gebräuchliche, aber enorm kostenaufwendige Methode, zum dritten sind es hydraulische Maßnahmen mit der Dekontaminierung des gewonnenen Wassers, zum vierten eine On-site-Behandlung mit Herausnahme und Behandlung des Bodens durch Auswaschen, thermische Behandlung, biologische Behandlung, und zum fünften eine In-situ-Behandlung. Das sind zur Zeit die fünf gängigsten Verfahren. Ich schließe nicht aus, daß infolge der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Forschungen - die Bundesregierung hat in der Zwischenzeit insgesamt 90 Millionen DM für Forschungen in diesem Bereich aufgewendet - zusätzliche Methoden hinzukom5796 men. Wir werden diese Verfahren zusammen mit den Ländern innerhalb der entsprechenden Länderarbeitsgemeinschaft gerne zusammenfassen und bewerten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Bund angesichts des Umfangs der Probleme den Auftrag, die Pflicht hat, etwas für eine gesamtstaatliche Koordinierung nicht nur auf dem Gebiet der Forschung, sondern auch im Sinne einer Lösung der Probleme zu tun?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Der Bund tut auf diesem Sektor bereits eine ganze Menge. Die Forschung, für die bisher 90 Millionen DM aufgewendet wurden, habe ich angesprochen. Bei der konkreten Sanierung hilft das Städtebauförderungsprogramm. Ferner hilft die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" , und es helfen einzelne, wie ich allerdings zugeben muß, bescheidene Möglichkeiten des Bundesumweltministeriums, um konkret F- und E-Vorhaben und Demonstrationsvorhaben durchzuführen. Darüber hinaus ist der Bund zusammen mit den Ländern - das war wohl der Kern Ihrer Frage - koordinierend im Bereich der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall tätig. Hier gibt es die Gruppe „Altablagerungen und Altlasten" . Hier soll für die Kommunen ein Leitfaden zur Erfassung, zur Bewertung und zur Sanierung von Altlasten erstellt werden. Dieses Werk soll Ende 1988, Anfang 1989 vorgelegt werden. Dann gibt es eine Arbeitsgruppe innerhalb unseres Hauses: „Gefahrenbeurteilung bei Altlasten". Die Zielsetzung dieser Arbeitsgruppe ist es, eine Grenzwertliste für Schadstoffkonzentrationen zu erarbeiten. Ferner haben wir eine Arbeitsgruppe „Altlastensanierung", die sich bemüht, rechtliche, organisatorische und finanzielle Fragen abzuklären. Schließlich gibt es die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft „Bodenschutz", die der 28. Umweltministerkonferenz schon im Mai 1987 einen Maßnahmenkatalog vorgelegt hat. Letztlich verweise ich auf die UMK-Sonderarbeitsgruppe „Bodeninformationssysteme", in der die Themenbereiche Stoffbelastungen und Begrenzung der Flächeninanspruchnahme behandelt werden sollen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben von Schäden, deren Beseitigung Kosten in Höhe von zweistelligen Milliardensummen verursachten. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in diesem Fall das Verursacherprinzip anzuwenden? Gibt es Möglichkeiten, diese Kosten - etwa wenn ein Industriebetrieb geschlossen wird; ich denke dabei an Marktredwitz, wo bei einem einzigen chemischen Betrieb, der geschlossen werden mußte, Kosten in der Größenordnung von 50 Millionen DM anfielen - dann auch den Verursachern aufzubürden?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Die Bundesregierung empfiehlt den Ländern - die in erster Linie betroffen sind - , grundsätzlich das Verursacherprinzip anzuwenden. Nur, wenn das Verursacherprinzip nicht anwendbar ist, weil der Verursacher nicht mehr feststellbar ist oder nicht mehr haftbar gemacht werden kann, müßte eine Auffanggesellschaft aus Ländern, Wirtschaft und Kommunen dafür eintreten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 38 der Abgeordneten Frau Dr. Segall auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Losung des Altlasten-/Deponie-Problems durch eine Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen in den Aufgabenfeldern Forschung und Entwicklung, Planung und Erfassung, Ausführung und Finanzierung und durch Pilotprojekte des Bundes?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Die Arbeitsteilung im Bereich des Altlasten- und Deponieproblems ist durch das Grundgesetz klar festgelegt. Die Erfassung, Gefährdungsabschätzung und Sanierung von Deponien und Altlasten liegt allein im Zuständigkeitsbereich der Länder. Sie haben auch die Kosten zu tragen, wenn der Verursacher nicht festgestellt oder nicht haftbar gemacht werden kann. Diese Auffassung wird von der Mehrheit der Länder im Bundesrat und in der Umweltministerkonferenz getragen. In mehreren Ländern sind deshalb Finanzierungsmodelle auf Landesebene realisiert worden. Die Bundesregierung unterstützt die Länder im Rahmen der vorgegebenen Normen durch Mitarbeit in mehreren Bund-Länder-Arbeitsgruppen sowie durch Bereitstellung erheblicher Mittel zur Erforschung und Entwicklung neuer Technologien zur Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Altlasten sowie für Demonstrationsvorhaben. Ich habe schon auf die Summe von 90 Millionen DM Forschungsmittel hingewiesen, die bei 50%iger Förderung einem Gesamtbetrag für die Forschung von 180 Millionen DM entsprechen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Zusatzfragen von Frau Dr. Segall. Eine Zusatzfrage von Herrn Grünbeck, bitte.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben eben von Grenzwerten gesprochen. Wenn ich richtig informiert bin, haben wir ja noch keine Grenzwerte. Würden Sie bei der Prüfung der Forschungs- und Entwicklungsprojekte einmal die Kombination von thermischen und biologischen Anlagen in bezug auf die Betriebskosten und die Investitionskosten besonders untersuchen? Die Kombination von thermisch und biologisch scheint nach Ansicht der Fachleute wohl die wirkungsvollste Aufbereitung zu werden.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Dieser Ansicht stimme ich zu. Weil diese Grenzwertliste, wie Sie richtig feststellen, noch nicht vorhanden ist, bemüht sich diese Arbeitsgruppe „Gefahrenbeurteilung bei Altlasten" in unserem Hause, die Festlegung dieser Grenzwerte herbeizuführen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Traupe.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nun sind die Belastungen in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Die SPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, und wir wollen Sie fragen, wann Sie uns Lösungsmöglichkeiten, vor allem auch was das Ruhrgebiet und den Bergbau im Saarland betrifft, vorlegen können.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

In der Tat, Frau Kollegin, die Belastungen in den einzelnen Bundesländern sind sehr unterschiedlich. Ich könnte Ihnen auch die Zahlen der vermuteten Altlasten nennen. Dies ändert allerdings nichts an der im Grundgesetz vorgenommenen Aufteilung der Zuständigkeiten sowohl für das Verfahren als auch für die Finanzierung. Darüber hinaus, Frau Kollegin, ist im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gerade für das von Ihnen angesprochene Ruhrgebiet ein Betrag von 500 Millionen DM vorgesehen, mit dem auch die Sanierung von Altlasten bewerkstelligt werden kann, sofern erstens der entsprechende Bereich im Geltungsbereich dieses Programms liegt, zweitens eine Kommune die Trägerschaft der Sanierungsarbeiten übernimmt und drittens die Fläche einem Gewerbebetrieb zur Verfügung gestellt wird. Das sind die drei Bedingungen. Sie haben auch noch das Saarland angesprochen. Hier will ich das Ergebnis der, glaube ich, für den 5. Juli angesetzten Konferenz nicht vorwegnehmen. Dafür bitte ich um Verständnis.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Baum auf: Welche Probleme ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung durch vorhandene Schadstoffbelastung des Bodens, von Baugrundstücken oder bereits bebauten Grundstücken, und welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege Baum, Schadstoffbelastungen des Bodens können auf Grund ihrer Eigenschaften wie Giftigkeit, Mobilität, Beständigkeit oder Fähigkeit zur Anreicherung im Organismus Gefahren oder Beeinträchtigungen für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen und damit Anlaß zu Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen sein. Schadstoffbelastungen des Bodens von Baugrundstücken erfordern bei Baumaßnahmen eine vorherige Gefahrenbeurteilung und gegebenenfalls entsprechende Sicherungs- und Sanierungsvorkehrungen. Die besondere Problematik schadstoffbelasteter Baugrundstücke liegt u. a. auch darin, daß die Kosten für notwendige Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen die tatsächlichen Grundstückskosten um ein Vielfaches übersteigen können. Darüber hinaus führen Schadstoffbelastungen des Bodens von Baugrundstücken in Ballungsräumen zu Engpaßsituationen, da die Nutzflächenaufbereitung und -bereitstellung insbesondere im Bereich der Gewerbeansiedlung in zunehmendem Maße Probleme bereitet. Schadstoffbelastungen des Bodens auf bereits bebauten Grundstücken sind im Falle von Wohnbebauungen besonders kritisch einzuschätzen. Je nach vorhandenem Schadstoffinventar sind Gesundheitsgefährdungen der Bewohner durch Ausgasungen oder direkten Kontakt möglich. Die Bundesregierung sieht hier grundsätzliche Lösungsmöglichkeiten, die durch die zuständigen Länder auf der Ebene der Ordnungsbehörden und der planenden Verwaltung zu vollziehen sind. Sie unterstützt die Länder bei der Entwicklung von Methoden zur Gefahrenermittlung und -erforschung sowie bei der Entwicklung und Anwendung von Techniken zur Gefahrenabwehr. Darüber hinaus geht die Bundesregierung davon aus, daß künftig Probleme mit bebauten Altlasten durch die seit dem 1. Juli 1987 in Kraft getretenen Neuregelungen im Rahmen des Baugesetzbuchs zur Kennzeichnung von erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belasteten Böden vermieden werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Baum, eine Zusatzfrage.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist mein Eindruck richtig, daß wir auf diesem ganzen Feld der Bewertung und der Gefahrenermittlung doch noch große Unsicherheiten haben und daß ein Nachholbedarf bezüglich Instrumenten und Kriterien besteht? Wie gedenkt die Bundesregierung hier mitzuwirken, um diese Unsicherheiten und Unklarheiten möglichst schnell auszuräumen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

In der Tat sind hier noch Unsicherheiten vorhanden. Die Bundesregierung hat deshalb einen Mitarbeiter unseres Hauses in die USA entsandt, um dort ein Jahr lang vor Ort diese Problematik studieren zu können. Die USA sind, wie wir wissen, von diesen Problemen noch viel stärker geplagt. Dort sind bis zu 400 000 Altlasten anzunehmen, und die USA haben deshalb auch große Anstrengungen unternommen, um dieses Problem zu lösen. Trotzdem konnten die Unsicherheiten auch durch dieses Gastspiel in den USA nicht beseitigt werden. Wir werden uns in der nächsten Zeit wohl noch intensiv bemühen müssen, hier voranzukommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 40 des Abgeordneten Baum auf : Welche Hindernisse ergeben sich durch hohe Schadstoffbelastung von Böden für den Strukturwandel in strukturschwachen Regionen, wie beispielsweise dem Ruhrgebiet und dem Saarland, und wie können diese überwunden werden?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Eine hohe Schadstoffbelastung der Böden, wie sie insbesondere für Altlasten typisch ist, stellt für altindustrielle Standorte, beispielsweise für das Ruhrgebiet und das Saarland, ein gravierendes Problem dar. Gerade in diesen Ballungsgebieten können Schadstoffbelastungen bei Baugrundstücken zu Engpässen führen, weil die Verfügbarkeit der Grundstücke gemindert, die Gewerbeansiedlung beeinträchtigt und somit der nötige Strukturwandel behindert wird. Für die Lösung dieses Problems kommt neben den bestehenden Hilfen des Bundes dem in der Ruhrgebietskonferenz zugesagten Sonderprogramm der Bundesregierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" eine besondere Bedeutung zu. Ich habe darauf bereits verwiesen. Mit diesem Sonderprogramm werden kommunale Infrastrukturinvestitionen sowohl zur Erschließung als auch zur Wiedernutzbarmachung brachliegender Industrie- und Gewerbeflächen gefördert. Hierzu kann im Einzelfall auch die Altlastensanierung zählen. In der für den 5. Juli dieses Jahres angesetzten Saargebietskonferenz wird über entsprechende Strukturprobleme des Saarlandes sowie der Lösungsmöglichkeiten im Rahmen eines Sonderprogramms der Bundesregierung beraten werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehe ich das richtig, Herr Kollege, daß die Belastungen einzelner Regionen der Bundesrepublik, aber auch einzelner Gemeinden so hoch sind, daß ein finanzieller Lastenausgleich sowohl zwischen den Gemeinden, also innerhalb eines Landes, als auch möglicherweise zwischen den Ländern erfolgen muß? Es kann nicht bestritten werden, daß einige Regionen und einige Länder hier wirklich Altlasten der Industrialisierung tragen, von denen die ganze Republik - also alle Einwohner - früher ihren Profit hatte.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

In der Tat ist die Lastenverteilung sehr unterschiedlich. Ich will Ihnen hier nur drei Zahlen aus der mir vorliegenden Liste nennen. Nordrhein-Westfalen rechnet mit ca. 11 000 Verdachtsflächen, während im Freistaat Bayern bisher 550 solcher Flächen gezählt worden sind. ({0}) Über die Frage der finanziellen Belastung kann allerdings erst diskutiert werden, wenn die jeweiligen Verdachtsstandorte nicht nur erfaßt sind, sondern auch eingehend bewertet wurden, die Gefährdungsbewertung vorgenommen und die Kostenschätzung für die Sanierung dargestellt wurde. So weit ist man in den einzelnen Ländern noch nicht. Darauf warten wir. Erst dann kann eine Bewertung der unterschiedlichen Lasten vorgenommen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Grünbeck.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Oberbürgermeister der Stadt Essen kürzlich dem Wirtschaftsausschuß berichtet hat, daß eine ganze Reihe von Investitionsvorhaben in seiner Stadt nicht realisiert werden konnten, weil die Böden wahrscheinlich noch mit kontaminierten Schadstoffen belastet sind, und daß deshalb die Investitionsvorhaben gescheitert sind, und müßte man, wenn man Ihre Ausführungen ganz kurz zwischenbilanziert, wonach noch keine technologische Sicherheit für die Altlastenaufbereitung gewährleistet ist, nicht den Schluß ziehen, daß man eigentlich die Finanzmittel der Ruhrkonferenz umstrukturieren müßte, damit zuerst Forschung und Entwicklung Ergebnisse über die zweckmäßigsten Aufbereitungsverfahren erbringen, und erst dann entsprechende Investitionsprogramme finanziert werden?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Es ist sicher richtig, daß man sich zunächst mit einzelnen konkreten Fällen als Beispielen befaßt, um die richtige Technologie herauszufinden, die für die Sanierung erforderlich ist. Erst dann ist ja das Erfordernis der Finanzierung daraus abzuleiten. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß hier noch ein erheblicher Forschungsbedarf gegeben ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Daniels ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Baukosten für die geplante Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf ({1}) selbst nach Angaben der Betreibergesellschaft DWK die ZehnMilliarden-DM-Grenze bereits überschritten haben und damit die Kostenschätzungen des Jahres 1986 um das Doppelte übersteigen, und beurteilt sie die von der DWK mit einer Milliarde DM angegebenen Kosten für die sogenannte KryptonRückhalte-Einrichtung nicht auch als Versuch, in dieser Summe unvorhergesehene oder bislang verschwiegene Kostensteigerungen zu verbergen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege, die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen hat in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1987 die Kosten für die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf nach heutigem Preisstand auf ca. 7,5 Milliarden DM beziffert. Als Kosten für die Pilotanlage zur Rückhaltung von Krypton 85 werden von derselben Gesellschaft der DWK, nicht 1 Milliarde DM, sondern 100 Millionen DM angegeben. Nach Meinung der Bundesregierung sind in diesem Betrag keine unvorhergesehenen oder angeblich bisher verschwiegenen Kostensteigerungen enthalten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bisher sagte die Bundesregierung, daß höchstens die jetzt wegfallende Investitionszulage für dieses spezielle Zonenrandprojekt gezahlt werde. Jetzt muß der Bürger feststellen, daß die atomare Wiederaufarbeitungsanlage an vielen Stellen indirekt massiv unterstützt wird. Aus diesem Grund stelle ich die Frage: Was zahlen denn die Staatsbürger wirklich für diese Anlage? Ich bitte Sie um eine umfassende, vollständige Auflistung, angefangen bei der Forschung für die Krypton-Rückhaltung über die Tritium-Endlagerung bis hin zur Infrastrukturleistung wie dem Bau neuer Straßen und Schienenstrecken sowie den Kosten des Verfassungsschutzes und anderer Schnüffelorgane.

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Herr Kollege Dr. Daniels, Herr Präsident, Sie werden mir nachsehen, daß ich die Summe von 7,4 Milliarden DM nicht auf alle diese von Ihnen gewünschten Positionen aus dem Stegreif aufschlüsseln kann. Ich bin natürlich gern bereit, Ihnen eine grobe Aufschlüsselung schriftlich nachzureichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die DWK hat betont, daß die Kostensteigerung jährlich bei ungefähr 200 Millionen liegen wird. Das heißt, es wird sicher in den Bereich von 10 Milliarden DM hineingehen, was die Kosten der WAA insgesamt angeht. Das Atomgesetz sieht vor, daß Wiederaufarbeitung betrieben wird, wenn sie wirtschaftlich vertretbar ist. Von welchem Zeitpunkt oder von welcher Grenze an betrachtet die Bundesregierung die WAA als unökonomisch oder als wirtschaftlich nicht mehr vertretbar? Wo liegt denn die eigentliche Grenze?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Die Bundesregierung sieht die jetzt vorgelegten und auch die prognostizierten Zahlen als durchaus noch im Rahmen des von Ihnen genannten Bereichs liegend an.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abg. Weiss ({0}).

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wenn Sie z. B. bei der Krypton-Rückhalteanlage einen Betrag von nur 100 Millionen DM erwähnen, dann gehen Sie von dem aus, was die DWK in ihrem Geschäftsbericht als ihre eigene Ausgabe ausweist. Es interessiert aber hier in dem Zusammenhang gerade, wie hoch eigentlich die Gesamtkosten des Projektes sind, und dann eventuell, wieviel durch öffentliche Finanzierungshilfen - Bund, Land - anderweitig getragen wird, also nicht in dem von Ihnen erwähnten Geschäftsbericht ausgewiesen ist. Können Sie da Zahlen nennen?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Ich nehme an, daß Sie sich auf die Bilanzpressekonferenz der DWK - ich glaube, am 9. Juni dieses Jahres - beziehen; ({0}) daher wohl auch die Frage nach der 1 Milliarde DM für diese Pilotanlage. Auf dieser Bilanzpressekonferenz wurde gefragt, ob die Kosten für die Pilotanlage innerhalb der Bauherreneigenleistungen angesiedelt sind oder ob sie in dem Generalunternehmervertrag zu finden sind. Die Antwort war, daß sie innerhalb dieser Bauherreneigenleistungen zu finden sind, und diese Bauherreneigenleistungen betragen 1 Milliarde DM. Aber diese 1 Milliarde DM wird bei weitem nicht nur für diese Pilotanlage zur Krypton-Rückhaltung, sondern auch noch für eine ganze Reihe anderer Vorhaben verwendet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zur Frage 42 des Abgeordneten Dr. Daniels: Wie beurteilt die Bundesregierung, daß angesichts des immer offensichtlicher werdenden Wirkungszusammenhangs zwischen dem Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen ({0}) und der Zerstörung der Ozonschicht bei der sogenannten Krypton-Zurückhaltung bei der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf große Mengen FCKW eingesetzt und freigesetzt werden sollen, und von welchem Mengenumsatz pro Jahr geht sie dabei aus?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Bei dem in der geplanten Pilotanlage zur Krypton-Rückhaltung bei der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf zur Anwendung vorgesehenen Gas-Waschverfahren - es handelt sich um die Freongas-Wäsche - werden die als Lösungsmittel dienenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe in der Anlage in einen geschlossenen Kreislauf geführt. Die beim Betrieb trotzdem unvermeidlichen jährlichen FCKW-Freisetzungen werden mengenmäßig voraussichtlich - das ist die Planvorgabe - unter 100 kg liegen. Genauere Mengenangaben sind beim jetzigen Planungsstand der Anlage nicht möglich. Wie Sie wissen, hat sich die DWK erst im April entschieden, diese Pilotanlage zu verwirklichen. Das Angebot stammt ja schon aus früherer Zeit.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie kann die Bundesregierung es verantworten, daß hier eine Anlage geplant ist, bei der möglicherweise eben nicht nur diese 100 kg, sondern - darüber hinausgehend - riesige Mengen an Fluorchlorkohlenwasserstoffen freigesetzt werden, wenn sie auf der anderen Seite plant, die Belastungen der Ozonschicht durch eben diese FCKW erheblich zu reduzieren?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Wie Sie aus unseren intensiven Beratungen im Umweltausschuß wissen, hat sich die Bundesregierung ganz enorm engagiert, um die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, und zwar sowohl in der Produktion als auch im Verbrauch, innerhalb der Bundesrepublik, innerhalb der EG stark zu reduzieren. Sie wissen auch, welche Fortschritte bisher erzielt wurden. Die Bundesregierung ist natürlich in jedem Einzelfall - auch in jedem kleinen Einzelfall - bemüht, entsprechend dem Minimierungsgebot die geringstmögliche Menge an Fluorchlorkohlenwasserstoffen freisetzen zu lassen. Das gilt auch für diese Anlage. Die Größenordnung - bis zu 100 kg pro Jahr - ist in der Tat nur eine grobe Schätzung, eine Obergrenze. Wir gehen davon aus, daß sich der Betreiber darum bemüht, diese Menge noch zu reduzieren.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Daniels.

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sind der Bundesregierung Wechselwirkungen bekannt, die zu radiolytischen Reaktionen von Fluorchlorkohlenwasserstoff führen, also dazu, daß diese freigesetzten Stoffe radiolytisch zersetzt werden und dadurch neue radioaktive Stoffe entstehen können?

Wolfgang Gröbl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000732

Das ist mir im Augenblick nicht bekannt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Weiss ({0}).

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, auch die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die nicht emittiert werden, müsen auf irgendeine Art und Weise entsorgt werden. Aber nun hat man ja das Problem, daß sie dann mit radioaktiven Stoffen beladen sind. Ich frage Sie: Gibt es überhaupt schon Ideen oder Vorstellungen, wie man mit hoher Radioaktivität belastete Fluorchlorkohlenwasserstoffe entsorgen könnte? 5800 Deutscher Bundestag - l 1. Wahlperiode Gröbl, Parl. Staatssekretär: Wir haben ja zunächst die Fluorchlorkohlenwasserstoffe innerhalb des geschlossenen Kreislaufs; die sind davon nicht betroffen. ({0}) Die anderen, die freigesetzt werden, sind nicht rückholbar. ({1}) - Das ist klar. Ebenso wie die Krypton-Rückhaltung dazu führt, daß das zurückgeholte Krypton zunächst in Flaschen gasförmig verpackt, zwischengelagert, umgewandelt und dann endlagerfähig gemacht wird, wird man in dieser Frage der FCKW, sofern sich das als echtes Problem darstellt, innerhalb der Pilotanlage auf ähnliche Art und Weise verfahren. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende dieses Geschäftsbereiches angelangt. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit auch am Ende der Fragestunde. Meine Hoffnung, eine Pause von wenigstens einer Minute einlegen zu können, hat sich nicht realisiert. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Haltung der Bundesregierung zu den drastischen Vespätungen im Luftverkehr Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000359, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zustände im deutschen Flugverkehr schreien buchstäblich zum Himmel. Unabsehbare Verspätungen, unverantwortliche Wartezeiten, schwere Belastungen von Hunderttausenden von Fluggästen dauern bereits seit Wochen an. Dies ist jedoch nur ein Vorgeplänkel. Die Sommermonate und der Frühherbst werden der Ernstfall sein. Diese Entwicklungen waren seit vielen Monaten absehbar. Getan hat der Verkehrsminister jedoch fast nichts. Er beschränkt sich auf die Mängelverwaltung. Dem Luftverkehr droht der Kollaps, ({0}) und der Verkehrsminister verschreibt Baldriantropfen. Herr Verkehrsminister, wo bleibt denn Ihr Handlungskonzept? Da beschließen Sie und Ihre EG-Kollegen die Deregulierung des europäischen Luftverkehrs, ohne die geringsten Vorsorgemaßnahmen für die vorhersehbaren Folgen zu treffen. Die gestrige Blitzkonferenz der EG-Verkehrsminister unter Ihrer Leitung gehört deshalb in die Rubrik „Aktionismus Marke Placebo". Bereits im letzten Jahr lag die Verspätungsquote bei Flügen aus Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Staaten bei fast 200 %. Allein die Lufthansa-Jets mußten 5 000 Stunden in Warteschleifen zubringen. Dieser ökologische und ökonomische Unsinn hätte Ihnen doch eigentlich Beine machen müssen. Aber außer der berühmt-berüchtigten weißen Salbe haben Sie nichts zu bieten. Von planvollem Vorgehen kann jedenfalls keine Rede sein, und dies, obwohl auch Sie wissen müßten, daß die Zukunftsaussichten auf Sturm stehen. Für die überlasteten Flughäfen hat der Flugplankoordinator 18,4 % bzw. 17 % mehr Flüge für dieses Jahr zugelassen. Was dies ohne Gegensteuern für die Pünktlichkeit, für den Reisekomfort, aber auch für die Sicherheitslage bedeutet, kann sich jeder Laie ausmalen. Bereits am 17. Dezember 1987 ist Ihnen von Fachleuten unmißverständlich dargelegt worden, daß in diesem Jahr mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen an den deutschen Flughäfen und auch mit einem entsprechenden Ansteigen der Überflüge über das Bundesgebiet gerechnet werden muß. Es sind Ihnen eine ganze Reihe von hervorragenden Vorschlägen zur Lösung dieses Problems vorgetragen worden. Ein halbes Jahr ist seitdem ins Land gegangen, ohne daß Sie ein wirklich durchgreifendes Konzept erarbeitet, geschweige denn durchgesetzt haben. Diese schläfrige Schludrigkeit steht in krassem Gegensatz zur tagtäglichen Realität, die sich auf unseren Flughäfen und am deutschen Himmel abspielt. ({1}) An Ideen zur Behebung der Probleme mangelt es nicht; es mangelt an ihrer Ausführung. Die Bundesregierung ist auch auf diesem Felde so saft- und kraftlos wie eine Zitrone, die jahrelang in der Wüste gelegen hat. Da mutet es schon fast peinlich an, wenn Sie an die Länder appellieren, die Nachtflugbeschränkungen aufzuheben. Dies ist nicht nur ein Appell, bestehende Rechtsvereinbarungen zu brechen, sondern bedeutet auch, daß sowieso schon lärmbelastete Menschen das Nichtstun der Bundesregierung auch noch zusätzlich mit ihrer Gesundheit bezahlen sollen. Herr Minister, Sie sollten kein Schwarzer-PeterSpiel betreiben, ({2}) sondern Sie sollten endlich handeln. Sie sollten eine Entzerrung der beengten Luftstraßen herbeiführen. 70 % unseres Luftraumes werden militärisch genutzt. Wann endlich werden Sie den Vorrang der Militärs beschneiden? Sorgen Sie dafür, daß das mit nichts mehr zu rechtfertigende Tabu eines deutsch-deutschen Luftverkehrsabkommens endlich gebrochen wird! Damit würde der zur Verfügung stehende Luftraum vergrößert, ohne daß die Luftkorridore nach Berlin tangiert würden. Ein weiteres Tabu sollte ebenfalls endlich vom Tisch, nämlich die Unantastbarkeit der Frankfurter US-Airbase. Herr Minister, nennen Sie uns einen vergleichbaren internationalen Flughafen, dem eine militärische Airbase angegliedert ist! Es gibt keinen. Das sind nur einige der Hausaufgaben, die von Ihnen gemacht werden müssen. Gefragt ist nicht blinder Aktivismus, sondern aktives, planvolles Handeln auf den Feldern strukturelle Neuordnung der Flugsicherungssysteme, qualitativer Ausbau der Flughäfen, Neuaufteilung der Luftraumnutzung. Die Zeit zum Handeln ist überfällig. Herr Minister, denken Sie daran: Wenn am Himmel nichts mehr geht, spätestens dann fliegen Sie. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Tillmann.

Ferdinand Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002326, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Daubertshäuser, wenn Sie von Zuständen sprechen, die zum Himmel schreien, von Schludrigkeit und ähnlichem, dann darf man das sicherlich getrost oppositionellem Drang zur Übertreibung zugute halten. ({0}) Niemandem ist natürlich damit gedient, wenn die tatsächlich vorhandenen Kapazitätsprobleme am Himmel über der Bundesrepublik Deutschland bagatellisiert werden. ({1}) Aber die exorbitante Zunahme des Luftverkehrs, auf die ja diese Zustände zurückzuführen sind, hat natürlich auch ihre guten Seiten. Sie ist nämlich ein Ausdruck für die wachsende wirtschaftliche Dynamik und für den wachsenden Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland, der es der Bevölkerung erlaubt, Flugreisen anzutreten. ({2}) Diese wirtschaftliche Dynamik und dieser zum Ausdruck kommende Wohlstand stellen der Wirtschafts-und Finanzpolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. ({3}) Positiv ist auch zu bewerten, daß in diesem Bereich in den letzten Jahren Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden konnten. Es gibt erstaunlicherweise eine Pressemeldung von gestern, die sogar davon spricht, daß die Lufthansa Probleme hat, ihren Pilotennachwuchs anzuwerben. Denken Sie bitte auch an die Arbeitsplätze, die gesichert und geschaffen werden durch die Milliardeninvestitionen in den neuen Flughafen München II und in den Ausbau des Flughafens in Frankfurt am Main. ({4}) Als Industrienation, als exportorientiertes Land sind wir auf einen gut funktionierenden, einen sicheren, pünktlichen, flüssigen und auch wirtschaftlichen Luftverkehr natürlich dringend angewiesen. Deswegen muß unsere Luftinfrastruktur, Herr Minister, müssen die Kapazitäten dem wachsenden Verkehr angepaßt werden, der ja in den letzten Jahren mit zweistelligen Raten gewachsen ist. Selbst Optimisten haben im Jahre 1985 noch nicht an diese Zunahme geglaubt; die Internationale Luftverkehrsorganisation, ICAO, hat im Jahre 1985 Prognosen auf den Tisch gelegt und den Verkehr, den wir heute schon haben, erst für das Jahr 1995 geschätzt. Das sind die Tatsachen. Für diese falschen Prognosen kann die Bundesregierung nicht verantwortlich gemacht werden. Es gab in der Zeit 1979, 1980 im übrigen auch Pessimisten. Wenn wir ihnen gefolgt wären, hätten wir heute noch ganz andere Zustände. Das waren ausgerechnet die, die heute der Bundesregierung Vorwürfe machen, sie habe nicht rechtzeitig genug gehandelt. ({5}) Wir begrüßen die Aktivitäten der Bundesregierung. Wir begrüßen es, daß 900 Millionen DM für Investitionen in den Ausbau einer neuen Generation unseres Flugsicherungssystems vorgesehen sind. In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings auch darauf hinweisen, Herr Minister, daß wir es für erforderlich halten, daß die Wegekostendeckung zu 100 % erfolgt und nicht wie bisher nur zu 60 bis 85 %. Das würde Sie unabhängiger vom Finanzminister machen und Ihnen mehr Flexibilität bei den Investitionsplanungen verleihen. ({6}) Aber es geht hier nicht nur um das Material, um die Einrichtungen, es geht hier auch um die Menschen. Deshalb begrüßen wir es auch, daß Sie die Fluglotsen mit der Schaffung der zusätzlichen Aufwandsentschädigung im Sinne einer leistungsgerechteren Bezahlung motiviert haben. Wir begrüßen es, daß Sie neue Planstellen schaffen wollen, daß Sie Stellenanhebungen vorhaben. Ich möchte allerdings auch daran erinnern, daß wir die Techniker und die Flugsicherungsingenieure nicht vergessen dürfen. Studienbeihilfen allein genügen nicht. Ich stelle in diesem Zusammenhang auch die Frage - sie sollte ernsthaft erörtert werden - , ob im Hochtechnologiebereich, wie wir ihn bei der Flugsicherung haben, das Prokrustesbett des öffentlichen Dienstrechtes für die Bewältigung der Aufgaben, die hier vor uns liegen, heute noch zeitgemäß ist. ({7}) Das öffentliche Dienstrecht ist zu starr; es ist zu unflexibel. Hier muß mittelfristig etwas getan werden. Ich hoffe, Herr Minister, daß die von Ihnen, von der Bundesregierung in Angriff genommenen Maßnahmen schon in diesem Sommer dazu beitragen werden, daß die Zustände, die Herr Kollege Daubertshäuser hier beschworen hat, nicht eintreten werden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Weiss ({0}).

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute die Situation im Luftverkehr mit zahlreichen Verspätungen und Stornierungen beklagen, dann dürfen wir dabei nicht einfach so tun, als ob die zweistelligen Zuwachsraten, die der Luftverkehr in den letzten zwei Jahren hatte, reiner Zufall gewesen seien; denn dieser Zuwachs war natürlich politisch gewollt und ist von dieser Bundesregierung natürlich auch gefördert worden. ({0}) Mit der Liberalisierung im Regionalluftverkehr hat die Zahl der innerdeutschen Flüge auf Kurz- und Kürzeststrecken in der Bundesrepublik drastisch zugenommen, und die beabsichtigte Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs im Rahmen der Schaffung des EG-Binnenmarkts wirft ihre Schatten voraus; denn schon heute sind die Fluggesellschaften aktiv. ({1}) Um sich genügend Kapazität, genügend „slots" zu sichern, werden im Vorgriff auf den Binnenmarkt eigentlich von allen Luftverkehrsgesellschaften die Zahlen der Flugbewegungen schon heute gesteigert. Denn eines ist klar: Die bereiten sich auch auf 1992 vor, und wer mehr „slots" hat, hat dann den Wettbewerbsvorteil in einem liberalisierten Luftverkehrs-markt. Leider scheint es fast generell Konsens zu sein - außer bei den GRÜNEN - , daß im Rahmen einer unkritischen EG-Euphorie eine „Open sky"-Politik betrieben werden soll, die den Himmel über der Bundesrepublik für Fluggeräte aller Art öffnen will. Die jetzt sichtbaren Folgen - massenhafte Verspätungen, Stornierungen - sind wohl nur eine leichte Andeutung dessen, was uns erwartet, wenn die Liberalisierung tatsächlich durchgeführt wird. Angesichts dieser Situation hätten Sie, Herr Minister, gerade in den letzten Tagen bei der EG-Verkehrsministerkonferenz Gelegenheit gehabt, deutlich zu machen, daß es mit dieser europäischen „Open sky"-Euphorie eben nicht so weitergehen kann. Es ist auch das Versäumnis dieser Bundesregierung, die hier vorhandenen Probleme nicht rechtzeitig erkannt und nicht rechtzeitig gegengesteuert zu haben und anscheinend noch immer nicht wirksam gegensteuern zu wollen. Ein Blick in die Vereinigten Staaten zeigt, welche Folgen bei einem totalen „open sky" noch zu erwarten sind. ({2}) Ich möchte einmal klar sagen: Die Situation im Luftverkehr ist nicht durch mangelnde Infrastruktureinrichtungen am Boden bedingt; Engpässe beim Transitverkehr und beim Überflug zeigen ganz klar: Unser Himmel ist voll, und die Flugzeuge kommen nicht mehr hoch. Obwohl das allen bekannt ist, wird diese Situation ausgenutzt, neue Baumaßnahmen, neue Startbahnverlängerungen und neue Infrastruktureinrichtungen zu fordern. Es wird gefordert, Nachtflugverbote aufzuheben. Aber das hat, weil gerade beim Überflugverkehr der Himmel voll ist, eigentlich keinen Erfolg. Mir drängt sich der Eindruck auf, als ob die momentane Situation ausgenutzt wird, als ob die wartenden Passagiere als Geiseln interessierter Leute genommen werden, mit denen neue Ausbaumaßnahmen, neue Erweiterungen durchgedrückt werden sollen. ({3}) Nur hat das damit nichts zu tun. Wenn es einen Konflikt gibt, dann gibt es natürlich den klaren Konflikt zwischen der zivilen und der militärischen Luftraumnutzung. Es ist einfach so, daß am Himmel bei uns noch immer die Militärs den absoluten Vorrang haben. Es ist so, daß über dem Gebiet der Bundesrepublik sieben verschiedene Luftwaffen ihre Übungen abhalten. Es gibt kaum ein anderes europäisches Land, wo so viel Luftraum für das Militär reserviert und dem zivilen Luftverkehr verschlossen ist wie in der Bundesrepublik. Das muß einmal klar gesagt werden. Es sind nämlich die Militärs, die Bundeswehr und die alliierten Streitkräfte, die die heutige Situation im Luftverkehr herbeigeführt haben. ({4}) Nur sagen Sie das den Passagieren nicht. ({5}) Sie sagen den Passagieren, es würde an Infrastruktureinrichtungen oder anderem fehlen. Damit führen Sie die Leute gewaltig in die Irre. Benennen Sie die Probleme, wie sie sind, und gehen Sie endlich daran, etwas zu tun, damit die Situation 1992 nicht zum totalen Kollaps führt! Danke. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Gries.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, was erst passiert, wenn nach der Beschlußfassung morgen auch noch die steuerbefreiten Hobbyflieger des Herrn Strauß den Luftraum bevölkern. ({0}) Das ist aber nur eine Eingangsbemerkung, die nicht darüber hinwegtäuschen darf, wie ernst die Lage ist. Wir alle, durch alle Fraktionen, sind Mitleidende der augenblicklichen Situation im Luftverkehr. Die FDP bedauert sehr - wie alle hier - die jetzigen Zustände. Ich fürchte, es wird noch schlimmer werden. ({1}) Das ist natürlich eine wenig erfreuliche Erwartung für diesen Sommer. Es hat mit Deregulierung - ich bin für den Zwischenruf dankbar - überhaupt nichts zu tun, weil wir bis zur Stunde keine Deregulierung des Luftverkehrs haben, ({2}) auch wenn Piloten so etwas aus Lufthansamaschinen verkünden. Das heißt, wir sind gefordert, wegen der wirklich unerträglichen Belastung für die Passagiere, für die Fluglotsen und - das sollte man dazusagen - auch für die Flugmannschaften zu schnellen Entscheidungen zu kommen. Es ist ja nicht so, daß nur die Passagiere davon betroffen sind. Wir müssen Maßnahmen treffen, die in der Luft und am Boden für die Menschen wirksam sind, die diesen Flugverkehr regeln. Da nützen uns, Herr Weiss, ideologische oder dirigistische Lenkungsmaßnahmen überhaupt nichts. Denn erst wollen Sie die Leute von der Straße vertreiben und auf die Schiene zwingen, und jetzt wollen Sie sie aus der Luft vertreiben. Wo wollen Sie sie eigentlich hinbringen? ({3}) Ich bin der Meinung, daß Politik darin zu bestehen hat, daß wir den Bedürfnissen und den Wünschen der Menschen gerecht werden, solange sie gerechtfertigt sind. So begreife jedenfalls ich Politik. ({4}) Das heißt aber umgekehrt auch, daß wir eine Menge von Maßnahmen zu treffen haben, die zum Teil unpopulär sind, die unkonventionell sind und die in erheblichem Maße auch radikal sein werden. Ich denke hier an die Neuordnung des Luftraums und der Flugsicherung. Dazu gehört - das ist hier angesprochen worden - z. B. die Zusammenführung der zivilen und der militärischen Flugsicherung. Ich mache gar keinen Hehl daraus, daß ich dafür bin - das ist die Freiheit des Abgeordneten bei Aktuellen Stunden, weil er nicht alles mit seiner Fraktion rückchecken kann - , daß der Vorrang bei der zivilen Flugsicherung liegt. ({5}) Denn der zivile Luftverkehr nutzt den Luftraum in erheblichem Maße im Interesse der Bürger. Hier haben die militärischen Belange zurückzustehen, oder sie müssen den ihnen gebührenden Rang einnehmen. Das zweite, was ich hier sagen will, ist: Es geht auch um die Ausnutzung des gesamteuropäischen Luftraums. Ich würde bitten - ich weiß, daß die Bundesregierung in dieser Richtung denkt -, daß wir mit der DDR über Überflugmöglichkeiten sprechen. Die Fachleute wissen, was ADIZ ist. Dieser Unsinn muß aufhören. Es muß Möglichkeiten geben, die DDR und osteuropäische Staaten zu überfliegen. Auch das würde unseren Luftraum ganz erheblich entlasten. Ich denke daran, daß Eurocontrol wiederbelebt werden muß. Die Probleme , die wir hier haben - z. B. in München oder in Frankfurt - sind keine hausgemachten, keine nationalen, sondern das sind Auswirkungen der Schwierigkeiten im internationalen Bereich. Eurocontrol muß wieder belebt werden. Ich habe heute erfahren, daß die europäischen Verkehrsminister unter der Präsidentschaft unseres Verkehrsministers in derselben Richtung denken und einiges tun wollen. Ich sage ganz deutlich: Es muß auch dazu kommen - abweichend von der bisherigen Regelung - , den Luftverkehr dadurch zu entzerren, daß die Linienmaschinen vor der Privatfliegerei Vorrang haben. Es ist unerträglich, daß zwei Leute in einer zweimotorigen Maschine denselben Rang haben wie 450 im Jumbo. ({6}) Das kann so nicht weitergehen. Auch hier muß gesetzlich eingegriffen werden. Dazu gehören organisatorische, technische und - ich nehme an, daß darüber noch gesprochen werden wird - auch finanzielle Neuordnungen innerhalb der Flugsicherung. Ich denke hier an eine leistungsgerechtere Bezahlung. Das ist ein erster Schritt, der erfreulicherweise getan worden ist. Es geht auch um die Qualifikation der Mitarbeiter und die Zahl der Mitarbeiter. Ich sage ein Weiteres - und das gehört zum Unpopulären - : Ich bin der Meinung, daß alle Ausbaumöglichkeiten von Flughäfen, alle Kapazitäten ausgenutzt werden müssen, daß die Infrastruktur der Flughäfen besser genutzt werden muß, als das bis heute der Fall ist. Dazu gehört auch - das geht die Verkehrspolitiker an - die Verkehrsverbindung zwischen Flughäfen. Ob Düsseldorf-Köln-Frankfurt, ob Frankfurt-Stuttgart-München, alles das gehört in diesen Kontext Ausbau und bessere Ausnutzung der Flughäfen hinein. Dazu gehört auch - und ich sage das hier ganz bewußt - eine objektive Überprüfung von bestehenden Flugbeschränkungen, z. B. Nachtflugverboten. Ich selbst war in früherer Funktion z. B. am Nachtflugverbot für den Flughafen Frankfurt beteiligt. Ich weiß, wie wichtig das war, wie notwendig das ist, wie sehr das im Interesse der Bürger lag und liegt. Aber wir können doch nicht die Augen vor neueren technischen Entwicklungen verschließen. Das heißt: Ich spreche mich deutlich dafür aus, auch solche Nachtflugverbote, Nachtflugbeschränkungen zu überprüfen, um weitere Kapazitäten zu kriegen. Es ist ja nicht die Frage -

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Verehrter Herr Kollege Gries - Gries ({0}): Herr Präsident, wenn Sie gestatten -

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nein, allmählich kann ich es nicht mehr gestatten.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe der Schriftführerin zugesagt, mich nicht ein zweites Mal zu melden. Wenn Sie mir noch eine Minute von der zweiten Redezeit gäben, wäre ich sofort am Ende.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nein, nein, Herr Kollege.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um die Gewinnmaximierung von Fluggesellschaften oder Flughafenbetriebsgesellschaften, sondern es geht darum, den Bürgern dieses Landes, die fliegen wollen und die zum Teil fliegen müssen, ({0}) die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit das in einer sicheren und auch vernünftigen Weise abgehandelt werden kann. Ich habe schon gesagt:.. .

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nein, Herr Kollege, jetzt geht es nicht mehr.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

... Ich bin kein Meteorologe. Der Sommer wird heiß. Aber wir wissen alle: Wir werden aufgefordert zum Handeln. Ich möchte mich bei der Bundesregierung für das bedanken, was sie bisher getan hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Gries!

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie werden die Unterstützung für Ihre weiteren Maßnahmen haben. Vielen Dank, Herr Präsident. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich gehe davon aus, daß Sie sich nicht noch einmal melden. Aber es geht nicht. Unsere Geschäftsordnung schreibt Fünf -Minuten-Reden vor. ({0}) - Jedenfalls müßte er es dann schon mit dem Präsidenten abreden. Aber auch der könnte ihm keine Freiheiten dieser Art erlauben. Sie müssen immer die Rückwirkungen auf den Flugverkehr berücksichtigen. ({1}) Jetzt kommt die Abgeordnete Frau Faße.

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ersten Bundesländer haben bereits Ferien. Alle anderen werden in Kürze folgen. Die Reiselust der Bundesbürger ist ungebrochen, und sicherlich werden auch viele von Ihnen hier im Saal in den Urlaub fliegen, besonders in den sonnigen Süden. Der ist gefragt. ({0}) - Das ist aber keine Abwertung all derer, die ins Ausland fliegen, oder? - Diesen Süden erreicht man vorrangig mit dem Flugzeug. Dazu kommt für unsere Flughäfen der normale Flugverkehr. Bis zum Jahre 2000 - so wird prognostiziert - wird sich der Flugverkehr verdoppeln. Die für 1995 erwarteten Zahlen sind in Frankfurt, München und Düsseldorf schon jetzt erreicht, die Verspätungen im deutschen Luftverkehr alarmieren schon heute, beim alltäglichen Betrieb. Insidern war lange klar, daß es zu einer Überfüllung des Luftraums und der Flughäfen kommen mußte. Berechtigte Unzufriedenheit macht sich breit. Fragen nach ausreichender Sicherheit werden gestellt. Vor allem die Fluglotsen haben immer wieder auf das schon im vorigen Jahr hereingebrochene Kapazitätsproblem als sich verstärkende Gefahr hingewiesen. Verspätungen und Umwege in der Luft werden auch in diesem Jahr Zeitverluste und zusätzliche Kosten mit sich bringen. 1987 verbrauchte allein die Lufthansa ({1}) für 50 Millionen DM Flugbenzin in den Warteschleifen über den deutschen Flughäfen. ({2}) Die von Brüssel beschlossene Deregulierung des Luftverkehrs wird diese Situation noch verschärfen. Skeptiker der Reisebranche äußern immer öfter die Ansicht, es werde wohl in diesem Jahr unaufhaltsam zum Zusammenbruch des deutschen und auch des europäischen Luftverkehrs kommen. Während einerseits die von der EG ausgehende Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs ansteht, wird andererseits nichts unternommen, um die zusätzlichen Flüge überhaupt abwickeln zu können. Durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes und die damit verbundene Liberalisierung des Luftverkehrs droht ein jährlicher Anstieg des Luftverkehrsaufkommens von mehr als 10 %. Es kann ja wohl keine Lösung sein, Passagiere mit Kind und Kegel in Bussen nachts durch die Bundesrepublik zu fahren. Es kann wohl auch keine Lösung sein, das Nachtflugverbot zu durchlöchern. Man kann meiner Meinung nach nicht über Fallösungen - diese werden sich ja häufen - die Probleme auf unseren Flughäfen zu Lasten der Anwohner lösen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die zahlreichen Verträge und Vereinbarungen mit den Anliegern hinzuweisen. Diese lassen sich sicherlich nicht mit einem Handstreich beseitigen. Das Chaos, das uns bevorsteht, kommt vom Himmel; aber es kommt nicht plötzlich, unerwartet oder überraschend. ({3}) Handlungsbedarf bestreitet keiner mehr. Minister Warnke produziert bisher leider nur große Überschriften, gibt Willensbekundungen ab; ({4}) aber Handlungen merke ich nicht. ({5}) Daß wir es hier mit einer Krise im Luftverkehr zu tun haben, bestätigt die Einrichtung eines europäischen Krisenstabes. Die Verkehrsminister der Gemeinschaft sind sicherlich ein wichtiges Gremium. Für dieses Jahr sollen ja auch Maßnahmen getroffen werden. Ich bin gespannt, wie sie aussehen, und ich hoffe, daß es mehr ist als eine Konferenzschaltung in den Monaten Juli, August und September. In diesem Sommer ist die Verärgerung der Reisenden, der Anbieter, der Fluglotsen und der Betreiber vorprogrammiert. Für die Bundesrepublik fordert die SPD Flugsicherung aus einer Hand in der Verantwortlichkeit des Verkehrsministers. Es gilt, Verbesserungen aller Flugsicherungseinrichtungen vorzunehmen. Verbessert werden muß die technische und personelle Ausstattung. ({6}) Von uns sind viele Vorschläge gemacht worden. Ich hoffe nur, daß in diesem Sommer unsere Fluggäste nicht mit überzogenen Verspätungen rechnen müssen, und ich hoffe für uns alle, daß es nicht verstärkt zu kritischen Situationen im Flugraum, geschweige denn zu einem Unglück kommen wird. Danke schön. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Daubertshäuser, wenn ich mir Ihre Rede noch einmal ganz kurz vor Augen führe, die unter dem Thema stand: Haltet den Dieb!, dann möchte ich Sie bitten, daß Sie jetzt gut aufpassen und einmal hören, wer mit die Ursache dafür ist, daß wir hier in der Bundesrepublik Deutschland teilweise solche Probleme haben. Zu Ihnen, Herr Kollege Weiss von den GRÜNEN, möchte ich sagen: Es mutet mich schon immer ganz, ganz komisch an, wenn ich im Flugzeug fliege und dann den einen oder anderen GRÜNEN nicht nur hinten in der Touristenklasse, sondern vorne auf FirstClass-Plätzen sitzen sehe. ({0}) Wenn Sie hier an die Öffentlichkeit treten und sich gegen das Fliegen aussprechen, dann müssen Sie sich um der Glaubwürdigkeit willen auch so geben und mit dem Zug fahren, anstatt die Flugzeuge zu benutzen und hier Stimmung gegen das Fliegen zu machen. ({1}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst dem Bundesverkehrsminister Dr. Warnke zu seinem Erfolg gratulieren, daß es ihm gelungen ist, EG-weit eine Regelung zu finden, die hoffen läßt, daß die großen Probleme, die wir gerade im Flugverkehr haben, bewältigt werden können. ({2}) Der internationale Ansatz ist richtig. Denn national ist das Problem der Flugverspätungen nicht zu regeln. So führen u. a. auch die Annahmebeschränkungen im Ausland zu Engpässen auf unseren Flughäfen. Zudem wird bis zum Jahre 2000 eine Verdoppelung des zivilen Flugverkehrs in Europa erwartet. Niemand konnte das voraussehen. Vor einem Jahr ging man von einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 3,7 % für den Linienverkehr und 2,7 % für den Charterverkehr aus. Heute liegen die tatsächlichen Wachstumsraten beim Sechs- bis Zehnfachen, nämlich bei 15 % mit Spitzen in einzelnen Fällen unseres Luftraums von 30 %. 1986 waren es noch ca. 42 Millionen Flugreisende, 1987 bereits 48 Millionen, und in diesem Jahr können wir mit einer Spitze von über 52 Millionen Fluggästen rechnen. Dies, meine Damen und Herren, ist im übrigen auch ein deutlicher Hinweis auf den Wohlstand unserer Bürger und die Richtigkeit der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. ({3}) Nur dadurch können sich die Bürger das Fliegen ins Ausland leisten. ({4}) Stellvertretend für alle Flughäfen möchte ich den Flughafen München nennen, wo wir gerade in den letzten Monaten große Probleme verzeichnen mußten. Hier sind die Zahl der Flugbewegungen und die Zahl der Fluggäste von 111 000 bzw. 4 Millionen im Jahre 1971 auf 175 000 bzw. 9,5 Millionen in 1987 angewachsen. Wo liegen nun die Ursachen für die Verspätungen, die mich schon im Herbst vergangenen Jahres veranlaßt haben, diesbezügliche Fragen an die Bundesregierung zu richten? Einmal haben die von bestimmter technik- und wachstumsfeindlicher Seite - ich erinnere nur an die Startbahn West - initiierten Verzögerungen dazu beigetragen. Aber nicht nur die GRÜNEN, auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, müssen sich einen Vorwurf gefallen lassen: Durch den Baustoppbeschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1981 ist der Bau des neuen Münchener Flughafens um ca. vier Jahre verzögert worden. Dazu hat die mangelnde Unterstützung durch den seinerzeitigen Bundesverkehrsminister Hauff - der im übrigen heute wieder durch Abwesenheit glänzt, obwohl er hier hingehört, um Rechenschaft abzulegen, wenn schon eine solche Aktuelle Stunde von Ihnen beantragt wird - beigetragen. ({5}) Er betonte damals die fortbestehende Zentralstellung des Flughafens Frankfurt - ich frage mich: Hat er vielleicht schon damals seine Oberbürgermeisterkandidatur im Auge gehabt? - und ließ es an der notwendigen Hilfestellung bei dem für den neuen Flughafen München II geplanten Bahnsystem fehlen. Diese Position bestärkte den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seiner Auffassung, daß die Dimensionierung des neuen Flughafens nicht gerechtfertigt ist. Somit werden statt der erforderlichen drei nur zwei Startbahnen gebaut. Die Urlauber sind zu Recht verärgert. Denn wenn die schönste Zeit des Jahres mit einem Fehlstart in Form von Verspätungen oder gar Annullierungen beginnt oder endet, wird die Erholung vom Ärger verzehrt. Zustände wie am 26. Mai in München dürfen sich nicht wiederholen. Allein in München waren 96 Abflüge um insgesamt 104 Stunden verspätet. 13 Landungen und 16 Starts des Linien- und Charterverkehrs wurden gestrichen. Tausende Mitbürger wurden negativ betroffen. Daher müssen wir auch national den Hebel ansetzen. Die Motivation der Fluglotsen wird bereits durch höhere Bezahlung verbessert. Es gilt aber auch, die technischen Einrichtungen zu modernisieren und zusätzliches Personal, wo nötig, einzustellen. Die Technik und die Kapazitäten der Flughäfen müssen mit dem Wohlstand und den Bedürfnissen der Bürger Schritt halten. Sonst werden wir noch viele Jahre unter den Flugverspätungen zu leiden haben. Ich setze auf den Bundesverkehrsminister. Er hat schon viele Probleme bewältigt und wird auch dieser Herausforderung so gut wie irgendwie möglich nachkommen und sie bewältigen. Herzlichen Dank. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Luftverkehr ist nicht nur bei uns, er ist auch bei unseren europäischen Nachbarn im vergangenen Jahr in einem Maße angestiegen, das niemand vorhergesehen hat. Wir haben im vergangenen Jahr 15 % mehr Flugbewegungen als im Jahr zuvor gehabt. Herr Kollege Daubertshäuser, die Liberalisierungsbeschlüsse sind im Dezember des vergangenen Jahres gefaßt worden - das ist Ihnen vielleicht entgangen -; sie können nichts mit diesem Anstieg der Flugbewegungen in Europa zu tun gehabt haben. Wichtig ist: Was ist getan worden, und was wird getan, um die Leistungsfähigkeit der Flughäfen und der Flugsicherung diesen gestiegenen Anforderungen anzupassen? Wo Erweiterungen in der Infrastruktur möglich sind, setzt sich die Bundesregierung dafür ein. 16 Milliarden DM werden in den nächsten Jahren für den Ausbau unserer Flughäfen investiert, 5 Milliarden DM davon alleine in Frankfurt. München II wird endlich gebaut. Bürger haben von ihren Klagerechten gegen diesen Flughafenbau massiv Gebrauch gemacht. Die Verfahren haben lange gedauert: Vier Jahre lang war der Baustopp verhängt, die dritte Start- und Landebahn ist gestrichen, für die beiden restlichen erfolgt an Stelle des Planzieles 1987 - vergangenes Jahr - die Inbetriebnahme nun frühestens 1991. Ich will das hier nicht bewerten. Aber diese jetzt in München auf dem Boden fehlende Kapazität spielt eine erhebliche und kurzfristig nicht zu behebende Rolle bei den Verspätungen in diesem Jahr. ({0}) Meine Damen und Herren, wir können nicht übersehen, daß es zahlreiche Fälle gibt, wo es dieselben Personen sind, die gegen die Startbahnen und gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecken zur Entlastung des Luftraums durch erdgebundenen Verkehr protestieren, die gegen den Straßenbau und gegen die Errichtung von Container-Terminals zur Entlastung der Straße vom Güterverkehr protestieren. ({1}) Auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Auch in Frankfurt und Düsseldorf sind Start- und Landemöglichkeiten auf lange Sicht nicht vermehrbar. Das eröffnet Chancen für Köln, Nürnberg und Hannover. Das Schwergewicht unserer Bemühungen liegt im Bereich der Verkehrsabwicklung. Ich spreche meinen Dank an Verkehrs- und Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für die Unterstützung bei der Beschaffung der notwendigen Mittel für einen weiteren Ausbau der Flugsicherung und für mehr Leistungsgerechtigkeit in der Besoldung der Fluglotsen aus. Der Maßnahmenkatalog der Bundesregierung sieht vor allem folgende wichtige Schritte vor: mittelfristig die Überprüfung der Luftraumstruktur auch im Hinblick auf die Form und das Ausmaß der militärischen Nutzung des Luftraums. Vor der Sommerpause wird das Gespräch mit dem Bundesverteidigungsminister mit dieser Zielsetzung geführt werden. Wenn es richtig ist, daß wir über einen Vorrang der zivilen Flugsicherung reden können, Herr Kollege Gries, dann kann ich bei Ihnen, Herr Kollege Daubertshäuser, feststellen: Ihr Vortrag hier hatte einen unverkennbaren Einschlag der heiteren Muse, der dem Ernst des Problems nicht gerecht wird. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, der in irgendeiner Weise marschierfähig ist. ({2}) Es ist nicht marschierfähig, dem zivilen Flugverkehr einen allgemeinen Vorrang vor dem militärischen Flugverkehr einzuräumen. Natürlich müssen unsere Verteidigungserfordernisse ernst genommen werden. Es ist eben nicht marschierfähig, ein deutsch-deutsches Luftverkehrsabkommen zu einem Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, wo wir mit Vorrang die Anbindung Berlins an den internationalen Flugverkehr erst einmal sichern müssen. Es ist natürlich nicht marschierfähig, daß wir den Sicherheitserfordernissen, die derzeit der Nutzung der alliierten Flugbasis in Frankfurt am Main noch entgegenstehen, einseitig von uns aus eine Entwertung zuteil werden lassen. Darüber muß verhandelt werden, wenn das Problem gelöst werden soll. Es gehört eben nicht zu den kurzfristigen Maßnahmen. Was marschierfähig ist, was geschehen kann und wird, ist der Ausbau der Flugsicherungstechnik. 200 Millionen DM mehr als bis zum letzten Jahr vorgesehen, insgesamt 700 Millionen DM, werden wir dafür bereitstellen. Entwicklung und beschleunigte Einführung einer neuen Systemgeneration für die Flugsicherung gehören zu diesen mittelfristigen Maßnahmen. Wir brauchen aber Sofortmaßnahmen, die der Urlauber noch in diesem Sommer entlastend spürt: erstens Kapazitätserweiterung durch die Schaffung zuBundesminister Dr. Warnke sätzlicher Kontrollsektoren, vor allem im oberen Luftraum noch in diesem Sommer; zweitens Sicherung eines ausreichenden Bestandes an qualifiziertem und auch an motiviertem Personal bei der Flugsicherung. Dazu gehört die von der Bundesregierung beschlossene Einführung einer Aufwandsentschädigung mit Wirkung vom 1. Juli. Die Spielräume für sofort wirksame Steigerungen bei der Bezahlung der Fluglotsen haben wir damit genutzt. Weitere strukturelle Änderungen prüfen wir. Sie sind der Natur der Sache nach mittelfristig. Ich möchte den Fluglotsen vor dem Deutschen Bundestag ausdrücklich danken, für ein Höchstmaß an Arbeitsbelastung und Verantwortung, das sie auf sich genommen haben, um den Flugverkehr über Deutschland sicherzustellen. ({3}) Das Prokrustesbett, von dem Kollege Tillmann gesprochen hat, wollen wir durch eine leistungsgerechtere Struktur lockern. Mit nationalen Maßnahmen allein ist es nicht getan. Engpässe bei unseren europäischen Nachbarn sind eine der Hauptursachen. Ich habe vorgestern eine Sitzung einberufen, die in dieser Form erstmalig stattgefunden hat. Die Verkehrsminister der Gemeinschaft haben sich mit Flugsicherungsmaßnahmen und mit Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung auf diesem Gebiet befaßt. Das Resultat sind auch hier Sofortmaßnahmen, und in der Tat eine Verbesserung der Verkehrsflußsteuerung durch eine Konferenzschaltung der entscheidenden europäischen Verkehrsflußzentralen in London, in Paris, in Frankfurt, in Rom und in Madrid, wo ab 1. Juli für die drei Urlaubsmonate Tag und Nacht über Standleitungen die Möglichkeit gegeben sein wird, in Gegenwart von Vertretern der Fluggesellschaften aufgetretene Schwierigkeiten unverzüglich auszuräumen. Der zweite Punkt: Zivilmaschinen sollen den für die militärische Luftfahrt vorbehaltenen Luftraum zeitweise mitbenutzen dürfen. Nur, ich mache darauf aufmerksam, das wird bei uns in weitem Umfang schon praktiziert. Unsere europäischen Kollegen - und das war der Sinn, sie zusammenzurufen - haben hier einen Nachholbedarf. Drittens. Wir sind darin einig, daß die nationalen Flugsicherungssysteme stärker ausgebaut und die europäische Verkehrsflußsteuerung mit Hilfe von Eurocontrol verbessert werden muß. In der Tat habe ich zur Lösung akuter und auf die schnelle nicht anders zu beseitigender extremer Verspätungsprobleme im Sommer im Urlauberverkehr meinen Länderkollegen gegenüber die Bitte geäußert, zur Vermeidung extremer Verspätungen in den Abend- und Nachtstunden im Einzelfall durch eine flexible Handhabung der Ausnahmetatbestände unverhältnismäßige Belastungen der von den Folgen solcher Verspätungen betroffenen Urlauber zu vermeiden. An eine generelle Aufhebung des Nachtflugverbots ist nicht gedacht, denn der Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm hat und behält unverändert hohen Stellenwert in der Politik der Bundesregierung. Es gilt jetzt, Solidarität - und da appelliere ich auch an die Bevölkerung - gegenüber den Mitbürgern zu zeigen, die von Verspätungen, die sie nicht zu verantworten haben, besonders betroffen sind und riskieren, das Ergebnis ihres Urlaubs gefährdet zu sehen. Meine Damen und Herren, der Flugverkehr in unserem Land ist sicher. Es hat irreführende Aussagen gegeben. Tatsache ist, daß die Zahl der gefährlichen Begegnungen in unserem Luftraum trotz 15 % Steigerung der Flugbewegungen mit 41 im vergangenen Jahr unverändert geblieben ist gegenüber den Vorjahren. Verspätungen können in diesem Sommer nicht ausgeschlossen werden, aber die Bundesregierung wird jede, und ich unterstreiche: jede Möglichkeit nutzen, und wenn hier ein marschierfähiger Vorschlag kommt, werden wir ihn ohne Konkurrenzdenken gerne aufgreifen, um Verspätungen auf das Mindestmaß zu beschränken und unseren Urlaubern einen sicheren Ferienflug im Rahmen eines geregelten Flugbetriebes in diesem Sommer zu gewährleisten. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir gehört, was die Reaktion des Bundesverkehrsministers auf die Situation ist: mittel-/ langfristige Maßnahmen, ein bißchen Polemik gegen die GRÜNEN und dann der Hinweis darauf, daß die Fluglotsen jetzt 280 DM im Monat mehr bekommen. Dadurch sollen die Probleme gelöst werden. Meine Damen und Herren, wir haben chaotische Verhältnisse an deutschen Flughäfen. Unerträgliche Verhältnisse! Wenn Sie nicht so unbekannt wären, könnten Sie sich auf keinem Flughafen mehr sehen lassen. ({0}) Die meisten wissen ja nicht, daß Sie der Verkehrsminister sind. Warum jetzt nicht die Bundeswehr und die anderen sieben, die in Deutschland militärisch fliegen, an einen Tisch bringen und im gesamten Sommer und Herbst eine Reduzierung des Militärflugverkehrs in der Bundesrepublik sofort durchsetzen? Das wäre eine konkrete Maßnahme, die allerdings Mut verlangt und nicht Feigheit gegenüber dem Verteidigungsminister. Und nun eine andere Angelegenheit. Die Fluglotsen haben seit Jahren - ich muß zugeben, auch schon in unserer Zeit - über ihre Arbeitssituation geklagt. Keiner kann mir erklären, daß es nicht auch mit dem Verhalten der Fluglotsen aus der Erbitterung über ihre Situation zusammenhängt, was derzeit geschieht. Das heißt: Sie achten stärker auf Sicherheit, weil eine Überlastung vorhanden ist. Jetzt haben Sie ja nicht eine langfristige Konzeption zur Verbesserung der Arbeit der Fluglotsen vorgelegt, sondern eine ganz kurzfristige Maßnahme, die überhaupt nicht hilft. Die Leute merken, daß Sie sich verstecken. Sie sind ja überhaupt nicht zu sehen. Die „Bunte Illustrierte", nun weiß Gott ein Zentralorgan der Union und der Koalition, hat vor kurzem einen zentralen Angriff gegen den Verkehrsminister gefahren, daß er in der Frage nicht zu sehen sei. Letzter Punkt, meine Damen und Herren. Morgen steht Steuerpolitik auf der Tagesordnung. Wir haben einen überlasteten Flugraum. Die Privatfliegerei stört, und zwar die Charter- und die Linienflüge. Und was machen wir morgen mit der Mehrheit der Stimmen hier im Raum, soweit abzusehen ist? Ich habe bei der Rede von Herrn Gries noch etwas Hoffnung bekommen. Morgen machen wir die Hobby-, die Lustfliegerei steuerfrei. Ist das ein Beitrag zur Verbesserung der Situation im Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland? Meine Damen und Herren, Herr Verkehrsminister, wenn Sie einen Funken Anstand haben, dann gehen Sie morgen hier ins Plenum und stimmen in der namentlichen Abstimmung gegen diese Steuerbefreiung der Privatfliegerei. ({1}) Sonst sind Sie völlig unglaubwürdig, nicht nur wegen der sozialen Gründe, nicht nur wegen der steuerrechtlichen Gründe, nicht nur wegen der subventionsrechtlichen Gründe, sondern schlicht und einfach auch deswegen, weil Sie als Verkehrsminister nicht bereit sind, auch einmal Ihrem Landesvorsitzenden Strauß die Stirn zu bieten und zu sagen: Mir ist die Sicherheit wichtiger als dieses Kuschen vor dem Bayern, der gern in der Gegend herumfliegt. Vielen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Jung.

Michael Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001039, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Roth, außer Polemik haben Sie heute zur Diskussion eigentlich überhaupt nichts beigetragen. Das ist deshalb bedauerlich, weil Sie versuchen, auf Kosten der Betroffenheit verschiedener Bürger hier Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen. Wenn es Ihnen um die Sache ginge, wäre es sicher sinnvoller gewesen, statt persönliche Angriffe vorzunehmen auch einige Alternativen beizutragen. Daran hat es gemangelt. ({0}) Wenn Sie, wie geschehen, die Fluglotsen ansprechen, dann erinnere ich Sie daran, wer in der Regierungsverantwortung stand, als der große Streik der Fluglotsen stattfand. Das war in Ihrer Zeit, und da sind die Probleme entstanden. Und Sie versuchen, heute davon abzulenken. Ein Wort zur Steuerreform. Dabei schließe ich mich dem an, was der Kollege Gries gesagt hat. Auch die Ungleichbehandlung ist zu Ihrer Zeit entstanden. ({1}) Ich persönlich habe eine andere Auffassung dazu. Ich vertrete sie hier auch. Ich wäre dafür, daß der gesamte innerdeutsche Luftverkehr besteuert wird. Damit würde auch eine Subventionierung z. B. der Lufthansa entfallen. Aber diese Ungleichbehandlung ist ebenfalls in Ihrer Regierungszeit zustande gekommen. Aber daran erinnern Sie sich heute natürlich nicht mehr sehr gerne. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch ein Wort zu den GRÜNEN sagen. Herr Kollege Weiss, Sie haben dafür eine monokausale Erklärung gefunden: Das hinge nur mit dem Militär und mit der Verteidigung und mit anderem mehr zusammen. Das ist falsch. ({2}) Ich muß das aufgreifen, was Herr Minister Warnke hier gesagt hat. Schauen Sie, Sie wollen den innerdeutschen Flugverkehr verbieten. Aber wo sind denn Ihre Alternativen dazu? ({3}) Überall vor Ort verhindern Sie neue Schnellbahnverbindungen. Wollen Sie alle Leute wieder auf die Straße bringen? ({4}) Überall sagen Sie nein. Das ist keine Alternative für das, was notwendig ist. ({5}) - Was wir machen, ist vorausschauende Politik, nicht aber eine Politik des Nein-Sagens, wie sie von Ihnen betrieben wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen um die Probleme. Das ist doch überhaupt keine Frage. Die Probleme werden sich noch verstärken, weil sich das Luftverkehrsaufkommen bis zum Jahre 2000 noch verdoppeln wird. Ich sage: Bei uns sind die Steigerungsraten besonders hoch. Warum denn? Wegen des Wirtschaftswachstums, wegen neuer geschäftlicher Aktivitäten und auch wegen des Urlaubsreiseverkehrs. Die Reiseveranstalter rechnen mit Zuwachsquoten von 15 % bei Pauschalreisen. Warum denn? Eine der Begründungen, die von dort gegeben werden, lautet, daß durch die Steuerreform mehr Geld in den Taschen der Bürger ist und daß sie deshalb zusätzlichen Urlaub antreten können. ({6}) Meine Damen und Herren, nutzen Sie diese Informationen, um sich dort in der Tat sachkundig zu machen. Ich sage - weil die Diskussion auch darüber geführt wird - : Ich persönlich bin dagegen, die Prioritäten folgendermaßen zu setzen: Geschäftsverkehr/Charterverkehr, Urlauberverkehr. Für mich sind diese beiden Bereiche gleichrangig, wobei man gegenüber den privaten Fliegern in der Tat eine Verweisung auch auf sehr nahe gelegene kleinere Flughäfen durchaus vornehmen kann. Meine Damen und Herren, hier gibt es natürlich eine Menge zu tun. Wir wissen auch, wie es um die Fluglotsen bestellt ist. Wie die Altersstruktur ausweist, werden in den nächsten Jahren etliche Fluglotsen ausscheiden. Wir müssen hier verstärkte Anwerbung betreiben. Die Ausbildungszeit von viereinhalb Jahren ist zu lang. Sie muß verkürzt werden. Jung ({7}) Die Motivation ist durch Veränderungen im Bereich der Entlohnung verstärkt worden; das haben der Verkehrsminister und andere Kollegen ebenfalls gesagt. All dies ist richtig und wichtig. Es soll aber nicht vergessen werden, daß wir eine Entlastung der Flughäfen und Fluglotsen auch durch die Einführung neuer Technologien zu erwarten haben. Ich nenne hier beispielhaft das Datenkommunikationssystem, das Sprachvermittlungssystem, das Radarerneuerungs- und -modernisierungsprogramm, neue Navigationsanlagen. Allein bei der Bundesanstalt für Flugsicherung gibt es Investitionen von 1 Milliarde DM bis zum Jahre 1993. Ich erinnere daran, daß es im Jahre 1989 zur Einführung des Systems COMPAS in Frankfurt kommen soll. Ich nutze die Gelegenheit ausdrücklich, um den Verantwortlichen bei den Flughäfen, z. B. bei der Flughafen AG in Frankfurt, zu danken, die das ihrige dazu tun, durch ein großes Investitionsprogramm Sorge dafür zu tragen, daß die Abfertigung am Boden - auch eine der Problematiken - künftig noch besser als bisher bewältigt werden kann. ({8}) Meine Damen und Herren, es ist auch wichtig, daß wir uns Gedanken darüber machen, daß es nur dann zu einer insgesamt befriedigenden Lösung kommen kann, wenn dies auf europäischer Ebene geschieht. Deswegen begrüße ich ausdrücklich die Initiative des Verkehrsministers, die Zusammenarbeit mit seinen europäischen Kollegen zu intensivieren. Dafür danke ich ihm. Für die CDU/CSU-Fraktion ist es überhaupt keine Frage, daß wir uns zunehmend Gedanken machen müssen - das ist neulich im Verkehrsausschuß deutlich geworden; Herr Kollege Roth, Sie konnten nicht dabeisein, aber Sie müßten wissen, daß über diese Problematik dort sehr wohl gesprochen worden ist -, die Zusammenarbeit zwischen dem militärischen und dem zivilen Sektor zu verbessern. Wir müssen uns beispielsweise in Frankfurt Gedanken machen hinsichtlich der Nutzung durch die Amerikaner und anderes mehr. Meine Damen und Herren, wem es um die Sache geht, sollte hier keine Parteipolemik betreiben, sondern er sollte mit konkreten Vorschlägen im Interesse der Betroffenen für eine Verbesserung der Situation sorgen. Wir werden dies tun. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Ibrügger.

Lothar Ibrügger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000989, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während der jetzt zu Ende gehenden Debatte haben auf den deutschen Flughäfen und im deutschen Luftraum wieder Tausende gewartet und Schwierigkeiten mit ihren Anschlüssen gehabt. Insofern will ich der Lagebeschreibung, die in dieser Stunde gegeben wurde, nichts hinzufügen, außer daß der alte Grundsatz gelten muß: Nicht das Wort, sondern die Tat entscheidet. Wir müssen, den großen europäischen Himmel vor Augen, vor allem auch unsere nationale Verantwortung wahrnehmen. Gestern hörte ich eine interessante Zahl. In dem Zeitraum von 1955 - damals bekamen wir die Lufthoheit - bis 1987 sind in 32 Jahren auf den deutschen Flughäfen 1 Milliarde Fluggäste gezählt worden. Mit derselben Größenordnung rechnen wir ab jetzt bis zum Jahre 2000, also innerhalb der nächsten zwölf Jahre. Diese reiselustige und im Export leistungsfähige Bundesrepublik Deutschland wird mit diesen Größenordnungen sicher zu rechnen haben. Wir müssen uns rechtzeitig darauf einstellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich richte jetzt meinen Blick auf die Regierungsbank und sage: Nicht allein der Bundesverkehrsminister dürfte hier jetzt Rede und Antwort stehen, sondern auch der Bundesinnenminister, der Bundesfinanzminister, der Minister des Auswärtigen und der Kanzler dieser Regierung. Denn die Verantwortlichkeiten, die hier herausgestellt wurden, betreffen nicht allein den Ressortminister. Hier muß auch das Koordinierungsbemühen der Bundesregierung vorausgesetzt werden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, an der nationalen Verantwortung hapert es. Es war für mich ein trauriges Ereignis, in der Sitzung des Haushaltsausschusses zu erleben, daß der Bundesminister für Verkehr zwar einen ungeschminkten Bericht der Lage gab, aber der Bundesinnenminister und der Bundesfinanzminister ihre Zustimmung dazu nicht gaben, weil man Berufungsfälle fürchtete. Hier ist die Koordinierungsfunktion der Bundesregierung selbst gefordert. Wir Sozialdemokraten meinen daher: Über das Ressort des Verkehrsministers hinausgreifend muß jetzt ein Konzept auf den Tisch, das bis zum Jahr 2000 wirklich greift. Das bedeutet eine grundlegende Neuordnung des Luftraumes der Bundesrepublik Deutschland sowie eine grundlegende Neuorientierung und Neuorganisation der Flugsicherung. An die Adresse des Verteidigungsministers heißt das: in den Spitzenbelastungszeiten ein Zurückfahren der militärischen Übungen! Außerdem heißt das, daß Forderungen im Sinne der Verteidigungsfähigkeit in die Flugsicherung eingebracht werden, in Zukunft aber die Flugsicherung aus einer Hand wahrgenommen wird. Wir dürfen nicht mehr danach unterschieden, ob dort oben militärische Piloten oder Passagiere fliegen, vielmehr hat jeder Nutzer einen Anspruch darauf, sicher, schnell, effizient und wirtschaftlich seinen Auftrag zu erfüllen. Das gilt für das Militär ebenso wie auch für den zivilen Luftverkehr. An die Adresse des Außenministers und des Bundeskanzlers, Herr Minister Warnke, füge ich hier ausdrücklich die Forderung hinzu, die mein Kollege Daubertshäuser gestellt hat: Wir halten die Zeit für herangereift, auch im deutsch-deutschen Verhältnis, in diesem Luftraum zwischen Ost und West im Zeichen von Dialog und Entspannungsbemühungen auch über Regelungen zu sprechen, den Luftverkehr in Mitteleuropa, in Ost wie in West, flüssiger zu gestalten - dies schließt DDR und Berlin mit ein - , zum gegenseitigen Vorteil aller am Luftverkehr Beteiligten. Das bezieht unsere westlichen Alliierten ebenso ein wie die Sowjetunion und die DDR. Wir sehen in den kommenden Wochen und Monaten, hoffentlich auch im Rahmen der Initiative von Präsident Reagan, Chancen, doch einige schnelle Maßnahmen zu bewir5810 ken, um den Luftverkehr flüssiger und auch sicherer und wirtschaftlicher zu gestalten. Ein Letztes. Ich wünschte dem Herrn Bundeskanzler, bei seinem nächsten Flug nicht die gewohnte Regierungspriorität, wenn er mit der „Otto Lilienthal" in die Luft geht, sondern daß er in den normalen Flugablauf eingebunden ist. Dann würde er nämlich erleben, was eineinhalb Stunden Parken in der Luft bedeuten, und er würde es dann vielleicht zu seiner eigenen Herzensangelegenheit machen, daß es eine Aufgabe für sein gesamtes Kabinett ist, die Ressortschwierigkeiten, die administrativen Streitigkeiten und Eigenbröteleien auch innerhalb seiner Administration durch ein - ich sage es einmal so - Klopfen auf den Tisch beseitigen zu helfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich eben gesagt habe, geht auch an den Gesetzgeber, an uns selbst. Wir sollten hier auch tätig werden, aber wir dürfen die Bundesregierung nicht aus der Pflicht entlassen, dafür zu sorgen, daß diese Behinderungen aufhören, und vor allem auch dazu beizutragen, daß wir den Stau in der Luft hier nicht zum Dauerthema erheben müssen. Herzlichen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Fischer ({0}).

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die Art und Weise, wie die Opposition versucht, aus den Vorgängen im Flugverkehr politisches Kapital zu schlagen, wird wohl der Tragweite und der Bedeutung dieser Frage nicht ganz gerecht und läßt leider auch die Verantwortung vermissen, die zu tragen auch eine Opposition bereit sein müßte." ({0}) - So, Herr Roth, sprach der Bundesverkehrsminister Dr. Lauritzen, SPD, in einer Debatte zu den Problemen im Flugverkehr am 20. September 1973. ({1}) Im übrigen, Herr Kollege Daubertshäuser, testiert sich die SPD immer besondere Fähigkeiten, in die Zukunft zu schauen. Ich denke daran, daß - als Ihre Partei in Hamburg das Projekt Flughafen Kaltenkirchen zu Grabe trug - davon ausgegangen wurde, daß wir in der Zukunft absolute Stagnation im Luftverkehr haben würden, während ich für die Behauptung des Gegenteils in der öffentlichen Debatte nahezu totgeschlagen worden bin. ({2}) Wir kennen so etwas ja auch aus anderen Vorgängen. Einige haben 1987 einen Zuwachs von 2,6 % angenommen, während wir jetzt einen Zuwachs von fast 15 %, in manchen Gebieten bis zu 30 % haben. Da sollten wir alle etwas bescheidener sein und sagen: Alle Prognosen waren falsch. Heute gehen wir von ganz anderen Größen aus, wie auch Kollege Ibrügger das eben überzeugend dargestellt hat. ({3}) Die Investitionen und Baumaßnahmen bei der Bodeninfrastruktur kommen alle um Jahre zu spät. Der Herr Bundesverkehrsminister hat hier die Probleme bei München II dargestellt. Wir kennen die Probleme beim Flughafen Düsseldorf. Im übrigen hat Herr Ruhnau an Herrn Rau einen bitterbösen Brief geschrieben. Er rügt darin die Entscheidungsschwäche von Herrn Rau. ({4}) Darin heißt es wörtlich: Was wir vor allem benötigen, ist eine auf das Jahr 2000 gerichtete Luftverkehrspolitik der Landesregierung und der politische Wille, ein solches Programm auch durchzuziehen. Drehscheiben entstehen nicht durch Briefe und Presseerklärungen, sondern durch in die Erde gegossene Start-und Landebahnen von ausreichender Länge. Das ist aus einem Brief von Herrn Ruhnau - Mitgliedschaft bekannt - an Herrn Rau - Mitgliedschaft bekannt - . Wir sollten uns hier also nicht in die Tasche lügen. Herr Kollege Weiss, jene, die bei der Startbahn West und andernorts den kleinen Bürgerkrieg organisiert haben, sind doch heute oftmals jene, die wütend auf Flughäfen toben, wenn die Maschine nach Mallorca nicht pünktlich abfliegt oder wenn sie bei der Rückkehr an irgendwelche Nachtflugverbote stoßen. ({5}) Wir dürfen also nicht die Schizophrenie in diesem Land akzeptieren, sondern müssen die Ursachen für die heutige Situation immer wieder deutlich nennen. ({6}) Auch ich bin der Überzeugung, daß bei der Frage der zivilen und militärischen Zusammenarbeit in der Flugsicherung eine Regierungsentscheidung dringend geboten ist. Aber ich halte es für zu billig, wenn man 13jährige Versäumnisse ausschließlich mit der Bundeswehr begründen möchte. ({7}) Im übrigen: Diese Bundesregierung handelt. Es ist zur Verbesserung der technischen Ausstattung das nahezu 1 Milliarde DM umfassende Programm bis 1995 hier vorgestellt worden. ({8}) Wir haben Gott sei Dank auch bei den Fluglotsen etwas getan. Es gibt dazu einen Kabinettsbeschluß. Fischer ({9}) Frau Kollegin Traupe, wenn wir bis 1995 einen Engpaß haben, dann fragen Sie doch einmal, ob das nicht auch daran liegt, daß unter Ihrer Verantwortung 1981 ganze zehn Fluglotsen ausgebildet worden sind. Das müssen Sie sich doch vor Augen führen. Wo sollen wir sie denn jetzt hernehmen, wenn Sie damals den Mangel produziert haben? ({10}) Der Luftraum ist nicht vermehrbar. Wir alle kennen die Handicaps. Aber wir wehren uns gegen falsche Dramatisierung. Herr Kollege Roth, was Sie gemacht haben, ist ja viel schlimmer als das gewesen, was Herr Ibrügger hier gemacht hat. Aber nicht das Gesamtsystem ist schlecht. Nicht jeder Flughafen ist problematisch, sondern insbesondere drei sind es. Nicht jeder Tag ist belastet. Und das sind Probleme nicht nur der Bundesrepublik Deutschland und dieser Bundesregierung. Deswegen darf es keine falsche Dramatisierung geben. Wir wissen, daß wir bei der Flugsicherung weiter optimieren müssen. Wir wissen, daß wir zügig die Bodeninfrastruktur bereitstellen und vor allem Start-und Landebahnen bauen müssen. Alle hier im Hause sind aufgefordert, in einen Wettbewerb einzutreten und dafür zu sorgen, daß die Planungs- und Baumaßnahmen so zügig durchkommen, daß endlich Start-und Landebahnen zur Vermehrung der Kapazitäten in Betrieb genommen werden können. Zu diesem Wettbewerb rufe ich auf, um den Bürgern und den Fluggästen wirklich zu helfen; nicht aber zu einem Wettbewerb in Wortradikalismus.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter!

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schlußbemerkung: Ich habe insoweit von den Kollegen der Sozialdemokratischen Fraktion überhaupt jeden verwertbaren Alternativvorschlag vermißt. Sie springen hier auf eine Sensation auf, . . .

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

... um daraus politischen Nutzen zu ziehen. Das ist zuwenig, wenn man Politik gestalten will. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Börnsen ({0}).

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache verdient es sehr wohl, daß man sich damit intensiv auseinandersetzt. Der Himmel ist nicht nur über Deutschland zu klein, sondern auch über Europa zu eng geworden. Den Verspätungsfrust erleben Reisende ja nicht nur in München und Frankfurt, sondern ebenso in Brüssel, in Paris und in London. Über den Wolken, wo die Freiheit eigentlich grenzenlos sein sollte, sind jetzt Barrieren errichtet. ({0}) Und warum? Weil der Flugverkehr explosionsartig zugenommen hat. Er muß kanalisiert werden, damit wir zur höchstmöglichen Sicherheit für Passagiere und Flugpersonal kommen. ({1}) Wartezeiten werden immer länger, weil immer mehr Bürger in Europa zum flinken Flug drängen. Und wer von einer europäischen Großstadt zu spät abhebt, nicht pünktlich in Frankfurt landet, verursacht dort, wo Kapazitätsgrenzen fast erreicht sind, eine weitere Verzögerung und löst damit eine Kettenreaktion an Verspätungen aus. Verzögerungen durch Warteschleifen führen nicht nur zu Fluggefährdungen, sondern auch zu Energieverlusten, Umweltbelastungen, Kostensteigerungen und verärgern schließlich auch den Fluggast. Fast alle EG-Länder können zweistellige Zuwachsraten melden, und prognostiziert wird eine Zunahme des Flugverkehrs um das Doppelte bis zum Jahr 2000. Nicht nur Europas Bürger gehen in die Luft, sondern auch Frachten heben vom Boden ab. Die Vollendung des Binnenmarktes 1992 wird diesem Trend eine neue Schubkraft verleihen. Die europäische Luftfahrtpolitik muß sich an der Zielsetzung 1992 orientieren. Gefordert ist eine integrierte, europaeinheitliche Flugverkehrsstrategie. Wir haben nicht nur einen gemeinsamen Markt, sondern wir haben auch einen gemeinsamen Himmel, und der geht weit über EG-Grenzen hinaus. Ich will mit diesem Hinweis nicht von den nationalen Erfordernissen ablenken: Der Fluglotsenengpaß ist zu beseitigen, die Flughafeninfrastruktur zu verbessern, der technische Sicherheitsstandard zu aktualisieren, Flughäfenerweiterungen sind vorzunehmen, und die zivile und militärische Flugüberwachung ist stärker zu vereinheitlichen. Es muß aber auch darüber nachgedacht werden, daß es so manchen Militärflughafen gibt, der auch für die zivile Nutzung geöffnet werden kann. In Kiel-Holtenau hat der Verteidigungsminister dafür ein Beispiel gegeben. Wir in Schleswig-Holstein erwarten uns auch für die Flugplätze in Jagel und Hungriger Wolf und für andere Flugplätze eine solche Möglichkeit. Skandinavien macht das bereits vor; das muß auch bei uns machbar sein. Der informative und gründliche Bericht des Bundesverkehrsministers, der dem Verkehrsausschuß im Frühjahr vorgelegt worden ist, zeigt: Wir haben die Sache im Griff ({2}) und zeigen auch konkrete Handlungsbereitschaft. Dieser Bericht sollte meiner Meinung nach aber auch Ansatzpunkt für eine nationale Strukturreform im Luftverkehr sein. ({3}) Ich denke, daß der Kollege Ibrügger da eine ganze Reihe von wichtigen Anregungen gegeben hat. Aber ich denke auch, wir müssen über Privatisierung dort, wo sie passend ist, reden; wir müssen von einer Behör5812 Börnsen ({4}) denorientierung weg - und zu einem Wirtschaftsbetrieb hinkommen, Investitionen aus starren Haushaltsabläufen lösen und eine Gebührenstruktur schaffen, die Subventionierung ablöst und klare Kostendeckung erreicht. Doch die eigene Flugverkehrsstrategie kann ein einheitliches Europakonzept der Zwölf nicht ersetzen. Wir erwarten eine Dynamisierung von EUROCONTROL, eine gemeinsame Europäische Flugsicherheitsbereitschaft; wir erwarten eine bessere Koordinierung zwischen zivilen und militärischen Flugbewegungen; wir erwarten einen europaweiten Ausbau von Datenbanken und Informationssystemen und eine Verbesserung der aktiven wie passiven Flugsicherheit auf allen Ebenen. 320 Millionen europäischer Bürger haben ein Anrecht darauf, daß eine solche Vorsorgepolitik verwirklicht wird. Die Qualität des Wirtschaftsstandortes Europa ist schließlich davon abhängig, daß der Himmel über diesem Wirtschaftsraum ein Hort höchstmöglicher Transportsicherheit, aber auch der Sicherheit insgesamt bleibt. Ich möchte hier mit einem Dank an alle schließen: an die Mitarbeiter der Flughäfen, aber auch an die Fluglotsen, Techniker und Ingenieure, die unter größtmöglicher Belastung dazu beitragen, daß der Bürger bei uns eine höchstmögliche Sicherheit erfährt. Danke schön. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Weiss ({0}). ({1}) - Ja, er hat noch zwei Minuten, die noch nicht ausgeschöpft waren.

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem, was wir hier von den Koalitionsfraktionen oder dem Bundesverkehrsminister gehört haben, können wir eigentlich nicht sagen, daß die Lösung der Probleme auch nur ansatzweise in Angriff genommen worden ist. Im Gegenteil! Was wir hier vorgeführt bekommen haben, war genau das, was ich vorhin als Geiselnahme an den Passagieren bezeichnet habe. ({0}) Man hat gesagt: Wir wollen etwas durchsetzen; von wegen Aufhebung von Nachtflugverboten, Startbahnverlängerungen und all das. Und dabei wissen Sie, Herr Minister, doch ganz genau: Der Himmel ist voll. Und wenn Sie unten bauen, kriegen Sie kein Flugzeug mehr in die Luft. Hier wird, glaube ich, in gewisser Weise schon irregeführt. Es ist ja auch so, daß der Flugverkehr von Ihnen gezielt vermehrt wird. Wenn hier morgen beschlossen wird, Geschäfts- und Privatflieger von der Mineralölsteuer zu befreien, heißt das, daß Geschäfts- und Privatfliegen billiger wird, und jedes Flugzeug benötigt eigentlich den gleichen Raum. Wenn Sie den Begriff Mineralöl- „Steuer" von dem Wort „steuern" ableiten, dann steuern Sie uns genau mit diesem Instrumentarium, ({1}) der Befreiung des Flugverkehrs von der Mineralölsteuer, eigentlich erst in das tiefere Chaos im Flugverkehr hinein. ({2}) Es ist doch unehrlich, wenn Sie da irgendwelche abstrakten Grundsätze aufstellen! ({3}) Sie müssen sich doch überlegen, welche Auswirkungen Ihre Politik hat! Darüber haben Sie einfach nicht genügend nachgedacht. ({4}) Wir müssen wissen: Wir können nicht einfach so weitermachen. Das gilt genauso für den Straßenbau und für andere Projekte. ({5}) Man kann Verkehrsprobleme nicht immer durch ständig neue Großbaumaßnahmen lösen. Unsere Ressourcen und Möglichkeiten sind begrenzt. ({6}) Diese Situation muß man klar vor Augen haben, und danach muß man politische Entscheidungen treffen. Aber dazu sind Sie offensichtlich nicht fähig. Danke. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Gries.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die noch zur Verfügung stehende Redezeit nicht ausnutzen. Herr Weiss, Sie haben vorhin vielleicht nicht zugehört, als ich gesagt habe: Mit Ihren ideologischen Feindbildern kommen Sie nicht weiter. ({0}) Sie lösen damit keine Verkehrsprobleme, weder auf der Straße noch auf der Schiene noch in der Luft. ({1}) Sie vertreiben die Leute von der Straße. Die Leute wollen Auto fahren, und manche, ja, die meisten müssen es. Sie wollen sie auf die Schiene zwingen, und zwar dort, wo die Schiene nicht mehr funktioniert. Nun wollen die Menschen fliegen, und sie müssen es, und jetzt wollen Sie ihnen auch noch die Luft verbieten. ({2}) Sie wollen den Menschen auch noch den Luftraum nehmen. Ich weiß nicht, was Sie mit den Menschen eigentlich anfangen wollen oder welches Menschenbild Sie haben. ({3}) Sie müssen sich endlich daran gewöhnen, daß die Menschen zunächst einmal das Recht auf Freiheit haben, nämlich auf die Freiheit, sich zu entscheiden, wie, wann und wohin sie sich bewegen wollen. Aufgabe der Politik ist es, diesen Wünschen so weit wie möglich zu entsprechen und den Menschen, soweit das verträglich ist, nämlich soweit es sich mit der Gemeinschaft und auch - das gebe ich Ihnen zu - mit der Umwelt verträglich gestalten läßt, diese Möglichkeit zu eröffnen. Sie wollen ihnen die Luft zum Atmen nehmen, ({4}) Sie wollen ihnen jede Mobilität nehmen, und damit werden Sie scheitern. ({5}) - Aber Herr Weiss, ich weiß, Sie sind Mathematiker, Sie können rechnen. Aber offensichtlich haben Sie ein falsches Menschenbild. Solange ich und solange Liberale Politik mitgestalten werden, werden wir jedenfalls dafür sorgen, dem Freiheitsstreben und den Wünschen der Menschen gerecht zu werden, nicht Ihren Ideologien. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Menschenrechte in Rumänien - Drucksache 11/2538 Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Koschnick.

Hans Koschnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001185, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der gemeinsame Antrag aller vier Fraktionen gründet sich auf die aktuellen Probleme der Menschen in Rumänien. Er will die Sorgen um die Entwicklung der Menschenrechte insbesondere in bezug auf die Sicherung kultureller Identität von rumänischen Staatsbürgern deutscher oder auch ungarischer Abstammung aufnehmen, wohl wissend, daß die nationale Souveränität eines jeden Staates ausländischen Parlamenten bei der Behandlung innerstaatlicher Entwicklungen anderer Länder Grenzen setzt. Wir achten darauf auch, um nicht in unzulässiger Weise über Vorgänge in anderen Teilen Europas zu urteilen. Aber wir nehmen uns das Recht, ja, wir empfinden es als unsere Pflicht, auf Vorgänge hinzuweisen, die für uns in unerträglicher Weise mit den großen Strömungen europäischer Freiheitsgeschichte in Konflikt stehen. Haben nicht wir alle in Europa aus dem geschichtlichen Fehlverhalten früherer Regime gelernt, als wir uns zu den in der Französischen Revolution erkämpften Bürger- und Menschenrechten bekannten? Haben die europäischen Staaten nicht aus diesen Gründen den Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen zugestimmt, ja sie zum Teil forciert mit formuliert? Waren denn nicht die Ergebnisse der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki auch ein Ergebnis eines Konsenses der europäischen Staaten und nicht nur der Weltmächte? Und waren sich die Verantwortlichen damals nicht alle einig, daß in den drei unterschiedlichen, aber gleichwohl verzahnten Politikfeldern militärische Sicherheit, wirtschaftliche Kooperation und menschenwürdiges Zusammenleben die Wege zur Entspannung und Friedenssicherung gesucht werden sollten? Wer das bejaht, wird bei allem Respekt vor eigenständigen innerstaatlichen Entwicklungen und der Souveränität der Staaten mit Fug und Recht Stellung beziehen müssen, wenn nach seiner Auffassung von den gemeinsam gefundenen Pfaden verständnisvoller Zusammenarbeit und gutnachbarschaftlichen Zusammenwirkens abgewichen wird. ({0}) Die materielle Not der Bevölkerung, die Erschwerung der Freizügigkeit - auch bei dem Verlassen des eigenen Staates - , die Gefährdung jahrhundertealter Kulturinseln - auf das alles muß man eingehen, wenn man sich gemeinsamen Verpflichtungen aus dem großen europäischen Freiheits- und Kulturerbe bewußt ist und wenn man nicht wieder in den Fehler verfallen will, einfach wegzuschauen, um nicht irgendwo Anstoß zu erregen. Gerade wir Sozialdemokraten, die in der Vergangenheit so manchen unabhängigen Schritt des rumänischen Staates in der Außenpolitik begrüßt haben, weil er die Chancen eigenständiger Entscheidungen für alle in Europa - ob blockgebunden oder nicht - erweiterte, wollen nicht schweigen, wenn es gilt, auch dem einzelnen Menschen in seiner persönlichen Perspektive Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. ({1}) Dabei wissen wir, daß wir nicht nur Fordernde sind, wenn es um Menschenrechte geht. Wir wissen, daß unzulängliche Bildungschancen für breite Schichten der Bevölkerung und Massenarbeitslosigkeit auch in den Kanon der Verletzung von Menschenrechten gehören. Und wir arbeiten daran, diese in unserem System zu beheben. Aber es gibt bei uns keine Sprachlosigkeit, kein Vertuschen. Wir sprechen die Probleme offen an, und wir suchen alleine oder gemeinsam nach Lösungen. Doch neben den kodifizierten oder gar als selbstverständlich betrachteten Menschenrechten gibt es mei5814 nes Erachtens ein dem Staate vorgegebenes Recht des einzelnen und seiner Familie, nämlich in eigenständig geprägter Umwelt zu leben - in Loyalität zu seinem Staat und in Verpflichtung zu einem von ihm selbst bejahten kulturellen Erbe. Diese Bindung an eine reale kulturelle Heimat haben doch z. B. die Siebenbürger Sachsen, die Banater Schwaben und andere gehalten in einer Region - im Balkan -, in der sie aufgewachsen sind, mit der sie verwurzelt bleiben wollen und für die sie lange Zeit gestritten und gelitten haben. Wir befürchten nun, daß das mit dem von der rumänischen Führung angekündigten Systematisierungskonzept verbreitete Einebnen der ländlichen Siedlungsgemeinschaften dazu führt, daß dieser kulturellen Verwurzelung der Boden entzogen wird und der Mensch seine Kraft nicht mehr aus seiner bisher nicht bedrohten kulturellen Identität ziehen kann. Das macht mich mehr als besorgt. ({2}) Immer wieder hatte ich in der Vergangenheit - in der Regel mit Zustimmung der Kirchen in Siebenbürgen und im Banat - dafür geworben, den Wunsch zur Umsiedlung nicht durch neue Anreize zu fördern, sondern durch Stärkung und Verbesserung der kulturellen Eigenarten und durch materielle Kooperation den Menschen in ihren jahrhundertealten Siedlungsgebieten bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu geben; nicht nur den deutschstämmigen, nicht nur den ursprünglich ungarischen, nein, selbstverständlich auch den Menschen kultureller rumänischer Identität. Wenn es um soziale und materielle Bedingungen geht, dürfen wir nicht, wollen wir nicht differenzieren. Wir sind nicht Anhänger einer Minderheitenpolitik, die nach 1919 so viel Unheil über Europa brachte. Wir wissen auch, daß die rumänische Verfassung ein beachtliches Angebot an direkter Vertretung von Gruppen nicht ursprünglich rumänischer Abstammung macht. Aber wir sehen die Praxis, wir sehen die Wirklichkeit. Wir befürchten vor allem, daß dieses Angebot durch die neue agrarökonomische Stadtkonzentration obsolet werden kann und damit ein bewußtes kulturelles Miteinander in bester europäischer Tradition unmöglich wird. Weil wir für ein solidarisches Europa eintreten, weil wir im Sinne von Solidarität für die Hilfe und Unterstützung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind, weil wir den Menschen helfen wollen, weil wir uns für den Schutz des kulturellen Erbes Europas engagieren und für die Respektierung der einstmals einvernehmlich abgesprochenen Menschenrechtsentwicklung sind, fordern wir die Bundesregierung auf, im Sinne des Antrages tätig zu werden. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Lummer.

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Irgendwo schmerzt es zunächst einmal, wenn man bei einer solchen Thematik in diesem Hause vorweg darüber nachdenken muß, ob man hierüber überhaupt sprechen darf, weil diejenigen in Rumänien, die Verantwortung haben, das möglicherweise zum Anlaß nehmen, nicht nur nichts zu tun, sondern vielleicht noch Schlimmeres zu tun. Aber ich meine, dann, wenn die Ereignisse eine gewisse Dramatik und ein eigenes Gewicht bekommen haben, kann man nicht den Weg des Schweigens gehen und etwa sagen: der diplomatische Weg hinter verschlossenen Türen ist der bessere. - Es ist manchmal so, aber immer bleibt irgendwo die Frage: Wann müssen wir die Öffentlichkeit suchen und öffentlich sagen, was wirklich los ist? Das, was in den letzten Jahren bis hinein in die letzten Tage in Rumänien geschehen ist, hat ein solches Gewicht, daß wir den Weg des Schweigens nicht mehr gehen können. Meine Damen und Herren, es ist wirklich ein schlimmer Zynismus mit inhumanem Charakter, wenn eine Regierung humanitäre Hilfe ablehnt, die sie ja nichts kostet und nur den Menschen zugute kommt, und dann mit der Begründung ablehnt, es gebe gar keine Notwendigkeit für eine solche Hilfe. Das ist einzigartig in der Geschichte auch unserer Tage. Ich weiß nicht, wann man das Wort verwenden soll, aber ich halte es wirklich für barbarisch, wenn man Tausende von Dörfern, in denen in Hunderten von Jahren eine eigenständige Kultur gewachsen ist, einfach aus irgendwelchen ideologischen Vorstellungen heraus zerstört und kaputtmacht. Da wird Heimat geraubt auf eine ganz bestimmte Weise, da wird Heimat zerstört. Ich weiß nicht, aber wenn solche Kulturen vernichtet werden, dann ist der Begriff einer Kulturschande sehr wohl am Platze. Es mag an dieser Stelle ja sein, daß die rumänische Regierung vor allen Dingen agrarökonomische Projekte vor Augen hat, aber in der Praxis wird zumindest billigend in Kauf genommen, daß gewachsene Strukturen, gerade auch auf Minderheiten bezogen, zerstört werden. Das, finde ich, ist schon eine Verletzung von Menschenrechten, die beim Namen genannt werden muß. Meine Damen und Herren, ich finde es auch in einem hohen Grade politisch unverantwortlich, wenn bei der KSZE-Folgekonferenz eine Einigung nun gerade an Rumänien scheitert. Die sind es, die blockieren und bremsen. Wenn man an die letzten Jahre in Rumänien zurückdenkt, dann gab es einmal eine Phase, in der die Politik dieses Landes doch mit einer gewissen Sympathie begleitet wurde, weil es ein Land war, das sich von der Sowjetunion nicht absolut vereinnahmen lassen wollte; es wollte einen eigenständigen Weg gehen. Da schwang sicher auch ein Stück berechtigten Stolzes mit. Mancher bei uns hat das mit Genugtuung gesehen, ich glaube, aus gutem Grund. Aber heute, wo dieser Sonderweg im Grunde nur noch ein Sonderweg ist, weil dort eine besondere Härte der Menschenrechtsverletzungen vorhanden ist und eine besondere Hartnäckigkeit bei dem Versuch, ideologische Strukturen aufrechtzuerhalten oder durchzusetzen, besteht, da ist alle Sympathie dahingegangen. Rumänien, zum Teil auch die DDR sind heute die Schlußlichter im osteuropäischen Bereich, wenn man die Begriffe Perestrojka und Glasnost denkt. Es ist, meine ich, nun wirklich bedauerlich, daß es so etwas gibt, daß hier Starrheit und Sturheit in einem ganz besonderen Umfange regieren. Es macht nun wirklich kein Vergnügen - Kollege Koschnick hat auch darauf hingewiesen, daß auswärtigen Parlamenten bei der Kritik Grenzen gesetzl sind - , aber die Universalität der Menschenrechte gibt uns nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, hier etwas zu sagen. Wenn da Rumänien auf die Anklagebank kommt, dann sind nicht wir es gewesen, die sie dorthin gesetzt haben, sondern das haben die Verantwortlichen selber getan. Sie haben Menschenrechtspakte mit unterzeichnet, sie sind im Helsinki-Prozef3 mit drin, und doch sträuben sie sich widerborstig gegen positive Entwicklungen und Verbesserungen; ganz im Gegenteil, die Entwicklung der letzten Jahre in Rumänien ist negativ. Deshalb, meine ich, ist es gut, daß der Deutsche Bundestag in einem gemeinsamen Antrag an die in Europa Verantwortlichen, an die eigene Regierung appelliert, alles Erdenkliche zu tun. Wir wissen ja, wie bescheiden die Möglichkeiten sind. Aber ich meine, wir müssen immer wieder den Versuch machen - wie es auch im Antrag heißt -, denjenigen, der Menschenrechte verletzt, politisch zu isolieren und ihm ein bestimmtes Maß an Kooperation zu verweigern, solange er nicht zur Besserung bereit ist. Ich freue mich darauf, daß wir dies gemeinsam tun, und hoffe, daß dieser unser Versuch von Erfolg gekrönt sein wird. Danke. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir GRÜNEN begrüßen, daß es dem Deutschen Bundestag möglich ist, noch vor dem Aufbruch in die Sommerpause eine gemeinsame Resolution zu diskutieren, die den internationalen Druck auf Rumänien verstärken soll. Nachdem wir hier im Dezember letzten Jahres eine kurze Debatte über Rumänien geführt und eine Resolution verabschiedet haben, auf die Ceausescu mit erschreckender Härte und seine Propagandisten mit rosigen Schilderungen der Wirtschaftslage reagierten, hat meine Fraktion ein öffentliches Informationsgespräch über die Situation in Rumänien durchgeführt. Bei dessen Gespräch haben die Schriftsteller György Dalos, Herta Müller, Richard Wagner sowie mehrere Vertreter von amnesty international uns eindringlich über die Situation in Rumänien berichtet. Sie berichteten über die Systematisierungskampagne, und Herta Müller führte aus: Man weiß, wie weit dieses Abrißprogramm in Bukarest gediehen ist.... Man muß das wirklich ernst nehmen und muß wissen, daß Ceausescu dies durchführen wird, wenn er noch genug Zeit dazu haben wird. Es heißt eigentlich, daß absolut alle Leute in Rumänien zwangsumgesiedelt werden. Dörfer wird es nicht mehr geben. Es wird keine dörfliche Struktur mehr geben. Tausende und Abertausende Leute werden auf einen Lastwagen gesetzt und irgendwohin in einen Wohnblock transportiert werden. Das Gesetz heißt Systematisierungsgesetz. Schon im Namen kommt die Inhumanität des Vorgehens zum Ausdruck. Denn Systematisieren von Land und Leuten heißt Verfügen über Land und Leute mit der Geste eines römischen Imperators, der eben mal Rom ansteckte, um es nach seinen Vorstellungen neu aufzubauen. In jener Anhörung hat Gerd Frickenhelm von amnesty international darüber berichtet, wie sehr sich Rumänien abzuschotten beginnt, um jeglicher internationaler Kontrolle seiner Gesetze oder der Situation in den Gefängnissen auszuweichen. Wer sich aber abschottet, blockiert natürlich einen Prozeß, der in Europa jetzt, wie wir meinen, so erfreulich läuft: Er blockiert die KSZE. Ich denke, wir sollten hier an Rumänien appellieren, diese Haltung aufzugeben. Die Forderungen des Antrags werden von uns GRÜNEN voll unterstützt. Ich möchte an dieser Stelle aber noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam machen. Engere Heimat - der Kollege Koschnick hat eben schon davon gesprochen - heißt kulturelle Heimat, heißt nationale Heimat. Natürlich soll es vor allem Minderheiten treffen. Aber wer engere Heimat zerstört, zerstört auch Umwelt. Hier möchte ich darauf hinweisen, daß die Pläne zur Trockenlegung des Donaudeltas, um dort Mais anzubauen, wahrhaftig nicht nur Sache eines Landes sind. Sie betreffen ein einzigartiges Landschaftsgefüge, dessen Auslöschung das ökologische Gleichgewicht in Europa betrifft und zerstören wird. Ich weise darauf hin, daß die Luftverschmutzung durch Fabriken in Giurgiu Gesundheitsschäden bei den Menschen in Bulgarien hervorgerufen hat und Ende letzten Jahres zu heftigen Protesten führte. In den letzten Tagen hat Ceausescu den Direktor der Verwaltung des Freihafens Sulina sowie den Direktor des Chimica-Unternehmens in Bukarest entlassen. Wir wissen nicht, was genau diesen Entlassungen vorausgegangen ist. Wir sind aber besorgt, wenn wir sogar bei der rumänischen Nachrichtenagentur agerpres lesen, daß gesundheitsgefährdende Abfälle einer Liechtensteiner Firma namens Kimika in Sulina gelagert werden sollten, und fragen die Bundesregierung, ob sie von diesen Abfällen etwas weiß. Denn das ist die andere Seite der Medaille. Wir können wahrscheinlich sehr wenig daran tun. Aber westliche Proteste gegen die Vorgänge im Lande werden unglaubwürdig, wenn westliche Konzerne die Diktatur in Rumänien nutzen, um unauffällig und hinter dem Rükken einer kritischen Öffentlichkeit lebensgefährliche Chemieabfälle dort zu lagern. ({0}) Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß die gemeinsame Erklärung dazu beitragen kann, Ceausescu in den Arm zu fallen, und wir hoffen, daß unser Bundeskanzler und unser Außenminister, wenn sie ihre traditionellen Sommergespräche mit europäischen Politikern führen, unsere gemeinsame Resolution in ihrem Aktengepäck haben, um sie der rumänischen Regierung zu überreichen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beklagenswerten und empörenden Zustände in Rumänien, über die wir hier heute sprechen, sind ein trauriger, aber realer Anachronismus. Überall sonst in den Warschauer-Pakt-Staaten sind Umdenkungs- und Umstrukturierungsprozesse in Gang gekommen, die eine bessere Verständigung und die Herstellung von Vertrauen ermöglichen und damit zu einem Klima beitragen, in dem konkrete Abrüstungsschritte und eine Verbesserung der Menschenrechtslage erreicht werden können. Rumänien dagegen versinkt immer mehr im stalinistischen Mittelalter. Die Europäische Gemeinschaft und der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe unterzeichnen eine gemeinsame Erklärung, die die Voraussetzungen dafür schafft, daß nunmehr förmliche diplomatische Beziehungen zwischen der EG und der Sowjetunion sowie anderen COMECON-Ländern aufgenommen und Handelsverträge ausgehandelt werden können. Rumänien entzieht sich dieser Entwicklung und isoliert sich immer stärker, nicht nur vom westlichen Europa, sondern auch von seinen sozialistischen Bruderländern. Was sind das für Regierende, meine Damen und Herren, die erst durch Mißwirtschaft, Starrsinn, Unfähigkeit und ideologische Verblendung ihr eigenes Volk in bittere Not und tiefes Elend stürzen und dann noch die Stirn haben, diese vor aller Welt offen zutage liegenden unglaublichen Mißstände zu leugnen und internationale Hilfe rücksichtslos auszuschlagen, Hilfe, die aus Mitleid, Menschlichkeit und Solidarität mit den Ärmsten der Armen angeboten wird, so wie auch in anderen Fällen, und die ohne jede politische Konditionierung oder Propagandagetrommel ausschließlich humanitären Zwecken dient? Diese Machthaber sind entweder so verblendet, daß sie nicht mehr erkennen können, was jedermann in die Augen springt, oder sie sind abgrundtief zynisch. Wahrscheinlich sind sie beides. Hier schlägt Versagen in Verbrechen um. Zunehmend ist, meine Damen und Herren, und, ich meine, zu Recht, vom „gemeinsamen Haus Europa" die Rede. In einem gemeinsamen Haus müssen aber alle Bewohner ihren Platz, ihren Lebensraum und ihre Entfaltungsmöglichkeit haben. Dies gilt insbesondere für Minderheiten. Rumänien respektiert diese Grundsätze in seiner eigenen Wohnung nicht. Nach einer alten und wahren Erkenntnis, der wir Liberale uns im besonderen Maße verpflichtet fühlen, läßt sich der Stand von Kultur und Gesittung von Staaten und Gesellschaften daran messen, wie sie mit ihren Minderheiten verfahren. Und so läßt sich nicht zuletzt an der Behandlung der nationalen Minderheiten in Rumänien ablesen, welchen politischen und moralischen Tiefstand dieses Land inzwischen erreicht hat. Als Deutsche sind wir natürlich besonders über das Schicksal der unterdrückten deutschen Minderheit besorgt. Als Menschen und Europäer sind wir aber für das Schicksal der anderen Minderheiten, u. a. der Ungarn, in gleicher Weise verantwortlich. Das Bild Rumäniens wirkt in diesem Zusammenhang um so düsterer, wenn man sich vergegenwärtigt, daß in anderen Warschauer-Pakt-Staaten durchaus positive Entwicklungen festzustellen sind, was die Behandlung der nationalen Minderheiten betrifft. Ich möchte hier Ungarn und Bulgarien erwähnen. In dieses Bild Rumäniens paßt dann bruchlos der ungeheuerliche Plan des Regimes, ganze Dörfer, gewachsene Lebensstrukturen, Heimat für Zigtausende von Menschen, gleich massenweise einzuebnen. Sollte dies Wirklichkeit werden, so hätte sich Rumänien wohl für nicht absehbare Zeit aus dem Kreis der auch nur halbwegs zivilisierten Nationen abgemeldet. Was können wir tun, meine Damen und Herren? Leider sehr wenig. Wirtschaftlicher Druck scheidet in diesem Fall schon mangels Masse aus. Politischem Druck gegenüber wird Rumänien zusehends resistent. Aber wir müssen es versuchen. Wir rufen Rumänien zu: Kehrt um, solange es noch nicht endgültig zu spät ist, besinnt euch auf eure Traditionen als zivilisiertes europäisches Kulturland! ({0}) - Liebe Frau Olms, wir reden heute hier über Rumänien, und man kann dabei nicht die ganze Latte aller Menschenrechtsverletzungen auf der Welt wieder abhaspeln. Bitte verstehen Sie das doch. Viele in der Welt haben inzwischen erkannt, daß Gewalt keine Probleme löst, daß Unterdrückung kein Ausweg ist und daß nur durch Öffnung und faire internationale Partnerschaft auch schwierige Situationen gemeistert werden können. Jeder andere Weg führt den, der ihn geht, als ersten ins Verderben. Das sollte man auch in Rumänien wieder zur Kenntnis nehmen. Die europäische Staatengemeinschaft im Osten wie im Westen muß alles, was sie tun kann, so wenig es ist, dazu beitragen, daß Rumänien von seinem verhängnisvollen Irrweg abläßt und sich wieder als zu respektierendes Mitglied in diese Völkergemeinschaft einreiht. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Staatsminister Schäfer.

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die jüngsten Entwicklungen und der als Konsequenz daraus verfaßte interfraktionelle Entschließungsantrag veranlassen den Deutschen Bundestag, sich heute erneut kritisch mit Rumänien zu befassen. Es ist nur zu verständlich, wenn Meldungen über die von der Regierung Ceausescu geplante Auflösung von Tausenden rumänischer Dörfer und die damit verbundene zwangsläufige Umsiedlung ungezählter Menschen bei uns Sorge und Empörung hervorrufen. Wir wissen uns in diesen Empfindungen einig mit unseren Partnern im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit. Wir registrieren auch die BeStaatsminister Schäfer fürchtungen, die Nachbarn Rumäniens um ihre dort lebende Minderheit haben. Was uns als Europäer bewegt, ist die Sorge um die Erhaltung einer in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft, die offenbar einer Einheitsstruktur weichen soll. Das kulturelle Erbe Rumäniens ist auch unser gemeinsames europäisches Erbe. Was uns aber menschlich so betroffen macht, ist das Wissen, daß hier viele Bürger dieses Landes aus ihrem angestammten Zuhause weichen sollen. Was uns als Deutsche zudem bewegt, ist die Befürchtung, daß auch unserer nationalen Minderheit, das den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben, die Basis ihrer kulturellen und nationalen Identität genommen werden könnte. Die Bundesregierung hat der rumänischen Regierung diese Sorgen in aller Deutlichkeit dargelegt. Sie begrüßt den vorliegenden Entschließungsantrag, der Rumänien deutlich macht, daß sich alle in diesem Hause vertretenen Parteien in ihrer Beurteilung des rumänischen Vorgehens einig sind. Es bleibt die Frage, wie man auf die rumänische Regierung direkt einwirken kann. Das ist eine Frage, die sich auch beim KSZE-Folgetreffen in Wien immer dringender stellt, wo Rumänien den Fortgang der Verhandlungen derzeit blockiert. Es wird mit Sicherheit nicht nur von westlichen Staaten versucht, Rumänien zu einer kooperativen Haltung zu bewegen. Es wäre bedauerlich, wenn sich Rumänien mehr und mehr isolieren würde. Ich darf aber auch hier ganz klar zum Ausdruck bringen, daß wir kein Interesse daran haben, Rumänien zu isolieren, und das nicht nur deshalb, weil wir den Menschen damit nicht helfen würden, die aus Rumänien ausreisen wollen. Denn auch im Zeitalter der KSZE ist es leider keine Selbstverständlichkeit, daß jährlich Tausende von Deutschen aus einem osteuropäischen Land in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln können. Wir glauben deshalb weiter an die Möglichkeit des politischen Dialogs, an eine Politik der Umsicht und des Augenmaßes, auch gegenüber Rumänien, wie ich dies sinngemäß am 9. Dezember 1987 an dieser Stelle bereits gesagt habe. Eine solche Politik dürfen wir bei aller wachsenden Besorgnis über die Entwicklungen in Rumänien nicht aufgeben. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 3 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Todesurteile in Südafrika - Drucksache 11/2539 Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hornhues.

Prof. Dr. Karl Heinz Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000960, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum - ich weiß nicht - wievielten Male haben wir das Thema Südafrika auf der Tagesordnung, ({0}) heute allerdings mit einem ganz speziellen und besonderen Akzent und Aspekt, nämlich der Frage der Vollstreckung der Todesurteile gegen die Sharpeville Six in Südafrika. Das ist ein Thema, das uns wiederholt bewegt hat und uns heute angesichts der Lage unverändert bewegt. Es ist ein Vorgang, der dazu geführt hat, daß alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zu einem gemeinsamen Antrag gefunden haben, der heute Gegenstand der Beratung ist. Es ist ein gemeinsamer Antrag, der mit aller Nachdrücklichkeit und Dringlichkeit an diejenigen appelliert, die in Südafrika Verantwortung tragen, die Todesurteile aufzuheben. In Sorge und Betroffenheit über das Schicksal der sogenannten Sharpeville Six, jener fünf Männer und einen Frau, stehen wir hier und diskutieren dieses Thema. Dabei soll nicht vergessen sein, daß der Ausgangspunkt die Ermordung des schwarzen Stadtrates Diamini gewesen ist, der auf grausige Weise gesteinigt, mit Benzin übergossen und angezündet worden ist. Niemand soll und darf glauben, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir diesen Mord, aus welchen Motiven auch immer, in irgendeiner Weise billigen können. Seiner Familie gehört unser tiefes Mitgefühl und unsere Anteilnahme. Wir sollten dies in dieser Stunde nicht vergessen. Wenn wir uns trotzdem für die Sharpeville Six einsetzen, dann geschieht das deshalb, weil zum einen das südafrikanische befindende Gericht selber zugegeben hat, daß eine unmittelbare Verbindung zwischen den Handlungen der Angeklagten und dem Tod des Opfers nicht nachgewiesen werden konnte, weil die Berufung auf die umstrittene Rechtsdoktrin der gemeinsamen Sache - „common purpose" - mit der Konsequenz der Todesstrafe rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht standhält, weil offensichtlich ein Exempel statuiert werden sollte. Die Vollstreckung der Todesstrafe, die nach dem 19. Juli erneut droht, wird die Verbitterung in weiten Teilen der Schwarzen Südafrikas weiter steigern und bringt zusätzliche Gefahren neuer Unruhen mit zusätzlicher Gewalt und Gegengewalt. Die Möglichkeit eines Antrages auf Revision beim obersten Richter des Supreme Court in Bloemfontein ist gegeben. Wir fordern, daß alle rechtlichen Möglichkeiten in Südafrika ausgeschöpft werden, um die Vollstreckung der Todesurteile zu verhindern. Trotz aller Appelle der Weltöffentlichkeit, des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, des Bundesaußenministers sowie des bayerischen Ministerpräsidenten hat es der südafrikanische Präsident Botha bislang abgelehnt, von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen. Heute appelliert der gesamte Deutsche Bundestag an ihn, von diesem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen und die Todesurteile endlich aufzuheben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Botha hat in der Begründung, warum er dieses nicht tue, erklärt, er wolle dem Recht in seinem Lande den Lauf lassen. Am Ende eines noch nicht ganz abgeschlossenen Rechtsprozesses steht als letztes die Möglichkeit der Begnadigung. Botha täte sich, seinem Lande in vielfältiger Hinsicht einen großen Dienst, er würde Schaden von seinem Land und seinen Menschen abwenden, wenn er bereits heute unserer Bitte, Aufforderung und Forderung nachkäme, zu erklären, daß er von seinem Gnadenrecht Gebrauch machen will. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Toetemeyer.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß eine Delegation des Gewerkschaftskongresses Südafrikas, der COSATU, oben auf der Tribüne sitzt und unsere Diskussionen verfolgt. ({0}) Ich halte diesen Tag für einen historischen Tag im Parlament; denn zum ersten Mal - wenigstens, solange ich dem Bundestag angehöre - gibt es eine einstimmige Entschließung des Deutschen Bundestages, getragen von allen Fraktionen, angesichts der Dinge, die der Kollege Hornhues im Blick auf die Six von Sharpeville hier vorgetragen hat. Ich glaube, es ist sinnvoll, heute noch einmal ein bißchen Revue passieren zu lassen, um daran auch deutlich zu machen, um welch einen Staat es sich handelt. Am 3. September 1984 ist von etwa 1 000 aufgebrachten Bewohnern des Townships Sharpeville - das ist etwas südlich von Johannesburg - ein korrupter, von weißen Behörden eingesetzter schwarzer Kommunalbeamter, der von den Bürgern für die Mieterhöhung verantwortlich gemacht wurde, umgebracht worden. Von den Sicherheitsbeamten sind aus der Menge wahllos sechs Menschen herausgegriffen und verhaftet worden. Im sich anschließenden Gerichtsverfahren haben die Verteidiger darauf hingewiesen, daß einer der Herausgegriffenen zur Tatzeit noch nicht einmal in der Nähe des Tatorts war, einem anderen auf Grund einer zweifelhaften Zeugenaussage lediglich ein Steinwurf nachgewiesen werden konnte und einem anderen durch vom Gefängnisarzt bestätigte Elektroschocks ein Geständnis abgepreßt worden ist. Dennoch wurden Sie zum Tode verurteilt. Es ist interessant, aus der Verkündung des Gerichts einen Satz zu zitieren: Keiner der wegen Mordes Verurteilten hat tatsächlich den Tod des Verstorbenen verursacht, sie stimmten aber mit der Absicht der Menge, den Beamten zu töten, überein. Deswegen wurden sie zum Tode verurteilt. Das angerufene Berufungsgericht, der Oberste Gerichtshof in Pretoria, hat die Berufung verworfen und als Tag der Vollstreckung zunächst den 18. März dieses Jahres festgesetzt. Wieder ein Zitat aus der - übrigens übereinstimmenden - Entscheidung aller fünf Richter: Mit der Verhängung der Todesstrafe auch bei nicht nachweisbarer direkter Tatbeteiligung ist ein Beispiel zwecks größerer Rechtssicherheit zu setzen. Am 16. März reichten die Verteidiger neues Beweismaterial in Pretoria ein, so daß das Gericht die Vollstreckung zunächst bis zum 18. April aussetzte. Am 15. April haben die Verteidiger formell die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Entscheidender Grund war: Der wichtigste Zeuge der Anklage damals, Joseph Manete, hatte in einer schriftlichen beeidigten Erklärung dargelegt, daß er zu seiner damaligen belastenden Aussage von der Polizei unter Folter gezwungen worden sei; er nehme sie zurück. Am 13. Juni hat - wie wir alle wissen - der Oberste Gerichtshof in Pretoria die Wiederaufnahme abgelehnt. Wen wundert das, angesichts der von mir zitierten Begründung im März! Ich zitiere Richter Human - in diesem Fall ist leider nomen non omen - : Der Antrag der Verteidigung ist frivol und absurd. Es wird eine Frist von 35 Tagen festgesetzt, innerhalb derer ein Gnadengesuch an den Präsidenten P. W. Botha gestellt werden kann. Als Vollstreckungstag wird der 19. Juli festgesetzt, meine Damen und Herren, ein Tag nach dem 70. Geburtstag von Nelson Mandela - sehr bezeichnend. Botha hat schon einmal ein Gnadengesuch abgelehnt. Dieser Vorgang bestätigt die Aussagen - Frau Präsidentin, wenn Sie das noch gestatten - in einem 160 Seiten starken Dokument - ich empfehle es sehr Ihrer Lektüre - , das 40 Professoren der Jurisprudenz am 10. Mai in Genf zur Situation in Südafrika als Ergebnis des Besuchs einer Delegation von Kollegen im Jahre 1987 vorgelegt haben. In diesem Dokument heißt es: Eine undemokratische Regierung hat die Macht der Exekutive ausgeweitet, damit den Rechtsstaat unterminiert und natürliche Menschenrechte zerstört. An anderer Stelle heißt es: Wir weisen besonders auf den weitverbreiteten Gebrauch von Folter und Gewalt, sogar gegen Kinder, hin, der gewöhnlich von der Regierung geleugnet und deswegen nicht bestraft wird, obwohl er ganz offenbar illegal ist. Toetemeyer Abschließend: Besondere Mißbräuche haben wir beim Einsatz der Sicherheitskräfte bei der Kontrolle von Versammlungen in Form von Gewalttätigkeiten, die Tötung einschließen, beobachtet. Das Vorgehen gegen die Six von Sharpeville bestätigt dieses Gutachten der Professoren, deren Schlußfolgerung lautet, es handele sich um einen Unrechtsstaat. Ich freue mich, daß wir gemeimsam dagegen angehen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Durchblättern der Pressemeldungen der letzten Tage und Wochen ist mir deutlich geworden, daß die zivilisierte Weltöffentlichkeit um die Nichtvollstreckung der Todesurteile an den sogenannten Sharpeville Six ringt. Flehentliche Bitten und flammende Empörung machen sich in Resolutionen und Telegrammen, in Briefen und Kundgebungen Luft. Der Deutsche Bundestag, der sich allein in den letzten Wochen zweimal mit der Eskalation von Gewalt und Unrecht in Südafrika beschäftigt hat, appelliert in dieser Stunde einmütig an die Verantwortlichen in Südafrika, die Todesstrafen nicht zu vollstrecken. Das ist für uns, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, alles andere als eine Pflichtübung. Das ist eine Manifestation unserer Sorge, unseres Entsetzens, ja auch unserer Empörung. ({0}) Die bange Frage bleibt: Wird es uns gelingen, ein Unrechtsregime, das tagtäglich Unrecht sät und sich nur mit Hilfe des Ausnahmerechts und mit Unterstützung der Bajonette der Polizei aufrechterhalten kann, durch solche Manifestationen davon abzuhalten, die Todesurteile an einer Frau und fünf Männern schwarzer Hautfarbe zu vollstrecken, denen die Tat - das hat Herr Kollege Toetemeyer gerade genau beschrieben - nicht nachgewiesen werden konnte? Nein, meine Damen und Herren, kein gerechtes Urteil wurde gesprochen, sondern ein politisches Exempel sollte statuiert werden. Im Verlauf des Prozesses wurden Zeugenaussagen erpreßt - Herr Toetemeyer hat es auch erwähnt -, Gefangene wurden gefoltert, die Nichtbeteiligung einer Angeklagten nachgewiesen. Meine Damen und Herren, was ist das am Ende eigentlich anderes als politische Urteile à la Volksgerichtshof? Dazu dürfen wir nicht schweigen. ({1}) Es gibt den Rechtsgrundsatz: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Das ist ein fundamentaler Grundsatz der abendländisch-christlichen Rechtsprechung. Mit diesem Grundsatz wurde wohl das erste und älteste aller Menschenrechte begründet. Gegen diesen Grundsatz wurde bei diesen Urteilen gröblich verstoßen. Dieser Grundsatz, der für jede Straftat in unserem Rechtssystem gilt, muß er nicht um so konsequenter bei jener Strafe angewandt werden, bei deren Vollstreckung es nachträglich keine Gnade, keine Revision, keine Abänderung mehr gibt? ({2}) Schon deshalb ist es aller Anstrengungen und Einsätze wert, die südafrikanische Regierung mit allem Ernst und Nachdruck heute darauf hinzuweisen, daß sie sich mit einer Vollstreckung der Todesurteile abermals und endgültig außerhalb aller Rechtsgrundsätze und Werte westlicher Gesellschaften stellt. ({3}) - Ich komme auf die anderen auch noch, Frau Kollegin. Hierzu dürfen wir nicht schweigen, hier müssen wir, wenn nötig, endlich auch mit politischen Maßnahmen, reagieren. Wenn wir all das nicht tun, verlieren die westlichen Staaten ihre Glaubwürdigkeit gegenüber der schwarzen Mehrheit und gegenüber ganz Schwarzafrika. ({4}) Muß nicht die südafrikanische Regierung auf Grund der bisherigen Halbherzigkeit westlicher Bekundigungen davon ausgehen, daß es auch diesmal bei nur verbalen Bekenntnissen bleibt, und muß sich die Bevölkerung Schwarzafrikas nicht im Stich gelassen fühlen und dann bei anderen Mächten Unterstützung suchen? Man mag einwenden - ich komme jetzt auf Ihren Zwischenruf zurück, Frau Kollegin - , daß es tagtäglich in dieser Welt und vor allem dort, wo Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Rasse oder ihrer Religion verfolgt und verurteilt werden, schreiendes Unrecht geschieht. In Südafrika sind es seit 1980 über 1 300 Todesurteile, überwiegend an schwarzen Menschen, die vollstreckt wurden, in diesem Jahr bereits 160. Weitere 52 Verurteilte warten in Todeszellen. Auch zu deren Schicksal dürfen wir heute nicht schweigen. Für die FDP möchte ich hinzufügen, daß wir unseren Protest, unsere grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe als Instrument staatlicher Rache und Vergeltung bekräftigen und daß dies einer fast 100jährigen liberalen Tradition entspricht. Wir fordern die weltweite und endgültige Ächtung der Todesstrafe. Wir können es anläßlich dieser Vorgänge vielleicht in der Weltöffentlichkeit bewußter machen, daß diese martialische staatliche Form der Rache nicht weiter existieren darf, jedenfalls nicht in einer sich als „human" verstehenden Gesellschaft. ({5}) Meine Damen und Herren, unsere Gedanken wandern in dieser Stunde zu den Verurteilten in den südafrikanischen Todeszellen, den Sechs von Sharpeville und all den anderen. Wir fordern die Nichtvollstrekkung der Todesurteile, insbesondere dann, wenn die Tat nicht nachgewiesen werden konnte. Wir empfehlen sie aber auch der Gnade dessen, der über aller menschlichen Unvernunft und Rachsucht waltet. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Olms.

Ellen Olms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001648, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem 19. Juli droht erneut die Vollstreckung der Todesstrafe gegen die Sechs von Sharpeville. Der Oberste Gerichtshof lehnte am 13. Juni einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Sharpeville Six ab und verlängerte den Aufschub der Hinrichtung auf den 19. Juli. Die Verteidigung der sechs Angeklagten wird zwar Berufung an den Chief Justice, den höchsten Richter des Landes, einlegen, doch ist davon auszugehen, daß auch dieser Richter die Berufung ablehnen wird. Dafür sprechen auch meine persönlichen Erfahrungen, die ich in Pretoria beim Wiederaufnahmeverfahren machen konnte. Es bleibt also als letzte Möglichkeit ein Gnadengesuch an den Präsidenten des Rassistenregimes Botha. Vor diesem Hintergrund haben wir GRÜNE einen Antrag mit unterzeichnet, dessen politischen Inhalt wir für katastrophal halten. Ich möchte dies kurz begründen. Erstens. Im vorliegenden Antrag fordert der Deutsche Bundestag, daß Südafrika alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen möge, die drohende Vollstreckung der Todesurteile zu verhindern. „Rechtliche Möglichkeiten"? In diesem Rassistenregime gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten. Das Sharpeville-Verfahren ist doch ein weiteres Dokument für diese Unrechtsregime, in dem nicht einmal die minimalsten rechtsstaatlichen Standards erfüllt werden. Das wissen Sie so gut wie ich. Durch diese im Antrag enthaltene Formulierung wird jedoch genau das Gegenteil gesagt: „Rechtliche Möglichkeiten" setzen doch wohl voraus, daß es solche in Südafrika gibt, und es impliziert, daß von rechtsstaatlichen Verhältnissen in Südafrika ausgegangen wird. Mehr noch: Dieser Satz beinhaltet die faktische Anerkennung dieses Unrechtsregimes. Zweitens. Der Antrag gibt sich damit zufrieden, daß - ich zitiere - „die Vollstreckung der Todesurteile schwerwiegende außenpolitische Konsequenzen haben kann". Man wartet also erst einmal ab, ob die Sharpeville Six hingerichtet werden oder nicht, und übermittelt Präsident Botha die Botschaft, daß die Vollstreckung Konsequenzen haben könnte. Es ist blanker Zynismus, alle möglichen Konsequenzen offenzulassen. Mehr noch: Wir haben erneut die schlimme Befürchtung, daß die angedrohten Konsequenzen wieder einmal völlig folgenlos bleiben werden, wie immer. Warum steht im Antrag nicht einmal das, was der Öffentlichkeit schon bekannt ist, daß nämlich die Europäische Gemeinschaft im Falle der Vollstreckung der Todesurteile ihre Botschafter aus Pretoria abziehen will? - Anerkennung der südafrikanischen Rechtsstaatlichkeit, der allein schon das Verfahren gegen die Sharpeville Six Hohn spricht. - Völlig folgenlose Androhung von Konsequenzen, wenn die Sharpeville Six bereits hingerichtet worden sind. Wenn wir trotzdem unterschrieben haben, dann einzig aus dem Grund, nichts unversucht zu lassen, den zum Tode Verurteilten zu helfen. Wir zahlen dafür einen ziemlich hohen politischen Preis: Wir haben ein Dokument unterzeichnet, das die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Südafrika erschreckend beschönigt ({0}) - hören Sie doch einmal zu - , ein Dokument, das die Mitverantwortung der Bundesregierung für Unterdrückung, Folter und Mord in Südafrika leugnet. Wir haben dieses Dokument gemeinsam mit einer Partei unterzeichnet, deren Vorsitzender Strauß beste Beziehungen zu dem Rassisten Botha unterhält. Wir sind bereit, diese Kröten zu schlucken, selbst auf die nur sehr vage Hoffnung hin, die Sharpeville Six zu retten. Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Satz sagen. Das bleibt der erste und der letzte gemeinsame Entschließungsantrag, den wir um die vom Tode bedrohten sechs Menschen willen mittragen, wenn sich die übrigen Parteien des Deutschen Bundestages nicht endlich dazu durchringen, mehr als bloße Appelle gegen das Rassistenregime zu verabschieden. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Staatsminister Schäfer.

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit tiefer Sorge und Betroffenheit hat die Bundesregierung die Entscheidung des zuständigen Gerichts in Pretoria zur Kenntnis genommen, mit der eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die zum Tode verurteilten Sharpeville Six abgelehnt wird. Die Bundesregierung begrüßt, Frau Kollegin Olms, die Möglichkeit, daß Sie hier gemeinsam einen Antrag verabschieden, den Sie durch Ihren Redebeitrag nicht sonderlich unterstützt haben, ({0}) und appelliert selbst erneut dringend an die Verantwortlichen in Südafrika, die Wiederaufnahme des Verfahrens zuzulassen. Sie wiederholt ferner ihren Appell an Staatspräsident Botha, von seinem Gnadenrecht Gebrauch zu machen und das Leben der Sharpeville Six zu schonen. Die Außenminister der Zwölf haben am 14. Juni 1988 ihre große Betroffenheit und tiefe Sorge über das Schicksal der Sharpeville Six ausgesprochen. Sie forderten nachdrücklich, daß alle rechtlichen Möglichkeiten in Südafrika genutzt werden, um die Vollstrekkung der Todesstrafe zu verhindern. Der deutsche Botschafter in Pretoria hat im Namen der Zwölf im dortigen Außenministerium demarchiert und die Erklärung der EG-Außenminister übergeben. Meine Damen und Herren, inzwischen haben auch die sieben westlichen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Toronto an den Staatspräsidenten Staatsminister Schafer Südafrikas appelliert, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und von seinem Gnadenrecht Gebrauch zu machen. Eine Vollstreckung der Todesurteile würde die bestehenden Gräben zwischen Schwarz und Weiß in Südafrika weiter vertiefen und die innenpolitische Lage unerträglich verschärfen. ({1}) Der Weg zu weiterer Gewalt und Blutvergießen wäre damit vorgezeichnet. Für das Leben der Sharpeville Six haben sich die Staats- und Regierungschefs der europäischen Staaten eingesetzt. Die südafrikanische Regierung muß sich darüber im klaren sein, daß die Vollstreckung der Todesurteile das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und Südafrika aufs schwerste belasten würde. Sie muß mit entsprechenden Reaktionen rechnen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung fordert noch einmal die Verantwortlichen in Südafrika auf, Humanität und Gerechtigkeit walten zu lassen. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 23. Juni 1988, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.